Lösungen in Sicht?

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Lösungen in Sicht?
Wirtschaftsfaktor Stau
Das Milliardengrab
Vernetzte Mobilität
Grenzenlos beweglich
Zukunft
der Mobilität
Lösungen
in Sicht?
Editorial
Liebe Leserin, lieber Leser,
kommt Ihnen das bekannt vor? „Ich hab’ Durst, ich hab’ Hunger, ich muss aufs Klo, wann
sind wir denn endlich da?“ Wenn die Familie eine Urlaubsreise tut, dann kann sie was erleben:
Mehr Stopp als Go auf völlig überlasteten Straßen, babylonische Flüche aus allen Himmelsrichtungen und quengelnde Passagiere im Fond. Da sehnt sich der Zyniker nach dem alltäglichen Morgenstau auf dem Weg zur Arbeit. Und selbst Optimisten bleiben buchstäblich
auf der Strecke: Ein Allheilmittel gegen den Verkehrskollaps wurde noch nicht erfunden.
Aber zumindest ein Anfang scheint gemacht. Mit dem „Ruhrpilot“ ging vor wenigen Wochen
das umfassendste Verkehrsmanagementsystem Europas ans Netz. Wegweisend ist der
„Ruhrpilot“ vor allem durch seine Intermodalität. Er bietet zuverlässige Informationen über
das komplette Verkehrsgeschehen im Ruhrgebiet, Schiene und Parkraum inklusive.
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10
Inhalt
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Im Fokus
Trends & Events
Partner & Projekte
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Zukunft der Mobilität
Morgen, Kinder,
wird’s was geben …
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Deutsches Telematikforum
Himmlische Aussichten
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Entwicklung der Navigation
Die Route lebt
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Wirtschaftsfaktor Stau
Das Milliardengrab
Mobile Navigation
Wege zum Boom
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Interview mit PTVVorstandssprecher
Dr. Hans Hubschneider
„Eine neue Ära beginnt“
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ITS Munich
Mobilität weißblau
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its magazine: 2/2006
Für mehr Bewegung sorgen kann die beste intermodale Information
aber nur, wenn sich auch in unseren Köpfen etwas bewegt. Denn
Modalsplit ist keine Zauberformel, Modalsplit ist die intelligente
Nutzung unterschiedlicher Verkehrssysteme für eine Wegstrecke.
Und dazu braucht es nicht nur aktuelle, dynamische und multimediale
Informationen, dazu braucht es vor allem Bereitschaft. Sind Sie fit
fürs Systemhopping? Bei mir funktioniert’s eigentlich schon ganz gut,
vor allem jetzt im Sommer: Ganz viel Fahrrad, ganz wenig Auto und zwischendurch schon mal
die S-Bahn – am liebsten abends auf dem Weg in den Biergarten.
Herzlichst Ihr
Dr. Michael Ostertag
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15
Wissen & Forschung
Mobilität & Lebensraum
Rubriken
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Relaxed reisen
Mit Engelszungen
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Shortcuts
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Trendspots
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Vernetzte Mobilität
Grenzenlos beweglich
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Profil
Axel Schultz
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Forum
Impressum
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Qualitätsmanagement
im Verkehrswesen
Gute Besserung
SITRAFFIC MOTION MX
Die perfekte Welle
its magazine: 2/2006
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Im Fokus
Zukunft der Mobilität
Morgen,
Der mobilen Gesellschaft
schlägt die Blaue Stunde,
und es stellt sich die
Frage: Geht die Sonne
der Mobilität gerade
auf oder unter?
4
its magazine: 2/2006
Im Fokus
Kinder, wird’s
was geben …
… morgen werden wir uns freuen? Schön wär’s, aber wenn es um die Mobilität der nächsten
Generation geht, scheint das gar nicht so sicher. So viele Straßen und Schienen, wie der
gigantische Fuhrpark der Welt bräuchte, kann und will niemand bauen. Doch während die
Prophezeiungen immer düsterer werden, taucht ein Silberstreif am Horizont der Technik auf:
Moderne Verkehrsmanagementsysteme wie der „Ruhrpilot“ können dabei helfen, den globalen Stillstand zu verhindern.
ie Kassandrarufe werden lauter.
Sie künden vom totalen Chaos,
vom drohenden Kollaps, vom
nahenden Desaster, je nach sprachlicher Vorliebe. Oder gleich von einer
Welt, die morgen stehen bleibt. Die
Realisten bemühen sich um ein differenzierteres Bild: Sie sehen für die
mobile Gesellschaft die Blaue Stunde
anbrechen, jene Zeitspanne zwischen
ganz hell und ganz dunkel, die es
sowohl morgens wie auch abends gibt.
Womit sich die entscheidende Frage
stellt: Geht die Sonne der Mobilität
gerade auf oder unter?
Wohin also bewegen wir uns –
solange wir uns noch bewegen können? Ein paar Zahlen machen die
Sackgasse deutlich, in die wir uns
manövriert haben. Als zu Beginn des
neuen Jahrtausends der sechsmilliardste Erdenbürger geboren wurde,
hatte sich die Zahl der Menschen seit
1950 um rund 130 Prozent erhöht. Ihr
D
Rein rechnerisch hat
2020 jeder Deutsche ein
Auto – Neugeborene
und Ur-Omas inklusive
Fuhrpark dagegen war im selben Zeitraum um über 1000 Prozent auf fast
600 Millionen Autos angewachsen.
Allein in Europa wächst der Bestand
Jahr für Jahr um drei Millionen Fahrzeuge. Und in Deutschland wird rein
rechnerisch bereits 2020 jeder Bürger
ein Auto haben – Neugeborene und
Ur-Omas inklusive. Wo diese gigantische Flotte dann fahren soll, scheint
noch unklarer, wenn man weiß, was
ein einziger neuer Autobahnkilometer
in den Hochlohnländern Mitteleuropas
kostet: mehr als zehn Millionen Euro.
Da kann einem schon mulmig werden
beim Blick in die Zukunft des Verkehrswesens.
Zum Glück ist Mobilität jedoch nicht
der bloße Quotient aus einer Division
der Anzahl von Fahrzeugen durch die
verfügbaren Strecken. Um alle relevanten Parameter zu berücksichtigen,
haben unlängst 80 Fachleute aus Wissenschaft und Wirtschaft in mehr als
20 mehrtägigen Expertenrunden verschiedene Szenarien und Prognosen
zum Personen- und Güterverkehr des
Jahres 2025 in Deutschland entwickelt.
Eine der Kernaussagen der Studie
„Mobilität der Zukunft“, die das Institut für Mobilitätsforschung (ifmo)
daraus erstellt hat: „Der Umgang mit
Mobilität wird pragmatischer.“
Will sagen: Die Deutschen werden
künftig öfter als bisher das für die
jeweilige Strecke beste Verkehrsmittel
wählen – ganz gleich, ob es auf der
Straße, auf der Schiene oder in der
Luft unterwegs ist. Öffentlicher Nahverkehr, Bahn und Fluggesellschaften
dürfen also mit steigenden PassagierLesen Sie bitte weiter auf Seite 6
its magazine: 2/2006
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Im Fokus
Leuchtendes Beispiel: Im Ruhrgebiet, auf dem Wärmebild als drittgrößter
Ballungsraum Europas zu erkennen, ging ein hochmodernes Verkehrsmanagementsystem ans Netz
Fortsetzung von Seite 5
zahlen rechnen – allerdings nur, wenn
ihre Angebote ins Beuteschema der
Geiz-ist-geil-Gemeinde passen. Dass
die Schnäppchenjagd eröffnet ist, zeigen Aufsehen erregende Werbeaktionen wie die Bahntickets beim Lebensmittel-Discounter und die Erfolge von
Ryan Air & Co. Eine logische Erweiterung des Billigmarktes macht die Studie auch im Bereich von Busreisen
und sogar bei Autos aus.
So weit die gute Nachricht. Und jetzt
die schlechte: Individuelle Mobilität
wird nach Ansicht der Experten teurer.
Allen Beteuerungen des amtierenden
Bundesverkehrsministers zum Trotz:
Dass der Faden, an dem das Damoklesschwert Autobahnmaut hängt, noch
ewig halten wird, mochte kaum einer
der Spezialisten glauben. Spätestens
dann, wenn der Staat angesichts des
immer höheren Kostendrucks gezwungen ist, Teile der Straßeninfrastruktur an private Betreiberunternehmen zu veräußern, werden Nutzungsgebühren fällig.
Der Verkehr wird auch
2025 noch fließen – aber
die Weichen dafür müssen
jetzt gestellt werden
Obwohl dem Einzelnen das Hemd
meist näher ist als die Hose: Von der
Metaebene aus gesehen hat es auch
etwas Gutes, wenn der Preis für die
Mobilität auf der Straße steigt. Denn
dadurch entsteht nicht nur ein verschärfter Wettbewerb mit anderen
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its magazine: 2/2006
Verkehrsmitteln, sondern auch eine
bessere Vernetzung der verschiedenen Verkehrssysteme. Und die kann
dafür sorgen, dass die vorhandene
Infrastruktur gezielter und effizienter
genutzt wird. Sicherlich hat es auch
damit zu tun, wenn ifmo-Chef Walter
Hell ein optimistisch-appellatives Fazit
zieht: „Der Verkehr wird auch im Jahr
2025 fließen – aber die Weichen dafür
müssen jetzt gestellt werden.“
Aber wie soll sie konkret aussehen,
die bessere Vernetzung der Systeme?
Woher weiß der Pendler im Vorortstau, ob es sich heute lohnt, einen
Umweg zu machen? Wie erfährt er,
dass er den Regionalexpress an der
nächsten Haltestelle gerade noch erwischen würde, weil der im Moment 20
Minuten Verspätung hat? Und wer
erspart ihm anschließend die obligatorische City-Odyssee auf der Suche
nach einem Parkplatz?
Viele Fragen – eine Antwort: Moderne Verkehrsmanagementsysteme läuten eine neue Ära der Mobilität ein.
Sie liefern detaillierte Echtzeitinformationen darüber, was sich auf den
Straßen und Schienen gerade tut.
Ganz zur Freude nicht nur der Reisenden, sondern auch der Kommunen:
Die einen kommen schneller und entspannter ans Ziel, die anderen haben
die Möglichkeit, zeitnah und gezielt
ins Verkehrsgeschehen einzugreifen.
Dass und wie es funktioniert, wird
am Beispiel „Ruhrpilot“ deutlich.
Rechtzeitig vor Beginn der FußballWM ist das intermodale Verkehrsinformations- und Managementsystem für
das Ruhrgebiet in Betrieb gegangen.
Mit ehrgeizigen Zielen:
• Effektive Auslastung von Straße
und Schiene
• Optimale Verknüpfung von Pkw,
Bus und Bahn
• Mehr Mobilität im gesamten
Ruhrgebiet
Der „Ruhrpilot“ sagt
sogar Verkehrsentwicklungen voraus – mit
einer Trefferquote von
80 Prozent
Ein Blick in die Innereien des „Ruhrpilot“ zeigt die aufwändige Datenlogistik, mit deren Hilfe die schöne
neue Welt erst möglich wird. So bilden nicht nur Tausende von stationären Messstationen das aktuelle Verkehrsaufkommen ab, auch Busse und
Bahnen melden ihre Fahrzeiten und
Standorte kontinuierlich an das System. Dazu kommen Informationen
über die Belegung von Parkhäusern,
über das Wetter, den Straßenzustand
und eventuelle Unfälle. Großveranstaltungen wie Messen, Stadtfeste
oder Revierderbys spielen ebenfalls
eine Rolle.
Aus diesem heterogenen Datengemisch errechnet die „Ruhrpilot“-Zentrale in Essen dann schnelle Updates
der Gesamtverkehrslage im gesamten
Ruhrgebiet und gibt sie an die Kunden weiter – per Radio, Internet,
Videotext, Handy oder PDA an die Reisenden, als Datensätze an die Unternehmen und online in die Leitzentra-
Im Fokus
Revier à la Carte: Schnelle
Updates der Gesamtverkehrslage
auf Straßen und Schienen
Zu Gast bei Freunden – und möglichst nicht im Stau:
Erstmals während der Fußball-WM 2006 stand der
„Ruhrpilot“ den Besuchern aus aller Welt zur Verfügung
Ein Herz für die Mobilität: Der „Ruhrpilot“-Zentralrechner
in Essen wertet Unmengen von Daten aus verschiedensten
Quellen aus und sorgt für mehr Bewegung in der Region
len der Verkehrsbetriebe und Kommunen. Eine spezielle, in den „Ruhrpilot“ integrierte Simulations-Software erlaubt es sogar, Verkehrsentwicklungen vorherzusagen: bis zu 60
Minuten mit einer Trefferquote von
immerhin 80 Prozent.
Doch nicht nur technisch, auch
organisatorisch ist der „Ruhrpilot“
eine Meisterleistung. Insellösungen
wie Parkleitsysteme, Leitzentralen
der Verkehrsbetriebe und kommuna-
le Verkehrsrechner existierten freilich auch vorher schon, nur tauschten
sie untereinander keine Daten aus.
Die jetzt erfolgte Vernetzung aller
relevanten Informationen über sämtliche Verkehrsmittel war natürlich
nur möglich, weil alle an einem
Strang ziehen: Landkreise und Städte
genauso wie regionale Verkehrsbetriebe und private Unternehmen wie
die Siemens AG und die DDG Gesellschaft für Verkehrsdaten.
„Kooperation statt Wettbewerb bei
den Verkehrsträgern“: Die Forderung
nach solch gesamtheitlicher Betrachtung ist für Siemens ITS-Vordenker
Dr. Thomas Stetter ohnehin eine der
wichtigsten auf dem Weg in die
Zukunft der Mobilität. Denn eines ist
für ihn schon heute klar: „Die Anforderungen an Verkehrssicherheit und
Umweltschutz werden in den kommenden Jahren ebenso zunehmen
wie die Anzahl der Kraftfahrzeuge.“
Ludwig Ramachers, Siemens-Projektleiter „Ruhrpilot“:
„Durch aktuelle, dynamische und intermodale Verkehrsinformation schneller und sicherer ans Ziel“
„Ruhrpilot“ startet von
der Pole Position
Public Private Partnership: Die effiziente
Vernetzung ist nur möglich, wenn alle
Beteiligten an einem Strang ziehen*
* Pressekonferenz mit (v.l.n.r.) Dr. Wolfgang Reiniger, Oberbürgermeister der Stadt Essen, Joachim Möller, Mitglied des Siemens I&S
Bereichsvorstands, Oliver Wittke, NRW-Minister für Bauen und Verkehr
und Hanns-Ludwig Brauser, Geschäftsführer der ProjektRuhr GmbH
„Bad news are good news“, sagt ein
geflügeltes Wort unter Journalisten.
Generell sicherlich eine diskussionswürdige These, aber in diesem Fall
trifft sie zu. Denn die einzige schlechte
Nachricht bei der Pressekonferenz
anlässlich der Inbetriebnahme des
„Ruhrpilot“ am 30. Mai 2006 in Essen
war vielleicht die beste Neuigkeit des
Tages: Die Nachfrage nach aktuellen
Verkehrsinformationen war gleich zu
Beginn so enorm, dass der Server des
neuen Portals www.ruhrpilot.de vorübergehend in die Knie ging. Eindrucks-
voller hätte die Akzeptanz des innovativen Verkehrsmanagementsystems
gar nicht bewiesen werden können.
Die jetzt gestartete erste Stufe des
„Ruhrpilot“, die Verkehrsteilnehmern
ein Echtzeitbild vom aktuellen Verkehrsgeschehen in Dortmund, Gelsenkirchen, Essen und Bochum liefert, ist
freilich erst der Anfang. Nach seiner
Fertigstellung Ende 2007 wird das
System alle verkehrsrelevanten Informationen für die gesamte Metropolregion mit elf Städten und drei Landkreisen bereitstellen.
its magazine: 2/2006
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Im Fokus
Wirtschaftsfaktor Stau
Das
Milliardengrab
grab
Der ganz normale Wahnsinn: Jeden Tag gerät
der Verkehr auf durchschnittlich 1000 der rund
12.000 Autobahnkilometer in Deutschland ins Stocken.
Und wenn das Fahrzeug zum Stehzeug wird, ist das
nicht nur ein unfreiwilliges Frustrationstraining für
den Einzelnen, vor allem ist es ein Desaster für die
Volkswirtschaft. Experten schätzen den Schaden auf
bis zu 100 Milliarden Euro pro Jahr und appellieren
an unsere Vernunft: Denn vor dem Stau auf der Straße
muss sich der Stau in den Köpfen auflösen.
embrandt denkt positiv – sogar,
wenn’s klemmt. Nur dann könne man endlich in Ruhe
betrachten, was sonst an einem vorbeifliegt, vertraute der Mann mit
dem malerischen Pseudonym seinem Internettagebuch an. Wen oder
was er damit meinte? Das „werte
blonde Fräulein in einem dunkelblauen Opel Vectra, das den Stau
zwischen Bad Hersfeld und Niederaula mit mir teilte“. Den Mut, die
Nachbarin anzusprechen, fand Rembrandt offenbar nicht. Deshalb fiebert er einer neuen Gelegenheit entgegen: „Hoffentlich stauen wir uns
bald wieder.“
Da könnte er Glück haben. Seit den
70er-Jahren hat sich der Verkehr auf
Deutschlands Autobahnen ziemlich
genau verdoppelt. Rund 50.000 Fahrzeuge rollen heute täglich über jeden
Kilometer Autobahn. Wenn sie denn
rollen: Nach aktuellen Erhebungen
stehen auf durchschnittlich 1000
Kilometern irgendwann am Tag die
Räder still. Noch dicker kommt’s zur
R
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its magazine: 2/2006
Urlaubszeit: Da werden pro Tag und
Kilometer schon mal bis zu 150.000
Fahrzeuge gemessen.
In einer Gesellschaft,
die vieles just in time
erledigt, müssen
unberechenbare Verzögerungen zwangsläufig enorme ökonomische Folgen haben
Dass Staus schon als Einzelschicksal ärgerlich genug sein können, hat
jeder von uns weit öfter erfahren als
ihm lieb ist. Doch jenseits all der
geplatzten Rendezvous, aufgewärmten Abendessen und misstrauischen
Fragen der besseren Hälfte eröffnet
sich noch eine ganz andere Dimension: In einer Gesellschaft, die möglichst vieles just in time erledigt,
müssen unberechenbare Verzöge-
rungen zwangsläufig enorme ökonomische Folgen haben.
Experten von Automobilclubs und
Autoindustrie machen eine alarmierende Rechnung auf: Zwölf Milliarden Liter Diesel und Benzin würden
in Deutschlands Staus jedes Jahr verpulvert, drei Milliarden mögliche
Arbeitsstunden verbummelt. Auf
Basis dieser Zahlen ergibt sich für die
deutsche Volkswirtschaft ein Schaden, der höher liegt als beispielsweise das nominale Bruttoinlandsprodukt
von Israel: rund 100 Milliarden Euro.
Und ob wenigstens die Staubilanz
in Sachen Verkehrssicherheit positiv
ausfällt, ist längst nicht so sicher wie
es auf den ersten Blick scheinen mag.
Zwar kann ein stehendes Auto keinen
Crash verursachen, aber auf der Sollseite steht neben der Gefahr von Auffahrunfällen an Stauenden vor allem
der erhöhte Zeitdruck, der viele Autofahrer nach längeren Standzeiten zu
schärferer Gangart veranlasst.
Auch wenn neuere Untersuchungen
zu dem Ergebnis kamen, die volks-
Im Fokus
nen, sondern sogar vorherzusagen.
Mit Hilfe der Fahrzeug-zu-FahrzeugKommunikation können Autos die
jeweilige Verkehrssituation selbst
erkennen. Dafür werden alle vorhandenen Daten direkt an Bord ausgewertet. Das Fahrzeug leitet dann die
Information an eine Verkehrszentrale
weiter und kann andere betroffene
Autos im Umfeld warnen.
Doch Technik allein, da sind sich die
meisten Experten einig, wird den drohenden nationalen Verkehrskollaps
nicht verhindern können. Vor dem
Stau auf der Straße muss sich der Stau
in den Köpfen der Menschen auflösen. Oberste Gebote dabei: Zum einen
die verbesserte Kooperation aller
Verkehrsleistungsträger, egal, ob sie
Mobilität auf der Straße, auf der
Schiene oder in der Luft anbieten –
und zum anderen eine noch größere
Bereitschaft der Verkehrsteilnehmer
zur intermodalen Fortbewegung. Nur
dann lässt sich gewährleisten, dass
aus dem Volk der Autofahrer kein
Volk der Autosteher wird.
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Trends & Events
Der neue Stern
am Himmel der
Verkehrstelematik:
Im Jahr 2008
soll GALILEO an
den Start gehen
Deutsches Telematikforum
Himmlische Aussichten
Aufbruchstimmung im Zeichen von GALILEO: Der für 2008 geplante Start des europäischen Satellitensystems war ein zentrales Thema beim 3. Deutschen Telematikforum in
Berlin. Doch schon bevor der neue Stern am Branchenhimmel aufgeht, zeigt der Weltmarkt für Verkehrstelematik auf Straße und Schiene erfreuliche Dynamik: mit einem
Volumen von 27 Milliarden Euro und einem jährlichen Wachstum von sechs Prozent.
ielleicht gibt es sie ja wirklich,
die Eier legende Wollmilchsau.
Was hatte man dem Frischling
Verkehrstelematik bei seiner Geburt
nicht alles an Erwartungen mit auf
den Weg gegeben: Weniger Staus und
mehr Mobilität soll sie bringen, weniger Umweltbelastung und mehr Sicherheit. Zuviel der guten Hoffnungen?
Jein. Ja, weil auch die Verkehrstelematik nicht alle Mobilitätsprobleme
einfach wegzaubern kann. Nein, weil
sie innerhalb kurzer Zeit schon eine
Menge bewegt hat, im buchstäblichen
wie im übertragenen Sinn. Telematische Anwendungen in Fahrzeug und
V
„Telematik ist entscheidend für
Deutschlands Perspektiven“:
Bundesverkehrsminister Wolfgang
Tiefensee
10
its magazine: 2/2006
Infrastruktur liefern zuverlässige
Informationen über die aktuelle Verkehrslage auf Straße und Schiene,
geben dynamische Routenempfehlungen, sagen präzise Fahrzeiten
voraus und sorgen damit nachweislich für reibungsloseren Verkehrsfluss.
Kein Wunder also, dass es beim 3.
Deutschen Telematikforum in Berlin
allerlei Erfreuliches zu besprechen
gab unter den rund 250 Teilnehmern.
Zum Beispiel eine kerngesunde wirtschaftliche Entwicklung: Im Jahresvergleich konnte der Weltmarkt für
Verkehrstelematik um sechs Prozent
Public Private Dialogue: Hessens Wirtschafts- und
Verkehrsminister Dr. Alois Rhiel, ZVEI-Präsident und
Siemens-Zentralvorstand Prof. Dr. Edward G. Krubasik
und Siemens-Mitarbeiter Sebastian Althen (v.l.n.r.)
auf insgesamt rund 27 Milliarden
Euro zulegen. Doch trotz des bereits
hohen Niveaus herrscht noch immer
Aufbruchstimmung in der Branche –
ganz nach dem Motto: Das war erst
der Anfang.
Ein Grund für soviel Optimismus
ist der neue Stern am Telematik-Himmel: Bereits ab 2008 soll das paneuropäische Satellitensystem GALILEO
die Navigation revolutionieren. Mit
dem intelligenten Trabanten schießen nach Ansicht von Experten auch
die Chancen der Verkehrstelematik
weiter nach oben.
Schon steht GALILEO deshalb im
Fokus des Interesses auf vielen wichtigen Märkten der Welt. Unter anderem auch in China und Indien, wo
dramatisch wachsende Mobilitätsherausforderungen einen hohen Bedarf
für telematische Dienste schaffen.
Wie hoch beispielsweise die Bundesregierung das Potenzial für heimische Unternehmen taxiert, lässt sich
anhand der Begrüßungsworte von
Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee
an die Teilnehmer des Forums zumindest erahnen: „Der erfolgreiche
Einsatz von Telematik entscheidet
ganz wesentlich über die Entwicklungsperspektiven Deutschlands.“
Trends & Events
Mobile Navigation
Wege zum Boom
Noch keine zwölf Jahre ist es her, dass Siemens VDO gemeinsam
mit der BMW Group das erste Serien-Navigationssystem entwickelte.
Inzwischen vertrauen Millionen Autofahrer auf die elektronischen
Pfadfinder. Der Trend geht dabei eindeutig in Richtung Flexibilität:
Neben portablen Systemen steht jetzt auch die mobile Navigation
via Handy hoch im Kurs bei den Orientierungssuchenden.
evor die Glocken läuteten, klingelten die Kassen. Portable Navigationsgeräte waren letztes Jahr der
Renner unterm Weihnachtsbaum. Mit
ihrem Siegeszug lieferten die Schlaumeier im Miniformat der Branche aber
nicht nur Grund zum kollektiven Jubel,
sondern auch Informationen darüber,
wohin der Markt sich bewegt: Richtung
Flexibilität und dann immer geradeaus.
Schon bahnt sich – ganz in diesem
Sinn – ein neuer Trend den Weg: Mit
Hilfe mobiler Navigationssysteme wird
jetzt auch das Handy zum Pfadfinder.
Die entsprechenden Ortskenntnisse
lassen sich dem Telefon auf zwei verschiedene Arten eintrichtern.
Entweder On-Board mit Hilfe einer
Speicherkarte, die den kontinuierlichen Zugriff auf die Kartendaten ohne
B
zusätzliche Kosten ermöglicht. Oder
Off-Board, indem die jeweils gewünschte Route ganz gezielt aus dem
Internet geladen wird.
Das Beste aus zwei Welten
Siemens VDO geht sogar noch einen
Schritt weiter und macht aus dem
Entweder-oder ein Sowohl-als-auch:
Ein neues System aus der erfolgreichen VDO Dayton-Familie soll nämlich die Vorteile der On-Board- mit
denen der Off-Board-Navigation verbinden. Clou der intelligenten 2-in-1Lösung: Verlässt der Fahrer das auf
der Karte gespeicherte Gebiet, wechselt das System in den Online-Modus
und bezieht die Routeninformationen
per Mobilfunk von einem Navigationsserver, auf dem ständig aktua-
lisierte Straßendaten vieler europäischer Länder hinterlegt sind.
Derselbe Server stellt außerdem
aktuelle Verkehrsmeldungen zur
Verfügung, die dann in beiden Navigationsmodi bei der Routenführung
berücksichtigt werden können. Geplant ist der neue Navigationsdienst
zunächst für Mobiltelefone mit
einem Symbian-Betriebssystem der
Serie 60. Damit läuft das System auf
den gängigsten Smartphones großer Hersteller wie BenQ Siemens,
Nokia oder Samsung.
Weitere Informationen nicht nur
über mobile, sondern auch über
portable und fest installierte Navigationssysteme der neuesten Generation sind nur einen Klick entfernt:
auf www.vdodayton.com.
Richtung Flexibilität und dann immer geradeaus: Portable und mobile Endgeräte stehen bei Orientierungssuchenden hoch im Kurs
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Partner & Projekte
Entwicklung der Navigation
Die Route lebt
Wenn es ein Attribut gibt, das den Status Quo und die
Perspektiven moderner Navigationslösungen trefflich
charakterisiert, dann heißt es: „dynamisch“. Denn so
lebendig wie ihre rekordträchtige Marktentwicklung
präsentieren sich auch die Systeme selbst: In die Routenberechnung fließen immer mehr Informationen
über das aktuelle Verkehrsgeschehen ein. Die nächste
Generation von Navigationsgeräten wird sogar aus
ihren eigenen Erfahrungen lernen.
ie Zeiten, in denen Autofahrer
auf unbekannten Strecken
nervös jede Straßenkreuzung
ansteuerten und Beifahrer wild im
Straßenatlas blätterten, scheinen
durch den Boom von Navigationslösungen endgültig abgelöst: Mit
zehn Prozent beziffern die Marktforscher der renommierten GfK in
ihrer jüngsten Erhebung den Ausstattungsgrad deutscher Haushalte
mit Auto-Navigationssystemen.
Und im gesamten deutschen Einzelhandel errechnete dasselbe Institut im
Jahr 2005 für kein einziges Produkt
höhere Zuwachsraten als für die
Mobile Navigation. Sämtliche Wachs-
D
Interview mit PTV-Vorstandssprecher Dr. Hans Hubschneider
„Eine neue Ära beginnt“
Herr Dr. Hubschneider, die Innovationsfreude im Bereich Verkehrsmanagement ist gewaltig – welchen Meilenstein erreichen wir als nächsten?
Im Moment geht es vor allem darum,
alle Optionen, über die wir heute
schon verfügen, so miteinander zu
kombinieren, dass daraus völlig neue
Möglichkeiten entstehen. Schauen Sie:
Die Erfassung der Verkehrslage liefert
bereits aktuelle Verkehrsinformationen, durch Modellierung des Mobilitätsverhaltens gewinnen wir außerdem Erkenntnisse zur Belastung der
Verkehrsnetze. Aus diesen Daten und
den ebenfalls vorliegenden Informationen zur Verfügbarkeit der Infrastruktur lassen sich mit Hilfe von
Simulationsmodellen künftig sogar
kurzfristige Prognosen erstellen. Und
die Verkehrsdaten liefern die Grundlage für die Überarbeitung des Verkehrsmodells. Sobald es uns gelingt,
diesen Kreis zu schließen, beginnt
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its magazine: 2/2006
„Neue Technologien
können mehr Infos ins
Auto übertragen“:
Dr. Hans Hubschneider im
Gespräch mit dem ITS magazine
Partner & Projekte
Navigationssysteme von heute:
Ständige Begleiter im Auto und zu Fuß
So viel Erfolg kommt freilich nicht
von ungefähr. Seit der Erfindung der
Satellitennavigation haben sich Navigationslösungen ständig weiterentwickelt. Im Mittelpunkt der ersten
Generation stand die einfache Zielführung per Fahranweisungen über
vorher unbekannte Wege. Systeme
der zweiten Generation bieten den
Einstieg in dynamische Zielführung:
Lesen Sie bitte weiter auf Seite 14
Kontrolle ist besser: PTV-Mitarbeiterin
Sibylle Nussbächer bei der Qualitätssicherung der Verkehrsmeldungen
tumsprognosen haben die digitalen
Pfadfinder dabei längst hinter sich
gelassen – die Realität übertrifft alle
Erwartungen. Auf der kommerziellen
Überholspur fahren vor allem dynamische Systeme, die aktuelle Informationen aus dem fließenden Verkehr
berücksichtigen und in die weitere
Routenberechnung einbeziehen.
eine neue Ära in der Verkehrsinformation und im Verkehrsmanagement.
Und wann wird das sein?
Erste Teilsysteme sind bereits verfügbar: PTV Validate für Deutschland
errechnet die mittlere erwartete Verkehrslage abhängig von Wochentag
und Tageszeit für das gesamte deutsche Hauptstraßennetz. In Deutschland werden wir diese umfassenden
Verkehrsinformationen wahrscheinlich im Lauf des Jahres 2006 flächendeckend bereitstellen können. Parallel
dazu engagieren wir uns in Europa.
Das bisher umfassendste Verkehrsmanagementsystem Europas ging kürzlich im Ruhrgebiet ans Netz. Welchen
Anteil hat PTV am Projekt „Ruhrpilot“?
Unser Partner Siemens ITS ist als Konsortialführer des gesamten Projekts
primär für die Sammlung und Konsolidierung aller Verkehrsdaten aus dem
Straßenverkehr verantwortlich. PTV
lieferte die Informationsplattform,
passte sie an die Anforderungen an
und sammelt alle Daten – auch aus
dem Öffentlichen Verkehr. Wir tragen
unsere Technologie für Mobilitätsdienste bei, wie Verkehrslageermittlung, Verkehrsprognose für den
Innovationen für mehr Effizienz in Transport und Logistik: Die PTV AG entwickelt auch Software und ASP-Dienste für Tourenplanung und Flottenmanagement
Straßenverkehr, Fahrplanauskunft und
aktuelle Verkehrslage für den Öffentlichen Verkehr, Parkhausauslastung,
Hinweise zu Baustellen, Events, Points
of Interest und zum Wetter.
Mit Siemens ITS verbindet Sie aber
weit mehr als dieses eine Projekt …
Ja, wir pflegen schon seit vielen Jahren
eine strategische Partnerschaft. Seit
Juli 2000, seit die ersten Dienste der
Verkehrsmanagementzentrale Berlin
online gingen, ist unser Miteinander noch enger geworden. Mit
höchst erfreulichen Synergieeffekten:
Siemens bringt seine Stärken als Systemanbieter und -integrator ein, wir
steuern unser Know-how als Lieferant
von Software-Komponenten für das
Verkehrsmanagement und von Teilsystemen im Bereich der Informationsweitergabe bei.
Nach dem Motto: Was nutzen die
besten Informationen, wenn sie dem
mobilen Menschen nicht zur Verfügung stehen?
Richtig. Über den allseits bekannten
Traffic Message Channel (TMC) lassen
sich heute nur relativ grobe Informationen übertragen. Neue Technologien
ermöglichen die Nutzung von Ver-
kehrslage und Verkehrsprognose. Am
einfachsten geht das, indem wir die
optimalen Routen in einer Telematikzentrale berechnen und die Ergebnisse
an den Autofahrer übertragen. Ein Beispiel hierfür ist die Online-Navigation
auf dem Handy oder dem Smartphone.
Zusätzlich sind technische Möglichkeiten in der Entwicklung, über digitalen
Rundfunk (DAB oder DVB) deutlich
mehr Informationen als über TMC
direkt ins Auto zu übertragen.
Optimale Mobilitätsinformationen –
immer und überall, vor und während
der Reise: Ist das die Vision?
Genau so ist es. Damit können wir die
bestmögliche Entscheidung über die
Verkehrsmittel bzw. Abfahrtszeiten
treffen und – während wir unterwegs
sind – immer die beste Route finden
und außerdem die Reisedauer bzw.
Ankunftszeit abschätzen. Von diesem
individuellen Nutzen erwarten wir
uns eine optimale Ausnutzung unserer Verkehrsinfrastruktur. Persönliche
Mobilität ist Lebensqualität und ein
wichtiger Wirtschaftsfaktor. Dafür
arbeiten wir.
Herr Dr. Hubschneider, wir danken
Ihnen für das Gespräch.
its magazine: 2/2006
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Partner & Projekte
Optimale Information, immer und überall:
Routenführung auf dem PDA
Fortsetzung von Seite 13
Informationen über die Verkehrslage
auf der geplanten Route und eine
damit verbundene Schätzung der
Ankunftszeit unterstützen den Anwender. Und auf Wunsch werden Routenalternativen zur Umfahrung von Verkehrsstörungen vorgeschlagen.
Heutige Systeme helfen als mobile
Lösung auch dem Fußgänger auf
dem Weg vom Parkhaus zum Ziel und
weisen auf Sehenswürdigkeiten hin.
Navigationslösungen stehen mobil
per PDA (Personal Digital Assistant),
PND (Personal Navigation Device),
online per Handy und Smartphone
oder fest eingebaut zur Verfügung.
Das System führt den Fahrer per
Sprachausgabe, Piktogramm und 3DKarte und weist auf zulässige Höchstgeschwindigkeiten der aktuellen
Strecke im Display hin.
Der Anwender aktueller Systeme
muss jedoch noch mit Schwachpunkten je nach Navigationslösung leben:
Die Betriebssysteme der Festeinbauten sind noch proprietär und nicht
mobil nutzbar. Das Kartenmaterial
solcher Lösungen veraltet schnell, da
die Karten-DVDs selten ersetzt werden. Mobile Systeme haben ihre
Schwächen in Tunneln, in Innenstädten und beim Empfang von Verkehrsinformationen. Und der Nutzer der
Online-Navigation auf dem Handy
muss mit einem kleinen Display vorlieb nehmen.
Navigationssysteme von morgen:
Noch mehr Aktualität und Informationstiefe
Von der nächsten Generation der
Navigationssysteme erwartet der Nutzer aktuelles Kartenmaterial, vollständige Information über Verkehr,
bessere Routenwahl und Fahrzeitberechnung, leichte Bedienbarkeit
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its magazine: 2/2006
„Persönliche
Mobilität ist
Lebensqualität
und Wirtschaftsfaktor“: Dr. Hans
Hubschneider
im Foyer der
Karlsruher
PTV AG
Die PTV AG
bietet Software, Consulting und Forschung für die Reise-,
Verkehrs- und Transportplanung im B2B-Bereich. Europaweit
marktführend sind PTV-Produkte wie map&guide zur professionellen Routenplanung, PTV Vision mit dem Modul VISUM für die Verkehrsplanung
und PTV Intertour für die Tourenplanung – und das schon seit Jahren. In den Geschäftsfeldern Traffic, Mobility und Logistics sichert das Unternehmen mit zukunftsfähigen
Konzepten und innovativen Technologien auch langfristig die Mobilität.
Mehr Informationen unter www.ptv.de
sowie niedrige Anschaffungskosten.
Die PTV AG (siehe Kasten) arbeitet
mit ihrer breiten, insbesondere auch
verkehrlichen Kompetenz an der Realisierung dieser nächsten Generation
– der 3GNavigation. Sie zeichnet sich
aus durch eine flexible digitale Geografie, die Angabe dynamischer Fahrzeiten und bestmöglicher Verkehrslagedaten sowie durch höhere Integration von Zusatzinformationen.
Mit der neuen Kartentechnologie
SMA (Scalable Map Architecture) kann
der Anwender Daten stückchenweise,
also flexibel austauschen. Frische Kartendaten sind dadurch genau in dem
Umfang verfügbar, wie sie benötigt
werden – inklusive umfassender
Zusatzinformationen, die aktuell und
dynamisch abrufbar sind. Für das
gesamte Hauptstraßennetz werden in
naher Zukunft auch dynamische Fahrzeiten zur Verfügung stehen. Die
Datenbasis dafür liefert ein umfassendes Verkehrsmodell mit demografischen Daten, Verhaltensmustern, der
Abschätzung von Verkehrsmitteln und
Verkehrswegewahl und der Auslastung der Verkehrswege. Basierend auf
diesen Daten können – über das Produkt PTV RealTimes – unterschiedliche erwartete Fahrzeiten in Abhängigkeit von Wochentag und Uhrzeit
bereitgestellt werden.
Navigation und Mobilität: Auch das
Verkehrsmanagement profitiert
Die nächste Generation von Navigationssystemen wird besser mit der
Mobilitäts- und Reiseplanung zusammen arbeiten – für die Geschäftsreise genauso wie für Freizeit und
Urlaub. Vorabinformationen wie die
Entscheidung Bahn oder Pkw, aber
auch zu Abfahrtzeitpunkt und
voraussichtlicher Route können im
Internet oder mit PC-Reiseplanern
ermittelt werden. PTV unterstützt
hier durch die parallele, abgestimmte
Weiterentwicklung der Internet- und
Desktop-Angebote.
Die Technologien der Zukunft setzen einerseits Kommunikationsmöglichkeiten mit dem Fahrzeug voraus.
Andererseits lassen sich – ein bisher
noch kaum genutzter Ansatz – über
diesen Kommunikationskanal auch
Verkehrsdaten aus dem Fahrzeug
direkt in die Verkehrsmanagementzentralen und Verkehrsredaktionen
übertragen. Aktuelle Informationen
zu Start- und Zielregion, Wochentag,
Tageszeit, Wetterbedingungen und
vieles mehr fließen so ständig in die
weitere Navigation und in die Verkehrslageprognose ein. Das Verkehrsmanagement kann dadurch besser
auf die Verkehrsteilnehmer einwirken:
Alle Verkehrsinformationen werden
optimal genutzt, und die Wechselweisung auf der Autobahn und das Navigationssystem im Auto können konsistente Information geben. Zusätzlich
ist es dem Navigationssystem möglich, wertvolle Daten für sich selbst zu
sammeln, die sich bei der nächsten
Fahrt wieder verwenden lassen – das
System „lernt“.
Partner & Projekte
ITS Munich
Mobilität weißblau
Es geht zwar „nur“ um Münchner G’schichten, doch schon ein Blick ins Mitgliederverzeichnis
von ITS Munich zeugt vom internationalen Niveau der Gesellschaft für Verkehrstelematik.
Ihr Konzept ist so einfach wie schlüssig: Unabhängig von Tagespolitik und Tagesgeschäft
diskutieren Mandatsträger und Verwaltungsprofis mit Vertretern aus Industrie und Forschung
über Projekte zur Erhaltung und Förderung von Mobilität. Den Vorsitz der Gesellschaft hat
Siemens-Urgestein Heinz Sodeikat, der heute als Unternehmensberater aktiv ist.
ur ein Wortspiel? Keineswegs:
Tatsächlich ist die Namensgleichheit eine zusätzliche Herausforderung für den Siemens ITSMitarbeiter Hans-Joachim Schade, der
bei der letzten Mitgliederversammlung in den Vorstand von ITS Munich
gewählt wurde. Als neuer Schatzmeister löst er Dr. Benno Ziegler ab, auf
dessen Initiative die Gesellschaft für
Verkehrstelematik München vor fünf
Jahren gegründet wurde.
Die Idee von ITS Munich ist der offene Dialog zwischen den handelnden
Personen aus unterschiedlichsten
Lagern: aus Politik und Verwaltung
genauso wie aus Industrie und Forschung. Weder aktuelle Wahltaktik
noch tagesgeschäftliche Interessen
sollten dabei eine Maulkorbfunktion
ausüben dürfen.
Um es vorwegzunehmen: ITS
Munich verteilt keine Finanzmittel
und führt selbst keine Projekte durch.
Die Gesellschaft sieht sich als Katalysator für Projekte zur Erhaltung und
Förderung der Mobilität. Sie bietet ein
Forum für den langen und schwierigen Konvergenzprozess, der alle politischen, verwaltungstechnischen,
industriellen und finanziellen Gesichtspunkte berücksichtigt.
Leitlinie für ITS Munich ist die Förderung des Konzeptes des Kooperativen
Verkehrsmanagements München.
Dabei stellt die Gesellschaft immer wieder unter Beweis, dass selbst komplexe
Vorhaben vernünftig umgesetzt werden können. Die Beteiligten müssen
zunächst die Köpfe frei haben – insbesondere frei von der Angst, etwas zu
sagen, das gegen die Interessen einer
bestimmten Klientel verstoßen könnte.
Denn nur, wenn die jeweiligen Positionen klar formuliert werden, lassen sich
schnell konstruktive Lösungen finden.
N
Wie die ersten fünf Jahre ITS
Munich zeigen, wird diese Katalysatorfunktion bei heutigen Mobilitätsprojekten umso wichtiger, je mehr
Ressorts – von Individual- und öffentlichem Verkehr über Stadt- und
Umlandverkehr bis zu Großveranstaltungen und Zukunftsplanung –
Hand in Hand zusammenarbeiten
müssen.
Soviel Pioniergeist spricht sich
herum – nicht nur über Stadtgrenzen,
sondern sogar über Landesgrenzen
hinweg. So ist ITS Munich als einzige
deutsche Gesellschaft Gründungsmitglied des Network of National ITS
Associations, eines Netzwerks, das vor
allem kleineren und mittleren Unternehmen den Einstieg ins internationale Geschäft ermöglichen soll.
Kooperation im Münchner
Verkehrsmanagement:
Selbst komplexe Vorhaben
gelingen, wenn die Beteiligten die Köpfe frei haben
its magazine: 2/2006
15
Shortcuts
Budapest
LED-Technik für
Lichtsignalanlagen
Blendende Aussichten: Budapest
spart Energie mit LED-Technik
Alles unter
Kontrolle:
ParkplatzÜberwachung
per Video
Marburg
Parkiersystem
für Uniklinikum
Neuer Glanz für Budapest: Zusammen mit dem ungarischen Unternehmen Vilati Kft. rüstet Siemens Rt. die Lichtsignalanlagen der
1,7 Millionen-Stadt mit neuester LED-Technik in 230/40V aus. Das
Projekt hat ein Volumen von rund 28 Millionen Euro und umfasst
die Installation von insgesamt 33.000 LED-Lichtsignalkammern und
250 Steuergeräten, davon 50 der neuen Siemens-Reihe C840V.
Das Konsortium übernimmt anschließend auch die Wartung der
Lichtsignalanlagen für zunächst acht Jahre.
Von der Umstellung auf die innovative LED-Technik erwartet
die Stadt Budapest deutliche Kosteneinsparungen. Die neuen
LED-basierten Lösungen zeichnen sich im Vergleich zu den bisher
eingesetzten 220V-Glühbirnen vor allem durch einen deutlich
niedrigeren Energieverbrauch und – dank wesentlich höherer
Lebensdauer – durch reduzierten Wartungsaufwand aus.
Leipzig
Verkehrssystemmanagement
Verkehrsströme lenken, Staus vermeiden: Das sind die
wichtigsten Ziele des am 1. Juni in Leipzig gestarteten
Verkehrssystemmanagements (VSM). Beteiligt sind neben
dem Bund auch der Freistaat Sachsen, das Land SachsenAnhalt und die Stadt Leipzig. Siemens Industrial Solutions
& Services (I&S) lieferte und installierte dazu sämtliche
Außenanlagen, von Verkehrsdetektoren über elektronische
Anzeigetafeln bis zu Einrichtungen zur Datenübertragung
an einen Zentralrechner.
Das System, das zu den größten seiner Art in Deutschland gehört, informiert regelmäßig über die aktuelle Verkehrslage und führt die Fahrzeuge bei Behinderungen auf
einzelnen Streckenabschnitten der Autobahn oder des
16
its magazine: 2/2006
Nach nur sechs Monaten Bauzeit konnte das
neue Parkraumbewirtschaftungssystem für acht
Parkplätze mit insgesamt rund 1200 Stellplätzen
am Standort Marburg des Universitätsklinikums
Gießen und Marburg seine Arbeit aufnehmen.
In das System, das Siemens I&S ITS als Generalunternehmer zusammen mit regionalen Partnern realisierte, wurden unter anderem eine
Videoanlage zur Überwachung der Parkplätze
und der Kassenautomaten sowie eine digitale
Wechselsprechanlage zur Kommunikation mit
sämtlichen Ein- und Ausfahrtkontrollgeräten
und den Kassenautomaten integriert. Ein
eigenes Parkleitsystem zeigt dem Suchverkehr
außerdem an, wo noch wie viele Stellplätze
frei sind.
Fast 4000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
versorgen im Klinikum der Philipps-Universität
Marburg jährlich mehr als 44.000 stationäre und
120.000 ambulante Patienten. Im Fachbereich
Medizin werden rund 3000 Studierende der
Humanmedizin, der Humanbiologie, der Zahnmedizin und der Physiotherapie ausgebildet.
städtischen Straßennetzes auf Alternativrouten. Dies
geschieht durch elektronische Wegweiser, die auch den
WM-Besuchern den Weg zu Park & Ride-Plätzen gewiesen
haben. Die Angaben über die Auslastung dieser Plätze
werden in einer Rechnerzentrale verarbeitet. Falls nötig,
zeigen dynamische Wegweiser mit integrierten Stauinformationen schon auf der Autobahn Details zu alternativen
Zufahrtsmöglichkeiten für Fahrer in Richtung Leipzig an.
Zu diesem Zweck ist eine Vielzahl verschiedenster Systemkomponenten erforderlich. So sind auf den Autobahnen
an den wichtigen Knoten acht Verkehrszeichenbrücken
errichtet worden. An ausgewählten Anschlussstellen sollen
weitere acht Wechselwegweiser in Seitenaufstellung auf-
Shortcuts
Stuttgart (1)
SIMOS-Zentrale:
Viele Leitstellen
unter einem Dach
Premiere eines
einzigartigen
Leitstellenkonzepts
Bundesweit einmalig präsentiert sich die neue Leitstelle für
Sicherheit und Mobilität (SIMOS), die pünktlich zur FußballWM in Stuttgart ihren Betrieb aufgenommen hat. Dr. Werner
Schuster, Oberbürgermeister der Schwabenmetropole,
interpretierte das Namenskürzel bei der Einweihungsfeier
auf seine Art: „S wie sicher, I wie innovativ, M wie mobil,
O wie optimal und S wie schnell und sparsam.“
Gleich mehrere Leitstellen agieren bei SIMOS unter
einem Dach: die integrierte Leitstelle der Feuerwehr Stuttgart und des Deutschen Roten Kreuzes, die Integrierte Verkehrsleitzentrale (IVLZ) des Amtes für öffentliche Ordnung,
des Tiefbauamts, der Stuttgarter Straßenbahnen AG und des
Polizeipräsidiums Stuttgart sowie der Führungs- und Verwaltungsstab der Landeshauptstadt für außergewöhnliche
Ereignisse und Katastrophen. „Durch die Vernetzung
ergeben sich zahlreiche Synergieeffekte“, so Dr. Frank
Knödler, Leiter der Branddirektion. „Wir haben in SIMOS
kurze Wege und können die Rettungs- und Einsatzkräfte
effektiv einsetzen. Der Verkehr kann optimal gesteuert
werden, gerade bei Unfällen und Schadenslagen.“
In SIMOS stecken auch Produkte und Know-how von
Siemens ITS. So wird von den Leittischen der IVLZ die
zentrale Verkehrssteuerung und -lenkung der Stadt
Stuttgart über Verkehrsmanagement und -rechnersysteme aus der bewährten SITRAFFIC-Familie realisiert.
Stuttgart (2)
Verkehrsknotenentlastung durch neuen Tunnel
Täglich 110.000 Fahrzeuge werden ab sofort
den neuen, insgesamt 720 Meter langen
B 10-Tunnel am Stuttgarter Pragsattel passieren, der jetzt nach vier Jahren Bauzeit
offiziell eröffnet wurde. Die neue Röhre soll
laut Oberbürgermeister Dr. Werner Schuster
„den Verkehr auf der am stärksten befahrenen Kreuzung Stuttgarts spürbar entlasten.“
Drunter statt drüber: Oberbürgermeister Dr.
Werner Schuster eröffnet den neuen B 10-Tunnel
gestartet
Neben der kompletten Beleuchtung mit
Adaptions- und Durchfahrtsbeleuchtung sowie
Beleuchtungssteuerung hat der Bereich Siemens
Building Technologies auch die Leittechnik des
Tunnels installiert. Über diese erfolgt zum Beispiel eine Aufschaltung der Störmeldungen zur
Leitstelle der Stadt Stuttgart. Darüber hinaus
zeichnet die Siemens Straßenverkehrstechnik
für die Wechselwegweisung in den Zufahrten
zum Tunnel verantwortlich.
Freie Fahrt: Das VSM Leipzig schlägt bei
Behinderungen Alternativrouten vor
gebaut werden. 167 Messstellen erfassen die aktuelle Verkehrssituation. Darüber hinaus werden im Stadtgebiet eine
elektronische Informationstafel und 64 Messstellen zur
Registrierung der Verkehrssituation installiert. Herzstück
des Systems sind die Zentralen: Die Verkehrsmanagementzentrale der Stadt Leipzig bereitet die im städtischen Bereich
erfassten Verkehrsdaten auf, und die beiden Länderzentralen
(in Halle-Peißen für Sachsen-Anhalt und in Dresden-Hellerau
für Sachsen) steuern die Wegweiser an den Autobahnen
in ihrem jeweiligen Zuständigkeitsbereich an.
Die Bundesanstalt für Straßenwesen begleitet im Rahmen eines Forschungsauftrags das Vorhaben und beurteilt
seine Wirksamkeit.
its magazine: 2/2006
17
Wissen & Forschung
Qualitätsmanagement im Verkehrswesen
Gute Besser
Die Verkehrshaushalte gehören zu den größten
Einzeletats der Finanzminister und Kämmerer.
Und doch funktionieren die Mobilitätssysteme
von Bund, Ländern und Gemeinden vielerorts
nicht optimal. In der ungeheuren Komplexität
der Aufgabenstellung sieht Professor Dr. Fritz
Busch von der Technischen Universität München
aber nur einen Teil der Ursachen. Den anderen
hat er im Bereich des Qualitätsmanagements
ausgemacht.
in Tag wie jeder andere im Leben
von Otto Normal-Verkehrsteilnehmer: Erst die langen Rot-Phasen vor leeren Vorort-Kreuzungen,
dann die Tempo 80-Anzeigen bei freier Autobahn, garniert mit längst
überholten Stauwarnungen im Rundfunk. Und in der City schließlich die
Wahl zwischen Not und Elend –
zwischen notorisch überfüllten Parkständen und nicht eingehaltenen
Anschlüssen im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV).
Allzu lang ist die Liste der Unzulänglichkeiten von Verkehrssystemen.
Allzu weit sind sie oft davon entfernt,
die Maximalforderung einer Gesellschaft zu erfüllen, die darin einen
Grundpfeiler ihrer Wirtschaft und
ihres Wohlstandes sieht: Mobilität für
alle, überall und jederzeit. Dabei
gehören die Verkehrshaushalte längst
zu den größten Einzeletats in Bund,
Ländern und Gemeinden. Wo also
steckt das Problem?
So viel steht fest: Einfach zu bewältigen ist die Herausforderung nicht, der
sich die Architekten der Mobilität
gegenüber sehen. Denn aus der Nähe
betrachtet offenbart sich die ungeheure
E
18
its magazine: 2/2006
Komplexität der Thematik, die enorme
Zahl zu lösender Aufgaben, erforderlicher Einzelbausteine und beteiligter
Akteure. Immer neue, in kürzeren
Zeitabständen erscheinende technische Möglichkeiten und ständig steigende Anforderungen und Regelungen von Öffentlichkeit und Gesetzgeber
machen die Arbeit der Verkehrsmanager auch nicht gerade leichter.
In den meisten Disziplinen
des Verkehrswesens
besteht noch deutlicher
Regelungs- und Handlungsbedarf in punkto
Qualitätsmanagement
Vor diesem Hintergrund gewinnt
auch im Verkehrswesen ein Instrument an Bedeutung, das bereits in
vielen anderen Bereichen gang und
gäbe ist: die Qualitätsüberwachung.
Nur durch entsprechend breit und
durchgreifend eingesetzte Maßnahmen zur Kontrolle und Sicherstellung der Systemqualität lässt sich
die gegebene Komplexität meistern.
Nur so lässt sich die Infrastruktur auf
wirtschaftliche Art erhalten und die
allerorten angestrebte hohe Qualität
des Verkehrssystems erreichen.
Hohe Qualität – was ist das eigentlich in diesem Zusammenhang? Das
Anzeigen der „richtigen“ Geschwindigkeit, „angemessen“ kurze Rot-Phasen, „stets“ ein freier Parkplatz?
Zumindest für einige wichtige Bereiche des Verkehrswesens existieren
bereits sehr präzise Definitionen, so
wie die für den anforderungsgerechten Entwurf von Verkehrsanlagen festgelegten Qualitätsstufen A...F gemäß
Handbuch für die Bemessung von Verkehrsanlagen (HBS 2005). Auch im
ÖPNV wurden mit Einführung der DIN
EN 18316 klare und verbindliche
Regelungen für die Festlegung verkehrlicher Qualitäten in den Bereichen
Transport-Logistik und ÖPNV-Dienstleistungen geschaffen. Der zugrunde
gelegte Gedanke des Qualitätskreises
ist dabei durchaus allgemeingültig
und auf andere Bereiche übertragbar.
Weitere praktikable, zum Teil
gesetzlich vorgeschriebene Vorgehenswesen sind beispielsweise die
regelmäßige Überprüfung der technischen Funktionen von Lichtsignalanlagen (LSA) oder – bei Bedarf – die
Analyse ihrer verkehrstechnischen
Qualität mit Hilfe spezieller Softwaretools. In den meisten Disziplinen des
Verkehrswesens besteht jedoch noch
deutlicher Regelungs- und Handlungsbedarf.
Zu überwachen gilt es freilich nicht
nur die technischen Systeme selbst,
sondern auch ihre jeweiligen Aufgaben und Funktionen sowie die vorgeschalteten und begleitenden institutionellen Prozesse. So muss die Kette
von der langfristigen Verkehrsentwicklungsplanung einer Gemeinde
oder Region bis hin zur detaillierten
Ausschreibung eines Verkehrsbeein-
Wissen & Forschung
ung
Qualität ist, wenn Worten
Taten folgen: Im Idealfall
gehen die Zielvorgaben
der ersten direkt in die
Maßnahmenplanung der
folgenden Ebenen über
flussungssystems durchgängig definiert sein, zum Beispiel durch entsprechend eindeutig miteinander verzahnte Planwerke.
Qualität ist schließlich auch, wenn
den richtigen Worten die richtigen
Taten folgen. Im Idealfall gehen die
Zielvorgaben der ersten direkt in die
Maßnahmenplanungen der folgenden
Ebenen über. Wie anders ließe sich
gewährleisten, dass die erforderliche
Verkehrsqualität einer im Stadtnetz
vorgesehenen Hauptschlagader hinsichtlich Kapazität, Auslastung und
Reisegeschwindigkeit durch ein später ausgeschriebenes adaptives Steuerungssystem auch tatsächlich erreicht
wird? Nach Installation des Systems
besteht die Aufgabe darin zu überwachen, inwieweit die vereinbarten Leistungsmerkmale der Anlage dauerhaft
eingehalten werden. Denn je früher
eine Abweichung auffällt, desto wirksamer lässt sich gegensteuern.
All das verbirgt sich also dahinter,
wenn zusammenfassend von Qualitätsmanagement im Verkehrswesen
die Rede ist. Vollständig aufgesetzt,
umfasst es folgende Maßnahmenbereiche:
●
●
●
Definition und Planung
Monitoring und Kontrolle
Sicherung und Verbesserung
Definition und Planung
Jede dieser Phasen enthält zahlreiche
zu lösende Einzelaufgaben, wobei die
Definition der Qualität und der zu
verwendenden Kriterien natürlich
zielgerichtet auf die Anwendung und
den Zweck der Anlage erfolgen muss.
So ist zum Beispiel die Qualität einer
LSA-Steuerung nicht zuletzt davon
abhängig, ob sie Aufgaben der ÖPNVPriorisierung zu erfüllen hat oder den
reinen Individualverkehr steuert. Die
Anlagenart bestimmt auch den im
Rahmen der Planungsphase ebenfalls
festzulegenden Qualitätssicherungsprozess. In einzelne Schritte heruntergebrochen, werden hier unter anderem die Periodizität und Reihenfolge
von Überprüfungen festgelegt.
Monitoring und Kontrolle
Nächster Programmpunkt ist dann
die Installation des Monitoring, das
die erforderlichen Qualitäts-Indikatoren erfasst. Die Hauptaufgaben liegen
hier in der klaren Strukturierung der
zu überwachenden Prozesskette mit
Auflösung in die wesentlichen Elemente und ihre Schnittstellen. So
ermöglicht das Monitoringsystem
einer Streckenbeeinflussungsanlage
die Online-Überwachung all ihrer
Bereiche – von den Schildern und
Detektoren der Feldebene aufwärts
bis zur Systemebene in der (Unter-)
Zentrale, einschließlich der Wirkungskontrolle beim Verkehrsteilnehmer.
Auf die Diagnose folgt
die Operation: Aktuelle
Forschungsarbeiten
entwickeln so genannte
Selbstheilungsmechanismen für Verkehrstechnik
Sicherung und Verbesserung
Doch natürlich ist Qualitätsüberwachung kein Selbstzweck. Wirklich
sinnvoll wird sie erst, wenn entsprechende Maßnahmen nachgeschaltet
sind, wenn also eine echte Qualitätssicherung und gegebenenfalls -verbesserung erfolgt. Auf dieser Stufe
spielt künstliche Intelligenz eine
Hauptrolle. Die Palette der Optionen
beginnt bei der Frühwarnung vor
drohendem Qualitätsabfall und endet
bei der automatischen Selbstheilung
der Anlage.
Ganz konkret können durch feinfühlig eingestellte Analysealgorithmen
aus dem Monitoringsystem automatisch oder per systematischer, manueller Auswertung frühzeitig Abweichungen von der vorgegebenen SollQualität erkannt werden – im Idealfall
sogar, bevor sie zu einer Fehlfunktion
führen. Die richtige Balance zwischen
hoher und schneller Trefferquote
einerseits und geringer Anzahl von
Fehleinschätzungen des Anlagenverhaltens andererseits lässt sich über
die Parametrierung der entsprechenden Algorithmen finden.
Auf die Diagnose folgt – wenn nötig
– die Operation. Jeder vom System
oder vom Qualitätskontrolleur lokalisierten Fehlfunktion ist im Sinne der
Einhaltung der festgelegten Vorgaben
und der Sicherstellung der Anlagenfunktionsfähigkeit gegenzusteuern. In
der Regel werden die betroffenen
Komponenten repariert oder Softwareparameter neu justiert. Aktuelle
Forschungsarbeiten der Verkehrstechnik und der Informatik gehen jedoch
bereits einen Schritt weiter: Sie entwickeln so genannte automatische
Selbstheilungsmechanismen. Diese
führen zum Beispiel Parameter selbstständig nach, geben automatisch Hinweise auf erkannte Fehlerursachen
und suchen bei Teilausfällen nach
Alternativstrategien, um die fehlerhaften Komponenten oder Softwaremodule vorläufig zu umgehen und – falls
möglich – durch Alternativen zu ersetzen. Ein Systemausfall kann so vermieden oder abgeschwächt und die
erreichbare Systemverfügbarkeit oft
deutlich gesteigert werden.
Dass derartige Lösungsansätze mit
zunehmender Komplexität unserer
Verkehrssysteme an Bedeutung
gewinnen werden, gilt als hochwahrscheinlich. Denn nur Verkehrssysteme, die mit ihrer bestimmungsgemäßen, in der Regel bei Anschaffung
festgelegten Qualität arbeiten, erfüllen ihre vorgesehene Funktion im
Rahmen des verkehrlichen Gesamtkontextes. Und werden schließlich
auch von Otto Normal-Verkehrsteilnehmer akzeptiert.
its magazine: 2/2006
19
Wissen & Forschung
SITRAFFIC MOTION MX
Die perfekte Welle
Immer „Grüne Welle“: Diesen Wunsch haben Autofahrer und Nutzer des Öffentlichen
Nahverkehrs gemeinsam. Doch aus ihrer subjektiven Sicht gilt meist Murphys Gesetz:
Vorfahrt hat immer der andere. Mit der optimierten Lichtsignalsteuerung MOTION MX
kann man nun beiden Gruppen gerecht werden.
ls hätte Heraklit es geahnt: Seine Formel ist ungefähr 2500
Jahre alt, aber besser könnte
man den Effekt von MOTION MX gar
nicht beschreiben: „Alles fließt.“
Möglich wird der sowohl für den
Individualverkehr wie auch für den
Öffentlichen Nahverkehr messbar
bessere Fluss durch die optimierte
Steuerung innerstädtischer Lichtsignalanlagen.
MOTION MX steht für „Methode zur
Optimierung der Lichtsignalsteuerung
in Online gesteuerten Netzen“. Dahinter
verbirgt sich eine Software, die nicht
A
nur einzelne Knotenpunkte, sondern
jeweils das gesamte Netz „im Auge“
hat. Sie erzielt daher eine wesentlich
höhere Wirkung als herkömmliche
Systeme. In Verbindung mit Detektoren und einer leistungsstarken
Zentrale wie etwa SITRAFFIC SCALA
von Siemens ITS, errechnet MOTION
MX den aktuellen und zukünftigen
Verkehrszustand anhand vorhandener
Messstellen, beispielsweise der Lichtsignalanlagen. Mit Hilfe spezieller
Algorithmen ermittelt die Software
dann die besten Signalprogramme und
sendet sie an die Lichtsignalanlagen.
Alles fließt: Optimierte Lichtsignalsteuerung sorgt für Grüne Wellen
20
its magazine: 2/2006
Für diese Optimierung ist es wichtig zu bestimmen, wie die Fahrzeuge
an den Kreuzungen abbiegen. Erst
dann kann man die Grünen Wellen
dynamisch auf die Ströme mit den
größten Belastungen abstimmen.
Größere Städte haben dabei oft
besondere Anforderungen an die
Steuerungsabläufe, so etwa die
Schaltung unterschiedlicher Koordinierungen in den Morgen- und
Abendstunden der Rush hour.
Genaue Anpassung an
die jeweiligen Aufgaben
Der modulare Aufbau erhöht die
Flexibilität des Systems. Eigene
Module für die Verkehrslage-Erfassung, Situationserkennung und
Optimierung erlauben eine sehr
genaue Anpassung an die jeweiligen
Aufgaben: Ganz gleich, inwieweit
die Koordinierung von Hauptachsen
im Vordergrund steht, ob es vorrangig um das Staumanagement oder
ganz einfach „nur“ um die Erhöhung der Kapazität der vorhandenen Straßen geht – MOTION MX hält
den Verkehr im Fluss und kann
gleichzeitig die Qualität Grüner Wellen erheblich steigern.
Als weltweit erstes System mit
OCIT-Schnittstelle ist MOTION MX
offen für die Zusammenarbeit mit
Steuergeräten verschiedener Hersteller und kann auch mit den Elementen einer bereits bestehenden
Infrastruktur problemlos Daten austauschen. Städte wie Mannheim,
Bremen, Prag, Graz und Kopenhagen setzen auf dynamische Grüne
Wellen, die durch ständiges FineTuning an die aktuelle Verkehrssituation angepasst werden, um ein
Optimum für alle Verkehrsteilnehmer zu erreichen.
Mobilität & Lebensraum
„Alle wollen in den Süden.
Alle im Auto. Alle möglichst
schnell. Und alle zur gleichen
Zeit.“ Der Untertitel der 90erJahre-Klamotte „Superstau“
war damals so aktuell wie
heute. Gerade windet sie sich
wieder längs durch Deutschland, die Blechschlange
Richtung Mittelmeer. Dabei
lässt es sich auch stressfrei in
den Urlaub fahren, meinen
die Gelben Engel vom ADAC
„Lassen Sie sich nicht
stressen“: ADAC-Stauberater im Einsatz
und verraten uns auch wie.
Ob wir diesmal auf sie hören?
Relaxed reisen
Mit Engelszungen
ie schönsten Staus sind immer
noch die, in die man gar nicht
erst kommt. Zum Beispiel, indem
man nicht gleich den ersten Gang,
sondern vorher eine kurze Besinnungspause einlegt und die Reise vernünftig plant. Zwei Punkte sind dabei
besonders wichtig: Route und Termin.
So verständlich es ist, dass viele
frisch gebackene Urlauber möglichst
schnell losfahren und ankommen wollen – am liebsten vor allen anderen:
Diese Hektik, vielleicht sogar am
Abend des letzten Arbeitstages, kann
gefährlich werden. Lästig wird sie
ziemlich sicher: Denn kurz vor dem
Wochenende sind auch die Berufspendler unterwegs und belasten viele
Strecken zusätzlich.
Wer am Freitag oder Samstag startet, hat deshalb kaum Chancen auf
freie Bahn. Bei der Rückreise sind
auch Sonntag und Montag tabu. Auf
Grün steht die Ampel vor allem dienstags und mittwochs, wenn weniger
Verkehr herrscht und weniger Unfälle
passieren. Sollte das persönliche
Timing dennoch zur Fahrt am
Wochenende zwingen, gibt es nur
eins: Hauptreiserouten meiden und
Nebenstrecken wählen, selbstver-
D
ständlich mit aktuellem Kartenmaterial im Handschuhfach.
Eine schwierige Entscheidung steht
an, wenn eine Staumeldung im Radio
den eigenen Streckenplan betrifft:
Aussitzen oder umfahren? Falls kein
modernes Navigationssystem an Bord
ist, das automatisch Ausweichrouten
vorschlägt, hilft eine einfache Faustregel: Bleibt die Länge des Staus während mehrerer Durchsagen unverändert, dann rollt es noch einigermaßen.
Wenn die Kilometerangaben wachsen,
lohnt sich die Umgehung, allerdings
erst ab etwa vier Kilometer Staulänge, weil viele Umleitungen durch
geschlossene Ortschaften führen –
auch das kostet Zeit.
Viel wichtiger noch als das entspannte ist natürlich das gesunde Ankommen. Autobahnen zählen zwar statistisch zu den sichersten Straßen, doch
wegen der hohen Geschwindigkeiten
sind Unfälle hier oft besonders folgenschwer. Das größte Risiko herrscht
überall dort, wo schneller und langsamer Verkehr aufeinander treffen: an
Auf- und Abfahrten, an Baustellen und
Steigungen. Höchste Vorsicht ist auch
an Stauenden geboten. Der dringende
Expertenrat: Wer sich einem Stau
nähert, sollte unbedingt die Warnblinkanlage einschalten, rechtzeitig
die Geschwindigkeit reduzieren und
mindestens drei bis vier Autolängen
Abstand zum Vordermann halten.
Häufige Ursache von Unfällen besonders auf Urlaubsreisen ist auch die
Übermüdung der Fahrer. Deshalb sollten regelmäßige Pausen zum festen
Bestandteil der Planung gehören –
eine ebenso nachdrückliche wie einleuchtende Empfehlung zum Schutz
des Steuermanns selbst, seiner Passagiere und anderer Verkehrsteilnehmer. Leider wird sie dennoch jeden
Sommer von über drei Millionen Reisenden ignoriert. Laut ADAC-Erhebungen sind 50 Prozent der Fahrer zehn
Stunden und länger ohne Rast unterwegs, 80 Prozent sitzen mindestens
acht Stunden ununterbrochen am
Lenkrad – und das, obwohl ein fahrtüchtiger Co-Pilot mit an Bord ist.
Neben all den pragmatischen Tipps
geben die Experten des ADAC den
Urlaubern auch noch einen psychologischen mit auf den Weg: „Sie haben
Ferien – Sie haben Zeit. Lassen Sie
sich nicht stressen.“ Mit anderen Worten: Die Gelben Engel wünschen
Engelsgeduld.
its magazine: 2/2006
21
Mobilität & Lebensraum
obilität als Mannschaftssport:
Eine populistische Parole unter dem Eindruck der gerade
beendeten Fußball-WM? Keineswegs:
Die Metapher steht für einen aktuellen Trend, der die mobile Gesellschaft
aus der Zwickmühle eines klassischen Zielkonflikts führen soll. Denn
vor dem Hintergrund immer dringlicher werdender ökologischer Erfordernisse geht es inzwischen nicht
mehr unbedingt um unbegrenzte als
vielmehr um grenzenlose Mobilität –
ohne geistige und konzeptionelle
Barrieren zwischen den verschiedenen Verkehrssystemen.
Tatsache ist, dass die in Deutschland erbrachte Transportleistung
seit Mitte der 70er-Jahre erheblich
M
gestiegen ist: Im Personenverkehr
hat sie sich mehr als verdoppelt, im
Güterverkehr sogar mehr als verdreifacht. Der weitaus größte Anteil
rollt nach wie vor über die Straße.
Dabei sind wir heute nicht öfter
unterwegs als noch vor rund 30 Jahren: Zwischen 3,5 und 4 Wegen pro
Person und Tag zählen die Statistiker. Geändert hat sich unser Mobilitätsverhalten dagegen in zwei
anderen entscheidenden Punkten.
Zum einen benutzen wir inzwischen
unsere Fahrzeuge auch auf Strecken,
die wir früher zu Fuß gegangen sind.
Und zum anderen sind die durchschnittlichen Entfernungen größer
geworden: Aus 30 Kilometern wurden deren 45.
Vernetzte Mobilität
Unabhängig davon,
wie wir an den Punkt
kamen, an dem wir
heute stehen: Wir
sind nun einmal da
Zunehmende Bequemlichkeit des
einzelnen ist also nur einer von
vielen Gründen für die alarmierend
steigenden Pegelstände des Verkehrsaufkommens. Wer seriöse Ursachenforschung betreiben will, der
muss sich beispielsweise mit der
Entwicklung unserer Siedlungsstrukturen auseinandersetzen, mit
der zunehmenden Suburbanisie-
Grenzenlos
Er könnte ambivalenter kaum sein, der Zielkonflikt,
vor dem die moderne Gesellschaft heute steht: Hier
der Wunsch nach uneingeschränkter Mobilität – dort
die Notwendigkeit zum Schutz der Umwelt. Gelingen
kann die Gratwanderung nur, wenn die Grenzen
zwischen den verschiedenen Verkehrssystemen
verschwinden. Professor Dr. Fritz Busch von der
Technischen Universität München setzt sich in
seinem Essay deshalb vor allem mit den Trends
zur Integration und Intermodalität auseinander.
22
its magazine: 2/2006
Mobilität & Lebensraum
rung und der Entstehung zusammenhängender Städteregionen, aber
auch mit der Organisation regionaler und internationaler Warenströme für privaten wie geschäftlichen
Bedarf.
Doch unabhängig davon, wie wir an
den Punkt kamen, an dem wir heute
stehen: Wir sind nun einmal da. Und
analog zu den Regeln der Marktwirtschaft verlangt die erhöhte Verkehrsnachfrage leistungsfähigere Angebote
auf Seiten der Verkehrsinfrastruktur
und der betrieblichen Abwicklung
des Verkehrs. Zwei Stichworte kennzeichnen dabei die aktuellen Konzepte und Trends: Integration und Intermodalität. Einige Beispiele mögen
dies erläutern.
So wie im Rahmen der nationalen
Raumordnungspolitik gezielt die
Förderung von Achsen und Schwerpunkten der Siedlungsentwicklung
betrieben wird, so unterstützt auch
die Europ-iedienen de Twn.
erhält man meist über Internetportale
wie etwa www.bayerninfo.de, On-TripUpdates gelangen via Mobiltelefon
oder Navigationssystem zum Kunden
und schließen sämtliche Wegeketten
über mehrere Verkehrsmittel inklusive Fuß- und Radwegen mit ein.
Immer wichtiger wird die mobilitätsfreundliche Ausbildung der
Schnittstellen – innerhalb des Systems wie intermodal. Ganz konkret
heißt das zum Beispiel:
● Netzorientierte Steuerung des Individualverkehrs mit Ausnutzung der
Kapazitäten verschiedener Netzteile durch Ampelschaltungen, Anzeigen und Zuflussregelungen
● Schaffung von leistungsfähigen
P+R-Möglichkeiten
●
●
Kurze und übersichtliche Wege an
den Umsteigepunkten
Vermehrtes Angebot von Kombitickets und Verkehrsmittel-übergreifenden Bezahlmöglichkeiten
etwa durch e-ticketing
Alle derartigen Ansätze, teils realisiert, teils in der Einführungsphase,
dienen dem Ziel eines möglichst reibungslosen Wechsels zwischen den
Verkehrssystemen, um die bestehende Mobilitätsnachfrage effizient,
sicher und umweltverträglich zu
befriedigen.
its magazine: 2/2006
23
Mobilität & Lebensraum
Das so organisierte Zusammenspiel
wird als intermodales Mobilitäts- und
Verkehrsmanagement bezeichnet.
Die wichtigsten Aufgaben der relativ
neuen Disziplin sind indes nicht nur
funktionaler, sondern auch technischer und organisatorischer Natur.
So entscheiden über die Leistungsfähigkeit moderner Verkehrsinformations- und Leitsysteme nicht zuletzt
die Teamplayer-Qualitäten ihrer Einzelkomponenten:
● Detektoren zur Erfassung des Verkehrs- oder Warenflusses
● Feldgeräte zur Kommunikation
und lokalen Steuerung an Knotenpunkten oder zur Ansteuerung von
Anzeigen und Ampeln
● Unterzentralen, die größere Netzteile oder ganze Systeme (teil-)
automatisch steuern (Beispiel:
Stauwarnanlagen)
● Übergeordnete Betriebsleit- und
Managementzentralen für die integrierte Steuerung/Verwaltung eines
ÖPNV-Systems wie einer U-Bahnleitzentrale oder eines Stadtverkehrssystems (städtische Leitzentrale)
Die zunehmende Leistungsfähigkeit der Kommunikationstechnik,
insbesondere der Mobilkommunikation, eröffnet der Vernetzung ganz
neue Chancen: Zum Beispiel wird es
möglich, fahrende Fahrzeuge miteinander kommunizieren zu lassen,
Informationen zwischen Fahrzeug und
straßenseitiger Infrastruktur auszutauschen (siehe Grafik unten rechts)
sowie den Reisenden über intelligente Mobiltelefone (Smartphones) oder
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its magazine: 2/2006
Taschencomputer (PDAs) praktisch
kontinuierlich, auf seinem gesamten
Weg, in allen genutzten Verkehrsmitteln zu begleiten.
Auch wenn derartige Visionen
noch am Beginn ihres Markteintritts stehen – eines zeichnet sich
deutlich ab: Funktion und Technik
geben das Tempo vor, während die
besondere im Bereich der MobilitätsInformation entstehen hier in verschiedenen Regionen interessante
neue Angebote: das Projekt „Ruhrpilot“
in Nordrhein-Westfalen beispielsweise, die Verkehrsmanagementzentrale Berlin und die Verkehrsinformationsagentur Bayern.
Damit weiter zusammenwachsen
kann, was zusammengehört, muss
die Vernetzung weit früher beginnen
als erst in der praktischen Umsetzung. Schon in der beruflichen Ausbildung werden die Grenzen zwischen den beteiligten Fachdisziplinen
verschwimmen – nicht ohne Auswirkungen auf die entsprechenden Programme und Abschlüsse. Es reicht
heute im Verkehrswesen, wie in vielen anderen Bereichen auch, in der
Regel nicht mehr aus, eine einzelne
Fachdisziplin zu erlernen und damit
in dem oben skizzierten Umfeld dauerhaft aktiv und gestaltend mitzuwirken. Zu vielfältig sind die beteiligten
Disziplinen aus Ingenieurwesen,
Betriebswirtschaft, Geographie oder
auch Sozialwissenschaft.
Die Technische Universität München
hat darauf bereits reagiert und entwickelt derzeit in Zusammenarbeit
mit den am Markt tätigen Arbeitgebern aus Verwaltung und Wirtschaft
neue fachübergreifende Ausbildungsgänge für Berufe im Verkehrswesen.
Denn wenn die mobile Gesellschaft
auch weiterhin physisch beweglich
bleiben will, dann muss sie sich auch
gedanklich bewegen. Und zwar möglichst schnell.
Trendspots
SITRAFFIC C900
Schritt macher der Zukunft
Lichtsignalanlagensteuerung:
Kontinuität statt
Quantensprung
Auch wenn die Marketingspezialisten
mancher Unternehmen sich gegenseitig mit Lobeshymnen übertrumpfen:
Bei Steuergeräten für Lichtsignalanlagen geht es nicht um Revolutionen
und nicht um Quantensprünge, Kontinuität und effiziente Weiterentwicklung sind hier Trumpf. Vor allem
kommt es in diesem Bereich darauf
an, die Investitionen von Städten und
Kommunen zu schützen und den
ständig wachsenden Anforderungen
der Kunden dennoch immer gerecht
zu werden – durch voll kompatible
Evolutionsstufen einer vieltausendfach bewährten Produktlinie.
Mehr Leistung – weniger Kosten:
Mit dieser knappen Formel lassen sich
die wesentlichen Vorteile der kürzlich
vorgestellten SITRAFFIC C900-Familie
von Siemens ITS charakterisieren.
Basis ist die Steuerungsbaugruppe
BBX mit der international abgestimmten Prozessoreinheit ITS-Engine. Die
erhöhte Leistung, der Speicherausbau
und eine Vielzahl an externen Schnittstellen machen die neuen Steuergeräte
fit für die Praxis der Zukunft.
Mit der Integration der Technik für
eine moderne Datenübertragung in
die CPU lassen sich markante Kostenvorteile gegenüber der bisherigen
Zwei-Komponenten-Lösung erzielen.
Die einfache mechanische Hochrüstung
eines C800-Geräts ist durch die Steckkompatibilität von BBS und BBX gegeben.
Wie schon in den Jahren zuvor mit
dem C840VP (2005), dem C840V
(2004), dem C800XS (2003) und dem
OCIT (2002) springt Siemens damit
auch jetzt eher unspektakulär, aber mit
viel Augenmaß und in der sicheren
Gewissheit, dass die Latte jedes Jahr
ein Stückchen höher liegt.
Silux 1.40
Keine Chance für Phantome
Mit stark verbesserten optischen und elektrischen
Eigenschaften punktet der neue LED-Signalgeber
Silux 1.40. Da seine farblosen Streuscheiben die
Entstehung von farbigem Phantomlicht verhindern,
erreicht das vom Siemens-Bereich Industrial
Solutions & Services entwickelte System in fast
allen Farben und Größen die höchste Phantomklasse 5.
Die optimierte Abstrahlcharakteristik gewährleistet hohe Sichtbarkeit unter allen Wetterbedingungen und zu jeder Tages- und Nachtzeit. Für
ein Höchstmaß an Betriebssicherheit sorgt eine
neu konzipierte Steuerungs- und Überwachungselektronik. Die Signalgeber sind mit einer TÜVzertifizierten Anschaltung ausgestattet, die Stromund Spannungswerte sämtlicher LEDs permanent
beobachtet und kontrolliert. Bei Über- oder Unterschreitung der voreingestellten Grenzwerte wird
der Eingangsstrom automatisch unterbrochen.
Wirtschaftliche Vorteile bietet die geringe
Leistungsaufnahme von sieben Watt, die den
Energieverbrauch der in 40-Volt-Technik aus-
geführten Signalgeber gegenüber herkömmlichen
Signallampen um 90 Prozent reduziert. Kostensenkend wirkt sich auch die höhere Lebensdauer
der LEDs aus. Um die Montage und den nachträglichen Einbau zu erleichtern, sind die neuen
Silux 1.40 in die Gehäusetür integriert.
LED-Signalgeber: Höchste Phantomklasse
dank farbloser Streuscheiben
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Profil
Innovationen technologischer
und organisatorischer Art
geben dem freien Bürger auch
weiterhin die Chance auf freie
Fahrt. Ob der sie nutzt, ist eine
andere Frage, meint Axel
Schultz, bei Siemens ITS für
Verkehrsmanagement in
Deutschland verantwortlich
und Geschäftsführer der
Verkehrsmanagementzentrale
in Berlin (VMZ). Im Gespräch
mit dem ITS magazine skizziert
er Möglichkeiten und Grenzen
moderner Methoden, den
Verkehr im Fluss zu halten.
Interview mit Axel Schultz, Leiter Verkehrsmanagement bei Siemens ITS Deutschland und
„Die gedankliche
Herr Schultz, viele Verkehrsteilnehmer haben Angst vor einem Knockout
der Mobilität. Wann werden wir
ausgezählt?
So weit muss es nicht kommen. Um
in Ihrem sportlichen Bild zu bleiben:
Wir haben hart trainiert, und im Sparring unter Wettkampfbedingungen
sammeln wir im Strategie- und Informationsmanagement Erfahrungen.
Inzwischen sind wir schon recht gut
in Form, und wir wachsen mit den
Herausforderungen.
Und wer ist „Wir“?
Die Metapher bezieht sich nicht nur
auf die Verkehrsmanagementzentrale
Berlin, sondern auch auf andere städtische Projekte wie zum Beispiel in
Köln, Frankfurt, Erfurt, Braunschweig
und Potsdam, die wirklich Hervorragendes leisten. Und neuerdings wird
die Idee des integrierten Mobilitätsmanagements, das alle Verkehrssysteme auf Straßen und Schienen
einschließt, sogar auf ganze Siedlungsräume ausgedehnt. So wie beim
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Projekt „Ruhrpilot“, das mit seiner
ersten Phase zur Fußball-WM in
Betrieb gegangen ist. Oder mit der
Verkehrsinformationsagentur Bayern, die ihren Projektstart im Januar
2006 hatte und in die ebenfalls alle
Siemens-Erfahrungen einfließen.
„Wie das lebende Beispiel ‚Ruhrpilot‘ zeigt:
Wo ein Wille ist, ist
meist auch ein Weg“
Wenn es um einheitliches Verkehrsmanagement einer ganzen Region
geht: Ist es nicht sehr schwierig, so
viele unterschiedliche Interessen
unter den sprichwörtlichen Hut zu
bringen?
Wie das lebende Beispiel „Ruhrpilot“
zeigt: Wo ein Wille ist, ist meist auch
ein Weg. Hier hat der Projektträger,
die ProjektRuhr GmbH, mit hohem
Engagement eine riesige Basisarbeit
geleistet. Und es gibt natürlich für
die regionalen Gebietskörperschaften
eine ganze Menge zu gewinnen.
Wenn es gelingt, die sich gegenseitig
beeinflussenden Verkehrsströme
durch die Vernetzung öffentlicher
und privater Mobilitätssysteme in ein
gemeinsames Strategiemanagement
einzubinden, werden präventive
Steuerungsmaßnahmen möglich –
sehr zum Wohl des gesamten Verkehrsflusses. Unter dem Strich profitieren alle davon. Nicht zuletzt die
Umwelt, weil alle infrastrukturellen Möglichkeiten für alternative
Streckenführungen genutzt werden
können.
Ein hochaktueller Aspekt angesichts
der heiß diskutierten EU-Schadstoffrichtlinie …
Ganz genau: Vor diesem Hintergrund
hat das Verkehrsmanagement eine
neue, zusätzliche Aufgabe bekommen. Schon heute ist man dabei, mit
Aktionsplänen verkehrliche Maßnahmen zu definieren, die ihren Beitrag
Profil
Axel Schultz: Die wichtigsten
Stationen auf einen Blick
• Geboren 1961 in Magdeburg
• Ingenieurstudium Informationstechnik,
Dipl.-Ing.
• 1986 -1990 Stationen als Vertriebs-,
Projektierungsingenieur, Abteilungsleiter
bei Starkstrom-Anlagenbau Magdeburg
• 1990 - 1993 Vertriebsleiter Nachrichtentechnik Siemens AG
• 1993 - 1996 Leiter Siemens Gebäudetechnik
der Niederlassung Magdeburg
• 1996 - 2001 Vertriebsleiter Straßenverkehrstechnik der Niederlassung Berlin, darin
verantwortlich für Projektentwicklung
Verkehrstelematik und Projektleiter der
VMZ Berlin
• 2001 - 2002 Geschäftsfeldleiter Transport
Logistic IVU Traffic Technologies AG
• 2002 - 2003 Geschäftsentwicklung neue
Telematikgeschäfte bei Siemens Intelligent
Traffic Systems
• Seit 2003 Geschäftsführer VMZ Berlin
Betreibergesellschaft mbH und seit 2004
Leiter Verkehrsmanagement Deutschland
für Siemens Intelligent Traffic Systems
Geschäftsführer der Verkehrsmanagementzentrale Berlin (VMZ)
Bremse lösen“
zur Einhaltung der Limits leisten
sollen. Ein umweltorientiertes Verkehrsmanagement-Modul wird in der
Lage sein, Umweltdaten verkehrlich
zu interpretieren und somit die Basis
zur Entwicklung einer übergreifenden Strategie zu liefern. Wir
sammeln derzeit im Rahmen eines
Forschungsprojektes praktische Erfahrungen, um dieses Modul für
unsere Produktfamilie SITRAFFIC
CONCERT zur Verfügung zu stellen.
Logischer nächster Schritt wären jetzt
international harmonisierte Masterstrategien. Welche Voraussetzungen
müssten dafür geschaffen werden?
Falls in den Grenzregionen sich
wechselseitig beeinflussende Verkehrsströme existieren, wie zum Beispiel im Alpenraum oder entlang der
deutsch-französischen Grenze, ist
natürlich ein Datenaustausch zwischen den Interakteuren sinnvoll.
Auch für die Steuerung von Fernlastzügen ermöglichen übergreifende
Managementsysteme eine hervorra-
gende Alternativroutenführung, um
den Güterverkehr schneller und sicherer ans Ziel zu bringen.
Alles in allem besteht also die Hoffnung, dass der freie Bürger auch im
Jahr 2015 noch freie Fahrt hat?
Sagen wir mal so: Wir bieten ihm die
Chance dazu. Ob er sie nutzt, ist eine
andere Frage. Da gibt es sicher noch
die eine oder andere gedankliche
Bremse zu lösen. Noch sind längst
„Noch sind längst nicht
alle Autofahrer bereit,
ihr Mobilitätsverhalten
der Realität anzupassen“
nicht alle Autofahrer bereit, ihr Mobilitätsverhalten einer geänderten Realität anzupassen und sich auf wechselnde Transportmittel einzulassen.
Aber der intermodale Ansatz, der nahtlose Übergang von einem Verkehrs-
system auf das andere, bietet nun
einmal den größten gemeinsamen
Nenner im Spannungsfeld zwischen
Mobilität, Umwelt und Sicherheit.
Skeptiker behaupten ja, die Autofahrer müssten zu ihrem Glück
gezwungen werden – etwa
durch neue politische Rahmenbedingungen …
Das zu entscheiden, ist nicht meine
Aufgabe. Aber eins steht für mich
fest: Je besser die Angebote für ganzheitliche Mobilität in unseren Städten
sind, desto selbstverständlicher wird
der Modalsplit schon sehr bald sein.
Bis 2015 dürften alle Ballungsräume
in Deutschland über integrierte Verkehrsmanagementsysteme verfügen.
Eine große Anzahl von Fahrzeugen
wird mit dynamischen Navigationsendgeräten ausgerüstet sein, die den
Nutzer auch beim Umsteigen vom
Auto etwa in den Bus begleiten.
Herr Schultz, wir bedanken uns für
das Gespräch.
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Forum
Wir sehen uns in London
Besuchen Sie uns auf dem
ITS World Congress.
Stand Nummer: E10/E12
www.itsworldcongress.com
Impressum
ITS magazine · Fachmagazin der Siemens Straßenverkehrstechnik/ITS
Herausgeber: Siemens AG · Industrial Solutions and Services ·
Intelligent Traffic Systems · Hofmannstraße 51 · D-81359 München
Redaktionsleitung: Dr. Michael Ostertag (verantwortlich), Karin Kaindl:
Siemens I&S ITS · Wolfgang Schumacher: BFW Werbeagentur GmbH,
Office München
Koordination: Roland Michali: Siemens I&S GC Erlangen
Textredaktion: Peter Rosenberger, Wolfgang Schumacher · www.bfw-nw.de
Fotos: Achim Graf: S. 3 oben · ullstein bild: S. 4 · Informationsdienst Ruhr:
S. 6 oben links · Ruhrpilot Besitzgesellschaft mbH: S. 6 oben rechts, S. 7 oben ·
Corbis: S. 8 · Hans-Georg Merkel: S. 12, S. 14 rechts · PTV AG: S. 13, S. 14
links · PhotoCase.com: S. 15, 16, 28 · ADAC: S. 21 · Bayerisches Staatsministerium des Innern: S. 24 unten links · Dirk Hasskarl: S. 26
Konzeption & Gestaltung: Agentur Feedback, München ·
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Copyright: © Siemens AG 2006
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Das nächste ITS magazine erscheint am 15. November 2006.
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