Der MBTI als Instrument der Persönlichkeitsentwicklung
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Der MBTI als Instrument der Persönlichkeitsentwicklung
ZEITSCHRIFTENARCHIV Bernd Wierzchowski Der MBTI als Instrument der Persönlichkeitsentwicklung Themenzentrierte Interaktion Das Ich zwischen Persönlichkeitsentwicklung und Lebenskunst 23. Jahrgang, 2/2009, Seite 50–59 Psychosozial-Verlag 28091 T hemenzentrierte Interaktion Themenschwerpunkt: Das Ich zwischen Persönlichkeitsentwicklung und Lebenskunst Bernd Wierzchowski Der MBTI als Instrument der Persönlichkeitsentwicklung In diesem Artikel wird der MBTI als bewährtes Instrument zur Persönlichkeitsentwicklung dargestellt. Zunächst folgt eine grundlegende Beschreibung des Instruments. Im Anschluss wird die Frage in den Fokus gerückt, welchen Beitrag der MBTI zur Persönlichkeitsentwicklung generell und bei Führungskräften leistet. Abschließend findet eine Reflexion darüber statt, inwiefern dieses Instrument zum Menschenbild und zum grundlegenden Verständnis der TZI passt. Zum Autor Bernd Wierzchowksi, Jg. 1962, Dipl.-Psych., System. Organisationsberatung, MBTI lizensiert, TZI- und TA-Ausbildung, seit 2001 Mitgründer & Geschäftsführer der MES Menschen Entwicklung Systeme GmbH. Kontakt: [email protected] This article describes the MBTI as a proven instrument for personality development. First part is a basic description of the instrument. In the second part we describe the contribution of the MBTI for personality development in general and especially for managers/ leaders. Finally we reflect on the question, how this instrument fits to the basic understanding of the TCI and its picture of human beings. 1. Das MBTI Persönlichkeitsmodell Die Abkürzung „MBTI“ bedeutet Myers-Briggs Typenindikator und meint konkret das Testverfahren mit insgesamt 88 Fragen. Dieser Test basiert auf den theoretischen Überlegungen von Katharine Briggs und Isabell Briggs Myers, die in den fünfziger Jahren ein Persönlichkeitsmodell entwickelt und darauf aufbauend den Test konstruiert haben. Das Persönlichkeitsmodell basiert im Wesentlichen auf den Überlegungen von Carl Gustaf Jung, dessen Ideen dadurch eine unglaubliche Verbreitung gefunden haben (vgl. Attems u. a., 2003, 17). Dieser Persönlichkeitstest ist der weltweit am häufigsten genutzte Test: Es gibt jährlich bis zu 3,5 Millionen Nutzer. Alleine in Europa sind 13.000 Menschen zertifiziert, diesen Test einzusetzen und fachgerecht zu interpretieren. Die größte Zielgruppe sind Mitarbeiter und Führungskräfte von Organisationen und Unternehmen. Der Test liegt in insgesamt 19 Sprachen vor – auch in Chinesisch 50 Wierzchowski, Der MBTI als Instrument der Persönlichkeitsentwicklung 23. Jahrgang Heft 2 · Herbst 2009 und Japanisch. Das macht deutlich, dass die dem Test zugrunde liegenden Persönlichkeitsdimensionen kulturunabhängig und somit sehr grundlegend sind. Welche Annahmen muss man treffen, wenn man sich wissenschaftliche Gedanken über Persönlichkeitsmodelle macht? Folgende Aspekte liegen dem Modell zu Grunde: ➢ Menschliches Verhalten ist nicht zufällig, sondern es sind Muster erkennbar. ➢ Aus diesem Grunde können Kategorien gebildet werden (die Funktionen und Einstellungen, siehe unten). ➢ Unterschiede im menschlichen Verhalten resultieren aus den Präferenzen – Deshalb verhalten wir uns so und nicht anders. ➢ Präferenzen sagen uns, wie wir die Welt erleben und wie wir Entscheidungen treffen. ➢ Unsere Präferenzen sagen uns, was wir interessant finden, was uns befriedigt oder anregt und sie sagen uns auch, was uns irritiert oder frustriert. (vgl. Bents, 2001, 17f.). Die von C. G. Jung beschriebenen grundlegenden Persönlichkeitsmerkmale sind einerseits die Wahrnehmung, bei der entweder über die fünf Sinne oder über die Intuition wahrgenommen wird und andererseits das Beurteilen bzw. Entscheiden, welches im Schwerpunkt aufgrund von rationaler Analyse oder aufgrund von persönlichen oder sozialen Werten erfolgt (vgl. Bents/Blank, 2005, 13f.). Für C.G. Jung sind Wahrnehmen und Entscheiden die beiden grundlegenden Funktionen im menschlichen Verhalten. Aus der Gegensätzlichkeit der Typen entstehen die Meinungsverschiedenheiten und Konflikte im Alltag. Beeinflusst werden diese Funktionen von den so genannten Einstellungen, mit denen jemand die Welt erlebt: die Präferenz für die Außenwelt der Mitmenschen und Dinge Eine zentrale Frage wird unterschieden von einer Präferenz für die Innenwelt ist, woher wir Men der Ideen und Gedanken. Dahinter verbergen sich die schen unsere Energie Dimensionen Extraversion und Introversion, die uns in beziehen der Regel als Alltagsbegriffe bekannt sind, im Modell aber mehr bedeuten als das, was wir allgemein üblich darunter verstehen. Eine zentrale Frage dabei ist, woher wir Menschen unsere Energie beziehen, ob wir zum „Auftanken“ eher in den Kontakt gehen und gesellig sind oder ob wir uns zurückziehen und uns auf unserer privaten Insel erholen müssen. Einzig auf Isabel Myers und Katherine Briggs geht die vierte Dimension im Modell zurück: Diese beschreibt die Einstellung zu den Funktionen der Beurteilung und der Wahrnehmung. Inhaltlich bedeutet diese Unterscheidung, dass Menschen entweder strukturorientiert oder wahrnehmungsorientiert sind. 51 Themenzentrierte Interaktion Themenschwerpunkt: Das Ich zwischen Persönlichkeitsentwicklung und Lebenskunst In Tabelle 1 werden die Dimensionen als Übersicht dargestellt. Tabelle 1 Die Buchstaben in Klammern hinter den Begriffen sind die Abkürzungen der Dimensionen. Das Modell und der zugrunde liegende Test umfassen also „nur“ diese vier Dimensionen; in Kombination ergeben sich dann insgesamt 16 Persönlichkeitstypen mit jeweils unterschiedlichen Beschreibungen. Grundlegend für die Typologie ist die Annahme, dass der Mensch Präferenzen hat, die er mit Vorliebe nutzt. Dabei wird davon ausgegangen, dass jeder Mensch eine jeweils dominante Funktion hat, also eine, die er besonders häufig einsetzen wird. Die in der Grafik oben beschriebenen Dimensionen stellen grundsätzlich ein Kontinuum dar: ein Mensch kann an den äußeren Rändern liegen oder auch in der Mitte zwischen den Dimensionen. Das hängt vom Alter der Person und natürlich von der individuellen Entwicklung ab. Die Präferenzen, die uns auszeichnen, fallen uns in der Neigungen oder Umsetzung eher leicht; die jeweils andere Präferenz (beiPräferenzen sind mit grundlegenden spielsweise Sinneswahrnehmung als Präferenz; das Gegenstück ist die Intuition) können wir zum Teil auch „leben“, Funktionen unserer Persönlich aber in der Regel geschieht dies seltener oder durch bewusste Selbststeuerung beziehungsweise Lernerfahrungen. keit verknüpft Als Analogie zum Konzept der Präferenz bietet sich die Händigkeit beim Schreiben an: den meisten Menschen liegt es, mit der rechten Hand zu schreiben, es geht automatisch, fällt leicht, man muss dabei nicht nachdenken usw. Schreiben diese Menschen plötzlich mit der anderen Hand, müssen sie sich konzentrieren, ist das Ergebnis nicht so gut, wird das als anstrengend erlebt usw. Kurzum: in ungewohnten und Stresssituationen werden wir vorrangig auf die Präferenzen zurückgreifen, die wir bei der Geburt mitbekommen und die wir dann als Kinder weiterentwickelt haben. 52 Wierzchowski, Der MBTI als Instrument der Persönlichkeitsentwicklung 23. Jahrgang Heft 2 · Herbst 2009 „Neigungen oder Präferenzen sind mit grundlegenden Funktionen unserer Persönlichkeit verknüpft und äußern sich in allen Bezügen unseres Lebens. In der Regel bleiben sie das ganze Leben hindurch stabil. Auch wenn die Stärke einer Präferenz sich verändern kann, bleibt ihre Grundausrichtung statisch“ (Bents., 2001, 43). Weder das Modell noch der Test haben den Anspruch, den Menschen vollständig zu beschreiben, zumal ja nur von vier Dimensionen die Rede ist. Im Folgenden sollen die Dimensionen beschrieben werden. Extraversion versus Introversion Diese Dimension beschreibt, wohin Menschen Ihre Energie richten und woher sie ihre inneren Energien beziehen. Ein extravertierter Mensch ist kontaktfreudig, in der Regel leicht kennen zu lernen, er handelt und setzt um und dies zügig. Er bezieht seine innere Energie aus Aktivitäten und dem Kontakt zu Menschen. Nachteilig kann die Tendenz erlebt werden, sich „um Kopf und Kragen“ zu reden, was man manchmal im beruflichen, wie privaten Umfeld erlebt, oder die Tendenz, zu schnell zu handeln, statt sich vorher Gedanken zu machen. Ein introvertierter Mensch ist eher zurückhaltend, es dauert länger, ihn richtig kennen zu lernen und es fällt ihm leicht, sich zu konzentrieren und intensiv in Themen einzutauchen. Er kann gut zuhören und er bezieht seine innere Energie aus den eigenen Gefühlen, Gedanken und Reflexionen. In beruflichen Diskussionen werden diese Persönlichkeiten mitunter als sehr standfest erlebt, weil sie sich nicht so sehr von der Außenwelt beeinflussen lassen. Nachteilig ist dabei aber, dass dies auch als Sturheit erlebt werden kann. Sie haben mitunter die Tendenz, zu lange zu überlegen, bevor sie etwas umsetzen. Sinneswahrnehmung versus intuitive Wahrnehmung Diese Dimension beschreibt, wie Menschen wahrnehmen und Informationen verarbeiten. Ein Mensch mit der Präferenz Sinneswahrnehmung verlässt sich in der Regel auf Detailinformationen, ist praktisch orientiert (er baut das Haus), realistisch und in der Gegenwart. Das bedeutet auch, dass diese Persönlichkeiten gut das Hier und Jetzt genießen können. Im beruflichen Kontext stützen sich diese Menschen auf Fakten, greifen eher auf bewährte Lösungen zurück, als dass sie etwas völlig Neues probieren und gelten generell als bodenständig. Intuitive Menschen beschreiben eher ein großes Bild als die De53 T hemenzentrierte Interaktion Themenschwerpunkt: Das Ich zwischen Persönlichkeitsentwicklung und Lebenskunst tails, sind zukunftsorientiert, kreativ (sie entwerfen das Haus) und ideenreich. Sie machen sich Gedanken über neue Entwicklungen und Strategien. Es fällt ihnen mitunter schwer, sich im Hier und Jetzt zu bewegen, weil sie mehr daran interessiert sind, was morgen kommt. So sitzen sie beispielsweise im Urlaub auf dem Balkon und machen sich bereits Gedanken, wo sie den nächsten Urlaub verbringen könnten, statt den Augenblick zu genießen. Sie sind besonders gut im Erkennen von Mustern und Gesetzmäßigkeiten. Im beruflichen Kontext werden intuitive Menschen mitunter als Ideengeber geschätzt oder im Extrem als „Spinner“ bezeichnet. Analytisches Beurteilen versus gefühlsmäßiges Beurteilen Diese Dimension beschreibt, wie Menschen Sachverhalte beurteilen und zu Entscheidungen kommen. Analytisch vorgehende Menschen sind rationale Denker und nutzen die Logik, um zu Entscheidungen zu kommen. Sie analysieren Ursache und Wirkung und leiten daraus entsprechend Entscheidungen ab. Sie arbeiten unter Umständen gerne mit Pro- und Contra-Listen. Im zwischenmenschlichen Bereich arbeiten sie mit klaren Grundsätzen und als Führungskraft wollen sie alle Mitarbeiter gleich und fair behandeln. Im beruflichen Kontext stellen sie die Themen und Aufgaben in den Vordergrund, zwischenmenschliche Aspekte sind auch wichtig, kommen aber an zweiter Stelle. Gefühlsmäßig vorgehende Menschen orientieren sich an ihren Werten und Idealen und berücksichtigen bei ihren Entscheidungen in jedem Fall zwischenmenschliche Aspekte. Im beruflichen Kontext und als Führungskraft kommen die Mitarbeiter als erstes vor den Aufgaben und es gibt ein hohes Maß Im beruflichen Kon an Einfühlsamkeit. Harmonie im Team hat Priorität, weil text werden intuitive dann die Aufgaben erfolgreich bewältigt werden können. Menschen mitunter Diesen Persönlichkeiten fällt es mitunter schwer, kritisches als „Spinner“ Feedback zu geben oder Entscheidungen zu treffen, mit bezeichnet denen sie den Mitarbeitern auf die Füße treten müssen. Aber Vorsicht: der Entscheidungsprozess kann etwas länger dauern. Ist die Entscheidung aber getroffen, wird sie ebenso umgesetzt wie bei den analytisch denkenden Menschen. Beurteilen versus Wahrnehmen/Handlungsorientierung Diese Dimension beschreibt die Art, wie sich ein Mensch im Alltag organisiert und wie er Entscheidungen trifft und zu ihnen steht. Beurteilende Menschen bevorzugen ein geplantes, organisiertes Leben und sie treffen Entscheidungen zügig. Sie planen Projekte gerne 54 Wierzchowski, Der MBTI als Instrument der Persönlichkeitsentwicklung 23. Jahrgang Heft 2 · Herbst 2009 sehr präzise, arbeiten mit Checklisten und schätzen es nicht, wenn ein Projektplan wieder über den Haufen geworfen wird. In der Regel führen sie einen Terminkalender nicht nur für die Woche, sondern auch für das Wochenende. Diese Menschen sind häufig nicht so spontan, werden aber als diszipliniert und konsistent bzw. zuverlässig bei ihren Entscheidungen angesehen. Wahrnehmende Menschen bevorzugen ein flexibles, spontanes Leben und sind offen für neue Eindrücke bzw. halten sich gerne verschiedene Optionen offen. Sie zögern Entscheidungen gerne hinaus, um noch weitere Informationen integrieren zu können. Eine gute Organisation ist ihnen nicht so wichtig, oft werden Aufgaben erst in letzter Minute beendet. Insbesondere am Wochenende schätzen sie es, spontan zu sein und mögen keinen Terminkalender – gleichwohl sie es sich im Beruf mitunter angewöhnt haben, einen zu führen. Auf veränderte Projektpläne können sich diese Menschen gut einstellen ohne sich darüber zu ärgern. 2. Praktischer Testeinsatz Der Test besteht aus einem Fragebogen mit insgesamt achtundachtzig Fragen (deutsche und britische Version), bei denen es jeweils zwei mögliche Antworten gibt, zwischen denen man sich entscheiden muss. Dabei geht es darum, dort das Kreuz zu setzen, wo man sich selbst am besten beschrieben sieht. Nach der Testbearbeitung, die circa eine halbe Stunde Zeit in Anspruch nimmt, kann alles entweder online ausgewertet werden oder mit Hilfe eines speziellen Auswertungsblattes. Die Auswertung ist selbsterklärend einfach und als Ergebnis kommt zunächst einmal eine Kombination aus vier Buchstaben herraus: z. B. E NT J 60 8 25 30 sowie für jede der vier Dimensionen eine Zahl, die den Präferenzwert darstellt. Eine hohe Zahl wie sechzig bei E wie Extraversion bedeutet dann, dass diese Dimension sehr stark genutzt wird. Ein Präferenzwert wie acht bei N wie Intuition würde bedeuten, dass hier die Präferenz unklar ist, was aus verschiedenen Gründen so sein kann. Es handelt sich hier um eine extravertierte, intuitive Persönlichkeit, die analytisch vorgeht und einen gut organisierten Lebensstil bevorzugt. 3. Der Beitrag zur Persönlichkeitsentwicklung Der MBTI hilft, einen ziemlich komplexen Sachverhalt wie Persönlichkeit zu strukturieren und damit ein besseres Verstehen 55 T hemenzentrierte Interaktion Themenschwerpunkt: Das Ich zwischen Persönlichkeitsentwicklung und Lebenskunst der eigenen Person zu ermöglichen. Dabei ist das Testergebnis als Hilfsmittel zu verstehen, welches Stärken und Lernfelder der Persönlichkeit aufzeigt und somit Erklärungen für Situationen im Alltag liefert (beispielsweise warum wir mit einem bestimmten Kollegen nicht gut klar kommen). Das Ergebnis des Tests ist als Anregung zu verstehen, an der die betroffene Person weiterarbeiten kann, aber nicht muss. Folgende Einsatzgebiete haben sich mit dem MBTI bewährt: ➢ Management-Entwicklung: in Seminaren hilft der MBTI, den individuellen Arbeits- und Führungsstil und seine Auswirkungen auf das Umfeld zu reflektieren. ➢ Im Rahmen von Coachings oder Karriereberatungen: um die Qualität von Arbeitsbeziehungen zu verbessern oder um Lernstile und Motivationen zu erkennen. ➢ Teambildung und -entwicklung: der MBTI hilft, den typischen Arbeitsstil des Teams zu verstehen, Kommunikation zu verbessern, Konflikte zu lösen und generell die Andersartigkeit von Kollegen besser schätzen zu können. ➢ Organisationsentwicklung: hier kann erklärt werden, warum Mitarbeiter unterschiedlich auf Veränderungen reagieren und wie sie besser zu begleiten sind. Die Erkenntnisse über Persönlichkeitsmuster helfen im Kontakt mit Menschen, die ganz anders „ticken“ als man selbst oder auch für die Verbesserung der Zusammenarbeit in Teams. Sie helfen, Ideen zu entwickeln, wie man beispielsweise mit seinem Chef besser oder zumindest anders umgehen kann. Es erklärt aber auch, auf welche Mitarbeiter oder Kollegen man besonders achten sollte, weil sie ganz anders sind als man selbst. Bei Konflikten Erkenntnisse über oder problematischen Veränderungsprozessen kann dieses Hintergrundwissen viel erklären und die Zusammenarbeit Persönlichkeits dadurch erleichtert werden. muster helfen im Der MBTI hilft außerdem zu verstehen, worin sich MenKontakt mit Men schen aus unterschiedlichen Kulturen (Organisationskulschen, die ganz turen, Länderkulturen) voneinander unterscheiden. Daraus anders „ticken“ lassen sich dann Schlüsse ziehen, worauf beispielsweise bei der Zusammenarbeit mit einem japanischen Partner zu achten ist oder worauf ich mich im Umgang mit einer bestimmten Firmenkultur einstellen muss. Was beim Thema der Persönlichkeitsentwicklung, insbesondere von Führungskräften, auch eine Rolle spielen kann, ist die Akzeptanz: Kann ich mit den Ergebnissen etwas anfangen, finde ich den Fragebogen inhaltlich okay? An dieser Stelle hat es der MBTI relativ leicht, weil er seit Jahren eingesetzt und weiterentwickelt wird und weil die Ergebnisse in den meisten Fällen als sehr nachvollziehbar erlebt werden. 56 Wierzchowski, Der MBTI als Instrument der Persönlichkeitsentwicklung 23. Jahrgang Heft 2 · Herbst 2009 4. MBTI und TZI: Kritische Reflexion Passt der MBTI von seiner Haltung her zur TZI und korrespondiert das Instrument mit dem Entwicklungsverständnis der TZI? Übereinstimmungen Wichtig ist der grundsätzlich wertschätzende Ansatz dieser Typologie: es gibt kein „falsch“ oder „richtig“ beim Bearbeiten der Fragen und alle Ergebnisse in Form von Typen sind gleichermaßen wertvoll. „Als besonders vorteilhaft für den Einsatz in Gruppen (…) erweist sich dabei der Verzicht auf jegliche Wertung hinsichtlich der unterschiedlichen Typen“ (vgl. Hossiep u. a., 2000, 128). Das erleichtert aus meiner Erfahrung Menschen, die aufgrund ihrer beruflichen Sozialisation bisher nichts mit dem Thema Persönlichkeit zu tun hatten, sich darauf einzulassen und sich darüber in einer Seminargruppe auszutauschen. Für viele Techniker, Ingenieure oder Naturwissenschaftler ist das Thema zumeist völlig unbekannt und kann auch Angst auslösen. Die analytisch-strukturierte – und ihnen damit in gewisser Weise vertraute – Herangehensweise des MBTI hilft ihnen, sich mit diesen persönlichen Fragestellungen auseinander zu setzen. Das Modell lädt auch dazu ein, häufiger und bewusster die eigenen Stärken einzusetzen und nicht so sehr nur an den eigenen Schwächen zu arbeiten. Das finde ich vor dem Hintergrund einer doch oft recht defizitorientierten Das Modell lädt Personalentwicklung in Organisationen sehr wertvoll im ein, bewusster die Sinne des: Stärken stärken! Ebenso passt es zum positi- eigenen Stärken ein ven Menschenbild der humanistischen Psychologie: „Die zusetzen Menschen werden unterstützt, ihre positiven Kräfte und Stärken zu entdecken und auszubilden“ (Löhmer, 2006, 100). Dabei hilft der Ansatz auch zu lernen, mit Menschen, die ganz anders als man selbst sind, wertschätzend umzugehen und nicht nur von deren Andersartigkeit genervt zu sein. Das Modell des MBTI beinhaltet auch die Frage nach Wertorientierung oder danach, was mir im Leben wichtig ist. Durch die Beschäftigung mit dem Thema der eigenen Persönlichkeit kommt diese Frage auf. Im Seminar mit Führungskräften erlebe ich oft eine bewusste Auseinandersetzung mit der Frage nach der Karriereorientierung, die in Balance zu Lebensbereichen wie Familie oder Freunden gehalten werden soll. Das Prinzip der Ganzheitlichkeit wird über die Typologie gefördert: wenn eine Person ihre Präferenzen erkennt, kann er/sie auch an den jeweils anderen Seiten arbeiten, um sie zu integrieren – die 57 T hemenzentrierte Interaktion Themenschwerpunkt: Das Ich zwischen Persönlichkeitsentwicklung und Lebenskunst Integration der inferioren, also wenig oder gar nicht ausgeprägten Präferenzen sei ja gerade die Herausforderung in der zweiten Lebenshälfte, so C. G. Jung. Das Modell liefert eine Erklärung dafür, warum es für manche Menschen schwierig ist, das Störungspostulat (Cohn, 1986, 122ff.) zu leben, beispielsweise eigene Störungen anzusprechen oder kritische Themen bei anderen Menschen zu beleuchten. Oder warum es Menschen gibt, die zwar Störungen ansprechen, das aber auf eine Art machen, die wiederum für andere nicht akzeptabel ist. Kritischer Aspekt Der MBTI wurde aus grundlegenden Lehren der Jung’schen Psychologie entwickelt und beinhaltet auch Einschränkungen wie die Annahme, dass Präferenzen angeboren sind. Das TZI-Prinzip der Chairperson, deren Eigenverantwortlichkeit gestärkt werden soll, wird dadurch tangiert: denn wenn Präferenzen angeboren sind, kann ich sie aus eigener Kraft nur geringfügig verändern. Aber trotzdem sind Veränderungen möglich: dann nämlich, wenn die betroffene Person das selbst wirklich will. Die Chairperson ist also in besonderem Maße gefragt. Fazit: Für mich überwiegen eindeutig die positiven Aspekte des MBTI. Ich finde gerade vor dem politischen Anspruch der TZI positiv, dass es damit möglich ist, Menschen Zugang zu einem eher unbekannten Thema zu ermöglichen. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch eine Studie, in der 67% der befragten Führungskräfte sagen, die Auseinandersetzung mit „Wahrhaftigkeit und Authentizität“ würde ihre Führungsstärke verbessern (Akademie für Führungskräfte der Wirtschaft, 2007). Dabei hilft eine klare Sicht auf die eigene Persönlichkeit, authentischer zu werden und bewusst mit der eigenen Wirkung umzugehen. Der MBTI unterstützt das Wachstum der Persönlichkeit (Greimel, 1995, 370ff.), indem er eine Entstehungserklärung liefert, eine Struktur bietet und es ermöglicht, daraus individuelle Entwicklungsperspektiven abzuleiten. Aus meiner Sicht ist der MBTI eine durchaus passende Methode, die auch von TZI-Seminarleitern oder Coaches eingesetzt werden kann. Die professionelle Auswertung und Interpretation sowie der Zugang zum Material erfordert jedoch eine Lizensierung. 58 Wierzchowski, Der MBTI als Instrument der Persönlichkeitsentwicklung 23. Jahrgang Heft 2 · Herbst 2009 Literatur Akademie für Führungskräfte der Wirtschaft, 2007. Attems, Rudolf; Heimel, Franz: Typologie des Managers. Potenziale erkennen und nutzen mit dem Myers-Briggs Type Indicator. Frankfurt/Wien 2003. Bents, R.; Blank, R.: Typisch Mensch. Göttingen 2005. Bents, R.; Blank, R.: MBTI. Eine dynamische Persönlichkeitstypologie. München 2001. Cohn, Ruth C.: Von der Psychoanalyse zur themenzentrierten Interaktion. Stuttgart 1986. Greimel, Arnulf: TZI in der Wirtschaft. In: Löhmer, Cornelia; Standhardt, Rüdiger (Hg.): TZI. Pädagogisch- therapeutische Gruppenarbeit nach Ruth C. Cohn. Stuttgart 1995. Hossiep, Rüdiger; Paschen, Michael; Mühlhaus, Oliver: Persönlichkeitstests im Personalmanagement. Göttingen 2000. Löhmer, Cornelia; Standhardt, Rüdiger: TZI – Die Kunst, sich selbst und eine Gruppe zu leiten. Stuttgart 2006. 59