Transkription des Tagebuchs - Württembergische Landesbibliothek
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Transkription des Tagebuchs - Württembergische Landesbibliothek
Otto Borggräfe Mein Tagebuch 1 Otto Borggräfe (1895-1978) 2 Mein Tagebuch1 [1. Heft] Angefangen am 15. Aug. 1914 Beendet am 22. April 1915 Meine Adresse: Otto Borggräfe 10. Ers[atz]. Division, 37. Gem. Ers. Brigade 1. Ers. Abt. F.A.R. 62. 1.Ers.Batt. Westen Adresse meiner Eltern:2 Ed. Borggräfe, Oldenburg i/Gr[oßherzogtum]., Alexanderstr. 94. Sonnabend, den 15. August 1914. Morgens 7 Uhr war bei der Artilleriekaserne hier in Oldenburg Einstellung von Kriegsfreiwilligen. Es sollen ca. 1500 junge Leute auf dem Platze gewesen sein. Genommen wurden 440, die gleich in 4 Depots zu je 110 eingeteilt wurden. Ich kam zum 3. Depot und habe sehr gute Kameraden getroffen. Unter anderen ist Bernhard Rabben aus Esensham mit mir zusammen. Sonntag, den 16. August 1914. Heute morgen sind wir eingekleidet worden. 6.40 Uhr morgens wurde angetreten und dann zur Regiments-Kammer ma[r]schiert. Zuerst bekamen wir Röcke, dann Hosen und zuletzt Mützen und Halsbinden. Alles ist 4. Garnitur, aber verhältnismässig ziemlich gut. Mein Rock sieht ein bischen [sic!] heruntergekommen aus. Aber nachdem ich ihn zu Hause gründlich ausgeklopft und ausgebürstet habe, ist er doch nicht so schlecht, wie ich zuerst dachte. Die Hose und die Mütze dagegen sind noch sehr gut. Ich [habe] mich an den Postassistenten Hymme, der hier als Wachtmeister eingezogen ist, gewandt, und der hat mir die Hose und auch die Mütze bei der Verteilung zugesteckt. Nachher haben wir noch grüssen gelernt, nämlich stramme „Haltung annehmen“ (Legen der Hände an die Hosennaht und an den Vorgesetzten vorbeigehen). Als wir dies so ziemlich begriffen hatten, konnten wir 11 Uhr nach Hause gehen. Wir wohnen nämlich alle in Bürgerquartier[en]. Die Stadt-Oldenburger wohnen bei ihren Eltern und die übrigen 68 sind in der Nähe der Kaserne, August-Str. und Umgebung, untergebracht. Nachmittags 5 Uhr ist ein Appell angesetzt. Wir müssen mit geputzten Knöpfen und reinen Kleidern erscheinen. Hier wird uns auch der Dienst für Montag bekannt gegeben. 1 Das Manuskript, verteilt auf 6 Schreibhefte, befand sich im Nachlass von Otto Hinrich Borggräfe, geboren am 5.3.1895 in Varel, gestorben am 16.10.1978 in Bad Zwischenahn. Die nachfolgende maschinenschriftliche Übertragung besorgten seine Kinder Otto August Eduard Borggräfe (20.8.1930 -20.2.2004) und Gisela Marie Anna Rieter, geb. Borggräfe, geboren am 8.4.1933. Nur offensichtliche Schreibfehler und irritierende Zeichensetzungen wurden stillschweigend verbessert. Die eingelegten bzw. eingeklebten Blätter (Lageskizzen, Landkarten, Bescheinigungen etc.) und Fotos wurden von Dr. Stefan Wenzel gescannt und sind mit jeweils zugehöriger Datumsangabe und / oder Kurzbezeichnung eingefügt. Alle Fußnoten sowie die in eckige Klammern gesetzten Korrekturen, Anmerkungen und Ergänzungen stammen von Gisela Rieter. - Die Originale (Tagebuch und Dokumente) wurden am 4. November 2010 der Bibliothek für Zeitgeschichte in der Württembergischen Landesbibliothek, Stuttgart, übergeben. 2 Eduard Borggräfe (1860 – 1934) und Margarete, gen. Anna, Borggräfe, geb. Bulling (1864 – 1934); verheiratet seit 1885. 3 Es wird gleich gesagt, dass wir nicht ganz so stramm wie gewöhnliche Rekruten in Friedenszeiten behandelt werden sollen, sondern viel Geschütz-Exerzieren sollen, um schnell ausgebildet und dann als Ersatz im Felde brauchbar zu sein. Oldenburg, 22. August 1914. Die ganze Woche haben wir sehr viel Fuß-exerzieren müssen. In den ersten Tagen lernten wir grüssen durch Legen der rechten Hand an die Mütze und übten langsamen Schritt zum Parademarsch. In den letzten Tagen haben wir 6 Geschütze bekommen: 4 alte Modell 1872, und 2 neue Modell 1894 neue Art. An den alten wird immer „Auf- & Abgesessen“ und „Auf& Abgeprotzt“, bei den beiden neuen Geschützen erhalten wir Instruction und machen Richtübungen. Das Exerzieren am Geschütz ist im ganzen sehr anstrengend. Da es in den letzten Tagen ziemlich heiss war, kam es zuweilen vor, dass einer schlapp wurde. Bis jetzt ist aber noch niemand aus meiner Abteilung ins Lazarett oder aufs Revier gekommen. Morgen, Sonntag, werden wir vereidigt. Heute morgen haben wir Helme und Koppel empfangen, aber bessere Uniformen hat es nicht gegeben. Wir werden also in der 4. Garnitur vereidigt. Morgens 9 Uhr werden wir zur Lambertikirche geführt, zusammen mit den Rekruten der Infanterie und Kavallerie. Auf morgen nachmittag 4 Uhr ist wieder Appell angesetzt, aber wer Besuch hat von Eltern oder sonst jemand, braucht nicht zu kommen. Oldenburg, Sonntag 23. August 1914. Heute morgen sind wir vereidigt worden. Früh 8.10 Uhr wurde angetreten und zur Kirche ma[r]schiert. Pastor Wilksen hielt die Predigt und hob besonders die Gerechtigkeit der deutschen Sache hervor. Um 10.20 Uhr wurde auf dem Kasernenhof an der Zeughausstrasse zur Vereidigung angetreten. Auf dem Platze standen 6 Geschütze. Hierauf mussten wir die linke Hand legen, die rechte zum Schwur erhoben, und mussten die uns vorgesprochenen Worte nachsprechen. Die Depots wurden nach Staatsangehörigkeit und Confession eingeteilt und jeder einzelne schwor in seiner Religion auf seinen Landesfürsten. Ich wurde auf S. K. H. den Grossherzog Friedrich August von Oldenburg vereidigt. Die ganze Vereidigung der 440 Rekruten dauerte nur ca. 1 Stunde. Nachmittags anschliessend an den Appell war ein Commers in der Rudelsburg, aber nur für das 3. Depot. Es ging hier sehr gemütlich zu, und wir lernten einander näher kennen. Im Dienst die ganze Woche über kann man höchstens mal mit den Leuten in der eigenen Corporalschaft sprechen und in der Freizeit geht man nach Hause. Um 8 Uhr war der Commers zu Ende. Dann wurde noch ein kleiner Zug durch die Stadt gemacht. Urlaub hat noch niemand bekommen, obgleich er von vielen eingereicht war. 4 Oldenburg, 10. Sept. 14. Seit meinem letzten Eintrag ist wenig bemerkenswertes vorgefallen. Am Sonntag, den 30. August bin ich nach Hannöver [bei Berne im Landkreis Wesermarsch] zu den Grosseltern gewesen. Grossvater3 & Grossmutter4 waren beide sehr gut gestellt. Nachmittags kamen noch Tante C.5 und Henny Bulling6 aus Bardewisch [bei Lemwerder im Landkreis Wesermarsch]. In der folgenden Woche haben wir alle 2 Tage Ausmärsche nach der Alexanderheide gemacht, sogenannte Geschützeinschnitte gebaut. Dies sind Vertiefungen, in die eine Kanone hineinpasst, und ca. 1 m tief. Die ausgeworfene Erde wird meist nach vorn zu einem Wall zusammen gebracht und dann mit Gras- und Heideplacken bedeckt, so dass das Ganze vollkommen unauffällig ist. Für die Rohrmündung wird eine 1 m breite Oeffnung gelassen. Letzten Sonntag mussten wir wieder zur Kirche und hatten mittags 1 Uhr Appell. Urlaub, und zwar nur Stadturlaub, wurde nur sehr wenig erteilt. Es besteht hier auch eine Vorschrift von den Militärbehörden aus, dass kein Wirt einen Soldaten nach 10 Uhr in seinem Lokale dulden darf. Anfang dieser Woche haben wir wieder Ausmärsche nach Alexanderheide gemacht und die alten Erdarbeiten vervollständigt und erweitert. U. a. wurden Lauf- und Verbindungsgräben gebaut, sowie Munitionsfächer und Schutzwälle für die Mannschaften. Sämtliche aufgeworfenen Wälle werden so schön mit Gras & Gestrüpp bedeckt, dass man selber auf 100 - 200 m Entfernung kaum noch etwas von den Geschützeinschnitten sieht. Oldenburg, Sonntag, 13. Sept. 1914. Freitag, wir waren wieder einmal auf Alexanderheide, kam unser Lieutenant [sic!] und sagte, wir sollten sofort nach Hause kommen, grau eingekleidet werden und gestern mittag (Sonnabend) von hier abrücken. Alles war hiervon natürlich mächtig begeistert. Es wurde ungefähr in Eilmarsch nach der Kaserne marschiert und [wir] gebrauchten über ¼ Stunde weniger wie gewöhnlich. Als wir aber in die Stadt kamen, kam uns unser Wachtmeister schon entgegen; es sei irgend ein Versehen auf dem Abteilungs-Geschäftszimmer vorgekommen und an Abrücken dächte noch niemand. Dies betraf nur die Kanoniere, aber unseren Fahrern erging es ganz ähnlich. Sonnabend mittag ging der letzte Teil der 1. Ersatz-Abteilung weg und hier waren 9 Fahrer zu wenig. Die Rekruten mussten also aushelfen. Unsere 9 besten Leute, alles Landwirte, waren vorher abends ausgesucht worden und gingen gestern früh zur Regimentskammer, um die Kriegsgarnietur [sic!] zu empfangen. Hier stellte sich aber heraus, dass schon 9 alte Leute, die sich nur verspätet gemeldet hatten, eingekleidet worden waren und auch als Fahrer mit abrücken wollten. So gingen unsere kühnsten Hoffnungen ins Wasser. Oldenburg, Montag, 5. Okt. 1914. Seit dem 18. September wohnt Heinrich Jütting bei uns. Er ist bei der Infanterie mit Claas zusammen eingestellt worden. Claas hat eben vorher das Abiturientenexamen bestanden und Heinrich hat das Reifezeuchnis [sic!] für Oberprima bekommen. Kalli7 hat seit einer Woche Ferien und spielt mit den Jungens von der Nachbarschaft Soldaten. Anfangs wurden meistens Schanzen gebaut. In den letzten Tagen aber, wo es schlechtes Wetter ist, wird viel gewinkt, und zwar nach dem Morse-System. Die Jungens behalten die Zeichen ziemlich schnell. Zwischendurch wird auch exerziert, aber so richtig nach JungensArt. 3 Martin Wilhelm Bulling, geb. am 20.11.1838. Louise Bulling, geborene Bischof(f), geb. am 18.1.1843. 5 Vermutlich Cathrina Bulling, geb. am 29.5.1841, Schwester von Martin Wilhelm Bulling. 6 Vermutlich Henriette Bulling, geb. am 29.1.1849, Schwester von Martin Wilhelm Bulling. 7 Karl Borggräfe (11.6.1900 – 17.12.1980), jüngster Bruder von Otto Borggräfe. 4 5 14. Dezember 1914, abends 12 Uhr, auf dem Bahnhof i/Hannover. Auf der Fahrt nach Feindesland. Seit dem 5. Oktober ist sehr ereignissreiche [sic!] Zeit verflossen. Zunächst wurde ich Anfang Oktober Fahrer und lernte im Depot reiten. Dann, es war am 6. November, wurde ich zur Batterie versetzt. Hiermit begann eine Zeit, in der ich sehr viel und anstrengenden Dienst hatte. Morgens 4½ Aufstehen, 5 - 6 Uhr Stalldienst, dann 1 Stunde Pause und um 7 Uhr Pferde anspannen. Um ½8 Uhr Ausrücken bis 11 oder ½12 Uhr. Nachmittags ist von 1 - 3 Pferdeputzen, dann von 3½ - 6 Uhr Geschirr-Reinigen und um ½7 Uhr Appell. Den ganzen Tag haben wir also keinen Augenblick Zeit für uns. Abends muss dann noch der eigene Anzug in Ordnung gebracht werden. Anfang Oktober bin ich in die Rudelsburg eingezogen, weil es morgens meistens heftiges Regenwetter war und mir der Weg zu weit war. Als ich dann zur Batterie kam musste ich in die Kaserne übersiedeln. An einem Nachmittag wurden die ganzen Sachen unter den Arm genommen und der Umzug war vollzogen. Am 28. November wurde ich dann dem 1. Ersatz-Transport für das Ersatz-Regiment 62 zugeteilt und feldgrau eingekleidet. Mit mir zusammen eingekleidet wurde ein Werner Huchting, Sohn des früheren Amtshauptmanns Huchting in Elsfleth. In den letzten 14 Tagen mussten wir feldgrau Eingekleideten den ganzen Dienst in der Batterie mitmachen, obgleich uns Pferde in Pflege gegeben worden waren, die in einem Stalle für sich aufgestellt waren und kein Geschirr hatten. Die Ausmärsche in dieser Zeit waren sehr interessant. An einem Morgen war in Etzhorn Scharfschiessen mit alten Geschützen (Mod. 74). Einige Tage darauf wurde mit ManöverKartuschen geschossen. Dies war in der Nähe von Wardenburg. Ich war als Vorder-Fahrer beim 2. Munitionswagen eingeteilt und hatte 2 schöne, leichte Pferde. Stangenreiter war Baumann. Der Mittelreiter war ein kleiner, ängstlicher Kerl, der auch vorher kaum mal gefahren hatte. Beim Auffahren der Batterie waren die Geschütze in Stellung gegangen und die Staffel (die Munitionswagen) sollten einfahren. Kaum waren die Wagen abgeprotzt, fing die Batterie an zu schiessen. Sämtliche Fahrer waren abgesessen, um gedeckt zurückzugehen. Bei den ersten Schüssen werden die Mittelpferde scheu und wollten durchbrennen. Die Vorder- und Stangenpferde wurden allmählich ebenfalls ängstlich und, da die Handpferde keinen Reiter sahen, schlugen sie wild um sich. Ein Pferd sprang über ein Zugtau. Der Abteilungskommandeur, Hauptmann Wittjen, meinte, es fehle jetzt nur noch eine Fliegerbombe, um vollständige Verwirrung hervorzurufen. Doch endlich wurden die Pferde wieder ruhig und wir kamen gut wieder nach Hause. Jetzt unser Abrücken von Oldenburg. Der endgültige Befehl hierzu wollte immer nicht kommen. Doch am Sonnabend tauchte ein Gerücht auf, dass der 1. Ersatz-Transport zum Regiment ins Feld gehen sollte. Sonntag abend bestätigte sich dies denn auch und heute morgen wurden Karabiner (Mod. 88) sowie Munition, Lebensmittel etc. empfangen. Der Abmarsch wurde auf 5 Uhr nachmittags angesetzt und abends um 6.[0]8 Uhr sind wir mit dem Personenzug nach Bremen abgefahren. Hier trafen wir um 7.28 Uhr ein, und mussten mit Sack und Pack umsteigen, um 8.23 Uhr nach Nienburg – Hannover weiterzufahren. Hier trafen wir mit grosser Verspätung ein, dass wir den Anschluss verpassten; und jetzt liegen wir hier auf dem Bahnhof. Der Transport beträgt im ganzen 46 Mann und 3 Unteroffiziere. Pferde sind von Oldenburg nicht mitgekommen, weil bei der Artillerie Brustseuche ausgebrochen ist und wegen der Ansteckungsgefahr soll nun kein Pferd von O[ldenburg]. weg, bis die Seuche ganz erloschen ist. 6 Dienstag, 15. 12. 14. Von Hannover sind wir heute morgen 2.[0]8 Uhr per D. Zug abgefahren über Göttingen, Cassel, Treysa, Marburg, Giessen nach Frankfurt a/M., Ankunft 9.22 vormittags. Hier hatten wir längeren Aufenthalt. Um ca. 10½ Uhr kam der Pferdetransport von Hannover an. Der Zug war gestern abend 11 Uhr von Hannover abgefahren und hatte einen Umweg gefahren, sodass wir ihn überholt hatten. Ca. 11 Uhr fuhren wir mit diesem Transportzug über Gross Gerau nach Biblis. Hier wurde um 1 Uhr zu Mittag gegessen. 1½ Uhr Abfahrt von Biblis, 2½ Uhr fuhren wir über den Rhein, ca. 3 Uhr in Worms. 3½ Uhr kommen die ersten Weinberge in Sicht, dann immer Weinberge. Die Gegend ist landschaftlich schön, aber die Bevölkerung ist arm. Die Häuser sind aus Lehm zusammen geschmiert, nur hin und wieder ist ein Gebäude in Backstein aufgeführt. Die Fahrt geht jetzt weiter über Mannheim, Enkenbach, Hochspeyer, Kaiserslautern, Homburg, Saargemünde, Saaralben, Bensdorf nach Metz. Hier kommen wir am 16. 12. 14. morgens um 4½ Uhr an und bekommen das erste Frühstück, Kaffee und trockenes Brod [sic!]. Um 5.40 Uhr morgens Abfahrt immer weiter westwärts. [Vgl. die folgende Abbildung]. 7 [1914-12-16 Landkarte]. 8 Mittwoch, 16. 12. 14. Morgens 6 Uhr kamen wir nach Novéant[-sur-Moselle] und ½ Stunde später über die Grenze. Dann ging es weiter über Onville bis Jaulny. Hier wurde eine Notrampe aufgeschlagen und die Pferde ausgeladen. Von hier aus wurde marschiert über Thiaucourt, Nonsard bis Heudicourt. Dann gingen wir weiter 1 km südlich in einen Wald. Unser Stab liegt in einem grossen Bauernhof mit Namen Buxier aubois. Die Pferde und Protzen liegen in einem grossen Walde zwischen Heudicourt, Nonsard, Buxières. Die Geschütze stehen 7 km weiter südlich zwischen Varnéville und Loupmont am Südost-Abhang eines Berges „Le Mont“. Bei uns im Walde wohnen wir in Erdhütten. Das Dach ist ca. 2 m hoch und mit Reit und Laub bedeckt. Das Innere ist in 2 Teile geteilt. Vorne ist Wohnraum und Küche und hinten ist Schlafraum. Für jeden Mann sind 2 Decken oder Woylachs da; dann auch genügend Stroh. Frieren tut hier keiner. Auf dem Marsche von Jaulny nach Heudicourt haben wir einen Wagen requiriert. Unser Transportführer nahm 3 Mann mit, liess scharf laden und suchte die Häuser in Lamarche, einem kleinen Dorfe zwischen Beney und Nonsard ab. Bei einem Kleinwarenhändler fanden wir eine neue Kippkarre und es hiess: mitnehmen. Der Pisang8 machte mächtig Krach, wollte zum Ortskommandeur laufen, aber wir machten uns schnell aus dem Staube. Jetzt wurde ein Pferd vorgespannt; das Geschirr, ein Kumpt und einige Ketten, hatten wir vorher auf der Strasse gefunden, unser Gepäck wurde aufgeladen und weiter gings nach Heudicourt. Donnerstag, 17. 12. 14. Die erste Nacht in Feindesland ist hinter mir. Geschlafen habe ich bei der leichten Munitionskolonne und bin erst heute morgen ½9 Uhr aufgestanden. Um 9 Uhr mussten wir antreten und wurden den Batterien zugeteilt. Ich bin zur ersten Batterie gekommen, Hauptmann Wallbaum. Dann teilte der Wachtmeister uns noch in Geschütze ein und hier kam ich zum 6. Geschütz. In Pflege habe ich 2 Reitpferde. Das eine gehört Leutenant [sic!] Meier und das andere ist eine Remonte. Heute nachmittag kam ein feindlicher Flieger, wurde [von] unseren Abwehrgeschützen beschossen, war aber viel zu hoch und entkam. In unseren Stellungen werden Fesselballons hochgelassen, von denen aus die Feinde beobachtet werden. Freitag, 18. 12. 14. Heute morgen wurde um ½9 Uhr angetreten und den ganzen Vormittag ein Knüppeldamm gebaut. Es ist hier im Walde nämlich furchtbar schmutzig. Der Lehmboden ist durch den vielen Regen ganz aufgeweicht und bei jedem Schritt sinkt man bis weit über die Enkel ein. Nachmittags mussten wir in der Nähe von Thiaucourt in Weinbergen Geschützeinschnitte und einen Beobachtungsstand bauen. Dies ist für einen evtl. Rückzug, wenn die Franzosen uns mit grosser Übermacht angreifen und hier durchbrechen sollten. Von diesem Weinberge aus konnten wir beobachten, wie 2 Infanteristen beerdigt wurden. Ein Feldprediger hielt eine kleine Rede, dann wurden von ca. 20 Mann 3 Schuss abgegeben und die Beerdigung war beendet. Auf die Gräber wurden 2 kleine schwarze Kreuze mit den Namen der Gefallenen aufgestellt. Gleich hiernach kam ein deutscher Flieger aus der Richtung von Metz her geflogen. Er umkreiste einmal die feindlichen Stellungen und verschwandt [sic!] dann wieder in Richtung Metz. 8 Vermutlich spöttische Schreibweise des französischen Wortes „paysant“ (Bauer). 9 Sonnabend, 19. 12. 14. Heute morgen wurde um 8½ Uhr angetreten und um 9 Uhr nach Heudicourt abmarschiert zur Schanzarbeit. Wir bauten mit 7 Mann einen Stand für die Telefonabteilung. Um 2 Uhr kamen wir wieder in unserem Quartier an. Unser Koch hatte uns Mittagessen warmgestellt. Sonntag, 20. 12. 14. Heute morgen kam die Nachricht, die Russen seien in entscheidenden Schlachten geschlagen. Die noch heilen Glocken sollten um 12 Uhr mittags geläutet werden. Mittags läuteten dann auch die Glocken und sämtliche Batterien gaben Freudenschüsse ab. Jedes Geschütz gab einen Schuss ab. Der Donner rollte lang durch die Täler; bei uns im Walde wurde auch geschossen mit Karabiner und Revolver. Dann wurden patriotische Lieder gesungen den ganzen Nachmittag bis zum Abend hin. Montag, 21. 12. 14. Letzte Nacht war ich auf Wache und zwar 2. Wache von 11.20 bis 2.40 Uhr. Bei unserer Batterie sind 4 Posten ausgestellt, die je 2 - 3 Ställe zu beobachten haben. Vor allem ist da vor aufzupassen, dass kein Pferd sich losreisst und die Stallwände auseinander schlägt oder gar wegläuft. Während meiner Wache war schönes Wetter. Der Himmel war sternklar und fast kein Wind rührte sich. Wenn die Geschütze mal einen Augenblick nicht schossen, so konnte man hören, wie die Infanterie in den Schützengräben „O Deutschland, hoch in Ehren“ sang; wohl zur Feier des Sieges über die Russen. Heute morgen war um 9½ Uhr Reiten angesetzt für die Freiwilligen Fahrer. Leiter war Leutenant [sic!] Rumpf. Wir ritten von unserem Lager aus nach Heudicourt. Es ging durch tiefe Gräben und Sümpfe. Nahe dem Dorfe mussten wir dann Galopp reiten und konnten wieder nach Hause ziehen. Der Nachmittag war frei. Ich habe meine Sättel und Zaumzeuge gewaschen und gefettet. Um 4 Uhr war Appell in Waffen und Löhnung. Wir freiwilligen Fahrer bekommen nur M 5,30 Kriegslöhnung alle 10 Tage. Eigentlich steht uns als Fahrer 50 Pfg mehr für Pferdeputzen zu. Dienstag, 22. 12. 14. Heute morgen haben wir unser Haus verlängert. Wir haben 2 Fach, ungefähr 2 m, vorgebaut. 3 Mann haben zu Hause die Arbeiten fertig gemacht: Pfähle geschlagen, die Erde ausgeworfen und die Sparren aufgesetzt. Während dessen haben die beiden anderen und ich Reit und langes Gras geholt. Gleich nach mittag war der Neubau so weit fertig, dass er mit bezogen werden konnte. Ungefähr um 12 Uhr kam der Befehl zum Stroh-holen von Lamarche. Das 6. Geschütz war an der Reihe und der Stangenfahrer gab mir seine Pferde. Um 1 Uhr fuhren wir 4spännig los durch sehr tiefe Waldwege. Zuweilen kamen die Pferde bis an den Bauch ins Wasser und der Wagen sank bis über die Achsen ein. In Lamarche war sehr wenig Stroh angekommen und wir bekamen nur im ganzen 6 Bund à 125 Pfd. Wir waren mit 2 Wagen unterwegs. Auf dem Nachhausewege fuhren wir durch dieselben Wege. Mitten im Walde sass in dem schmalen Wege ein Wagen der 10. Fussartillerie fest, so dass wir nicht vorbei konnten. Wir spannten unsere Pferde ab und wollten den Wagen der Fussartillerie loshelfen, aber der Weg war gerade hier so schlecht, dass die Pferde die Füsse nicht loskriegen konnten, wenn sie ein[en] Augenblick gestanden hatten. Wir zogen jetzt mit unseren Pferde[n] nach Hause. Abends, nach 3 Stunden, gingen wir wieder hin, um unsere Wagen zu holen. Die Fussartillerie hatte inzwischen noch 6 Pferde aus dem Dorfe geholt und kam jetzt gerade los. Wir hatten unsere Wagen weiter zurück stehen lassen und kamen verhältnismässig gut nach Hause. 10 Mittwoch, 23. 12. 14. Heute war Geschirr-Revision. Vor mittag wurde sämtliches Geschirr gewaschen und die Kandarren und Trensen geputzt. Dann wurde alles schön zusammen im Stalle aufgehängt. Der Wachtmeister meint, gerade über Weihnachten könnte alarmiert werden, wenn man am wenigsten darauf gefasst wäre. Donnerstag, 24. 12. 14 Weihnachtsabend Heute morgen wurde unsere Wohnung und der Stall nochmal gründlich nachgesehen und das Dach mit Reit ausgebessert. Nachmittags war dann Empfang von Liebesgaben und Sachen für den Weihnachtsbaum. Um 4 Uhr schmückte dann ein alter Mann den Baum und um 6 Uhr wurden, nachdem wir zu Abend gegessen hatten, die Lichter angezündet. Nun brauten wir noch einen Grock [sic!] und sangen Weihnachtslieder sämtliche, die uns bekannt sind, bis die Lichter abgebrannt waren. Das Leben hier in Feindesland ist so ganz anders als man es sich zu Hause vorstellt. Man denkt, in ein wildes Durcheinander zu kommen, des Nachts kaum Unterkunft zu finden und kaum Zeit zu finden, zu essen und zu trinken. Hier aber ist es ganz anders. Wir wohnen zu sechsen in einer Hütte, die die alten Fahrer schon vor ca. 8 Wochen gebaut haben. Die Batterie hat diese Stellung am 28. Oktober bezogen und sich hier dann eingerichtet. Die Kanoniere sind am Nordabhange des „Le Mont“, die Fahrer liegen hier im Walde. Morgens wird nicht vor ½8 Uhr aufgestanden. Zunächst werden die Pferde gefüttert und Kaffee getrunken. Dann werden kleinere Arbeiten gemacht wie: Feuerholz geschlagen, Trinkwasser geholt, Pferde geputzt oder die Hütte gereinigt, bis es Mittag ist. Dann wird gegessen und ein kleiner Mittagsschlaf gehalten. Nachmittags dasselbe Leben. Gegen abend wird empfangen: Hafer für die Pferde. Für uns Brod [sic!], Kaffee, Zucker, Salz, Erbsen oder Bohnen, Fleisch, Zigarren und Zigaretten und zuletzt Rum oder Cognack [sic!]. Einmal am Tage ist Appell. Alle pa[a]r Tage wird Heu und Stroh geholt. Sonst aber ist das hier ziemlich eintönig. Kanonendonner hören wir nur von weitem. Hin und wieder mal ein Flieger oder in der Ferne ein Fesselbal[l]on. Heute abend sitzen wir hier nun und feiern Weihnachten. Den Baum haben wir aus einem nahen Tannenwald geholt. Die Lichter und der Baumschmuck ist von der Batterie geliefert. Den Rum haben wir uns von Metz mitbringen lassen. Dienstag, 29. 12. 14. Die beiden Weihnachtstage sind ganz still zu Ende gegangen. Ebenso der folgende Sonntag. An diesem Sonntag morgen besuchten uns 4 Pioniere. Wir trafen sie im Walde und luden sie ein, mit uns zu gehen. Diese 4 gehörten einem Drahtziehkommando an. Ein solches Kommando, bestehend aus 8 Mann und 1 Unteroffizier, muss nachts vor den eigenen Schützengräben Drahtverhaue ziehen. Dann gibt es noch Minenwerfer. Diese gehen auch in die Schützengräben und schiessen von hier aus mit kleinen Mörsern Minen in die feindlichen Gräben. Das Kaliber der Minen ist 15 - 25 cm und die Länge beträgt ca. 1 m. Die Wirkung ist sehr gross 1. durch die Explosion und dann verbreiten sich giftige Gase. Gestern nachmittag bin ich mit einem alten Fahrer zusammen nach Varneville gewesen, um den Kanonieren unserer Batterie Lebensmittel und Post hinzubringen. Der Weg, ungefähr 8½ km, führte uns über Heudicourt, Buxièr[e]s, Buxerelles, Woinville nach Varneville. Die letzten 3 Dörfer waren sehr zerschossen. Die Kirchen und auch die meisten Häuser waren abgebrannt. In den letzten Tagen ist Varneville besonders stark beschossen worden. So auch gestern abend. Als wir in das Dorf hineinfuhren, wurde fast gar nicht geschossen. Aber kaum waren wir drinnen, da gings los. 3 oder 4 Granaten flogen direkt über uns weg in die zerschossenen Häuser hinein. Die meisten Schüsse gingen aber zu kurz und schlugen vor dem Dorfe ein. Wir fuhren schnell zu unseren Kanonieren hin, sie wohnen unten in einem grossen Hause dicht 11 unter einem Abhang des „Le Mont“, lieferten unsere Sachen ab und machten schleunigst kehrt, nach Hause. Abends 7 Uhr kamen wir wohlbehalten in unserem Walde an. Mittwoch, 30. Dezember 1914. Letzte Nacht war ich zum 3. Mal auf Wache. Die zweite Wache habe ich in der Nacht zum 1. Weihnachtstag gemacht. Ich hatte die letzte Nummer, weil der 2. Posten meiner Wache mich aber nicht weckte, habe ich ruhig bis zum nächsten Morgen geschlafen. Gestern abend wurde während meiner Wache zweimal ganz in der Nähe geschossen. Nachher stellte sich heraus, dass verschiedene von unseren Leuten auf Wildschweinjagd gewesen waren, gekriegt haben sie aber nichts. Heute nachmittag haben wir unseren Wintervorrat an Kartoffeln, ungefähr 6 Scheffel, von einem Acker in der Nähe geholt. Auf Kartoffel[an]bau legen die Franzosen anscheinend keinen Wert. Alles steht durcheinander, rote, weisse, blaue Kartoffeln, und dann sitzen so wenig drunter, dass es sich nach unserer Ansicht kaum lohnt, die Kartoffeln überhaupt auszukriegen. 1915. 1. Januar. Das Neue Jahr wird gerade in dieser Gegend mächtig eingeschossen. Gestern nacht, gestern den ganzen Tag und zum Jahreswechsel schossen die Franzosen ganz verzweifelt. Hier wird gesagt, Verdun sei schon seit einigen Tagen eingeschlossen, unsere Artillerie mache schon Kreuzfeuer, stehe aber doch noch 20 km auseinander. Bei uns am Walde steht jetzt Fußartillerie. Sobald diese Batterie nun anfängt zu schiessen, nehmen die Franzosen ein ganzes Teil um sie herum unter Feuer. Die Geschütze stehen nämlich gut versteckt und die Franzmänner können nur ungefähr feststellen, wo die Granaten herkommen. Zuweilen kriegen wir dann auch eins in unsere Hütten. Es knallt wohl mächtig, aber passiert ist dabei noch nichts. Sonnabend, 2. Januar 1915. Heute hält der Wachtmeister einen Appell mit Zaumzeug ab. Sämtliche Trensen, Kandarren und Kinnketten müssen tadellos geputzt vorgezeigt werden. Das Lederzeug muss schön weich und gefettet sein. Besonders schlecht geht das Putzen der Eisenteile. Hier im Walde gibt es nämlich keinen Sand. Wir müssen deshalb Steine suchen und diese zu Grus zerschlagen, um überhaupt etwas zum Scheuern zu haben. Beim Appell hat der Wachtmeister den Putz kaum nachgesehen. Er ging nur die Reihen [ab] und sagte, vor allem müsse alles vorhanden und heil sein. Sonntag, 3. Januar 1915. Heute morgen musste ein Wagen von uns für den Abteilungsstab nach Vigneulles, um Bierfässer an die bayerischen Kantinen wieder abzuliefern. Die Herren vom Stab hatten sich nämlich zu Neujahr Bier holen lassen. Die 6. Kanone war an der Reihe und so fuhr ich denn mit einem alten Mann zusammen nach Vigneulles, 5,5 km von Heudicourt. Zwei Pferde wurden voreinander an einen zweiräderigen Karren gespannt. Ich nahm das Vorderpferd, einen grossen schwarzen Wallach. Dann gings los und in flottem Tempo fuhren wir nach Vigneulles. Auf den Chausseen begegneten uns lange Munitions- & Trainkolonnen, alles Bayern. 12 Bis Vigneulles geht die Normalspur-Eisenbahn. Auf dem Bahnhof ist mächtig Betrieb. Preussische Güterwagen und Lokomotiven kommen in langen Reihen daher direkt von Deutschland. Es kommt einem ordentlich wie zu Hause vor, nur die vielen Soldaten. Anschliessend an diese Bahn wird von den Pionieren und Eisenbahnern eine Schmalspurbahn gebaut. Bis jetzt führt sie von Vigneulles über Heudicourt, Buxièr[e]s, Buxerelles bis Woinville. Das letzte Ende wird wenig befahren, weil es zuweilen von den Franzosen beschossen wird. Als Lokomotiven fahren Petroleum- & Oelmotorwagen. Allzu grosse Geschwindigkeit wird nicht erreicht, aber die Loren tragen doch ein ganz schönes Quantum Material und die Straßen werden hierdurch entlastet. Montag, 4. Januar 1915. Letzte Nacht war ich das 4. Mal auf Wache, von 2.40 bis 6 Uhr. Ich habe aber nur bis 4 Uhr gestanden. Heute nachmittag bin ich wieder zu unseren Kanonieren in Feuerstellung gewesen. Auf der ganzen Tour regnete es. Auf den Strassen war fast niemand zu sehen, nur hin und wieder eine vermummte Person und einige dampfende Küchenwagen. Dienstag, 5. Jan. 1915. Heute vormittag war unser Hauptmann, Wallbaum, hier bei uns im Walde. Um ½11 Uhr mussten wir im Tuchanzug antreten. Der Hauptmann kam dahergeritten, hielt vor der versammelten Mannschaft und hielt uns eine Moralpredigt, die aber nicht von Pappe war. Er nannte uns eine zuchtlose Bande, die sich dauernd besöffe und bei uns wäre alle Disziplin verloren. Er wolle uns aber Bewegung machen, dass wir auf andere Gedanken kämen. Besonders für die alten Fahrer wäre es beschämend, sich so zu betragen. – Dann liess er uns wegtreten. Zu dieser Missstimmung hatte er eigentlich keinen Grund. Es war ihm allerdings hinterbracht worden, an den Weihnachtstagen und Neujahr sollten sich hier die ganzen Leute betrunken haben. Der Wahrheit entspricht dies nicht. Es waren wohl einige Leute angeheitert, aber sinnlos betrunken gewesen ist keiner. Was für Dienst nun angesetzt wird, bleibt abzuwarten, heute ist noch keiner angesetzt. Freitag, den 8. Januar 1915. Seit Mittwoch habe ich keinen Dienst mehr gemacht, weil ich meinen rechten Fuss verletzt habe. Beim Feuerholzschlagen mit einer geliehenen Axt brach der Stiel und die Axt flog mir mit der scharfen Seite auf den Schuh direkt in den Spann. Heute bin ich zum ersten Mal aufgestanden. Ich kann nur gehen, wenn ich die Fussspitze aufhebe, da sonst die Sehnen, die durch den Spann führen, angezogen werden und heftig von innen gegen die Wunde drücken. Ob Sehnen verletzt sind, weiss ich nicht. Die Zehen kann ich bewegen, woraus ich wohl schliessen kann, dass keine ab ist. Gestern haben wir zum ersten Mal kein Brot bekommen, obgleich es der Tag war, wo sonst welches empfangen wird. Als Ersatz gab es Feld-Zwieback. Das sind kleine viereckige Kakes [sic!], sehr hart und trocken, schmecken für ein einzelnes Mahl ganz gut. Auf die Dauer aber soll man sie nicht mehr durch den Hals kriegen können. Heute war wieder Brot da. Dienstag, 12. Januar 1915. Sonntag war hier mächtige Aufregung. Einige Fahrer waren zum Reitmähen und hatten dabei Wildschweine entdeckt. Einer kam zu unserer Hütte gelaufen und holte meinen Karabiner. Einige andere Fahrer liefen mit und veranstalteten eine richtige Treibjagd. Ein grosses Wasserloch, das ganz von Reit und Schilf durchwachsen [war], wurde umstellt. Hier sollten die Schweine sitzen. Auf einem Ende wurde angefangen zu treiben. Plötzlich kam ein grosser 13 Eber aus dem Reit hervor, gerade auf den Fahrer Koopmann, aus Berne, zu. Koopmann legt an, drückt und drückt, aber der Karabiner geht nicht los. Auf ungefähr 5 Schritt geht der Eber nach der Seite weg. Hinterher laufen noch 5 oder 6 Frischlinge, auch schon ziemlich gross, ca. 120 Pfd. schwer. Ein anderer Fahrer, der weiter hin stand, schoss noch 5mal hinterher, aber die Schweine liefen gemütlich in den nahen Wald. Freitag, den 15. Januar 1915. Jetzt bin ich von meiner Verletzung am Fuß soweit wieder hergestellt, dass ich fast gerade so gut gehen kann, als früher. Nur beim Schuhanziehen biegt die große Zehe nach unten, dass sie dann ganz unter dem Ballen liegt. Stiefel habe ich noch nicht wieder angehabt. Das Leben hier im Walde bleibt immer dasselbe. Es gibt wenig Veränderung. Die meiste Zeit regnet es. In den nächsten Tagen wollen wir eine neue Hütte bauen. In der alten ist es wegen des hohen Grundwassers nicht auszuhalten. Erstens hat man dauernd kalte Füße und zweitens müssen wir jede Nacht ein bis zweimal aufstehen und das Wasser ausschöpfen. Hierzu kommt noch, dass die Schlafstelle für sechs Leute zu klein ist. Einer schläft schon quer den anderen zu Füßen. Aber auch für fünf Mann nebeneinander ist [es] zu eng. Zuweilen kann man sich kaum rumdrehen. Die Landwehrleute, mit denen ich zusammen wohne, sind folgende: Heinrich Bohlen, Hafendorf b/Esensham i/O. Car1 Rogge, Bernebüttel b/Berne i/O. Fr. Ostendorf, Beckumersiel b/Esensham i/O. Anton Mittwollen, Schweieraussendeich b/Schwei i/O. Dann noch ein Kriegsfreiwilliger Assessor: Georg Egberts, Adr. d. Eltern: Johannes Egberts, Wittmund. Dienstag, den 19. Januar 1915. Sonntag sind wir angefangen, unsere neue Hütte zu bauen. Sie wird sechs Schritt lang und 8 Schritt tief und kommt gleich neben unserem Pferdestall zu stehen. Gestern haben wir die Giebe1- & Seitenwände fertig gemacht. Abends haben wir noch den Giebel und die Sparren aufgesetzt. Heute morgen haben wir Reit geholt. Morgen soll die Schlafstelle fertiggemacht werden. Tür und Fenster werden eingesetzt. Unser Herd wird aufgestellt und sonstige kleine Arbeiten werden verrichtet. Donnerstag ziehen wir dann mit all’ unseren Prullen und Siebensachen um. Maurer-, Zimmerer-, Dachdecker-, Tapezier- und Maler-Arbeiten, alles ist in noch nicht ganz 4 Tagen fertig. Das Haus steht zum Einzug bereit. Gestern bin ich für unseren Stangenfahrer, der wegen Kopfschmerzen und Erkältung zu Bett lag, nach Vigneulles zum Pioni[e]r-Lager gewesen, um Dachpappe zu holen. Auf dem Nachhausewege wollten die Pferde unseres Mittelreiters im weichen Land überhaupt nicht ziehen und mit 2 Pferden einen beladenen Wagen, wir hatten 31 Rollen, durch tiefen Dreck zu bringen, ist unmöglich. Deshalb ritt einer von uns zu unserem Wachtmeister und holte noch einen Mann mit 2 Pferden dazu. Jetzt kamen wir sehr gut, auch durch die tiefen Gräben, wo der Wagen bis über die Achsen einsackte, nach Hause. Heute war ich mit zum Heuholen nach Lamarche. Wir sind nicht die direkte Chaussee gefahren, weil sie ganz holperig ist und so tiefe Löcher drin sind, dass der Wagen zuweilen umkippt, sondern über Pannes. Die Straßen sind sehr gut, nur geht es mächtig auf und nieder. In Pannes selbst ist es so abschüssig, dass, als wir mit beladenem Wagen die beiden Hinterräder ganz abgebremst hatten, der Wagen noch so schnell lief, dass die Pferde traben mussten. Gestern habe ich beim Fahren einen Stiefel eines alten Fahrers angehabt, in meinen eigenen konnte ich noch nicht hinein. Dieser Stiefel war so gross und breit, dass ich nicht in den 14 Steigbügel kommen konnte. Glücklicher weise ist es der rechte, sonst hätte ich bei unseren sehr grossen Pferden garnicht aufsitzen können. Heute habe ich aber schon meinen eigenen Stiefel wieder angehabt. Die Wunde am Fuß ist schon beinahe ganz wieder ausgeheilt. Morgen will ich Preservatifcreme [sic!] auftragen, dann wird die Haut wieder ganz schnell fest und geschmeidig. Diese Creme reinigt und desinfiziert auch gleichzeitig. Sonntag, 24. Januar 1915. Wir wohnen jetzt in unserer neuen Hütte. Sie ist besser ausgefallen, als ich sie mir vorher gedacht habe. In der Vordergiebelwand ist ein grosses Fenster und die Tür. Gleich vorn rechts, wenn man reinkommt, steht der Ofen, etwas weiter der Tisch. Fast die ganze hintere Hälfte der Hütte ist als SchlafsteIle eingerichtet und bietet soviel Platz, dass wohl acht Mann nebeneinander liegen können. Wir sind aber nur zu sechsen. Donnerstag nachmittag kam der Befehl, uns marschbereit zu halten. Die Pferdegeschirre wurden sofort bis ins kleinste zusammengesucht und aneinander geschnallt. Von unseren ganzen anderen Habseligkeiten wurde alles nicht dringend notwendige weggeworfen und das übrige in Tornister und Zeugsäcke verpackt. Der Befehl zum Abmarsch kam aber nicht. Jetzt liegen wir immer noch im Walde. Ein gutes hat dieser Befehl aber doch gehabt. Wir haben zwischen unseren gesammelten Siebensachen mal gründlich aufgeräumt und wissen jetzt so ziemlich, was und wieviel wir mitnehmen können. Mittwoch, den 27. Januar 1915. Heute ist Kaisersgeburtstag. Sämtliche Dörfer sind mit Guirlanden [sic!] und Kränzen geschmückt. Mittags um 12 Uhr werden Salutschüsse abgegeben. In unserer Batterie ist um 12 Uhr Appell. Der Wachtmeister, Wyrenbeck, hält eine kleine Ansprache und bringt ein Hoch auf den Kaiser aus. Zur Feier des Tages soll es auch Wein geben, aber leider ist er noch nicht da. Voraussichtlich ist er erst übermorgen abend hier. In den letzten Tagen ist hier wenig passiert. Gestern nacht hat es tüchtig geschneit. Es lag wohl eine handbreit Schnee. Morgens bin ich dem Wald gewesen, um mal zu wissen, ob und wo sich Wildschweine aufhielten. In dem Sumpf, wo wir Reit mähen, waren keine gewesen, wohl, weil in der Nähe zuviel Lärm ist. An dem Sumpf vorbei wird nämlich ein Weg gebaut. Ungefähr 25 Pioniere sind täglich dabei beschäftigt. Gestern abend wurde das Dorf Heudicourt beschossen. Zwischen 8 und 9 Uhr schossen die Franzosen wohl 30 mal über uns hin. Meist gingen die Schüsse auf die Chaussee nach Nonsard, also zu weit rechts. Montag, den 1. Februar 1915. Der Wein zu Kaisersgeburtstag ist gestern angekommen. Es ist schöner französischer Landwein. Gestern abend haben wir Punsch gemacht und allerhand Lieder gesungen. Das Wetter ist jetzt besser geworden. Es friert tüchtig. Der Schnee bleibt liegen. Es ist jetzt richtig Winter. In den letzten Tagen haben wir einen neuen Pferdestall gebaut. Der alte war so schlecht, dass die Pferde geradezu krank wurden. Bei jedem Regen lief das Wasser durch das Dach. Die Pferde waren dann ganz nass und standen bis über die Fesselgelenke im aufgeweichten Lehm. Der neue Stall ist wohl der beste in der ganzen Batterie. Die Vorderwand steht etwas schräg. Buchenpfähle sind an den Giebel gelehnt, mit Drahtgeflecht überzogen und darauf liegt eine 20 bis 30 cm dicke Mistschicht. Die Wand ist wohl 4 m hoch. Die Hinterwand ist ganz ähnlich, aber nur 2 m hoch. Auf dem Dach haben wir Dachpappe. Das Wasser läuft wegen der grossen Schräge vollständig ab, wenn es auf einer Stelle auch mal nicht ganz dicht ist. 15 Unsere Pferde erholen sich richtig. Wenn man morgens in den Stall kommt, ist es drinnen schön warm und die Pferde liegen in der trockenen Streu. 16 Sonntag, 14. Febr. 15. In den letzten Tagen war das Wetter ziemlich schlecht. Es regnete viel. Nachts fror es hin & wieder. Tags taute aber immer alles wieder auf. Etwas Besonderes ist nicht passiert. Seit gestern bin ich bei den Geschützen auf dem „Le Mont“. Mit mir zusammen ist L. Koopmann hierher versetzt worden. Wir schlafen in der Batterieküche am Nordabhange des Berges. – Bis vor einer Woche war die Küche im Dorfe Varneville. Als es aber von den Franzosen von Gironville aus stark beschossen wurde, musste die Küche an den Berg verlegt werden. Hier ist sie beinahe nicht zu erreichen, d. h. für die feindlichen Geschosse. Unser Dienst den Tag über ist Beobachten der feindl. Stellungen südlich von Apremont. Der Beobachtungsstand ist ein ca. 2 m tiefer Graben, der bis an den Rand des Waldes führt. Auf dem letzten Ende teilt er sich. Von dem einen Ende kann man gerade aus und westlich beobachten, von dem anderen gerade aus und östlich. Er ist ganz in Stein eingehauen. Etwas weiter zurück im Walde sind die Unterstände. Wir, Koopmann und ich, sind dem Beobachtungswagen zugeteilt und essen auch mittags in dessen Unterstand. Dies ist ein grosses Loch 2½ x 4 m und 2½ m tief. Oben auf als Dach zu ebener Erde ist eine doppelte Lage dicker Baumstämme, darauf liegt eine 1 m dicke Steinschicht und hierauf liegt noch Dachpappe. Auf der der franz. Front abgekehrten Seite sind ein Fenster und eine Tür. [Lageplan 1915-02-14]. Solche Unterstände sind in unserer Batterie zehn. Fast alle sind folgendermaßen eingerichtet: der grössere Teil der Bude ist Wohnraum. In der Mitte steht ein grosser Tisch, auf jeder Seite eine Bank. Gleich vorn bei dem Eingang steht ein kleiner Ofen. Der Schornstein führt durch die Tür nach aussen. Gekocht werden darf wegen der Rauchentwicklung am Tage nicht. – Auf dem anderen Ende der Bude wird geschlafen. Es sind 2 Strohlager von ca. 1½ m Breite übereinandergebaut. 17 Wenn nun mehr Leute in einem Unterstand wohnen, als in den Betten liegen können, so werden nachts Tisch und Stühle nach draussen gestellt und auf dem Boden Strohsäcke ausgebreitet. So können in einem Unterstand im Notfalle eine ganze Anzahl Leute schlafen. Donnerstag, 18. Febr. 1915. In den Tagen, wo ich bei unseren Kanonieren auf dem Mont bin, bin ich viel durch die Wälder und Dörfer gestreift und habe allerhand Raritäten gesammelt. Anfangs konnte ich allerdings nichts oder nur wenig finden, wusste auch zu schlecht in der Gegend Bescheid. Heute wurde unsere Batterie heftig beschossen. Vor Mittag schlugen 18 Schuss grösseren Kalibers ganz in unserer Nähe ein, ohne jedoch etwas zu treffen. Um 12 Uhr gab unser 1. Zug Salutschüsse ab und wollte auf einen Waldabschnitt einrichten, aus dem vorher Rauch aufgestiegen war. Das indirekte Richten aber, die 2 Geschütze standen etwas zurück im Walde, war ziemlich schwierig und wollte nicht recht gelingen. Der Lieutenant liess deshalb die Geschütze bis an den Waldrand vorbringen. Hierbei müssen die Franzosen die Stellung des ersten Zuges entdeckt haben. Jedenfalls, um 2 Uhr fingen die Franzosen aus Richtung Gironville mächtig zu schiessen an. Ein Schuss, es war ungef. der 10. Schuss, ging an die Rückwand der Schlafbude und riss die ganze hintere Ecke hoch. Ein Mann lag in der Bude zu schlafen, glücklicher Weise an der vorderen Wand. Er kam mit dem Schrecken davon. – Sämtliche Leute des Zuges liefen jetzt natürlich weg, um aus dem Bereich der Sprengstücke zu kommen. – Es folgten dann noch über 20 Schuss. Als wir nachher den Schaden besahen, hing[en] eine Hose, ein Tornister und eine Tür oben in einem Eichbaum, wohl 4 m hoch. Ein Treffer war in das Munitionslager gegangen und hatte die Kartuschen der Granaten entzündet. Es waren 16 Granaten und 3 Schrappnells beschädigt. Sonst ist aber kein Schaden angerichtet worden. Ob der Zug einen anderen Platz beziehen wird, ist noch nicht bestimmt. – Im Dorf, Varneville, stand kürzlich ein Geschütz der 6. Bay[erischen]. Feld-Art[illerie]., in dessen Rohr ein fr[anzös].Schrappnell hineingetroffen und krepiert war. – Das Geschoss war vorn auf den Rand der Rohrmündung aufgesetzt, abgeglitten, hineingefahren und am Verschluss krepiert. Es ist in ein Museum in München gekommen. Montag, 22. Februar 1915. Heute morgen und während des ganzen Vormittages wurde unsere Batterie schwer beschossen. Die Franzosen bestrichen den ganzen „Mont“ und hatten es besonders auf die hinter dem Berg liegenden Batterien und Kolonnen abgesehen. Morgens 7 Uhr kam der erste Schuss. Er schlug an der Straßenböschung, ca. 50 m von der Küche entfernt, ein. Als die Granate krepierte, wir lagen noch alle im Bett, sprang alles auf und lief nach draussen. In einer Bude der Infanterie-Sanitätskolonne waren sämtliche Scheiben eingeschlagen. Die Infanteristen liefen alle den Berg hinauf. Nun folgte Schuss auf Schuss. Mehrere Treffer wühlten die Straße auf. Eine Granate, mindestens 15 cm, ging durch die Wärmehalle der Sanitätskolonne und riss ein grosses Loch in die Treppe, die auf den „Mont“ führt. Mehrere Schüsse gingen in den „toten Winkel“, wohin die Franzosen eigentlich garnicht schiessen können. Gegen abend kam ein Flieger und meldete, die Franzosen hätten bei dem morgens herrschenden starken Nebel ihre Geschütze sehr weit vorgeschoben und so unsere Stellungen hinter dem „Mont“ erreichen können. Verluste hatten wir nicht. Nur ein Pferd war durch einige Schrappnellkugeln [sic!] leicht am Kopfe getroffen. Heute morgen musste ich für den Hauptmann Wasser mit nach oben nehmen. – Um das Wasser nicht weit tragen zu müssen, wollte ich vom Dorf aus über ein freies Feld gehen, das von den Franzosen aber beobachtet werden kann. 18 Als ich aus dem Dorf heraus kam, ging ich durch einen grossen Obstgarten, um möglichst in Deckung zu sein. – Die Franzosen aber fingen sofort zu schiessen an. Sie sollen nämlich mit schweren Geschützen auf einen einzelnen Mann schiessen. – Als ich den Abschuss hörte, blieb ich sofort stehen und lief dann an einen Birnenbaum. Kaum vier Schritt von mir entfernt, ich habe es nachher abgetreten, schlug die Granate, 15 cm, ein. Nachdem die durch die Explosion hochgeschleuderte Erde wieder heruntergefallen war, lief ich so schnell wie möglich ins Dorf. Ich war noch nicht 20 Schritt gelaufen, als ein zweiter Schuss unmittelbar neben dem Birnbaum einschlug, an dem ich vorher gestanden hatte. Diesen Weg konnte und wollte ich jetzt nicht mehr gehen. Ein anderer Weg führt, vom Eingang des Dorfes in einem Wassergraben entlang, an Inf[anterie]. Deckungen vorbei, ebenfalls zum Hauptmann. Diesen Weg wollte ich nehmen. Heute aber, wo die Franzosen hinter den „Mont“ schossen, führte er durch die Schusslinie. Als ich nun beinahe oben bei den Inf.[anterie-] Deckungen bin, kommen einige Schüsse, gehen hoch über mir hin und erreichen so ihr Ziel, die Kolonnen hinter dem Berg. Eine Granate aber, der franz. Kanonier mochte wohl einen Richtfehler gemacht haben, schlug wohl 25 m hinter mir ein. Jetzt hiess es aber „Laufen“. Es kamen noch einige Schüsse. Nach einigen Minuten kam ich, das Hemd klebte trotz des kalten Wetters auf dem Rücken, in dem Unterstand unseres B[eobachtungs].-Wagens an. Freitag, 12. März 1915. In den letzten 14 Tagen haben wir, fünf Freiwillige, einen Unterstand gebaut. Die Grössenverhältnisse sind folgende: 4½ x 2½ x 2,20 m. Besonders schwierig war das Graben des Loches. Der Boden ist sehr steinig. Von Anfang an musste alles mit der Spitzhacke losgeschlagen werden. Bei 1 m Tiefe trafen wir auf Felsblöcke. Oft konnte man ½ Std. picken, ohne irgendetwas weitergekommen zu sein. Nach 10 Tagen war das Loch, unsere Wohnung, soweit fertig, dass das Dach aufgesetzt werden konnte. Dies ist eine Lage dicker ca. 50 cm Eichenstämme und eine zweite Lage etwas dünnerer Bäume. Die dickeren Stämme sind auf der am meisten gefährdeten Seite in die Erde eingelassen, damit ein Treffer, der doch immerhin mal kommen kann, mit dem aber auf jeden Fall gerechnet werden muss, diese nicht zur Seite schiebt und in den Unterstand eindringt. Auf dieser doppelten Balkenlage ist eine Schicht dicker Steine, auf der die feindlichen Geschosse sicher crepieren sollen. Hierauf liegt ca. 1 m Kies und Lehm und die letzte Lage ist wieder eine dicke Steinschicht. Eine Dachpappe schützt das Ganze vor eindringendem Regen. Zur Deckung gegen Flieger sind Sträucher neben dem Unterstand und auf dem Dach aufgestellt worden, sodass es aussieht, als sei hier nichts geschehen. Gestern war die Inneneinrichtung soweit fertig, dass wir einziehen konnten. Einen Ofen hatten wir schon vor mehreren Tagen aufgestellt und immer tüchtig geheizt. Die Wände und auch das Dach waren schon ziemlich ausgetrocknet und warm, sodass es gleich am ersten Abend ganz behaglich in dem Unterstand war. Die Einrichtung ist ziemlich einfach. Auf dem einen, bei uns südlichem Ende, sind die Betten aufgestellt. Es sind zwei Etagen. Oben schlafen 3 und unten, weil die Wand etwas schräg ist, 2 Mann. Der andere Teil, etwas mehr als die Hälfte, ist als Wohnraum eingerichtet. Ein Tisch, 2 Bänke, 1 Ofen, 1 Topfborte und eine grosse Borte, wo jeder einzelne seine Esswaren und sonstigen Sachen hinaufstellt, bilden das Inventar. Sonnabend, 13. März 1915. In der letzten Nacht waren wir zum ersten Mal auf Wache. Ich hatte den Posten von 2½ bis 4. Es war sehr warm, d. h. für eine Nacht Anfang März. Leider war es sehr neblig, sodass ich nichts sehen konnte. – Heute am Tage habe ich den Posten 1 - 2½ [Uhr]. In der folgenden Nacht denselben. – Es ist von unserem wachthabenden Serganten [sic!] so eingeteilt worden, 19 dass man tags und nachts dieselbe Wache hat und jeden Tag 1½ Std. früher aufzieht als am Tage vorher. Donnerstag, 18. März 1915. Augenblicklich bin ich auf Wache. Mein Posten dauert von 5½ bis 7 Uhr morgens. – Vorn im flachen Lande ist dicker Nebel. Links von mir, hinter einem Berge, kommt die Sonne allmählich hoch. Es wird heller und heller. Eine Drossel pfeift ihr Morgenlied. Nach und nach stimmen viele andere kleine Vöglein mit ein. – Es ist ein schöner Frühlingsmorgen. Ich habe den Eindruck, als wäre ich irgendwo in unserem Lande einsam im Walde; ich empfinde garnicht, dass ich so fern von der heimatlichen Scholle im Frankenlande auf Posten stehe. Meine Wachen während der letzten Tage und Nächte waren alle sehr schön. Nachts war es immer ziemlich dunkel. Auch am Tage war die Luft meist dunstig. – Gestern nachmittag war es sehr hell & klar. Mir gegenüber im Walde waren 2 - 3 Franzosen eifrig beschäftigt. Sie trugen Reiser zum Bedecken ihres Unterstandes und Feuerholz zusammen. Sonntag, 21. März 1915. Gestern kam der Divisions-Befehl, dass wir uns gefechts-bereit halten sollten. Die Franzosen haben uns gegenüber grössere Truppenverbände zusammengestellt und wollen in nächster Zeit einen Durchbruchsversuch machen. – Auf unserer Seite sind sofort Gegenmaßregeln getroffen worden. Sämtliche Artillerie hat von den etwas zurückliegenden Munitions-Depots grössere Mengen Geschosse in die Feuerstellung schaffen lassen. Jedes Geschütz unserer Batterie hat von der „leichten Munitionskolonne“ 50 Schuss angefordert und gestern abend 8 Uhr bereits bekommen. Bei jedem Geschütz sind jetzt 176 Geschosse; in der ganzen Batterie also 1056 Schuss. Die Infanterie, die gestern den 4. Tag in Stellung war und von einem anderen Bataillon abgelöst werden musste, ist nicht abgerückt. Das ablösende Bataillon aber ist zu dem anderen Bataillon in Stellung gekommen. Ein drittes Bataillon steht in Heudicourt marschbereit und kann jederzeit dahin geworfen werden, wo sich eine schwache Stelle in unserer Linie zeigt. Mittwoch, 24. März 1915. Bis heute haben die Franzosen keinen Angriff gegen unsere Front unternommen. Rechts von uns, nordwestlich von dem sog. „Erdwerk“, versuchten sie jedoch gestern abend gegen 11 Uhr einige Schützengräben zu nehmen. Dieser Versuch schlug vollständig fehl. Die Franzosen wollten unsere Infanterie durch heftiges Gewehrfeuer einschüchtern und dann im Sturm in die deutschen Schützengräben eindringen. Dies wollte aber selbst bei der grössten Anstrengung nicht gelingen. Unsere Infanterie liess sich erstens nicht im geringsten beunruhigen und dann eröffnete unsere Artillerie ein geradezu mörderisches Feuer. Nach kaum einer halben Stunde war das ganze Gefecht beendet. Die Franzosen waren unter grossen Verlusten zurückgeschlagen. Montag, 29. März 1915. Gestern nachmittag haben die Franzosen die hinter unserer Front gelegen[en] Dörfer beschossen. Besonders gelitten hat Heudicourt. Durch irgendetwas hatten die Fr[anzosen]. ausfindig gemacht, es kann wohl ein Flieger gewesen sein, dass in diesem Dorfe grössere Truppenmassen in Reservestellung lagen und beschossen es deshalb ziemlich heftig. Zwischen 3 und 4 Uhr sind 44 Schuss in das Dorf gekommen. Einige Schüsse haben die Häuser, in denen die Stäbe wohnen, getroffen. Mehrere andere Häuser wurden beschädigt. Gleich nach den ersten Schüssen ist sämtliches Militär aus dem Dorf hinaus auf einen nahen Berg gelaufen. 20 Menschenleben sind nicht zu beklagen. Dagegen sind aber 11 Pferde getötet und 2 schwer und 2 leicht verletzt worden. Zwei Pferde unserer „leichten Munitionskolonne“ wurden vollständig in Stücke gerissen. In der Nacht wurde wieder eine Beschiessung erwartet. Man meinte, die Franzosen hätten sich ein[ge]schossen und würden während der Nacht schiessen, um eine ungeheuere Verwirrung hervorzurufen. Nachmittags zwischen 2 und 3 Uhr wurde von uns ein fr. Beobachtungsposten beschossen. Mitten auf freiem Felde, weit vor den fr. Schützengräben, war während der letzten Woche nachts ein Stand gebaut worden, ganz ähnlich den Schützengräben. Gestern morgen und vormittag konnten wir deutlich beobachten, dass er besetzt war und wie darin gearbeitet wurde. Eine Haubitzbatterie des F. A. R. 46 bekam dann den Befehl, diesen Graben zu beschiessen, und zwar mit 25 Schuss. Ungefähr 6 - 8 Aufschläge lagen sehr gut; der aufgeworfene Wall wurde weggerissen, und die hintere Kante des Grabens wurde einige Male getroffen. Ob die Mannschaften verletzt worden sind, konnten wir leider nicht feststellen. Donnerstag, den 7. April 1915. In den letzten acht Tagen ist in unserer Nähe mächtige Gefechtstätigkeit. Bei Pont à Mousson im Priesterwalde sind grosse Gefechte gewesen. Das 40. Infanterie Ers[atz].-Bataillon, es sind 77. und 92. Inf.[-Regiment], das mit zur 10. Ers. Division, Armee Strantz gehört, kam dorthin zur Verstärkung unserer Front. Schon am 2. Abend machten die Franzosen einen heftigen Angriff, der damit endete, dass unsere Truppen zum Bajonette-Angriff übergingen und dem Franzosen einige Schützengräben entrissen. – Den Reserven, die von den Franzosen herangezogen wurden, wurden von unserer Artillerie schwere Verluste beigebracht. Von einem ganzen Bataillon, über 1000 Mann, ist kein einziger übrig geblieben. Die Verluste des 40. Bataillons sind 86 Verwundete und 22 Vermisste und Tote. In den folgenden Nächten machten die Franzosen wiederholt Angriffe. Hierbei wurden ihnen immer derartige Verluste beigebracht, dass sie die Toten aus den Schützengräben herauswerfen mussten, um überhaupt darin entlanggehen zu können. Gestern abend griffen die Franzosen in der Gegend Aiji-Apremont die Stellungen der bayrischen Inf[anterie]. 17 & 21 und der 19. Jäger an. Das daraus entstehende Gefecht war das heftigste, das hier seit langer Zeit gewütet hat. Das Inf.-Feuer klang wie das Rollen eines Güterzuges, einzelne Schüsse waren nicht zu erkennen, und so laut, dass wir, auf 1000 m Entfernung, uns kaum verständigen konnten. Das Artilleriefeuer war wie ein nahes Gewitter. Die Fr[anzosen]. schossen so wütend und schnell, dass die Sprengpunkte der Bz. Geschosse die ganze Gegend beleuchteten. Der Erfolg dieses Schnellschiessens ist immer sehr gering, weil dabei das Stellen der Geschosse und Einrichten der Geschütze mit wenig Sorgfalt und ungenau gemacht wird. Unsere Artillerie, bei diesem Gefecht die bayrische, schiesst dagegen langsam und bedächtig, damit jeder einzelne Schuss genau beobachtet und der nächste danach korrigiert werden kann. Der Ausgang des Gefechtes ist mir jetzt noch nicht bekannt, doch konnte man am Feuer hören, dass auf französischer Seite keine grossen Erfolge zu verzeichnen sind. 21 [1915-04-15: „Die Kampflinie zwischen Maas und Mosel“]. Donnerstag, 15. April 1915. Die letzten 8 Tage haben nicht viel neues gebracht. Aus Richtung Pont à Mousson hörte man fast jeden Abend heftige Gefechte. Diese [sind] meist folgendermassen verlaufen: Die Franzosen (Inf.) greifen an, von ihrer Artillerie unterstützt. Auf unserer Seite ist alles ruhig, nur hin und wieder ein Flintenschuss, da wo sich ein Franzmann auffällig zeigt. Die fr. Schützenlinien kommen allmählich näher. Die fr. Artillerie schiesst sehr schnell, um unsere Infanterie in Schach zu halten. Jetzt sind die fr. Infanteristen so nahe an unsere Gräben heran, dass die Artillerie aufhören muss mit Schiessen, wenn nicht eigene Leute getroffen werden sollen. – Dies ist der Zeitpunkt, auf den von unserer Seite gewartet wird, einen Gegenangriff zu machen. Von unseren Schützengräben aus wird ein mörderisches Feuer auf die anstürmenden Fr[anzosen] eröffnet. Unsere Artillerie beschiesst die nach rückwärts führenden Verbindungsgräben und Wege und bringt den herauskommenden Reserven schwere Verluste bei. Die Pioniere werfen Bomben, Handgranaten und Brandbomben in die Reihen der Anstürmenden. In den Flanken beginnen Maschinengewehre, ihre Geschosse zwischen die Angreifer zu schicken, und dann kommen noch unsere Minenwerfer und schiessen ihre mit 30 - 40 kg Dynamit gefüllten Minen mit grosser Sicherheit auf die herankommenden Truppen. In einem Gefecht bei Pont à Mousson in Priesterwalde kam es vor einigen Tagen zu einem furchtbaren Nahkampf. Unsere Infanterie, es war das 40. Ers[atz]. Bataillon von der 10. Ers. Division mit dabei, war zunächst vorgestürmt, musste dann aber aus irgendeinem Grunde zurückgehen. Als sie später wieder vorgingen, wurden mehrere deutsche Infanteristen gefunden, die beim Zurückgehen verwundet und liegen geblieben waren und denen die Franzosen viele Bajonettstiche beigebracht hatten und sie auch zum Teil verstümmelt hatten. Hierüber gerieten unsere Leute in solche Wut, dass sie keinen lebenden Gefangenen machten. Dabei waren vorher schon über 100 Franzosen in unseren Händen und auch nachher sind noch viele gefangen genommen worden. Diese ganzen Leute, es sind 150 - 160 gewesen, sind alle mit dem Kolben niedergeschlagen worden, ob solcher Schandtat. 22 Dienstag, den 20. April 1915. Die Franzosen haben es in letzter Zeit wieder mehr auf den Mont abgesehen. Zu irgendeiner beliebigen Tageszeit bestreuen sie die ganze Gegend mit Schrappenells [sic!] und die von uns besetzten Dörfer werden mit Granaten beschossen, die mit Schwefel und sonstigen Chemikalien gefüllt sind und giftige Gase verbreiten. So auch gestern und vorgestern abend. Vorgestern abend waren mein Kamerad Alfred Borstelmann und ich nach Varneville gegangen und hatten uns gewaschen. Nachher gingen wir noch in die Kirche und besuchten die Gräber der in unserer Batterie gefallenen drei Mann. Gerade als wir auf dem Kirchhof waren, schlug in das Haus, das der Kirche gegenüber auf der anderen Seite der Straße steht, eine Granate ein und crepierte. Die Wirkung war eine furchtbare. Eine grosse Giebelwand fiel zum Teil ein. Sämtliche Innenwände wurden umgerissen. Das halbe Dach stürzte nach unten. Steine und Pfannen wurden überall umhergeschleudert und flogen bis oben auf die Kirche hinauf. Alfred Borstelmann und ich flüchteten schnell, schon als wir das Geschoss kommen hörten, hinter die Kirche und kamen so gut weg. Als wir nachher hingingen und uns das Haus ansahen, waren alle Wände, das ganze Dach innen und aussen über und über mit Schwefel bedeckt. Gleich nach der Detonation der Granate war das ganze Dorf mit einem widerlich scharfen Dampf angefüllt. Es roch stark nach Schwefel, man merkte aber, dass wohl noch andere Gase zugemischt waren. Passiert ist durch diesen Schuss nichts. Gestern abend war es ganz ähnlich. Wir waren wieder zu zweien am Brunnen in Varneville, als plötzlich eine schwere Schwefelgranate über uns hin flog und im 2. Hause hinter dem Brunnen einschlug. Um uns vor den umherfliegenden Sprengstücken und Steinen zu schützen, liefen wir um die nächste Straßenecke und kamen so wieder mal gut weg. Donnerstag, 22. April 1915. Heute nachmittag ist ein Befehl an die 10. Ersatz Division gekommen, dass sämtliche Truppen sich marschbereit machen sollen. Wir sollen also unseren schönen Mont verlassen, auf dem wir nun schon seit dem 12. Februar verweilen und wo wir uns schon richtig wohlfühlen trotz der vielen Schiesserei. Seit dem 12. Februar sind also hier die freiwilligen Fahrer. Die ganze Batterie ist seit den ersten Tagen des Oktober v. J. hier. Die freiw. Kanoniere sind am 20. Dez. hergekommen. Nun einiges über den Unterstand der Freiw[illigen]., die dem Beobachtungswagen zugeteilt sind. Die Einwohner sind folgende: Louis Koopmann, Adr. Leop[old] Koopmann, Berne. Er hat Jura studiert und das Ref[e]rendar-Examen bestanden. Alter 26 Jahre. Alfred Borstelmann, Borstel Kr. Syke b/Bremen. Er besuchte die Realschule zu Delmenhorst und war in der U[nter]. Prima. Alter … Jahre … geb. … Wilh[elm]. Riesebieter, Adr. Frau Riesebieter, Blexersande b/Nordenham i/O. Angestellt bei der Oldbg. Landesbank in Oldenburg. Besuchte vorher die Oberrealschule in Oldenburg. Karl Prelle, Adr. Frau A. Prelle, Oldenburg, Donnerschweerstr. Alter 20 Jahre, geb. 1. Mai 1895. Er besuchte das Gymnasium anfangs in O[ldenburg]., dann in Leer. Bei Ausbruch des Krieges hat er Not-Abiturium gemacht. – Als letzter wäre ich selber zu erwähnen. In unserer Batterie ist in den letzten [Tagen] eine neue Einteilung erfolgt. Die Freiwilligen aus unserem Unterstand sind mit Ausnahme von Riesebieter, der dem 4. Geschütz angehört, zum Batterie-Trupp gekommen. Dieser Trupp besteht aus Reitern, die bei einer Batterie in Bewegung dem Hauptmann direkt unterstellt sind und sich auch immer in dessen Nähe aufhalten. Sie führen die Richtmittel der Batterie mit. Die Einteilung bei uns ist folgende: Das 23 Scherenfernrohr hat Alfred Borstelmann, den Richtkreis I führt Unteroffizier Koch, den Richtkreis II. habe ich bekommen. Für das Telefon ist Louis Koopmann und [Theo] Buken zuständig. Dann sind noch 2 Trompeter als Meldereiter bei uns. Im ganzen also 7 Mann. Karl Prelle; der auch bei uns wohnte, ist dem Beobachtungswagen zugeteilt worden und sitzt als Kanonier auf der Beobachtungswagenprotze. Wilhelm Riesebieter ist wieder zum 4. Geschütz gegangen und ist als Kanonier 3, Kanonier am Lafettenschwanz, eingeteilt. 24 2. Heft meines Tagebuches Angefangen: 24. April 1915 Beendet: 8. September 1915 Meine Adresse: O. Borggräfe 10. Ers. Division, 37. Gem. Ers. Brigade 1. Ers. Abt. F. A. R. 62, 1. Ers. Batterie Westen Adresse meiner Eltern: Ed. Borggräfe, Oldenburg i/Gr., Alexanderstr. 94 25 Sonnabend, den 24. April 1915. Gestern nachmittag um 1 Uhr bekam ich den Befehl, mit Herrn Oberleutnant Wulff in unsere neue Stellung zu reiten. Wo diese war, wusste ich zunächst noch nicht. Um ca. 2 Uhr ritten wir weg von Varneville über Woinville, Buxerelles, Buxièr[e]s, Heudicourt, Nonsard, Pannes, Essey nach Maizerais. Hier ist die Garde-Ersatz Division in Stellung. Wir sollen also die Garde ablösen. Es war ca. 5½ Uhr, als wir in Maizerais ankamen. Wir liessen unsere Pferde bei einem Trompeterhäuschen stehen und gingen sofort in Feuerstellung zu unserer neuen Batterie. Dies ist die 1. Batterie, 2. Garde Ersatz Feldart[illerie]. Regiment, Ersatz Abteilung. Die Batterie hat augenblicklich nur 2 Geschütze. Die anderen 2 mussten wegen zu vielem Schiessen in Reparatur gegeben werden. Gestern morgen z. B. verfeuerten die zwei Geschütze 100 Schuss. Gestern abend war für 7 Uhr ein Feuerüberfall auf französische Schützengräben geplant. Hierbei wurden auch 100 Schuss abgegeben. So geht es jeden Tag. Die Geschütze stehen an der Strasse zwischen Maizerais und St. Baussant. Die Schussrichtung ist südlich. Ziele sind meist Schützengräben vor Flirey. Die Entfernung ist 1800 m. Von der 1. Batterie aus gingen wir dann zu einem 9 cm Zug. Hierbei kamen wir an einer Scheinbatterie vorbei, wo der Zug bis vor kurzem gestanden hat. Plötzlich schossen die Franzosen, wir waren ganz in der Nähe der Scheinbatterie, wohl 10 Brennzünder zu uns herüber. Die ersten 2 gingen rechts an uns vorbei. Dann aber bestreuten die Fr[anzosen]. das Land zwischen uns und den ersten Schüssen. Die Sprengpunkte kamen auf uns zu. Wir fingen an zu laufen, um möglichst schnell in Deckung zu kommen. Plötzlich krepierten mehrere Schüsse gerade über uns. Der Oberleutnant, ein Unteroffizier, ein Kanonier von der Garde und ich lagen sofort im Dreck, es war weicher Ackerboden. Der Oberleutnant glaubte, er wäre getroffen worden, aber als er richtig zusah, hatte sich ein Telefondraht um seinen Fuss [ge]wickelt. Er hatte geglaubt, der Fuss sei ihm abgeschossen worden. Wir liefen dann schnell aus der Feuerlinie heraus nach Maizerais zu. Nachher sind wir zum 9 cm Zug gewesen. Dies sind Geschütze Mod.1873 ohne Rohrrücklauf. Dann besuchten wir noch eine reitende Batterie, die zum 1.Garde Ersatz Regiment gehört, und unsere Reservestellungen. Gegen 9 Uhr ritten wir dann nach Pannes und übernachteten in Neu-Pannes bei den Protzen der 1. Batterie 2. Garde Feld-Artillerie Reg[iment]. Ersatz Abteilung. Ich habe in einer Baracke geschlafen, die von den Kanonieren der Batterie bewohnt wird, solange sie in Ruhestellung sind. Heute morgen bin ich um 5½ Uhr aufgestanden, habe die Pferde, die des Oberleutnants und des Unteroffiziers geputzt, gefüttert und getränkt, weil der Bursche nicht dazu kam, und bin dann, nachdem ich mir die Pferde und die Wohn- & sonstigen Baracken angesehen hatte, mit Befehlen für die Abteilung 62 losgeritten. Nach 2stündigem Ritt kam ich um ca. 11½ Uhr in Varneville bei unseren Trompetern an. Die einfache Strecke Varneville bis Pannes und zur Batterie beträgt 23 - 25 km. Ich habe also mit den nötigen Umwegen wohl 50 km geritten in zusammen kaum 4 Stunden. Ich halte dies für erwähnenswert, weil ich seit Neujahr kaum auf einem Pferde gesessen habe. Sonntag, 25. April 1915. Heute morgen ist hier auf dem Mont ein Trupp der Garde Art[illerie]. angekommen, die unsere Geschütze und Stellung übernehmen soll. Der Unteroffizier erzählt dicke Mordgeschichten, ist dabei aber fast während der ganzen Zeit der heftigen Kämpfe in Lazaretten und dergl. gewesen. Er ist ein richtiger Berliner. Von uns sind gestern im ganzen 3 Unteroffiziere und 2 Mann zur Stellung der Garde Division hingekommen, um sich mit den Geländeverhältnissen vertraut zu machen. 26 Heute sind noch 6 Mann unserer Batterie dort hingekommen. Morgen sollen noch einige Leute überwiesen werden, sodass die Bedienung für einen Zug, 2 Geschütze, in unserer neuen Stellung ist. Mittwoch, 28. April 1915. Gestern abend 9 Uhr kam der Befehl, dass von unserer Batterie 3 Mann nach Maizerais in die frühere Gardestellung kommen sollten. Hierzu wurden bestimmt Karl Prelle, Louis Koopmann und Theo Buken. Alle drei wohnten mit mir zusammen im Beobachtungsunterstand. Bereits heute morgen 7 Uhr mussten sie bei unserer Küche in Varneville marschbereit sein. Dies Umkommandieren kommt folgendermassen: Unsere Leute in der Feuerstellung bei Maizerais haben ihre 2 Geschütze mit 2 anderen des Art. Reg. 55 zu einer Batterie vereinigt, und lösen sich mit den Mannschaften der 55. alle 2 Tage ab. Also: zunächst sind unsere Leute 2 Tage in der Stellung bei M[aizerais]. und bedienen alle 4 Geschütze. Dann werden sie von den 55. für 2 Tage abgelöst und gehen nach Neu-Pannes in Ruhe. So wechseln die Mannschaften immer ab. – Zur Bedienung von 4 Geschützen sind reglementmässig 28 Mann nötig. Von uns waren aber bisher nur 11 Mann in unserer neuen Stellung, deshalb sind noch 3 Mann überwiesen worden. 30. April 1915. Seit einigen Tagen kommt die Garde Infanterie schon nach hier auf den Mont. Unsere Infanterie geht dafür in die alte Gardestellung. Die ganze Garde Ersatz Division soll mit [der] 10. Ersatz Division die Stellungen tauschen. Gestern abend hatte die Garde-Infanterie Probealarm. Gegen 11 Uhr kam eine ganze Kompanie im Laufschritt von den Deckungen und ging in die Schützengräben auf dem „Jägerweg“. Der Alarm vollzog sich schnell und ruhig, obgleich die Leute erst einige Tage hier sind. Die Schütze unseres 2. Zuges, Leutnant Borstelmann, werden von dem Feld Art. Reg. 38 übernommen. Dies ist kein Garderegiment, sondern nur der Garde-Div[ision]. zugeteilt. Heute mittag bin ich zum Baden gewesen. Einige Leute aus unserer Küche haben nahe der Straßengabelung Woinville – Apremont und – Montsec eine kleine Badeanstalt gebaut. In einem starkfließenden Graben ist eine breite Stelle auf 1 ½ m vertieft und mit Brettern ausgelegt worden. Für Kriegszeiten ist [diese] Einrichtung sehr gut zu nennen. – Man kann mal ein Bad nehmen. Heute schien die Sonne sehr schön warm, das Wasser aber war ziemlich kalt, es ist Quellwasser, da bin ich mit einem Kameraden mal hingegangen. 27 Sonnabend, den 1. Mai 1915. Augenblicklich sind wir, die 1. Batterie, beim Packen. Ich selber bin gerade fertig. Es ist jetzt 6 Uhr nachmittags. Sobald es genügend dunkel ist, rücken wir ab. Wir bringen dann zunächst unsere Geschütze, wir nehmen alle vier mit, in das Dorf Varneville und werden da von unseren Protzen abgeholt. In Stellung kommen wir nahe dem Dorfe Maizerais. Uns gerade gegenüber liegt Flirey. Interessant war heute morgen, als das gröbere Gepäck der Mannschaften mit Leiterwagen weggefahren wurde. Heute sind 3 grosse Wagen abgefahren mit allen möglichen Sachen: Öfen, Küchenherde, Schränke, Tische, Bänke, Stühle, Betten, Federdecken und ähnliches. Es sah schlimmer aus, als wenn eine Zigeunerbande unterwegs ist. Heute abend ½ 8 Uhr müssen wir zunächst die noch vorhandene Munition den Berg hinuntertragen. An unsere Stelle kommen nämlich 9 cm Kanonen und da passt unsere Munition nicht. Nachher bringen wir die Geschütze nach unten. Es geht immer ziemlich steil bergab und da wird ein Knüttel in den Lafettenschwanz gesteckt, dass er als Gleitschiene auf der Erde entlanggleitet. Man braucht den schweren Lafettenschwanz dann nicht zu tragen und die Kanone wird gebremst. – Unten auf der Hauptstraße stehen unsere Protzen schon bereit und wir können sofort abfahren. Sonntag, 2. Mai 1915. Gestern abend haben wir unseren Mont verlassen. Mit 5 Mann haben wir zunächst 24 Körbe Schrappnells [sic!] nach Varneville getragen und 2 Lafetten hinuntergebracht. Beim Hinunterbringen der Lafette[n] sollten uns einige Kanoniere der 38. Feld. Art[illerie]. helfen, aber diese Leute wussten keine Kanone anzufassen. Um ca. 10 Uhr kamen wir von Varneville weg und fuhren nach Heudicourt und weiter bis in den Wald von Nonsard. Hier wartete unser Wachtmeister mit 2 Munitionswagen auf. Unser Hauptmann Wallbaum kam ebenfalls zu uns. – Nach längerem Hin- und Her-Überlegen kamen 2 Geschütze unter Führung des Oberleutnants Wulff nach Pannes. Die anderen 2 Geschütze und die Munitionswagen fuhren in den Wald, wo unsere Protzen gelegen haben. Pannes, Montag, 3. Mai 1915. Letzte Nacht sind von unserer Batterie die Kanoniere in [der] neue[n] Stellung gewesen, um Geschützstände, Laufgräben und Unterstände für Mannschaften zu bauen. Wir Freiwilligen mussten auch mit zuschanzen. So kamen im ganzen 18 Mann zusammen. Diese gingen in 2 Abteilungen zum Schanzen. Die 1. Abteilung arbeitete von 8 - 1 Uhr nachts und die 2. von 1 5 Uhr morgens. Die Nacht war sehr dunkel, so dass man kaum sehen konnte, was man eigentlich machte. Wir haben an zwei Geschützeinschnitten mit dem Beobachtungsstand gebaut. Wegen der grossen Dunkelheit ist nichts geschafft worden, wir sind vielmehr auf und abgelaufen und haben allerhand Späße getrieben. 28 [1915-05-03 Lageplan, Legende:] 1. 2. 3. 4. 5. Unsere Pferdeställe und Kanonierbaracken, solange diese in Ruhestellung sind. Feuerstellung, die wir von der 2.G.A. übernommen haben. 9 cm Zug der 2.G.A. Feuerstellung, die wir selbst gebaut haben. 1 - 4 Nummer[n] der Geschütze. Beobachtungsstand. Von der Garde übernommen, bleibt bestehen. 29 [1915-05-05 Lageplan, Legende:] 1. Erster Zug unserer Batterie. 2. Zweiter Zug [unserer Batterie]. 3. Dritter Zug [unserer Batterie]. B. Beobachtungsstand. U. Unterstand der Beobachter. K. Batterie-Küche. F. Flußbad der 1/62. in der Madine. P. Hauptrichtungspunkt unserer Batterie (Höhe 253). S. Französische Schützen- und Laufgräben. 4. Franz. Beobachtungsposten. 5-7. Feindl. Batterien im Besambois. E. Franz. Erdbefestigung[en], die im Januar durch die Bayern gestürmt wurden. 30 [Skizzen 1900-00-xx: Ausschnitt mit Legende auf der Rückseite:] P S 1. 2. 3. Hauptrichtungspunkt 0. Stand des Beschauers. 2 franz. Beobachtungsstände 15. Batterie im Bésambois. Flugzeug Abwehr Geschütze. 31 Mittwoch, 5. Mai 1915 Pannes Montag nachmittag und gestern sind wir in unserer neuen Stellung gewesen und haben Geschützeinschnitte ausgehoben. – Heute morgen ist Holz aus dem Walde von Lamarche geholt worden; die Einschnitte sollen eingedeckt werden, um gegen Schrappnellfeuer und Sicht geschützt zu sein. Heute morgen, es waren einige beim Arbeiten, ist unsere neue Stellung beschossen worden. Ein Schuss ist 3 m vor einem Einschnitt eingeschlagen. Ob die Franzosen die Stellung schon entdeckt haben oder ob sie nur die Gegend abgestreut haben, muss die Zeit lehren. Heute nachmittag von 2 - 3 Uhr haben wir 7 Kriegsfreiw[illigen]. Fahrer bei unserem Wachtmeister Reitunterricht gehabt und zwar auf Trense-Sitzkissen, damit wir uns mal einen geraden Sitz angewöhnten. Donnerstag, 6. Mai 1915. Gestern nachmittag sind wieder einige Leute, darunter auch ich, zum Schanzen in der neuen Stellung gewesen. Unsere Telephonisten legten eine Telephonleitung zu unserem alten Beobachtungsstand. Hierbei kamen sie über eine Höhe und waren vielleicht von einem fr[anzösischen]. Fesselballon aus zu sehen. Gerade als unsere Leute auf der Höhe waren, kam der Hauptmann und war sehr erregt darüber, dass die vorhandenen Deckungen so wenig ausgenutzt würden. Heute morgen, als es noch dunkel war, sind 2 unserer Geschütze in die neue Stellung gefahren worden. Eins von diesen ist heute vormittag eingeschossen worden. Die Bedienung ist um mittag gewechselt worden. Heute abend 8 Uhr kommt sie nach Pannes. Die Nacht über ist nur eine Wache von 3 Mann und 1 Unteroffizier bei den Geschützen. Für diese Wache bin ich eingeteilt. Zwischen 8 und 9 Uhr sollen wir die Bedienungsmannschaften bei den Geschützen ablösen. Hoffentlich regnet es nicht so, wie heute am Tage. Freitag, den 7. Mai 1915. Letzte Nacht war ich auf Wache bei unseren Geschützen in der neuer Stellung. Gestern abend ½9 Uhr sind wir aufgezogen. Ich hatte die 3. Nummer von 3 - 6 Uhr. Gegen 10 Uhr kam unsere Munitionskolonne mit 8 Fahrzeugen und brachte 720 Schuss an. – Heute morgen 4 Uhr wurde ein Geschütz in Stellung gefahren. Jetzt sind also 3 Geschütze in der neuen Stellung. Das vierte steht zwischen Maizerais und St. Baussant an der Straße. In der nächsten oder übernächsten Nacht soll es auch in die neue Stellung gebracht werden. Heute morgen bei Tagesanbruch kamen 3 Munitionswagen unserer Staffel mit 270 Schuss. Die Munition in der Geschützprotze war 36 Schuss. Vorhanden waren noch 36 Schuss. Im ganzen sind jetzt also 1062 Schuss in der neuen Stellung. 32 Dienstag, 11. Mai 1915. [1900-00-00 - Skizze: Kampfstellungen um Flirey] Sonntag Mittag bin ich in Stellung kommandiert worden und zwar als Telephonist im Beobachtungsstand. Beobachter war unser Hauptmann Wallbaum. – Mein Dienst währte bis gestern mittag. Geschossen hat die Batterie in dieser Zeit nicht. Wir sollten uns auf die Abschnitte A 6 und B l der franz. Stellungen einschiessen, kamen aber nicht dazu, weil die Abschnitte von unserem Beobachtungsstand aus nicht zu übersehen sind und die Telephonverbindung mit einem Artillerie-Beobachter in A 6 & B 1 nicht herzustellen war. Als ich gestern mittag in unsere Feuerstellung ging, um abgelöst zu werden, meinte ein Leutnant ganz wohlwollend, ich müsse auch die nächsten 24 Stunden noch in Stellung bleiben. – Anfangs war ich nicht recht damit einverstanden, aber jetzt freue ich mich doch, dass ich dort geblieben bin. Nachmittags machten wir einige Schanzarbeiten wie Munitionsunterstände und einen Schlafraum. Abends 9 Uhr kam der Befehl, uns feuerbereit zu machen, um die Arbeiten in den franz. Schützengräben die Nacht über zu stören. Wir sollten aber noch den Befehl zum Schiessen abwarten. – Plötzlich kurz vor 10 Uhr setzte ein franz. Angriff ein. Die fr. Infanterie griff ohne artilleristische Vorbereitung an. Unsere Inf[anterie]. erwiderte das Feuer kräftig und gab Zeichen mittels roter, grüner und weisser Signalraketen, dass die Artillerie das Feuer nach hinten verlegen, also hinter die fr. Schützengräben schiessen solle. Sofort setzte die gesamte Artillerie ein. Es war eine furchtbare Schiesserei. Gleich nach den ersten Schüssen wurde unsere Telefonleitung, die Verbindung mit unserer Beobachtungsstelle, von einer fr. Granate abgerissen und wir mussten auf Gut-Glück weiterschiessen. Unsere Batterie hat mit 3 33 Kanonen, die 4. war noch nicht eingerichtet, über 100 Schuss abgegeben. Wir richteten uns dabei nach dem Feuer der in unserer Nähe stehenden Batterien und hörten schliesslich ganz auf, als das Infanteriefeuer immer weniger wurde. Sonntag, 16. Mai 1915. In den letzten Tagen war die Gefechtstätigkeit vor uns ziemlich gering. Mittwoch und Donnerstag hat unsere Batterie noch einige hundert Schuss abgegeben, aber nachher war alles ganz ruhig. Heute sind in unserer Batterie Beförderungen herausgekommen. Sämtliche Kriegsfreiwillige, die im Besitz des Berechtigungsscheines für den Einjährig-Freiwilligen Militärdienst sind, sind zu überzähligen Gefreiten befördert worden. In unsere Abteilung sind diese Beförderungen im Vergleich zu anderen Truppenverbänden sehr spät herausgekommen. Bei dem F. A. R. 46 z. B. ist vor einigen Tagen ein Teil der Einj[ährig]. Freiw[illigen]. bereits zu Unteroffizieren befördert worden. Diese Verzögerung hat. teils an unserem Hauptmann, teils an unserem Major gelegen, die ein gutes Harmonieren junger Unteroffiziere mit älteren Mannschaften für unmöglich halten. Montag, 24. Mai 1915. Die letzte Woche ist ohne irgendwelches Ereigniss [sic!] verlaufen. Gestern am ersten Pfingsttage war das Wetter sehr schön. Da wir aber seit Freitag unser Lager in Pannes nicht mehr verlassen dürfen, war es an dem Feiertage sehr langweilig. Gegen abend habe ich aber mit einigen Kameraden doch einen grösseren Spaziergang gemacht. Seit heute mittag 1 Uhr bin ich im Schützengraben im Abschnitt „A 6“. Wir haben seit einiger Zeit bei der Infanterie Beobachtungsposten eingerichtet. Es ist ein Unteroffizier und bisher ein Trompeter als Telefonist. Heute habe ich den Trompeter abgelöst, um mal zu sehen, wie es eigentlich im Schützengraben zugeht. Der erste Eindruck, als ich heute mittag in den Graben kam, war nicht gerade der beste. Wir mussten zunächst 20 Minuten in einem Laufgraben entlang gehen, und das ist in brennender Sonne nicht das grösste Vergnügen. Dann in der vordersten Linie die ewig vielen Sandsäcke und die trockene Luft, man fühlt sich zunächst ganz beklommen. Nach Verlauf einiger Stunden wird es aber besser. Es ist bald, als wäre man bei uns in der Batterie in der Feuerstellung. Das Empfinden ist ganz ähnlich. Nur dass viel mehr zu sehen ist. An allen Ecken und Enden stehen Maschinengewehre, Minenwerfer, Gewehrspanner mit Winkelmesser zum Schiessen mit Gewehrgranaten und dergleichen Instrumente mehr. Handgranaten liegen überall herum. Dienstag, 25. Mai 1915. Heute morgen bin ich mit unserem Unteroffizier Roeßler auf das Gelände hinter unserem Schützengraben gewesen, um Fallschirme der franz. Leuchtraketen zu suchen. Wir sind aus dem Graben herausgegangen über die zerschossenen Wälder. In einem Walde, dem sogen. Totenwäldchen, ist kein grüner Strauch mehr zu sehen. Die Franzosen beschiessen diesen Abschnitt jeden Tag; sie vermuten dort jedenfalls Reservestellungen oder dergleichen. Morgens ½4 Uhr sind wir weggegangen. Um 5 Uhr waren wir zurück mit einer Beute von 11 Fallschirmen, 7 seidene und 4 leinene, und 8 Führungsringe, die wir von Hohlbläsern abgeschlagen haben. Einen Meissel hatten wir mitgenommen. Mittag um 1 Uhr wurden wir wieder abgelöst und sind augenblicklich in Pannes in Ruhe. Den ganzen Nachmittag habe ich geschlafen. Die heisse Luft im Schützengraben ermüdet doch sehr. 34 Mittwoch, 26. Mai 1915. Augenblicklich bin ich wieder im Schützengraben. Der Unteroffizier Roeßler hat sich heute morgen krank gemeldet und weil ich einigermassen über unsere Schussziele, wohin unsere Batterie eingeschossen ist, unterrichtet war, wurde ich dem stellvertretenden Unteroffizier zugeteilt, um ihn aufzuklären. Gestern vormittag haben die Franzosen ziemlich heftig auf unseren Graben geschossen, aber ohne etwas zu erreichen. Heute nachmittag waren wir in den Nachbarabschnitt B l an den Bahndamm gegangen. Plötzlich begann die fr. Artillerie ziemlich lebhaft zu schiessen. Die Geschosse krepierten in unserer unmittelbaren Nähe. Wir haben uns möglichst schnell aus dem Staube gemacht. Sonntag, 30. Mai 1915. Bis gestern mittag bin ich zum dritten Mal im Schützengraben gewesen. Gestern morgen 2½ Uhr entstand plötzlich ein furchtbares Infanteriefeuer. Man vermutete einen Angriff. Nachher stellte sich aber heraus, dass die Franzosen spanische Reiter vor ihre Gräben gebracht hatten und dann unsere Infanterie sie daran hatte hindern wollen. Einige Leute hatten Franzosen aus dem Graben herauskommen sehen und Schnellfeuer darauf abgegeben. Die Nebenmänner schossen ebenfalls tüchtig darauf los, um die anstürmenden Franzosen, wie sie glaubten, abzuhalten. So war schon nach ganz kurzer Zeit ein mächtiges Infanteriefeuer im Gange. Die Franzosen wussten jedenfalls garnicht, was eigentlich los war, vielleicht haben sie an einen deutschen Angriff gedacht. Sie erwiderten unser Feuer so 1ange, bis wir damit aufhörten und der Tag graute. Dienstag, 1. Juni 1915. Gestern ist uns von der Batterie ein Fragebogen betreffs Reserve-Offizier vorgelegt worden. Ich habe mit ja geantwortet. Wir sollen voraussichtlich in einiger Zeit auf 4 Wochen nach Deutschland kommen auf einen Truppenübungsplatz wie Munster oder dergleichen. Freitag, den 11. Juni 1915. In der letzten. Zeit ist hier nichts Bemerkenswertes vorgekommen. Das Wetter war immer sehr gut, aber reichlich warm. Gestern und vorgestern hatten wir abends Gewitter. Der Regen kühlte die Luft etwas ab, aber es war doch immer noch reichlich warm. Heute ist der Himmel leicht bewölkt. Die Luft ist sehr durchsichtig und klar. 35 Montag, 14. Juni 1915. Gerade eben, morgens 8¾ Uhr, findet über unserer Batterie ein Gefecht statt. Ein deutscher und ein franz. Flieger beschossen sich gegenseitig mit Maschinengewehren. Sie griffen sich mehrere Male an, bis der Franzose abstürzte. Der Führer und auch der Beobachter waren von dem deutschen Maschinengewehr getroffen worden. Ein Schuss hatte den Benzinbehälter getroffen und eine Explosion erzeugt. Der ganze Apparat stürzte aus 1200 m Höhe ab. Die beiden Insassen und der Motor fielen als schwarze Punkte voran ins Dorf Essey hinein. Sie lagen nachher auf der Straße; es waren nur noch Fleischklumpen, ein Sergeant und ein Offizier. Donnerstag, 24. Juni 1915. Die vergangenen Tage haben wenig besonderes gebracht. Vor unserer Front haben die Franzosen sich ruhig verhalten. Einiges Artillerie-Feuer und einige Minen erinnern uns daran, dass Krieg ist. Im Schützengraben ist am vergangenen Sonnabend eins unserer Minendepots aufgeflogen. Ein Unteroffizier der Minenwerfer-Abteilung wollte eine zerbrochene Mine zurechthämmern und traf dabei so unglücklich, dass ein Funke an die Zündschnur sprang und die Mine zur Explosion kam. Hierdurch geriet das ganze Depot in Brand und crepierte. Der Erfolg war: mehrere Tote und Verschüttete. Augenblicklich ist in unserer Batterie Pferde-Revision. Der Hauptmann ist auf Urlaub und der stellvertretende Oberleutnant will sich bei der Gelegenheit ein schönes Reitpferd suchen. Er hat sich das mir zugeteilte Pferd ausgesucht und will morgen probieren, ob es für ihn passt. Sonnabend, 26. Juni 1915. Seit gestern mittag sitze ich wieder einmal im Schützengraben als Beobachter. Für gestern nachmittag 2½ Uhr war ein Feuerüberfall auf die französischen Batteriestellungen angesetzt. Unsere Infanterie kroch, um sich vor evtl. französischem Vergeltungsfeuer zu schützen, in die Stollen hinein. Aber von franz. Seite erfolgte nichts. Wir beschossen die franz. Stellungen mit schön und richtig liegenden Schüssen. Leider konnten wir die Wirkung nicht erkennen. Nun noch eine verspätete Notiz: Wilhelm9 ist am 19. ds. Mts. morgens von Wilhelmshaven abgefahren. Bestimmungsort ist noch nicht ganz bekannt. Freitag, 2. Juli 1915. Augenblicklich sitze ich wieder einmal im Schützengraben bei der Infanterie. Es gibt viel zu sehen. Gestern nachmittag beschoss ein schwerer Minenwerfer die franz. Gräben und Barrikaden, die sich in einem Bahneinschnitt befinden, und richtete eine ziemlich grosse Verwüstung an. Die franz. Artillerie suchte den Minenwerfer natürlich zum Schweigen zu bringen und feuerte heftig auf die Stelle, an der die Minen abgeschossen wurden. Nach Aussage eines Bedienungsmannes der schweren Minenwerfer hatten wir bei diesem Schiessen an Verlusten 3 Tote und acht Verwundete. – Unsere schweren Minen haben einen Durchmesser von 30 cm und wiegen ca. 208 Pfund. Bei der Explosion erschüttert der ganze Boden bis zu uns herüber, dabei crepierten die Minen weit zurück in den französischen Stellungen. Gegen abend war ein Feuerüberfall auf die franz. Infanterie und Artillerie, um die franz. Artillerie zum Schiessen zu bringen und deren Stellungen und Stärke festzustellen. Unser Feuer wurde dann auch ziemlich heftig erwidert. Ob die Beobachtungsresultate gut oder schlecht sind, entzieht sich meinem Gesichtskreis. 9 Wilhelm Borggräfe (18.02.1890 – 13.01.1986), zweitältester Bruder. 36 Heute morgen ist jedenfalls durch eigenes Verschulden im französischen Graben eine mächtige Detonation erfolgt. Mächtige Erdmassen flogen hoch und stürzten in die Gräben. Die davorstehenden Drahtverhaue verschwanden ebenfalls in den Gräben, sodass unsere Infanterie schon an einen franz. Angriff mit vorhergehender Sprengung glaubte. Montag, 5. Juli 1915. Vorgestern nacht flog ein grosses Luftschiff über unsere Stellung hin in nicht all zu grosser Höhe. Bei dem ziemlich hellen Mondschein, es war gegen 1½ Uhr morgens, konnte man die Umrisse des Fahrzeuges deutlich erkennen. Es ging in Richtung St. Mihiel weiter und bekam nachher in der Nähe von Apremont Feuer. Am nächsten Morgen stellte sich heraus, dass es ein französisches Luftschiff gewesen ist. Mittwoch, 14. Juli 1915. Die letzte Woche ist ohne etwas Bemerkenswertes vergangen. Das Wetter war anfangs schön; in den letzten Tagen regnet es aber ziemlich viel. Für die Ländereien ist dies sehr gut, die Straßen aber sind mit einer Schlammschicht bedeckt. Der feucht gewordene, lehmige Boden bildet bei jedem Niederschlag eine klebrige Masse und setzt sich klumpenweise an aller Leute Stiefel. Bisweilen ist dann das Gehen recht beschwerlich. In unserer Kanonier-Wohnbaracke in Neu-Pannes an der Madine haben wir gestern einen kleinen Umbau vorgenommen. Das Strohlager ist etwas verkleinert worden; die freigewordenen Fläche bildet jetzt unser Wohn- oder Lesezimmer. Wir haben einen grossen Tisch, eine alte Tür, und zwei Bänke aufgestellt. Hier werden Correspondenzen und andere Schreibereien erledigt. An der vorderen Längswand der Baracke ist ein anderer grosser Tisch und eine Bank, unser sogen. Esszimmer. Jeder hat hier auf einer Borte einen bestimmten Platz und bewahrt hier seine Fett- & Wurstwaren und seine kleinen Pakete, überhaupt sein ganzes Hab und Gut auf. Alles ist in grösseren oder kleineren Pappkartons verpackt und schön auf den Borten aufgebaut. Lässt einer etwas auf dem Tisch herumliegen, so wird er mächtig angeheult. Nach dem Essen macht jeder seinen Teller rein und sorgt ebenso dafür, dass auf dem von ihm benutzten Platze keine Reste irgendwelcher Art herumliegen. Der „Schelmletzt [?]“ sorgt dafür, dass der ganze Tisch rein ist und stellt die Teller an den dafür bestimmten Platz. Dann wird [werden] die ganze Stube und der an der Baracke vorüberführende Fahrweg gefegt, und jeder haut sich ein Stündchen aufs Ohr. Sonntag, 18. Juli 1915. Vorgestern abend sind in unserer Batterie einige Beförderungen rausgekommen. Es wurden befördert ein Unteroffizier Thöling zum Vice Wachtmeister und Offiziers-Aspiranten und drei Kriegsfreiwillige Gefreite zu Unteroffizieren. Diese sind: Willi Riesebieter aus Blexersande bei Nordenham, Tappenbeck, ein Verwandter der Oldenburger Tappenbecks und meine Wenigkeit. Gestern morgen haben wir uns dem Hauptmann in vorschriftsmäßigem Dienstanzug vorgestellt. Gleich anschliessend hieran, ließ der Hauptmann sämtliche Freiwilligen und Kanoniere der Batterie antreten zum Fußdienst und wir neu beförderten Spinner mußten das Kommando übernehmen. Es klappte bis auf einige Fehler auf Seiten der Kanoniere tadellos. Zum Schluß meinte der Hauptmann zu den Kanonieren, als Entschädigung für dieses Bewegtwerden sollten sie sich von uns ein Faß Bier geben lassen. So wollen wir denn auch morgen oder übermorgen abend bei schönem Wetter eine allgemeine Kneipe veranstalten. Augenblicklich sitze ich als Geschützführer in der Batterie und werde heute abend abgelöst. 37 Mittwoch, 21. Juli 1915. Vorgestern abend erfahre ich von unserem Hauptmann, daß er mich zu einen Kursus für Reserve-Offiziers-Aspiranten auf der Artillerie-Schießschule in Jüterbog vorgeschlagen hat. Es ist aber bis noch nicht bestimmt, ob und wann ich hinkomme. Gestern und vorgestern hat je ein Geschütz unserer Batterie einen neuen Aufsatz, ein Rundblickfernrohr, bekommen. Die anderen zwei Kanonen kommen morgen und übermorgen zum Umbau weg. Donnerstag, 22. Juli 1915. Augenblicklich, es ist nachmittags 3 Uhr, sitze ich in unserer Batterie bei der zweiten Kanone als Geschützführer und bin zum Umfallen müde. Wir haben nämlich zu gut zu Mittag gegessen. Bei diesem Geschütz sind nur Freiwillige und da haben wir uns mal ein schönes „Diner“ zusammengekocht. Als ersten Gang gab es Spargel mit jungen Kartoffeln und Buttersauce, dann Apfelreis mit Zimmt [sic!] und Zucker und zuletzt einen Pudding aus Eiern und Backpulver, dazu Erdbeersaft. Natürlich hatten wir alles in solchen Mengen angerührt, dass wir auch wirklich satt davon wurden. Jetzt liegt die ganze Gesellschaft in der Schlafbude und pennt. Sonnabend, 24. Juli 1915. Gestern und vorgestern abend ist unser Beförderungsbier vertrunken worden. Ein neu beförderter Vice und wir 3 Unteroffiziere haben zusammen 200 Liter aufgelegt. Das Gelage endete jeden abend mit allgemeiner Besäufnis. Die Stimmung war aber immer sehr gut. Sonntag, 25. Juli 1915. Augenblicklich bin ich wieder einmal in unserer Batterie als Geschützführer beim 3. Geschütz. Gerade eben, es ist 12½ Uhr morgens, ist das 4. Geschütz, mit einem Rundblickfernrohr ausgestattet, von Beney zurückgekommen. Beim Hineinbringen in die Deckung wollten wir es auf Eisenbahnschienen entlang laufen lassen, um es so bequem richtig an Ort und Stelle zu kriegen. Doch plötzlich rutschten die Räder ab. Ein mächtiger Fall und die Kanone lag in dem Loch, wo sonst der Lafettenschwanz hineinkommt. – Doch nach ca. ½ Stunde hatten wir alles wieder in Ordnung; die Lafette stand richtig an ihrem Platz, ohne irgendwie beschädigt zu sein. Dann aber funktionierte das Einrichten noch nicht ganz. Die Deckung war zu niedrig, um ein richtiges Einstellen des neuen Aufsatzes zu ermöglichen. Die bisherige Richtfläche saß direkt über dem Verschlußstück, das Rundblickfernrohr aber stößt oben unter die Balken. Der ganze Bau muss also morgen um ca. 20 - 30 cm erhöht werden. Sonnabend, den 31. Juli 1915. Vorgestern vormittag haben wir Kriegsfreiwilligen, es waren deren 7 im Barackenlager zu Pannes, mit unserem Hauptmann eine Übung im Gelände gehabt. Um ca. 9 Uhr ritten wir los nach Beney zu und machten dann auf dem Gelände südlich von dem Dorf Gefechts-Übungen verschiedener Art. So z. B. Aufmarsch einer ArtillerieAbteilung, in Stellung-gehen der einzelnen Batterien, Anfertigung von Krokis 10 und Befehlsübermittlung. Nachher wurde allgemein exerciert: Auffahren der Geschütze, überhaupt alles, was in einer fahrenden Batterie vorkommt. Die Fahrzeuge waren hierbei durch einzelne Reiter markiert. Das Kommando wechselte nach jeder Übung. Gestern war exercieren am Richtkreis. Einrichten der Geschütze mit einem und zwei Richtkreisen. 10 Ein Kroki oder Croqui ist eine Skizze, die nur die zur Orientierung wichtigen Details enthält, ohne maßstabsgetreu zu sein. 38 Leider konnte ich hier nicht dabei sein; ich bin schon seit vorgestern bei den Geschützen in Feuerstellung. Mittwoch, 4. August 1915. In den letzten Tagen ist jeden morgen Exerzieren oder Reiten abgehalten worden. Entweder war es exerzieren am Richtkreis, eine Geländeübung oder Reiten in der Bahn. Die Übungen im Gelände waren immer sehr interessant. Gestern haben wir nun einen Sportplatz gebaut. Unsere Offiziere haben der Batterie einen Fußball gestiftet und jetzt soll jeden Tag Fußball gespielt werden. Auf einer großen Weide ist ein Spielplatz von vorschriftsmäßiger Größe gemäht und abgesteckt worden. Ob genügend Spieler vorhanden sind, weiß ich augenblicklich noch nicht. Freitag, 13. August 1915. Vorgestern hat unsere Batterie eine Kuh bekommen und zwar eine weiße, bayrische. Eine schöne Eigenschaft hat sie, sie gibt 12 Liter Milch. Die schlechten Angewohnheiten sind aber um so zahlreicher. Sie will sich nicht melken lassen, schlägt und läuft weg. Schon gestern morgen hat sie einen Abstecher nach Bouillonville gemacht. Sie graste auf der großen Weide vor unseren Baracken und trabte plötzlich davon über die nächste Höhe. Sofort wurde ein Mann zu Fuß und einer zu Pferde auf Kuhfang geschickt. Nach ungefähr einer Stunde kehrten die beiden Leute mit der eingefangenen Kuh zurück. Anfangs hatten sie überall vergeblich gesucht, hatten alle ihnen begegnenden Leute und die Posten vor den Dörfern gefragt; aber niemand hatte die Kuh gesehen. Dann hatten sie sämtliche Ställe der in der Nähe liegenden Batterien und Kolonnen revidiert, bis sie die Kuh endlich im Pferdestall einer Maschinengewehr-Kompanie fanden. Die Infanteristen hatten die Kuh gleich hinter der ersten Höhe aufgegriffen und in ihren Pferdestall gezogen. Nachmittags wurde ihr der Kopf ganz kurz an ein Vorderbein gebunden, sodaß sie wohl fressen aber nur langsam vorwärts kommen konnte. Auch so versuchte sie noch wegzulaufen; sie hinkte dann auf 3 Beinen vorwärts, sah aber doch bald ein, daß es so recht beschwerlich wäre. Jetzt grast sie ganz friedlich mit unseren 3 Schweinen zusammen vor unseren Baracken. Sonntag, 15. August 1915. Gestern abend spät bekam ich Befehl, als Gespannführer heute morgen nach Thiaucourt zum Bahnhof zu fahren und Kies zu holen und zwar mit 4 Wagen. Unsere Munitionskolonne und wir stellten hierzu je zwei Wagen. Heute morgen 7 Uhr mußten wir uns auf dem Bahnhof melden. Wir hatten statt unserer 2 Wagen einen großen Kastenwagen mitgenommen, auf den wir 4 - 5000 Pfund laden konnten. Bis auf einige Scherereien auf dem Bahnhof Thiaucourt, wir mussten den Waggon erst in das Ladegleis rangieren lassen, ging alles gut vonstatten. Weil es tüchtig regnete und die Feldwege sehr glatt waren, fuhren wir die Straße Thiaucourt – Beney – Pannes, obgleich es ein ziemlich großer Umweg ist. Schon kurz nach elf [Uhr] waren wir im Dorfe Pannes. Hier aber sollten wir einigen Aufenthalt haben. Die Straße in Pannes fällt vom Anfang des Dorfes bis zur Schule, ca. 300 m, recht steil ab. Wir schraubten deshalb die Wagenbremse an und fuhren getrost hinunter. Auf halber Höhe brach plötzlich die Bremse und der Wagen kam ins Laufen und die 6 Pferde machten Galopp den Berg hinunter. Es wäre alles gut zu Ende gegangen, wenn nicht die beiden Vorderräder abgelaufen wären. Durch den sehr hohen Druck, es waren ungefähr 5000 Pfund Steine auf dem Wagen, und große Geschwindigkeit sprangen die Achsbolzen aus den Achsen und [die] Räder liefen ab. So auf der Vorderachse liegend, rutschte der Wagen noch 20 m weit. Nun war guter Rat teuer. 39 Anfangs wollten wir von unserem Lager einen anderen Wagen holen und den Kies umladen. Hiervon sahen wir aber sofort ab, weil wir dann endlosen Neckereien unserer Kameraden ausgesetzt gewesen wären. Wir mussten uns also selbst helfen. Da kam uns ein kleiner Bayer von einer Ballonabteilung zu Hilfe, er lieh uns eine Winde, und nach kaum einer Viertel-Stunde konnten wir weiterfahren. Es war eine sehr interessante, lehrreiche Fahrt. Nur schade, dass es gerade Sonntag mittag war. Die Zivilisten, die Pisangs,11 kamen in ihrem Sonntagsstaat herbeigelaufen und wir wühlten im Dreck. Montag, 30. August 1915. Gestern abend haben wir eine große Nachtübung gemacht. Die ganze Abteilung, erste und zweite Batterie und die leichte Munitionskolonne, war mit allen verfügbaren Fahrzeugen zur Stelle. Wir von der ersten Batterie fuhren mit 4 Munitionswagen und dem Beobachtungswagen von Pannes über Essey in unsere Feuerstellung. Wir sollten von hier quer durchs Gelände zur Straße Nonsard – Pannes kommen. Auf diesem Wege aber waren allerlei Hindernisse zu passieren. Da waren Wasserlöcher, steil abfallende Hügel, alte Infanteriestellungen und Drahtverhaue. Trotz all dieser Hindernisse erreichten wir die Straße fast ohne jeden Aufenthalt und wurden dort von dem Abteilungsstab in Empfang genommen. Nach kurzem Halten fuhren wir dann durch einen großen Weinberg auf ein freies Feld in Stellung. Der Abteilungsführer, Herr Hauptmann Hammerstein, hielt hier schon und hatte auch unsere Stellung durch aufgestellte Leute markiert. Unsere 2. Batterie sowie die L. M. K. (leichte Munitionskolonne) waren ebenfalls mit mehreren Gespannen gekommen, sodaß diese Nachtübung eine richtige Abteilungs-Übung wurde. Nachdem einmal ab- & aufgeprotzt worden war, setzte sich alles wieder in Marsch, Richtung nach Hause. Gegen 2 Uhr langten wir dort wohlbehalten an. Mittwoch, den 8. September 1915. Gestern morgen war für das Feld-Art. Reg. 94 eine Gelände-Übung angesetzt worden. Die einzelnen Batterien erschienen hierzu mit Munitions- und Beobachtungswagen. Von der ersten Abteilung waren die 1. und 2. Batterie, von der 2. Abteilung die 4., 5. und 6. Batterie auf dem Platze. Dazu kam von jeder Abteilung eine leichte Munitionskolonne. Es war also eine ganz stattliche Anzahl Fahrzeuge zusammen. Morgens 8½ Uhr begann die Übung, die Batterien mussten in langer Kolonne hintereinander in einem Waldweg aufgefahren stehen. Zur festgesetzten Zeit kam der Befehl: Die Abteilungs- & Batterieführer nach vorn kommen mit ihren Trupps. Die einzelnen Batterien bekamen ihre Stellungen angewiesen und mussten einfahren. Es wurde abgeprotzt und die Protzen gingen hinter einer Hecke in Deckung. Telefonleitung wurde gelegt, und die Geschütze mit Richtkreisen eingerichtet. Die Batterien waren „Feuerbereit“. – Jetzt kam: „Die Herren Offiziere zur Kritik“. Unser Brigadekommandeur Generalmajor von Leppert war selbst gekommen und jeder bekam was abgerissen. Nicht eine Batterie war fehlerfrei in Stellung gekommen. Im ganzen sprach der General aber sehr allgemein. Er ging zuletzt auf Einzelheiten über und machte auf deren Wichtigkeit aufmerksam. Nach ca. ½ Stunde entließ er die Offiziere wieder. Plötzlich kam Befehl zum Abrücken und eine weiter östlich liegende Stellung zu beziehen. Jetzt wurde den Abteilungsführern ganz freie Hand gelassen; sie konnten mit den Batterien Stellungen beziehen, wo sie wollten, nur musste ein bestimmtes Ziel von dort aus zu beschiessen sein. Bei dem jetzt folgenden Stellungswechsel entstand in der ersten Abteilung 11 Siehe Fußnote 8. 40 eine ziemliche Verwirrung. Die erste und zweite Batterie verließen die alten Stellungen, ohne irgendwelche Befehle des Abteilungsführers bekommen zu haben. Sie fanden sich denn auch nachher ganz verlassen in einer engen Schlucht wieder. Die Hauptleute hatten ihre Batterien verloren und wußten selber nicht, wo sie die nötigen Befehle erhalten sollten. Um das Maß voll zu machen, fuhr die erste Batterie noch über eine Höhe, die vom Ziel aus frei zu übersehen war. Bei der nachfolgenden Kritik kriegte die erste Abteilung denn auch einen Rüffel nach dem anderen. Der Brigade-Kommandeur meinte, bei einem Angriff auf den Feind und solchem Auffahren der Batterien wäre von der ganzen ersten Abteilung auch nicht ein Mann übrig geblieben. Dann sagte er ganz ironisch, die Franzosen seien mitunter recht merkwürdige Leute; gerade bei solchen Gelegenheiten schössen sie sofort. Die zweite Abteilung schnitt uns gegenüber geradezu glänzend ab. Das Stellungsuchen, Seitenaufklärung, Auffahren und Schießen (hier nur markiert), alles klappte tadellos. Gegen 1 Uhr war die Übung beendet und wir fuhren ganz befriedigt nach Hause. 41 [3. Heft] 42 Pannes – Flirey. Freitag, 10. September 1915. Seit gestern mittag 1 Uhr bin ich als Beobachter im Schützengraben nördlich Flirey. Ich habe diesen Posten nur vertretungsweise bekommen. Ein Unteroffizier ist nämlich auf Urlaub gefahren und der zweite hat sich krank gemeldet. Jetzt versehen wir den Posten zu zweien: Wilh[elm]. Riesebieter aus Blexersande und ich. Gestern nachmittag war das Feuer der Artillerie ziemlich heftig auf beiden Seiten. Dazu werden den ganzen Tag Minen hinüber und herüber geworfen. Es ist ein ununterbrochenes Geschieße. Die Franzosen [melden] schon seit Wochen täglich in ihrem Kriegsbericht: „Besonders heftige Artillerie-Tätigkeit wird aus der Gegend von Apremont und nördlich Flirey gemeldet. Wir behielten die Oberhand“. Auf welche Art die Franzosen ihre Überlegenheit bei diesen Artilleriekämpfen feststellen, ist mir unerklärlich. Wenn sie die Wirkung ihres Schießens wüßten, würden sie sie wohl kaum als überlegen bezeichnen können. Selbst hier im Schützengraben, wo bei weitem das meiste Feuer hinkommt, ist der Erfolg fast immer gleich Null. Es kommen wohl Tage vor, an denen wir ein, zwei, ja auch drei Mann Verluste an Toten und Verwundeten haben, aber durchschnittlich sind diese Verluste nicht größer als ein Mann pro Tag in einem Grabenstück, daß von 600 - 800 Mann besetzt ist. Sonnabend, 11. September 1915. Heute morgen war für unsere. Abteilung eine Gelände-Übung angesetzt. Die erste und zweite Batterie und die L. M. K. [leichte Munitionskolonne], alle nahmen daran Teil [sic!]. Es handelte sich um einen Rückzug auf Richtung Thiaucourt. Der Feind hatte unsere Stellungen bei Vigneulles-Combres durchbrochen, und wir hatten die Aufgabe, die aus Richtung Heudicourt-Nonsard anmarschierende fr[anzösische]. Infanterie so lange aufzuhalten, bis genügend deutsche Verstärkungen heran wären, um den Feind zurück zu werfen. Die erste Stellung der Abteilung lag ca. 1200 m südöstlich von Nonsard an einem Bach. Der Feind konnte von hier aus gut beschossen werden, doch wurde er durch herankommende Verstärkungen zu überlegen. Wir suchten uns deshalb eine neue, flanki[e]rende Stellung nahe der Straße Pannes-Beney. Gegen 10 Uhr wurde die Übung abgebrochen. Wir fuhren dann ganz gemütlich nach Hause. Augenblicklich sitze ich wieder einmal im Schützengraben auf Beobachtung. – Morgen mittag 1 Uhr werde ich abgelöst. 43 Montag, 20. September 1915. [1915-09-20 - Schützengräben-Plan:] Französische Schützengräben westlich von Flirey en Woëvre. [Siehe auch 1900-00-00 - Skizze, 11. 5. 1915]. In der vergangenen Woche bin ich jeden zweiten Tag als Beobachter im Schützengraben bei der Infanterie gewesen. Es war immer sehr interessant. Die Franzosen schossen fast unausgesetzt auf unsere Gräben und die weiter zurückliegenden Stellungen. Jeden Tag ein bis zweimal nahmen sie die Waldlager und Artillerie-Stellungen unter Feuer. – Gestern morgen und während der vorhergehenden Nacht beschoßen [sic!] die Franzosen besonders die Gräben der Abschnitte A 6 und A 5 nördlich von Flirey. Eine Strecke von ca. 300 m ist vollständig zerstört. Unsere Infanterie ist während des[sen?] in die Stollen und in die zweite Stellung gegangen. Im vorderen Graben selbst war der Aufenthalt unmöglich. Verluste haben wir, soviel ich gehört habe, nicht. Donnerstag, 23. Sept. 1915. Seit vorgestern abend spiele ich Geschützführer in unserer Batterie. Bis gestern abend war ich bei der zweiten, jetzt bei der vierten Kanone. Mit solch fixen Leuten, wir ich sie jetzt habe, macht das Schießen mächtig Spaß. Das Kommando des Batterieführers ist kaum durchgegeben, so hat der Richtkanonier die Richtmittel schon gestellt und die Kanone eingerichtet, der Lade-Kanonier hat geladen, und auf das Schuß-Kommando wird sofort abgefeuert. Das Rohr läuft zurück und wieder vor. Der Verschluß wird aufgerißen [sic!], ein neues Geschoß kommt ins Rohr und der Verschluß wird wieder vorgeschoben. Inzwischen ist die Kanone schon neu eingerichtet, und der nächste Schuß kann abgefeuert werden. Es sieht schön aus, wie exact die alten Landwehrleute arbeiten. Gestern und heute mittag haben wir uns schöne Diners bereitet. Gekochte Kartoffeln mit Fleischsauce und gestern dicken Reis, heute Bohnensalat. Es schmeckte tadellos. – Vorgestern morgen ist Wilh. Riesebieter zu einem Minenwerfer-Kommando gekommen. Es ist eine Behelfs-Minenwerfer-Abteilung, die eigentlich von der Infanterie zusammengestellt wird. Ob dies Kommando nun ein dauerndes ist, oder ob es später wieder aufgelöst wird, weiß ich nicht. Augenblicklich ist Riesebieter im Abschnitt A 2 in der Nähe von St. Baussant. [Siehe auch 1900-00-00 - Skizze, 11. 5. 1915]. Donnerstag, 30. September 1915. Heute sitze ich wieder einmal im Schützengraben auf Beobachtung. Gestern nachmittag und auch heute vormittag ist es sehr ruhig. 44 Gestern abend kam gegen 8 Uhr durch, daß kein Mann mehr auf Urlaub fahren dürfe. Sämtliche Leute, die jetzt auf Urlaub sind, bekommen sofort Nachricht, ins Feld zurückzukehren. Mittwoch, 5. Oktober 1915. Der Befehl gegen den Urlaub hat doch nicht so hart geklungen, als er im ersten Augenblick aussah. Die in der Heimat befindlichen Urlauber brauchten nicht zurückzukommen. In den nächsten Tagen sollen auch schon wieder Leute von hier abfahren. Während der letzten Woche bin ich jeden dritten Tag im Schützengraben gewesen. Schlecht war es dort immer mit dem Uebernachten. Unsere alte Deckung ist zusammengeschossen worden, und da gehen wir jeden Abend ins etwas zurückliegende Waldlager. Wir suchen uns dann in irgendeinem Unterstand Quartier, wo denn gerade Platz ist, ziehen wir ein. Hierbei gibt es vielerlei Erlebnisse. – Die letzte Nacht haben wir bei der 3. Korporalschaft der 12. Komp. 368. gewohnt. Es geht dort sehr lebhaft zu. Abends, sobald es dunkel ist, kriecht die ganze Gesellschaft in ihre Deckung, ißt erst etwas zu Abend und legt sich dann hin, die allgemeine Unterhaltung beginnt. Anfangs geht es ganz friedlich zu. Der eine oder andere erzählt dies oder das. Dann wird mal ein Lied gesungen. Nachher wird es aber lebhafter. Man singt einen Rundgesang. – Als wir an der Reihe waren und nicht sangen, bekamen wir natürlich einen Tadel zu hören: „Habt's schlecht gemacht, habt's schlecht gemacht, drum werd’t ihr jetzt ausgelacht.“ Für die jungen Leute, die ganze Korporalschaft besteht nur aus solchen, ist dies ein guter Zeitvertreib, die langen Abende gehen hin. 11. Oktober 1915. Heute sitze ich wieder einmal vorn, und zwar im Waldlager in einem alten, verlassenen Unterstand. Bei der Infanterie in den Korporalschaftsdeckungen gefiel es uns garnicht mehr. Jeden Abend mussten wir das Lager nach einem Platz für uns absuchen, und da haben wir uns nach einem unbenutzten Raum umgesehen und in einer ganz verlassenen Gegend auch eine alte Deckung gefunden. Die ganze Bude ist 1,50 m breit und 3 m lang. Große Sprünge können wir also nicht machen. Auf einer Bank kann man nicht einmal gerade sitzen. Die Höhe des Raumes beträgt nur ca. 1,30 m. Aber es ist doch besser, als jeden Abend hinter der Infanterie herlaufen zu müssen. 16. November 1915. Über einen Monat habe ich keinen Eintrag gemacht. Die Zeit verging rasend schnell. Das Wetter ließ, besonders in letzter Zeit, recht zu wünschen übrig. Es regnete täglich, an einigen Tagen schneite es sogar. Heute, Großherzogs Geburtstag, ist es dagegen sehr schön. Die Sonne scheint den ganzen Tag, kein Windchen rührt sich, es ist wirklich schön. Seit vier Tagen bauen wir vorn im Schützengraben bei der Infanterie einen Unterstand für uns Beobachter. Unser Hauptmann und besonders unser Wachtmeister konnten sich anfangs garnicht dazu verstehen, einige Leute zum arbeiten zu kommandieren. Auf unser Drängen hin werden aber jetzt doch täglich 2 Mann zum arbeiten geschickt. Sonntag, 28. November 1915. Am vorigen Sonntag bin ich morgens 8 Uhr von Thiaucourt nach Beverloo abgefahren. Vom Regiment 94 waren wir mit zweien zu dem Kursus kommandiert. Wir fuhren über Metz – Luxemburg nach Brüssel, wo wir abends gegen 8 Uhr eintrafen. In der belgischen Hauptstadt herrschte mächtiger Verkehr. Man merkte kaum etwas vom Krieg. Das deutsche Militär, man traf auf den Straßen verhältnismäßig wenig, ging wegen der Gefahr eines Überfalles dauernd mit geladenen Gewehren herum. Die Straßenbahn, Droschken alles ist noch vollständig in Betrieb. Wir sahen uns das Brüsseler Leben bei Abend an und machten einen kleinen Bummel 45 durch verschiedene Lokale. Am nächsten Morgen war auf allen größeren Plätzen Markt. Alles war schön übersichtlich und geordnet angelegt. Auf einem Platz war Gemüse-Markt, auf dem anderen Fleischmarkt, auf einem dritten Wildpretmarkt und so fort. Butter, Käse und Eier, Wurst und Schinken, alles war zu kaufen. Dabei war alles sehr preiswert. Butter kostete z. Bs. 2 fr 20 c = M 1.80, wo sie in Deutschland doch M 2.30 - 2.50 kostet. Nachmittags gegen 2 Uhr fuhren wir dann weiter nach Löwen und blieben dort bis gegen 6 Uhr. Die in der Nähe des Bahnhofs gelegenen Stadtteile sind arg beschädigt. Aber weiter unten in der Nähe des Rathauses ist alles unbeschädigt. Die Arbeiterviertel sind z. Zt. ganz von der Beschießung verschont geblieben. Abends, kurz nach 8 Uhr trafen wir in Beverloo ein. Wir wurden von einem Leutnant in Empfang genommen und ins Lager geführt. Hier wurden wir, es waren mittlerweile wohl 200 [Leute] geworden, die am Kursus teilnehmen wollten, in Inspectionen eingeteilt. 29. November 1915. In die zweite Inspection, in der ich bin, kamen die Leute der Armeeabteilungen Strantz und Gaede. Einquartiert wurde diese Inspection in die Baracke 125. Ich wohne auf der Stube 5. Am nächsten Morgen, also Dienstag morgen trat die Inspection um 8 Uhr an. Es waren 72 junge Leute, meist Vice-Wachtmeister und Unteroffiziere. Gefreite waren nur ca. 10 dabei. Im Laufe der Woche sind noch 12 von uns anderen Inspectionen zugeteilt worden, sodaß wir jetzt noch 60 sind. Unser Inspectionsführer, Herr Oberleutnant von Baumbach, teilte uns zunächst die hiesigen Dienstvorschriften mit. Dann diktierte er folgende Zeiteinteilung: Montag: Dienstag: Mittwoch: Donnerstag: Freitag: Sonnabend: 8 - 9.30 10 - 11.30 2- 3 3.00 - 4.30 8 - 8.45 9 - 10 10.30 - 11.30 2- 3 3.30 - 5 8 - 8.45 9 - 10 10.30 - 11.30 nachmittag 8 - 9.30 10 - 11.30 2- 3 3.30 - 5 8- 9 10 - 11.30 2- 5 8 - 11 Gefechtsmäßiges Geschützexerzieren Geräteunterricht Schießunterricht Regl. Geschützexerzieren Exerzieren zu Fuß Schießunterricht Regl. Geschützexerzieren Geräteunterricht Taktische Besprechung Exerzieren zu Fuß Geräteunterricht Schießunterricht Schulschießen der 5 Abteilungen Schießunterricht Gefechtsmäßiges Exerzieren Regl. Geschützexerzieren San. bzw. Vet. Unterricht Geschützexerzieren Erdarbeiten Rahmenübung und taktische Besprechung Bespanntes Exerzieren und gefechtsm. Geschützexerzieren Den theoretischen Unterricht haben wir bei Herrn Major von Both, früher bei Feld-Art. Reg. 20. Das Geschützexerzieren und den Geräteunterricht leitet ein Hauptmann Wolff vom 9. Bay. Feld. Unser Inspectionsführer ist Herr Oberleutnant von Baumbach, ein früherer Dragoner. 46 2. Dezember 1915. In der ersten Woche meines Hierseins ist im Dienst alles wiederholt worden, was wir schon früher im Unterricht in der Garnison erfahren haben. Am Freitag war Schulschießen mit Feldhaubitzen. Für Sonntag hatte ich keinen Urlaub eingereicht, ich machte deshalb größere Spaziergänge mit einigen Kameraden in die Umgebung des Ortes Bourg Leopold und auf den Exerzierplatz. Der Exerzierplatz ist eine große Heide- und Sandfläche, über 100 qkm. Im Frieden sind hier große Manöver der belgischen Armee abgehalten worden. Zwei große Barackenlager sind für die Unterbringung der Soldaten erbaut worden. Zeitweise sollen [sich] hier 300000 Mann aufgehalten haben. Bei Besetzung dieses Gebietes durch die Deutschen haben hier fast keine Kämpfe stattgefunden. Die Regimenter waren alle zur Verstärkung nach Lüttich geschickt worden und die zurückgebliebenen Wachen versuchten, die Barackenlager in Brand zu stecken. Gelungen ist ihnen dies nur bei ungefähr ½ Dtz. [Dutzend] Pferdeställen. Sonst ist alles unbeschädigt. Jetzt befinden sich hier alles in allem wohl 15000 Mann. Artillerie ungefähr 500 Mann, einige Kavalleristen, sonst alles Infanterie. Sonnabend, 4. Dezember 1915. In der vergangenen Woche war der Unterricht, theoretischer sowie praktischer, sehr viel interessanter als in der 1. Woche. Die Vortragsthemen waren besonders „Schießen gegen alle möglichen Ziele in Bewegung“. Der Major ging auf viele Möglichkeiten ein. Am Mittwoch fand ein Scharfschießen mit Kanonen statt. Ich spielte dabei Richtkanonier an der 3. Kanone. Im ganzen sind dabei ca. 70 Schuß abgegeben worden. Seit vorgestern ist das Wetter furchtbar schlecht. Es regnet fortgesetzt. Gestern nachmittag war eine Rahmenübung, eine Übung, bei der eine ganze Abteilung: also 3 Batterien, im Gelände gefechtsmäßig exerziert. Die Gespanne sind dabei durch Reiter markiert. Als Gefechts-ort war das Dorf Kerkhoven bestimmt. – Wir fuhren den 6 km weiten Weg mit großen, von der Batterie gestellten Planwagen. Unterwegs fing es schon mächtig an zu regnen, und es regnete während der ganzen Dauer der Übung. Auf dem Heimwege hatte der Wagen, auf dem ich mich befand, noch besonderes Pech. Die Vorderpferde rissen nämlich die Vorderbracke los und [wir] mußten mit nur 2 Pferden ganz nach Hause fahren. Wir kamen etwa 1 Stunde später in Bourg-Leopold an als die übrigen Wagen. Für heute morgen war wieder eine große Geländeübung angesetzt. Sie mußte aber wegen zu starkem Regen ausfallen. Dafür hielt unser Major einen Vortrag [über] taktische Sachen. 47 [1915-12-04 - Lageskizze]. 48 Donnerstag, 9. Dezember 1915. Letzten Sonntag war ich Unteroffizier vom Dienst. Ich mußte die Befehle für die Inspection empfangen und sie bei den Offizieren rumtragen. Abends 6 Uhr ist dann Postempfang. Für unsere Inspection war besonders viel da. Man hatte ordentlich zu schleppen. Heute nachmittag hatten wir wieder einmal Schulschießen, und zwar mit Feldhaubitzen. Unter anderem wurde ein Schützengraben im Bogenschuss beschossen. Leider war es ziemlich neblig und man konnte den Graben schlecht beobachten, die Entfernung war 2800 m. Angenommen war, daß auf der Rückseite des Grabens Unterstände eingebaut seien, die wir zerstören sollten. Es wurde deshalb mit Granatenaufschlag und Verzögerung geschossen. Die Wirkung war eine großartige. Es wurden bei jedem Schuß mächtige Erdmassen hochgeworfen. Dienstag, 14. Dezember 1915. Für gestern und heute war eine große Besichtigung angesetzt. Der General der Artillerie von Kehrer, dem die Kurse in Jüterbog und Beverloo unterstellt sind, wollte sich von unserem Können überzeugen. Zu unserer großen Freude wurde jedoch im letzten Augenblick bekannt, daß die Besichtigung auf Januar 1916 verschoben sei. Das angesetzte Schießen wurde aber doch abgehalten. In unserer Inspection hatten wir 64 Schuß für eine Kanonenbatterie. Mitten im Schießen wurde das Wetter aber plötzlich so schlecht, daß wir zu schießen aufhören mußten. Es entstand ein solches Schneetreiben, daß man kaum 20 m weit sehen konnte. Nach einiger Zeit, der Major wollte gerade mit der Batterie nach Hause fahren, kam der General Heyxter, der den hiesigen Kursus kommandiert, und sagte ganz trocken: sie können ja mal noch ne halbe Stunde warten, dann wird es wohl heller werden. Dabei waren wir schon vollständig durchgefroren. Es wurde dann auch wirklich besser und wir konnten das Schießen zu Ende führen. Für heute abend hat unsere Inspection eine Abschiedsfeier angesetzt. Morgen gehen nämlich die am Kursus teilnehmenden Leutnants von hier weg. Hoffentlich gelingt die Feier. Mittwoch, 15. Dezember 1915. Die Feier gestern abend war großartig. Alles war da. Major, Hauptmann und Oberleutnant. Auch sämtliche Offiziere, die der Inspection zugeteilt sind, waren gekommen. Um 7 Uhr begann das Essen. Hieran anschließend war dann der Commers, der den Character einer Weihnachtsfeier trug. Es stand ein schöner Baum im Saal, auf das prächtigste geschmückt. Als Einleitung wurde das Lied „O Tannenbaum“ gesungen. Dann hielt der Major eine Ansprache. Er sagte, daß diese Feier wohl für viele von uns, so auch für ihn, das Weihnachtsfest sein würde, da man im Felde doch kaum Gelegenheit habe, eine derartige Feier zu veranstalten. Dann sprach er von unserem Kursus hier in Beverloo und ging zur FeldArtillerie über. Jetzt im Stellungskriege spielten wir eine recht klägliche Rolle, eine minderwertige, kleinkalibrige Fußartillerie. Im Bewegungskriege seien wir jedoch die Artillerie, eine leicht bewegliche, plötzlich auftretende Waffe, durch die die Entscheidung im Kampfe herbeigeführt wird. Er hoffe deshalb, der Stellungskrieg möge zu Ende gehen und der Bewegungskrieg dann bald eine endgültige Entscheidung in diesem großen Völkerringen herbeiführen. Nach einiger Zeit erschien auch der Weihnachtsmann und überreichte den Offizieren und einigen Kursusteilnehmern kleine, mit Sprüchen und Versen versehene Paketchen. Der Major bekam eine rote Brille, damit ihm beim Zeugnisschreiben alles im rosigsten Licht erschiene. Der Oberleutnant, der viel und gern schläft, erhielt ein kleines Bett, das er immer mit sich umhertragen und jeden Augenblick benutzen kann. Anschließend war großer Commers. Um Mitternacht ungefähr endigte die Feier mit allgemeinem Angeheitertsein. 49 [Einschub:] Mitbewohner der Stube 5/125. Vice-W[achtmeister]. W. Fuchs Vice-W[achtmeister] H. Hagemann Vice-W[achtmeister] O. Meyen Unteroff[i]z[iere] Radisch G. v. Harsdorf I. Werle H. Demant Fr. Otten W. Bodenheimer Fahnenjunker R. Jäger 5. Batt. 6. Bay. Feld. 5. Bay. Div. 3. Bay. A. K. 6. Batt. FAR 95. 10. Ers. D. 5. Batt. FAR 20. 10. Inf. Div. 5. A. K. 2. Batterie. 7. Garde FAR 8. Garde. Ers. Division 3. A. K. Zug 46. 8. Bay. Feld. 6. Bay. Div. 3. Bay. A. K. 3. Batt. 8. Bay. Res. Feld. 8. Bay. Res. Division FAR 92. 10. Ers. Division. 8. Landw. Feld A. Res. 6. Batt. 3. Abt. 8. Landw. Division 1. Batt. Res. FAR 20. 12. Landw. Div. 5. Batt. 10. Bay. Feld. 5. Bay. Division. 3. B. A.K. 50 [Einschub Liedtext mit anderer Handschrift:] Lt. [Leutnant] Menzel Weise: Wohlauf die Luft geht frisch u. rein. 1) Wohlauf laßt uns ein Abschiedslied vom Schießplatz heute singen. Ein jeder bald von dannen zieht Eh Weihnachtsglocken klingen. Der eine eilt ins Vaterland Zu Haus ins Heimatstädtchen. Der andre denkt im Unterstand /: daheim ans liebe Mädchen /: Valleri Vallera 2) 4 Wochen Beverloo vereint hier viele Artillristen. Gar mancher gut zu schießen meint, doch muß er neu sich rüsten. Der Fähnrich und der Leutenant, die wirkten hier zusammen. Und mancher Kameradschaftsbund /: wird von dem Schießplatz stammen /: 3) Früh Morgens, wenn es duster noch Beim schwachen Glanz der Sterne Reckt jeder sich im Bette hoch Man schläft noch so gerne. Aber [?] durch die frische Morgenluft Bei Schnee und auch bei Regen Da wittert jeder Kaffeeduft /: Eilt freudig ihm entgegen /: 4) Bespanntes Exerzieren heut Und morgen Kasernenübung Der Richtkreis interessanter heut Mit seiner Seitenschiebung. 1 hoch, 1 tief, und 40 mehr Man schießt so gerne Gruppen. Als Batterie- Staffel- Zugführer /: Muß auf das Pferd man huppen /: 5) Und ist man mal nicht eingeteilt K 1 bis 5 gleich andern das Schicksal einen doch ereilt Man muß zu Fuße wandern. Durch Dünensand u. tiefen Dreck Da tröstet die Libelle. Denn ach der große Schießplatzbiwak [?] /: Ist selten nur zur Stelle /: 6) Von einer hohen Excellenz 51 Sollt es Besichtigung geben. Das war die höchste der Potenz In unserm Schießplatzleben. Er kam nicht u. der böse Feind Im Schneesturm an den Dünen Mit A u. Bz.12 man vereint /: Beschoß mit frohen Mienen /: 7) Drum Artill’risten, Gläser hoch Ihr Bayern, Preußen, Schwaben Viel Feind, viel Ehr, wir siegen doch Wenn wir die Gabel13 haben. Nun kehrt zurück, vergesset nie Was man Euch hier gegeben Die Schießkunst unsrer Artillerie /: die „Barbara“ soll leben /: Valleri Vallera Beverloo am 14. Dec. 15 Sonnabend, 1. Januar 1916. Am 21.Dezember war in Beverloo Abreisetag. Am Sonntag, den 19. Dez., war ich mit mehreren Kameraden nach Antwerpen, um die Stadt zu sehen. Wir trafen sehr schönes Wetter [an] und haben wohl alle Sehenswürdigkeiten der Stadt in Augenschein genommen. Für Montag war noch vollständiger Dienst angesetzt und wurde auch abgehalten. Dienstag morgen bekamen wir dann unsere Fahrscheine und fuhren um 10 Uhr morgens von B[everloo]. ab. Ich bin dann bis zum nächsten Abend in Brüssel geblieben, um noch schnell einige Stunden Stadtluft zu atmen. Am Donnerstag, den 23., traf ich nachmittags in der Batterie ein. Unterwegs, kurz vor der Endstation, verpasste ich den Personenzug und musste deshalb mit einem Güterzug fahren. Auf der Station, wo ich aussteigen wollte, hielt er leider nicht und ich mußte während der Fahrt abspringen. Es ging auch tadellos, ohne irgendeinen Unfall. Weihnachtsabend habe ich in der Feuerstellung verlebt. Ein kleiner Baum, Punsch und allerlei Kuchenzeug war da. Es war ein ganz schöner Abend. Gestern war Silvester; wir haben uns wieder einen Punsch gebraut. Kurz vor 12 Uhr kam der Befehl, von 12 - 1 [Uhr] feuerbereit zu sein. Geschossen worden ist aber garnicht. Auch heute ist es verhältnismäßig ruhig. Nur in der Gegend von Combres ist einige Tätigkeit. 16. Januar 1916. Gestern ist durch Regimentsbefehl herausgekommen, daß ich zum Vice-Wachtmeister befördert bin. 12 13 Vgl. zur Erklärung die Einträge vom 7.4.1915, 29.9.1916 und 8.4.1917. Vgl. zur Erklärung vor allem den Eintrag vom 28.6.1917. 52 Mittwoch, 19. Jan. 16. Metz, Festungslazarett Storchen. Seit gestern nachmittag bin ich hier im Lazarett und fühle mich abgesehen von meiner Krankheit wohl. Die Fahrt mit dem Lazarettzuge nach hier war recht beschwerlich. – Schon am 17. morgens bin ich mit dem Postwagen der Abteilung von unserem Lager abgefahren und zur Krankensammelstelle Bouillonville gegangen. Von dort wurde ich nachmittags weiter nach Jaulny geschickt. Den Weg bis Thiaucourt musste ich zu Fuß zurücklegen und erreichte dort noch eben den Personenzug. In Jaulny blieb ich dann wieder auf einer Krankensammelstelle, bis am nächsten morgen endlich der Lazarettzug kam. Um 7 Uhr begann dann eine lange Fahrt nach Metz. Auf allen größeren und kleineren Stationen waren mehr oder weniger Verwundete und Kranke, und alle mussten diesen Zug benutzen. Gegen 3 Uhr nachmittags erreichten wir Metz. In den Krankenhallen wurde noch Mittagessen verteilt, und dann wies man uns den verschiedenen Lazaretten zu. Ich kam in den Storchen und bin ganz damit zufrieden. Die Verpflegung ist gut und reichlich. 3. Februar 1916. Metz Storchen. Bis heute bin ich hier im Lazarett und von meiner Krankheit halb geheilt. Leider ist das Lazarett überfüllt und soll von sämtlichen Kranken, die noch über 10 Tage Behandlung nötig haben, geräumt werden. Wohin wir kommen, weiß noch niemand. Gestern war Onkel August14 bei mir. Er sieht ziemlich gealtert aus. Als ich ihn kommen sah, erschrak ich ordentlich. Hier in Metz gefällt es ihm garnicht. Er klagt über den Drill. Harry Helmers, vom Fuß. Art.-Reg.18 hat mich auch vor einigen Tagen besucht. Wahrscheinlich kommt er in nächster Zeit ins Feld. Für eine neue Batterie eingeteilt ist er schon. Stuttgart, 5. Febr. 1916. Res. Laz[arett]. 1. Gestern abend bin ich hier mit einem Transport von 96 Mann angekommen. Die Bahnfahrt nach hier war sehr langwierig. Es ging über Straßburg – Karlsruhe – Ludwigsburg nach Stuttgart. Auf kleineren Stationen blieben wir oft stundenlang halten. In Zuffenhausen, kurz vor Stuttgart, lagen wir über 3 Stunden vor der Station mitten in der Stadt. Die Bevölkerung kam sofort in großer Zahl zu uns an den Lazarettzug und schleppte alle möglichen und unmöglichen Sachen an. Es wurde Wein, Most, Obst und allerlei Eßwaren gebracht und zwar in solchen Mengen, daß der Arzt des Zuges es bald verbot. Kurz nach mittag kamen wir dann in Stuttgart an und wurden zum Reserve-Lazarett 1 geführt. Auf dem Bahnhof wurden wir von einem San.-Feldwebel mit seiner Frau in Empfang genommen, die sich durch die ganze Stadt neben ihrem Herrn Gemahl vorn an der Tête unserer Kolonne hielt. Das Lazarett ist eine große Anstalt, die auch im Frieden besteht. Es herrscht hier richtiger Drill, wie in Friedenszeiten in den Kasernen. Die Einrichtung ist aber sehr gut. Die Baracken, in die wir gekommen sind, sind vollständig neu. In jedem Zimmer liegen 20 Mann. Leider sind sämtliche Unteroffiziere mit den Mannschaften in diesen Stuben zusammen. In Metz lagen die Vice-Feldwebel und Wachtm[eister] in einem getrennten Zimmer und wurden, wohl wegen der kleinen 14 Wahrscheinlich Paul Friedrich August Bulling, geb. am 20.7.1844, ein Bruder des Vaters von Otto Borggräfes Mutter (siehe Fußnote 1). 53 Anzahl, auch besser verpflegt. Hier habe ich den Posten eines Stubenältesten bekommen. Bis soweit bin ich mit allen Leuten gut ausgekommen. Hoffentlich passen die 20 Mann meiner Stube einigermaßen zueinander. Metz, Donnerstag, 23. März 1916. Heute bin ich endlich aus dem Lazarett in Stuttgart entlassen worden. Ohne einige „Schiebungen“ ist es allerdings nicht gegangen. Ob dadurch irgendwelche Folgen für mich entstehen, muß ich abwarten. Seit Freitag voriger Woche wohnte ich in einem Nebengebäude des Bezirkskommandos. Ich mußte umquartieren, weil die Baracke, in der ich lag, geräumt und für Infektionskranke, ich glaube Typhus, eingerichtet werden sollte. Im Bezirkskommando war die Verpflegung besser als im Res. Laz. 1, der große, schöne Garten fehlte dort allerdings ganz. Es war nur ein kleiner Hof vorhanden, der sehr an einen Gefängnishof erinnerte. Nachdem ich mich mehrere Male dem Arzt zur Entlassung vorgestellt hatte, wurde ich gestern endlich gesund geschrieben. Heute morgen 11 Uhr wurden mir dann meine Papiere, Soldbuch, Fahrschein usw. ausgehändigt und ich konnte gehen wohin ich wollte. Zunächst machte ich einen Spaziergang über die umliegenden Berge von Stuttgart. Die Aussicht auf die Stadt ist großartig. Da liegt der Königsbau, das alte und das neue Schloß, die großen Infanteriekasernen, die verschiedenen Bahnhöfe und die königlichen Anlagen. Man sieht, wie die das Neckartal ganz ausfüllende Stadt sich weiter vergrößern möchte, die umliegenden Berge aber doch nicht richtig zu erklimmen vermag. Nach einem guten Mittagessen „im Sünder“ machte ich einen Rundgang durch die Stadt und knüpfte im „Friedrichsbau“ ein patriotisches Gespräch mit einem echt württembergischen Patrizier an, dessen Sohn Hauptmann in einem Stuttgarter Regiment war. Leider verstrich die Zeit viel zu schnell. Um 4.43 Uhr musste ich die Stadt, das ganze schöne Schwabeländle verlassen. Jetzt, es ist 1 Uhr morgens, sitze ich auf dem Metzer Bahnhof und erwarte den Zug, der mich nach Thiaucourt bringen soll. Donnerstag, 8. Juni 1916. Jetzt endlich komme ich wieder dazu, einen Eintrag zu machen. Damals, am 23. März 1916, bin ich zur Batterie gegangen. Sie lag immer noch auf derselben Stelle im Madine [?] lager. Den Hauptmann, der gerade in der Ruhestellung war, habe ich nicht besucht; er hatte gerade einen schlechten Tag. Die Mannschaften waren noch dieselben wie zu meiner Zeit auch. Die Gefechtstätigkeit war an dem Tage gerade ziemlich rege. Bis gegen abend bin ich dort in der Batterie geblieben und um 10 Uhr mit einem Güterzug von St. Benoit abgefahren. Nach langer Irrfahrt erreichte ich endlich gegen morgen Metz. Hier hatte ich wieder einige Stunden Aufenthalt. Dann aber begann eine schöne Heimfahrt über Bingerbrück – Cöln [sic!] – Münster nach Oldenburg. Eigentlich hätte ich über Frankfurt a/M fahren sollen, erreichte aber jetzt die Anschlüße dort nicht mehr. Die Fahrt von Bingen an das schöne Rheintal abwärts war großartig. Um 11 Uhr abends erreichte ich Oldenburg. Im Hause war schon alles zu Bett. Am folgenden Montag meldete ich mich bei der 3. Ers. Batterie II. Ers. Abt. Ostfr[iesisches]. Feld Art. Reg. 62 und wurde dort sofort als felddienstfähiger Vice-Wachtmeister eingekleidet und zwar in blaue Uniform. Seit der Zeit mache ich nun täglich Dienst als Zugführer in der Exerzierbatterie. Morgens 7 Uhr rückt die Batterie von der Kaserne, Ofenerstraße, ab und kommt um ca. 11 Uhr zurück. Mittags ist Appell und nachmittags noch einiger Dienst. Man hat es aber verhältnismäßig gut. Ich wohne ganz zu Hause. Was nun aus mir wird, wo ich bleibe, davon weiß ich nichts. 54 Augenblicklich werden hier 3 Batterien aufgestellt, es soll eine ganze Abteilung mit leichter Munitionskolonne und allem Zubehör werden. Ich bin für die 6. Batterie (nähere Bezeichnung fehlt noch) bestimmt. Meine genauere Bestimmung weiß ich auch noch nicht. Morgen ist große Einteilung und da wird sich wohl alles offenbaren. Sonntag, den 12. Juli 1916. In den letzten vier Wochen haben wir hier in Oldenburg tüchtig exerziert. Die damalige Aufstellung, es ist eine Abteilung, ist noch hier. Zwei Batterien liegen in den Kasernen IV und VII. Die 6. B[a]tt[e]r[ie]., zu der ich gehöre, ist in der Piano-Fabrik von Hegeler und Ehlers untergebracht. Unsere Pferde stehen teils in der Reitbahn an der Brüderstraße und teils im „Neuen Hause“ am Pferdemarkt. Batterieführer ist Hauptmann Peters, im Zivilleben Oberlehrer. Die zugehörige „leichte Munitions Kolonne“ liegt in Donnerschwee in den Stallungen der Maschinengewehrkompanie. Die ganze Abteilung ist mit russischen Geschützen und Fahrzeugen ausgerüstet. Anfang voriger Woche war in Sage bei A[h]lhorn großes Schulschießen. Die ganze Abteilung rückte schon Montag mittag von hier ab. Das Wetter war sehr schön. Der Marsch bis Sage, ungefähr 26 km, dauerte bis 4½ Uhr nachmittags. Wir wurden in den benachbarten Dörfern dann einquartiert. Die 6.Batterie kam nach Haast. Ich wurde bei einem großen Bauern, Herm[ann] Eilers, einquartiert. Am Dienstag morgen 9 Uhr begann dann das Schießen. Die 6. Batterie war zuletzt an der Reihe. Die uns zugewiesenen Ziele waren: 1. Masch[inen]-Gewehre, Entf[ernung]. ca. 2400 m, 2. Artillerie-Zug, 2 Geschütze und 2 Munitionswagen, Entf. ca. 3900 m, 3. Schützen auf ca. 900 m Entfernung. Die russ. Geschütze mit ihrem heftigen Rückschlag waren verhältnismäßig schlecht zu bedienen. Nach je 4 bis 5 Schuß musste der Lafettenschwanz ausgegraben werden, so tief hatte er sich eingegraben. Zum Teil war dies „Sicheingraben“ wohl auch auf den sehr weichen, sandigen Boden zurückzuführen. Die Wirkung im Ziel war aber eine gute. Fast sämtliche Teile der sehr ausgedehnten Ziele waren mehr oder weniger beschädigt. Ein Munitionswagen des Artillerie[-]Zuges war vollständig verschwunden. Nachmittags um 1 Uhr fuhren wir dann wieder von Sage ab nach Oldenburg zurück. – Gestern vormittag hielt Seine Exellenz [sic!] der Gen[eral]. der Infanterie von Linde-Suden hier eine Besichtigung ab. Vorgestern hatte er die Infanterie angesehen und gestern waren wir an der Reihe. Um 9 Uhr gestern vormittag ging die Sache auf der Alexander-Heide vor sich und dauerte bis 2 Uhr nachmittags. Zunächst sah er sich die einzelnen Batterien genau an. Er revidierte die Geschirre, sah auf Putz, ging überhaupt bis ins kleinste. Nachher wurden Fahrübungen gemacht, ein großer Vorbeimarsch im Trabe und dann das „Instellunggehen“ der Abteilung vorgeführt. Morgen soll nun noch ein großer Zeugappell abgehalten werden. 55 Sonntag, den 16. Juli 1916. Seit vorigen Montag beschäftige ich mich in meiner freien Zeit mit Photographieren. Ich habe von einem Oberpost-Sekretär Bornholt einen Apparat 9 x 12 gekauft und bin jetzt dabei, mich in die Kunst des Typens einzuweihen. Das Wetter war in dieser Woche aber so schlecht, daß ich fast keine Aufnahmen machen konnte. Bis jetzt habe ich erst eine eine gute TageslichtKopie fertig bekommen. Hoffentlich wird es diese Woche etwas besser. Der Dienst in der 6. K. S. Bttr. war in der letzten Zeit ziemlich reichlich. Jeden Tag war Ausrücken und zwar meist nach der Alexanderheide. Am vergangenen Freitag fand ein großer Übungsritt nach Huntlosen statt. Treffpunkt nach der Schlacht war die EisenbahnerErholungsstätte in den Neu-Osenbergen. Dort wurde eine gemütliche Tasse Kaffee getrunken und dann ging’s nach Oldenburg zurück. Freitag, den 4. August 1916. Die letzten 2 Wochen sind ziemlich abwechslungsreich vergangen. – Zunächst hatte ich Urlaub und zwar vom 24. - 30. Juli. Eigentlich noch 3 Tage länger, aber mit Rücksicht auf den Wachtm. Esdohr bin ich schon am 31. [Juli] wieder zum Dienst gegangen. Meinen Urlaub habe ich meist in Oldenburg verlebt. Einige Tage war ich in Berne und Nordenham. In der 6. K. S. Bttr. hat sich während der Zeit ziemlich viel verändert. Zunächst ist ein neuer Batterieführer aufgetaucht. Herr Hauptm. Peters kam ins Feld und dafür hat Leutnant Schmedes die Bttr. bekommen. Die Bezeichnung der Bttr. ist auch eine andere geworden. Früher nannten wir uns Feld.-Art.-Reg. Hannover, jetzt Feld. Art. R. 406, II. Abtlg. 6. Bttr. Die I. Abteilung liegt irgendwo in Belgien in der Nähe von Ostende als Küstenschutz. Wir sind also jetzt ein vollständiges Regiment zu 6 Batterien. Der Dienst hier bei uns ist noch ungefähr derselbe wie unter Hptm. Peters, aber interessanter, da der jetzige Bttr. Führer mehr Praxis hat. 31. August 1916. In der hiesigen II. Abteilung F. A. R. 406 sind in den letzten Tagen große Veränderungen erfolgt. Unser beliebte[r] Batterieführer, Ltn. Schmedes, ist nach Osnabrück zu einer Neuformation gekommen. Zwei Vice-Wachtmeister, Ridder & Köhler, sowie ein Ltn. Sprickmann, Kerkering, sind ebenfalls nach dort versetzt worden. – Zu meinem großen Bedauern ließ man mich als jüngstem ViceWachtm. hier in Oldenburg. – An Mannschaften ist nicht viel fortgekommen. Der Dienst in diesem ganzen Monat war sehr leicht. Wegen Erkrankung fast sämtlicher Pferde unserer 6. Bttr. war nur vormittags einige Stunden Exerzieren und nachmittags Unterricht & Vorträge. Alles in sehr beschränktem Maße. Gestern und heute nachmittag war Revolverschießen auf dem Scheibenstand in Bürgerfelde. Die Resultate waren im Durchschnitt gut. Ab gestern führt Ltn. Trapp die 6. Bttr. Vor erst 4 Monaten ist er zum Leutnant befördert worden und hat jetzt, da kein älterer felddienstfähiger Offizier zur Verfügung ist, die Führung der Batterie bekommen. Sonntag, 17. September 1916. Die Führung der 6. Bttr. ist in der Zwischenzeit schon wieder einmal in andere Hände übergegangen. Ltn. Trapp ist nach Osnabrück zu einer Neu-Aufstellung gekommen und Herr Oberleutnant Mahnkopf, früher 7. Bttr. Res. F. A. R. 20, ist Batterieführer geworden. Seit gestern nachmittag bin ich hier in Osnabrück und zwar als Offiziersaspirant / Offiziersstellvertreter für eine Kanonenbatterie bestimmt. Am 9. IX. 1916 bekam ich schon Nachricht, daß ich mich für einen derartigen Posten bereit machen solle. Zunächst war ich nur dafür vorgeschlagen, bin aber jetzt als Aspirant hier. Im 56 Laufe der Woche habe ich mich nun ausgerüstet mit allen Sachen, die ich auf meinem neuen Posten nötig habe und brauchen kann. Einen Sattel konnte [ich] zufällig gut & billig bekommen und zwar von einem Sattlerwaren engros Händler, Justin Hüppe, Bahnhofstr. 2, für 70, – [Mark]. Sonst besteht meine Ausrüstung aus einem Koffer und einem Zeugsack. Vorgestern nachmittag bekamen wir nun Bescheid, daß der Transport für die Neuformationen gestern, also Sonnabend, früh 8.20 vom Bahnhof abgehen sollte. Um 7.00 Uhr wurde bei der Kaserne angetreten. Es waren im ganzen 71 Mannschaften und 97 Pferde. Transportführer wurde ich als Rangältester. Kurz nach 7.00 marschierten wir von der Kaserne ab. Die Musikkapelle an der Spitze. Es war für Oldenburger Verhältnisse noch recht früh, die Civileinwohner waren in nur sehr geringer Zahl zu sehen. Auf dem Bahnhof wurden dann zunächst die Pferde verladen, und kurz nach ½9 Uhr fuhr der Zug ab. Herr Hptm. Wittjen, Hullmann, sowie viele andere Offiziere waren zum Abschied am Bahnhof. Bei der Abfahrt spielte die Kapelle: „Nun ade du mein lieb Heimatland“. Um 8.35 Uhr verließen wir den Oldenburger Bahnhof und fuhren über Osternburg – Ahlhorn – Quakenbrück – Bramsche – Osnabrück. In Quakenbrück habe ich die Pferde tränken lassen und selbst zu mittag gegessen. Wir, 3 Unteroffz. und ich, hatten das Essen von Cloppenburg aus bestellt und konnten es deshalb ermöglichen, während dem kurzen Aufenthalt, es waren nur 27 Minuten, zu dinieren. Das Essen war sehr gut, reichlich und billig. Leider war, wie schon gesagt, die Zeit in Quakenbrück sehr knapp. Der Zug hielt weit draußen auf dem Güterbahnhof. Schon der Weg zum Bahnhof & zum Zug zurück nahm über 10 Min. weg. Als wir nach dem Essen zum Zug zurückkamen, pfiff die Lokomotive schon, wohl nur damit wir uns in Trapp [sic!] setzen sollten. Der Zug fuhr dann aber auch sofort ab. Um 3 Uhr ca. kamen wir in Osnabrück an, wurden über 1 Stunde rangiert und konnten dann Gepäck & Pferde ausladen. Bis kurz nach 6 Uhr haben wir dann bei der Artl. Kaserne auf dem Hof gestanden. Die Pferde und Mannschaften wurden sofort eingeteilt und einquartiert. Montag, 18. September 1916. Heute vormittag sitze ich in meiner Wohnung, Natruperstr.115/II. [bei] Frau Flume, und warte auf Dienst. Gestern & auch heute ist kaum irgend etwas zu tun. Das Geschütz und Wagenmaterial ist noch nicht angekommen. Die ganzen Mannschaften liegen in den Quartieren und haben keine Beschäftigung. Hoffentlich trifft alles bald ein, damit wir fertig werden und nicht im letzten Augenblick alles überstürzt zusammen geworfen wird. Das Wetter ist heute schlecht; es regnet schon seit dem frühen Morgen. Gestern war es dagegen sehr gut. Wir, 2 Unteroffiziere und ich, haben einen Bummel durch die Stadt gemacht und dabei verschiedene gute Lokale aufgetan. Die 2 Unteroffiziere sind Ernst Kuschnitzky, Volkswirtschaftler aus Gleiwitz in Schlesien Adolf Savelsberg, Eisenhüttenfach[mann] aus Papenburg. Beides sind sehr nette junge Leute, sie gehören rein industriellen Familien an. Schon auf der Reise von Oldenburg nach hier erschienen sie mir sehr sympathisch. Hier in Osnabrück habe ich dann mit ihnen zusammen eine Wohnung bezogen. Es sind 2 Schlafzimmer und ein Wohnzimmer. Die beiden Unteroffiziere bewohnen die kleinere Kammer und ich die andere allein. Das Wohnzimmer ist gemeinschaftlich. Für die Zeit hier in Osnabrück wollen wir uns das Abendbrot gemeinsam halten. Savelsberg liefert die Eier, ich Butter, Kartoffeln, und Kuschnitzky sonstige Sachen wie Käse und Delikatessen. 57 Sonnabend, 23. September 1916. Die vergangene Woche hat sehr viel Arbeit gebracht. Montag und Dienstag war kaum irgendetwas zu tun. Mittwoch kamen dann die Geschütze und das ganze noch fehlende Material. Von Morgens bis Abends wurde dann verpackt, Geschirre verpasst und dergl. mehr. Seit gestern machen wir Fahrübungen mit der ganzen Batterie. Gestern, das erste Mal, war es mit einigen Hindernissen verknüpft. Einige Fahrzeuge kamen nach dem Halten nicht wieder in Gang, und nur mit vieler Mühe konnten die Geschütze wieder auf die Straße gebracht werden. Heute ging alles aber schon bedeutend besser. Fast ohne irgendwelche Stockung gingen die Fahrübungen von statten. Das Geschützexerzieren geht auch bedeutend besser als eigentlich nach zweistündiger Übung zu erwaten wäre. Die Kanonen sind eine Zusammensetzung von Haubitze und Kanone. Die Unterlafette ist von der Haubitze 98/09 und das Rohr ein verlängertes Kanonenrohr 96 nkt.[?] Der Trommelaufsatz reicht bis 8200 m. Gradeinteilung ist ebenfalls vorhanden. Die Bezeichnung dieses neuen Geschützes ist K. i. H. L. 35. (Kanone in Haubitz Lafette 35). Bis jetzt ist alles streng geheim. Es soll in einiger Zeit auch noch neue Munition geben, und zwar Sprenggranaten mit sehr brisanter Ladung. Ueber dies neue Geschoß ist aber noch nichts genaues bekannt. – Unser Pferdematerial ist ziemlich gut. Anfangs schien es, als ob viele Pferde schwereren Schlages schlaff seien und die Strapazen nicht aushalten würden. Nach den Fahrübungen der letzten Tage kamen sie mir aber doch ganz gut vor. Die Zukunft wird aber ja lehren, was mit ihnen los ist. Mein eigenes Reitpferd ist ein Fuchswallach, ca. 14 Jahre alt. Ob ich ihn dauernd behalte, weiß ich noch nicht. Er ist etwas träge. Hoffentlich wird das bei der jetzigen guten Pflege besser, sonst müsste ich ihn wieder ins Gespann stecken. Er ist aber das ausgesprochene Reitpferd, da wäre es eigentlich schade drum. Freitag, 29. Sept. 1916. 10.30 vorm. Seit gestern abend 9 Uhr sind wir, 2. Bttr. I. Abt. F. A. R. 277 auf der Bahn und zwar augenblicklich, es ist 10.30 vorm., in Biederitz bei Magdeburg. Vorgestern nachmittag marschierten wir zum Schießen nach Engter und kamen in Bramsche in Quartier. Ich wurde eine Stunde vor Bramsche voraus geschickt, um die Quartiere einzuteilen. Es war gerade keine schöne Arbeit. Pferde & Mannschaften waren nämlich in getrennten Quartieren unterzubringen. Geklappt hat’s aber doch. Mein Quartier war besonders gut. Ich wohnte bei einer Ww. Haller, Bramsche, Breuelstr. Abends wurde ich zum Essen eingeladen und am nächsten Morgen gab meine Wirtin mir ein ganzes Paket fertige Butterbrote, belegt mit Schinken und Wurst, mit auf den Weg. Gestern morgen 7 Uhr fuhren wir dann nach Engter um zu schießen. Die uns angegebenen Ziele waren 2 Batterien auf 1600 und 2400 m und einige Schützenlinien auf 800 und 1200 m Entfernung. Als dritter kam ich zum Schießen und zwar [war] mein Ziel die Schützenlinie auf 1200 m. – Im ganzen hatten wir 100 Schuß zu verfeuern. Die Resultate waren im Durchschnitt schlecht. Bei meinem Schießen (es war Bz) ließ ich mich durch einige Schüße [sic!] täuschen. Ich glaubte Bz zu erkennen, obwohl es Az waren, was aus den späteren Schüssen hervorging. Infolgedessen bekam ich eine um 100 m zu weite Gabelentfernung. Nachmittag[s] marschierten wir dann nach Osnabrück und wurden am Hasetor von der 78. Musikkapelle abgeholt. Um ca. 7 Uhr waren wir auf dem Güterbahnhof und ca. 1 Stunde später schon vollständig verladen. 58 5.20 nachm. Von Magdeburg aus sind wir folgende Strecke gefahren: Magdeburg – Biederitz – Zerbst – Wittenberg – Annaburg – Falkenberg und waren gerade eben in Dobrilugk [wahrscheinlich Doberlug bei Finsterwalde]. Es ist die zweite Verpflegungsstation heute. Das Essen ist wieder sehr gut. Leider fehlt ein Glas Bier. Die Einrichtung zur Abfütterung von Mannshaften ist hier ungeheuer. Es können sicher 1000 Mann zugleich essen. Es sind große Holzbaracken angelegt, die den Verhältnissen entsprechend mit allem Nötigen versehen sind. Für den Winter sind große Öfen eingebaut. Die Kücheneinrichtung besteht aus 8 oder 10 großen Töpfen. Essen kann also in genügender Menge hergestellt werden. 30. IX. 1916. Kalmierczyce [wohl Skalmierzyce, deutsch: Skalmierschütz]. 10 Uhr vorm. – Heute morgen 2 Uhr waren wir in Lissa i / Posen; wir hatten dort 2 Stunden Aufenthalt. Es ging dann weiter nach Ostrowo und [wir] waren um 8 Uhr dort. Hier in Kalmierczyce hält unser Zug eine halbe Stunde. Für unsere Pferde bekommen wir Heu. Das Wetter war bis gestern sehr gut. Heute regnet es schon seit 2 Uhr früh. Hoffentlich wird es im Laufe des Tages wieder gut. 1. Oktober 1916. 1 Uhr morgens. Vor ca. 2 Stunden kamen wir durch Warschau. Von der Stadt selbst war leider nichts zu sehen. Wir wurden um die Stadt herum rangiert und liegen jetzt auf einem kleinen Bahnhof an der Strecke Warschau – Brest[-]Litowsk. Seit unserer Abfahrt von Osnabrück wird es von Tag zu Tag kälter. Es ist ein bedeutender Unterschied zwischen dem maritimen und dem continentalen Klima zu bemerken. Hier bei Warschau ist die Temperatur schon beinahe bis zum Gefrierpunkt gesunken. Heute nachmittag habe ich mich über die russischen Kinder gewundert, wie sie gegen die Kälte abgehärtet sind. Bei dem schneidenden feuchten Wetter liefen sie ohne Strümpfe und Schuhe herum durch Wasserlachen und Gräben, ohne es scheinbar zu empfinden. 59 Wojmica, 2. Okt. 1916. Seit heute morgen 61/2 Uhr sind wir hier und biwakieren auf einer großen Weide. Gestern morgen waren wir in Brest-Litowsk und fuhren weiter nach Kowel [Kovel]. Anfangs sollten wir hier ausgeladen werden, kamen dann aber weiter nach Wladimir Wolinsky [Vladimir-Volynskij]. Um ca. 9 Uhr abends kamen wir dort an, luden aus und bekamen plötzlich den Befehl, uns in Wojmica sobald wie möglich zu melden. Wir hatten nun einen Marsch von 27 km zu machen. Dabei waren die Pferde von den 4 Tagen Bahnfahrt ganz steif und lahm geworden. Wir spannten an, verpackten unser Gepäck, so gut es eben ging, und marschierten um 11 Uhr ab. Schon am Ende des Dorfes Wladimir Wolinsky hatten wir einen Zwischenfall. Unser Batterieführer, Herr Oberltn. Siehr, stürzte mit seinem Pferd in der Dunkelheit und fiel so unglücklich auf seinen rechten Arm, daß er ihn jetzt in keiner Weise gebrauchen kann. Hoffentlich bessert sich der Schaden bald wieder, er scheint nämlich ein sehr guter Batterieführer zu sein. Der Marsch ging sonst gut von statten, nach ein, zwei Stunden hatten sich die Pferde wieder an den Zug gewöhnt und gingen ruhig vorwärts. Gegen morgen wurde es sehr kalt. Fahren oder reiten war garnicht auszuhalten. Anfangs saßen nur die Kanoniere ab; gegen vier, fünf Uhr ging aber alles zu Fuß. Es fror mindestens 6 - 7 °. Hier in Wojmica füttern wir zunächst auf der Straße und gingen dann in Biwak. Jetzt um 3¼ Uhr nachm. kommt gerade Befehl zum Satteln. 3. Oktober 1916. Dienstag Seit gestern abend sind wir in einem Walde zwischen Wojmica und Antonowka [10 km östl. Wojmica] in Biwak. – Anfangs hatten wir Befehl, schon gestern abend in Stellung zu gehen, im letzten Augenblick wurde er aber widerrufen, weil erst festgestellt werden sollte, wo von Seiten der Russen ein Angriff am meisten zu erwarten ist. – Ungefähr gegen 9 Uhr gestern abend hatten wir das Biwak fertig, die Pferde waren gefüttert, die Zelte aufgeschlagen und die Leute saßen am lustig prasselnden Biwakfeuer. – Neben uns lag ein Bataillon Infanterie, auch in Biwak, und sang alte deutsche Weisen. Es war ganz erhebend hier im Steppenbusch der Rokitno-Sümpfe [zum Pripjet abfallende Ebene]. Gegen morgen wurde es mächtig kalt. Es fror mindestens 5 - 6 °. Man hat sich aber schon ziemlich an diese Kälte gewöhnt. 5. Oktober 1916. Seit gestern, oder vielmehr schon seit vorgestern abend ist unsere Batterie in Stellung. Vorgestern, nachm. 4 Uhr, bekamen wir Befehl, uns marschbereit zu machen. Nach ungefähr ½ Std. marschierten wir ab, kamen durch mehrere Sümpfe und kleinere Wälder und erreichten gegen 8 Uhr unsere jetzige Stellung. 60 [1916-10-05 Lageskizze ]. 10. Oktober 1916. Am 4. Oktober wechselten wir nochmal[s] die Stellung. Als wir am 3. [Oktober] abends die Stellung bezogen hatten, waren wir zu nahe an einen Morast geraten und zogen am nächsten Tag weiter an den Hauptfahrweg auf einen höher liegenden Platz. Innerhalb 3 Tagen war diese neue Stellung schon vollständig ausgebaut. Jetzt sind wir noch mit dem Ausbau der Unterstände beschäftigt. Für jedes Geschütz wird einer gebaut. Fertig ist noch keiner. Wir hoffen aber spätestens morgen damit fertig zu werden. 61 [1916-10-10 Lageskizze:] 1. Biwak vom 2-3 Okt. Am 5. [Oktober] bekamen wir einen Batterie-Führer, Hauptmann Wokulat [?], der schon gestern wieder zu seiner Truppe zurückgerufen wurde. – Gestern nachmittag kam dann ein Leutnant Kraus von der 5. Batterie 277 zu uns und stellte sich uns als Batterieführer vor. Er scheint ein etwas nervöser Herr zu sein, ähnlich dem Oberleutnant Wulff der 1./94. Hoffentlich kommt Herr Oberleutnant Siehr bald zu uns zurück. Der ewige Wechsel ist nämlich nicht gerade angenehm. Vorgestern war ich mit unserem Leutnant Knutzen zusammen zur Batterie 4./46, die einige 100 m nördlich der Straße Wojmica – Luzk [Lutsk] steht, um eine Beobachtungsstelle nahe der Gruppe Fissa, der wir unterstehen, auszusuchen. Schon auf dem Wege dorthin fingen die Russen mächtig zu schießen an, mit Gasgranaten und Granaten schweren Kalibers. Um schnell durchzukommen, setzten wir uns in Trapp [sic!], gingen dann wieder langsam, um den vielen Gaswolken auszuweichen und erreichten unser Ziel, die B. Stelle 4./46., verhältnissmäßig [sic!] schnell; es war ungefähr 3 Uhr nachmittags. Kurz nachher, es mochte wohl ½ 4 Uhr sein, fing der Russe mächtig zu schießen an. Gegen 4 Uhr trommelte er dann die Gräben 10 Minuten lang, verlegte das Feuer nach rückwärts auf die Artilleriestellungen und machte einen Angriff auf die Stellungen des Inf. Reg. 79 und wurde abgewiesen. Die Wirkung des Artilleriefeuers auf die rückwärtigen Stellungen im Walde war furchtbar. Schuss auf Schuss schlug bei uns ein, große Bäume wurden umgeworfen, Baumkronen sausten auf die Erde. Es war ein furchtbares Getöse ohne Unterbrechung. Dazwischen kamen Gasgranaten und hüllten die ganze Umgegend in dichten, weißen Dampf. Glücklicherweise waren wir auf den Gaskampf gut vorbereitet. Jeder hatte seine Gasmaske fertig zum Gebrauch umgehängt und brauchte, wenn das Gas kam, nur umgehängt werden. – Von den schweren 62 Granaten traf keine einen der in der Nähe liegenden Unterstände, sonst hätten wir sicher viele Verluste gehabt. Die Deckungen sind nämlich keineswegs bombensicher. Von gestern morgen bis heute war ich in den Stellungen vorn bei der Infanterie als Aufklärer, wie die Österreicher sich nennen, und hatte das Schießen unserer Batterie zu beobachten. Die Gefechtstätigkeit war während der Zeit sehr gering. Sonntag, 15. Oktober 1916. In den letzten Tagen hat sich in unserer Batterie ziemlich vieles verändert. – Wir haben eine Beobachtungsstelle von einer Batterie „Schröder“, einer österreichischen Batterie, übernommen und zwar in der Nähe des Hauses von Sydowka [Zydowka]. Unsere vorgeschobene B.stelle im Graben bei der 4. Comp. 346 haben wir dafür aufgegeben. Von vorgestern bis gestern abend war ich wieder einmal im Graben, als die Russen einen Angriff machten. Schon seit morgens 8 Uhr schossen sie unausgesetzt mit schweren und leichten Geschossen auf unsere Gräben, besonders auf die Verbindungsgräben, die in die weiter rückwärts liegenden Mulden führen. Nach Mittag war die Stellung in einem ganz furchtbaren Zustand. Der große, schöne Verkehrsgraben der 2. Linien und sämtliche Laufgräben waren fast vollständig eingeebnet. Gegen 3 Uhr erfolgte etwas links von uns dann ein russischer Angriff. Nach kurzen, vereinzelten Erfolgen wurden die Russen wieder einmal glänzend abgeschmiert. – Gegen Abend kamen Mannschaften von unserer Batterie zu mir und meldeten, daß die Graben-B.stelle aufgehoben sei. Wir fingen nun sofort an, den Draht aufzurollen. – Heute bin ich in Cholopiece [Chołopieczy] beim Ortskommandanten im Quartier und pflege der Ruhe. Vormittag[s] war ich einige Stunden in der Batterie, die gerade etwas beschossen wurde. Es waren meist sehr hoch liegende Schrapnells, von denen die Schrapnellkugeln über die Batterie hinausflogen. Heute nachmittag wird etwas links und rechts des Dorfes geschossen. Bei uns in der Batterie und hier im Dorfe ist noch kein Schaden angerichtet worden. Montag, 16. Oktober 1916. Heute morgen sind wir beim Einrichten unseres neuen Quartiers angefangen. Es ist ein Haus am Nordwest-Ende des Dorfes Cholopisze, in ziemlich schlechtem Zustand; es kann aber noch hergestellt werden. Mit 3 Leuten haben wir es ausgeräumt, den Boden abgefegt und die Decke von Kalk gereinigt. Nachmittags sind sämtliche Spalten und Fugen verschmiert worden und morgen muß alles geweißt werden. Den ganzen Tag über haben die Russen sich wie toll gebärdet. Schon heute morgen früh begann die Kanonade. Das Dorf, die Batterie und die ganze Gegend wurde[n] mächtig befeuert. Hier im Dorf ist ausser einem Eßtopf nichts beschädigt worden. Morgens 7 Uhr gingen unsere Feldküchenpferde durch, brachen die Deichsel ab, beruhigten sich dann aber wieder. Eine Infanterie-Feldküche kam nachmittags ohne Fahrer mit zerschossenem Schornstein ins Dorf gerast. Sie war auf der Straße beschossen worden und die Begleitleute waren in Unterstände geflüchtet, als sie die Pferde nicht mehr halten konnten. Die Gefechtstätigkeit war den ganzen Tag und ist auch noch, abends 9 Uhr noch sehr lebhaft. Die Russen haben mehrere größere und kleinere Angriffe gemacht, und zwar besonders beim 10. A. K. Ob die Panjes15 dabei irgendwelche Erfolge erzielt haben, konnte ich noch nicht in Erfahrung bringen. Auf vielen Stellen, auf allen Stellen, wo sie meines Wissens angegriffen haben, wurden sie abgeschmiert. Beim I. R. 79, I. R. 346, und den 19. Jägern, erfolgten größere Angriffe. Heute abend erfuhr ich zufällig, daß ich für einen österreichischen Verdienstorden oder etwas ähnliches eingereicht worden bin. Ob und wann ich die Sache bekomme, weiß ich noch nicht. 15 Panje = polnischer oder russischer Bauer; veraltete, nur noch scherzhaft oder ironisch gebrauchte, von pan (Herr) abgeleitete Anredeform. 63 Als Grund ist ein Ritt in den Wald von Zydowka am 8. Okt. angegeben worden, wo wir für die Batterie eine Beobachtungsstelle ausgesucht haben. – Hoffentlich bekomme ich die Auszeichnung; es ist doch sehr nett, wenn man nächstens auf Urlaub so irgend etwas aufzuweisen hat. 64 [4. Heft] [1916-10-17-Photo 1:]: „Cholopiecze“ Das Quartier wird eingerichtet; [Rückseite:] Cholopicze 17. Okt. 1916 Offizier Quartier. Dienstag, 17. Oktober 1916. Heute den ganzen Tag habe ich die Arbeiten an unserem neuen Quartier geleitet. – Wir haben die Stube geweißt, den Fußboden geebnet und in der Küche einen Herd gebaut. – Morgen wollen wir den Bau soweit bringen, daß wir einziehen können. Leider fehlen uns noch Fensterscheiben, ein Artikel, der mächtig gesucht wird, aber kaum zu haben ist. Die Angriffe der Russen von gestern haben sich heute nicht wiederholt. Das Wetter war auch sehr dunkel und trübe. Nachmittags hat sich unsere Batterie auf eine russische Batterie eingeschossen. Die Entfernung war über 7200 m. Freitag, 20. Oktober 1916. Gestern sind wir nun endlich in unser neues Heim eingezogen. Es ist ganz nett geworden. Eine große Lehmdiele mit einem großen Kachelofen, er ist allerdings aus Lehm, ist die Wohnung, Wohnzimmer und Schlafraum zugleich. In der Mitte des Wohnzimmers steht ein großer Tisch; die Stühle fehlen noch, sie sollen aber heute, spätestens morgen kommen. 65 [1916-10-17-Photo 2:] „Komaron“ III/346. [Rückseite:] 23. X. 16. Komaram III / I. R. 346. Straße Luck – Wojmica. Sonntag, 22. Oktober 1916. Seit gestern mittag bin ich auf dem III. Bataillon Inf. Reg. 346 als Verbindungsoffizier. Meine Tätigkeit ist augenblicklich, d. i. an ruhigen Tagen, sehr gering. Während eines Gefechtes habe ich dafür aber so viel mehr zu tun. Da muß ich für richtiges Schießen sämtlicher Batterien, die in unserem Abschnitt stehen, sorgen. Vornehmlich muss das Feuer vor stark unter Angriffen leidenden Feldwachen und sonstigen Stellungen gelegt werden, um ein Vordringen feindlicher Kräfte zu erschweren, wenn nicht ganz zu verhindern. In meiner Eigenschaft als Telefon-Offizier der I. Abteilung F.A.R. 277 bin ich heute morgen mit dem Ausheben eines Kabelgrabens angefangen. Alle wichtigen Telefonleitungen sollen durch ein unterirdisches Panzerkabel ersetzt werden. Bisher kam es häufig vor, daß gerade in einem Gefecht die Telefonverbindung vieler Batterien und Gefechtsstände unterbrochen wurde, sei es durch feindliche Geschosse direkt, sei es [durch] umherfliegende Zweige und Äste. Ein Reparieren ist während des Feuers ziemlich unmöglich. Das ganze Schiessen der Artillerie leidet dadurch ungeheuer. Ein gutes Zusammenwirken mit der Infanterie ist geradezu ausgeschlossen. Ein ganzer Angriff kann infolgedessen zusammenbrechen. Durch das Auslegen der Panzerkabel, die möglichst tief und sicher eingegraben werden sollen, wird eine Störung hoffentlich hinreichend ausgeschaltet. Ein gutes Zusammenwirken sämtlicher Truppenteile ist doch die erste Vorbedingung für das gute Gelingen eines Angriffes. – Augenblicklich, es ist gerade 12 Uhr mittags, beschießt der Russe die von den Vor[der]stellungen nach rückwärts führenden Laufgräben und die Fahrwege, um die 66 Gulaschkanonen und Essenholer, die die Lebensmittel in die Schwarmlinien schaffen, aufzuhalten und möglichst zu treffen. [1916-10-17-Photo 3]. Montag, 23. Oktober 1916. 12 Uhr mittags Vor einer Stunde tauchte hier der Befehl auf, daß wir, die 2. Batterie, Stellungswechsel vornehmen soll. – Bis jetzt ist noch kein endgültiger Befehl zum Aufbruch da, man tastet immer so im Dunkeln. Hoffentlich erfahren wir bald genaueres. Die Sachen jedes einzelnen Mannes sind natürlich schon eingepackt. Alles ist auf dem Sprung. Ich selbst sitze noch bei der Infanterie auf dem III. Batt. 346 und muss, wenn es losgeht, erst noch zur Feuerstellung gehen. Heute morgen habe ich den Unterstand hier draußen noch photographiert. Die Beleuchtung war ganz gut. Hoffentlich ist das Bild geworden. 67 [1916-10-23-Photo 1:] Miroslawow 24. X. 16. 17. Husaren Quartier. [1916-10-23-Photo 2, Rückseite:] Miroslawow 24. X. 16. Quartier. 68 [1916-10-24-Photo 1, Rückseite:] Miroslawow. Dienstag, 24. Oktober 1916. Nach recht anstrengendem Nachtmarsch erreichten wir heute morgen 6 Uhr das Dorf Miroslawow. Gestern nachmittag 6½ Uhr kam der Befehl, daß die 2. Batterie Stellungswechsel vornehmen sollte. Wohin wir kommen sollten, wußte noch niemand, nur die Marschrichtung war bekannt. Um 10½ Uhr fuhr die Batterie dann los. Von Cholopicze ging der Weg über Rudnia nach Ozdzintycze. Hier bekamen [wir] sofort Befehl, weiter nach Miroslawow zu fahren. So sitzen wir nun hier und sind ganz gut untergebracht. Die Pferde stehen in Heu- & Strohscheunen und haben viel Rauhfutter zu fressen, was sie so lang entbehrt haben. Morgen früh 7 Uhr wollen wir weitermarschieren. Bemerkenswert ist noch einiges von dem Marsch durch die Wälder und Sümpfe während der Nacht. Es ging sehr langsam vorwärts. Alle paar Minuten wurde gehalten, [das] ein[e] oder das andere Fahrzeug war liegen geblieben und musste durch die Kanoniere vorwärts gebracht werden. Zu guter Letzt brach der Tag aber an, und erleichterte das Vorwärtskommen. Um 6 Uhr erreichten wir dann das Dorf Miroslawow. 69 [1916-10-24 Lageskizze]. Mittwoch, 25. Oktober 1916. Vorm. 6½ Uhr. Nach gut verbrachter Nacht sitze ich allein noch in unserem Quartier bei den 17. Husaren 5. Eskadr. und warte auf unsere Burschen. Unser Quartier, es war eine große Stube, 8 x 6 m, muss nämlich unbedingt gereinigt werden. Gestern abend habe ich einige Blitzlichtaufnahmen gemacht. Die eine ist sicher ver[p]fuscht. Ich selbst kam nicht schnell genug auf meinen Platz, nachdem ich die Blitzpatrone entzündet hatte. Hoffentlich ist die zweite geworden. 70 [1916-10-25 Lageskizze]. Mittwoch, 25. Oktober 1916. Heute morgen ½8 Uhr sind wir von Miroslawow abmarschiert und um 1½ Uhr in Nyry angekommen. Die Route war Myroslawow – Popidewka – Makowicze – Dazwa – Nyry. Der Weg war meist für hiesige Verhältnisse ganz gut, streckenweise mussten sich die Pferde aber doch mächtig in[s] Zeug legen. Von Makowicze aus wurde ich als Quartiermacher vorgeschickt. Mit 5 Leuten der Batterie erreichte ich schon um 11 Uhr das Dorf Nyry und suchte anfangs stundenlang vergeblich irgendwelchen Unterschlupf für die Batterie, 100 Pferde und 102 [?] Mann mit 5 Offizieren zu bekommen. Der Ortskommandant, ein Oberleutnant, lehnte es anfangs rundweg ab, uns unterzubringen. Als ich dann aber die 121. Inf. Division appel[l]ierte, ließen sich dann aber doch Räume finden. Zwei große Scheunen und ein paar Wagenschober wurden ausgeräumt, sodaß die Pferde untergebracht werden konnten. Augenblicklich sitze ich im Schloss von Nyry im Offizierskasino. Es ist ganz nett eingerichtet. Das Eß- und Lesezimmer ist ein großer schöner Raum mit beinahe allem Comfort eingerichtet. Man kommt durch einen großen Park auf eine Ter[r]asse. Das Lesezimmer schließt sich an diese Ter[r]asse an. Die Möbel sind aus gebeizter Eiche. Es 71 macht einen ganz feudalen Eindruck. Bewohnt wird das Schloß von 2 Töchtern der Gutsherrschaft und den Offizieren der 6. Luftschiffer-Abteilg. [1916-10-24-Photo 1, Rückseite:] Miroslawow 24. X. 16. Feldküche gibt Essen aus. Donnerstag, 26. Oktober 1916. Heute morgen ist unsere Batterie in Stellung gefahren. Um 7 Uhr früh verließen wir das Dorf Nyry und ließen die Batterie vor dem Walde halten, um die Stellung zunächst genau zu erkunden. – Hierzu war uns ein Ordonanzoffizier einer hiesigen Abteilung zur Verfügung gestellt worden, der allerdings sehr wenig Bescheid wusste. Nach einigem vergeblichen Suchen fanden wir die Stellung dann aber doch und brachten die Batterie bis 11 Uhr vorm. hinein. Und zwar unter der Leitung unseres Feldw. Leutnants Jungfer. Wir übrigen waren inzwischen nach vorn in die Grabenstellungen gegangen, um uns über dortige Verhältnisse aufzuklären und eine Beob.Stelle einzurichten. Hier fanden wir uns bedeutend schneller als im Walde zurecht. Um 11 Uhr waren wir schon mit allem fertig und ritten zur Batterie zurück. Gegen abend wurde dann noch die Fernsprechleitung nach vorn zum Teil gelegt. Morgen früh muss sie fertig gestellt werden, so daß die Batterie spätestens morgen mittag mit dem Einschießen anfangen kann. Heute abend bin ich wieder in Nyry. Unsere Protzen sollen für die Zeit unseres Hierseins in diesem Dorf in Quartier bleiben. Unser Offz.Quartier haben wir deshalb auch beibehalten. Bis zur Feuerstellung ist es leider recht weit. 72 Freitag, 27. Oktober [1916]. Heute war ich wieder mal den ganzen Tag im Graben. Nachmittags hat die Batterie sich eingeschossen auf die Höhe 192. Anfangs waren die Schüsse weit links. Nachher klappte die Sache aber tadellos. Wir hatten sofort einige Schüsse in den russischen Graben, sodaß unsere Infanterie vor Freude aufjauchzte. [1916-10-29 - Torfstich]. Auf dem Wege nach Hause heute abend konnte ich feststellen, mit welch scharfem Instinkt ein Pferd ausgerüstet ist. Von unserer Feuerstellung bis nach Nyry, eine Strecke von über 3 km, hat mein Pferd den Weg allein gefunden. Es war derartig dunkel, daß man zeitweise auch nicht 5 m weit sehen konnte. Das Pferd, mein Fuchs, fand den Weg nun ganz allein. Ich habe ihm ganz freien Willen gelassen. Es suchte immer die festen Stellen auf dem Wege aus, umging sämtliche Gräben, Pfützen und sonstige Hindernisse, verfolgte aber sonst genau den Weg, den ich gestern geritten bin. 73 [1916-10-29 Lageskizze]. 74 [1916-10-28 Lageskizze:] 121. I. D. Skizze der Höhe 192. 28. X. 16. Durch den Sturm vom 1. XI. 16 gewonnene russ. Stellungen. Montag, 30. Oktober 1916. Vorgestern, gestern und heute war das Wetter recht schlecht, es regnet fast unausgesetzt. Die Wege werden kolossal morastig. Es ist nur gut, dass wir gestern umgezogen sind nach Karolinka. Die stundenlangen Ritte morgens und abends nach Nyry fallen dadurch weg. Die Pferde gingen auch ganz kaputt. In der neuen Wohnung in Karolinka sieht es ganz behaglich aus. Es ist ein Pavillon, ein russischer Getreidespeicher, aus dicken Bohlen. Die Innenmaße [sind] ungefähr 5 x 5 m. Das Fenster fehlte, wir haben aber sofort eins eingesetzt. Jetzt ist es ganz wohnlich. In der Mitte 75 des Raumes steht ein kleiner Kanonenofen. Ein Tisch, zwei Bänke und die Bettenanlage bilden die Einrichtung. Die Batterie hat sich gestern und heute auf eine ganze Reihe Ziele eingeschossen. Gestern ging es ganz gut. Heute war es aber schlecht. Wahrscheinlich kam es von dem schlechten, windigen Wetter. Die Kanoniere arbeiten schon ganz gut, daran kann es kaum gelegen haben. Ein Schuß ging nämlich hierhin, der andere dorthin. Es waren Unterschiede von 400 m bei gleicher Erhöhung und Seite da. Unser Batterieführer wollte dabei rasend werden. Dann kamen noch Telefonleitungsstörungen dazu und die Wut steigerte sich. Er wollte die Mannschaften sämtlich einsperren und ans Wagenrad binden. Glücklicherweise ging es den anderen Batterien beim Schießen nicht besser. Die Schuld mußte dem Wetter zugeschoben werden. [Photo 1916-10-30: Otto Borggräfe zu Pferde]. Dienstag, 31. Oktober 1916. Heute war ich wieder einmal Graben, um das letzte Einschießen der Batterie vorzunehmen. Es klappte tadellos. 2 Einzelschüße [sic!] und 1 Gruppe zu 4 Schüssen brachte[n] ein schönes Bild; alles lag richtig in den russischen Stellungen. Die schweren und leichten Minenwerfer schossen sich nachmittag[s] ebenfalls ein. [Es] war schon ein mächtiges Feuer. Von der Batterie fragte unser Batterieführer an, ob vielleicht ein Wirkungsschiessen im Gange wäre, unsere schöne Wohnung soll nämlich mächtig gewackelt haben. Morgen früh soll der allgemeine Angriff auf die Höhe 192 vor sich gehen. Ich muß als Hilfsbeobachter mit der Infanterie vorgehen, um sofort auf die rückwärtigen russischen Stellungen zu schießen. Es wird sicher ganz interessant werden. Alles nähere nachher. 76 [1916-11-02 – Zeitungsausschnitt 1:] „Bericht der Obersten Heeresleitung, den 2. November 1916“; [1916-11-02 – Zeitungsausschnitt 2:] und „Oesterreichisch-ungarischer Kriegsbericht. Wien, 2. November“. Donnerstag, 2. November 1916. Gestern war der große Angriffstag auf Höhe 192. Morgens 8 Uhr ging die Kanonade los und dauerte bis mittags 1.15, als der Angriff einsetzte. – Das Wirkungsschießen war in 6 Zeitabschnitte eingeteilt. Jeder Zeitabschnitt endete mit einem 10 Minuten langen 77 Trommelfeuer. Die ganze Höhe war in eine Wolke eingehüllt. Im ersten Zeitabschnitt wurde von der Artillerie die 6. russ. Linie beschossen; im zweiten die 5. Linie und so fort bis zur ersten Linie. Während der gesamten Zeit beschossen die Minenwerfer aller Größen die Drahtverhaue und vordersten Gräben. Beim Einsetzen des Sturmes war ein Zerschneiden der Drahtverhaue durch Infanteristen und Pioniere garnicht mehr nötig. Um 1.15 Uhr ging der Sturm vor sich. Die Infanterie ging in 3 Wellen vor. Die erste lief sofort, als das Artilleriefeuer feindwärts verlegt wurde, vor; kurz darauf dann die 2. & 3. Welle. Ich musste als Artilleriebeobachter mit vor und zwar gleich hinter der ersten Welle. Mit mir gingen vor ein Unteroffizier und zwei Fernsprecher. Der Unteroffizier war stud. jur. Grude bei uns „Richtkreis I.“. Als Fernsprecher Gefr. Ehlers und Kan[onier]. Arens. Sehr kurz nach Einsetzen des Sturmes waren wir vorn auf der Höhe 192 und standen in telefonische[r] Verbindung mit der Batterie. Bei einem Gegenangriff hätten wir von hier aus sehr wirksames Feuer auf die Russen legen können. Es erfolgte aber keiner. Hier im Sumpfgelände ist ein solcher auch ziemlich aussichtslos. Das stürmende Inf. Regiment war Nr. 56. Die Artillerie stammte aus allen möglichen Regimentern. Wir waren vom Reg. 277 allein hier. Es sollen für diesen Angriff über 50 Batterien hergeschickt worden [sein]. Davon waren 3 Batterien 21 cm Mörser, einige leichte Kanonen-Batterien und der Rest leichte & schwere Feldhaubitzen. Alles ist in den Tagen vor dem Angriff nach hier gekommen. Die Beute beträgt nach heutiger Meldung 1580 Gefangene, 22 Offiziere, 10 Masch. Gew[ehre]. und 5 Minenwerfer. In der letzten Nacht habe ich dann einen Beobachtungsstand auf der Höhe 192 ausgebaut und bin heute vormittag zurückgekommen. Die Batterie hat während des Gefechts über 1400 Schuß verfeuert. Heute herrscht ziemlich Ruhe. Der Russe beschießt die deutschen neue[n] Gräben und hat uns schon einige Verluste beigebracht. 2. Nov. 1916 an Gruppe Ritscher [Ritschen? Ritgen?, vgl. 1916-11-03 Lageplan]: Bericht der 2. Batterie FeldArtReg 277 [eingefügtes Blatt] Die 2. Batterie FAR 277 erhielt am 23. Okt. 1916 abends 7 Uhr Befehl, sich nach Ozdzintycze in Marsch zu setzen und dort bei der 20. I[nfanterie]. D[ivision]. weitere Befehle entgegenzunehmen. Um 9 Uhr verließ die Batterie ihre Stellung und marschierte über Rudnia nach Ozdzintycze. Hier angekommen, bekam sie Anweisung in Miroslawow in Quartier zu gehen und am folgenden Tage nach Nyry weiter zu marschieren. Die Route von hier aus war Popielewka – Makowicze – Dazwa – Nyry. Am 25. Oktober, nachmittags 2.30 Uhr traf die Batterie in Nyry ein, bezog im nördlichen Teil des Dorfes Quartier und hielt sich zur Verfügung der 121. I. D. Am Morgen des 26. Okt. erkundete die Batterie die Feuerstellung, und fuhr gegen mittag ein. Am Morgen des nächsten Tages richtete sie B[eobachtungs].Stellen auf Höhe 207 und im Abschnitt der 9. Comp. Res. I. R. 56 ein. Nachmittags schoß die Batterie sich auf die Höhe 192 ein. Am 28. Okt. setzte sie das Einschießen fort und legte die genaueren Zielabschnitte fest. Der Munitionsverbrauch während des Einschießens war 80 Schuss. Am 1. November nahm die Batterie am Angriff gegen die Höhe 192 teil und verfeuerte 1262 Schuß. Während des Sturmes ging der Hilfsbeobachter mit der 1. Welle vor und richtete auf der Höhe 192 eine Beobachtungsstelle ein. Am 2. Nov. beschoss die Batterie feindl. Truppenbewegungen westlich des Dorfes Babie mit 30 Schuß. [Eingefügtes Blatt mit anderer Handschrift:] 31. 10. 16 Jede Battr. [sic!] hat ihre eigenen Vereinbarungen mit ihrer vorgeschobenen Beobachtung zu treffen[,] unter allen Umständen bedeuten grüne Leuchtkugeln Feuer feindwärts zu verlegen / 78 rote Leuchtkugel / Batterie soll Sperrfeuer abgeben. II Battr. 277 u. 5/29 geben Ihren und der stürmenden Infanterie vorgehenden Hilfsbeobachter die genaue Richtung des Vorgehens an. Hilfsbeobachter im Graben und vorgehende Beobachter haben sich noch heute mit der... in Verbindung zu setzen u. nähere Angaben zu erhalten, daß alle Vorbereitungen für Hilfsbeobachter, wie in früheren Befehlen gegeben, getroffen sind, ist zum 31. [... ?] 7 Uhr telefonisch zu melden. II. Die Nachrichten Offz. melden zum 31/abends 7 Uhr telefonisch ihre mit den Infanterieführern getroffenen Vereinbarungen. Auszug aus dem Div. Tagesbefehl 30./10. I Die monatlichen Meldungen über Ver[p]flegungs- u. Gefechtsstärke pp. sind der Division diesmal auch von den zugeteilten Truppen und dem ganzen Infanterie Regmt. 419 einzureichen. Der Stand von 1. 11. früh ist der Meldung zu Grunde zu legen, Meldung an Gruppe zum I. 11. 8 Uhr vorm. schriftlich. 5. Der Verpflegungsempfang beim Feldproviantamt 121 I. D. findet im Monat November an den ungeraden Tagen in der Zeit von 7 - 10 vormittags statt. Die beifolgende Nachweisung über Ärtzte [sic!] - [… ?] ist bis zum 2/11 8 Uhr vormittags beim Befehlsempfang zurückzureichen. Aufgenommen durch Stolle. 2/277 [Zusatz wiederum mit anderer Handschrift:] Hilfsbeob. geht vor in Richtung 6. Graben, dort wo er über die Höhe verschwindet. [gez.] Kraus. Zur Erledigung an Wachtm. Borggräfe. [gez.] Kr[aus]. 7 Uhr abends ab Cholopicze. Auf der Art. Komm. reichen Batterien spätestens bis 1ten [?] [... ?] die im Okt. verfeuerten Schüsse unter Angabe der Gefechts- und Schießtage [ein] und bei welchem Corps oder selbstständ. Tr[uppen]Verband [sie] verfeuert sind. Gruppe Ritscher [Ritschen? Ritgen? Vgl. 1916-11-03 Lageplan]. 10. Landw. 1- 23 Okt 121. I.D. 1 - 31 Okt 79 [1916-11-03 Lageplan: „Art. Komdr. 121. Inf. Div.“]. [1916-11-03 Lageplan: „Art. Komdr. 121. Inf. Div.“, Rückseite:] 1. Vorgeschobene Beobachtung nach Erstürmung der Höhe 192 eingerichtet. „kleiner Moritz“ später „Max“. 2. Vorgeschobene Beobachtung bei der 9. Comp. Res. I. R. 56. „Moritz“ 3. Hauptbeobachtung Höhe 206 „Max“. Nur bis zur Erstürmung der Höhe 192 benutzt. 4. Batteriestellung am Friedhof Res. I. R. 56 u. R. I. R. 7. Wechselstellung der 8. Battr. F. A. R. 241. „Batterie Blicksburg“. Freitag, 3. November 1916. Heute vormittag war ich in der Batterie und habe einige Aufnahmen gemacht. Das Wetter war sehr gut. Hoffentlich sind die Bilder gut geraten. [Photo 1916-11-03]. Nachmittag[s] bin ich in der Beobachtungsstelle auf Höhe 192 gewesen und habe die Russen etwas in Bewegung gebracht. Kurz nach zwei Uhr schlichen etwa 30 Mann auf unsere Stellungen zu. Mit einigen Schüssen wurden sie aber schnell vertrieben. Um 4 Uhr bekamen 80 wir dann Befehl, uns auf einen neuen Sperrfeuerabschnitt am Stochod einzuschießen. Auch dies wurde schnell mit einigen Schüssen erledigt. Gerade eben, es ist 8½ Uhr, kommt Befehl, daß die Batterie sich am 5. ds. Mts. in Richtung Popielewka in Marsch zu setzen hat. Für Unterkunft hat die 20. Inf. Division, wie das letzte Mal auf dem Hermarsch, zu sorgen. Weiteren Befehl sollen wir dort entgegennehmen. Hoffentlich sind unsere Quartiere in Cholopicze noch in Ordnung, falls wir dort wieder hinkommen. [1916-11-03 Photo ohne Beschriftung]. [Eingeklebtes Blatt:] 121. Inf. Div. Abt. I. II. a Nr. 10039. D. St. Qu. (Div. Stabs Quartier) 3. XI. 1916. Nach wirksamer Vorbereitung durch vorzüglich geleitetes Artillerie- und Minenfeuer hat am 1. XI. 16 nachmittags das Regiment 56, unterstützt vom II. Batt. R. I. R. 52 sowie von Pionieren und Minenwerfern, in glänzendem Anlauf die gesamte feindliche Stellung auf Höhe 192 überrannt und ist bis an und über den Stochod vorgestoßen. Am gleichen Nachmittag warf Res. Inf. Reg. 7 in wuchtigem Stoss den Gegner endgültig aus dem Russenwald über den Stochod zurück. Gut Witonez wurde von einer Kompanie des Regiments 78 genommen. Der schöne Erfolg wurde mit verhältnissmäßig geringen Opfern erstritten. Gross war die Beute des Tages: 21 Offiziere, 1524 Mann, 12 Masch. Gew[ehre]., 5 Minenwerfer sowie zahlloses Kriegsgerät fielen in die Hände der stürmenden Truppen. Die blutigen Verluste des Feindes sind schwer. Die so heiß umstrittenen Stellungen auf Höhe 192 und im Russenwalde sind wieder in unserer Hand und sollen es bleiben. Ich spreche allen an der Vorbereitung und Durchführung des Angriffes beteiligten Führern und Truppen meinen Dank und meine volle Anerkennung aus. gez. v. Ditfurth Gen. Major & Divisions Kommandeur. 81 Sonnabend, 4. November 1916. Heute hat die Batterie sich marschbereit gemacht. Sämtliche Sachen sind eingepackt worden. Die Protzen und Munitionswagen sind heute in die Feuerstellung gekommen. Morgen früh braucht dann nur angespannt [zu] werden und der Marsch kann beginnen. Abmarsch ist auf 6 Uhr angesetzt. Heute abend sind [wir] zu den Offizieren der 8. Batt. F.A.R. 241 eingeladen. Wir haben hier während der ganzen Zeit gewohnt, die wir in Karolinka waren. Der Batterieführer Oberleutnant Blicksburg, Leutnant Laabes, Ltn. Scheffer & F.Ltn. Hesse bilden den Stab der Batterie. Alles sehr nette Herren. Den heutigen Abend wollen wir noch gemütlich miteinander verbringen und dann morgen früh dies Quartier verlassen. [1916-11-04 Max und Moritz v. Hütte, „’Max + Moritz’ die zwei Burschen“]. Sonntag, 5. November 1916. Heute haben wir uns in einem Quartier für durchreisende Offiziere in Miroslawow eingenistet. Es ist ein Raum 5 x 5 m mit 4 Betten, Tisch, einer Bank und einigen Stühlen. Das erste Mal, wo wir einen möbelierten [sic!] Raum finden. Die Batterie ist wieder in denselben Scheunen wie beim Durchmarsch am 24/25. Okt. untergebracht. – Die Route nach hier war: Kolonie Karolinka – Nowy Dwor – Dazwa – Serkizow – Makowicze – Popielewka – Miroslawow. Beim Abmarsch heute morgen habe ich mit meinem Batterieführer Ltn. Kraus einige Differenzen gehabt. Offz. Stellvertreter Fischer und ich mußten [uns] alle möglichen Sachen anhören „wie im Kriegerverein“, „schlappe Gesellschaft“ und noch vieles andere. Gerade eben kommt die Nachricht durch, daß das Königreich Polen proklamiert worden ist. Wir hier im Osten sind also nicht mehr in Rußland, sondern in Polen. Hoffentlich bringt diese Staatsaktion uns dem Frieden etwas näher. 82 [1916-11-05 Photo ohne Beschriftung]. Dienstag, 7. November 1916 Gestern nachmittag 1 Uhr sind wir in Cholopicze angekommen. Morgens 7.15 Uhr fuhren wir von Miroslawow ab über Ozdzniticze – Rudnia und erreichten um 10 Uhr Zapust. Hier meldeten wir uns bei der Abteilung und erhielten Befehl, mit Dunkelwerden in unsere alte Stellung zu gehen. Für mich war ein besonderer Auftrag da; nämlich einen vorgeschobenen Beobachtungs-Posten bei der 11. Comp. Inf.Reg. 346 einzurichten. Augenblicklich, es ist 6 Uhr abends, sitze ich denn auch vorn in der ersten Stellung. Ein Zugführer der Companie, der Vicefeldwebel Paul Kuwatsch, III. Corps [?], Charlottenburg, Potsdamerstr. 45, hat [mir] ein Plätzchen eingeräumt in seinem ganz neuen Unterstand. Das Fenster fehlt noch, die Scheibe dazu will ich besorgen. Es ist hier sehr schön warm. Ein kleiner Schwarmlinienofen steht in der Ecke und das Teewasser brodelt ganz heim[e]lich. Man fühlt sich ganz wohl. Die Batterie hat sich heute auf den neu zugeteilten Sperrfeuerabschnitt eingeschossen. Mit 10 Schuss war alles erledigt. 83 [1916-11-07 Lageskizze, „Branchowice 19. XI. 16.“]. [1916-11-08 Photo ohne Beschriftung]. Mittwoch, den 8. November 1916. Der heutige Tag verlief fast ohne irgendwelches Geschiesse. Es war ziemlich ruhig. Vor Mittag und auch nach Mittag wollte die Infanterie die hier stehenden Batterien etwas exerzieren. Vorn auf den Feldwachen und Unteroffiziersposten wurden rote Leuchtkugeln 84 abgeschossen und die Artillerie sollte dann sofort den zugeteilten Sperrfeuerabschnitt unter Feuer nehmen. Die ganze Sache war verfehlt, denn die roten Leuchtkugeln waren in der hellen Sonne garnicht zu erkennen. Von 3 Raketen ist nur eine beobachtet worden. Um 1.10, um 1.50 und 2.50 Uhr sind Leuchtkugeln geschossen worden und nur um 1.50 hat unsere Batterie mit 2 Schuss geantwortet. Andere Batterien, die auch in den Abschnitt des III. Bataillons fallen, haben garnicht geschossen. Die Beobachtung der roten Signale war aber auch so schlecht, daß nicht einmal die Infanterieposten vorn in der Stellung, nur 50 - 100 m davon entfernt, irgendwie aufmerksam geworden sind. Sonst hat der Tag wenig bemerkenswertes gebracht. Nachmittag[s] war ich auf der Suche nach einem Unterstand für meine drei Telefonisten, oder besser, nach einer Deckung, in der die Beobachtung 2/277 im 3. Zuge 11. Comp. I[nf]. R[eg]. 346 unterschlüpfen kann und schön beieinander ist. Der 2. M.G. Zug 346 sollte einen Unterstand rausrücken, weil er gerade einen neuen fertig hat, aber der Führer Herr Ltn. Scholz will aus dem alten einen Holzkeller machen und später die Balkenlagen selbst auch verfeuern. Es wird uns nun wohl nichts anderes übrig bleiben, als selbst ein Loch auszuheben. 85 [1916-11-08 Lageskizze, Rückseite:] „Gruppe Stockmeyer“ Skizze über Fernsprechnetz. Donnerstag, den 9. November 1916. Heute vormittag bin ich durch einen Unteroffizier unserer Batterie von der vorgeschobenen Beobachtung abgelöst worden. – Augenblicklich sitze ich in unserem Quartier in Cholopicze beim Schein einer Carbitlampe [sic!] und schreibe Briefe an alle möglichen Leute, keine schöne Arbeit, aber es muß ja auch getan werden. Freitag, 10. November 1916. Heute nachmittag habe [ich] mein Amt als Abteilungs Telefonoffizier wieder angetreten. Die Abteilung mahnte gestern abend deswegen. Für die einzelnen Batterien habe ich mich nun mit der Construction von Schaltkästen zu befassen. Herr Ltn. Hurum, der Ordonanzoffizier, hat schon einen brauchbaren, aber doch noch in mancher Hinsicht unpractischen Apparat gebaut. Morgen will ich mein Glück an einem Kasten mit Messinghülsen versuchen. Die Protzen unserer Batterie wollten heute von Alexandrowka nach Rudna übersiedeln, weil dort bedeutend bessere Ställe verfügbar waren. Als der Wachtmeister nun nach Mittag mit den Pferden ankam, fand er sämtliche Höfe mit Infanteristen vollgepfropft, mußte also unverrichteter Sache mit seinen hundert Pferden wieder nach Alexandrowka ziehen. Man sagt, die Infanteristen gehörten dem 8. A. K. an und wären eine Ablösung für das 10. A. K. Meinen Vetter Karl Bulling werde ich nun wohl kaum noch treffen. Er liegt bei Siniawka, über 20 km von hier. Montag, 13. November 1916. Vorgestern und gestern war ich im Graben bei der 12. Comp. I. R. 346. Ich habe wieder beim Zugführer des III. Zuges gewohnt. Diesmal war ein Offz. Stellvertreter Martin Schultz dort. Seine Ziviladresse ist Bergw. Dir[ektor]. C. A. Schultz, Charlottenburg, Reichsstr.4 a/Reichskanzlerplatz. Im Zivilleben ist er Offizier der Handelsmarine und hat bei der Deutschen Levantelinie gefahren. Gestern abend kam wieder einmal der Befehl, daß die Batterie sich marschbereit machen soll. Heute haben wir schon nicht unbedingt notwendige Leitungen unseres Fernsprechnetzes eingezogen, um morgen besser fertig werden zu können. 86 Einem Gerücht nach soll die Batterie nach Verchi [Virchy] am Stochod kommen. Unsere 2. Abteilung ist schon vor einigen Tagen abmarschiert. Dienstag, 14. November 1916. Das Wetter ist heute sehr schlecht. Es regnet den ganzen Tag. Augenblicklich, es ist 6 Uhr abends, ist es draußen so finster, daß man nicht einmal 2 m weit sehen kann; es ist geradezu unmöglich, sich zurecht zu finden. Glücklicherweise hat die Batterie noch keinen Marschbefehl. Wir sitzen noch gemütlich in unserem Quartier in Cholopicze am Kaminfeuer und fühlen uns ganz wohl. Heute nachmittag erschien hier bei uns schon die Österreichische Ablösung, die an unserer Statt nach hier kommen soll. Es war ein kleiner Oberleutnant Halbert mit einem seiner Offiziere, 2. Feld-Haubitz Regiment 6. Batterie. Er kommt jetzt aus der Garnison und wird hier, ebenso wie wir damals, zum ersten Mal angesetzt. Von uns zog er alle möglichen Erkundigungen ein betreffs Beobachtungsstellen, Protzenstellung und sonstigen Verhältnissen. Unsere Protzenstellung scheint dem Oberleutnant doch recht weit, Alexandrowka liegt nämlich 6 km von hier. Bei Trommelfeuer hätten wir die Protzen, wenn auch nicht alle, so doch mindestens die Geschütz-Protzen, wohl sicherheitshalber bis nahe an die Feuerstellung vorgezogen. – Ein Österreicher denkt doch zunächst immer an den Rückzug. Die Initiative ist ihnen etwas unbekanntes. Weiter nördlich von hier baute eine österreichische Batterie Rückzugsstraßen. Das Wort „Anmarschweg“ steht nur im deutschen Reglement. Die österreichische Batterie will uns übermorgen, also Donnerstag, vormittags ablösen. Hoffentlich kommt sie einigermaßen rechtzeitig. Wir sollen dann auf der nächsten Bahnstation verladen werden und in der Gegend von Virchy am Stochod in Stellung kommen. Dort oben steht unsere Division, d. h. die Division, der wir eigentlich [zugeteilt] werden sollten, die 91. Division. Mittwoch, 15. November 1916. Unsere österreichische Ablösung hat sich heute bei uns eingefunden. Sämtliche Offiziere tauchten nacheinander auf, um sich die Stellungen, Beobachtungen etc. anzusehen. Ich war heute vormittag mit dem Fähnrich Weiß in die Schwarmlinie, d. i. in den Schützengraben, [gegangen] und habe ihn über die dortigen Verhältnisse, wie da ist: russische Linien, Sperrfeuerabschnitt etc., aufgeklärt. Dem Fähnrich kam alles ganz neu vor, ihm schienen die Verhältnisse so nahe beim Russen aber garnicht zu behagen. Die Etappe hält er, wie wohl alle k. u. k. Bundesbrüder, für einen ganz entschieden besseren Aufenthaltsort. Nach dem Abteilungsbefehl von gestern mußte ich mich heute mittag 1 Uhr auf dem Geschäftszimmer in Zapust melden. Im Ordonanzanzuge, mit Helm und Säbel angetan, wurde mir die österreichische Tapferkeitsmedaille angehängt [Abbildung neben dem Text: Vorderund Rückseite der Medaille mit Bleistift durchgerieben]. Hauptmann Bauer, stellvertretender Abteilungsführer, überreichte mir die Sache, nicht ohne eine kleine Pflaume anzubringen: für gutes Kabellegen. – Beim Bau eines Kabelgrabens war ich vor einiger Zeit nämlich nicht zugegen, obgleich es mein Amt war. Ein österreichischer Leutnant hat sich damals über meine Abwesenheit beschwert. Donnerstag, 16. November 1916. Seit heute mittag sind wir in Alexandrowka in Quartier. Die österreichische Batterie kam schon heute morgen 8 Uhr nach Cholopicze, um uns abzulösen. Herr Oberleutnant Halbert war sehr erregt, ob freudig oder nervös, konnte ich nicht genau feststellen. Er ritt jedenfalls sofort zur Beobachtungsstelle, um sich sofort einzuschießen. Dem Batterieoffizier paßte dies schnelle Arbeiten aber garnicht. Er hängte die Telefonleitung deshalb einfach ab und ließ seinen Batterieführer auf der B[eobachtungs]stelle 87 sich austoben. Er arbeitete derweil gemütlich mit seinen Leuten in der Feuerstellung, ohne sich irgendwie zu beeilen. Erst nachher stellte er die Verbindung mit seinem Batterieführer wieder her. – Wieder einmal ein richtig österreichischer Streich, eine Dienstauffassung, wie sie bei uns doch ganz unmöglich ist. Der Marsch nach hier vollzog sich heute morgen ganz ohne Störung. Die Wege waren ziemlich gut. Der Frost der letzten zwei Tage war schon soweit eingedrungen, daß die Fahrzeuge nur auf einzelnen Stellen durchbrachen. Auch jetzt friert es wieder ziemlich heftig, mindestens 6 – 8°. Heute nacht friert [es] sicher bis zu 10°. Morgen sind die Wege dann hoffentlich überall fest. Für 7 Uhr morgen früh ist Abmarsch nach Chorostow befohlen. Sonnabend, 18. November 1916. Seit heute nachmittag 2 Uhr sind wir in Br[z]uchowice [Ukraine] in Quartier. Nach 8stündiger Bahnfahrt haben wir heute morgen 7 Uhr in Poginki ausgeladen. – Von Alexandrowka marschierten wir gestern morgen 7½ Uhr ab, erreichten um 8½ Uhr Wojmica und kamen kurz nach Mittag in Chorostow auf dem Bahnhof an. In Wojmica mußten wir zunächst eine halbe Stunde auf unseren hohen Abteilungsstab warten; in Chorostow war es noch schlimmer, es war kein Zug da, auf den wir unsere Batterie verladen konnten. Wir mußten bis 10½ Uhr, also über 9 Stunden, warten und dabei fror und schneite es ziemlich heftig. Gegen abend wurde es so kalt, daß man sich kaum noch bewegen konnte. Um nun nicht ganz einzufrieren, wurden große Feuer angezündet und allmählich tauten die Leute wieder auf. Es wurde gesungen und nach Verlauf einer halben Stunde war alles in bester Stimmung. Kurz nach 10 Uhr kam dann der Zug. Es wurde nun schnell verladen und um ½12 Uhr fuhr der Zug von Chorostow ab. Für Heizung der Wagen, wenigstens der Personenwagen, habe ich sofort gesorgt. Ein österreichischer Lokomotivführer ließ sich durch eine Zigarette leicht dazu bestimmen, den Dampfhahn für die Heizleitung aufzudrehen. – Die Fahrt ging über Kowel nach Poginki, einem ganz kleinen Dorf mit mächtigen Bahnanlagen. Um 8 Uhr heute morgen stand die Batterie marschbereit und marschierte, wieder auf die hohe Abteilung wartend, in östlicher Richtung ab. Nach einer halben Stunde kamen wir auf die große Straße Kowel – Rowno; es ist eine große schöne Straße, wohl 10 m breit, jetzt schön fest gefroren. Es war ein Verkehr dort, wie man ihn nur auf einer großen Heeresstraße finden kann. Kolonne marschierte hinter Kolonne, sich immer hinter die vordere rangierend. Automobile, Munitionskolonnen, Infanterie, Artillerie, Sanitätskolonnen, alles bunt durcheinander, alles in gleichem Tempo sich fortbewegend. Gegen 11 Uhr erreichten wir Holoby und um 2 Uhr nachmittags Br[z]uchowice. Wir sind im Quartier der L. M. K. der I. Abteilung F. A. R. 213 untergebracht. Die Kolonne selbst ist weiter rückwärts in ein Dorf gekommen. Sie hat hier das Quartier für nach vorn kommende Batterien räumen müssen. – Wie es heißt, soll hier bei Kuchary am Stochod eine Höhenstellung, ähnlich wie bei Witoniz, genommen werden. Pioniere jeder Gattung, wie Sappeure [Truppenhandwerker], Minenwerfer, Gasbläser, Scheinwerfer sind mit uns zugleich angekommen. Es sollen hier über 80 Batterien neu eingesetzt werden. Am Tage unseres Abmarsches von Cholopicze hatte die Batterie den ersten Verwundeten gehabt. Es war der kriegsfreiw. Unteroffz. Grude. Beim Zurückgehen aus dem Schützengraben auf einem allerdings nicht ganz einwandfreien Weg hat ihm eine 88 Schrapnellkugel den rechten Oberarm zerschlagen. Er mußte natürlich sofort ins Lazarett. Gestern haben wir ihn in Wojmica besucht. [1916-11-19 Lageskizze:] marschierter Weg. Sonntag, 19. November 1916. Heute sitzen wir gemütlich in unserem Quartier und warten auf Befehl. Wir sind hier einen Tag zu früh angekommen. Morgen wird’s aber wohl losgehen. Das Wetter ist seit gestern ausgezeichnet. Es friert mindestens 6° und ein kräftiger Nordost weht dabei, sodaß in unserer Bude, östliche Seite eines großen Pferdestalles, gerade keine Übertemperatur herrscht. Gerade eben, es ist jetzt 9 Uhr abends, haben wir Befehl bekommen, morgen früh 4 Uhr am Denkmal vor Br[z]uchowicze zu halten, um dann unter Führung eines Meldereiters in Feuerstellung zu fahren. Wir sind von da ab nicht mehr unserer Abteilung unterstellt, sondern bekommen von der „Gruppe A. 1.“ die späteren Befehle. – Der Abmarschbefehl wurde uns durch einen Ltn. Eckert vom F. A. R. 213 übermittelt. 89 [1916-11-21 Lageskizze:] Stellung 21. XI. 1916. Dienstag, 21. November 1916 Gestern morgen 4 Uhr fuhr die Batterie von Br[z]uchowicze ab, um 500 m nördlich Bol. Porsk in Stellung zu gehen. Der Marsch ging ganz ohne irgendeinen Zwischenfall von statten, obgleich es sehr dunkel war. Ein gut orientierter Meldereiter führte uns auf guten Wegen über 2 Stunden weit sicher durch Wiesen, Äcker, Sümpfe und Wälder. Die Feuerstellung war aber nur leicht angedeutet; nur 2 Unterstände für Mannschaften waren ausgehoben. Von den Geschützeinschnitten waren nur die Spornlagen zu sehen. Um 9 Uhr vormittags konnten wir die Geschütze schon in gut ausgebaute Einschnitte bringen, obgleich der Boden fest gefroren war. Die Leute haben fabelhaft gearbeitet; die Kälte brachte sie mächtig an die Arbeit. Um 10 Uhr bekamen wir dann Zielkarten usw. und da stellte sich heraus, daß [die] Front der Feuerstellung total falsch war. Die Batterie mußte über 100° schwenken, um überhaupt in die zugewiesenen Ziele zu kommen. Diese Feuerstellung war also vollständig unbrauchbar für uns. Von unserer Gruppe, es ist Untergruppe Seidel, Hauptgruppe ist Major von Wedel, bekamen [wir] auf Anfragen hin gar keine Anweisung. Bei einer Besprechung wurde uns dann gelegentlich befohlen, in unmittelbarer Nähe der alten Stellung zu bleiben. Im freien Felde könnte man doch am besten schießen. Nach Mittag haben wir dann Mannschaftsunterstände ausgehoben und sind eine neue Stellung 100 m westlich der alten angefangen. Heute morgen 8 Uhr waren die neuen Einschnitte fertig. Um 6 Uhr hatte eine Protze die Lafetten hinübergefahren und um 8 Uhr konnten wir uns feuerbereit melden. Im Laufe des Tages sind dann Telefonleitungen zu den B[eobachtungs].Stellen und den Gruppen gelegt worden. Morgen früh wollen wir die Batterie einschießen. Heute war es zu nebelig dazu. Mittwoch, 22. November 1916. 90 Heute vormittag haben wir uns eingeschossen auf sämtliche Ziele, die uns für den Angriff auf die Höhen südlich und östlich Bol. Porsk zugewiesen sind. Die Entfernungen sind 3000 3500 m. Anfangs fanden wir unsere Schüsse heute morgen garnicht. Erst nach einigem Hin- und Herschwenken fanden wir sie heraus, und brachten sie nun schnell in die Ziele. Augenblicklich, es ist 8 Uhr abends, sitzen wir dabei, die Schießtafeln für die Batterie anzufertigen. Heute nachmittag haben wir einen Flieger beschossen. Leider konnten wir nicht genügend herumschwenken. Bei nächster Gelegenheit soll eine Lafette aus dem Geschützstand herausgezogen werden. Die Schüsse lagen aber auch heute schon ganz gut. Donnerstag, 23. XI. 1916. Der heutige Tag verlief ohne große Ereignisse. Alles wartet auf den großen Angriff. Der Wind ist in der letzten Nacht herumgegangen, sodaß der Gasangriff schon einigermaßen möglich ist. Nordwest-Wind ist der günstigste; jetzt ist er südwestlich. Heute nachmittag war in der Gruppe Wedel eine Durchsicht der Batteriepläne der einzelnen Untergruppen und Batterien angesetzt. Von unserer Batterie mußte ich mit den Karten abziehen. Durch einen falschen Befehl irregeführt, kam ich 1¾ Stunden zu spät zur Gruppe, trotzdem mußte ich bei dem Herrn Major noch über ½ Stunde warten, bis ich vorgelassen wurde. Ca. 20 Offiziere waren mit mir zugleich dort und wir teilten alle dasselbe Los. Morgen früh müssen sämtlich B[eobachtungs]stellen ab 4 Uhr früh besetzt sein. Um 2 Uhr werden wir uns also wohl erheben müssen, um rechtzeitig hinzukommen. [1916-11-23 Photo ohne Beschriftung]. 91 [1916-11-23 Schlachtplan]. Freitag, 24. November 1916. Der Wind bläst immer noch aus südwest; zeitweise schwankte er, wollte nach Westen rumgehen, fiel dann aber auf Südwest zurück. Die B.stellen brauchten heute morgen nach einem Befehl von gestern abend nicht besetzt [zu] werden. Wie es morgen wird, muß noch befohlen werden. Sonnabend, 25. November 1916. Heute morgen haben wir die Entdeckung gemacht, daß der Offiziers-Unterstand mit Läusen behaftet ist. Schon seit einigen Tagen kam uns die Sache nicht mehr ganz sauber vor, heute morgen haben wir nun einige Bienen gefunden. Morgen sollen sämtliche Decken und sonstigen Sachen zur Entlausung. Hoffentlich hilft es etwas. Die B.Stellen brauchten auch heute nicht besetzt [zu] sein. Für morgen kam derselbe Befehl gerade eben. Sonntag, 26. November 1916. Heute war das Wetter wieder sehr gut. Der Wind ist nach Osten herumgegangen. Von dem Angriff kann also noch nichts werden. Ein Entlausungsinstitut, ein Lausoleum, haben wir dafür aber ausfindig gemacht. Morgen früh soll die Baderei und Kocherei losgehen. 92 Montag, 27. November 1916. Die angesagte Entlausung ist heute vor sich gegangen. Das Zeug kam in einen Backofen, der auf 100° erhitzt werden konnte. Während der Zeit des Kleider-Dörrens badete man sich selbst in einer großen Wanne und zog nachher, frisch und frei, seine bestimmt sauberen Kleider wieder an. Es ist eine wahre Erholung, schon das Bad allein, dann aber auch die Gewißheit, von den Bienen befreit zu sein. Dienstag, 28. November 1916. Heute früh war ich mit unserem Batterieführer auf der Preussenhöhe, 194, um ein neues Sperrfeuer einzuschießen. Es verlief alles ganz glatt. Der An- & Abmarschweg in Sicht der Russen wurde im Laufschritt zurückgelegt. Ein dicker Kanonier, der den Batterieplan zu tragen hatte, pustete nachher 10 Minuten lang. Nach Mittag war wieder eine Besprechung bei Herrn Major v. Wedel. Ein langer Vortrag schilderte uns Erlebnismöglichkeiten beim Angriff, Nahkampf etc., und die erwarteten Gegenstöße der Russen. Der Wind ist seit heute morgen für einen Gasangriff günstig. Leichte Brise aus Nordwest. Letzte Nacht hat es geregnet, und mit diesem Wetterumschlag wechselte auch der Wind. Hoffentlich geht „Abendrot“, die „Liebesgaben-Verteilung“, bald vor sich. Donnerstag, 30. XI. 1916. Der gestrige Tag verlief ohne besondere Ereignisse. Heute war ich auf unserer Haupt-Bstelle im Park südlich Bol-Porsk. Die Beobachtung war gut. In den russischen Stellungen war alles zu erkennen. Die Panjes arbeiteten fleissig wie die Ameisen an ihren Stellungen. Leider konnte ich nicht schießen, weil in unseren Stellungen auch tausende von Leuten arbeiteten und da wäre bei einem Vergeltungsfeuer manch einer verwundet worden. Heute abend ist nach 14 Tagen die erste Post angekommen. Es war eine große Freude, wieder einmal etwas von zu Hause zu hören. Sonnabend, 2. Dezember 1916. Gestern und heute war es hier bei uns ganz ruhig. Die Russen schossen wenig, das Wetter war gut. Wir führen ein ganz behagliches Dasein. Heute nachmittag war ich zum Verpassen der Gasmaske in einem Stinkraum. In einer kleinen, luftdichten Erdhöhle wurde eine Gas erzeugende Patrone abgeschossen, um den guten Sitz und die Beschaffenheit der Maske zu erproben. Montag, 4. Dezember 1916. Die Tage verlaufen hier äußerst ruhig. Es passiert kaum etwas Bemerkenswertes. Die hohen und höchsten Behörden ergehen sich in allen möglichen und unmöglichen Befehlen. Gestern morgen kontrollierte Major v. Wedel das Schießen der Batterien auf die Ziele während Abendrot. Er ließ je einen linken und rechten Flügelschuss von den Batterien abgeben. Unsere Schüsse lagen tadellos in der russischen ersten Linie. Morgens früh hatte ich die einzelnen Geschütze eingerenkt und dabei mehrere Schießscharten aus der russ. Stellung entfernt. Schon den zweiten Schuß hatte ich in dem feindl. Graben. 93 Dienstag, 5. Dezember 1916. Heute wollte Herr Major v. Wedel, Regimentskommandeur F. A. R. 213, nochmals unser Schießen auf die zugewiesenen Ziele kontrollieren. Wir waren ab 10 Uhr feuerbereit, die Bedienung saß an den Geschützen, und wartete auf den Befehl des Herrn Major. Es wurde 12 [Uhr], es wurde 2 [Uhr], ein Befehl zum Schießen kam nicht. Die Kanoniere würden jetzt noch draußen sitzen, wenn wir sie nicht hätten wegtreten lassen. Rücksicht auf Mannschaften zu nehmen ist solch hohen Herren anscheinend unbekannt. Heute abend setzte links von uns plötzlich ein heftiges Feuer ein. Als erfahrene Krieger beteiligten wir uns sofort daran. Wir schoßen [sic!] auf unseren Sperrfeuerabschnitt, um einen russischen Angriff, den wir doch sicher vermuteten, abzuwehren. Nachher stellte sich heraus, daß es nur ein Freudenfeuer der morgen abziehenden Batterien war. Aber, weil wir ganz ohne Bescheid zwischen den feuernden Batterien saßen, mußten wir uns an dem Schießen beteiligen. Mittwoch, 6. Dezember 1916. Wieder einmal ist ein Marschbefehl eingetroffen. Heute vormittag 10 Uhr kam von unserer Abteilung der Befehl, daß die Batterie ihre Stellung im Mondenschein zu verlassen hat. Die Munition, die wir nicht in der Batterie verladen können, wird schon jetzt abgefahren. Morgen früh 7 Uhr müssen Ltn. Kuntzen, V[ize]. W[achtmeister]. Fischer und ich in Mielnica sein, um uns dort die neue Stellung anweisen zu lassen. Der große Angriff „Abendrot“ fällt also aus. Sämtliche Batterien und Pioniere, wie Gasbläser, Minenwerfer usw., werden wieder herausgezogen. Wir marschieren wahrscheinlich im Abteilungsverband unter Führung des Herrn Major Stockmeyer. Unsere Batterie soll heute abend noch bis zum Kirchhof Smudtscha vorziehen und dort weiteren Befehl erwarten. Die Pferde gehen wieder nach Br[z]uchowicze zurück. Donnerstag, 7. Dezember 1916. Letzte Nacht kam plötzlich der Befehl, daß die Batterie die Stellung nicht verlassen solle. Die Stellung südöst1ich Mielniza mußte aber trotzdem erkundet werden. Heute morgen 7 Uhr waren wir von der 2. Batterie pünktlich bei der deutschen Telefonzentrale in M[ielniza]. und warteten dann einige Stunden auf die übrigen Batterien. Die 3. erschien mit ½ Stunde Verspätung. Die königl. 1. kam aber ganz zuletzt um 8½ Uhr. Wir ritten nun in südöst1icher Richtung und besichtigten verschiedene österreichische Feuerstellungen. Die der k. u. k. 2. Batterie (üteg [?]) 7. Feld-Kanonen Regiment wurde uns zugewiesen. Sie war ganz großartig ausgebaut in jeder Hinsicht. Während der 5 Monate, wo die k. u. k. Batterie dort lag, hat sie keine Mühe gespart, um alles möglichst gut und behaglich für den Winter einzurichten. In dem großen Kiefernwald merkte man von der herrschenden Kälte nichts. Hoffentlich kommen wir dort hin. Bis jetzt, es ist wieder mal abends 9 Uhr; haben wir noch keinen Befehl, in die k. u. k. Stellung einzurücken. Wir sitzen, den Befehl erwartend (n. Luderdorff [?]) in unserem Unterstand. 94 Freitag, 8. Dezember 1916. Heute morgen 12.30 Uhr bekamen wir Befehl, unsere Feuerstellung nördlich Bol Porsk im Morgengrauen zu verlassen und die erkundete Stellung der 2/7 zu beziehen. Um 6 Uhr früh setzte die Batterie sich in Marsch über Smudtscha in Richtung 5 km südöstlich Mielniza. Um 8 Uhr waren wir an unserem Ziele angelangt, um 10 Uhr fertig eingebaut und feuerbereit. Nach Mittag haben wir uns dann sofort mit 30 Schuß auf unseren Sperrfeuerabschnitt eingeschossen. Jetzt, es ist 5 Uhr nachm., sitzen wir gemütlich in unserem Unterstand beim Kaffee und rauchen eine Zigarre. Nun einiges über unsere taktische Lage, unsere Zugehörigkeit etc. Genaueres wissen wir eigentlich noch garnicht. Den Marschbefehl haben wir durch unsere Abteilung Stockmeyer bekommen; auch sind uns die Stellungen von dort angewiesen worden. Jetzt sind wir aber einer k. u. k. Gruppe Oberstleutnant Schwartz unterstellt. Diese wird in den nächsten Tagen aber abgelöst werden und dann bekommen wir wieder einmal einen neuen Oberkommandeur. [1916-12-08 Plan: gedruckte „Karte XXVII-18-E, 17.8.16, Mielniza“]. 95 Sonntag, 10. Dezember 1916. Wir sitzen in unserer schönen Stellung im Walde. Der gestrige Tag ist ohne größere Ereignisse verlaufen. Wir sind einer neuen Gruppe unterstellt worden und zwar dem Hauptmann Schönlein, Abteilungskommandeur II/86. Nur die Verpflegung bekommen wir durch die eigene Abteilung. Plötzlich tauchte gestern das Gerücht auf, die Abteilung solle verladen werden. Unser Wachtmeister, der sämtliche Latrinen[gerüchte] für wahr hält, zog mit den Pferden sofort nach Byten [?] bei Holoby, irgend ein kleiner Leutnant hatte ihm den Befehl dazu gegeben. Ohne den Batterieführer irgendwie zu benachrichtigen, ist er abmarschiert. Möglicherweise verladet [sic!] er nächstens die Fahrzeuge, fährt ab zum Westen und läßt die Batterie im Osten sitzen. Heute habe ich die Batterie auf einen neu zugeteilten Sperrfeuerabschnitt eingeschossen. Gleich die ersten Schüsse lagen richtig im Sperrraum; ich habe [die] rückwärtigen russischen Stellungen befunkt. Morgen bin ich Offizier vom Batteriedienst und habe einen Vortrag über allgemeinen militärischen Benimm zu halten. [1916-12-11 Photo Gebäude: Unterstand im Wald aus Baumstämmen mit begrüntem Dach, links zwei Soldaten]. Montag, 11. Dezember 1916. Heute war ich in unserer Feuerstellung und habe Batterieführer gespielt. Viel zu tun hat man dabei gerade nicht, aber weggehen ist nicht erlaubt. Man ist tatsächlich ganz gebunden; jeden Augenblick kann irgendetwas kommen und da muß man zu finden sein. Heute wurde den ganzen Vormittag geschossen. Gegen abend, kurz nach 6 Uhr haben wir einen russischen Minenwerfer zum Schweigen gebracht. Unser vorgeschobener Beobachter meldete schon vorher die Minen. Der Companie-Führer der 2. Comp. k. u. k. Inf. Reg. 49, Hptm. Zimmermann, forderte bei uns sofort einige Schüsse an und wir, nicht unentschlossen, gaben sofort 24 Schüsse ab. 96 Vormittags haben wir uns auf 8 uns neu zugewiesene Abwehrstreifen eingeschossen. Gerade eben habe ich Bescheid bekommen, daß mein Heimatsurlaub [sic!] am 14. ds. Mts. angeht. Morgen, spätestens übermorgen kann ich also von hier abfahren. Hoffentlich kommt nichts dazwischen. Dienstag, 9. Januar 1917. Heute der erste Eintrag nach Verlauf eines Monats. Vom 14. bis 31. Dezember [1916] war ich auf Urlaub in Deutschland, und von da an bin ich wieder in der Batterie. Meine Reise nach zu Hause verlief äußerst glatt und ohne Zwischenfall. Am 12. Dezember nachmittags bekam ich schon meine Fahrscheine und bin abends 11 Uhr von der Batterie abgefahren. In unserem schönen Unterstand haben wir noch eine kleine Abschiedsfeier veranstaltet und dann bin ich per Wagen nach Poginki gefahren, der Station, wo wir am 18. November ausgeladen worden waren. Am 13. XII. 16. fuhr ich 5.25 früh von Poginki nach Kowel ab. Dort angekommen, nutzte ich den 1stündigen Aufenthalt dazu aus, uns 4 Mann der 2./277 mit Entlausungsscheinen zu versorgen. In einer Revierstube bekam ich ohne jede Schwierigkeit unterschriebene und gestempelte Formulare ausgehändigt, nur die Namen mußten hineingeschrieben werden. Die Bahnfahrt über Brest-Litowsk – Warschau – Alexandrowo – Thorn – Schneidemühl – Berlin ging sehr schnell von Statten. In Kowel erwischte ich gleich einen durchgehenden Zug. Die Fahrt bis Berlin (Schl[esischer]. [Bahnhof]) dauerte nur 22 Stunden. Ich bin dann über Hannover gefahren, um dort die Eltern unseres V[ize]. W[achtmeisters].Fischer zu besuchen. Abends ½8 Uhr war ich aber schon in Oldenburg und um 8 Uhr zu Hause. Mein ganzer Urlaub verlief ziemlich eintönig. Besuche und einige Vergnügungsfahrten füllten die ganzen 2 Wochen aus. Am 3. Weihnachstage war ich in Bremen zum Stadttheater, um die Operette „Kaiserin“ zu sehen. Die letzten Tage verliefen dann halbmal schnell. Ganz bald mußte ich mich marschbereit machen und am 29. XII. 16. abends 10.08 Uhr fuhr ich wieder von Oldenburg ab. Die Fahrt nach Hause war gut und schnell von statten gegangen, zur Batterie zurück dauerte es aber unheimlich lange; alles schien sich mir zu widersetzen. In Oldenburg selbst wollte die Gepäckabfertigung meinen Koffer zunächst nicht annehmen. In Bremen kam er dann tatsächlich nicht mit. Als ich in Kowel ankam, war er natürlich nicht im Gepäckwagen. Während meiner Abwesenheit war die Batterie aus der alten Stellung abgezogen und ca. 80 km weiter nördlich in Stellung gekommen. Glücklicherweise erfuhr ich dies schon in Warschau. Über Lage der Protzen etc. bekam ich auch Aufschluss. So erreichte ich mit nur 2 Stunden Verspätung die Batterie. Am 1. Januar 1917 morgens 2 Uhr kam ich in der Feuerstellung an. Der Posten brüllte mich schon von weitem mit „Halt wer da“ an; sonst fand ich aber alles in tiefster Ruh. Nun einiges über die Batterie. Schon vor meiner Abreise hatten wir Befehl, uns nach einer Feuerstellung umzusehen, die in der Gegend von Verchy [Virchy] am Stochod für uns bereit sein sollte. Ein Unteroffizier und einige Leute wurden alsbald hingeschickt und am 18. XII. 16. ist dann die Batterie abgerückt. Der Weg ca. 70 km ist in 2 Tagen zurückgelegt worden. Die Anstrengungen waren ungeheuer. Besonders die Pferde haben bei den tief ausgefahrenen Wegen furchtbar gelitten. In der Stellung selbst ist es aber sehr gut auszuhalten. Die Unterstände sind großartig ausgebaut. Der 1. Zug ist als Fliegerabwehrzug aufgestellt, der zweite beschießt dabei die feindl. Stellungen. Die Besetzung der Batterie hat sich auch erheblich geändert. Ltn. Kuntzen führt die 1. Batterie und V. W. Fischer ist zu einem 6wöchentlichen [sic!] Kursus in Kowel. Die Offiziere sind also in geringer Zahl bei uns. – Bis heute mittag war ich in der B.Stelle im Graben. Die Hauptbeobachtung ist nur durch einen Unteroffizier besetzt. Die Offiziere gehen in den Graben nach vorn. 97 [1917-01-15 Photo Porträt, handschriftlicher Vermerk auf der Rückseite:] Hans Grote. 98 Montag, 15. Januar 1917. Heute abend sitze ich wieder einmal in der Feuerstellung im Unterstand in Gesellschaft eines Herrn, an den ich während der letzten Monate wohl gedacht habe, den ich aber hier nicht so schnell zurückerwartet hätte. Es ist Oberleutnant Siehr. Vor 3 Tagen bekamen wir plötzlich Nachricht, daß er wieder zu uns kommen würde und am selben Abend langte er dann auch an. Er führt seitdem die Batterie. Leutnant Kraus ist sofort auf Urlaub gefahren. Seine Batterieführertätigkeit behagte unserem Abteilungskommandeur, Major Stockmeyer, nicht sonderlich, sonst hätte er die Batterie wahrscheinlich behalten, der Jüngste der Batterieführer war er nämlich nicht. Nach seinem Urlaub soll er die Führung einer Kolonne; voraussichtlich die 3. Kolonne, übernehmen. – In dieser Stellung kommt sonst wenig Bemerkenswertes vor. Der Russe verhält sich ruhig, und wir schiessen auch nur hin und wieder einmal; der breite Stochod liegt zwischen den Stellungen, zu beobachten gibt es da nicht sehr viel. Vor einigen Tagen tauchte wieder ein recht törichtes Gerücht auf. Wir, d. i. nur die 2. Bttr., sollen Stellungswechsel machen. Wir sollen eine Stellung beziehen, die nur etwa 6 km weiter südlich liegt in der Nähe unserer Abteilung. Herr Major Stockmeyer möchte seine Batterien gern beieinander haben. Er befiehlt den Stellungswechsel, bedenkt wahrscheinlich aber nicht, welche Strapazen die Batterie dabei auszustehen hat und wie anstrengend die Wochen, die dann folgen, gerade jetzt im Winter für Pferde und Leute sind. Es ist ja ganz schön, wenn alles beieinander ist; aber der Gesundheitszustand der Batterie, besonders der Pferde, ist wohl doch die Hauptsache. In der jetzigen Unterbringung können Pferde und Leute sich erholen. 20. Januar 1917. Heute vormittag war unser Major Stockmeyer in der Batterie, um einige Sachen mit dem Batterieführer zu besprechen. Gestern ist nämlich eine Pferderevision gewesen, und da hat es einigen Krach gegeben. 30. Januar 1917. Die Tage verlaufen hier in der Batterie äußerst ruhig und fast ohne irgendein Ereigniss [sic!]. Unser alter Batterieführer, Obltn. Siehr, zeigt sich allmählich als recht nervöser Herr. Telefonisten besonders, aber auch die Kanoniere, klagen über die kaum zu ertragende Behandlung. Nach meiner Ansicht ist es nun nicht ganz schlimm mit den gestellten Anforderungen. Die Mannschaften müssen sich nur einer ausserordentlichen Geschicklichkeit und einiger Intelligenz befleissigen und sich vor allen Dingen dem Batterieführer etwas anpassen. Dann wird sich sicher ein gutes Einvernehmen herausstellen. Seit ungefähr 14 Tagen ist unsere ganze vordere Stellung in bestimmte Abschnitte eingeteilt, in sogen. Sperräume. Im Graben sind in bestimmten Abständen, ca. 200 m, nummerierte Tafeln angebracht, die wir als Sperrfeuerpunkte ansprechen. Auf diese Punkte haben wir uns nun eingeschossen, um im Falle eines Angriffes unser Feuer sofort auf durch diese Punkte einfach zu bezeichnende Abschnitte legen zu können. Das Einschießen der Punkte war mit einiger Schwierigkeit verknüpft. In unserem eigenen Abschnitt vollzog sich alles schnell und sicher, die Nachbarabschnitte, nach jeder Seite über 1,5 km, waren nicht so schnell bewältigt. Gestern nachmittag habe ich nun den nördlichen Abschnitt erledigt; es waren 10 Punkte, ungefähr 2 km von unserer Grabenbeobachtung. Von 12.30 Uhr bis 6 Uhr bin ich unausgesetzt in den Gräben umhergelaufen. [Mittwoch], 31. Januar 1917. Heute war das Wetter, wie auch an den letzten Tagen, ganz klar und hell. In der verflossenen Nacht hat es 23° C. gefroren. Am Tage ist es ausserordentlich sichtig, und da hat unser Flugzug [?] den ganzen Tag auf Posten zu sein wegen der vielen Flieger. Gestern waren allein 9 Flieger über unserer Stellung. Es waren aber [nur] deutsche. Heute wurde ein Russe 99 gemeldet, gesehen haben wir ihn aber nicht. Er war nicht näher als 25 km an unserer Stellung heran. Der Nachbarflugzug, ca. 15 km von uns entfernt, machte uns die Meldung. [1917-02-03 Photo Person Messgerät, handschriftlicher Vermerk auf der Rückseite:] Borggräfe am Scherenfernrohr auf „Kleiß“ [?] der alten Stellung Batt. Zweibrücken. Sonnabend, 3. Februar 1917. Gestern, oder vielmehr schon vorgestern abend, ist Herr Ltn. Kraus, unser früherer Batterieführer, vom Urlaub in unsere Batterie zurückgekommen. Augenblicklich sitzt er in der Graben B.Stelle, er macht also Dienste eines Batterieoffiziers. Ein erhebendes Gefühl ist es doch wohl gerade nicht. Noch vor 14 Tagen schickte er seine Offiziere hierhin und dorthin und nahm von diesem und jenem Meldungen entgegen und jetzt ist er seinen früheren Untergebenen gleichgestellt, hat nichts oder doch nur wenig zu sagen. Heute morgen war ich mit 6 Leuten zu einem Schießstand und habe mit Infanteriegewehren Mod. 88 schießen lassen. Die Resultate waren gut. Auf 100 m wurden auf eine Scheibe 40 x 40 cm stehend aufgelegt mit 35 Schuss 22 Treffer erzielt. Dabei schoss ein Mann heute das erste Mal mit einem Gewehr. Gerade eben habe ich den Auftrag bekommen, ein Kriegstagebuch der 2. Bttr. 277 zu führen. Nach Möglichkeit will ich’s später mitnehmen. Dienstag, 6. Februar 1917. Von gestern mittag bis heute war ich in unserer Beobachtung „Weiß“ im Schützengraben und habe heute früh eine russische Kompanie zweimal unter Feuer genommen. Um ½9 Uhr kam 100 sie in dichter Kolonne über das Gut Wyshara und wollte in die davorliegende Stellung gehen. Die gutliegenden Schüsse unserer Batterie vertrieben sie aber. Ca. 2 Stunden später versuchte sie nochmals die Stellung zu erreichen. Durch unsere Schüsse wurde sie vollständig zersprengt. Vorgestern abend leistete eine größere russ. Patrouille ein ziemlich schneidiges Stückchen. Sie näherte sich den deutschen Stellungen in 2 Abteilungen. Das erste Häufchen, ca. 6 - 8 Mann, darunter einige deutschsprechende Leute, lief auf unsere Horchposten zu fortwährend rufend: „Die Russen kommen“. Hinter ihnen kam auch tatsächlich die größere Menge der russ. Patrouille. Durch diese List haben unsere Posten sich täuschen lassen und sind von den 6 - 8 Russen überrannt worden. Näher an unsere Stellungen heranzugehen getrauten sie sich aber doch nicht. Ein Unteroffizier von L. I. R. 349 beschoss die russ. Patrouille mit über 60 Schuss von einem in der Nähe liegenden Posten. Den einzelnen Mann anzugreifen haben die Russen nicht gewagt. Sie zogen vielmehr mit den 2 Posten ab. Dies ganze Scharmützel spielte ca. 200 m vor unseren Stellungen, ohne dass von uns irgend etwas unternommen worden ist. Die Infanterie behauptet, die Artillerie hätte nicht eingesetzt. Die Masch. Gew[ehre] haben aber auch nicht geschossen. Ob die ganze Sache überhaupt sofort vom Graben aus bemerkt worden ist, steht nicht fest. Die Folge dieser Zwistigkeiten aber ist, dass die Infanterie die doppelte Zahl an Posten zu stellen hat. Die Artillerie stellt einen Posten aus, um [auf] jedes Geräusch hin die Batterien sofort zu alarmieren. 101 [1917-02-19 Photo 1: getarntes Geschütz; 1917-02-19 Photo 2: getarntes Geschütz und 3 Soldaten, einer knieend]. 102 Freitag, 9. Januar [richtig: Februar] 1917. Heute hat sich der Kreis der Offiziere unserer Batterie um 2 Köpfe erweitert. Fischer und Grote sind von der Kriegsschule Kowel zurückgekommen. Unser Beobachtungsdienst wird dadurch vollständig umgekrämpelt [sic!]. Gegen 5 Uhr heute nachmittag forderte die Infanterie plötzlich einige Controllschüße [sic!] auf den Sp. 75 an. Unsere Grabenbeobachtung telefonierte an und die Batterie wurde alarmiert. Zunächst entstand, da es schon dunkel war, ein großes Towabo [sic!]. Ganz allmählich besannen die Kanoniere sich aber doch, und nach ca. 2 Minuten ging der erste Schuß hinüber. Sonnabend, 10. Februar 1917. Heute im Laufe des Tages fand eine allgemeine Instruction der Neuankömmlinge statt. Die russischen Stellungen etc. spielten dabei natürlich eine Hauptrolle. Jetzt nach dem Abendbrot sitzen wir zu sechs gemütlich beieinander und frischen alte Erinnerungen auf. Fischer unterhält uns schon seit einer Stunde mit allen möglichen und unmöglichen Sachen. Er redet wie ein Grammophon. Wir sind es aber schon seit langem gewöhnt und sträuben uns kaum noch gegen dies unabänderliche Übel. Wie immer hat er dem Alkohol heftig zugesprochen. Saufereien bilden deshalb sein Hauptthema. [1917-02-10 Photo Geschütz Personen: getarntes Geschütz und 5 stehende Soldaten, einer mit großem Fernrohr]. Sonntag, 11. Februar 1917. Heute abend ist der Leutnant Wiese vom Regimentsstab in die Batterie zurückgekommen. Im Oktober wurde er zum Regiment kommandiert, um die Telefongeschäfte wahrzunehmen. Mitte Dezember wurde er dann befördert und übernahm die Munitionsverteilung in der Division. Jetzt gefällt es ihm bei den hohen Stäben anscheinend nicht mehr, und da ist er in unsere Batterie zurückgekommen. 103 Nachmittag[s] habe ich ganz unerwartet Bescheid bekommen, dass ich zu einem Kursus zur Kriegsschule Kowel kommandiert bin. Dieser Kursus dauert ca. 7 Wochen und beginnt am 15. cr. Bisherigen Kursusteilnehmern hat die ganze Sache nicht gerade gefallen. Die Ausbildung ist nämlich meist infanteristisch. Gerade der kommende Kursus soll beinahe rein den taktischen Sachen der Infanterie zugewandt werden. Ein Inf. Hauptmann ist Leiter der ganzen Einrichtung. Hoffentlich wird’s aber einigermassen erträglich. [1917-02-14 Photo Unterstand Scherenfernrohr: Eingang zu einem Unterstand mit Kriegsgerät]. Mittwoch, 14. Februar 1917. Heute morgen ist mein Kommando zur Kriegsschule Kowel aufgehoben worden. Zu meiner großen Freude natürlich. Dies ewige Eintrichternlassen von Kriegswissenschaften macht sicher keinen Spass. Das Leben selbst in Kowel wäre wohl ganz erträglich geworden. Es hätte mir viel[e] Neuigkeiten geboten. Etwas polnische und russische Sprache muss man ja doch mit nach Haus bringen. Mit passte vor allem aber der ganze Kursus nicht. So als alter Vice zwischen all den jungen Unteroffizieren rumzuwirken, ist doch eine nicht gerade schöne Sache. – Der Dienst in der Batterie wird jetzt immer abwechslungsreicher. Vormittag[s] war ich mit einigen Leuten zum Inf. Schießstand, nach Mittag mit einer Kanone in unserer Scheinstellung, um die russischen Schallmesstrupps mal etwas aufzumuntern. Hoffentlich haben sie die Schüsse ganz genau gemessen. 104 Donnerstag, 15. Februar 1917. Heute nach Mittag schießt ein 21 cm Mörser in die russ. Stellungen, die in unserem Abschnitt liegen. Wir sind vorher von dem Schießen benachrichtigt worden, um, falls die Russen auskneifen sollten, das Intermezzo zu vervollständigen, die weglaufenden Leute beschießen etc. – Vor einigen Tagen haben wir schon mal mit Flieger-Beobachtung geschossen. Leider war die Entfernung aber zu groß. Wir konnten das Ziel, eine Batterie auf ca. 8400 m, nicht erreichen. – Gerade eben schoß wieder eine Batterie mit einem Flieger, es war unsere 6. Batterie, die ca. 8 km südlich von uns steht. Es war nur ein Schießen zu Übungszwecken. Die Batterie schoss ganz auf der Front entlang in unseren Zielabschnitt hinein. Von unserer Beobachtungsstelle aus konnten wir die Einschläge gut erkennen. – Der beobachtende Flieger surrte dauernd über unseren Köpfen hin und her. Unser Flugzeug hat die Gelegenheit ausgenutzt und Geschützexerzieren gemacht, damit, falls ein feindlicher Flieger kommt, möglichst schnell und sicher geschossen werden kann. Jetzt beim Exerzieren haben wir die scharfe Munition natürlich nicht eingesetzt. Eigene Flugzeuge trifft man nämlich viel eher, als feindliche. 17. Februar 1917. Heute mittag fand wieder einmal ein Übungsschießen mit Fliegerbeobachtung statt. Die 6. Batterie nahm das Gut Wyshara mit all seinen Unterständen und anderen Befestigungsanlagen unter Feuer. Es klappte ganz großartig. Die übrigen Batterien des Regiments mußten das Schießen mit beobachten, um sich an die Zeichen des Fliegers zu gewöhnen. Das Einschießen ging ziemlich schnell von statten. Dann folgte das Wirkungsschießen. Im ganzen wurden ca. 80 Schuss abgegeben. Bei dem klaren Wetter war die Beobachtungsmöglichkeit ganz großartig. Jedes Zeichen des Fliegers war tadellos zu erkennen. 105 [1917-02-17 Photo 1 Unterstand] [1917-02-17 Photo 2 Unterstand]. 106 [5. Heft] [1917-02-19 Photo Erlaubnis: „Erlaubnisschein Nr. 156 zum Pfotographieren (sic!) im Bereich der 91. Inf.-Division für Vizewachtmeister u. Offz.-Stellvertreter Borggräfe, 2./F. M.[?] R. 277, 91. Infanterie-Division (Stempel), (gez.) Nitscher, Oberlt. d. Res.“] Montag, 19. Februar 1917. Heute mittag bin ich von unserer Grabenbeobachtungsstelle, linker Flügel Batl. Zweibrücken, zurückgekommen. Letzte Nacht habe ich meinen Posten von 4.30 - 7 Uhr gestanden. Es war ganz unausstehlich kalt. Um 7 Uhr waren es ca. 24° Kälte. Nachher wurde es dann aber ganz bald wärmer. Auf den von der Sonne beschienenen Seiten der Gräben ist der Schnee schon vollständig aufgetaut. Über Null ist das Thermometer den ganzen Tag aber nicht gekommen. Gestern tauchte hier in der Batterie das Gerücht auf, daß wir wieder einmal Stellungswechsel machen sollen. Unsere III. Abteilung ist in Anmarsch und muss hier im Regiments Abschnitt untergebracht werden. Wir rücken deshalb näher an unsere Nachbarbatterie, die fünfte, hinan. Die neue Stellung ist von den Pionieren schon vorbereitet, die Mannschaftsunterstände sind fertig, allerdings hört damit die Herrlichkeit auf. All die anderen schönen Bauten, wie Hauptund Nebenbeobachtung, Telefonunterstand, Munitionslöcher etc. bleiben noch anzufertigen. Na, hoffen wir’s beste. Ein zweites Gerücht, allerdings ganz anderer Art, ist: daß ich zur Beförderung vorgeschlagen worden bin. Es soll gestern ein Zirkularschreiben betreffs meiner Beförderung durch die Batterie gekommen sein. – Hoffentlich kommt die Sache noch zum 22. März raus, wenn überhaupt etwa daraus wird. Der 22. März ist nämlich großer Beförderungstermin. 107 [1917-02-19 Photo 1: getarntes Geschütz; 1917-02-19 Photo 2: getarntes Geschütz und 3 Soldaten, einer knieend. Auch in Heft 4, Photos zu 06.02.1917]. 108 Donnerstag, 22. Februar 1917. Das Gerücht über unseren Stellungswechsel scheint sich zu bewahrheiten. Heute haben wir schon einen Teil unserer Sperrfeuerpunkte von der neuen Stellung aus eingeschossen. Die neue Feuerstellung liegt etwa 6 km weiter nördlich als die jetzige in einer Heidefläche mit allerhand Kusseln [niedrige, verkrüppelte Kiefern]. Der Boden in der ganzen Gegend besteht aus fast reinem Sand. Als Sommerstellung möchte es sich dort wohl aushalten lassen, aber bis es einmal Sommer ist, müssen noch viele Wochen vergehen und da sind wir ja lange wieder umgezogen. In der bisherigen Stellung waren wir übrigens die längste Zeit: nämlich 9 Wochen. [1917-02-23 Photo Gebäude: Holzbaracke im Schnee, auf der Rückseite handschriftliche Notiz:] Dezember / Februar 1917. 1. Stellung nördlich Verchy [Virchy]. 10. Februar 1917. Freitag, 23. Februar 1917. Heute morgen war ich wieder einmal in unserer neuen Feuerstellung und wieder mit einer Kanone, um auf Sperrpunkte einzuschießen. Montag, 26. Februar 1917. Seit vorgestern, Sonnabend also, sind wir in der neuen Stellung am Nord-west-Hang der Höhe 168. Die 9. Batterie unseres Regiments, die uns in der alten Stellung ablöste, kam gegen 4 Uhr nachmittags an und übernahm sämtliche Utensilien, die wir zurücklassen mussten. Die Beobachtungsstellen sollten von uns noch bis zum nächsten Mittag besetzt bleiben, um die Herren der 9. [Batterie] über alles zu orientieren. Unsere Batterie kam gegen 6 Uhr in der neuen Stellung an und richtete sich dort ein, so gut es eben ging. Augenblicklich, und wohl auch die nächsten Wochen noch, wird mächtig gebaut. Es ist nämlich garnichts fertig. Unterstände sind alle nur provisorisch, Munitionslöcher etc. fehlen ganz. Die Stellung selbst ist eine Stellung wie sie im Kriege eigentlich nicht vorkommen sollte. Sie ist von den feindl. Stellungen direkt einzusehen. Unser Offz. Unterstand ist eine ganz 109 großartige Beobachtungsstelle. Zwei russische B[eobachtungs].Stellen liegen uns frei gegenüber. Ich möchte jetzt eigentlich gern wissen, was in den nächsten 4 Wochen aus uns wird. Na, hoffen wir’s beste. Heute habe ich das F. A. Kreuz II bekommen. [1917-02-26 Karte westl. Rußland: „Karte des westlichen Rußlands. Q 36. Trojanówka“] Donnerstag, 1. März 1917. Seit vorigen Sonnabend sind wir also in unserer neuen Stellung und bauen tagaus, tagein an Unterständen und Munitionslöchern. Glücklicherweise ist das Wetter gut, es friert kaum und schneit wenig, sonst wären wir aber auch vollständig aufgeschmissen. Gestern und heute haben wir uns auf alle möglichen Ziele eingeschossen. Gestern nachmittag mit dem Artilleriemesstrupp der 1. Landw[ehr]. Division, die südlich an uns anschliessend steht. Leider kamen wir mit dem Einschiessen nicht zu Ende; es fing gegen 3 Uhr mächtig an zu schneien. Gegen abend war es dann zu dunkel. Heute früh war bei uns großes Schießen mit Infanteriegewehr und Handgranatenwerfen. Gegen abend haben wir unseren Etat an Munition vervollständigt; es waren ca. 1700 Schuss. Unter diesen 1700 Schuss waren ca. 1000 Langgranaten, von denen schon recht lange gesprochen wurde, die aber immer nicht ankamen. Über das Schießen mit diesen Geschossen sind wir noch garnicht im Bilde. Hoffentlich treffen die nötigen Anweisungen bald ein, damit wir die Wirkung einmal sehen können. 110 [1917-03-03 Photo Personen: 4 Soldaten am Kaffeetisch, handschriftliche Notiz auf der Rückseite:] Unterstand bei Mielnica. 6. Dezember 1916. Sonnabend, 3. März 1917. Bis heute mittag war ich auf unserer Hauptbeobachtungsstelle am nordöstlichen Hang der Höhe 164. Die ganzen Unterstände sind tadellos eingebaut. Man sieht selbst aus nächster Nähe nichts außer den 2 Scheerenfernrohrlinsen [sic!]. Diese findet man aber auch nur, wenn man genau weiß, wo sie sein müssen. Entdeckt werden wir dort also nicht ganz leicht, wir müssten uns denn unvorsichtig benehmen; vielleicht den Ofen zu stark heizen oder etwas ähnliches begehen. Die Batterie hat heute wieder einmal mit Ballon und Art. Messtrupp-Beobachtung geschossen. Anfangs klappte es wieder einmal garnicht. Die Sprengpunkte lagen immer zu tief. Wir erreichten dann aber mit Libelle 42 und Regler 8 hoch die nötige Höhe. Von da ab ging alles tadellos. Heute abend habe ich von der 91. I[nfanterie]. Div[ision]. meinen Erlaubnisschein zum Photographieren bekommen. Der angeforderte Jagdschein fehlt noch. Hoffentlich trifft er aber auch bald ein. 111 Dienstag, 6 März 1917. Meinen gestrigen Geburtstag habe ich, wie auch die beiden vorigen, garnicht gefeiert. Gestern morgen war ich zum Baden nach Verchy [Virchy] und nachmittags musste ich in unsere Hauptbeobachtung gehen. Heute bin ich wieder von dort zurückgekommen und sitze jetzt um 9 Uhr abends im Unterstand in unserer Feuerstellung in Volczy [Wolczy] Las. [1917-03-09 Jagdausweis für Otto Borggräfe „im Gebiete der 91. Inf.-Divison“]. Freitag, 9. März 1917. In unserer jetzigen Stellung vergeht die Zeit äußerst ruhig, aber auch eintönig. Wir schießen von hier aus kaum. Wir würden dann ja auch sicher sofort entdeckt werden; die vor uns liegende Höhe bietet kaum soviel Deckung, dass der Russe nicht direkt in unsere Unterstände hineinsieht. Im Frühling zur Zeit der Schneeschmelze wird es hier aber sicher gut auszuhalten sein. Der Boden besteht aus reinem Sand. Unsere Beobachtungsstellen sind beide ziemlich wohnlich. Die HauptB.Stelle befindet sich im alten Regiments Gefechtsstand L. I. R. 350, den wir jetzt von der Infanterie übernommen haben. Die Grabenbeobachtung ist vorn in der ersten Linie. Dort sind wir ebenfalls in einem Unterstand, den die Infanterie uns abgetreten hat, untergebracht. Bis auf kleinere Reibereien vollzieht sich der Dienst dort unten ganz gleichförmig. Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften stehen ihre 2 Stunden Posten, tags am Scheerenfernrohr [sic!] und nachts an der Brustwehr, und lösen [sich] alle 24 Stunden ab, um dann 24 Stunden in der Feuerstellung zu verbringen. Mit der Zeit wird dies allerdings furchtbar langweilig; aber der Mensch ist ja ein Gewohnheitstier, er gewöhnt sich an alles. Morgen soll unser neues Chateau angefangen werden. Der Entwurf wurde schon vor mehreren Tagen fertig. Mit dem Bau konnte wegen dem jetzigen furchtbaren Schneewehen aber bisher nicht begonnen werden. Hoffentlich wird das Wetter nun bald etwas besser. 112 Montag, 12. März 1917. Seit gestern haben wir einen Offizier der 3. Batterie, Ltn. Haubold, in unsere Batterie bekommen. Ltn.Wiese ist auf Urlaub gefahren, nachdem Ltn. Jungfer [?] schon 3 Tage vorher abgereist war. Als Vertretung ist nun Ltn. H[aubold]. zu uns gekommen. Heute vormittag ist unser Oberltn. nach Kowel zum Theater gefahren. Er kommt wahrscheinlich erst in 2 Tagen zurück. Durch die Beurlaubung unserer Offiziere ist der Dienst wieder um vieles schlechter geworden. Jeden zweiten Tag muss man auf die Beobachtung gehen. Einen Tag zur Hauptbeobachtung, dann zur GrabenB.Stelle. In der Feuerstellung kommt man kaum zur Besinnung. Nachmittags um 4 Uhr kommt man dort an und geht am folgenden Morgen um 12 Uhr wieder weg. Mittwoch, 14. März 1917. Laut Regiments-Befehl von gestern bin ich „zurückbefördert“ worden. Ich bin degradiert, wieder Vice-Wachtmeister geworden. Meine Offizierstellvertreter-Epoche mit all’ ihren Leiden und Freuden ist zu Ende. Nach dem Regimentsbefehl von gestern gibt es von jetzt ab keine Einj[ährige]. Offz. Stellvertreter mehr. Jede Batterie hat dafür eine sogenannte „besondere Offizierstelle“, in die ein Offz. Stellv[ertreter]. hineinkommt, der aber aktiver Soldat gewesen und nicht Einj. sein muss. In die Offz. Stellv. Stelle unserer Batterie kommt der Vice Wachtm. Sperber der 1. Batterie. Die Versetzung ist schon erfolgt. Heute muss er sich bei uns melden. Donnerstag, 15. März 1917. Der Herr Offz. Stellvertreter Sperber hat gestern seinen Dienst angetreten und ist heute mittag auf unsere Hauptbeobachtungsstelle gegangen. Bis soweit fühlt er sich hier bei uns nicht gerade wohl. Er ist eine richtige Betriebsmotte, der das ewige Schweigen unseres Batteriekommandanten nicht verträgt. – Na, hoffentlich wird unser neues Chateau in nicht allzu langer Zeit fertig. Dann stehen uns mehrere Räume zur Verfügung und wir können uns einigermassen austoben, oder wir können uns doch ganz ungestört unterhalten. Freitag, 16. März 1917. Zum Ausbruch der Revolution in Petersburg haben wir gestern in unserer Batterie ein kleines Freudenfest veranstaltet. Ein „Hindenburg“ verlieh dem Abend die nötige Weihe. – Jetzt 10.20 [Uhr] vorm. kommt die Meldung, daß der Zar abgedankt hat. Zwei seiner Minister sind zu den Revolutionären übergegangen. Die englischen und franz. Gesandten suchen die Aufständischen zum Krieg zu stimmen. 113 [1917-03-15 Ansichtsskizze und 1917-03-15 Teile 1, 2, 3, 4, 5:] Ansichts-Skizze ab B[eobachtungs].Stelle „Schwarz“. 114 Dienstag, 20. März 1917. Seit zwei Tagen ist es sehr warm. Es taut Tag und Nacht. Gestern mittag hatten wir 8° Wärme. Es ist ein furchtbarer Schlamm. Die Laufgräben zu unseren Beobachtungsstellen stehen halb unter Wasser. Mit trockenen Füßen durchzukommen ist beinahe unmöglich. Irgendwelche größeren Ereignisse gibt es hier nicht. Der Stochod ist wieder aufgetaut und bildet mit seiner großen Breite ein natürliches, kaum zu überwindendes Hinderniss [sic!]. Ein Angriff von irgendeiner Seite ist so gut wie ausgeschlossen. – Unser einziger Zeitvertreib ist das „Auf die B.Stellen gehen“ und die „Übungen“, wie Feuerleitungsübungen mit und ohne Telefonleitungen, bei Nebel und Nacht, die von unserem Artl. Kommandeur, Adler Oberst, einem k. u. k. Bundesbruder, angeordnet werden. – Es ist zum Sterben zu langweilig. Hoffentlich kommt unser Neubau bald so weit [voran], daß wir einige Räume in Benutzung nehmen können. [1917-03-20 Photo Gebäude 1, handschriftliche Notiz auf der Rückseite:] Wolczy Las April 1917 Wohnhaus i/Bau. 115 [1917-03-20 Photo Gebäude 2, handschriftliche Notiz auf der Rückseite:] Wolczy Las April 1917 Wohnhaus i/Bau; [1917-03-25 Photo Gebäude, handschriftliche Notiz auf der Rückseite:] Wolczy Las. April/Mai 17. 116 Sonntag, 25. März 1917. Unser Chateau im Wald hinter unserer Feuerstellung geht seiner Vollendung entgegen. Eigentlich wollten wir heute schon einziehen, aber wegen Mangel an Material, Bretter und Nägel, wird es sicher noch eine Woche dauern, bis es ungefähr so weit ist. Das Wetter ist schon ziemlich viel wärmer geworden in den letzten Tagen. Schnee liegt aber immer noch viel. In manchen Gegenden, im Wald z. B., noch 1 m tief. Aus meiner Beförderung scheint in diesem Monat nichts mehr zu werden. Der diesbezügliche Termin im März ist der 22., und der ist ja schon um einige Tage überschritten. Na, hoffentlich wird's dann im nächsten Monat. Sonntag, 8. April 1917. Laut allerhöchster Kabinettsorder vom 25. März bin [ich] nun doch Leutnant d. R. geworden. Der Regiment[s]befehl vom 2. cr. brachte die Beförderung, und von dem Tage an leben wir hier in unserer Batterie im Trall [sic!]. Heute habe ich noch 2 Fass Bier für die Mannschaften geschmissen, um endlich zum Schluss zu kommen. Morgen fahre ich auf Einkleidungsurlaub nach Warschau, und zwar auf 6 Tage (10. - 15. cr). Die Abteilung schickt mir heute abend die Papiere, Ausweis und Fahrscheine. Am 3. ds. Mts. ging hier bei uns ein schon seit langem vorbereiteter Angriff von Stapel. Er klappte wie alle gut vorbereiteten Angriffe dieser Art. Ab 3 Uhr morgens schoss die russische Artillerie, die anscheinend Lunte gerochen hatte, auf unsere Stellungen. Batterien und B.Stellen wurden besonders heftig mitgenommen. Unsere Aufgabe war es an dem Tage, die feindlichen Batterien, die gemeingefährlich auftraten, mit „Beruhigungsschüssen“ zu übersäen. Ab 4.20 früh haben wir denn auch geschossen bis ca. 2 Uhr nachmittags. Abwechselnd hielten wir während dieser ganzen Zeit, in der der Angriff vor sich ging, 3 - 4 Batterien unter Feuer. Jeden Augenblick rief diese oder jene unserer Batterien bei uns um Hilfe an. Wir lenkten dann unser Feuer sofort auf die betr. feindl. Batterie und schon [nach] einigen Schüssen bekamen wir meist den Bescheid, die Russen hätten das Feuer ihrerseits eingestellt. Der Munitionsverbrauch an dem Tage war 584 Schuss Langgranaten. Das ist die Geschossart, auf die wir schon so lange aber bisher vergeblich warteten. Die Wirkung dieser Geschosse ist ganz im[m]ens. Sie können nur als Az. m. Verzögerung verschossen werden. Auf kurze Entfernung ergibt dies Az. m. V. Geschoss Abpraller und hat Gr. Bz. Wirkung. Freitag, 20. April 1917. In den letzten 2 Wochen boten sich mir verschiedene interessante, bemerkenswerte Sachen. Vom 10. - 15. [April] war ich nach Warschau beurlaubt, um mich einzukleiden. Die dort verlebten Tage waren sicher meine großartigsten und feudalsten in den letzten 2 Jahren. Gewohnt habe ich im Hôtel de Rome in der Trebacha. Ich hatte mich von der Kommandantur dort einquartieren lassen. Man wohnt dort sehr ruhig und ungestört. Meine Tage dort in Warschau habe ich gut ausgenutzt. Zweimal war ich in der großen Oper, dann im Theater Nowosci und im deutsch-jüdischen Theater. Die besuchten Vorstellungen waren Cop[p]elia, Bajazzo, die 117 [1917-04-20 Photo Personen 1, handschriftliche Notiz auf der Rückseite:] Blockhaus Wolczy Las 25. April 1917. F.Ltn. Jungfer, Ltn. Wiese, ViceW. Palitsch, Oberltn. Siehr, Ltn. B(orggräfe)., ViceW. Fischer, Grote. [1917-04-20 Photo Personen 2, handschriftliche Notiz auf der Rückseite:] Ltn. Schmidt 5/277, Ltn. Ude 5/277, Ltn. Borggräfe 2/277, Ltn. Franke 2/277. 118 Tschardasfürstin [sic!] und Gri-Gri16. Vor- und nachmittags bin ich viel spazieren gegangen, um die Sehenswürdigkeiten Warschaus kennen zu lernen. Am 15. bin ich dann zur Batterie zurückgefahren. Ankunft dort abends 9 Uhr. Seit vorgestern spiele ich hier Batterieführer. Oberltn. Siehr und auch Lt. Wiese sind zu einem Übungsschiessen nach Hubno, ca. 30 km von hier. Heute abend kommen sie wahrscheinlich zurück. Freitag, 27. April 1917. Die letzte Woche ist wieder mal ohne größere Ereignisse vergangen. Beobachtungsdienst wechselt ab mit Dienst in der Batterie. Unsere Hauptbeobachtung steht, man kann wohl sagen, glücklicherweise unter Wasser; wir besetzen sie deshalb nur am Tage und können wenigstens nachts ruhig schlafen in unserem schönen Wohnhaus in der Feuerstellung. Heute abend gehe ich auf unsere Grabenbeobachtung und bleibe 24 Stunden dort. Morgen fährt unser Batterieführer Obltn. Siehr wahrscheinlich auf Urlaub. Dafür kommt Ltn. Francke, bisher 9. Bttr., zur Vertretung zu uns. Heute früh war er schon bei uns, um sich über alles zu informieren. Sonntag, 29. April 1917. Leutnant Fran[c?]ke ist bei uns eingetroffen und hat die Batterie übernommen, d. h. vertretungsweise für 3 Wochen. Ltn. Wiese hat den Flakzug 1. Bttr. [übernommen?] und Vice Wachtm. Palitsch ist zur 3. Bttr. abkommandiert. Bei uns ist die Zahl der königl.-preussischen Offizier-Soldaten, der Aspiranten also mächtig zusammengeschrumpft. Feldw. Leutnant Jungfer [?] ist Regiments-Geräteoffizier geworden. Für die Batterie selbst kommen also nur noch 2 Vice Wachtmeister und ich als Offiziersoldat in Betracht. Freitag, 4. Mai 1917. Bis heute abend war ich auf unserer Hauptbeobachtung. Bei dem herrschenden hellen Wetter sind die russischen Stellungen sehr gut zu erkennen. Ein Infanterist meinte heute, nachdem er eine zeitlang den russischen Wald durchs Scheerenfernrohr [sic!]angesehen hatte, „Man kuckt ja durch de Bäume durch“. In unserem Regiment schwebt seit einiger Zeit ein Gerücht, wonach in nächster Zeit 7 Offiziere zum westlichen Krieg[s]schauplatz abgegeben werden sollen. Unter diesen 7 Herren befinde auch ich mich. Wann die Abgabe vor sich gehen soll, ist noch nicht bestimmt. Hoffentlich trifft man drüben ein gutes Regiment. Mittwoch, 9. Mai 1917. Bis jetzt habe ich von meinem Wegkommen in ein anderes Regiment nichts näheres gehört. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird auch nichts davon. – Man redet schon davon, daß das ganze Regiment abgelöst werden soll. Eine Division ist vom Westen nach hier unterwegs. Ob sie nun gerade in unsere Stellung kommen soll, weiß aber noch niemand bestimmt. Die Russen verhalten sich hier vollständig ruhig. Man sieht kaum irgendwelche Bewegung in den feindl. Stellungen. Flieger kommen überhaupt nicht mehr. – Heute nachmittag steckte die russische Infanterie ein großes weißes Zeichen aus ihrem Graben. Was das bedeuten sollte, wußte bei uns niemand; man zerbrach sich den Kopf beinahe darüber. Dann, es war gegen vier Uhr, fing die russische Artillerie plötzlich an auf dies Zeichen zu schiessen. Es fielen ungefähr 20 Schuss. – Einer unserer Unteroffiziere witterte schon eine Revolution im feindlichen Lager und sah Überläufer zu tausenden. Aber es kamen keine. Das Zeichen steht auch noch. 16 Operette von Paul Lincke. 119 [1917-04-29 - Photo (1) Person + (3) Pferde, handschriftliche Notiz auf der Rückseite:] Hasemann im Wolczy Las. Mai 1917; [1917-04-29 - Photo (2) Reiter, handschriftliche Notiz auf der Rückseite:] Wolczy Las. Mai 1917. Ltn. Franke, Ltn. Borggräfe. 120 Sonntag, 13. Mai 1917. Heute nachmittag habe ich den Befehl bekommen, wonach ich zum Westen komme. Ich muss mich in Charleville melden. Morgen nachmittag 5.30 Uhr fahre ich mit noch 2 Offizieren unserer Abteilung vom Bahnhof Sosiczno [?] ab. [1917-05-13 - Ausweis:] „Ausweis. Im Felde, den 13. Mai 1917. Leutnant d. R. Borggräfe der 2. Batterie Feldartillerie – Regiment 277 ist gemäss K.M. Allgemeines Kriegs-Departement Nr. 2216 Nr. Va IV zur Heeresgruppe Deutscher Kronprinz über Charlesville zum A.O.K. I in Marsch gesetzt. A. B. (gez.) Siemons. Leutnant u. Adjudant.“ [1917-05-13 - Entlausungsschein:] „Entlausungsschein. Leutnant der Res. Borggraefe der 3. Batterie Feldartillerie-Regiment 277 ist vorschriftsmäßig entlaust. Den 13. Mai 1917, Der Abteilungsarzt, [gez.] I. V. [Name unleserlich]. Feldunterarzt“. 121 [1917-05-13 - Fahrschein, Vorderseite und Rückseite]. Dienstag, 22. Mai 1917. Heute früh bin ich in Charleville angekommen und habe mir das Städtchen angesehen. Der Kronprinz war gerade anwesend. Er flitzte mit seinem Auto durch die Straßen. Von der erhofften Begrüßung ist deshalb nichts geworden. Gegen [...?] großes Treffen der neu zum 122 Westen kommenden Offiziere am Bahnhof. 14 Leutnants von den F. A. R. 2, 277 und 284 fanden sich ein. Augenblicklich sitzen wir [im] Offz.-Kasino in Rethel bei einer Flasche Wasser. Morgen früh wollen wir uns beim A. O. K. I melden, und dann wirds wohl nach vorn gehen. Donnerstag, 24. Mai 1917. Gestern war der Kaiser hier in Rethel. Mit dem Kronprinzen zusammen ist er nach vorn gefahren. Er wollte eine Division, die aus Stellung gekommen ist, besichtigen. Jetzt sitze ich auf dem Bahnhof Rethel und warte auf den Zug nach Inniville. Dort liegt das Kommando der Gruppe Prosnes [?], der ich zugeteilt bin. Das Leben und Treiben hier in Rethel gleicht dem einer Großstadt. Es fehlen nur die Civilisten männlichen, aber vor allem weiblichen Geschlechts auf den Straßen. Letzte Nacht haben franz. Flieger einen Angriff gemacht. Anscheinend hatten sie es auf das A. O. K. abgesehen. Ob sie irgendwelchen Schaden angerichtet haben, weiß ich nicht. Zerstörungen etc. sind mir jedenfalls nicht aufgefallen. Freitag, 25. Mai 1917. Ich bin in der Batterie angelangt, 4. Batterie F. A. R. 283. 33. Inf. Division. Gestern abend hat uns ein Wagen von Inniville abgeholt. Unsere Protzen liegen etwa 1000 m südlich von Lattenville im Wald in Biwak. Die Feuerstellung ist ziemlich weit von hier entfernt. Heute nachmittag gehe ich nach dort. Die Einteilung des Regiments ist: I. Abteilung Feldkanonen 96 n/A., II. Abtlg. Haubitzen 98/09 und die III. Abtlg. K. i. H. L 35. Der jetzige Batterieführer ist ein Ltn. Scholz, der noch jünger ist als ich. Die Batteriegeschäfte werde ich ihm aber durchaus nicht streitig machen. [1917-05-22 Photo 1, auf der Rückseite handschriftlicher Vermerk:] Protzenlager Champagne 25.5.17. Hofferbarth, Schneider, Borggr[äfe]. 123 [1917-05-22 Photo 2, auf der Rückseite handschriftlicher Vermerk:] Protzenlager 4/283 i/Champagne, V[ize]. W[achtmeister]. Achtmann, V. W. Jarns [?], Sgt. [Sergeant] Trauschke; 1917-05-22 Photo 3, auf der Rückseite handschriftlicher Vermerk:] Protzenlager Champagne. 124 Sonntag, 27. Mai 1917. Seit gestern abend bin ich in der Feuerstellung. Um ca. 5 Uhr kam ich an. Die Batterie schoss gerade Sperrfeuer; vor uns am „Lug ins Land“ machten die Franzosen einen Angriff. Das Ergebnis dieses Angriffes wissen wir noch nicht. Eine Verbindung nach vorn besteht nicht. Schießbefehle usw. bekommen wir durch Raketensignale. – Die Infanterieoffiziere, die längere Zeit vorn gewesen sind, können uns keine Angaben über die Lage unserer Linien machen. Wir tappen deshalb immer so halb im Dunkeln. – Bis ca. 12 Uhr haben wir fast unausgesetzt geschossen auf alle möglichen Ziele. Meist war es aber Sperrfeuer. Im Laufe des gestrigen Tages haben wir ca. 1300 Schuss abgegeben; das ist ein Viertel von dem, was die 2/277 von Oktober bis jetzt verschossen hat. Heute früh gegen 2 Uhr bin ich auf die Batterie-Beobachtungsstelle gezogen, die auf dem Mont Aigu ist, ca. 500 m westlich der Feuerstellung. – die Beobachtung selbst ist auf einem Baum eingerichtet, der ganz einsam auf einem Wege steht. In der Baum Krone ist eine kleine Plattform mit dem Scherenfernrohr. Die Sicht auf die feindl. Stellungen ist gut. Gerade vor uns liegt der Cornillet, ein Berg, der seit dem 21. ds. Mts. in franz. Händen ist. Wo die Franzosen sich dort aber aufhalten, weiss niemand. Links, d. i. östlich, anschliessend sind der Hexensattel, „Lug ins Land“ und der „Hochberg“. Heute nachmittag haben wir uns auf einige Gräben, in der die Franzosen letzte Nacht eingedrungen sind, eingeschossen. Nächste Nacht sollen sie wieder hinausgeworfen werden. [1917-06-10 - Offiziers-Besetzungsliste: Eingeklebtes hektographiertes Blatt, von fremder Hand geschrieben: „Feldartl. Regiment N° 283, den 10. Juni 1917. Offizier-Besetzungsliste“] 125 [1917-05-27 Photo 1, auf der Rückseite handschriftlicher Eintrag:] Baumbeobachtung. Mont Aigu. Champagne; 1917-05-27 Photo 2, auf der Rückseite handschriftlicher Eintrag:] Mont Aigu in das Aisne-Tal. Blick vom Mont Aigu auf die Aisne, Champagne. Montag, 28. Mai 1917. Heute ist der 2. Pfingsttag. Die Sonne scheint hell und klar, die ganze Natur atmet Frühling. Hier im Abschnitt Prosnes hat man aber kaum Zeit, sich Gedanken an zu Hause und die Heimat überhaupt hinzugeben. Gerade heute aber auch gestern ist wie toll geschossen worden. Heute früh ging es schon um ½1 Uhr los. Die auf Lug ins Land eingedrungenen Franzosen sollten hinausgeworfen werden. Leider ist es nicht geglückt. Kommende Nacht soll es nochmals versucht werden. In unserem linken Nebenabschnitt ist heute sehr intensiv geschossen worden. Wir beabsichtigen dort einen Angriff auf den Pöhlberg. Augenblicklich schießen die Langrohrbatterien, um die franz. Artillerie zu beruhigen. Es gelingt aber nur zum Teil. Eine feindl. 28 cm oder gar 30,5 cm Batterie schiesst äußerst heftig auf einer unserer Nachbarbatterien; ob und welche Wirkung sie dort erzielt, kann ich von hier aus nicht erkennen. Punkt die Sprengkraft der Geschosse ist aber ganz ungeheuer. – 126 Seit gestern tauchen bei uns Gerüchte auf, dass wir von hier wegkommen sollen. Heute hörte ich schon, dass in der kommenden Nacht ein Zug unserer Batterie herausgezogen würde. Ein wirklicher Befehl ist aber noch nicht da. – Hoffentlich bleiben wir nicht mehr allzulange hier; das ganze Regiment hat schon sehr gelitten. 2 Batterien, die 1. und 8., sind so ziemlich ausser Gefecht gesetzt. Unsere Batterien hat in dieser Stellung, d. i. seit dem 5. ds. Mts., 6 Tote und 15 Verwundete gehabt. Dazukommt eine große Anzahl Kranker, sodass von den Kanonieren der Feuerstellung nicht allzu viel übrig ist. Von den Offizieren ist keiner mehr da. [Siehe auch beigefügtes Messtischblatt mit allen Stellungen und Kampflinien: „(Blatt 11 u. 12) Vauquois II. Ausgabe Mai 1917“.] [1917-05-28 - Die Champagne: hektographierte perspektivische Zeichnung von fremder Hand:] Die Champagne. Montag, 28. Mai 1917. Der Befehl zum Abrücken (1. Juni) ist da. Noch diese Nacht sollen wir herausziehen zu unseren Protzen ins Lager. Dort sollen wir 24 Stunden bleiben und endgültig von hier abmarschieren. Die Freude hierüber ist in der Batterie groß. Nun endlich soll sie von den Gefahren und Strapazen der Champagne, der Doppelschlacht „Aisne-Champagne“ befreit werden. Augenblicklich, es ist gegen 12 Uhr nachts, wird gepackt und alles aufgeräumt, um die Batteriestellung in möglichst gutem Zustand zurückzulassen. 127 [1917-05-30 - Reg. Tagesbefehl: Maschinenschriftlicher Durchschlag „Abschrift. Feld-Artl.Reg 283. Im Felde, den 30. Mai 1917. Regiments - Tagesbefehl … gez. Gaede. Major u. Regiments-Kdeur.“]. 128 [1917-05-28 Photo 1 und Photo 2, auf der Rückseite jeweils handschriftlicher Vermerk] Brecy. 129 [1917-06-01 Photo 1, auf der Rückseite handschriftlicher Vermerk] Brécy [Blick ins Tal]; 1917-06-01 Photo 2, auf der Rückseite handschriftlicher Vermerk:] Im Protzenlager bei Brecy [Veranda an Wellblechbaracke mit 3 Soldaten]. Freitag, 1. Juni 1917. Wir liegen in der Nähe von Brecy an der Aisne in Biwak. Am Mittwoch morgens gegen 3 Uhr kamen unsere Protzen in der Feuerstellung an, um die Geschütze abzuholen. Bei einer unserer Lafetten waren noch im letzten Augenblick beim sogen. Abschiedsschiessen die Vorholfedern gebrochen. Wir mussten das Rohr mit Gewalt vorbringen, um die Lafette überhaupt mitnehmen zu können. Gegen 5 Uhr kamen wir im Protzenlager an. Den Tag überhaben wir dann alles in Ordnung gebracht. Die Mannschaften sind neu eingekleidet, die Geschütze sind gereinigt worden und seit mehreren Tagen haben wir uns zum ersten Male gewaschen. Alles machte einen frischen Eindruck. Vorgestern nachmittag sind wir dann abmarschiert. Unser Weg führte uns durch La Neuville, Ville-sur-Retourne, Mont-St.Remy nach Machault. In Machault kamen wir gegen 1 Uhr an und hielten im Dorf, um unsere Pferde zu tränken. Plötzlich, wir wollten eben abrücken, warf ein französischer Flieger 4 oder 5 Brandbomben auf das Dorf ab, wahrscheinlich, um die dort stationierte Fliegerstaffel zu zerstören. Getroffen hat er ein großes Gehöft, das sofort in hellen Flammen stand. Es leuchtete uns nachher lange auf dem Wege, den wir weiterzogen. Kurz vor Semide sind wir dann in Quartier gegangen, um einige Stunden von den Anstrengungen des Marsches auszuruhen. Gegen 5 Uhr gestern früh ging es schon wieder weiter durch Semide, Mont-St.Martin nach Brecy. 130 Um 12 Uhr ca. trafen wir auf unserem Biwakplatz ein. Wir liegen auf dem Nordufer der Aisne an den Hängen der Berge. Unsere Pferde weiden im Tal im fetten Gras. Heute sielen sie sich schon rum und fangen an übermütig zu werden. [1917-05-28 - Balck-Abschrift: Maschinenschriftlicher Durchschlag „Abschrift. 51. Res.-Div. II a Nr. 6953 v. 28 5. 17. … An das Feld-Artl.-Reg. 283. (Die Aushändigung des E.K.I.Kl. erfolgt durch mich.) gez. Balck. Generalleutnant u. Div.-Kdeur.“]. 131 Sonntag, 3. Juni 1917. Einen Marsch von 26 km haben wir hinter uns. – Heute früh 5 Uhr sind wir aus der Ardennenschlucht bei Brécy an der Aisne abmarschiert und sind den Wassern bis Termes gefolgt. Dann ging es Aire aufwärts über Grandpré, St. Juvin, Fléville nach Exermont. Um ca. 1 Uhr heute mittag sind [wir] in einem Protzenlager etwa 1000 m östlich Exermont angekommen. Noch heute abend sollen wir in Stellung kommen und in eine Feuerstellung mit der Nummer 708. Wo sie ist wissen wir z. Zt. noch nicht. Unser Hauptmann ist aber ins Dorf gefahren, um Erkundigungen einzuziehen. – Eine genauere Beschreibung der Lage folgt demnächst. Im Augenblick übersehe ich den ganzen Betrieb noch nicht. Dienstag, 5. Juni 1917. Vorgestern abend sind wir in unserer Feuerstellung angekommen. Gegen mittag kamen wir an dem Tage in einem Lager bei Exermont an. Der Marsch ging ohne jeden Zwischenfall von statten. Die Pferde hatten sich in den 2 Tagen Ruhe gut erholt. In St. Invin fanden wir unsere vorausgeschickten Leute und die 2 Munitionswagen vor und nahmen sofort alles mit. Eigentlich sollten wir im Dorf Sommerance in Quartier kommen, fanden dort aber keinen Platz mehr und machten deshalb kurz vorher kehrt und fuhren nach Exermont. Gleich nach mittag kam Befehl, ein Zug sollte noch den Abend einen Zug der 8./43. F. A. R. ablösen. Als Vorkommando und um die Feuerstellung zu übernehmen bin ich schon nachmittags hinausgeritten. Augenblicklich sitze ich als stellvertretender Batterieführer in der Feuerstellung. Hauptmann Fahle ist auf Urlaub und da führe ich die Batterie, weil ich ältester Offizier in der Batterie bin, wahrscheinlich während der 3 Wochen. Gestern und heute habe ich mich auf Sperrfeuer und die Grundrichtung (Hauptrichtungspunkt) eingeschossen. Leider streuen unserer Haubitzen ziemlich stark, und man muss ganz vorsichtig schiessen, damit ja kein Schuss in die eigene[n] Stellung kommt. [1917-06-05 Photo 1, mit Vermerk auf der Rückseite:] Ltn. Scholz b/Varennes Juni/Juli 17 [lesend in Hängematte]. Donnerstag, 7. Juni 1917. 132 Gestern ist unsere Gruppe A. eingetroffen. Es ist der Stab unserer I. Abteilung, der im „Steinhaus“ an der Straße nach Varennes wohnt. Gruppenkommandeur ist Hauptmann von Jena, Adjt. Ltn. Weise. – Gestern nachmittag war hier in der Nähe große Parade. Der Kaiser hat die 33. Inf. Div. besichtigt. Von unserer Batterie waren 2 Unteroffiziere und 12 Mann dabei. Ein Kanonier, Möbius, hat das Eiserne Kreuz II. vom Kaiser selbst bekommen. Er ist geradezu überglücklich. Er ist auch der einzige der ganzen Batterie, dem S. M. die Hand gegeben hat jetzt und überhaupt. – Hauptmann von Jena hat bei der Gelegenheit den Hohenzollernschen Hausorden 3 Kl. mit Schwertern bekommen. [1917-06-05 Photo 2, mit Vermerk auf der Rückseite:] b/Varennes Juni/Juli 17 [Wolldecken werden im Wald gelüftet]; 1917-06-05 Photo 3, mit Vermerk auf der Rückseite:] b/Varennes Argonnen Juni/Juli 17 [Otto Borggräfe stehend in einer Eingangstür]. 133 [1917-06-07 Photo 1, mit Vermerk auf der Rückseite:] b/Varennes 1.7.17. [Soldat auf einem Pferd]; 1917-06-07 Photo 2, mit Vermerk auf der Rückseite:] Ltn. Scholz [stehend in einer Eingangstür]. 134 Montag, 11. Juni 1917. Seit 2 Tagen regnet es fast unausgesetzt. Hier in den bergigen Argonnen würde es ja weiter nicht schaden, das Wasser läuft schnell ab, aber man regnet zu häufig dabei durch. Vorgestern habe ich die Batterie ganz neu eingeschossen, wir haben neue Sperrfeuerräume bekommen, und da war ein vollständig neues Einschießen nötig. Vor drei Tagen ist vom Regiment aus ein neuer Batterieführer, Ltn. Hermann der 5. Bttr., vertretungsweise bestimmt worden. Bis jetzt ist er aber noch nicht aufgetaucht. In der 5. Bttr. fühlt er sich anscheinend ganz wohl. Mir wäre es aber ganz recht, wenn er nach hier käme. Zum Batterieführer bin ich ja doch viel zu junger Offizier, und weshalb soll ich mich da jetzt mit den Batteriegeschäften plagen. [1917-06-11 - Teile 1, 2, 2a, 3, 4, 5 bzw. Ansicht Beob-stelle: „W. Michaelis, V.Wachtm., 4/283: (Farbige) Ansichtsskizze von B./Stelle 710 2235“]. 135 Dienstag, 12. Juni 1917. Ltn. Hermann hat sich krank gemeldet und verbleibt in der 5. Batterie. Ich werde da wohl weiterhin Batterieführer spielen müssen. Mit welchen Gefühlen ich diese Nachricht aufnehmen soll, weiß ich augenblicklich noch nicht. Mit der Führung einer Batterie sind für einen so jungen Offizier, wie ich bin, mehr oder weniger Unannehmlichkeiten verknüpft. Von den älteren Batterieoffizieren der anderen Batterien des Regiments beneidet, ist man ihren Ränken und Nachstellungen ausgesetzt. – Man wird ja ziemlich gleichgültig solchen Intrigien [sic!] gegenüber, aber lieber wäre mir doch, ein älterer Offizier würde mit der vertretungsweisen Führung der Batterie betraut. Sonnabend, 16. Juni 1917. Ein Tag vergeht hier wie der andere. Etwas besonderes passiert kaum. Im Laufe des gestrigen Tages hat der Franzose viel in die weiter zurückliegenden Dörfer geschossen. Welche Resultate er erzielt hat, weiß ich aber nicht. Meistens erreicht er garnichts durch diese Schüsse. Heute früh ist ganz großartiges Wetter. Die Sonne scheint schon seit Hellwerden. Unter uns im Tal liegt noch einiger Nebel, in einer Stunde wird aber auch der verschwunden sein, und dann ist es ein herrlicher Sommertag. – Die Flieger ziehen langsam ihre Kreise, daneben liegen kleine Sprengwölkchen. Freitag, 22. Juni 1917. In den letzten Tagen war hier ziemlich reger Betrieb. Vorgestern war große Besichtigung der Sperrfeuer durch den Gruppenkommandeur, und gestern früh war der General der Artillerie des 3. A. K. bei uns in der Feuerstellung. Alles im Lot, wie er selbst sagte. Heute morgen ist Ltn. Scholz nach Berlin abgereist zum Gaskursus. Anschließend hat er Urlaub. Vor vier Wochen wird er also kaum zurückkommen. Ltn. Jülich ist gestern wieder aufgetaucht. Er hält sich bei unseren Protzen auf, kommt nicht in die Feuerstellung sondern will auch auf Urlaub fahren. Ob Hauptmann Fahle schon am 30. Juni wiederkommt fragt sich noch. Er soll Nachurlaub eingereicht haben. Ich werde deshalb wohl noch eine ganze Zeit allein sitzen und an Urlaub garnicht denken dürfen. 136 [1917-06-16 Photos 1, 2, 3 , jeweils mit Vermerk auf der Rückseite:] 20.6.17 Sperrfeuerprüfen b/Varennes Hpt. v. Jena. 137 [1917-06-22 Photo 1: doppelläufige Kanone mit Soldat; Photo 2: Gruppenfoto Soldaten]. Donnerstag, 28. Juni 1917. Die Zeit vergeht furchtbar schnell. Jeder Tag bringt mehr oder weniger bemerkenswerte Ereignisse, vor allem aber sehr viel Arbeit. Hier in den Argonnen wird ein richtiger Papierkrieg geführt. Heute nachmittag habe ich großes Wirkungsschießen gemacht auf eine feindl. Batterie, die ca. 6000 m entfernt stand. Eingeschossen habe ich mit einem Flieger. Es klappte tadellos. Genau wie es unsere Schießvorschrift sagt, habe ich die Batterie eingabeln können bis auf eine 50 m Gabel. Dann meldete der Flieger: 4 Treffer im Ziel. Das Einschießen war nun zu Ende. Für das Wirkungsschießen wurden mir 200 Schuss zur Verfügung gestellt. Das ganze Schießen erstreckte sich nur über 1½ Stunden. – Der Flieger kam um 6 Uhr nachm. und um 7½ war alles zu Ende. 138 [1917-07-01 Photo 1, mit handschriftlichem Vermerk auf der Rückseite:] 2.7.17. Schimpfhöhe [?] [zerstörter Wald nach Kampfhandlung]; [1917-07-01 Photo 2, mit handschriftlichem Vermerk auf der Rückseite:] Badeanstalt Juni/Juli 17. 139 Sonntag, 1. Juli 1917. Gestern morgen habe ich die Protzen unserer Batterie inspiziert und allerlei Mängel festgestellt. 18 Pferde waren wegen Räude in Behandlung kommen. Der WachtmeisterDienst-Tuer, ein Uffz. Ludolphi, hatte alles verkommen lassen. Von Pferdpflege hat er keine Ahnung. – Mit dem Oberveterinär hatte [ich] dann eine große Auseinandersetzung, die mit einem Frühschoppen im Kasino Sommerance endete. Alles ist jetzt wieder in Ruhe und Frieden. Heute früh war große Sitzung aller Regimentsoffiziere im Steinhaus in Varennes. Der Regimentskommandeur, Major Gaede, hielt uns einen stundenlangen Vortrag über Ehrenrat, Ehrengericht pp. Dann war Besprechung der Champagne-Erfahrungen. Zum Schluss wurde ein recht interessantes Thema durchgesprochen. Mein Batterieführer, Hptm. Fahle, hat gestern die Gruppe A. übernommen; Hptm. v. Jena ist auf Urlaub gefahren. In den nächsten 3 Wochen werde ich da wohl noch Batterieführer spielen müssen. Im verflossenen Monat hat die 4. Batterie unter meiner Führung ganz gut abgeschnitten, was Ausbau der Stellung betrifft. Die Berichte, die hierüber an den Art.-Kommandeur gegangen sind, sollen die 4. Batterie ziemlich herausstreichen. Der Adjudant [sic!] des Arko [Artilleriekommandeurs] und verschiedene Regiments-Offiziere berichteten mir davon. – Bis jetzt bin ich auch noch in keiner Weise aufgefallen, wenigstens nicht auf unangenehme Art. Das „Angenehm-Auffallen“ soll man aber ja auch möglichst vermeiden, es führt doch zu Unzuträglichkeiten. [1917-07-04 - Wahlzettel: „Wahlzettel! Zur Neubildung des Ehrenrats des Regiments wähle ich … Im Felde, den 5. Juli 1917, Name: Borggräfe, Dienstgrad: Ltn. d. Res.“]. Mittwoch, 4. Juli 1917. Ich bin auf dem Vangnois gewesen und habe mir von dort das Gelände angesehen. Die Sicht war sehr gut. Die Luft war klar, nur in der Ferne lag leichter Dunst auf dem Felde. – Gestern morgen um 7 Uhr in [ich] Nacht dort von der Batterie weggegangen und um 12 Uhr war ich zurück. Es war ein schöner Weg. Man geht immer in den Tälern entlang, durch Varennes und dann durch die großen Obstgärten an den Berghängen. Besonders die Apfelbäume trugen viel Früchte. Reif war leider noch garnichts, die Kirschen aber waren schon alle herunter. Vice Wachtm. Koch ist am 28. vorigen Monats befördert worden. Leider ist er zur 2. Batterie versetzt worden. Ich hätte mich sehr gut mit ihm vertragen. Heute kam die Beförderung heraus und habe ich ihm gleich ein Telegramm geschickt. Er wird sich riesig freuen. 140 [1917-08-08 Photo 1: 3 Soldaten am Tisch, in der Mitte Otto Borggräfe; 1917-08-08 Photo 2: Otto Borggräfe, lesend in der Hängematte]. Sonntag, 8. Juli 1917. Es werden jetzt täglich Feuerleitungsübungen pp. in unserer Gruppe abgehalten. Gestern früh hat Major Gaede 5 Stunden mit den Führern der 3., 4. und 5. Batterie auf der Gruppenbeobachtungsstelle gesessen. Es war geradezu sterbenslangweilig. Anfangs wurde[n] dies und jenes Sperrfeuer geprüft und nachher bekam jeder Batterieführer eine kleine Schießaufgabe. Um aber Munition zu sparen wurden nur einige Schüsse auf jedes Ziel abgegeben. Heute hält der stellvertretende Gruppenführer eine ähnliche Übung ab. Um 1 Uhr sollte die Sache vor sich gehen, jetzt um 2½ weiß ich aber noch nicht, was los ist und was werden soll. – In den letzten Tagen haben wir sehr viel Munition gefahren. Die Batterie musste 1000 Schuss alte Munition abliefern und bekam dafür ebensoviel gute, brauchbare Geschosse zurück. Bei den hiesigen Transportverhältnissen war dieser Umtausch eine ganz ungeheuere Arbeit. Ganze 2 Tage ist mit allen Leuten unausgesetzt daran gearbeitet worden. Die Argonnenbahn liefert die Munition bis etwa 700 m von unserer Batterie und eine Förderbahn. Hier wird die Munition gefördert und dann per Lore an die Geschütze gefahren. Dies sieht zunächst ganz einfach aus, es geht aber sehr langsam. – Zunächst kommt die Argonnenbahn nicht über die Steigungspunkte hinweg, die unten im Tal zu überwinden sind. Mit einem voll beladenen 141 Wagen gleitet die kleine Lokomotive immer wieder zurück. Unsere Kanoniere müssen da mit schieben. – Der Fördererstuhl bleibt häufig auf halber Höhe hängen, der Motor kann nicht mehr. Auch hier müssen unsere Kanoniere helfend eingreifen. Zuweilen saust der Stuhl auch von oben hinunter ins Tal. Ein Unglück ist bis jetzt nicht dabei vorgekommen. Die Geschosse spritzen dann nur so durch die Gegend. Von diesem Fahrstuhl aus müssen unsere Kanoniere die Munition dann in die Feuerstellung fahren über viele Steigungen. Dieser Munitionsersatz ist äusserst umständlich und schwierig. Ob er in unruhigen Zeiten angewandt werden kann, ist fraglich. – Neuerdings tauchen hier Gerüchte auf, daß die 33. Inf. Div. abgelöst werden soll. Es heißt, wir sollen in Armeereserve kommen. Die 80. I. D. soll schon irgendwo in der Nähe sein. Hoffentlich kommen wir wirklich in Armee-Reserve, d. h. Ruhe. Hier stürzt man ja doch nur den ganzen Tag herum. [1917-08-08 Photo 3: 5 Soldaten]. Montag, 9. Juli 1917. Wir bleiben hier. Von unserem Abgelöstwerden wird nichts. Ich [habe] deshalb sofort Urlaub eingereicht und hoffe, bald fahren zu können. Morgen kommt Hptm. Fahle in die Batterie zurück, der Regimentsstab besetzt die Gruppe A, da bin ich ja gut zu entbehren. Gestern war Nachfrage im ganzen Regiment, wer von den Offizieren und Mannschaften zu einer Neuformation für die Türkei wolle. Gemeldet haben sich sehr viel dazu. Leider bin ich abgewiesen worden, ich wäre ganz gern einmal hinüber gegangen. Sonnabend, 14. Juli 1917. Von meinem Batterieführerposten bin ich schon seit dem 11. mittags enthoben. Hauptmann Fahle wurde auf der Gruppe durch unseren Regiments-Kommandeur ersetzt, der ganze Regimentsstab kam ins Steinhaus. Heute ist Ltn. Scholz vom Urlaub zurückgekommen; in der Batterie sind jetzt also 3 Offiziere incl. Batterieführer, eine nie dagewesene Zahl. Na, hier ist es jetzt ja ziemlich ruhig, wohl deshalb! In der letzten und vorletzten Woche ist die sehr viel Artillerie eingesetzt worden, leichte, mittlere und auch schwere Geschütze. Besonders weittragende Kanonen, die auf französische Etappenorte schießen. – Unmittelbar neben uns ist gestern schon eine von den dicken kaputt gegangen. – Hinten soll dann noch eine ganze Division in Reserve liegen. – Da scheint ja irgendetwas los zu sein oder werden zu wollen hier bei uns. 142 Mittwoch, 18. Juli 1917. Wir schießen in der letzten Zeit sehr viel. Die anderen Batterien in unserer Nähe ebenso, es kommt so ein recht heftiges Feuer heraus, wenn auch eigentlich garnichts los ist. Es ist dann eben „erhöhte Artillerietätigkeit in den Argonnen“. In nächster Zeit sollen noch wieder einige 15 Batterien in unserem Abschnitt eingesetzt werden. Jetzt sind wir schon etwa 3mal soviel, als bei unserer Herkunft hier waren. Es scheint doch irgendetwas in der Luft zu sein. Morgen will ich auf Urlaub fahren. Das Regiment hat mich vom 22. - 31. ds. Mts. beurlaubt. Hoffentlich kommt mir nichts dazwischen. [6. Heft] 28. Januar 1918. Grossenhain Am 12.1.18 habe ich meine liebe 4./283 F.A.R. verlassen, um zu einer anderen Waffe, der Fliegerei, zu gehen. Seit dem 15. bin ich nun dabei. Mich einzuleben, dazu bin ich bis jetzt nicht gekommen. Wir Beobachter-Vorschüler werden von einer Schule zur anderen geschickt. Heute habe ich meine 2. Versetzung erfahren, und zwar von hier nach Schneidemühl. Schon in Gotha herrschte derselbe Betrieb wie hier. Alles war überfüllt. Von der Beobachter-Vorschule kamen deshalb 9 Herren nach Grossenhain. Hier kamen wir aber vom Regen in die Traufe. Statt 2 Unterrichts Gruppen, für die Lehrkräfte vielleicht gereicht hätten, sind hier 4 Gruppen. Um uns nun nicht auf der Straße herumlaufen zu lassen, werden wir mit ganz nichtigen Sachen beschäftigt. Heute ist die Versetzung von 14 Offizieren der Vorschule nach Schneidemühl herausgekommen. Nun noch meine Wohnungsfrage in Gotha und Großenhain. In Gotha, Haupt- und Residenzstadt Sachsen-Coburg-Gothas, wohnte ich im Schloss-Hotel, dem vornehmsten Hotel der Stadt. Der Preis war nicht gerade niedrig, aber angemessen. Gegessen wurde mittags im Casino auf dem Flugplatz, es war Dienst. Man musste zum Mittagessen kommen. Abends konnte man sehr gut in Mahr’s Hotel essen. Preis war mäßig. Im Großenhain/Sachsen wohnte ich anfangs im Hotel Kugel am Markt, zog dann aber in eine Privatwohnung, weil mir das Zimmer im Hotel zu klein und schlecht war. Nach einigen Tagen gefiel es mir bei meiner Wirtin, Frau Müller, garnicht mehr. Ich werde es auch wohl kaum lernen, mit Privatleute[n] auszukommen, wenigstens jetzt im Kriege nicht. Dies Gejammere und Getue macht mich ganz nervös, ich kann es nicht anhören. Die Leute mögen ja recht haben, aber das ändert an der Sache nichts; ich vertrage kein Geheule. – Nach einigen Tagen bin ich dann schon wieder ins Hotel gezogen und habe da bis heute gewohnt. Im Hotelkugel war inzwischen ein schönes Zimmer, Nr. 15, frei geworden und das habe ich sofort bezogen. Preis 15, – M. die Woche incl. Licht und Heizung. 31. Januar 1918. Schneidemühl Gestern nachmittag bin ich in Schneidemühl angekommen und habe mich schon bei allen Vorgesetzten gemeldet. Morgen geht der Unterricht los. Ich wohne im Kasino der Fla 2, einem früheren Hotel am Markt. Der vorgestern in Berlin verlebte Tag war sehr nett. Vormittags habe ich bei Stassens Besuch gemacht und nachmittags hat Lotte mich spazieren geführt. Auf dem Bummel auf der Friedrich Straße waren [wir?] auf dem Nachhauseweg. Lotte ist ein hübsches Mädchen. – Abends habe ich mit einigen Freunden einen Bummel durch Berlin gemacht. Kempinski – Nachtfalter – Mascotte. Berlin bietet viel. 143 6. Februar 1918. Heute habe ich meinen ersten Flug über Schneidemühl gemacht in 1100 m Höhe. Es war der sogenannte Zahlmeisterflug, um die Fliegerzulage zu bekommen. Das Wetter war schön. Auf der Erde lag leichter Dunst. Die Luft war ganz ruhig, garnicht böig. Der Apparat flog ganz ruhig. 144 [1918-01-31 Photo 1, handschriftliche Bemerkung auf der Rückseite:] Schneidemühl Februar 1918. Rumpler C. Zeppelinhalle. Harte Landung Ltn. Oberstadt. Franz: Ltn. Rommel. [1918-01-31 Photo 2: Flugzeug und 6 Soldaten]. 145 31. März 1918. Königsberg (Ostern) Der Kursus auf der Beobachter-Vorschule der Fla 2 ist zu Ende. Seit heute früh bin ich schon in Königsberg. Meldetag ist erst Dienstag. Bis dahin will ich mir die Stadt ansehen. – In Schneidemühl war der Dienstbetrieb in der letzten Zeit ganz gemütlich. Geflogen wurde im Februar kaum wegen zu schlechtem Wetter. Dichter Nebel lag dauernd über der ganzen Gegend. Erst Anfang März wurde es besser. – Der Unterricht war über den ganzen Tag ausgedehnt: von morgens um 8 bis nachm. um 5 Uhr. Mittags war eine Pause von 1½ Stunden, um essen zu können. Abends 7 Uhr war im Kasino in der Stadt dann noch gemeinsames Essen, ein[e] als Dienst aufzufassende Beschäftigung. Fehlen durfte niemand. Um ½8 oder auch ¾8 Uhr waren wir erst unsere eigenen Herren. – Die einzelnen Unterrichtsfächer waren ungefähr folgende: Funken, Taktik, Bildlehre, Fotokunde, Flugzeuglehre, Motorkunde, Kompass- und Wetterkunde und dann vor allem der Flugdienst. Morgens um 5.15 Uhr ging der Betrieb schon los. Von 12.-25. bin ich auf Urlaub zu Haus gewesen. Wilhelm17 kam am 6. und da bin ich auch gleich hingefahren. In den Tagen nach meinem Urlaub musste ich die versäumten Flügel noch nachholen. Ich musste über 800 km machen. Den größten Teil dieser 800 km habe ich auf einem Überlandflug nach Stolp i/Pommern erledigt. Der Hinflug nach Stolp verlief ohne jede Störung, in kaum 2 Stunden hatten wir 225 km bei einigem Gegenwind erledigt. Nach 2 Stunden Rast, Mittagessen, Benzin- und Oelnachfüllen traten wir den Rückflug an. Während dieses Fluges machte mein Flugzeugführer nun einige sogen. Butterlandungen. Gegen 3 Uhr landeten wir auf einem Gut südlich Rummelsburg. Tadellose Landung. Auf dem Weiterflug, den wir erst gegen ½7 antraten, wurde es uns plötzlich dunkel. Da wir für einen Nachtflug garnicht vorbereitet waren, war uns dieser Flug beinahe übel bekommen. Höhenmesser, Benzinuhr und Tourenzähler und vor allem die Karte, nichts war mehr zu erkennen. Wir haben uns deshalb verirrt. Gegen ½9 Uhr glückte uns dann aber doch eine glatte Landung. Kurz bevor wir auf die Erde kamen, habe ich eine Leuchtrakete abgeschossen, um überhaupt etwas sehen zu können. Dieser Rakete brannte dann lange genug, dass während der Landung etwas zu sehen war. – Am nächsten morgen sind wir bis Deutsch Krone weitergeflogen, wo abermals eine Landung gemacht wurde, die aber mit einem Radbruch endete. – Ich bin dann abends nach Schneidemühl gefahren, um die Versetzung nach Königsberg nicht zu verpassen. – Seit heute früh wohne ich nun schon hier in Königsberg im Central-Hotel am Paradeplatz. Mittwoch, 17. April 1918. Heute habe ich in Königsberg zum ersten Mal Bruch gemacht. Bei der Landung auf dem Flugplatz der Fl. Beobachter Schule Königsberg in Devan nach einem M. G. Schießen aus der Luft auf ein Erdziel brach ein Rad am Fahrgestell. Die Maschine stellte sich nun, als sie nicht ausrollen konnte, auf den Kopf und brach den Propeller ab. Außer einigen Schrammen an meinem Knie ist nichts passiert. Mein Flugzeugführer ist ganz heil davongekommen. Oldenburg, 16. Mai 1918. Die schöne Königsberger Zeit ist zu Ende und damit auch meine Ausbildung in Deutschland. – Der Königsberger Kursus sollte eigentlich bis zum 22. dauern, aber auf den Bericht unseres Kommandeurs hin, hat eine Inspection in Berlin bewilligt, den Kursus 8 Tage früher zu schliessen und die Schüler während dieser Zeit auf Urlaub zu schicken. 17 Wilhelm Borggräfe, siehe Fußnote 9. 146 Von den Beobachter Schülern kommt der größte Teil ins Feld; es sind 31 dafür namhaft gemacht worden. 5 oder 6 kommen zum Bogohl [Bombengeschwader der Obersten Heeresleitung] und der Rest von ungefähr 20 Schülern nach Alt-Auts [wahrscheinlich AltAutz bei Doblen, Kreis Mitau; jetzt Vecauce, Lettland] auf die Artillerie-Schießschule. – Die 31 für das Feld vorgesehenen, unter denen auch ich bin, sollen zunächst noch 14 Tage nach Asch in die M. G. Schule kommen. Eine gute Ausbildung am M. G. wird wohl für sehr wertvoll gehalten. Asch liegt nördlich von Lüttich in Belgien, etwa 20 km westlich der Maas. Seit gestern nachmittag bin ich hier in Oldenburg auf Urlaub und habe schon viele Bekannte getroffen. Die meisten sind in den letzten Kämpfen verwundet und jetzt auf Erholungsurlaub oder auch noch in Behandlung. Spazierengehen darf jetzt bei dem schönen Wetter aber jeder. Zu Pfingsten, übermorgen, kommen wahrscheinlich Anni18 und Wilhelm19 nach hier. Wilhelm kann es von Wangeroog[e] wohl einrichten. Hoffentlich bleibt das Wetter noch einige Tage so wie jetzt, damit die „kleinen Mädchen“ ihre schönen Kleider auch wirklich mal spazierentragen können. 24. Mai 1918. Asch i/Belgien. Heute Morgen bin ich hier in Asch/Belgien, Flieger M. G. Schule angekommen bei heftigem Regen. Den Bahnanschluss in Cöln verpasste ich, weil der Zug überfüllt war und von Lüttich aus fährt täglich nur ein Bähnle; beidewärts [?] bin ich deshalb ungefähr einen Tag gewesen. Asch ist ein richtiger Truppenübungsplatz. Es fehlt jeder Abwechslung. Hoffentlich ist das Wetter immer gut, damit viel geflogen werden kann. Wenn nicht, dann verkommt man hiervor lauter Stumpfsinn. Zu den Kursen sind etwa 120 Offiziere hier. Wir wurden alle in Baracken zu zweien auf einem Zimmer. Schön kann man die ganze Einrichtung hier nicht nennen. Wir liegen in unwirtlicher Heide, weit von jeder zivilisierten Welt entfernt, und sind ganz auf unser Kasino angewiesen. Aber diese 14 Tage gehen ja auch vorüber. Sonntag, 26. Mai 1918. Heute früh habe ich bei schönem Wetter meinen ersten M. G. Flug gemacht. Ergebnis: 15 Treffer. Bei der Landung machte die Maschine Kopfstand; es war eine A. E. G. C IV 388/17. Mein rechtes Knie leicht zerschunden, die Hose aufgerissen. Der ganze Betrieb hier in Asch macht nach 3 Tagen einen ziemlich traurigen Eindruck. Der Unterricht bietet mit all seinen Stunden keine Abwechslung. Morgens und nachmittags wird das Thema: „Das l. M. G. 17 und seine Teile“ durchgekaut. Gehalten wird der Unterricht von Unteroffizieren. Die Stammoffiziere, Lehrer, suchen bei jeder Gelegenheit den Vorgesetzten herauszubeißen. – Als rauher Krieger kennt man eine andere Behandlung ja kaum. Wir fühlen uns auch ganz wohl dabei. Gute Kameradschaft hilft uns über alles hinweg. Aus Königsberg sind wir zu 37 hier, und gegenüber einer solchen Zahl kann ein einzelner Lehrer doch kaum etwas ausrichten. Vorläufig macht alles den Eindruck, als ob wir hier kaum etwas lernen. Man kommt sich furchtbar überflüssig vor. Sonntag, 2. Juni 1917. Wir sitzen hier immer noch in Asch auf der Fl. M. G. Schule und führen ein trauriges Dasein. Im Laufe der letzten Woche hat sich ein ziemlich lebhafter Krach mit dem Kommandeur und den Stammoffizieren herausgebildet. 3 von uns Königsbergern sind wegen Fehlens beim Dienst ein gesperrt worden. Valensiennes [sic!], 6. Juni 1918. Gestern abend sind wir zu 11 Beobachtern hier im Flugpark 2 angekommen. 18 19 Anni Fischer, geb. Borggräfe (1888 – 1981), einzige Schwester von Otto Borggräfe. Wilhelm Borggräfe, siehe Fußnote 9. 147 Wir haben die Reise in Brüssel unterbrochen und uns dort die Lokale angesehen, in denen die Lebewelt verkehrt. Heute früh waren hier in Valenciennes fdl. [feindliche] Bombenflieger, die ihr Ziel, den Bahnhof nicht getroffen haben. Sonnabend, 8. Juni 1918. Valenciennes ist gestern kurz vor mittag wieder einmal von fdl. Fliegern heimgesucht worden und zwar mit ziemlich gutem Erfolg für die englischen Flieger. Es soll eine Munitionszug und ein Depot getroffen worden sein. Dafür musste aber ein Engländer nicht weit von hier landen, von Flak beschädigt. Der Betrieb beim Park ist sehr gemütlich. Dienst wird kaum gemacht. Wir halten uns den ganzen Tag in dem großen schönen Garten bei unserem Kasino auf. Sonntag, 9. Juni 1918. Ich bin zur Flieger-Abteilung 17 versetzt. Quartier in Moislains an der Somme. Es ist ungefähr zwischen Peronne und Cambrai. Mein Reisetag ist morgen. Um 1 Uhr fahre ich von hier, Valenciennes ab. Von Peronne aus muss ich dann abgeholt werden. 10. 6. 18. Ankunft bei Flieger-Abteilung 17. 12. Juni 1918. Heute habe ich meinen 1. Feindflug gemacht. 2.42 - 4.10 nachm. über Morlancourt südlich Albert. Führer Ltn. Marzolff als Schutz bei einem Artillerie-Einschießen. Im Laufe der Zeit zeigten sich 3 Engländer, aber alle ziemlich weit. 13. Juni 1918. Von 10.10 bis 12 habe ich heute meinen 2. Orientierungsflug über Morlancourt gemacht. Nachmittags von 5.10 bis 6 Uhr habe ich dann noch Manancourt photographiert. Führer beide Male Ltn. Marzolff. Engländer habe ich nicht gesehen. Leichter Flak[beschuss?]. 14. Juni 1918. Heute früh ist wegen schlechtem Wetter, dicken Wolken, nicht geflogen worden. Gleich um soll M.G. geschossen werden. Gestern abend hat unsere Ifl Maschine Bruch gemacht. Gegen 9 Uhr kam Befehl zum Ifl u. Ltn. Heinrich und Brüggendiek starteten gegen ½10 und kurz nach 10 Uhr rief Ltn. Brüggendiek an, um zu melden, das[s] die Maschine bei Bray sur Somme zerhauen läge. Wegen eines Treffers im Kühler hatten sie landen müssen und dabei das Fahrgestell und ein Tragdeck zerbrochen. Der Besatzung ist nichts passiert. Für die Abteilung kommt die Maschine nicht mehr in Frage. Sie muss zur Fabrik abgegeben werden. 18. Juni 1918. Eben habe ich meinen 3. Schutzflug gemacht, Start 9.06, Landung 10.17. Ltn. Gravenhorst schoss Artillerie ein. Gegen 10 erschienen plötzlich zwei englische Einsitzer aus Richtung Sailly le sec [Sec], von denen einer mich annahm, d. h. hinter mir herflog, um mich in einen Luftkampf zu verwickeln. Erst nachdem ich gegen 150 Schuss aus meinem M. G. auf ihn abgegeben hatte, ließ er ab. Nach Urteilen älterer Flieger war der Tommy ausnahmsweise hartnäckig. Die Fäden meiner Rauchspurmunition gingen gut zu ihm hin, und doch ließ er nicht nach. – Unsere Flak schoß während der Zeit wie besessen, der ganze Himmel war voll schwarzer Sprengwolken. Beinahe hätte er mich erwischt; der Engländer war gemeint, aber eben sehr nahe bei mir. 148 Sonntag, 23. Juni 1918. Heute früh habe ich versucht, mein erstes Artillerie-Einschießen durchzuführen. Es ist mir aber vorbeigelungen. Kurz nachdem ich mit der Antenne Verbindung aufgenommen hatte, brach nämlich der Auspufftopf, das obere Stück, weg, sodass die ausfließenden Verbrennungsgase gegen den Kühler stießen und das Kühlwasser zum Kochen erhitzten. Der Flug musste sofort abgebrochen werden. Gestartet bin ich um 8.28 und um 8.49 Vorm. gelandet. Morgen früh mache ich dasselbe noch einmal. Hoffentlich glückt es dann. Montag, 24. Juni 1918. Heute früh ist aus dem Einschießen nichts geworden, weil mein Führer nicht hier war. Er sollte gestern Abend eine neue Maschine, D. F. W. CV[= römisch fünf], aus dem Park Valencienne[s] holen und ist gestern nicht zurückgekommen; offenbar war es zu schlechtes Wetter. Seit einer halben Stunde sind nun dicke Wolken am Himmel, sodass deswegen wieder nicht geflogen werden kann. Es [ist] zum auswachsen. Auf die Dauer macht mir dieser Betrieb keinen Spaß. 26. Juni 1918. Gestern nachmittag habe ich meine ersten Artillerie-Einschießen gemacht: Um 3.30 bin ich zum ersten Schießen mit einer 15cm Batterie gegen Gasminenwerfer südlich Ville sur Ancre gestartet. Das Schießen habe ich glatt durchgeführt. Um 4.30 wurde es aber sehr dunkel, sodaß ich landen musste. Von 6.50 bis 8.24 habe ich dann das einschießen gegen die Gasminenwerfer fortgesetzt mit der Batterie 9./213 (l. F. H. [leichte Feldhaubitze?]), auch das habe ich glatt durchgeführt. Heute sollte ich ein Überwachungsschießen mit der Mrs [?] Batterie 6. / L. 4. machen. Als Ziele hatte ich eine Batterie im □ 3209 t und □ 3108 t genommen. Wegen eines Missverständnisses in der Antennenbesetzung konnten beide Schießen nicht durchgeführt werden. Gestern nachmittag hatte ich meinen 2. Luftkampf mit einem Tommy. Über Morlancourt griff er mich an. Als ich aber mit Phosphor und Rauchspur auf ihn schoss, liess er wieder ab. Später habe ich ihn nicht mehr gesehen. 27. Juni 1918. Heute vormittag 11.08 bis 12.05 bin ich geflogen, um ein Überwachungsschießen mit der Batterie 6. / L. 4 (Mrs.) gegen 2 fdl. Batterien: □ 3109 qu und v zu machen. Wegen sehr niedriger Wolken und Dunst bin ich leider zu keinem Resultat gelangt. Über Sailly le sec [Sec] nahmen mich vielmehr 2 englische Einsitzer aufs Korn. Obgleich ich heftig Kurven flog und ihnen Phosphorstreifen in großer Menge hinschoss, ließen sie nicht ab, bis wir über Cappy [waren], wo unsere Jasta [Jagdstaffel] 5 liegt. Erst durch unsere Fokker D 7 ließen sie sich abschrecken und verjagen. Das war mein 8. Feindflug und 3. Luftkampf. 28. Juni 1918. Heute vormittag habe ich 2 Einschießen mit der 5./76. l. F. H. durchgeführt und zwar gegen Straßenspinne in Méricourt und Batterie □ 3309 n als Überwachungsschießen. Start 8.30 Landung 10.51 vorm. 9. Feindflug. Lebhafter fdl. Einsitzerbetrieb hinter der engl. Linie. Zu uns herübergekommen sind sie nicht, obgleich zeitweise bis zu 17 beieinander waren. Von uns war eine Kette Fokker D 7 vorn. 149 10. Juli 1918. Einen Monat bin ich jetzt bei der Abteilung 17. Das Gebiet meiner Tätigkeit ist augenblicklich das Photographieren. Unser Fotooffizier ist auf Urlaub und ich mache deshalb vertretungsweise den Bildoffizier. Die Zahl meiner Feindflüge ist bis gestern auf 19 gestiegen. 150 Im Juni habe ich folgende Flüge gemacht: 1. Feindflug 2. Feindflug Schutzflug Schutzflug Foto-Flug 3. Feindflug 4. Feindflug 5. Feindflug Schutzflug 6. Feindflug 7. Feindflug 8. Feindflug 9. Feindflug Afl. Afl. Afl. Afl. Afl. Afl. Probeflug 10. Feindflug Afl. 11. Feindflug Afl. D.F.W. 7762 D.F.W. 7762 D.F.W. 7762 D.F.W. 2333 D.F.W. 7762 D.F.W. 7762 CV Ltn. Marzolff Ltn. Marzolff Ltn. Marzolff Flg Reinecke Flg Reinecke Flg Reinecke 12.6.18 D.F.W. CV 7762 D.F.W. CV 7762 D.F.W. CV 7762 D.F.W. CV 7762 D.F.W. CV 7762 D.F.W. C.V. 2333 D.F.W. CV 7762 CV CV CV CV CV 13.6.18 2.42 Nachm 10.10 V. 4.10 Nachm 11.30 V. 13.6.18 5.17 N. 5.47 18.6.18 9.06 V. 10.17 V. 23.6.18 8.28 V 8.49 V. 25.6.18 3.30 4.55 N. Flg Reinecke Flg Reinecke Flg Reinecke Flg Reinecke Flg Reinecke Flg. Reinecke 25.6.18 6.53 8.24 N. 26.6.18 8.20 V. 9.41 V. 27.6.18 11.08 V. 28.6.18 8.30 12.[0?]5 N. 10.51 29.6.18 8.10 8.45 29.6.18 10.[0]2 V. 11.42 V. Flg. Reinecke 30.6.18 9.50 V. 11.59 V. 220 km 200 km 75 km 178 km 53 km 213 km 228 km 203 km 143 km 353 km 88 km 253 km 323 km Schutz für Ltn. Brüggendiek (Afl.) Schutz für Ltn. Meyer (Afl.) Lichtbilden des Generalkomman-dos in Manoncourt. Schutz Ltn Gravenhorst Afl. 1. Luftkampf. Flug wegen Motorstörung abgebrochen. 2 Einschießen durchgeführt 2./bag [?] 6. 2. Luftkampf. 1 Einschießen durchgeführt 9./213. Überwachungs-schießen abgebrochen. 6./[?] 4. (Mrs.) Einschießen wegen Dunst und Wolken abgebrochen. 3. Luftkampf. 2 Einschießen durchgeführt 5./76. Wegen Nebel und Dunst war kein Feindflug möglich. 2 Einschießen durchgeführt. 9./213. 2/b.6 4. Luftkampf, 7 Treffer 3 Einschießen durchgeführt. 2./bag 6. 2./219 154 14. Juli 1918. Sonntag. Das Wetter war in den letzten Tagen nicht gerade schön. Zum Fliegen sind wir fast garnicht gekommen. Gestern und auch heute früh habe ich versucht, wenigstens etwas meiner vielen Aufträge zu erledigen. Es war aber wegen Dunst und Wolken garnicht möglich überhaupt ein Bild zu machen. – Gestern früh setzte in 400 m Höhe der Motor aus, auch schon deshalb musste ich landen. – Von mehreren Tagen hat mich der Kapitain zum Beob. Abzeichen eingegeben. Heute ist es nun zurückgekommen, mit dem Bemerken, ich müsse erst 20 Feindflüge gemacht haben. Leider habe ich bis jetzt nur 19. – Ich hoffe nun stark auf gutes Wetter, um erstens die Aufträge zu erledigen und zweitens die Zahl meiner Flüge zu erhöhen. 17. Juli 1918. Die Zahl meiner Flüge ist inzwischen auf 23 gestiegen. In 3 Tagen 4 Fotoflüge alle in 5100 m ist nicht gerade leicht. Augenblicklich bin ich auch ziemlich niedergeschlagen. Anstrengend ist vor allem wohl der große Temperaturunterschied, der oben und unten vorhanden ist. Als ich gestern früh nach Hause kam, war meine Maschine vollständig gefroren. Dabei herrschte auf der Erde eine geradezu drückende Schwüle. Die ganze Abteilung, alles was wir an menschlichen Wesen haben, lag im Wasser, um nur einigermaßen durch diese heißen Stunden zu kommen. Heute früh war es bedeutend erträglicher in der großen Höhe. Ich habe die Kälte kaum empfunden. 23. Juli 1918. Heute war ausgesprochenes „Fliegerwetter“. Es war ganz ausgeschlossen, irgendeinen Auftrag zu fliegen. Von morgens bis abends regnet es unausgesetzt mit nur ganz kurzen Unterbrechungen. Dazu weht ein Wind, der unsere Baracken beinahe umwirft. Auf unserem Flugplatz hat sich aber trotzdem eine große Veränderung vollzogen. Die beiden Jagdstaffeln 5 und 46 sind zu uns gekommen, weil sie in Cappy letzte Nacht von einem englischen Ferngeschütz beschossen worden sind. Heute früh kamen die 2 Staffeln zu uns angebraust, weil wir noch genügend freien Raum auf unserem Platz haben und genügend weit von der Front entfernt liegen. Wahrscheinlich werden wir durch diese Maschinenvermehrung ein gutes Ziel für englische Bombenangriffe; aber das müssen wir schließlich mit in Kauf nehmen; die Staffeln gewähren uns bei unseren Feindflügen einen nicht zu mißachtenden Schutz. Gerade wenn wir direkt mit ihnen zusammenliegen wird ein gutes Zusammenarbeiten herauskommen. 31. Juli 1918. Heute ist großer Beerdigungstag. Ltn. Kleinhempel, Jasta [Jagdstaffel] 46, ist im Teich bei unserem Lager ertrunken. Nachm. 3 Uhr Beerdigung Friedhof Moislains. Bei Abtlg. 224 4 Uhr Nachm. Beerdigung Ltn. Litzins und Ltn. Regen. Kurz nach Start abgestürzt und verbrannt. 155 1. August 1918. Ltn. Salis, Dietegen, ist beiÉtinehem notgelandet. Granatsplitter durch Kühler. Führer und Beobachter, beide unverletzt. Die Maschine hat sich bei der Landung überschlagen. 2. August 1918. Heute früh hat mir mein Kommandeur das Abzeichen für Beobachtungsoffiziere überreicht. Es war während der Nacht angekommen, und er brachte es mir als ich noch im Bett lag. – Die Urkunde ist: Komm. Gen. der Gr. H. Qu 24. 7. 18. Luftstreitkräfte Nr. 128 445 Fl. I. Ich verleihe dem Ltn. d. R. Borggräfe FliegerAbtlg 17. das Abzeichen für Beobachtungsoffiziere A.[?] m. W. b. gez. v. Hoeppner Für die Richtigkeit gez. v. Linsingen. F d. R. gez. Hachmelt [?] Major Stempel 2. Armee Nachmittag sind wir zu einer Besprechung zur Abtlg 217, Obltn Pechmann, gewesen. Wir übernehmen nämlich ab übermorgen deren Abschnitt, weil sie in Ruhe kommt. 3. August 1918. Heute ist schlechtes Wetter ebenso wie gestern. Es regnet den ganzen Tag. Ans Fliegen können wir garnicht denken. Ltn Gravenhorst und Vice Feldw. Schröder haben heute früh das EK I bekommen. 6. August 1918. Die 107. I.D. ist gestern von der 27. I.D. abgelöst worden. Heute früh 5.30 Uhr hat die 27. I.D. einen Angriff gemacht auf engl. Stellungen zwischen Morlancourt und Sailly-Laurette, beide nördlich der Somme. Das Resultat ist sehr gut. Die Stellungen sind genommen. Beute ist: 3 Offiziere und 265 Mann. – In diesem Unternehmen haben wir den Ifl. [Instrumentenflieger?] und Art[illerie].-Überwachungsflieger gestellt. Der Ifl. war Ltn Futterer und ich Art.-Überwachungsflieger. 7. August 1918. Heute früh 5.30 und 8.30 haben die Engländer einen Gegenangriff gemacht, um uns das gestern gewonnene Gelände wieder zu entreißen. Wie weit dies geglückt ist, steht noch nicht fest. Unser Ifl. startet in der nächsten halben Stunde. 8. August 1918. Der Großkampf ist entbrannt. Seit heute früh 8 Uhr greift der Engländer bei Morlancourt und weiter südlich an. Bis jetzt ist er ungefähr 5 km vorgekommen. Südlich der Somme noch etwas mehr. Heute frühe 8.55 hat ein englisches Bombengeschwader auf unserem Platz einen Angriff aus sehr geringer Höhe gemacht. Es waren 9 Bristol Fighter und 5 S.E. als Schutz dabei. Schaden ist abgesehen von einigen Fensterscheiben, nicht entstanden. 156 Auf unserem Platz ist Hochbetrieb. Gegen mittag waren an 70 Maschinen hier. 2 Jagdstaffeln von der 6. Armee sind bei uns gelandet. Abschüsse sind bis jetzt 14 gezählt, alle von den Jagdstaffeln die auf unserem Platz sind. Ltn. Jahn ist eben beim Ifl. [Instrumentenflug?] notgelandet bei Suzanne. Er soll sich das Nasenbein gebrochen haben. Führer ist Vicefeldwebel Nöding. 16. August 1918. Kriegslazarett Valenciennes. Am 9. 8., 8.30 Nachm. bekam ich den Auftrag zu Mufl[ug]., das ist Munition zu fliegen und zwar zu der M. G. Kompagnie, die westlich Étinehem lag und keine Munition mehr hatte. Ich sollte 2000 Schuss überbringen. Als ich in etwa 200 m Höhe über den mir bezeichneten Stellungen hart westlich Étinehem war, bekam ich heftiges Feuer von der schon dort befindlichen englischen Infanterie. Mein Führer, Gefr. Schütze, ist offenbar von einem Schuss getroffen worden. Er sank in sich zusammen und die steuerlos gewordene Maschine, es war L. V. G. [Luftverkehrsgesellschaft] CVI. 1537/18, stellte sich auf den Kopf und näherte sich rasend schnell der Erde. – Vorher hatte ich schon den größten Teil der M. G. Munition bei der M. G. Komp. abgeworfen. – Ich suchte nun noch die Maschine in die wa[a]gerechte Lage zu bringen, indem ich den Knüppel bediente. Wie weit mir dies gelungen ist, weiß ich nicht. Ich habe das Bewus[s]tsein verloren, als ich die Erde in nicht allzu großer Ferne sah. Aufgewacht bin ich am 10. 8. vormittags 9 Uhr im Lazarett 253 in Ham. Wer mich aus der Maschine gezogen und wer mich ins Lazarett gebracht hat, davon weiß ich nichts. Spätere Nachforschungen haben auch nichts ergeben. Wo die Maschine gelandet und was aus meinem Führer geworden ist, bleibt ein Geheimnis. Bei meinem Erwachen sagte mir der Arzt im Lazarett nur, dass er meinen ausgekugelten linken Arm wieder eingerenkt habe. Wer mich angebracht hatte, darüber wusste er nichts. Gegen 11 Uhr vormittags kam Hauptmann Bieneck mich besuchen. Ich hatte gleich an die Abteilung telefoniert. – Am übernächsten Tag sagte er mir, mein Gerede wäre an dem Morgen kaum verständlich gewesen. Gehirnerschütterung, Nervenschock. Am 10. 8. 2 [Uhr] Nachmittags wurde ich nach Pronne in die Krankensammelstelle verlegt. Ham wurde geräumt. Gegen abend holte Abtlg 17 mich auf meinen Wunsch hin nach Moislains. Ltn. Futterer und Vice Schröder kamen dazu im großen Personenwagen. In Moislains hat Schwester Anna Zink, Mutti, mich bis gestern früh, 15. 8. 18, in Pflege gehabt. Sie hat sich alle erdenkliche Mühe gemacht. Besuche habe ich in Moislains ziemlich viel gehabt. Die ganze Abteilung 17, die Jagdstaffeln 5 und 46 und dann der Grufl[?]stab, Hauptmann Klapke und Ltn Hoffmann. Gestern früh kam Bescheid, daß ich verlegt werden solle. Zunächst kam ich nach Fins auf die Sammelstelle und nachmittags weiter nach Cambrai-Valenciennes mit einem Leichtkrankenzug. Heute früh, 16. 8. 18, 6 Uhr waren wir hier in Valenciennes auf dem Bahnhof und wurden ins Kriegslazarett 7 gebracht. Ich bin in der Abtlg B, Turmzimmer, Offizierabteilung. Am 13. 8. 18 Mittags gegen 1 Uhr ist Ltn Brüggendiek [und] Vicefw. Nöding in 4500 m abgeschossen worden. Sie sind zwischen ein englisches Bombengeschwader und eine Schutzstaffel gekommen. Nöding ist tot, Kopfschuss. Brüggendiek Schulterschuss und Quetschungen. Die Maschine ist allein gelandet ohne sich zu überschlagen. Ltn Busch, Abtlg 224, ist vor einigen Tagen von einem Feindflug nicht zurückgekehrt. Sonntag, 18. 8. 18. Valenciennes. Heute mittag 12.15 Uhr soll ich abtransportiert werden, und zwar mit einem l. K. Z.; das ist „leicht-Kranken-Zug“. 157 Gestern habe ich gebadet und den Weg zur und von der Badeanstalt zu Fuß gemacht. Es ist mir furchtbar weit vorgekommen. Dass ich aber überhaupt wieder gehen kann, freut mich aufrichtig. 19. August 1918. Antwerpen. Seit heute früh 6 Uhr sind wir in Antwerpen, Kriegslazarett I. Gestern mittag 1 Uhr ging die Fahrt von Valenciennes mit einem l. K. Z. los und furchtbar langweilig vorwärts. Auf fast jeder Station haben wir einige Stunden gelegen. Hier im Lazarett ist vorläufig gar kein Platz für uns. Im Laufe des Nachmittags werden wir in einem Massenquartier, einem großen Saal, untergebracht. Morgen soll dann eine andere größere Station eingerichtet werden für uns Leute von der Front. 21. August 1918. Das Festungslazarett hat für uns einen großen Saal eingerichtet, in dem wir zu 28 Offz. liegen. Bettlägerig sind außer mir nur noch zwei. – Ich bekomme jeden Tag mehrere male Heißluftbäder. Ein Gestell mit Glühlampen wird über den betreffenden Körperteil gestellt und mit Decken zugedeckt. In der halben Stunde, die man dann aushalten muss, wird es mächtig heiß. Der Schweiß läuft einem nur so vom ganzen Körper. Die Kameradschaft ist hier im Lazarett ausgezeichnet. Es sind mehrere Stuttgarter bei mir im Saal, echte Schwabeländler. 26. August 1918. Die Tage vergehen rasend schnell. Über Langeweile wird zwar furchtbar geschimpft, aber bei der guten Verpflegung und Unterhaltung, es sind 46 Schwestern im Lazarett, vergeht ein Tag schneller als der andere. Freitag abend habe ich mir Antwerpen angesehen. Zunächst ein Bierlokal an der Boulleward [?] beim Nordbahnhof, dann Savigny, eine sehr ordentliche Bar mit Tanzbetrieb. Nachher noch eine american Bar. Gegen ½5 früh kam ich im Lazarett an. Während meiner Abwesenheit war gerade ein großer Verwundetentransport angekommen, in dem gegen 20 Offiziere waren. In unserer Abteilung, 5a, mussten mehrere von diesen untergebracht werden. Schwestern u.s.w. waren während der ganzen Nacht in unserer Abteilung gewesen und [haben] entdeckt, dass ich als bettlägerig nicht zu Haus war. Vorgestern und gestern wurde furchtbar gestichelt. Heute hat sich aber alles wieder beruhigt. Sonntag, 22. September 1918. Paderborn. Vorgestern nachmittag hat endlich die Reise nach Deutschland begonnen. – Schon tagelang hiess es, es könne sich nur noch um Sekunden handeln, aber der Abgang des l. K. Z. wurde immer wieder verschoben auf unbestimmt. – Am Freitag hieß es nun plötzlich: Um 1 Uhr Abfahrt vom Lazarett zur Bahn. Ab Antwerpen 2.20 nachm. und ab Brüssel-Etterbeck gegen 8 Uhr abends. Die Fahrt ging dann über Namür [sic!]– Lüttich -A[a]chen – Düren nach Neuss. Hier er in neues mussten wir alle, der Transport leicht Kranker war mittlerweile auf 600 gestiegen, in einen deutschen l. K. Z. umsteigen. Bisher waren wir in einem belgischen Zug gefahren. Von Neuss aus ging die Fahrt dann ziemlich langsam über Düsseldorff [sic!] – Elberfeld Barmen – Soest nach Paderborn. Der Bahnhof hier in Paderborn ist ziemlich dreckig, wir stehen irgendwo im Güterbahnhof. Die Verpflegung, die wir eben bekommen haben, war aber so viel besser. Gerade eben, es ist jetzt ½7 vormittags, ruft der Schaffner: Einsteigen, der Zug soll abfahren. Wir fahren in Richtung Magdeburg. Hoffentlich kommen wir schnell weiter. 158 Donnerstag, 26. September 1918. Ilsenburg a/Harz. Der Transport am Sonntag hat uns, wir sind 1 Stabsarzt, 4 Leutnants, 1 Ass.Arzt, 1 Veterinär, 1 Inspector, macht zusammen 8, nach Ilsenburg a/Harz Hilfslazarett Hotel Waldhöhe gebracht. Auf dem Bahnhof Goslar traf ich 2 Vice-Feldwebel von Jäger 10, die mehr erzählten, das Rekruten-Depot von Borkum wäre zurück. Kalli wäre auch mitgekommen und sollte am Montag ins Feld rücken. Um ihn nun auf jeden Fall zu sehen habe ich den Lazarettzug einfach weiterfahren lassen und bin in die Stadt gegangen. Ganz bald erfuhr ich aber von Kalli’s Kameraden, dass er selbst nicht mitgekommen sei, weil die Einjährigen noch weiter ausgebildet werden sollten auf Borkum. Ganz zufällig traf ich dann M. Wöbken. Hier in Ilsenburg war das Wetter am Montag sehr schlecht; es regnete den ganzen Tag. Dienstag wurde es aber schon besser. Mit einigen Freunden bin ich gleich vormittags auf den Ilsenstein gegangen. Der Weg war sehr schön. Die Sonne schien. Der Spaziergang war einfach herrlich. Gestern bin ich mit Leutn. d. R. Totte, Antwerpen, auf dem Brocken gewesen. Abmarsch 6.20 vorm. bei schönem Wetter. In 2½ Stunden waren wir oben. Die Aussicht war zeitweise sehr gut. Im Brocken-Hotel gab es ein gutes Frühstück mit Bouillon [sic!] und Sherry. Dann Abmarsch nach Schierke, südlich vom Brocken. Ilsenburg liegt nordöstlich. Auf dem Heimweg sind wir dann immer quer durch den Wald gegangen über Berge und durch Täler und Wälder. Häufig waren die Berge wild und zerklüftet, sodaß wir kaum weiterkommen konnten. Es ging steil auf und abwärts. Zeitweise zweifelten wir selbst daran, noch auf dem richtigen Weg zu sein. Gegen 6 Uhr abends erreichten wir unser Hotel aber doch wieder wohlbehalten, wenn auch durchnässt bis auf die Haut. Heute erfahre ich aus Goslar, dass Karl noch auf Borkum ist. Er soll ins Lazarett gekommen sein. Näheres weiß ich noch nicht. Dienstag, 1. Oktober 1918. Die Tage vergehen einer wie der andere. Mit großen und kleinen Spaziergängen vertreiben wir uns die Zeit. Mein Antrag, nach Oldenburg verlegt zu werden, ist leider in die Brüche gegangen. Oldenburg hat in letzter Zeit selbst alles räumen müssen. Die Kranken sind weiter ostwärts gekommen. 26. Oktober 1918. Ilsenburg a/Harz. Die letzten Wochen sind ziemlich schnell vergangen. Das Wetter war zum Teil ganz gut. Und dann muss man sich ja auch überall erst einleben, bis es einem einigermaßen gefällt. Von 19 - 21. war ich auf Urlaub in Oldenburg. Ich hatte es so eingerichtet, daß ich vorher noch einige Tage herausschlug. Am 15. bin ich deshalb schon von hier abgefahren und am 22. zurückgekehrt. Zu Haus habe ich alle möglichen Besuche gemacht. So in Hannöver, Nordenham, Ltn Rode in Hamburg. Ich hatte vor, mich nach Hamburg verlegen zu lassen. Wegen der dort herrschenden Grippe will ich aber doch lieber davon absehen. Die Lazarette sind alle überfüllt. Platz ist kaum vorhanden. [Ende] 159 Otto Borggräfe (1895-1978) 160