SchiedsamtsZeitung Nachbarstress um Taubenhaltung

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SchiedsamtsZeitung Nachbarstress um Taubenhaltung
SchiedsamtsZeitung
Online-Archiv
72. Jahrgang 2001, Heft 10
Seite 217 - 220
Organ des BDS
Bund Deutscher Schiedsmänner und
Schiedsfrauen e.V. -BDSPostfach 100452 ‹ 44704 Bochum
www.schiedsamt.de ‹ [email protected]
Nachbarstress um Taubenhaltung
von Detlef Stollenwerk, Plaidt
Tauben werden von ihren menschlichen Feinden gerne als »Ratten der Lüfte« bezeichnet. Nun diese Namensgebung kommt nicht von ungefähr, weil zwischenzeitlich
wissenschaftlich erwiesen ist, dass sie als Überträger von Krankheiten in Frage kommen. Zumindest gilt dies für verwilderte Tauben. Aber auch werden sie in
Wohngegenden nicht gerne gesehen. Tauben verursachen nicht nur Dreck in Form
von Taubenkot, auch die Haltung führt oftmals zu Lärm- und Geruchsbelästigungen.
In Stuttgart1, so wurde berichtet, sind sogar so genannte Anti-Tauben Kommandos
im Einsatz, deren Tätigkeit darin besteht, Fensterbänke und ähnliches unter Starkstrom zu setzen, damit verwilderte Tauben von den Geschäfts- und Wohnpassagen
dauerhaft vertrieben werden.
Rechtliche Einordnung
Juristisch werden Tauben als so genannte »Grobimmissionen« i. S. von § 906 des
Bürgerlichen Gesetzbuches eingestuft, der dem Nachbarn einen Abwehranspruch
gegenüber dem Halter von Tauben einräumt, wenn die Zuführung dieser Immission
für ihn eine wesentliche Grundstücksbeeinträchtigung auslöst2. Die Rechtsprechung
und Literatur ist darüber hinaus der Auffassung, dass § 906 BGB nicht nur auf die
von dem Grundstück des Taubenhalters ausgehenden Belästigungen anwendbar ist,
sondern auch, wenn Tauben auf Nachbargrundstücken fliegen oder es überfliegen
und dabei Geräusche verursachen oder es durch Staub und Kot verunreinigen3. Anspruchsgegner ist wie betont der Tierhalter, Bei Wildtauben, da hier ein Halter nicht
vorhanden ist, derjenige, wer diese anfüttert4.
Wesentliche Beeinträchtigung des Nachbarn
Der Grundstücksnachbar kann sich gegen die Taubenhaltung zur Wehr setzen, wenn
er nachweisen kann, dass durch die Haltung der Tiere für ihn eine wesentliche Beeinträchtigung (z. B. Belästigung durch Taubengurren, Beschmutzung seines Grundstücks pp.) entsteht. Dennoch kann nach einer Entscheidung des OLG Düsseldorf
trotz Vorliegens einer wesentlichen Beeinträchtigung die Taubenhaltung zulässig
sein, wenn diese ortsüblich ist5. Dass der Nachbar in diesem Falle die Taubenhaltung
dulden muss, so die Richter, ergebe sich aus dem so genannten »nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis«, welches auf der Grundlage von Treu und Glauben (§ 242
BGB) von der Rechtsprechung und der Litera
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Taubenhaltung in einem Wohnbereich vertrat das OLG Gelle6 die Ansicht, dass ein
Anspruch auf generelle Untersagung einer Taubenhaltung zu weit gehe. Eine Reduzierung der Tauben auf 20 Stück und eine Beschränkung der »Flugzeiten« sei ausreichend. Das LG Itzehoe7 beurteilte eine Taubenhaltung mit insgesamt 100 Tieren
als ortsüblich, wenn im Bereich eine Vielzahl von Grundstücken in ähnlicher Weise
genutzt werden. Dagegen untersagte das LG Oldenburg bereits die Haltung von
mehr als 35 Brieftauben8.
Lärmbelästigung durch Taubengurren und Flügelschlagen
Uneinig sind die Gerichte in der Frage der Lärmbelästigung. Das OLG Celle9 ist der
Meinung, dass das Gurren der Tiere allenfalls eine unwesentliche Beeinträchtigung
darstelle. Das OLG Stuttgart10 dagegen sieht eine Störung durch Taubengurren bei
einer Belästigung ab morgens 06.00 Uhr. Das AG Hamburg-Altona11 ging noch einen
Schritt weiter, indem es feststellte, dass ein Taubenpaar bereits empfindliche Leute
stören könne. Das Gurren von etwa 50 Tauben müsse daher in keinem Fall hingenommen werden. Das LG Hamburg12 hielt wegen möglicher Lärmbelästigung für die
Nachbarschaft eine Reduzierung der Tauben auf 10 Stück für geboten. Zu einer
ähnlichen Überzeugung kam auch das OLG Hamm13.
Taubenkot auf dem Nachbargrundstück
Hinsichtlich der Belästigung durch Taubenkot sind die Gerichte überwiegend der
Meinung, dass diese grundsätzlich nicht uneingeschränkt vom Nachbarn hingenommen werden muss. Die Richter des OLG Gelle14 argumentierten, dass ein genereller
Unterlassungsanspruch zur Vermeidung von Taubenkot zu weit gehen würde. Es
müsse dann mit einer Ausrottung frei fliegender Tiere gerechnet werden. Schließlich
werde ein Grundstück, auch von wildlebenden Tieren Sing- oder Rabenvögel) überflogen, gegen welche auch keine Abwehrmaßnahmen möglich seien.
Das Landgericht München15 sprach sich zur Minderung von Beeinträchtigungen dafür
aus, die Taubenzahl auf 105 Tiere und die Flugzeit auf 1 Stunde täglich festzusetzen.
Taubenfütterungsverbot möglich
Erfolg hatte ein Kläger, der gegen seinen benachbarten Taubenfreund wegen der
Beeinträchtigung seines Grundstücks ein Taubenfütterungsverbot durchsetzte16.
Auch ein generelles Taubenfütterungsverbot als ordnungsbehördliches Instrument
zur Gefahrenabwehr ist denkbar. In Baden-Württemberg hatte eine Stadt zur VerhüNachdruck und Vervielfältigung
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Nachdrucke, auch auszugsweise, sowie fototemechanische Vervielfältigungen, auch von Teilen eines Heftes, gleichgültig in welcher Anzahl,
auch für innerbetrieblichen Gebrauch, sind nicht gestattet. Die vorbehaltenen Urheber- und Verlagsrechte erstrecken sich auch auf die veröffentlichten Gerichtsentscheidungen und ihre Leitsätze; sie sind vom Einsender oder von der Schriftleitung bearbeitet oder redigiert. Der
Rechtsschutz gilt auch gegenüber Datenbanken oder ähnlichen Einrichtungen. Sie bedürfen zur Auswertung der ausdrücklichen Einwilligung
des Carl Heymanns Verlages.
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tung der von verwilderten Haustauben ausgehenden Gefahren durch eine Polizeiverordnung ein Taubenfütterungsverbot erlassen. Die darauf erlassene polizeiliche
Verfügung, die einem Taubenliebhaber untersagte, die Tiere zu füttern, wurde
verwaltungsgerichtlich angefochten, jedoch ohne Erfolg. Der VGH Baden-Württemberg17 stellte fest, dass eine Polizeiverordnung mit einem entsprechenden Inhalt
formell und materiell nicht zu beanstanden sei. In der Tat stellten nach vorgelegten
Gutachten des zuständigen Gesundheitsamtes die im Stadtbereich vorhandenen
verwilderten Haustauben eine abstrakte Gefahr dar. Das durch die Polizeiverordnung
normierte Taubenfütterungsverbot biete eine Möglichkeit, dieser Gefahr entgegen zu
wirken. Selbst die Bestimmungen des Bundesseuchengesetzes hinsichtlich der Bekämpfung tierischer Schädlinge verdrängen nicht die ordnungsbehördliche Ermächtigung zur Verhängung eines Taubenfütterungsverbots, wenn hierdurch nicht nur
allein das Ziel verfolgt wird, die Bevölkerung vor übertragbaren Krankheiten zu
schützen18.
Verkotung des Balkons als Mietmangel
Bei der Verkotung von Balkonen im Bereich eines Mietobjekts muss der Vermieter
bei bestehender Taubenplage für eine Beseitigung Sorge tragen, andernfalls bestehe
eine Berechtigung zur Mietminderung um 10 Prozent19. Aus diesem Grund kann er
dem Mieter auch das Anfüttern untersagen. Hält dieser sich nicht daran, kann ihm
fristlos gekündigt werden20. Das LG Kleve21 vertrat den Standpunkt, dass die Verkotung des Wohnungsbalkons und die damit verbundene Geruchsbelästigung keinen
Fehler der Mietsache darstellen und demzufolge nicht zur Mietminderung berechtigte. Das Amtsgericht Dortmund22 war dagegen der Meinung, dass Lärmbelästigungen
durch einen Taubenschlag mit mehreren hundert Tauben neben der Mietwohnung zu
einer Mietminderung von 25 % berechtigten.
Schlussbetrachtung
Auch der Taubenfreund wird einsehen, dass die entsprechende Haltung dieser Tiere
in der Regel mit gewissen Störungen für die Nachbarschaft verbunden ist.
Bei der Beurteilung der Wesentlichkeit der Beeinträchtigungen muss man jedoch sowohl das jeweilige Gebiet, die Bebauungsdichte, die jeweilige Taubenzahl und die
Flugzeiten berücksichtigen. Nach Auffassung des Verfassers führt der sich aus § 906
BGB abgeleitete Abwehranspruch bzgl. Immissionen vom Nachbargrundstück zu
weit, wenn er zur Folge hätte, dass eine planungsrechtlich zulässige Taubenhaltung
gänzlich untersagt würde. Entstehende Beeinträchtigungen können in der Praxis
wirksam vermindert werden, wenn man im Streitfall eine Beschränkung der TaubenNachdruck und Vervielfältigung
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Nachdrucke, auch auszugsweise, sowie fototemechanische Vervielfältigungen, auch von Teilen eines Heftes, gleichgültig in welcher Anzahl,
auch für innerbetrieblichen Gebrauch, sind nicht gestattet. Die vorbehaltenen Urheber- und Verlagsrechte erstrecken sich auch auf die veröffentlichten Gerichtsentscheidungen und ihre Leitsätze; sie sind vom Einsender oder von der Schriftleitung bearbeitet oder redigiert. Der
Rechtsschutz gilt auch gegenüber Datenbanken oder ähnlichen Einrichtungen. Sie bedürfen zur Auswertung der ausdrücklichen Einwilligung
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zahl und der Flugzeiten festlegt.
Fußnoten:
1
Zeitschrift Focus 1996, 188.
2
Staudinger/Ruth Rd. 111 zu § 906 BGB; OLG Celle, NJW-RR 1989, 783; OLG
Düsseldorf ) MDR 1968, 841; AG Hamburg, MDR 1970, 329.
3
OLG Celle, ZMR 1989, 150 m.w.N.
4
LG Berlin, MDR 1966, 146.
5
OLG Düsseldorf, Urteil vom 27.06.1979, Az. 9 U 64/79.
6
ZMR 1989, 150 f.
7
NJW-RR 1995, 979.
8
DWW 1999, 259 und Bestätigung durch OLG Oldenburg, RdL 2000, 147.
9
ZMR 1989, 150 f.
10
Urteil vom 24.11.1965, Az. 1 S 496/65.
11
Urteil vom 09.05.1969, Az 314 C 202/69 = ZMR 1970, 244.
12
DWW 1991, 339.
13
MDR 1988, 966.
14
NJW-RR 1989, 783.
15
NJW-RR 1992, 462.
16
AG Karlsruhe, NJW-RR 1992, 463. Zur Problematik vgl. auch AG Hamburg,
Altona, Urteil vom 09.05.1969, Az. 314 C 202/69.
17
Urteil vom 01.07.1991, Az. 1 S 473/90, siehe auch AG Saarbrücken, NuR
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1994, 363.
18
OVG Lüneburg, UPR 1998, 74.
19
LG Berlin, MM 1995, 354.
20
AG Frankfurt, WM 1977, 66.
21
NJW-RR 1986, 1344.
22
WM 1980, 6.
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