Trinkfeste Finnen und zeltende Studenten

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Trinkfeste Finnen und zeltende Studenten
Die Mölkky-Meisterschaft – ein skurriles Ereignis
Trinkfeste Finnen und zeltende Studenten
Trinkfeste Fi nnen und zeltende St ude nten
Am Anfang steht ein unscheinbares Schild. Deutsche
Mölkky-Meisterschaft 2008 ist darauf zu lesen. Ein
schwarzer Pfeil deutet in Richtung eines
Trampelpfades. Bin ich hier wirklich richtig, fängt es
in den Gedanken zu spuken an, als der Weg immer
verschlungener und die angrenzenden Gärten immer
verwilderter aussehen. Schon fast im Wald angelangt,
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werden die Konturen des nächsten Schildes sichtbar.
Durchatmen. Nun dauert es nicht mehr lange, und es breitet sich ein riesiger
Platz mit feinem Splitt vor den Augen aus.
Dass hier Mölkky, dieses in Finnland unglaublich populäre
Geschicklichkeitsspiel, ausgetragen wird, erschließt sich allerdings erst auf
den zweiten Blick. Stattdessen sieht man Menschen, die scheinbar ziellos
über den Platz schlendern und andere, die sich angeregt auf Bierbänken
unterhalten. Die Szenerie erinnert an eine kleine Kerwa oder ein feines
Musikfestival. Vier Männer, die aussehen, als würden sie seit Jahren
zusammen in einer Hardrock-Band spielen, scheinen ihre komplette
Campinggarnitur mitgebracht zu haben.
Sie sitzen auf Gartenstühlen und umkreisen einen Tisch, auf dem eine
Armada an leeren Bier- und Jägermeisterflaschen lagert. Doch weil Finnen
viel vertragen, hat das auf ihre Leistungsfähigkeit keine Auswirkungen.
«Suomen Mölkkyliitto» nennen sich die vier kräftig gebauten Finnen, die sich
da für das Finale im Teamwettbewerb in Form trinken. Sie sind bereits seit
drei Tagen in Nürnberg und nächtigen unentgeltlich im rustikalen Hotel
Sanssouci, das beinahe direkt an den Platz angrenzt.
Über den finnischen Verband sind sie auf die offenen Deutschen
Meisterschaften in Nürnberg-Ziegelstein aufmerksam geworden und haben
sich daraufhin spontan zusammengeschlossen. «Wir mussten überhaupt nicht
lange überlegen, ob wir nach Deutschland reisen. Das ist eine tolle
Angelegenheit», sagt Matti auf Finnisch, während sein bärtiger Kollege Pertti
übersetzt. «Dieses Turnier ist super organisiert, und die Menschen sind sehr
gastfreundlich», fügt Matti an, während Janne schelmisch grinsend ergänzt:
«Und es gibt gutes Bier hier.»
Im Doppelwettbewerb treffen sich derweil drei Nationen im Finale. Jani
(Finnland) und Miroslav (Polen) treten gegen Marko (Finnland) und Nicole
(Deutschland) an. Das Paar wohnt in Düsseldorf und reiste mit dem
Wohnwagen an, um in Nürnberg das komplette Wochenende dabei zu sein.
«Wir betrachten das als kleinen Ausflug, den wir mit einem unserer
gemeinsamen Hobbies verbinden können», erzählt Nicole. Gegen das
finnisch-polnische Gespann haben sie erwartungsgemäß keine Chance, doch
bereits der Einzug ins Finale kam für das Pärchen reichlich unerwartet.
Das gilt an diesem Tag auch für eine Gruppe von Göttinger Studenten, die im
Teamwettbewerb ins Endspiel einzog und damit sowohl die drei Nürnberger
Mannschaften als auch die anderen drei finnischen Teams hinter sich ließ.
«Unser Zug wäre um 15 Uhr gefahren, den können wir nun vergessen», sagt
Jeremias vor dem Spiel gegen die trinkfesten Finnen. Ein bisschen
angeschlagen sehen er und seine Mitspielerinnen Hannah, Juliane und
Carolina aus. Verwundern mag das aber nicht, verbrachten sie die Nacht doch
zeltend in Nürnberg. «Es war saukalt», sagt Carolina. An viel Schlaf war da
nicht zu denken. Mölkky spielen die Freunde, die sich «4 Fäuste für ein
Halleluja» nennen und Fennistik studieren, erst seit sechs Wochen. «Wir
haben von der Deutschen Meisterschaft gelesen und dann angefangen zu
spielen», klärt Jeremias auf. Ein klarer Nachteil ge-genüber den Finnen, die
ihren Sport bereits seit über zehn Jahren ausüben.
Anfangs spürt man das auch. Während bei den Studenten fast nichts klappt,
werfen die Finnen mit einer solchen Akkuratesse auf die Holzkegel, dass sie
die ersten beiden Spiele im Schnelldurchlauf gewinnen. Mit der sicheren
Niederlage vor Augen steigern sich die Göttinger aber plötzlich gewaltig und
treffen immer wieder sogar einzelne, hochpunktierte Kegel. Am Ende
verlieren sie zwar dennoch nach vier Partien mit 1:3, doch auf ihren
Spielgewinn sind sie mächtig stolz. «Die letzten beiden Spiele waren für das
Bilderbuch», erzählt Jeremias begeistert. Dann muss sein Team zur
Siegerehrung. Es gibt Medaillen – aus Holz natürlich. Und Bier, eh klar. Als
die finnische Delegation ihre Nationalhymne anstimmte, durfte man auch ein
wenig Gänsehaut bekommen.
«Wir sehen uns im nächsten Jahr an gleicher Stelle wieder», rief der vor
Freude trunkene Organisator Horst Neuhoff den Teams per Megafon am
Schluss noch zu. Die Göttinger werden sich dann sicher eine andere
Zugverbindung aussuchen.
Siegmund Dunker