2010 Quod summus - The Grass is Greener

Transcrição

2010 Quod summus - The Grass is Greener
H E L GE HOM ME S
Quod sumus – hoc eritis
Vorsatz, unbedruckt
4
HE LG E H O M M ES
Quod sumus – hoc eritis
2010
Salon Verlag Köln
1
Dieser Katalog erscheint anläßlich der Ausstellung
Helge Hommes
Quod sumus – hoc eritis
Kunstverein Siegen e.V.
14. Oktober – 7. November 2010
In Zusammenarbeit mit:
Galerie Roland Aphold, Basel
Galerie Schmalfuss, Marburg
Galerie am Elisengarten, Aachen
Galerie Freitag 1830, Aachen
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... folge mir VI
2010, Öl auf Leinwand,
Schnittcollage, 200 × 300 cm
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55
Du
2006, Öl auf Leinwand, 230 × 450 cm
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8
Helge Hommes
von Clemens Jöckle, Städtische Galerie Speyer
Helge Hommes
by Clemens Jöckle, Städtische Galerie Speyer,
Translation: Stephen Reader
Baumportrait I, 2006
Standort: Aachen; Prager Ring / Jülicher Straße
Treeportrait I, 2006
Location: Aix La Chappelle; Prager Ring / Jülicher Straße
Wenn von Bäumen gesprochen wird, zieht es uns
gedanklich in mythische Gefilde. Arkadien, aber auch die
düstere Geschichte mit der Vertreibung des Menschen aus
dem Garten Eden tauchen als Bildungsfetzen in unserer
Vorstellung auf. Sprichwörtlich liest der Kenner vom
Lebensbaum in der Mitte des Gartens Eden und vom Baum
der Erkenntnis.
Mention trees and our thoughts are likely drawn to
mythical realms, to Arcadia; and as likely, the sombre story
in which man is expelled from the Garden of Eden will
surface in cultural flotsam in our minds. The connoisseur
gleans from the proverbial tree of life standing in the midst
of the Garden of Eden, and from the Tree of Knowledge.
Über diese Gedanken kommt der Künstler Helge Hommes,
der die Nähe der Bäume sucht, sowohl zu einer idealtypisch geprägten Vorstellung als auch zur Darstellung
des naturhaft erlebten Individuum des Baumes. So hat
er einen dieser Baumriesen in der Nähe seines Ateliers
portraitiert. Hommes macht sich zum Anwalt des durch
seinen gebrochenen Ast unmittelbar unterhalb der Krone
instabil erscheinenden und verwundeten Baumes.
Abgeschrankt von einer Leitplanke erhebt sich das Naturdenkmal zwischen zwei Verkehrswegen, einer Unterführung und einer im Hintergrund emporgezogenen Industrieanlage. Es ist vom Künstler ein Lebensbaum dargestellt
worden, der für ihn und den Betrachter zu einem zum
Nachdenken führenden Baum der Erkenntnis und zur
Metapher als Zeitdokument wurde. In diesem Baumportrait vermittelt der Künstler das Bewusstsein vom »Stirb
und werde«, aber nicht einen fatalistisch anmutenden
Kreislauf unter Benutzung vom Schlagwort des ewig ,Natürlichen und ähnlicher »Wirklichkeitswahrnehmungen«.
In his desire for nearness to trees, thoughts of this kind
take artist Helge Hommes to both a concept in idealised
mode and a representation of the experience of the tree
individual as material nature. Thus his portrayal of one of
these giant trees in the vicinity of his studio. Hommes
takes on the role of the advocate of the tree whose broken
branch directly below the crown lends it an unstable and
wounded appearance.
Fenced off by a crash barrier, the natural monument rises
between two roads, an underpass and in the background,
an industrial plant drawn up from the blueprint. The
artist has depicted a tree of life becoming for artist and
viewer a tree of knowledge apt to stimulate further
thought, and as a metaphor, testimony to its time. In this
tree portrait Hommes conveys an awareness of the exhortation [Goethe’s ] , Stirb und werde, die and [so] become,
though he steers clear of invoking any cycle of fatalistic
mien in drawing upon the catchword of the ›eternally natural‹ or similar ›perceptions of reality‹.
9
Du
2005, Öl auf Leinwand, 35 × 50 cm
10
Er zeigt vielmehr die über den Zeitraum von ungefähr
300 Jahren an der Rinde hinterlassenen Spuren, schildert
den Wuchs der Äste, deren Verlauf sich den Winden stromlinienförmig anpassen konnte und protokolliert das
Altersschwache des allen zerstörerischen Kräften trotzenden Baumes. So verwandelt Hommes das Anliegen seiner
Malerei über das Beschreibende des vorgefundenen Zustandes als Demonstration eines appellativen »So ist es«
und nimmt in die Bestimmtheit seiner Feststellung gleich
die besorgte und engagierte Frage auf: MUSS das so sein?
Die Mimesis des Baumes wird zum detailreichen stofflichen
Schildern genutzt. Die Äste sind manchmal in S-Kurvaturen geformt, jener von William Hogarth als Schönheitsideal schlechthin angesehenen Linie. Die gespenstische
Unruhe der Äste suggeriert die ungebändigte Lebenskraft
und zugleich klingt das Vergängliche der Erscheinung und
die stetigem Wandel in der Natur unterworfene Gestalt
an. Der Künstler hat – so scheint es – einen Augenblick
aus dem Prozess der Vergänglichkeit – dafür stehen seit
der Kunst der Romantik und vor allem bei Caspar David
Friedrich in erster Linie die Bäume als Metaphern – herausgegriffen und das Vergängliche der Erscheinung durch
sein künstlerisches Handeln in den dauerhaften Zustand
versetzt. Der da Bäume malt, weiß um die mythische Urerfahrung der Menschheit seit dem Verlust des Paradieses.
Die Mimesis ist nur die eine Seite der Medaille. Ihr steht
die mit schwarzgrüner Farbmaterie reliefhaft aufgetragene
Struktur eines Details von diesem Baum in anderen Arbeiten des Künstlers gegenüber. Die haptisch gewordene
Verdichtung des Bildgegenstandes Baum wird auf der
Fläche der Leinwand räumlich erfahren. Der Prozess der
Konkretisierung im Sinne einer Vergeistigung zeitigte als
Resultat Körperhaftes im nicht gestalteten Raum. (Die
Leinwand als Fläche wird räumlich erfahren, weil sie bereits im Aufgreifen und Einbeziehen ihrer Webstruktur
Instead, he shows the traces left in the bark in the course
of some 300 years – he depicts the growth of the branches
which had the ability to adapt to the prevalent winds by
becoming streamlined accordingly; he records the frailty
of the senescent tree still defying all the destructive forces
thrown at it. Thus the descriptive quality of circumstances
as found serves Hommes as a demonstration of an appellative ›That’s the way it is‹, only for him to transform the
aim of his painting by assimilating into the certainty of
his observation the concerned and committed question,
›Must it be so?‹
Mimesis of the tree is exploited for depiction with a wealth
of material detail. Sometimes the branches will be shaped
in S curves, the line that William Hogarth considered to be
the quintessential ideal of beauty. The spectral agitation of
the branches suggests untamed vital force and at the same
time there is a sense of the transient nature of phenomena
and of form in nature as continually subject to change.
The artist, it would seem, has seized upon a moment in the
process of transience – transience as exemplified since
the art of the Romantics and pre-eminently that of Caspar
David Friedrich by the metaphor of trees – and, through
his artistic action, translated the ephemerality of appearances into a state of permanence. The painter of trees
knows of the mythical primordial experience that has been
humanity’s since the loss of paradise.
Mimesis is but one side of the coin. Its foil is the greenblack structure of some detail of this tree in other works
of the artist’s, where it is applied as relief-like paint. The
pictorial subject of the tree, concentrated into tactile form,
is now experienced on the surface of the canvas in threedimensional terms. An outcome of the process of materialising, in the sense of finding spiritualisation is that the
corporeal can enter non-structured space: the canvas as a
surface being experienced spatially because defined early
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in den malerischen Gestaltungsvorgang und erst danach
durch den pastosen Auftrag der Farbbrocken plastisch
definiert wurde).
Die Details der Baumäste von Hommes sind in ihrer Erscheinungsform nicht mehr eindeutig begrifflich festgelegt:
Dafür ist das Vergängliche der Bildvorstellung genommen
und zu einer rhythmisch schwingenden Lebensstruktur
kondensiert. Im Raum zwischen Naturding und der abgehobenen Form ist dieser geistige Umsetzungsprozess angesiedelt. Hommes zieht wörtlich und metaphorisch feine
Fäden, wenn erzürn Abstrakten drängt und jenes Gespinst
schafft, in dem sich das Naturhafte verfangen hat.
Der Künstler geriert sich in diesem Falle wie ein Alchemist,
wenn er analog zur Natur diese als Wörterbuch für seine
eigenen Bildschöpfungen benutzt, Natur auf diese Weise
malerisch verwandelt und sich ihr so wieder annähert. Wir
erkennen die ungewöhnliche Affinität zwischen Alchemie
und Konkretion in der Malerei, da beide Bereiche sich
desselben Prinzips bedienen und ihre Bildschöpfungen in
analogen Prozessen wie in der Alchemie hervorgegangen
sind. Zugleich tritt zu der großen Abstraktion das immaterielle Phänomen der Stille hinzu, weil das Vielschichtige
der äußeren Erscheinung und der Realistik im schöpferischen Prozess getilgt ist.
In der »alchemistischen« Umwandlung durch Kondensation, Härtung, Koagulation beispielsweise wird das
modellierte Bildzeichen in seiner Monumentalität zum
Ausdruck einer inneren Notwendigkeit. Man könnte das
aus dem Baumportrait verdichtete Zeichen als den Schnittmusterbogen der Natur erklären und so den Prozess
der Vergeistigung als Gegengewicht und Konsequenz
zur Abbildung des Vielfältigen akzeptieren, denn der
großen Realistik folgt die große Abstraktion nicht als zielgerichteter künstlerischer Entwicklungsstrang in zeitlich
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by dint of the registering and inclusion of its fabric structure in the process of painterly creation and only then
sculpturally through the impasto application of the floes
of colour.
The visual details of Hommes’ branches are no longer
anchored in any constant definable conceptual attributes;
simultaneously, the transient qualities have gone from the
pictorial concept, condensed into a rhythmically vibrant
organism. The terrain of this mental process of conversion
is the no-man’s-land between a thing of nature and isolated
spotlit form. On his surge toward the abstract, Hommes
spins fine threads literally and metaphorically, creating
that web in which the quality of nature is caught.
It is a case of the artist with his alchemist hat on when,
doing as nature does, he uses nature as the lexicon for his
own pictorial creations and so transforms nature through
painting - and thereby rediscovers a way towards her.
We can discern the exceptional affinity that painting offers
between alchemy and concretion, as both spheres, painting
and concretion, draw on the same principle and the images
generated from them issue in processes analogous to those
of alchemy. At the same time abstraction on a large scale
is coupled with the non-material phenomenon of stillness,
since the complexity of the outward appearance and of
realism is resolved in the creative process.
In an ›alchemical‹ transformation by concentration, hardening and, for example, coagulation, the modelled pictogram
in its monumentality becomes an expression of an inner
necessity. The mark distilled out of the tree portrait could
be explained as nature’s pattern chart and thus the process
of shift to a mental, spiritual plane be accepted as a counterweight to and consequence of the depiction of complexity,
for the great truth to nature is followed by great abstraction not as a purposive line of artistic development in a
nachgeordnetem Ablauf, sondern parallel. Hommes erzeugt
in diesen Bildzeichen das, was Ernst Cassirer »symbolische
Prägnanz« nannte und aus sinnlicher Erfahrung aufgrund
der bildimmanenten Spuren und Zeichen sich geistig artikuliert, auch in der Materialität der aufgetragenen Farbe.
Hommes bindet in die naturhaft und damit empirische
Gegebenheit die Transzendierung des Gegenständlichen
ein. Dazu trägt auch die Farbe bei, deren grünstichiger
Schwarzton mit grünen Protuberanzen zwischen opaker
Dichte und transluzider Aufhellung den schöpferischen
Prozess selbst unterstreicht.
sequence subordinate in time, but in parallel. In these pictorial signs, Hommes creates something that Ernst Cassirer
called symbolic potency or amplitude (symbolische Prägnanz; translated in extant literature as ›symbolic meaning‹.
Trans.) and which, out of sensory experience based on the
marks and traces inherent to his works, becomes articulate
on an intellectual plane. That includes the material qualities of the paint on the support. Enfolding within the
natural and so, empirical circumstance the transcending
of the object world, he is abetted by the paint. Its greentoned black with green protuberances between opaque
density and translucent heightening underscores the creative process itself.
Es bleibt bei dem Baumportrait das Gespür für Leere und
Fülle. »Die Bäume sind zu Botschaften aus der Innenwelt
des Künstlers geworden. Die Malerei geht durch den
Geist und geht durch den Körper.« (Matthias Bärmann)
The tree portrait retains that eye for emptiness and abundance. ›The trees have become messages from the artist’s
inner world. The[ir] painting proceeds through the mind
and it proceeds through the body.‹ (Matthias Bärmann)
—
ground zero
2010, Dispersion auf Spanplatte,
15 × 40 cm
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the day that never comes I
2009, Öl auf Leinwand, 200 × 300 cm
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Der Baum im Spiegel
Tree, Mirrored
von Wolfgang Becker
by Wolfgang Becker, Translation: Stephen Reader
The tree paintings of Helge Hommes
Er lebt nicht auf den Bäumen wie der Baron Italo
Calvinos (1957), er sammelt nicht Zweige und Steine auf
langen Wanderungen wie Alan Sonfist oder Richard Long,
er tanzt nicht mit seinen Freunden in Baumkronen wie
Gordon Matta-Clark (1971), er feiert keine Freundschaften
mit Bäumen wie Milan Knizak (1977), er pflanzt keine
Eichen wie Joseph Beuys (1982). Er ist durch den Wald des
Hunsrück gegangen, aber als er sich in Aachen niederließ,
wurde ein Fabrikraum sein Atelier.
He does not live in his trees, as did Italo Calvino‘s baron
(1957); he does not undertake long hikes to collect twigs
and stones, like Alan Sonfist or Richard Long; he does not
dance in the treetops with his friends, like Gordon MattaClark (1971), celebrates no friendships with trees à-la Milan
Knízák (1977), plants no oaks like Joseph Beuys (1982).
He did walk through the forest of the Hunsrück range, but
when he settled in Aachen, a former factory workshop was
the space that became his studio.
Ich bewundere diesen Schnitt, den Helge Hommes vor
wenigen Jahren durch sein Leben zog, als er begann,
gespannte Leinwände sorgsam in mehreren Schichten
weiß zu grundieren und schwarze Farbe, in die kaltgrüne
Pigmente versenkt waren, dick, borkig aufzutragen – in
gefurchten Bahnen, die Zweigen von Bäumen ähnlich
waren. Da war nichts Spontanes, Rauschhaftes, Wütendes
oder Jubelndes; der Prozess, der sichtbar wurde, war von
vorsichtiger Langsamkeit bestimmt, ein Vortasten: die
reliefierte Farbpaste schiebt sich durch den weißen Farbraum wie der Ast eines Baumes im Frühling, der der Sonne
entgegenwächst. (S. 36 –56)
I feel admiration for this cut that Helge Hommes made
in his life when, not many years ago, he began carefully
covering stretched canvases with several coats of white
before applying impasto, barklike furrowed bands of black
paint in which he had first sunk pigments of a cold green.
Now they took on something of the appearance of tree
branches. There was nothing spontaneous, ecstatic, raging
or jubilant in this. The salient characteristic of the process
becoming visible here was cautious slowness and tentativeness. The relief impasto paint pushes its way through
the white domain like the branch of a tree in spring growing toward the sun. (p. 36 –56)
Alle Instrumente, die Menschen in den letzten Jahrzehnten
entwickelt haben – vom Rechner zum Airbus – sind schneller als er selbst und beschleunigen seinen Lebensrhythmus
bis zu jener Belastungsgrenze, auf der Helge Hommes seinen Schnitt machte. Es ist nur allzu konsequent, dass die
radikale Entschleunigung, die er sich zumutete, ihn in eine
Mimesis führte, in der der Lebensrhythmus der Bäume sein
Leitbild wurde.
All the instruments man has invented over recent decades,
from the computer to the Airbus, are faster than man and
accelerate his rhythm of life all the way to the point of
maximum strain at which Helge Hommes made his cut.
It is only too consistent that the radical deceleration that
he was willing to brave landed him in a mimesis in which
the rhythm of life of trees became his model.
‹–
Zu den Baumbildern des Helge Hommes
13
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ground zero
2010, Skizzen, Dispersion auf
Sperrholz, unterschiedliche Formate
ground zero
2010, Skizzen, Dispersion auf
Sperrholz, unterschiedliche Formate
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Du
2010, Skizze,
Dispersion auf Sperrholz, 23 × 28 cm
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»Learn now the lore of Living Creatures!
First name the four, the free peoples:
Eldest of all, the elf-children;
Dwarf the delver, dark are his houses;
Ent, the earthborn, old as mountains;
Man the mortal, master of horses.«
Thus Treebeard, for the tree-like Ents, counsels the
Hobbits in The Lord of the Rings and attributes to mankind both the swift horse and mortality; to the trees,
the earth and the age of mountains (in 288 BC a tree was
planted in Sri Lanka and survives to this day; the oldest
tree of all is said to have emerged 4 844 years ago).
Die Psychologin Phyllis Krystal schildert in ihrem Buch
»Die inneren Fesseln sprengen« eine »Baumübung«, in der
sie zu jener Vorstellung einlädt, die Ovid in das Bild der
Daphne gefasst hat, die sich in einen Lorbeerbaum verwandelte. Baumübungen dieser Art kennen auch die Lehrer
des Qi-Gong: »Stehen wie eine Kiefer«. Und unzählige
Geschichten ranken sich um Einsiedler, die in hohlen
Bäumen lebten, und Menschen, die aus Bäumen heraustraten. Die Legenden erweitern humanes Zeitmaß und
geben der Sehnsucht nach einem ewigen Leben Ausdruck.
In her book, Cutting the Ties That Bind, psychologist
Phyllis Krystal describes a ›tree exercise‹ for which she
invites the reader to contemplate Ovid’s notions couched
in the image of Daphne transformed into a bay tree. Tree
exercises of this kind are also familiar to teachers of qi
gong. ›Standing like a pine‹; and countless tales have
accumulated around hermits who lived in hollow trees,
and people who emerged from trees. The legends extend
the human time-scale and lend expression to the longing
for eternal life.
‹–
So spricht Treebeard für das Volk der Bäume zu den
Hobbits in »The Lord of the Rings« und weist den Menschen zugleich das schnelle Pferd und Sterblichkeit zu, den
Bäumen die Erde und das Alter der Berge. (288 v. Chr. wurde
in Sri Lanka ein Baum gepflanzt, der noch lebt, der älteste
aller Bäume soll sich vor 4.844 Jahren erhoben haben.)
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Du
2010, Skizzen,
Dispersion auf Sperrholz,
20 × 30 cm, oben 23 × 35 cm
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The first paintings of the crowns of trees (of a fir, a yew)
are still black on white ground, but then Hommes exceeds
himself and one has a sense of the euphoric ambition,
almost presumption, as he paints the trunk and branches
of a leafless lime, colourful in the bright, cool sunlight
before a cloudless sky.
Die Mimesis ist hier bis zur Täuschung vorgetragen: nicht
allein zur Illusion, vor einer Fotovergrößerung zu stehen,
sondern hin zur antiken Fabel von Apelles und Zeuxis:
Vögel könnten verleitet sein, sich auf den Zweigen niederzulassen.
Mimesis here is performed to the extent of a deception, not
simply to the point of the viewer’s illusion of standing
before a photographic enlargement, but all the way to
the Classical fable of Apelles and Zeuxis: birds might be
deceived into settling on the branches.
Aber die Täuschung ist auch eine Entfernung; die Empathie, die Einfühlung in das Wachstum von Pflanzen weicht
einer Beobachtung, einer Aufmerksamkeit, die Helge
Hommes nun einem bestimmten, einem sterbenden Baum
widmet. Er hat ihn an einem unscheinbaren Ort neben
einem Autobahnzubringer entdeckt und wird ihn nicht
aus den Augen verlieren, bis die Aufsichtsbehörde ihn
absägen und entfernen lässt. Dann wird er sich auf seinen
Stumpf stellen wie auf einen Skulpturensockel.
Delusion is also distance. The empathy, the sensitivity
toward the growth of plants gives way to observation, to
attention that Hommes now dedicates to a specific tree,
a dying one. He chanced on it at a nondescript site beside
a motorway approach road and will not let it out of his
sight until the motorway surveillance board decides to
fell and dispose of it. Then he will stand on the stump as
if it were the pedestal for a sculpture.
‹–
Die ersten Bilder von Baumkronen – eine Fichte, eine Eibe
– sind noch schwarz auf weißem Grund, doch dann steigert
er sich selbst – man ahnt den euphorischen Ehrgeiz, fast
eine Überhebung – und malt Stamm und Äste einer unbelaubten Linde farbig im hellen, kühlen Sonnenlicht vor
einem wolkenlosen blauen Himmel.
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ground zero
2009, Öl auf Leinwand, 200 × 300 cm
22
24
Ausstellungsansicht
2010, Galerie Freitag 1830, Aachen
25
‹–
Dieser Baum ist eine alte Linde, und Hommes malt nur den
unteren Teil des Stammes und Äste verschiedener Größe,
die sich am Beginn einer Beuge knorrig aus ihm gewunden
haben. Der schwerste von ihnen ist schon aus dem Stamm
gebrochen und wäre gefallen, hielte ihn nicht eine Astgabel des nächsttieferen. Aufragendes dichtes Gestrüpp
umgibt ihn und macht das Terrain unzugänglich.
The tree is an ancient lime, and Hommes now paints the
lower part of the trunk and boughs of different sizes which
emerge, winding, gnarled, out of the onset of a bend in it.
The heaviest branch has already broken away from the
trunk and would have dropped had it not been stopped by
a fork in the branch immediately below. High, dense scrub
surrounds it and makes this inaccessible terrain.
28
Du
2006, Öl auf Leinwand, 200 × 300 cm
26
And then, Helge Hommes surprised himself with a small
picture in which he depicts a whole tree, almost photographically (just as the Picasso of the Demoiselles d’Avignon
surprised himself when he portrayed his beloved Olga
›realistically‹).
Eine schwarze Astgabel auf einem weißen Grund gemalt
kann ein kleines Bild besetzen und um sich herum die Vorstellung eines lebensgroßen Baumes vermitteln. Betrachtet
man die Bilder dieser Art als Abbilder von Baumfragmenten, so geben fast alle ihre Motive in Lebensgröße wieder
(so wie wir sie empfinden, wenn wir in gehörigem Abstand
vor einem Baum stehen). Wenn ein »fotografisches« Bild
einen Baum in Lebensgröße wiedergeben soll, muss es
selbst, müssen alle Informationen, die es enthält, Lebensgröße haben. Das Bild, das der Maler sich gemacht hat, ist
jetzt ein Bild, das er sieht. Er malt etwas anderes, und er
malt anders. Die dickflüssigen Impasti, die Erdfurchen
und Baumrinden ähnelten und im Seitenlicht glitzerten,
sind einer feinen, dünnflüssigen Malerei gewichen, die
nicht auf die Gegenstände, sondern auf ihre Erscheinungen
in Licht und Schatten zielt.
The black fork of a branch painted on a white ground may
occupy a small picture and convey in a wide radius around
about the inner image of a tree large as life. If one contemplates paintings of this kind as depictions of fragments
of trees, almost all render their subjects life-size (or: as we
perceive them to be if we stand before a tree at an appropriate distance). If a ›photographic‹ painting is to reproduce
a tree life-size, then it and all the information it contains
must be life-size. What was the picture that the artist had
gained now becomes a picture he sees. He paints something
different and paints differently. The viscous impasto that
resembled furrows and tree barks and glittered in oblique
light, has ceded to a delicate, watery kind of painting which
aims not at the objects, but at their forms of appearance
in light and shade.
‹–
Und dann überraschte sich Helge Hommes mit einem kleinen Bild, in dem er fast fotografisch einen ganzen Baum
abbildete (so wie der Picasso der »Demoiselles d’Avignon«
sich überraschte, als er seine geliebte Olga »realistisch«
porträtierte).
33
Ausstellungsansicht
Altes Museum Mönchengladbach, 2008
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Enstehung des Bildes Du
2006, Aachen
29
Du
2005, Öl auf Leinwand, 35 × 50 cm
30
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Du
2005, Öl auf Leinwand, 35 × 50 cm
32
In one of the paintings the dead, inanimate bark of the
tree is Hommes’ opportunity to lend a new form to the
defining empathy of his earlier work. Now the goal is no
longer one of painting infinitely slow growth, infinitely
slowly pulsating life, but its converse: the becoming motionless, then rigid, the decaying, the lignification, petrification and decomposition. Only the proliferating shoots
of new trees pushing their way through the scrub set new
life against the fissured shroud of deadwood. (p. 35)
‹–
In einem der Bilder gibt die abgestorbene, lebenslose
Borke des Baums Hommes Gelegenheit, jener Empathie,
die seine früheren Werke bestimmte, eine neue Form zu
geben: hier geht es nicht mehr darum, unendlich langsames
Wachstum zu malen, unendlich langsam pulsierendes
Leben, sondern sein Gegenteil: bewegungslos werden,
erstarren, verwesen, verholzen, versteinern, zerfallen.
Nur die wild aufschießenden Triebe neuer Bäume, die sich
ihren Weg im Gestrüpp bahnen, setzen der schrundigen
Totenhaut ein neues Leben entgegen. (S. 35)
37
33
the day that never comes II
2009, Öl auf Leinwand, 190 × 300 cm
34
36
Betrachten wir diese Werke vor dem Hintergrund des französischen Informel und des amerikanischen abstrakten
Expressionismus, also vor Bildern von Georges Mathieu
oder Franz Kline und Jackson Pollock, so fehlt ihnen die
lockere schreibende, pendelnde Hand, die ausgelebte
Motorik, die offene psychische Erregung; die Borken,
Knoten und scharfen Ränder der Farbbahnen, die majestätischen Balken von Rand zu Rand scheinen Emotionen
eher zu verstecken, der Maler beherrscht sie mit kühler
distanzierter Meisterschaft.
There is nothing in the paintings of Helge Hommes to
suggest a desire to speak either of himself or of trees, apart
from those latest ones which show him in the branches
of a tree or on a stump. In the initial phases of work, the
dark, incised, striated bars cut by the painting’s edge, the
nodes and areas of mesh, did not even need to be read as
vegetal. The canvases they populated, whether large or
small, exercised an effect of subdividing, organising and
determining the spaces in which they were hung; what
they did not do was to reproduce branches; they did not
take nature into the galleries and museums; they presented
›ornaments‹ which were not constructed but which had
grown and proliferated as if in quick-motion over the
picture grounds.
‹–
Nichts in den Bildern des Helge Hommes deutet darauf
hin, dass er etwas über sich und die Bäume erzählen möchte
– außer in jenen letzten, die ihn im Geäst eines Baumes
oder auf einem Baumstumpf zeigen. In den ersten Phasen
der Arbeit mussten die dunklen durchfurchten angeschnittenen Balken, Knoten und Geflechte nicht einmal vegetal
verstanden werden. Die Leinwände, die sie besetzten, ob
große oder kleine, griffen gliedernd und bestimmend in
die Räume ein, in denen sie aufgehängt wurden. Sie gaben
keine Äste wieder, sie holten nicht die Natur in die Galerien und Museen; sie führten »Ornamente« vor, die nicht
konstruiert, sondern wie in einem Zeitraffer über die
Gründe gewachsen, gewuchert waren.
Compared to French art informel or American abstract
expressionism, in other words, to paintings by a Georges
Mathieu, a Franz Kline or a Jackson Pollock, Hommes’
lack that relaxed, writing, dangling hand, the motor action
running free, the frank psychological agitation; rather the
bark, knots and hard edges of the bands of colour, the
majestic bars running from edge to edge, seem to conceal
the emotions; the painter controls them with cool, detached mastery.
58
into the trees
2009, Öl auf Leinwand, 60 × 220 cm
37
Textfragmente: »Aus dem Wald«
Text fragments: »Out of the Woods«
von Matthias Bärmann
by Matthias Bärmann, Translation: David Galloway
Es ist wie bei einer Begrüssung, als strecke jemand den
Arm aus und reichte die Hand und gleich noch Raum dazu.
It is like a greeting, as though someone stretched out an
arm and offered a hand, and at the same time, the accompanying space.
Die Bäume sind so angeordnet, dass sie wie gespreizte Finger
und ausgestreckte Arme aussehen. (Chang Yen-yüan, ?–847)
The trees are so ordered that they look like spread fingers and
outstreched arms. (Chang Yen-yüan, ?–847)
Tree-trunks and branches in late November, no snow yet.
Apple trees twisted into knots, conifers straight as splinters, dark and silhouetted against a white sky. Lend it a
consoling structure. In the act of painting one possibly has
the sky as an abyss under one’s feet. (Paul Celan)
Die Lineamente der Stämme und Äste und der leere Raum
bestreiten einander, machen sich so wechselweise überhaupt erst anschaulich. Ein Stamm, mit der Leere als
Gewand, der helle Raum mit dunklen Knochen. Rückrat,
Skelett, Gerüst.
The lineaments of the trunks and branches and the empty
space contend with each other, in this way becoming alternately visible for the first time. A trunk with emptiness as
raiment, the light space with dark bones, spine, skeleton,
frame.
‹–
Baumstämme und Äste im späten November, noch kein
Schnee, Apfelbäume knotig in sich verwunden, Nadelbäume splittrig gerade, dunkel und freigestellt gegen einen
weissen Himmel. Geben ihm eine tröstliche Struktur. Womöglich hat man ja beim Malen den Himmel als Abgrund
unter sich. (Paul Celan)
41
into the trees
2009, Öl auf Leinwand, 160 × 110 cm
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So sieht es, vielleicht, im Geist des Betrachters aus. Auf
der Leinwand sieht es anders aus. Der Nesselstoff, die
Leinwand, sie sind in mehreren Farbschichten grundiert.
Verletzlich gemacht für die Form. Der Grund als Fläche
und Erscheinungsraum, als hell leuchtendes Fluidum.
Die Farbträger sind auf mächtige Keilrahmen montiert.
Die Körper der Bilder: Raum-Körper mit umgebenen
Schattenfeldern.
The light, sensitive and vulnarable membranes are transversed by dark bands. Paint massively applied and plowed
like a field, streaked color-skin. In the black relief of lineaments, in its furrows, there breaks the light, greenish,
bluish. Thus the bright emptiness is tensed, energized.
‹–
Die hellen, empfindlichen und verletzlichen Membranen
werden von dunklen Bahnen überquert. Farbe massiv
aufgetragen und zerfurcht wie ein Acker, strähnige FarbHaut. Im Schwarz-Relief der Lineamente, in seinen
Furchen bricht sich das Licht, grünlich, bläulich. So wird
die helle Leere gespannt, energetisiert.
So it appears, perhaps, in the mind of the viewer. On canvas
it looks different. The muslin, the canvas, is grounded with
several layers of paint. Made vulnerable for the form.
The ground as plane and apparitional space, as brightly
glowing atmosphere. The paint-supporters are mounted
onto massive stretchers. The bodies of the pictures: spatial
bodies with surrounding fields of shadow.
42
into the trees (Detail)
2009, Öl auf Leinwand, 160 × 110 cm
41
The woods have passed through the spirit. The painting
goes through the spirit and goes through the body. The
manifestation in the picture: pure synergy. A new, pure
facticity: that which is the case. Painting, organic processes,
the drama of growth, brought to repose. To contemplation.
The bare frameworks of trees against the sky, the bare
lines against the canvas. Both against the emptiness.
Clarity and serenity of the reductions.
‹–
Der Wald ist durch den Geist gegangen. Die Malerei geht
durch den Geist und geht durch den Körper. Die Manifestation im Bild: reine Synergie. Eine neue, pure Faktizität:
das was der Fall ist. Malerei. Organische Prozesse, das
Drama des Wachstums, zur Ruhe gebracht. Zur Anschauung. Die kahlen Baumgerüste gegen den Himmel, die
baren Linien gegen die Leinwand. Beides gegen die Leere.
Klarheit und Heiterkeit der Reduktionen.
45
into the trees
2009, Öl auf Leinwand, 60 × 220 cm
42
43
into the trees
2009, Öl auf Leinwand, 120 × 170 cm
44
Besides, the spirit possesses no form of appearance of its own
but acquires shape through things.
Das innere Gesetz der Dinge (li) kann bewusst, aber auch
unbewusst aufgespürt werden.
The inner law of things (li) however, can be consciously but
also unconsciously detected.
Sind diese Dinge vollendet dargestellt, sind sie selbst
Wirklichkeit.
If these things are completely represented, they themselves are
reality.
(Tsung Ping, 375–443)
(Tsung Ping, 375–443)
‹–
Übrigens der Geist besitzt keine eigene Erscheinungsform,
sondern er gewinnt mit den Dingen Gestalt.
46
45
›Reclining / horizontal‹, ›standing / vertical‹. The paths of
the lines of the canvas are vertical and horizontal. Reclining
and standing are body-consciousness. Orientations of the
body in space. Also action and passion, both together.
Or, in the paradoxical Far-Eastern variant: passive activity
(Chin.: wuwei). Proceeding with complete decisiveness,
with great vigor – from an attitude of total detachment.
For nothing.
Das rhythmische Spiel von vertikalen und horizontalen
Asymmetrien bei Piet Mondrian. In ihnen spiegelt sich der
Prozess, in dessen Verlauf organische Strukturen sich
bilden, Ordnungen, stets in Passagen durch Unordnung
begriffen. Die Schattenverläufe der verworfenen Linien auf
seinen unvollendeten Bildern.
The rhythmic play of vertical and horizontal asymmetries
in the case of Piet mondrian. In them is mirrored the
process in whose course organic structures are formed,
arrangements, always perceived in passages through disorder. The courses of shadows of the lines cast on Mondrian’s
unfinihed pictures.
‹–
»Liegend / horizontal«, »stehend / vertikal«. Vertikal und
horizontal sind die Verläufe der Linien auf der Leinwand.
Liegend und stehend sind Körperbewußtsein. Orientierungen des Körpers im Raum. Auch Aktion und Passion,
beides zusammen. Oder, in der paradoxen fernöstlichen
variante: tatloses Tun (chin.: wuwei). Handeln mit aller
Entschiedenheit, mit allem Nachdruck – aus einer Haltung
völliger Losgelöstheit heraus. Für nichts.
50
into the trees
2009, Öl auf Leinwand, 240 × 170 cm
46
Fichte Tanne
2008, Öl auf Leinwand, je 42 × 42 cm
48
into the trees
2009, Öl auf Leinwand, 120 × 90 cm
49
Horizontale, Vertikale, Diagonale als platonische Ideen:
prästabilisierte Geometrien. Baum und Geäst, draussen im
Wald wie auch drin als Bild im Bewußtsein: Geometrie
und jede menge Störungen. Und als Malerei: Ordnung und
Chaos so ineinander gebaut, dass das Bild mit Energie aufgeladen wird.
Horizontals, verticals, diagonals as platonic ideas: prestabilized geometries. Tree and branches, out there in the
woods as well as within as a picture in the consciousness:
geometry and all sorts of disturbances. And as painting:
order and chaos so interlocking that the picture is charged
with energy.
In der Urzeit gab es keine Methode. Das anfängliche Chaos
wies noch keine Unterschiede auf. Als das uranfängliche Chaos
Unterschiede aufwies, entstand die Methode (das Gesetz).
Wie entstand diese Methode? Sie entstand aus dem Ein-Strich.
Dieser Ein-Strich ist das, woraus alle Erscheinungen entstehen,
die Götter haben ihn angewandt, und die Menschen können
ihn anwenden. Niemand auf der Welt weiss das. […] Die ganze
Malerei hat ihre Wurzeln im erkennenden Geist.
(Shih-t’ao, 1641 – ca. 1717)
In prehistoric times there was no method. The initial chaos
demonstrated no difference. As the primordial chaos demonstrated the first differences, the first method (law) came about.
How did this method come about? It arose from the single stroke.
This stroke is that from which all appearances came about; the
gods applied it, and humans can use it. No one in the world
knows that. […] all painting has its roots in the discerning spirit.
(Shih-t’ao, 1641 – ca. 1717)
Segments: withholding of the whole. And at least a slight,
scarcely perceivable impetus, an almost imperceptible
aberration which does not want to be absorbed into the
format, strives to extricate itself from its order. Tilting and
lopped-off forms, fragments, differentiations, displacements, refractions, extreme asymmetries.
‹–
Segmente: Vorenthalt des ganzen. Und zumindest ein
leichter, kaum spürbarer Schwung, eine fast unmerkliche
Aberration, die nicht im Format aufgehen will, danach
strebt, sich seiner Ordnung zu entwinden. Kippende und
angeschnittene Formen, Fragmente, Überschneidungen,
Verschiebungen, Brechungen, extreme Asymmetrien.
55
Waldesruh
2003, Öl auf Leinwand, 170 × 120 cm
50
51
cut
2006 – 2010, Serie von kleinformatigen
Bildfragmenten, Öl auf Leinwand
52
into the trees
Zürich 2006, Öl auf Leinwand,
230 × 450 cm
Die sperrigen Labyrinthe des Gestrüpps, Gabelungen,
Bifurkationen. Wege, die sich trennen und allenfalls dort
wieder treffen, wo Parallelen sich schneiden. Überlagerung der widerstreitenden Richtungen und Kräfte. Alle
Divergenzen und Spannungen kommen zu einer gespannten Ruhe. Im Bild manifestiert sich eine prekäre Balance,
die im Betrachten immer wieder erst zu realisieren ist.
The obstructive labyrinths of the undergrowth, forkings,
bifurcations. Paths that separate and meet, if at all, where
parallels overap. Superimposition of the conflicting directions and forces. All the divergences and tensions come
to a tense repose. In the picture there is manifested a precarious balance which can repeatedly be realized only
through contemplation.
Alle zitate von chinesischen Malern stammen aus: Chinesische
Malerei – Eine Schule der Lebenskunst. Schriften chinesischer Maler
herausgegeben von Lin Yufang (Klett Verlag, Stuttgart 1967)
All quotations from Chinese painters are taken from Chinesische
Malerei – Eine Schule der Lebenskunst. Schriften chinesischer Maler
herausgegeben von Lin Yutang (Klett Verlag, Stuttgart 1967).
Paul Celan wird aus seiner Büchner-Preis-Rede von 1960 zitiert.
Siehe Büchner-Preis-Reden 1951–1971 (Reclam, Stuttgart 1972).
Paul Celan is quoted from his BüchnerPrize acceptance speech of 1960.
See Büchner-Prize Speeches 1951–1971 (Reclam, Stuttgart 1972).
—
into the trees
2005, Öl auf Leinwand,
230 × 200 cm
55
‹–
37
... Der Baum im Spiegel / Tree, Mirrored
Comes the time when the tree has been felled. In sketches,
the painter reveals himself as a mourner in his black habit.
The chaos of the bushes around the crater of the stump
makes inroads upon the spluttering brush-work; the spontaneous emotionality that was for a long time a key feature
of the works takes on an elegiac hue when it encounters
death.
‹–
Dann ist der Baum gefällt. In Skizzen zeigt sich der Maler
als Trauernder in schwarzem Habit. Das Chaos der Büsche
um den Krater des Stumpfes greift in den klecksenden
Farbauftrag über. Das frische Pathos, das die Werke lange
bestimmte, färbt sich elegisch, wenn es dem Tod begegnet.
60
… folge mir (II + I)
2010, Öl, Dispersion auf Leinwand,
290 × 220 cm und 120 × 90 cm
57
The figure in black, lying barefoot and with eyes shut, rigid
as if laid out, upon the branch of an old and leafless tree
and under the shelter of another heavy branch inclined
over him, is part of the mesh of branches playing around
his form and seemingly permeating him like a network of
veins. He is tree, remembrance of a tree. Is he the dead tree?
‹–
Der Schwarzgekleidete, der barfüßig und mit geschlossenen Augen starr, wie aufgebahrt, auf dem Zweig eines blattlosen alten Baumes ruht, von einem anderen schweren Ast
geschützt, der sich über ihn beugt, er ist Teil des Geästes,
das ihn umspielt und wie ein Aderwerk zu durchwachsen
scheint. Er ist Baum, Erinnerung an einen Baum. Ist er
toter Baum?
61
… folge mir III
2010, Dispersion auf Leinwand,
220 × 170 cm
58
60
In the emotionality of self-portrayal, Anselm Kiefer has
occasionally painted himself lying naked upon some unspecified ground (the Louvre was the latest venue, in 2010),
face to the firmament, like an empty husk whose living
spirit has left it to dissolve in the universe. It is not necessary to view images of this kind as one would view an
altar; they have a limited credibility; they are allegories,
metaphors that show ›exercises‹ in which people break
free of their preordained existences. In a sociological narrowing of the existential theme in 2006, Jana Gunstheimer
dedicated to a certain ›F‹ an installation of hand-written
notes and silhouette work in black paper. ›Sometimes an
anxiety creeps over F. that he might disintegrate at the
edges.‹ – ›He conforms to such an extent that he might be
absorbed by his environment.‹ The largest cut-out shows
a sawn-off, fallen tree, and under it the caption in large
letters, KAPITULATION .
‹–
Im Pathos der Selbstdarstellung hat Anselm Kiefer sich
zuweilen, zuletzt im Louvre 2010, nackt auf einer unbestimmten Erde liegend gemalt, dem Firmament zugewendet, gleichsam eine leere Hülle, deren lebender Geist sie
verlassen und sich im Universum aufgelöst hat. Es ist nicht
nötig, Bilder dieser Art wie Altäre zu betrachten, sie haben
eine beschränkte Glaubwürdigkeit, sie sind Allegorien,
Metaphern, die »Übungen« zeigen, in denen Menschen
sich aus ihren vorbestimmten Existenzen befreien.
In einer soziologischen Verengung des existentiellen
Themas hat Jana Gunstheimer einer Person »F.« 2006 eine
Installation aus handschriftlichen Notizen und Scherenschnitten aus schwarzem Papier gewidmet: »Manchmal
beschleicht F. die Angst, sich an den Rändern aufzulösen.«
– »Er befürchtet, von seiner Umgebung absorbiert zu
werden, so angepasst ist er.« Der größte Scherenschnitt
zeigt einen abgesägten, gestürzten Baum, darunter in
großen Buchstaben »KAPITULATION «.
62
61
Der Blick auf Bäume schließt heute gefällte Bäume,
sterbende Bäume, ökologische Verbrechen und Katastrophen ein. In die Verklärung haben sich Züge schwarzer
Romantik gemischt. So ist es auch nicht mehr nötig, die
Arbeit des Helge Hommes als Beitrag zur deutschen Landschaftsmalerei zu begreifen und auf den deutschen Wald
von Tacitus bis Hermann Göring zu beziehen. Der Baum,
seine Gestalt, sein »Ornament« bieten, unabhängig von
der Strahlkraft ihrer Bedeutungen, eine Fülle visueller
Anstöße, die das ganze Lebenswerk eines Malers bestimmen können. Dabei erreicht Hommes hier gerade eine
erste Stufe. Sie hat ihn zu seiner Überraschung vor sein
Spiegelbild geführt.
Today trees invite visions encompassing felled trees, dying
trees, ecological crime and disasters. Into that glorification
have entered the traits of a black romanticism. Thus it
is no longer necessary to comprehend Helge Hommes’
work as a contribution to German landscape painting or
to relate it to the German forest theme from Tacitus to
Hermann Goering. The tree, its form, its ›ornament‹,
independently of the charisma of their meanings, offer a
wealth of visual impulses that could govern a painter’s
life’s work. Yet for Hommes vis-à-vis that subject it is
barely the opening of an initial phase. It has led him, to
his surprise, to his mirror image.
—
… folge mir IX
2010, Öl, Dispersion auf Leinwand,
220 × 170 cm
62
… folge mir VIII
2010, Dispersion auf Leinwand,
120 × 240 cm
65
Helge Hommes vor into the trees
2006, Öl auf Leinwand, 200 × 400 cm
66
Biografie | Biography
Einzelausstellungen (Auswahl ab 1995)
2010 Galerie Freitag 1830, Aachen
Galerie Roland Aphold, Basel
2009 Galerie Kokon, Tilbourg ( NL)
Galerie Suty /coye la foret, Paris ( F )
2008 Galerie Arnoux, Paris
Kunstraum 34, Stuttgart
Galerie Raphael 12, Frankfurt
2007 Galerie Akie Arichi, Paris (mit Bodo Korsig)
altes Museum, BIS, Mönchengladbach
Galerie 60, Feldkirch, Österreich
2006 Galerie am Elisengarten, Aachen (Kunstroute)
Kunstverein Bruchsal
Fischerplatzgalerie, Ulm
Galerie Raphael 12, Frankfurt
Galerie Arnoux, Paris
Kunstverein Januar e.V., Bochum
Kunstverein Damianstor, Bruchsal
Galerie Haus Schneider, Karlsruhe Zürich
2005 Galerie Hildegard Reeh,
Contemporanea, Trier
2004 Raum für Kunst, Aachen
Galerie Kokon, Tilburg ( NL)
K4-Galerie Saarbrücken
Galerie Arnoux, Paris
2003 Städtisches Museum Simeonstift Trier
Galerie Akie’Arichi, Paris
Galerie Ute Brummel, Dortmund
(mit Christiane Schoenen)
2002 Galerie Werner Klein, Köln
Galerie Davide di Maggio, Mailand ( I )
Kunstverein Hof
2001 Naturkundemuseum, Tilburg (Naturlabor) ( NL)
Galerie Clairefontaine (Lux)
68
2000 Galerie Werner Klein, Köln
Museum Baden, Solingen (Naturlabor)
1999 Maisenbacher Art Gallery, Trier
1998 Centre d’Art Contemporaine du Luxembourg-Belge,
Jamoinge (B)
Galerie Markus Nohn, Trier
Kulturförderung junge Kunst, Sparkasse Landau
Galerie Clairefontaine (Lux)
1997 Kunstverein Art’s place, Den Haag ( NL)
Galerie Markus Nohn, Trier
Galerie Epikur, Wuppertal
1996 Kunstverein Oberhausen
Galerie Ten Hook, Den Haag ( NL)
Galerie Clairefontaine (Lux)
Kunstverein Schwelm
1995 Galerie Markus Nohn, Trier
Galerie Epikur, Wuppertal
Raum für Kunst, Aachen 2004
Altes Museum, Mönchengladbach 2008
Museum Kunstpalast, Düsseldorf 2010
Ausstellungsbeteiligungen (Auswahl ab 1995)
Galerie Roland Aphold, Basel 2010
Museum Baden, Solingen 2003
Helge Hommes, »gute Nacht und
träum was schönes«, 1989
2010 Galerie Netuschil, Darmstadt
Grosse Kunstausstellung NRW – Museum Kunstpalast, Düsseldorf
2009 Neuer Aachener Kunstverein
Städtische Galerie, Speyer
2008 Galerie 1830, Aachen
Galerie Michael Schmalfuß, Marburg
2007 K4 Galerie Saarbrücken
Kunstverein Mittelrhein, Koblenz-Boppart
Galerie Besch, Saarbrücken
2006 Stedelik Museum Roermond ( NL) (in Zusammenarbeit mit Ludwigforum, Aachen und Ikop, Eupen (B)
Galerie Kokon, Tilbourg ( NL)
Galerie Raphael 12, Frankfurt
2005 Galerie Robert Drees, Hannover
Parapluefabrik, Nimwegen ( NL)
Fondation d’entreprise espace e’cureuil – pour l’art
contemporain, Toulouse ( F )
Schloss Burgau, Düren
Galerie Davide di Maggio, Mailand ( I )
2004 Galerie Werner Klein, Köln
Ikob, Eupen (B)
Orangerie du Senat, Jardin du Juxembourg, Paris
Galerie de L’Entrepot, Paris
Gesellschaft für bildende Kunst, Trier
2003 Galerie Clairefontaine (Lux)
Galerie Werner Klein, Köln
2002 Kölnisches Stadtmuseum
Museum Baden, Solingen
2000 Künstlerhaus Metternich, Koblenz
Galerie Clairefontaine, (Lux)
1999 Galerie Akie’Arichi, Paris
Gesellschaft für bildende Kunst, Trier
1999 Kunstverein Oberhausen
1998 Kunsthaus Essen
Musee d’Art Contemporaine, Liege (B)
Haus der Kunst, München
Deutsche Bank, Wuppertal
Galerie Markus Nohn, Trier
1997 Galerie Akie’Arichi, Paris
Haus der Kunst, München
1996 Städtische Galerie Nancy ( F )
Tutesaal, Luxembourg
Haus der Kunst, München
1995 Kunstverein Gottmadingen, Schloß Randegg
Kunstverein, Galerie im Zwinger, St. Wendel
Schloß Bourglinster (Lux)
69
... mein besonderer Dank für die Unterstützung beim
erarbeiten des Kataloges gilt meinem Freund und Künstlerkollegen Oliver Czarnetta, dem Kölner Grafiker Marco
Lietz, dem Verleger Gerhard Theewen / Salon Verlag, Köln
meinem Mentor ... Professor Dr. Wolfgang Becker (ehem.
Direktor Ludwig Forum Aachen), Herrn Clemens Jöckle,
Städtische Galerie Speyer für seine Gedanken zu meinem
auserwähltem Baum, dem ich seit 2006 gegenüberstehe,
Herrn Matthias Bärmann für seine herausragenden und
weit blickenden Worte zu den abstrakten Arbeiten von
2002, die bis zum heutigen Tag nachhaltig stehen.
Herrn Franz-Joseph Weber (Vorsitzender des Kunstvereins
Siegen), der mich Mitte des Jahres 2010 zu dieser Ausstellung einlud und natürlich meinen Galeristen, Roland
Aphold aus Basel, Michael Schmalfuss aus Marburg und
Andreas Petzold und Robert Mertens aus Aachen und
meinen weiteren Galeriepartnern, die mich über die Zeit
begleitet haben.
Ebenfalls meinen Sammlern und Freunden, danke allen
Menschen, die mich auf meinem Weg unterstützt haben
und sich von meinen Bildern angesprochen fühlen.
Ich freue mich auf weitere Begegnungen und Austausch.
Ich widme diesen Katalog meinen Kindern Luka Hommes,
Anne Hommes und Joschka Hommes
und meinen verstorbenen Eltern Helmut Hommes und
Gerda Hommes (geb. Kronenberg)
into the trees
2008, Öl, Dispersion auf Leinwand,
200 × 300 cm
70
71
Dieser Katalog erscheint anlässlich der Ausstellung:
Helge Hommes
Quod sumus – hoc eritis
vom 14. Oktober bis 7. November 2010 im Kunstverein Siegen e.V.
in der Städtischen Galerie Haus Seel
In Zusammenarbeit mit:
Galerie Roland Aphold, Basel
Galerie Michael Schmalfuss, Marburg
Galerie am Elisengarten, Aachen
Galerie Freitag 1830, Aachen.
www.kunstverein-siegen.de
www.galerie-roland-aphold.com
www.galerie-schmalfuss.de
www.galerie-am-elisengarten.de
www.galerie1830.de
Auflage: 1200 Exemplare
Herausgeber / Editors: Salon Verlag Köln, Kunstverein Siegen e.V. und
Helge Hommes
Texte / Essays: Clemens Jöckle, Städische Galerie Speyer;
Prof. Dr. Wolfgang Becker, ehem. Direktor Ludwig Forum, Aachen;
Matthias Bärmann, freier Kunstkritiker und Kurator
Übersetzungen / Translations: David Galloway, Stephen Reader
Lithografie & Gestaltung / Lithography & Design: Marco Lietz
Fotografie / Photography: Oliver Czarnetta, Helge Hommes
Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische
Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.
Bibliographic information by the Deutsche Nationalbibliothek
The Deutsche Nationalbibliothek lists this publication in the Deutsche
Nationalbibliografie; detailed bibliographic data are available in the Internet at http://dnb.ddb.de.
© Helge Hommes, die Autoren & Salon Verlag Köln
ISBN 978-3-89770-379-7
www.salon-verlag.de
[email protected]
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Nachsatz, unbedruckt
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