2010 Quod summus - The Grass is Greener
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2010 Quod summus - The Grass is Greener
H E L GE HOM ME S Quod sumus – hoc eritis Vorsatz, unbedruckt 4 HE LG E H O M M ES Quod sumus – hoc eritis 2010 Salon Verlag Köln 1 Dieser Katalog erscheint anläßlich der Ausstellung Helge Hommes Quod sumus – hoc eritis Kunstverein Siegen e.V. 14. Oktober – 7. November 2010 In Zusammenarbeit mit: Galerie Roland Aphold, Basel Galerie Schmalfuss, Marburg Galerie am Elisengarten, Aachen Galerie Freitag 1830, Aachen 3 ... folge mir VI 2010, Öl auf Leinwand, Schnittcollage, 200 × 300 cm 4 55 Du 2006, Öl auf Leinwand, 230 × 450 cm 6 7 8 Helge Hommes von Clemens Jöckle, Städtische Galerie Speyer Helge Hommes by Clemens Jöckle, Städtische Galerie Speyer, Translation: Stephen Reader Baumportrait I, 2006 Standort: Aachen; Prager Ring / Jülicher Straße Treeportrait I, 2006 Location: Aix La Chappelle; Prager Ring / Jülicher Straße Wenn von Bäumen gesprochen wird, zieht es uns gedanklich in mythische Gefilde. Arkadien, aber auch die düstere Geschichte mit der Vertreibung des Menschen aus dem Garten Eden tauchen als Bildungsfetzen in unserer Vorstellung auf. Sprichwörtlich liest der Kenner vom Lebensbaum in der Mitte des Gartens Eden und vom Baum der Erkenntnis. Mention trees and our thoughts are likely drawn to mythical realms, to Arcadia; and as likely, the sombre story in which man is expelled from the Garden of Eden will surface in cultural flotsam in our minds. The connoisseur gleans from the proverbial tree of life standing in the midst of the Garden of Eden, and from the Tree of Knowledge. Über diese Gedanken kommt der Künstler Helge Hommes, der die Nähe der Bäume sucht, sowohl zu einer idealtypisch geprägten Vorstellung als auch zur Darstellung des naturhaft erlebten Individuum des Baumes. So hat er einen dieser Baumriesen in der Nähe seines Ateliers portraitiert. Hommes macht sich zum Anwalt des durch seinen gebrochenen Ast unmittelbar unterhalb der Krone instabil erscheinenden und verwundeten Baumes. Abgeschrankt von einer Leitplanke erhebt sich das Naturdenkmal zwischen zwei Verkehrswegen, einer Unterführung und einer im Hintergrund emporgezogenen Industrieanlage. Es ist vom Künstler ein Lebensbaum dargestellt worden, der für ihn und den Betrachter zu einem zum Nachdenken führenden Baum der Erkenntnis und zur Metapher als Zeitdokument wurde. In diesem Baumportrait vermittelt der Künstler das Bewusstsein vom »Stirb und werde«, aber nicht einen fatalistisch anmutenden Kreislauf unter Benutzung vom Schlagwort des ewig ,Natürlichen und ähnlicher »Wirklichkeitswahrnehmungen«. In his desire for nearness to trees, thoughts of this kind take artist Helge Hommes to both a concept in idealised mode and a representation of the experience of the tree individual as material nature. Thus his portrayal of one of these giant trees in the vicinity of his studio. Hommes takes on the role of the advocate of the tree whose broken branch directly below the crown lends it an unstable and wounded appearance. Fenced off by a crash barrier, the natural monument rises between two roads, an underpass and in the background, an industrial plant drawn up from the blueprint. The artist has depicted a tree of life becoming for artist and viewer a tree of knowledge apt to stimulate further thought, and as a metaphor, testimony to its time. In this tree portrait Hommes conveys an awareness of the exhortation [Goethe’s ] , Stirb und werde, die and [so] become, though he steers clear of invoking any cycle of fatalistic mien in drawing upon the catchword of the ›eternally natural‹ or similar ›perceptions of reality‹. 9 Du 2005, Öl auf Leinwand, 35 × 50 cm 10 Er zeigt vielmehr die über den Zeitraum von ungefähr 300 Jahren an der Rinde hinterlassenen Spuren, schildert den Wuchs der Äste, deren Verlauf sich den Winden stromlinienförmig anpassen konnte und protokolliert das Altersschwache des allen zerstörerischen Kräften trotzenden Baumes. So verwandelt Hommes das Anliegen seiner Malerei über das Beschreibende des vorgefundenen Zustandes als Demonstration eines appellativen »So ist es« und nimmt in die Bestimmtheit seiner Feststellung gleich die besorgte und engagierte Frage auf: MUSS das so sein? Die Mimesis des Baumes wird zum detailreichen stofflichen Schildern genutzt. Die Äste sind manchmal in S-Kurvaturen geformt, jener von William Hogarth als Schönheitsideal schlechthin angesehenen Linie. Die gespenstische Unruhe der Äste suggeriert die ungebändigte Lebenskraft und zugleich klingt das Vergängliche der Erscheinung und die stetigem Wandel in der Natur unterworfene Gestalt an. Der Künstler hat – so scheint es – einen Augenblick aus dem Prozess der Vergänglichkeit – dafür stehen seit der Kunst der Romantik und vor allem bei Caspar David Friedrich in erster Linie die Bäume als Metaphern – herausgegriffen und das Vergängliche der Erscheinung durch sein künstlerisches Handeln in den dauerhaften Zustand versetzt. Der da Bäume malt, weiß um die mythische Urerfahrung der Menschheit seit dem Verlust des Paradieses. Die Mimesis ist nur die eine Seite der Medaille. Ihr steht die mit schwarzgrüner Farbmaterie reliefhaft aufgetragene Struktur eines Details von diesem Baum in anderen Arbeiten des Künstlers gegenüber. Die haptisch gewordene Verdichtung des Bildgegenstandes Baum wird auf der Fläche der Leinwand räumlich erfahren. Der Prozess der Konkretisierung im Sinne einer Vergeistigung zeitigte als Resultat Körperhaftes im nicht gestalteten Raum. (Die Leinwand als Fläche wird räumlich erfahren, weil sie bereits im Aufgreifen und Einbeziehen ihrer Webstruktur Instead, he shows the traces left in the bark in the course of some 300 years – he depicts the growth of the branches which had the ability to adapt to the prevalent winds by becoming streamlined accordingly; he records the frailty of the senescent tree still defying all the destructive forces thrown at it. Thus the descriptive quality of circumstances as found serves Hommes as a demonstration of an appellative ›That’s the way it is‹, only for him to transform the aim of his painting by assimilating into the certainty of his observation the concerned and committed question, ›Must it be so?‹ Mimesis of the tree is exploited for depiction with a wealth of material detail. Sometimes the branches will be shaped in S curves, the line that William Hogarth considered to be the quintessential ideal of beauty. The spectral agitation of the branches suggests untamed vital force and at the same time there is a sense of the transient nature of phenomena and of form in nature as continually subject to change. The artist, it would seem, has seized upon a moment in the process of transience – transience as exemplified since the art of the Romantics and pre-eminently that of Caspar David Friedrich by the metaphor of trees – and, through his artistic action, translated the ephemerality of appearances into a state of permanence. The painter of trees knows of the mythical primordial experience that has been humanity’s since the loss of paradise. Mimesis is but one side of the coin. Its foil is the greenblack structure of some detail of this tree in other works of the artist’s, where it is applied as relief-like paint. The pictorial subject of the tree, concentrated into tactile form, is now experienced on the surface of the canvas in threedimensional terms. An outcome of the process of materialising, in the sense of finding spiritualisation is that the corporeal can enter non-structured space: the canvas as a surface being experienced spatially because defined early 11 in den malerischen Gestaltungsvorgang und erst danach durch den pastosen Auftrag der Farbbrocken plastisch definiert wurde). Die Details der Baumäste von Hommes sind in ihrer Erscheinungsform nicht mehr eindeutig begrifflich festgelegt: Dafür ist das Vergängliche der Bildvorstellung genommen und zu einer rhythmisch schwingenden Lebensstruktur kondensiert. Im Raum zwischen Naturding und der abgehobenen Form ist dieser geistige Umsetzungsprozess angesiedelt. Hommes zieht wörtlich und metaphorisch feine Fäden, wenn erzürn Abstrakten drängt und jenes Gespinst schafft, in dem sich das Naturhafte verfangen hat. Der Künstler geriert sich in diesem Falle wie ein Alchemist, wenn er analog zur Natur diese als Wörterbuch für seine eigenen Bildschöpfungen benutzt, Natur auf diese Weise malerisch verwandelt und sich ihr so wieder annähert. Wir erkennen die ungewöhnliche Affinität zwischen Alchemie und Konkretion in der Malerei, da beide Bereiche sich desselben Prinzips bedienen und ihre Bildschöpfungen in analogen Prozessen wie in der Alchemie hervorgegangen sind. Zugleich tritt zu der großen Abstraktion das immaterielle Phänomen der Stille hinzu, weil das Vielschichtige der äußeren Erscheinung und der Realistik im schöpferischen Prozess getilgt ist. In der »alchemistischen« Umwandlung durch Kondensation, Härtung, Koagulation beispielsweise wird das modellierte Bildzeichen in seiner Monumentalität zum Ausdruck einer inneren Notwendigkeit. Man könnte das aus dem Baumportrait verdichtete Zeichen als den Schnittmusterbogen der Natur erklären und so den Prozess der Vergeistigung als Gegengewicht und Konsequenz zur Abbildung des Vielfältigen akzeptieren, denn der großen Realistik folgt die große Abstraktion nicht als zielgerichteter künstlerischer Entwicklungsstrang in zeitlich 12 by dint of the registering and inclusion of its fabric structure in the process of painterly creation and only then sculpturally through the impasto application of the floes of colour. The visual details of Hommes’ branches are no longer anchored in any constant definable conceptual attributes; simultaneously, the transient qualities have gone from the pictorial concept, condensed into a rhythmically vibrant organism. The terrain of this mental process of conversion is the no-man’s-land between a thing of nature and isolated spotlit form. On his surge toward the abstract, Hommes spins fine threads literally and metaphorically, creating that web in which the quality of nature is caught. It is a case of the artist with his alchemist hat on when, doing as nature does, he uses nature as the lexicon for his own pictorial creations and so transforms nature through painting - and thereby rediscovers a way towards her. We can discern the exceptional affinity that painting offers between alchemy and concretion, as both spheres, painting and concretion, draw on the same principle and the images generated from them issue in processes analogous to those of alchemy. At the same time abstraction on a large scale is coupled with the non-material phenomenon of stillness, since the complexity of the outward appearance and of realism is resolved in the creative process. In an ›alchemical‹ transformation by concentration, hardening and, for example, coagulation, the modelled pictogram in its monumentality becomes an expression of an inner necessity. The mark distilled out of the tree portrait could be explained as nature’s pattern chart and thus the process of shift to a mental, spiritual plane be accepted as a counterweight to and consequence of the depiction of complexity, for the great truth to nature is followed by great abstraction not as a purposive line of artistic development in a nachgeordnetem Ablauf, sondern parallel. Hommes erzeugt in diesen Bildzeichen das, was Ernst Cassirer »symbolische Prägnanz« nannte und aus sinnlicher Erfahrung aufgrund der bildimmanenten Spuren und Zeichen sich geistig artikuliert, auch in der Materialität der aufgetragenen Farbe. Hommes bindet in die naturhaft und damit empirische Gegebenheit die Transzendierung des Gegenständlichen ein. Dazu trägt auch die Farbe bei, deren grünstichiger Schwarzton mit grünen Protuberanzen zwischen opaker Dichte und transluzider Aufhellung den schöpferischen Prozess selbst unterstreicht. sequence subordinate in time, but in parallel. In these pictorial signs, Hommes creates something that Ernst Cassirer called symbolic potency or amplitude (symbolische Prägnanz; translated in extant literature as ›symbolic meaning‹. Trans.) and which, out of sensory experience based on the marks and traces inherent to his works, becomes articulate on an intellectual plane. That includes the material qualities of the paint on the support. Enfolding within the natural and so, empirical circumstance the transcending of the object world, he is abetted by the paint. Its greentoned black with green protuberances between opaque density and translucent heightening underscores the creative process itself. Es bleibt bei dem Baumportrait das Gespür für Leere und Fülle. »Die Bäume sind zu Botschaften aus der Innenwelt des Künstlers geworden. Die Malerei geht durch den Geist und geht durch den Körper.« (Matthias Bärmann) The tree portrait retains that eye for emptiness and abundance. ›The trees have become messages from the artist’s inner world. The[ir] painting proceeds through the mind and it proceeds through the body.‹ (Matthias Bärmann) — ground zero 2010, Dispersion auf Spanplatte, 15 × 40 cm 13 the day that never comes I 2009, Öl auf Leinwand, 200 × 300 cm 14 Der Baum im Spiegel Tree, Mirrored von Wolfgang Becker by Wolfgang Becker, Translation: Stephen Reader The tree paintings of Helge Hommes Er lebt nicht auf den Bäumen wie der Baron Italo Calvinos (1957), er sammelt nicht Zweige und Steine auf langen Wanderungen wie Alan Sonfist oder Richard Long, er tanzt nicht mit seinen Freunden in Baumkronen wie Gordon Matta-Clark (1971), er feiert keine Freundschaften mit Bäumen wie Milan Knizak (1977), er pflanzt keine Eichen wie Joseph Beuys (1982). Er ist durch den Wald des Hunsrück gegangen, aber als er sich in Aachen niederließ, wurde ein Fabrikraum sein Atelier. He does not live in his trees, as did Italo Calvino‘s baron (1957); he does not undertake long hikes to collect twigs and stones, like Alan Sonfist or Richard Long; he does not dance in the treetops with his friends, like Gordon MattaClark (1971), celebrates no friendships with trees à-la Milan Knízák (1977), plants no oaks like Joseph Beuys (1982). He did walk through the forest of the Hunsrück range, but when he settled in Aachen, a former factory workshop was the space that became his studio. Ich bewundere diesen Schnitt, den Helge Hommes vor wenigen Jahren durch sein Leben zog, als er begann, gespannte Leinwände sorgsam in mehreren Schichten weiß zu grundieren und schwarze Farbe, in die kaltgrüne Pigmente versenkt waren, dick, borkig aufzutragen – in gefurchten Bahnen, die Zweigen von Bäumen ähnlich waren. Da war nichts Spontanes, Rauschhaftes, Wütendes oder Jubelndes; der Prozess, der sichtbar wurde, war von vorsichtiger Langsamkeit bestimmt, ein Vortasten: die reliefierte Farbpaste schiebt sich durch den weißen Farbraum wie der Ast eines Baumes im Frühling, der der Sonne entgegenwächst. (S. 36 –56) I feel admiration for this cut that Helge Hommes made in his life when, not many years ago, he began carefully covering stretched canvases with several coats of white before applying impasto, barklike furrowed bands of black paint in which he had first sunk pigments of a cold green. Now they took on something of the appearance of tree branches. There was nothing spontaneous, ecstatic, raging or jubilant in this. The salient characteristic of the process becoming visible here was cautious slowness and tentativeness. The relief impasto paint pushes its way through the white domain like the branch of a tree in spring growing toward the sun. (p. 36 –56) Alle Instrumente, die Menschen in den letzten Jahrzehnten entwickelt haben – vom Rechner zum Airbus – sind schneller als er selbst und beschleunigen seinen Lebensrhythmus bis zu jener Belastungsgrenze, auf der Helge Hommes seinen Schnitt machte. Es ist nur allzu konsequent, dass die radikale Entschleunigung, die er sich zumutete, ihn in eine Mimesis führte, in der der Lebensrhythmus der Bäume sein Leitbild wurde. All the instruments man has invented over recent decades, from the computer to the Airbus, are faster than man and accelerate his rhythm of life all the way to the point of maximum strain at which Helge Hommes made his cut. It is only too consistent that the radical deceleration that he was willing to brave landed him in a mimesis in which the rhythm of life of trees became his model. ‹– Zu den Baumbildern des Helge Hommes 13 16 ground zero 2010, Skizzen, Dispersion auf Sperrholz, unterschiedliche Formate ground zero 2010, Skizzen, Dispersion auf Sperrholz, unterschiedliche Formate 18 Du 2010, Skizze, Dispersion auf Sperrholz, 23 × 28 cm 19 »Learn now the lore of Living Creatures! First name the four, the free peoples: Eldest of all, the elf-children; Dwarf the delver, dark are his houses; Ent, the earthborn, old as mountains; Man the mortal, master of horses.« Thus Treebeard, for the tree-like Ents, counsels the Hobbits in The Lord of the Rings and attributes to mankind both the swift horse and mortality; to the trees, the earth and the age of mountains (in 288 BC a tree was planted in Sri Lanka and survives to this day; the oldest tree of all is said to have emerged 4 844 years ago). Die Psychologin Phyllis Krystal schildert in ihrem Buch »Die inneren Fesseln sprengen« eine »Baumübung«, in der sie zu jener Vorstellung einlädt, die Ovid in das Bild der Daphne gefasst hat, die sich in einen Lorbeerbaum verwandelte. Baumübungen dieser Art kennen auch die Lehrer des Qi-Gong: »Stehen wie eine Kiefer«. Und unzählige Geschichten ranken sich um Einsiedler, die in hohlen Bäumen lebten, und Menschen, die aus Bäumen heraustraten. Die Legenden erweitern humanes Zeitmaß und geben der Sehnsucht nach einem ewigen Leben Ausdruck. In her book, Cutting the Ties That Bind, psychologist Phyllis Krystal describes a ›tree exercise‹ for which she invites the reader to contemplate Ovid’s notions couched in the image of Daphne transformed into a bay tree. Tree exercises of this kind are also familiar to teachers of qi gong. ›Standing like a pine‹; and countless tales have accumulated around hermits who lived in hollow trees, and people who emerged from trees. The legends extend the human time-scale and lend expression to the longing for eternal life. ‹– So spricht Treebeard für das Volk der Bäume zu den Hobbits in »The Lord of the Rings« und weist den Menschen zugleich das schnelle Pferd und Sterblichkeit zu, den Bäumen die Erde und das Alter der Berge. (288 v. Chr. wurde in Sri Lanka ein Baum gepflanzt, der noch lebt, der älteste aller Bäume soll sich vor 4.844 Jahren erhoben haben.) 22 Du 2010, Skizzen, Dispersion auf Sperrholz, 20 × 30 cm, oben 23 × 35 cm 20 21 The first paintings of the crowns of trees (of a fir, a yew) are still black on white ground, but then Hommes exceeds himself and one has a sense of the euphoric ambition, almost presumption, as he paints the trunk and branches of a leafless lime, colourful in the bright, cool sunlight before a cloudless sky. Die Mimesis ist hier bis zur Täuschung vorgetragen: nicht allein zur Illusion, vor einer Fotovergrößerung zu stehen, sondern hin zur antiken Fabel von Apelles und Zeuxis: Vögel könnten verleitet sein, sich auf den Zweigen niederzulassen. Mimesis here is performed to the extent of a deception, not simply to the point of the viewer’s illusion of standing before a photographic enlargement, but all the way to the Classical fable of Apelles and Zeuxis: birds might be deceived into settling on the branches. Aber die Täuschung ist auch eine Entfernung; die Empathie, die Einfühlung in das Wachstum von Pflanzen weicht einer Beobachtung, einer Aufmerksamkeit, die Helge Hommes nun einem bestimmten, einem sterbenden Baum widmet. Er hat ihn an einem unscheinbaren Ort neben einem Autobahnzubringer entdeckt und wird ihn nicht aus den Augen verlieren, bis die Aufsichtsbehörde ihn absägen und entfernen lässt. Dann wird er sich auf seinen Stumpf stellen wie auf einen Skulpturensockel. Delusion is also distance. The empathy, the sensitivity toward the growth of plants gives way to observation, to attention that Hommes now dedicates to a specific tree, a dying one. He chanced on it at a nondescript site beside a motorway approach road and will not let it out of his sight until the motorway surveillance board decides to fell and dispose of it. Then he will stand on the stump as if it were the pedestal for a sculpture. ‹– Die ersten Bilder von Baumkronen – eine Fichte, eine Eibe – sind noch schwarz auf weißem Grund, doch dann steigert er sich selbst – man ahnt den euphorischen Ehrgeiz, fast eine Überhebung – und malt Stamm und Äste einer unbelaubten Linde farbig im hellen, kühlen Sonnenlicht vor einem wolkenlosen blauen Himmel. 26 ground zero 2009, Öl auf Leinwand, 200 × 300 cm 22 24 Ausstellungsansicht 2010, Galerie Freitag 1830, Aachen 25 ‹– Dieser Baum ist eine alte Linde, und Hommes malt nur den unteren Teil des Stammes und Äste verschiedener Größe, die sich am Beginn einer Beuge knorrig aus ihm gewunden haben. Der schwerste von ihnen ist schon aus dem Stamm gebrochen und wäre gefallen, hielte ihn nicht eine Astgabel des nächsttieferen. Aufragendes dichtes Gestrüpp umgibt ihn und macht das Terrain unzugänglich. The tree is an ancient lime, and Hommes now paints the lower part of the trunk and boughs of different sizes which emerge, winding, gnarled, out of the onset of a bend in it. The heaviest branch has already broken away from the trunk and would have dropped had it not been stopped by a fork in the branch immediately below. High, dense scrub surrounds it and makes this inaccessible terrain. 28 Du 2006, Öl auf Leinwand, 200 × 300 cm 26 And then, Helge Hommes surprised himself with a small picture in which he depicts a whole tree, almost photographically (just as the Picasso of the Demoiselles d’Avignon surprised himself when he portrayed his beloved Olga ›realistically‹). Eine schwarze Astgabel auf einem weißen Grund gemalt kann ein kleines Bild besetzen und um sich herum die Vorstellung eines lebensgroßen Baumes vermitteln. Betrachtet man die Bilder dieser Art als Abbilder von Baumfragmenten, so geben fast alle ihre Motive in Lebensgröße wieder (so wie wir sie empfinden, wenn wir in gehörigem Abstand vor einem Baum stehen). Wenn ein »fotografisches« Bild einen Baum in Lebensgröße wiedergeben soll, muss es selbst, müssen alle Informationen, die es enthält, Lebensgröße haben. Das Bild, das der Maler sich gemacht hat, ist jetzt ein Bild, das er sieht. Er malt etwas anderes, und er malt anders. Die dickflüssigen Impasti, die Erdfurchen und Baumrinden ähnelten und im Seitenlicht glitzerten, sind einer feinen, dünnflüssigen Malerei gewichen, die nicht auf die Gegenstände, sondern auf ihre Erscheinungen in Licht und Schatten zielt. The black fork of a branch painted on a white ground may occupy a small picture and convey in a wide radius around about the inner image of a tree large as life. If one contemplates paintings of this kind as depictions of fragments of trees, almost all render their subjects life-size (or: as we perceive them to be if we stand before a tree at an appropriate distance). If a ›photographic‹ painting is to reproduce a tree life-size, then it and all the information it contains must be life-size. What was the picture that the artist had gained now becomes a picture he sees. He paints something different and paints differently. The viscous impasto that resembled furrows and tree barks and glittered in oblique light, has ceded to a delicate, watery kind of painting which aims not at the objects, but at their forms of appearance in light and shade. ‹– Und dann überraschte sich Helge Hommes mit einem kleinen Bild, in dem er fast fotografisch einen ganzen Baum abbildete (so wie der Picasso der »Demoiselles d’Avignon« sich überraschte, als er seine geliebte Olga »realistisch« porträtierte). 33 Ausstellungsansicht Altes Museum Mönchengladbach, 2008 28 Enstehung des Bildes Du 2006, Aachen 29 Du 2005, Öl auf Leinwand, 35 × 50 cm 30 31 Du 2005, Öl auf Leinwand, 35 × 50 cm 32 In one of the paintings the dead, inanimate bark of the tree is Hommes’ opportunity to lend a new form to the defining empathy of his earlier work. Now the goal is no longer one of painting infinitely slow growth, infinitely slowly pulsating life, but its converse: the becoming motionless, then rigid, the decaying, the lignification, petrification and decomposition. Only the proliferating shoots of new trees pushing their way through the scrub set new life against the fissured shroud of deadwood. (p. 35) ‹– In einem der Bilder gibt die abgestorbene, lebenslose Borke des Baums Hommes Gelegenheit, jener Empathie, die seine früheren Werke bestimmte, eine neue Form zu geben: hier geht es nicht mehr darum, unendlich langsames Wachstum zu malen, unendlich langsam pulsierendes Leben, sondern sein Gegenteil: bewegungslos werden, erstarren, verwesen, verholzen, versteinern, zerfallen. Nur die wild aufschießenden Triebe neuer Bäume, die sich ihren Weg im Gestrüpp bahnen, setzen der schrundigen Totenhaut ein neues Leben entgegen. (S. 35) 37 33 the day that never comes II 2009, Öl auf Leinwand, 190 × 300 cm 34 36 Betrachten wir diese Werke vor dem Hintergrund des französischen Informel und des amerikanischen abstrakten Expressionismus, also vor Bildern von Georges Mathieu oder Franz Kline und Jackson Pollock, so fehlt ihnen die lockere schreibende, pendelnde Hand, die ausgelebte Motorik, die offene psychische Erregung; die Borken, Knoten und scharfen Ränder der Farbbahnen, die majestätischen Balken von Rand zu Rand scheinen Emotionen eher zu verstecken, der Maler beherrscht sie mit kühler distanzierter Meisterschaft. There is nothing in the paintings of Helge Hommes to suggest a desire to speak either of himself or of trees, apart from those latest ones which show him in the branches of a tree or on a stump. In the initial phases of work, the dark, incised, striated bars cut by the painting’s edge, the nodes and areas of mesh, did not even need to be read as vegetal. The canvases they populated, whether large or small, exercised an effect of subdividing, organising and determining the spaces in which they were hung; what they did not do was to reproduce branches; they did not take nature into the galleries and museums; they presented ›ornaments‹ which were not constructed but which had grown and proliferated as if in quick-motion over the picture grounds. ‹– Nichts in den Bildern des Helge Hommes deutet darauf hin, dass er etwas über sich und die Bäume erzählen möchte – außer in jenen letzten, die ihn im Geäst eines Baumes oder auf einem Baumstumpf zeigen. In den ersten Phasen der Arbeit mussten die dunklen durchfurchten angeschnittenen Balken, Knoten und Geflechte nicht einmal vegetal verstanden werden. Die Leinwände, die sie besetzten, ob große oder kleine, griffen gliedernd und bestimmend in die Räume ein, in denen sie aufgehängt wurden. Sie gaben keine Äste wieder, sie holten nicht die Natur in die Galerien und Museen; sie führten »Ornamente« vor, die nicht konstruiert, sondern wie in einem Zeitraffer über die Gründe gewachsen, gewuchert waren. Compared to French art informel or American abstract expressionism, in other words, to paintings by a Georges Mathieu, a Franz Kline or a Jackson Pollock, Hommes’ lack that relaxed, writing, dangling hand, the motor action running free, the frank psychological agitation; rather the bark, knots and hard edges of the bands of colour, the majestic bars running from edge to edge, seem to conceal the emotions; the painter controls them with cool, detached mastery. 58 into the trees 2009, Öl auf Leinwand, 60 × 220 cm 37 Textfragmente: »Aus dem Wald« Text fragments: »Out of the Woods« von Matthias Bärmann by Matthias Bärmann, Translation: David Galloway Es ist wie bei einer Begrüssung, als strecke jemand den Arm aus und reichte die Hand und gleich noch Raum dazu. It is like a greeting, as though someone stretched out an arm and offered a hand, and at the same time, the accompanying space. Die Bäume sind so angeordnet, dass sie wie gespreizte Finger und ausgestreckte Arme aussehen. (Chang Yen-yüan, ?–847) The trees are so ordered that they look like spread fingers and outstreched arms. (Chang Yen-yüan, ?–847) Tree-trunks and branches in late November, no snow yet. Apple trees twisted into knots, conifers straight as splinters, dark and silhouetted against a white sky. Lend it a consoling structure. In the act of painting one possibly has the sky as an abyss under one’s feet. (Paul Celan) Die Lineamente der Stämme und Äste und der leere Raum bestreiten einander, machen sich so wechselweise überhaupt erst anschaulich. Ein Stamm, mit der Leere als Gewand, der helle Raum mit dunklen Knochen. Rückrat, Skelett, Gerüst. The lineaments of the trunks and branches and the empty space contend with each other, in this way becoming alternately visible for the first time. A trunk with emptiness as raiment, the light space with dark bones, spine, skeleton, frame. ‹– Baumstämme und Äste im späten November, noch kein Schnee, Apfelbäume knotig in sich verwunden, Nadelbäume splittrig gerade, dunkel und freigestellt gegen einen weissen Himmel. Geben ihm eine tröstliche Struktur. Womöglich hat man ja beim Malen den Himmel als Abgrund unter sich. (Paul Celan) 41 into the trees 2009, Öl auf Leinwand, 160 × 110 cm 38 So sieht es, vielleicht, im Geist des Betrachters aus. Auf der Leinwand sieht es anders aus. Der Nesselstoff, die Leinwand, sie sind in mehreren Farbschichten grundiert. Verletzlich gemacht für die Form. Der Grund als Fläche und Erscheinungsraum, als hell leuchtendes Fluidum. Die Farbträger sind auf mächtige Keilrahmen montiert. Die Körper der Bilder: Raum-Körper mit umgebenen Schattenfeldern. The light, sensitive and vulnarable membranes are transversed by dark bands. Paint massively applied and plowed like a field, streaked color-skin. In the black relief of lineaments, in its furrows, there breaks the light, greenish, bluish. Thus the bright emptiness is tensed, energized. ‹– Die hellen, empfindlichen und verletzlichen Membranen werden von dunklen Bahnen überquert. Farbe massiv aufgetragen und zerfurcht wie ein Acker, strähnige FarbHaut. Im Schwarz-Relief der Lineamente, in seinen Furchen bricht sich das Licht, grünlich, bläulich. So wird die helle Leere gespannt, energetisiert. So it appears, perhaps, in the mind of the viewer. On canvas it looks different. The muslin, the canvas, is grounded with several layers of paint. Made vulnerable for the form. The ground as plane and apparitional space, as brightly glowing atmosphere. The paint-supporters are mounted onto massive stretchers. The bodies of the pictures: spatial bodies with surrounding fields of shadow. 42 into the trees (Detail) 2009, Öl auf Leinwand, 160 × 110 cm 41 The woods have passed through the spirit. The painting goes through the spirit and goes through the body. The manifestation in the picture: pure synergy. A new, pure facticity: that which is the case. Painting, organic processes, the drama of growth, brought to repose. To contemplation. The bare frameworks of trees against the sky, the bare lines against the canvas. Both against the emptiness. Clarity and serenity of the reductions. ‹– Der Wald ist durch den Geist gegangen. Die Malerei geht durch den Geist und geht durch den Körper. Die Manifestation im Bild: reine Synergie. Eine neue, pure Faktizität: das was der Fall ist. Malerei. Organische Prozesse, das Drama des Wachstums, zur Ruhe gebracht. Zur Anschauung. Die kahlen Baumgerüste gegen den Himmel, die baren Linien gegen die Leinwand. Beides gegen die Leere. Klarheit und Heiterkeit der Reduktionen. 45 into the trees 2009, Öl auf Leinwand, 60 × 220 cm 42 43 into the trees 2009, Öl auf Leinwand, 120 × 170 cm 44 Besides, the spirit possesses no form of appearance of its own but acquires shape through things. Das innere Gesetz der Dinge (li) kann bewusst, aber auch unbewusst aufgespürt werden. The inner law of things (li) however, can be consciously but also unconsciously detected. Sind diese Dinge vollendet dargestellt, sind sie selbst Wirklichkeit. If these things are completely represented, they themselves are reality. (Tsung Ping, 375–443) (Tsung Ping, 375–443) ‹– Übrigens der Geist besitzt keine eigene Erscheinungsform, sondern er gewinnt mit den Dingen Gestalt. 46 45 ›Reclining / horizontal‹, ›standing / vertical‹. The paths of the lines of the canvas are vertical and horizontal. Reclining and standing are body-consciousness. Orientations of the body in space. Also action and passion, both together. Or, in the paradoxical Far-Eastern variant: passive activity (Chin.: wuwei). Proceeding with complete decisiveness, with great vigor – from an attitude of total detachment. For nothing. Das rhythmische Spiel von vertikalen und horizontalen Asymmetrien bei Piet Mondrian. In ihnen spiegelt sich der Prozess, in dessen Verlauf organische Strukturen sich bilden, Ordnungen, stets in Passagen durch Unordnung begriffen. Die Schattenverläufe der verworfenen Linien auf seinen unvollendeten Bildern. The rhythmic play of vertical and horizontal asymmetries in the case of Piet mondrian. In them is mirrored the process in whose course organic structures are formed, arrangements, always perceived in passages through disorder. The courses of shadows of the lines cast on Mondrian’s unfinihed pictures. ‹– »Liegend / horizontal«, »stehend / vertikal«. Vertikal und horizontal sind die Verläufe der Linien auf der Leinwand. Liegend und stehend sind Körperbewußtsein. Orientierungen des Körpers im Raum. Auch Aktion und Passion, beides zusammen. Oder, in der paradoxen fernöstlichen variante: tatloses Tun (chin.: wuwei). Handeln mit aller Entschiedenheit, mit allem Nachdruck – aus einer Haltung völliger Losgelöstheit heraus. Für nichts. 50 into the trees 2009, Öl auf Leinwand, 240 × 170 cm 46 Fichte Tanne 2008, Öl auf Leinwand, je 42 × 42 cm 48 into the trees 2009, Öl auf Leinwand, 120 × 90 cm 49 Horizontale, Vertikale, Diagonale als platonische Ideen: prästabilisierte Geometrien. Baum und Geäst, draussen im Wald wie auch drin als Bild im Bewußtsein: Geometrie und jede menge Störungen. Und als Malerei: Ordnung und Chaos so ineinander gebaut, dass das Bild mit Energie aufgeladen wird. Horizontals, verticals, diagonals as platonic ideas: prestabilized geometries. Tree and branches, out there in the woods as well as within as a picture in the consciousness: geometry and all sorts of disturbances. And as painting: order and chaos so interlocking that the picture is charged with energy. In der Urzeit gab es keine Methode. Das anfängliche Chaos wies noch keine Unterschiede auf. Als das uranfängliche Chaos Unterschiede aufwies, entstand die Methode (das Gesetz). Wie entstand diese Methode? Sie entstand aus dem Ein-Strich. Dieser Ein-Strich ist das, woraus alle Erscheinungen entstehen, die Götter haben ihn angewandt, und die Menschen können ihn anwenden. Niemand auf der Welt weiss das. […] Die ganze Malerei hat ihre Wurzeln im erkennenden Geist. (Shih-t’ao, 1641 – ca. 1717) In prehistoric times there was no method. The initial chaos demonstrated no difference. As the primordial chaos demonstrated the first differences, the first method (law) came about. How did this method come about? It arose from the single stroke. This stroke is that from which all appearances came about; the gods applied it, and humans can use it. No one in the world knows that. […] all painting has its roots in the discerning spirit. (Shih-t’ao, 1641 – ca. 1717) Segments: withholding of the whole. And at least a slight, scarcely perceivable impetus, an almost imperceptible aberration which does not want to be absorbed into the format, strives to extricate itself from its order. Tilting and lopped-off forms, fragments, differentiations, displacements, refractions, extreme asymmetries. ‹– Segmente: Vorenthalt des ganzen. Und zumindest ein leichter, kaum spürbarer Schwung, eine fast unmerkliche Aberration, die nicht im Format aufgehen will, danach strebt, sich seiner Ordnung zu entwinden. Kippende und angeschnittene Formen, Fragmente, Überschneidungen, Verschiebungen, Brechungen, extreme Asymmetrien. 55 Waldesruh 2003, Öl auf Leinwand, 170 × 120 cm 50 51 cut 2006 – 2010, Serie von kleinformatigen Bildfragmenten, Öl auf Leinwand 52 into the trees Zürich 2006, Öl auf Leinwand, 230 × 450 cm Die sperrigen Labyrinthe des Gestrüpps, Gabelungen, Bifurkationen. Wege, die sich trennen und allenfalls dort wieder treffen, wo Parallelen sich schneiden. Überlagerung der widerstreitenden Richtungen und Kräfte. Alle Divergenzen und Spannungen kommen zu einer gespannten Ruhe. Im Bild manifestiert sich eine prekäre Balance, die im Betrachten immer wieder erst zu realisieren ist. The obstructive labyrinths of the undergrowth, forkings, bifurcations. Paths that separate and meet, if at all, where parallels overap. Superimposition of the conflicting directions and forces. All the divergences and tensions come to a tense repose. In the picture there is manifested a precarious balance which can repeatedly be realized only through contemplation. Alle zitate von chinesischen Malern stammen aus: Chinesische Malerei – Eine Schule der Lebenskunst. Schriften chinesischer Maler herausgegeben von Lin Yufang (Klett Verlag, Stuttgart 1967) All quotations from Chinese painters are taken from Chinesische Malerei – Eine Schule der Lebenskunst. Schriften chinesischer Maler herausgegeben von Lin Yutang (Klett Verlag, Stuttgart 1967). Paul Celan wird aus seiner Büchner-Preis-Rede von 1960 zitiert. Siehe Büchner-Preis-Reden 1951–1971 (Reclam, Stuttgart 1972). Paul Celan is quoted from his BüchnerPrize acceptance speech of 1960. See Büchner-Prize Speeches 1951–1971 (Reclam, Stuttgart 1972). — into the trees 2005, Öl auf Leinwand, 230 × 200 cm 55 ‹– 37 ... Der Baum im Spiegel / Tree, Mirrored Comes the time when the tree has been felled. In sketches, the painter reveals himself as a mourner in his black habit. The chaos of the bushes around the crater of the stump makes inroads upon the spluttering brush-work; the spontaneous emotionality that was for a long time a key feature of the works takes on an elegiac hue when it encounters death. ‹– Dann ist der Baum gefällt. In Skizzen zeigt sich der Maler als Trauernder in schwarzem Habit. Das Chaos der Büsche um den Krater des Stumpfes greift in den klecksenden Farbauftrag über. Das frische Pathos, das die Werke lange bestimmte, färbt sich elegisch, wenn es dem Tod begegnet. 60 … folge mir (II + I) 2010, Öl, Dispersion auf Leinwand, 290 × 220 cm und 120 × 90 cm 57 The figure in black, lying barefoot and with eyes shut, rigid as if laid out, upon the branch of an old and leafless tree and under the shelter of another heavy branch inclined over him, is part of the mesh of branches playing around his form and seemingly permeating him like a network of veins. He is tree, remembrance of a tree. Is he the dead tree? ‹– Der Schwarzgekleidete, der barfüßig und mit geschlossenen Augen starr, wie aufgebahrt, auf dem Zweig eines blattlosen alten Baumes ruht, von einem anderen schweren Ast geschützt, der sich über ihn beugt, er ist Teil des Geästes, das ihn umspielt und wie ein Aderwerk zu durchwachsen scheint. Er ist Baum, Erinnerung an einen Baum. Ist er toter Baum? 61 … folge mir III 2010, Dispersion auf Leinwand, 220 × 170 cm 58 60 In the emotionality of self-portrayal, Anselm Kiefer has occasionally painted himself lying naked upon some unspecified ground (the Louvre was the latest venue, in 2010), face to the firmament, like an empty husk whose living spirit has left it to dissolve in the universe. It is not necessary to view images of this kind as one would view an altar; they have a limited credibility; they are allegories, metaphors that show ›exercises‹ in which people break free of their preordained existences. In a sociological narrowing of the existential theme in 2006, Jana Gunstheimer dedicated to a certain ›F‹ an installation of hand-written notes and silhouette work in black paper. ›Sometimes an anxiety creeps over F. that he might disintegrate at the edges.‹ – ›He conforms to such an extent that he might be absorbed by his environment.‹ The largest cut-out shows a sawn-off, fallen tree, and under it the caption in large letters, KAPITULATION . ‹– Im Pathos der Selbstdarstellung hat Anselm Kiefer sich zuweilen, zuletzt im Louvre 2010, nackt auf einer unbestimmten Erde liegend gemalt, dem Firmament zugewendet, gleichsam eine leere Hülle, deren lebender Geist sie verlassen und sich im Universum aufgelöst hat. Es ist nicht nötig, Bilder dieser Art wie Altäre zu betrachten, sie haben eine beschränkte Glaubwürdigkeit, sie sind Allegorien, Metaphern, die »Übungen« zeigen, in denen Menschen sich aus ihren vorbestimmten Existenzen befreien. In einer soziologischen Verengung des existentiellen Themas hat Jana Gunstheimer einer Person »F.« 2006 eine Installation aus handschriftlichen Notizen und Scherenschnitten aus schwarzem Papier gewidmet: »Manchmal beschleicht F. die Angst, sich an den Rändern aufzulösen.« – »Er befürchtet, von seiner Umgebung absorbiert zu werden, so angepasst ist er.« Der größte Scherenschnitt zeigt einen abgesägten, gestürzten Baum, darunter in großen Buchstaben »KAPITULATION «. 62 61 Der Blick auf Bäume schließt heute gefällte Bäume, sterbende Bäume, ökologische Verbrechen und Katastrophen ein. In die Verklärung haben sich Züge schwarzer Romantik gemischt. So ist es auch nicht mehr nötig, die Arbeit des Helge Hommes als Beitrag zur deutschen Landschaftsmalerei zu begreifen und auf den deutschen Wald von Tacitus bis Hermann Göring zu beziehen. Der Baum, seine Gestalt, sein »Ornament« bieten, unabhängig von der Strahlkraft ihrer Bedeutungen, eine Fülle visueller Anstöße, die das ganze Lebenswerk eines Malers bestimmen können. Dabei erreicht Hommes hier gerade eine erste Stufe. Sie hat ihn zu seiner Überraschung vor sein Spiegelbild geführt. Today trees invite visions encompassing felled trees, dying trees, ecological crime and disasters. Into that glorification have entered the traits of a black romanticism. Thus it is no longer necessary to comprehend Helge Hommes’ work as a contribution to German landscape painting or to relate it to the German forest theme from Tacitus to Hermann Goering. The tree, its form, its ›ornament‹, independently of the charisma of their meanings, offer a wealth of visual impulses that could govern a painter’s life’s work. Yet for Hommes vis-à-vis that subject it is barely the opening of an initial phase. It has led him, to his surprise, to his mirror image. — … folge mir IX 2010, Öl, Dispersion auf Leinwand, 220 × 170 cm 62 … folge mir VIII 2010, Dispersion auf Leinwand, 120 × 240 cm 65 Helge Hommes vor into the trees 2006, Öl auf Leinwand, 200 × 400 cm 66 Biografie | Biography Einzelausstellungen (Auswahl ab 1995) 2010 Galerie Freitag 1830, Aachen Galerie Roland Aphold, Basel 2009 Galerie Kokon, Tilbourg ( NL) Galerie Suty /coye la foret, Paris ( F ) 2008 Galerie Arnoux, Paris Kunstraum 34, Stuttgart Galerie Raphael 12, Frankfurt 2007 Galerie Akie Arichi, Paris (mit Bodo Korsig) altes Museum, BIS, Mönchengladbach Galerie 60, Feldkirch, Österreich 2006 Galerie am Elisengarten, Aachen (Kunstroute) Kunstverein Bruchsal Fischerplatzgalerie, Ulm Galerie Raphael 12, Frankfurt Galerie Arnoux, Paris Kunstverein Januar e.V., Bochum Kunstverein Damianstor, Bruchsal Galerie Haus Schneider, Karlsruhe Zürich 2005 Galerie Hildegard Reeh, Contemporanea, Trier 2004 Raum für Kunst, Aachen Galerie Kokon, Tilburg ( NL) K4-Galerie Saarbrücken Galerie Arnoux, Paris 2003 Städtisches Museum Simeonstift Trier Galerie Akie’Arichi, Paris Galerie Ute Brummel, Dortmund (mit Christiane Schoenen) 2002 Galerie Werner Klein, Köln Galerie Davide di Maggio, Mailand ( I ) Kunstverein Hof 2001 Naturkundemuseum, Tilburg (Naturlabor) ( NL) Galerie Clairefontaine (Lux) 68 2000 Galerie Werner Klein, Köln Museum Baden, Solingen (Naturlabor) 1999 Maisenbacher Art Gallery, Trier 1998 Centre d’Art Contemporaine du Luxembourg-Belge, Jamoinge (B) Galerie Markus Nohn, Trier Kulturförderung junge Kunst, Sparkasse Landau Galerie Clairefontaine (Lux) 1997 Kunstverein Art’s place, Den Haag ( NL) Galerie Markus Nohn, Trier Galerie Epikur, Wuppertal 1996 Kunstverein Oberhausen Galerie Ten Hook, Den Haag ( NL) Galerie Clairefontaine (Lux) Kunstverein Schwelm 1995 Galerie Markus Nohn, Trier Galerie Epikur, Wuppertal Raum für Kunst, Aachen 2004 Altes Museum, Mönchengladbach 2008 Museum Kunstpalast, Düsseldorf 2010 Ausstellungsbeteiligungen (Auswahl ab 1995) Galerie Roland Aphold, Basel 2010 Museum Baden, Solingen 2003 Helge Hommes, »gute Nacht und träum was schönes«, 1989 2010 Galerie Netuschil, Darmstadt Grosse Kunstausstellung NRW – Museum Kunstpalast, Düsseldorf 2009 Neuer Aachener Kunstverein Städtische Galerie, Speyer 2008 Galerie 1830, Aachen Galerie Michael Schmalfuß, Marburg 2007 K4 Galerie Saarbrücken Kunstverein Mittelrhein, Koblenz-Boppart Galerie Besch, Saarbrücken 2006 Stedelik Museum Roermond ( NL) (in Zusammenarbeit mit Ludwigforum, Aachen und Ikop, Eupen (B) Galerie Kokon, Tilbourg ( NL) Galerie Raphael 12, Frankfurt 2005 Galerie Robert Drees, Hannover Parapluefabrik, Nimwegen ( NL) Fondation d’entreprise espace e’cureuil – pour l’art contemporain, Toulouse ( F ) Schloss Burgau, Düren Galerie Davide di Maggio, Mailand ( I ) 2004 Galerie Werner Klein, Köln Ikob, Eupen (B) Orangerie du Senat, Jardin du Juxembourg, Paris Galerie de L’Entrepot, Paris Gesellschaft für bildende Kunst, Trier 2003 Galerie Clairefontaine (Lux) Galerie Werner Klein, Köln 2002 Kölnisches Stadtmuseum Museum Baden, Solingen 2000 Künstlerhaus Metternich, Koblenz Galerie Clairefontaine, (Lux) 1999 Galerie Akie’Arichi, Paris Gesellschaft für bildende Kunst, Trier 1999 Kunstverein Oberhausen 1998 Kunsthaus Essen Musee d’Art Contemporaine, Liege (B) Haus der Kunst, München Deutsche Bank, Wuppertal Galerie Markus Nohn, Trier 1997 Galerie Akie’Arichi, Paris Haus der Kunst, München 1996 Städtische Galerie Nancy ( F ) Tutesaal, Luxembourg Haus der Kunst, München 1995 Kunstverein Gottmadingen, Schloß Randegg Kunstverein, Galerie im Zwinger, St. Wendel Schloß Bourglinster (Lux) 69 ... mein besonderer Dank für die Unterstützung beim erarbeiten des Kataloges gilt meinem Freund und Künstlerkollegen Oliver Czarnetta, dem Kölner Grafiker Marco Lietz, dem Verleger Gerhard Theewen / Salon Verlag, Köln meinem Mentor ... Professor Dr. Wolfgang Becker (ehem. Direktor Ludwig Forum Aachen), Herrn Clemens Jöckle, Städtische Galerie Speyer für seine Gedanken zu meinem auserwähltem Baum, dem ich seit 2006 gegenüberstehe, Herrn Matthias Bärmann für seine herausragenden und weit blickenden Worte zu den abstrakten Arbeiten von 2002, die bis zum heutigen Tag nachhaltig stehen. Herrn Franz-Joseph Weber (Vorsitzender des Kunstvereins Siegen), der mich Mitte des Jahres 2010 zu dieser Ausstellung einlud und natürlich meinen Galeristen, Roland Aphold aus Basel, Michael Schmalfuss aus Marburg und Andreas Petzold und Robert Mertens aus Aachen und meinen weiteren Galeriepartnern, die mich über die Zeit begleitet haben. Ebenfalls meinen Sammlern und Freunden, danke allen Menschen, die mich auf meinem Weg unterstützt haben und sich von meinen Bildern angesprochen fühlen. Ich freue mich auf weitere Begegnungen und Austausch. Ich widme diesen Katalog meinen Kindern Luka Hommes, Anne Hommes und Joschka Hommes und meinen verstorbenen Eltern Helmut Hommes und Gerda Hommes (geb. Kronenberg) into the trees 2008, Öl, Dispersion auf Leinwand, 200 × 300 cm 70 71 Dieser Katalog erscheint anlässlich der Ausstellung: Helge Hommes Quod sumus – hoc eritis vom 14. Oktober bis 7. November 2010 im Kunstverein Siegen e.V. in der Städtischen Galerie Haus Seel In Zusammenarbeit mit: Galerie Roland Aphold, Basel Galerie Michael Schmalfuss, Marburg Galerie am Elisengarten, Aachen Galerie Freitag 1830, Aachen. www.kunstverein-siegen.de www.galerie-roland-aphold.com www.galerie-schmalfuss.de www.galerie-am-elisengarten.de www.galerie1830.de Auflage: 1200 Exemplare Herausgeber / Editors: Salon Verlag Köln, Kunstverein Siegen e.V. und Helge Hommes Texte / Essays: Clemens Jöckle, Städische Galerie Speyer; Prof. Dr. Wolfgang Becker, ehem. Direktor Ludwig Forum, Aachen; Matthias Bärmann, freier Kunstkritiker und Kurator Übersetzungen / Translations: David Galloway, Stephen Reader Lithografie & Gestaltung / Lithography & Design: Marco Lietz Fotografie / Photography: Oliver Czarnetta, Helge Hommes Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. Bibliographic information by the Deutsche Nationalbibliothek The Deutsche Nationalbibliothek lists this publication in the Deutsche Nationalbibliografie; detailed bibliographic data are available in the Internet at http://dnb.ddb.de. © Helge Hommes, die Autoren & Salon Verlag Köln ISBN 978-3-89770-379-7 www.salon-verlag.de [email protected] 72 Nachsatz, unbedruckt IV