GAMBRIVI

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GAMBRIVI
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Es handelt sich um eine durchsichtige Hybridbildung, die in der Forschungsliteratur nicht weiter behandelt wurde.
(AS)
GAMABRIUI Ê GAMBRIVI
GAMBRIVI
Referenz: LaN I, 306; II, 515.
Überlieferung: STRABON 7,1,3,52 (!6B67G>Ds>D>, Nom. Pl.); TAC. Germ.
2,2,7,3 (Gambrivios, Akk. Pl.).
Lokalisierung und Kontext: Germani transrhenani. Nach TACITUS (Germ.
2,3) habe Mannus nach manchen germ. Traditionen mehr als drei
Söhne gehabt, und G. sei neben Marsi, Suebi und Vandili ein
echter alter Name.
Bereits Zeuß (1837, 83 Anm. 1) stellte den Namen zu ahd. gambar ‚strenuus’, was in der Forschung beinahe durchgehend Zustimmung fand (Müllenhoff IV, 126 f., 604; Much 1895b, 14; 1905, 83; Schönfeld 1911, 102;
Schütte II, 157; Gutenbrunner 1936c, 355; Schwarz 1956, 139; Wagner
1983b, 72; Neumann RGA 10, 407; skeptisch: Hirt 1896, 142).
Neben ahd. gambar ist noch ein īn-Stamm in der Lesart cambri ‚sagacitas,
agonia’ belegt (Gl. Wb. III, 380). Außerhalb des Ahd. sind wohl noch der
lgb. PN Gambara (fem., PAUL. DIAC. Hist. Lang. 1,3 u. 7), das lgb. castrum
Gambara (Bruckner 1895, 328) und der westgot. PN Cambra (s. Wagner
1983b, 72; LaN I, 167; II, 515) verwandt. Denkbar wäre noch, daß das Cognomen Gamburio (C.I.L. 13, 4132) hierher gehört (so Neumann RGA 10,
407; vgl. aber LaN I, 306, nicht germ., auf Grund der Form des Suffixes).
Heidermanns (1993, 229) dachte bei germ. *gamb(a)ra- entweder an ein
Verbaladj. mit Suffix -ra- zu frühnhd. gampen ‚lustig herumspringen’ oder
an eine postverbale Bildung zu einem Verb mit r-Suffix: frühnhd. gampern
‚dass.’ Pokorny (IEW, 490) führte gampen auf ein idg. *gwhemb- zurück,
neben die hochdeutsche LV zeigendem mhd. gampf ‚das Schwanken’ und
norw. (Dial.) gimpa ‚wippen, schaukeln’, gamp ‚großer schwerfälliger Kerl,
plumpes Pferd’. Sollte das zutreffen, müßte ahd. gambar von dieser Wurzel
getrennt werden. Pokorny (IEW, 490) rechnete noch mit der Möglichkeit
einer verkürzten Wurzel idg. *gwhem-, vielleicht in aisl., ahd. gaman
‚Freude, Lustigkeit’ und Verwandten. Das wurde von Neumann (RGA 10,
407) aufgegriffen, der germ. *gam-ra- ansetzt; die labiale Media sei dann
epenthetisch eingeführt worden. Obwohl die genaue Etymologie unklar
bleibt, ist wohl mit Neumann (a.a.O.) eine Bedeutung im Bereich ‚tatkräftig, energisch, vital, tüchtig, rasch’ anzunehmen.
Laistner (1892, 27 f.) verglich mit as. gambra ‚tributum’ und war der Auffassung, das Volk sei nach den Optimaten benannt. In derselben Bedeutung
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ist das Wort noch ae. als gombe* (nur Akk. Sg. z.B. gombon gylden, ae.
Genesis 1978) belegt. Die Etymologie ist unklar (s. Grein 31974, 241 s.v.
gamban). Zudem ergeben sich formale Schwierigkeiten, da das Fehlen des
-r- im Ae. einer Erklärung bedarf.
Was das Suffix betrifft, dachte Neumann (RGA 10, 407 f.; in Ansätzen bereits Schütte II, 157) an eine bindevokalische Bildung -iwa- statt -wa-, wie
in got. lasiws ‚schwach’ neben mnd. las ‚schlaff’, aisl. lasinn ‚schwach’
oder ae. lyso*, Gen. lyswes (< *lusiwa-) ‚schlecht, böse’, wohl zu ae. lēas
‚falsch, lose’ (Meid 1967, § 77, 5). Diese Bildungen scheinen jedoch vereinzelte adjektivische Modifizierungen darzustellen und liegen wohl nicht
in VN vor. Ein so rekonstruiertes *Gambriwōz wäre dann eine Ableitung
von *Gambra- in *Su-gambrōz (¸SUGAMBR) zum Adj. germ. *gambra(s.o.); nur wäre der Ausgang -ii bei den Belegen unberechtigt, was von
Neumann (a.a.O.) mit der Begründung, -ii statt -i käme in der Germania öfter vor (z.B. raetiisque), wegdiskutiert wird. Doch bereits bei STRABON
steht ->Ds>D>.
Formal gesehen ist ein u-Stamm im Nom. Pl. passender: idg. *-eJ-es (starker Kasus mit Vollstufe im Suffix) > germ. *-ew-ez und über *-ew-iz/-iw-iz
> *-iwz > *-juz (Krahe II, 33 § 17; Bammesberger 1986, 151, 153 §
6.2.3.1.), was bereits Bremer (1893b, 12 f.) annahm. Das hieße aber noch
lange nicht, daß mit Specht (1937, 5) ein „sakraler“ u-Stamm vorläge (s.
dazu Einleitung) (skeptisch: Birkhan 1970, 547; dagegen: Neumann a.a.O.).
Erklärungsbedürftig bliebe allerdings der Wechsel des Stammvokals gegenüber *Su-gambra- bzw. *gambra-.
Anders segmentierte v. Grienberger (1900, 77): Gama-brivii, wobei er das
Erstglied zu got. guma ’Mensch’ und Verwandten stellte, ohne diese
Überlegung weiterzuführen.
Hirt (1896, 142) versuchte den Namen kelt. zu erklären: kelt. Gambr- hänge
zusammen mit germ. Cimbr- (g > k) [vgl. aber den ON Himbersysæl
¸CIMBR], sowie das Suffix -ivii sei im kelt. geläufig, z.B. Legovii, Vellavi
(widerlegt von Much 1895b, 13 f.; vgl. ¸LEMOVI, ¸BATAV).
Höchstwahrscheinlich ist auch der VN Sugambri (¸SUGAMBR) vom selben Stamm wie G. gebildet, was wiederum seit Zeuß (1837, 83 Anm.1) beinahe durchwegs von der gesamten Forschung angenommen wird (Bremer
1893b, 12; Much 1905, 83; Hoops II, 110; Hoops IV, 299; Müllenhoff IV,
126 f.; Schönfeld 1911, 102, 217; Schütte II, 157; Gutenbrunner 1936c,
355; Specht 1937, 5; Schwarz 1956, 139; Birkhan 1970, 547; Wagner
1983b, 72; Neumann RGA 10, 406; Rübekeil 2002, 215). Ob in G. ein zusammenfassender Name mehrerer Völker vorliegt (so: Schütte II, 178; ähnlich Specht 1937, 5: ein Kultverband; dagegen: Gutenbrunner 1936c, 355)
oder ein Teilstamm (Neumann RGA 10, 408), bleibe dahingestellt.
(FG)
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GARMAN Ê GERMAN 5
GATĀ Ê GOT 2
GAUT
Referenz: LaN I, 310; II, 517.
Überlieferung: PROK. Bella 6,15,26 (!6JID¼, Nom. Pl.).
Lokalisierung und Kontext: Volkreicher Stamm in Thule (gemeint ist
Skandinavien).
Wahrscheinlich gehören auch die Belege !DyI6> bei PTOLEMAIOS (s.
¸GUT) und Gauthigoth bei IORDANES (s. ¸GAUTHIGOTH) zu diesem
VN. Fortgesetzt ist der Name in aisl. Gautar und ae. Gēatas sowie in den
gegenwärtigen Landschaftsnamen Öster- und Västergötland. Den Belegen
zufolge ist ein a-Stamm *Gautōz (Pl.) anzusetzen. (s. Much Hoops II 126;
Andersson RGA 12, 279).
Einigkeit herrscht in der Forschung darin, daß dieser VN auf eine bereits
von Zeuß (1837, 158) vorgeschlagene germ. Verbalwurzel *geuta- ‚gießen’
zurückgeht, fortgesetzt in got. giutan, ahd. giozzan, as. giotan, ae. gēotan,
afries. jāta, aisl. gjóta ‚gießen, fließen, schütten’ (vgl. lat. fundo ‚gieße,
lasse fließen, schütte aus’), seinerseits Wurzelerweiterung von idg. *ĝheu(IEW, 448; Orel 2003, 133). Formal wäre von einer Substantivierung mittels Suffix -a- auszugehen (am ehesten Nomen agentis), wobei diese Bildungsweise selbst und die o-Abtönung [wie z.B. aisl. draugr ‚Gespenst’ zu
ahd. triugan ‚(be)trügen’] als altertümlich bezeichnet werden müssen (s.
Meid 1967, § 68).
Die semantische Seite wurde jedoch verschieden diskutiert, wobei sich v.a.
zwei Meinungen gegenüberstehen.
Lottner (1856, 153 f.) bevorzugte eine die Abstammungstraditionen betonende Bedeutung und ging von aisl. (poet.) goti ‚Hengst’ aus, welches ursprünglich ‚Besprenger’ bedeutet habe (zustimmend: Bruckner 1895, 263).
Seit Much (1893c, 179 f.; 1901a, 325; 1905, 122; Hoops II, 306; zustimmend: Wessén 1924 112; 1969, 22; Wagner 1967, 87; 1978a, 254 f.; Rübekeil 1992, 36 f.; Andersson 1996a, 40 u. 45; 1996b, 38 f., RGA 12, 280)
geht man von einem direkt gebildeten Nomen agentis ‚Ergießer’ = ‚Mann,
männliches Tier’ aus; Parallelen zu dieser semantischen Entwicklung lägen
in lat. verres ‚Eber’ und gr. XGG=C ‚Mann’, XGH=C ‚männlich’ vor, die zu
Wurzeln für etwa ‚Regen, befeuchten’ gebildet sind (IEW, 80 f.; Andersson
1996b, 38 f.). Die Bezeichnung aisl. goti ‚Pferd, Streitroß’ (Hamðismál 18)
dagegen ließe sich nach Much (Hoops II, 306) eher über die Parallelen Araber oder Wallach als ‚Pferd der gotischen Pferderasse’ > ‚Streitroß überhaupt’ erklären. Demnach bedeutete der VN *Gautōz ‚die (wahren) Männer