Der MBTI als Instrument der Persönlichkeitsentwicklung

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Der MBTI als Instrument der Persönlichkeitsentwicklung
ZEITSCHRIFTENARCHIV
Bernd Wierzchowski
Der MBTI als Instrument der
Persönlichkeitsentwicklung
Themenzentrierte Interaktion
Das Ich zwischen Persönlichkeitsentwicklung und
Lebenskunst
23. Jahrgang, 2/2009, Seite 50–59
Psychosozial-Verlag
28091
T hemenzentrierte
Interaktion
Themenschwerpunkt: Das Ich zwischen Persönlichkeitsentwicklung und Lebenskunst
Bernd Wierzchowski
Der MBTI als Instrument der
Persönlichkeitsentwicklung
In diesem Artikel wird der MBTI als bewährtes Instrument zur
Persönlichkeitsentwicklung dargestellt. Zunächst folgt eine grundlegende Beschreibung des Instruments. Im Anschluss wird die
Frage in den Fokus gerückt, welchen Beitrag der MBTI zur
Persönlichkeitsentwicklung generell und bei Führungskräften
leistet. Abschließend findet eine Reflexion darüber statt, inwiefern
dieses Instrument zum Menschenbild und zum grundlegenden
Verständnis der TZI passt.
Zum Autor
Bernd Wierzchowksi, Jg. 1962,
Dipl.-Psych., System. Organisationsberatung, MBTI lizensiert,
TZI- und TA-Ausbildung, seit
2001 Mitgründer & Geschäftsführer der MES Menschen Entwicklung Systeme GmbH.
Kontakt: [email protected]
This article describes the MBTI as a proven instrument for personality development. First part is a basic description of the instrument.
In the second part we describe the contribution of the MBTI for
personality development in general and especially for managers/
leaders. Finally we reflect on the question, how this instrument
fits to the basic understanding of the TCI and its picture of human beings.
1. Das MBTI Persönlichkeitsmodell
Die Abkürzung „MBTI“ bedeutet Myers-Briggs Typenindikator
und meint konkret das Testverfahren mit insgesamt 88 Fragen.
Dieser Test basiert auf den theoretischen Überlegungen von
Katharine Briggs und Isabell Briggs Myers, die in den fünfziger
Jahren ein Persönlichkeitsmodell entwickelt und darauf aufbauend den Test konstruiert haben. Das Persönlichkeitsmodell basiert
im Wesentlichen auf den Überlegungen von Carl Gustaf Jung,
dessen Ideen dadurch eine unglaubliche Verbreitung gefunden
haben (vgl. Attems u. a., 2003, 17). Dieser Persönlichkeitstest
ist der weltweit am häufigsten genutzte Test: Es gibt jährlich
bis zu 3,5 Millionen Nutzer. Alleine in Europa sind 13.000
Menschen zertifiziert, diesen Test einzusetzen und fachgerecht
zu interpretieren. Die größte Zielgruppe sind Mitarbeiter und
Führungskräfte von Organisationen und Unternehmen. Der
Test liegt in insgesamt 19 Sprachen vor – auch in Chinesisch
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und Japanisch. Das macht deutlich, dass die dem Test zugrunde
liegenden Persönlichkeitsdimensionen kulturunabhängig und
somit sehr grundlegend sind.
Welche Annahmen muss man treffen, wenn man sich wissenschaftliche Gedanken über Persönlichkeitsmodelle macht?
Folgende Aspekte liegen dem Modell zu Grunde:
➢ Menschliches Verhalten ist nicht zufällig, sondern es sind
Muster erkennbar.
➢ Aus diesem Grunde können Kategorien gebildet werden
(die Funktionen und Einstellungen, siehe unten).
➢ Unterschiede im menschlichen Verhalten resultieren aus
den Präferenzen – Deshalb verhalten wir uns so und nicht
anders.
➢ Präferenzen sagen uns, wie wir die Welt erleben und wie wir
Entscheidungen treffen.
➢ Unsere Präferenzen sagen uns, was wir interessant finden,
was uns befriedigt oder anregt und sie sagen uns auch, was
uns irritiert oder frustriert. (vgl. Bents, 2001, 17f.).
Die von C. G. Jung beschriebenen grundlegenden Persönlichkeitsmerkmale sind einerseits die Wahrnehmung, bei der entweder
über die fünf Sinne oder über die Intuition wahrgenommen
wird und andererseits das Beurteilen bzw. Entscheiden, welches
im Schwerpunkt aufgrund von rationaler Analyse oder aufgrund
von persönlichen oder sozialen Werten erfolgt (vgl. Bents/Blank,
2005, 13f.). Für C.G. Jung sind Wahrnehmen und Entscheiden die
beiden grundlegenden Funktionen im menschlichen Verhalten. Aus
der Gegensätzlichkeit der Typen entstehen die Meinungsverschiedenheiten und Konflikte im Alltag.
Beeinflusst werden diese Funktionen von den so genannten Einstellungen, mit denen jemand die Welt erlebt: die
Präferenz für die Außenwelt der Mitmenschen und Dinge Eine zentrale Frage
wird unterschieden von einer Präferenz für die Innenwelt ist, woher wir Men­
der Ideen und Gedanken. Dahinter verbergen sich die schen unsere Energie
Dimensionen Extraversion und Introversion, die uns in
beziehen
der Regel als Alltagsbegriffe bekannt sind, im Modell aber
mehr bedeuten als das, was wir allgemein üblich darunter
verstehen. Eine zentrale Frage dabei ist, woher wir Menschen unsere Energie beziehen, ob wir zum „Auftanken“ eher in
den Kontakt gehen und gesellig sind oder ob wir uns zurückziehen
und uns auf unserer privaten Insel erholen müssen.
Einzig auf Isabel Myers und Katherine Briggs geht die vierte
Dimension im Modell zurück: Diese beschreibt die Einstellung
zu den Funktionen der Beurteilung und der Wahrnehmung. Inhaltlich bedeutet diese Unterscheidung, dass Menschen entweder
strukturorientiert oder wahrnehmungsorientiert sind.
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In Tabelle 1 werden die Dimensionen als Übersicht dargestellt.
Tabelle 1
Die Buchstaben in Klammern hinter den Begriffen sind die Abkürzungen der Dimensionen. Das Modell und der zugrunde liegende
Test umfassen also „nur“ diese vier Dimensionen; in Kombination
ergeben sich dann insgesamt 16 Persönlichkeitstypen mit jeweils
unterschiedlichen Beschreibungen.
Grundlegend für die Typologie ist die Annahme, dass der Mensch
Präferenzen hat, die er mit Vorliebe nutzt. Dabei wird davon ausgegangen, dass jeder Mensch eine jeweils dominante Funktion hat,
also eine, die er besonders häufig einsetzen wird.
Die in der Grafik oben beschriebenen Dimensionen stellen
grundsätzlich ein Kontinuum dar: ein Mensch kann an den äußeren
Rändern liegen oder auch in der Mitte zwischen den Dimensionen. Das hängt vom Alter der Person und natürlich von
der individuellen Entwicklung ab.
Die Präferenzen, die uns auszeichnen, fallen uns in der
Neigungen oder
Umsetzung eher leicht; die jeweils andere Präferenz (beiPräferenzen sind
mit grundlegenden spielsweise Sinneswahrnehmung als Präferenz; das Gegenstück ist die Intuition) können wir zum Teil auch „leben“,
Funktionen
unserer Persönlich­ aber in der Regel geschieht dies seltener oder durch bewusste Selbststeuerung beziehungsweise Lernerfahrungen.
keit verknüpft
Als Analogie zum Konzept der Präferenz bietet sich die
Händigkeit beim Schreiben an: den meisten Menschen
liegt es, mit der rechten Hand zu schreiben, es geht automatisch,
fällt leicht, man muss dabei nicht nachdenken usw. Schreiben
diese Menschen plötzlich mit der anderen Hand, müssen sie sich
konzentrieren, ist das Ergebnis nicht so gut, wird das als anstrengend erlebt usw. Kurzum: in ungewohnten und Stresssituationen
werden wir vorrangig auf die Präferenzen zurückgreifen, die wir
bei der Geburt mitbekommen und die wir dann als Kinder weiterentwickelt haben.
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„Neigungen oder Präferenzen sind mit grundlegenden Funktionen unserer Persönlichkeit verknüpft und äußern sich in allen
Bezügen unseres Lebens. In der Regel bleiben sie das ganze Leben hindurch stabil. Auch wenn die Stärke einer Präferenz sich
verändern kann, bleibt ihre Grundausrichtung statisch“ (Bents.,
2001, 43). Weder das Modell noch der Test haben den Anspruch,
den Menschen vollständig zu beschreiben, zumal ja nur von vier
Dimensionen die Rede ist. Im Folgenden sollen die Dimensionen
beschrieben werden.
Extraversion versus Introversion
Diese Dimension beschreibt, wohin Menschen Ihre Energie richten und woher sie ihre inneren Energien beziehen.
Ein extravertierter Mensch ist kontaktfreudig, in der Regel leicht
kennen zu lernen, er handelt und setzt um und dies zügig. Er
bezieht seine innere Energie aus Aktivitäten und dem Kontakt zu
Menschen. Nachteilig kann die Tendenz erlebt werden, sich „um
Kopf und Kragen“ zu reden, was man manchmal im beruflichen,
wie privaten Umfeld erlebt, oder die Tendenz, zu schnell zu handeln, statt sich vorher Gedanken zu machen.
Ein introvertierter Mensch ist eher zurückhaltend, es dauert länger, ihn richtig kennen zu lernen und es fällt ihm leicht, sich zu
konzentrieren und intensiv in Themen einzutauchen. Er kann gut
zuhören und er bezieht seine innere Energie aus den eigenen Gefühlen, Gedanken und Reflexionen. In beruflichen Diskussionen
werden diese Persönlichkeiten mitunter als sehr standfest erlebt,
weil sie sich nicht so sehr von der Außenwelt beeinflussen lassen.
Nachteilig ist dabei aber, dass dies auch als Sturheit erlebt werden
kann. Sie haben mitunter die Tendenz, zu lange zu überlegen,
bevor sie etwas umsetzen.
Sinneswahrnehmung versus intuitive Wahrnehmung
Diese Dimension beschreibt, wie Menschen wahrnehmen und
Informationen verarbeiten. Ein Mensch mit der Präferenz Sinneswahrnehmung verlässt sich in der Regel auf Detailinformationen,
ist praktisch orientiert (er baut das Haus), realistisch und in der
Gegenwart. Das bedeutet auch, dass diese Persönlichkeiten gut
das Hier und Jetzt genießen können. Im beruflichen Kontext
stützen sich diese Menschen auf Fakten, greifen eher auf bewährte
Lösungen zurück, als dass sie etwas völlig Neues probieren und
gelten generell als bodenständig.
Intuitive Menschen beschreiben eher ein großes Bild als die De53
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tails, sind zukunftsorientiert, kreativ (sie entwerfen das Haus) und
ideenreich. Sie machen sich Gedanken über neue Entwicklungen
und Strategien. Es fällt ihnen mitunter schwer, sich im Hier und
Jetzt zu bewegen, weil sie mehr daran interessiert sind, was morgen
kommt. So sitzen sie beispielsweise im Urlaub auf dem Balkon
und machen sich bereits Gedanken, wo sie den nächsten Urlaub
verbringen könnten, statt den Augenblick zu genießen. Sie sind
besonders gut im Erkennen von Mustern und Gesetzmäßigkeiten.
Im beruflichen Kontext werden intuitive Menschen mitunter als
Ideengeber geschätzt oder im Extrem als „Spinner“ bezeichnet.
Analytisches Beurteilen versus gefühlsmäßiges Beurteilen
Diese Dimension beschreibt, wie Menschen Sachverhalte beurteilen und zu Entscheidungen kommen. Analytisch vorgehende
Menschen sind rationale Denker und nutzen die Logik, um zu
Entscheidungen zu kommen. Sie analysieren Ursache und Wirkung
und leiten daraus entsprechend Entscheidungen ab. Sie arbeiten
unter Umständen gerne mit Pro- und Contra-Listen. Im zwischenmenschlichen Bereich arbeiten sie mit klaren Grundsätzen
und als Führungskraft wollen sie alle Mitarbeiter gleich und fair
behandeln. Im beruflichen Kontext stellen sie die Themen und
Aufgaben in den Vordergrund, zwischenmenschliche Aspekte sind
auch wichtig, kommen aber an zweiter Stelle.
Gefühlsmäßig vorgehende Menschen orientieren sich an ihren Werten und Idealen und berücksichtigen bei ihren Entscheidungen in
jedem Fall zwischenmenschliche Aspekte. Im beruflichen
Kontext und als Führungskraft kommen die Mitarbeiter
als erstes vor den Aufgaben und es gibt ein hohes Maß
Im beruflichen Kon­
an Einfühlsamkeit. Harmonie im Team hat Priorität, weil
text werden intuitive
dann die Aufgaben erfolgreich bewältigt werden können.
Menschen mitunter
Diesen Persönlichkeiten fällt es mitunter schwer, kritisches
als „Spinner“
Feedback zu geben oder Entscheidungen zu treffen, mit
bezeichnet
denen sie den Mitarbeitern auf die Füße treten müssen.
Aber Vorsicht: der Entscheidungsprozess kann etwas länger
dauern. Ist die Entscheidung aber getroffen, wird sie ebenso
umgesetzt wie bei den analytisch denkenden Menschen.
Beurteilen versus Wahrnehmen/Handlungsorientierung
Diese Dimension beschreibt die Art, wie sich ein Mensch im Alltag
organisiert und wie er Entscheidungen trifft und zu ihnen steht.
Beurteilende Menschen bevorzugen ein geplantes, organisiertes Leben
und sie treffen Entscheidungen zügig. Sie planen Projekte gerne
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sehr präzise, arbeiten mit Checklisten und schätzen es nicht, wenn
ein Projektplan wieder über den Haufen geworfen wird. In der
Regel führen sie einen Terminkalender nicht nur für die Woche,
sondern auch für das Wochenende. Diese Menschen sind häufig
nicht so spontan, werden aber als diszipliniert und konsistent bzw.
zuverlässig bei ihren Entscheidungen angesehen.
Wahrnehmende Menschen bevorzugen ein flexibles, spontanes
Leben und sind offen für neue Eindrücke bzw. halten sich gerne
verschiedene Optionen offen. Sie zögern Entscheidungen gerne hinaus, um noch weitere Informationen integrieren zu können. Eine
gute Organisation ist ihnen nicht so wichtig, oft werden Aufgaben
erst in letzter Minute beendet. Insbesondere am Wochenende
schätzen sie es, spontan zu sein und mögen keinen Terminkalender – gleichwohl sie es sich im Beruf mitunter angewöhnt haben,
einen zu führen. Auf veränderte Projektpläne können sich diese
Menschen gut einstellen ohne sich darüber zu ärgern.
2. Praktischer Testeinsatz
Der Test besteht aus einem Fragebogen mit insgesamt achtundachtzig Fragen (deutsche und britische Version), bei denen es
jeweils zwei mögliche Antworten gibt, zwischen denen man
sich entscheiden muss. Dabei geht es darum, dort das Kreuz zu
setzen, wo man sich selbst am besten beschrieben sieht. Nach der
Testbearbeitung, die circa eine halbe Stunde Zeit in Anspruch
nimmt, kann alles entweder online ausgewertet werden oder mit
Hilfe eines speziellen Auswertungsblattes. Die Auswertung ist
selbsterklärend einfach und als Ergebnis kommt zunächst einmal
eine Kombination aus vier Buchstaben herraus: z. B.
E NT J
60 8 25 30
sowie für jede der vier Dimensionen eine Zahl, die den Präferenzwert darstellt. Eine hohe Zahl wie sechzig bei E wie Extraversion
bedeutet dann, dass diese Dimension sehr stark genutzt wird. Ein
Präferenzwert wie acht bei N wie Intuition würde bedeuten, dass
hier die Präferenz unklar ist, was aus verschiedenen Gründen so
sein kann. Es handelt sich hier um eine extravertierte, intuitive
Persönlichkeit, die analytisch vorgeht und einen gut organisierten
Lebensstil bevorzugt.
3. Der Beitrag zur Persönlichkeitsentwicklung
Der MBTI hilft, einen ziemlich komplexen Sachverhalt wie Persönlichkeit zu strukturieren und damit ein besseres Verstehen
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der eigenen Person zu ermöglichen. Dabei ist das Testergebnis
als Hilfsmittel zu verstehen, welches Stärken und Lernfelder der
Persönlichkeit aufzeigt und somit Erklärungen für Situationen im
Alltag liefert (beispielsweise warum wir mit einem bestimmten
Kollegen nicht gut klar kommen). Das Ergebnis des Tests ist als
Anregung zu verstehen, an der die betroffene Person weiterarbeiten
kann, aber nicht muss.
Folgende Einsatzgebiete haben sich mit dem MBTI bewährt:
➢ Management-Entwicklung: in Seminaren hilft der MBTI,
den individuellen Arbeits- und Führungsstil und seine Auswirkungen auf das Umfeld zu reflektieren.
➢ Im Rahmen von Coachings oder Karriereberatungen: um
die Qualität von Arbeitsbeziehungen zu verbessern oder um
Lernstile und Motivationen zu erkennen.
➢ Teambildung und -entwicklung: der MBTI hilft, den typischen Arbeitsstil des Teams zu verstehen, Kommunikation zu
verbessern, Konflikte zu lösen und generell die Andersartigkeit von Kollegen besser schätzen zu können.
➢ Organisationsentwicklung: hier kann erklärt werden, warum
Mitarbeiter unterschiedlich auf Veränderungen reagieren und
wie sie besser zu begleiten sind.
Die Erkenntnisse über Persönlichkeitsmuster helfen im Kontakt mit
Menschen, die ganz anders „ticken“ als man selbst oder auch für
die Verbesserung der Zusammenarbeit in Teams. Sie helfen, Ideen
zu entwickeln, wie man beispielsweise mit seinem Chef besser
oder zumindest anders umgehen kann. Es erklärt aber auch, auf
welche Mitarbeiter oder Kollegen man besonders achten
sollte, weil sie ganz anders sind als man selbst. Bei Konflikten
Erkenntnisse über oder problematischen Veränderungsprozessen kann dieses
Hintergrundwissen viel erklären und die Zusammenarbeit
Persönlichkeits­
dadurch erleichtert werden.
muster helfen im
Der MBTI hilft außerdem zu verstehen, worin sich MenKontakt mit Men­
schen aus unterschiedlichen Kulturen (Organisationskulschen, die ganz
turen, Länderkulturen) voneinander unterscheiden. Daraus
anders „ticken“
lassen sich dann Schlüsse ziehen, worauf beispielsweise bei
der Zusammenarbeit mit einem japanischen Partner zu
achten ist oder worauf ich mich im Umgang mit einer bestimmten
Firmenkultur einstellen muss.
Was beim Thema der Persönlichkeitsentwicklung, insbesondere
von Führungskräften, auch eine Rolle spielen kann, ist die Akzeptanz: Kann ich mit den Ergebnissen etwas anfangen, finde ich
den Fragebogen inhaltlich okay? An dieser Stelle hat es der MBTI
relativ leicht, weil er seit Jahren eingesetzt und weiterentwickelt
wird und weil die Ergebnisse in den meisten Fällen als sehr nachvollziehbar erlebt werden.
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4. MBTI und TZI: Kritische Reflexion
Passt der MBTI von seiner Haltung her zur TZI und korrespondiert das Instrument mit dem Entwicklungsverständnis der
TZI?
Übereinstimmungen
Wichtig ist der grundsätzlich wertschätzende Ansatz dieser Typologie:
es gibt kein „falsch“ oder „richtig“ beim Bearbeiten der Fragen
und alle Ergebnisse in Form von Typen sind gleichermaßen wertvoll. „Als besonders vorteilhaft für den Einsatz in Gruppen (…)
erweist sich dabei der Verzicht auf jegliche Wertung hinsichtlich
der unterschiedlichen Typen“ (vgl. Hossiep u. a., 2000, 128). Das
erleichtert aus meiner Erfahrung Menschen, die aufgrund ihrer
beruflichen Sozialisation bisher nichts mit dem Thema Persönlichkeit zu tun hatten, sich darauf einzulassen und sich darüber in einer
Seminargruppe auszutauschen. Für viele Techniker, Ingenieure
oder Naturwissenschaftler ist das Thema zumeist völlig unbekannt
und kann auch Angst auslösen. Die analytisch-strukturierte – und
ihnen damit in gewisser Weise vertraute – Herangehensweise des
MBTI hilft ihnen, sich mit diesen persönlichen Fragestellungen
auseinander zu setzen.
Das Modell lädt auch dazu ein, häufiger und bewusster die
eigenen Stärken einzusetzen und nicht so sehr nur an
den eigenen Schwächen zu arbeiten. Das finde ich vor
dem Hintergrund einer doch oft recht defizitorientierten
Das Modell lädt
Personalentwicklung in Organisationen sehr wertvoll im
ein, bewusster die
Sinne des: Stärken stärken! Ebenso passt es zum positi- eigenen Stärken ein­
ven Menschenbild der humanistischen Psychologie: „Die
zusetzen
Menschen werden unterstützt, ihre positiven Kräfte und
Stärken zu entdecken und auszubilden“ (Löhmer, 2006,
100). Dabei hilft der Ansatz auch zu lernen, mit Menschen, die
ganz anders als man selbst sind, wertschätzend umzugehen und
nicht nur von deren Andersartigkeit genervt zu sein.
Das Modell des MBTI beinhaltet auch die Frage nach Wertorientierung oder danach, was mir im Leben wichtig ist. Durch die
Beschäftigung mit dem Thema der eigenen Persönlichkeit kommt
diese Frage auf. Im Seminar mit Führungskräften erlebe ich oft
eine bewusste Auseinandersetzung mit der Frage nach der Karriereorientierung, die in Balance zu Lebensbereichen wie Familie
oder Freunden gehalten werden soll.
Das Prinzip der Ganzheitlichkeit wird über die Typologie gefördert: wenn eine Person ihre Präferenzen erkennt, kann er/sie auch
an den jeweils anderen Seiten arbeiten, um sie zu integrieren – die
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Integration der inferioren, also wenig oder gar nicht ausgeprägten
Präferenzen sei ja gerade die Herausforderung in der zweiten
Lebenshälfte, so C. G. Jung.
Das Modell liefert eine Erklärung dafür, warum es für manche Menschen schwierig ist, das Störungspostulat (Cohn, 1986,
122ff.) zu leben, beispielsweise eigene Störungen anzusprechen
oder kritische Themen bei anderen Menschen zu beleuchten.
Oder warum es Menschen gibt, die zwar Störungen ansprechen,
das aber auf eine Art machen, die wiederum für andere nicht
akzeptabel ist.
Kritischer Aspekt
Der MBTI wurde aus grundlegenden Lehren der Jung’schen Psychologie entwickelt und beinhaltet auch Einschränkungen wie die
Annahme, dass Präferenzen angeboren sind. Das TZI-Prinzip der
Chairperson, deren Eigenverantwortlichkeit gestärkt werden soll,
wird dadurch tangiert: denn wenn Präferenzen angeboren sind,
kann ich sie aus eigener Kraft nur geringfügig verändern. Aber
trotzdem sind Veränderungen möglich: dann nämlich, wenn die
betroffene Person das selbst wirklich will. Die Chairperson ist also
in besonderem Maße gefragt.
Fazit: Für mich überwiegen eindeutig die positiven Aspekte des
MBTI. Ich finde gerade vor dem politischen Anspruch der TZI
positiv, dass es damit möglich ist, Menschen Zugang zu einem eher
unbekannten Thema zu ermöglichen. Interessant ist in diesem
Zusammenhang auch eine Studie, in der 67% der befragten Führungskräfte sagen, die Auseinandersetzung mit „Wahrhaftigkeit und
Authentizität“ würde ihre Führungsstärke verbessern (Akademie
für Führungskräfte der Wirtschaft, 2007). Dabei hilft eine klare
Sicht auf die eigene Persönlichkeit, authentischer zu werden und
bewusst mit der eigenen Wirkung umzugehen. Der MBTI unterstützt das Wachstum der Persönlichkeit (Greimel, 1995, 370ff.),
indem er eine Entstehungserklärung liefert, eine Struktur bietet
und es ermöglicht, daraus individuelle Entwicklungsperspektiven
abzuleiten.
Aus meiner Sicht ist der MBTI eine durchaus passende Methode,
die auch von TZI-Seminarleitern oder Coaches eingesetzt werden
kann. Die professionelle Auswertung und Interpretation sowie der
Zugang zum Material erfordert jedoch eine Lizensierung.
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Literatur
Akademie für Führungskräfte der Wirtschaft, 2007.
Attems, Rudolf; Heimel, Franz: Typologie des Managers. Potenziale erkennen und nutzen mit dem Myers-Briggs
Type Indicator. Frankfurt/Wien 2003.
Bents, R.; Blank, R.: Typisch Mensch. Göttingen 2005.
Bents, R.; Blank, R.: MBTI. Eine dynamische Persönlichkeitstypologie. München 2001.
Cohn, Ruth C.: Von der Psychoanalyse zur themenzentrierten Interaktion. Stuttgart 1986.
Greimel, Arnulf: TZI in der Wirtschaft. In: Löhmer, Cornelia; Standhardt, Rüdiger (Hg.): TZI. Pädagogisch- therapeutische Gruppenarbeit nach Ruth C. Cohn. Stuttgart 1995.
Hossiep, Rüdiger; Paschen, Michael; Mühlhaus, Oliver: Persönlichkeitstests im Personalmanagement. Göttingen
2000.
Löhmer, Cornelia; Standhardt, Rüdiger: TZI – Die Kunst, sich selbst und eine Gruppe zu leiten. Stuttgart
2006.
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