AufenthG, Prozeßkostenhilfe, Drogentherapie

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AufenthG, Prozeßkostenhilfe, Drogentherapie
VGH München, Beschluss v. 13.05.2015 – 10 C 14.2795
Titel:
zwingende Ausweisung, Heroinhandel, Drogentherapie, Irak, Abschiebung
Normenkette:
AufenthG § 53 Nrn. 1 u. 2
Schlagworte:
zwingende Ausweisung, Heroinhandel, Drogentherapie, Irak, Abschiebung
Tenor
I.
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
1
Mit der Beschwerde verfolgt der Kläger, ein irakischer Staatsangehöriger, seinen in erster Instanz
erfolglosen Antrag weiter, ihm für seine gegen den Bescheid der Beklagten vom 17. September 2014
gerichtete Klage Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten zu bewilligen. Mit
diesem Bescheid hat die Beklagte den Kläger aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen, die
Wirkungen der Ausweisung auf fünf Jahre ab der Ausreise aus dem Bundesgebiet befristet, den Antrag des
Klägers vom 6. April 2005 auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis abgelehnt und die Abschiebung des
Klägers in den Irak angedroht.
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Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Bewilligung von
Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren zu Recht abgelehnt, weil die Voraussetzungen für die
Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 114 Abs. 1 Satz 1
ZPO nicht vorliegen. Denn die beabsichtigte Rechtsverfolgung bot weder zum grundsätzlich maßgeblichen
Zeitpunkt der Bewilligungs- oder Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfeantrags (st. Rspr.; vgl. z. B.
BayVGH, B. v. 24.3.2015 - 10 C 13.878 - juris Rn. 2) hinreichende Aussicht auf Erfolg, noch hat sich nach
dem Eintritt der Bewilligungsreife die Sach- und Rechtslage entscheidend zugunsten des Klägers geändert.
Die auf Aufhebung der Ausweisungsverfügung der Beklagten (1.), hilfsweise Verkürzung der Sperrfrist (2.),
Verpflichtung der Beklagten zur beantragten Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis (3.) sowie Aufhebung
der Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung (4.) gerichtete Klage des Klägers ist voraussichtlich
unbegründet.
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1. Das Verwaltungsgericht ist ohne Rechtsfehler davon ausgegangen, dass der Kläger mit seiner
rechtskräftigen Verurteilung durch das Landgericht A. vom 24. Februar 2010 wegen gemeinschaftlichen
unerlaubten Handeltreibens von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem
Besitz von Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren sechs Monaten den Tatbestand einer
zwingenden Ausweisung (nach § 53 Nr. 1 und 2 AufenthG) erfüllt hat, keinen besonderen
Ausweisungsschutz nach § 56 AufenthG genießt und sich die Ausweisungsverfügung der Beklagten unter
Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls auch gemessen an den Vorgaben des Art. 8 EMRK als
verhältnismäßig erweist.
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Besondere oder außergewöhnliche Umstände und individuelle Belange des Klägers, die bei der gebotenen
Abwägung ausnahmsweise das hohe sowohl spezial- als auch generalpräventive
Aufenthaltsbeendigungsinteresse aufgrund der vom Kläger begangenen zahlreichen Straftaten, darunter vor
allem mehrere (zum Teil gravierende) Körperverletzungsdelikte und das Handeltreiben mit Heroin
(Anlasstat), letztlich überwiegen würden, hat das Verwaltungsgericht zu Recht verneint. Dass insbesondere
die Gefahren, die vom illegalen Handel mit Betäubungsmitteln und insbesondere dem vom Kläger
gehandelten besonders gefährlichen Heroin ausgehen, besonders schwerwiegend sind und ein
Grundinteresse der Gesellschaft berühren, ist in der Rechtsprechung geklärt (vgl. z. B. BayVGH, U. v.
27.5.2014 - 10 B 12.1700 - juris Rn. 31 m. w. Rspr-nachweisen). Zwar ist insoweit zugunsten des Klägers
zu berücksichtigen, dass der Kläger den bei ihm durch das Strafgericht festgestellten Hang zum
Betäubungsmittelmissbrauch (Kokain), eine Ursache seiner Betäubungsmittelstraftaten, in dem vom
Strafgericht angeordneten Maßregelvollzug (Unterbringung in einer Entziehungsanstalt) bis jetzt erfolgreich
bekämpft hat. Denn der Kläger wurde am 7. Mai 2013 regulär aus dem Maßregelvollzug im
Bezirkskrankenhaus K. entlassen und hat ausweislich der vorgelegten Bestätigung des
Bezirkskrankenhauses vom 8. Dezember 2014 die Termine der ambulanten Nachsorge wahrgenommen,
wobei alle durchgeführten Drogenscreenings negativ waren. Das in § 53 AufenthG (auch) zum Ausdruck
kommende spezialpräventive Ausweisungsinteresse kommt deshalb zwar nicht mehr uneingeschränkt zum
Tragen, von einem Wegfall dieses Aufenthaltsbeendigungsinteresses kann angesichts der bisherigen
Bewährungszeit des Klägers nach dem Ende seines Maßregelvollzugs und mit Blick auf die besonders
schwerwiegenden Gefahren und verheerenden Auswirkungen von Drogen wie Heroin nach Auffassung des
Senats gleichwohl nicht ausgegangen werden. Das bei einer so gravierenden Betäubungsmittelstraftat
gemäß § 53 AufenthG daneben grundsätzlich gegebene erhebliche generalpräventive
Ausweisungsinteresse besteht vorliegend ohnehin (noch) ungemindert.
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Das Verbleibeinteresse des Klägers hat das Verwaltungsgericht trotz der bisherigen Aufenthaltsdauer und
der wieder aufgenommenen (regelmäßigen) Erwerbstätigkeit zutreffend als nicht besonders gewichtig
angesehen, weil die Anbindung des Klägers an die Bundesrepublik Deutschland insbesondere in familiärer
Hinsicht nicht eng ist (der Kläger hat keine hier lebenden Familienangehörigen), der Kläger zudem bisher
keine erheblichen Integrationsleistungen vorzuweisen und andererseits über 20 Jahre seines Lebens im
Irak verbracht hat, wo offensichtlich auch noch Angehörige leben.
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Schließlich hat das Verwaltungsgericht in nicht zu beanstandender Weise darauf verwiesen, dass der
Kläger, der beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge inzwischen einen Asylfolgeantrag gestellt hat,
daraus derzeit noch nichts zu seinen Gunsten herleiten kann.
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2. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Festsetzung einer kürzeren als die im Bescheid der Beklagten vom
17. September 2014 bestimmte Sperrfrist von fünf Jahren. Unter Zugrundelegung der gesetzlichen
Maßstäbe des § 11 Abs. 1 Satz 4 AufenthG und Berücksichtigung der dazu in der Rechtsprechung
entwickelten Grundsätze (vgl. z. B. BVerwG, U. v. 13.12.2012 - 1 C 14.12 - juris) kommt auch nach
Auffassung des Senats die Festsetzung einer kürzeren Sperrfrist derzeit nicht in Betracht. Maßgeblich zu
berücksichtigen sind dabei das besondere Gewicht des Ausweisungsgrundes und die demgegenüber nicht
besonders gewichtigen persönlichen Bindungen des Klägers im Bundesgebiet.
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3. Dem Kläger steht auch der geltend gemachte Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nicht
zu (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Auf die Begründung des Verwaltungsgerichts, die wiederum auf den
diesbezüglich im Eilverfahren des Klägers (Au 1 S 14.1486) ergangenen Beschluss vom 30. Oktober 2014
verweist, wird insoweit gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO Bezug genommen.
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4. Nach alledem ist auch die nach § 59 Abs. 1 Satz 1 AufenthG ergangene Abschiebungsandrohung
rechtlich nicht zu beanstanden.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
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Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, weil die nach Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses zum
Gerichtskostengesetz (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) anfallende Gebühr streitwertunabhängig ist.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).