Von der Prignitz an die Ostsee

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Von der Prignitz an die Ostsee
Von der
Prignitz an die Ostsee
Ein Bericht von Rita und Horst über unsere erste mehrtägige Nacktradeltour
vom 27.7. - 3.8.2009
Es ist schon wieder Winter. Der erste Schnee ist gefallen. Zeit, sich an den Sommer zu erinnern. An die vielen Gelegenheiten nackt und frei zu sein. Wir wollen von unserem letzten Sommerurlaub berichten. Früher sind wir regelmäßig zum FKK-Urlaub gefahren um
dort nacktes Leben für eine Zeit unbeschwert zu genießen. Dieses Mal sollte der Weg das
Ziel sein. So ungewöhnlich wie dieser Urlaub insgesamt für uns war, waren auch die einzelnen Erlebnisse. Wir haben etwas gewagt und viel gewonnen – davon später mehr.
Teil 1 – Tourplanung und Übersicht
Auf der Internetseite www.nacktiv.de war zu lesen: “Nacktradeltour zur Ostsee.“
Anita und Wolfgang Gramer planten eine mehrtägige Tour von Brandenburg zur Ostsee.
Mit dem Rad. NACKT!!! Wir entschlossen uns spontan mitzufahren. Freunde, denen wir
davon erzählten, meinten: „mutig, mutig“ - das fanden wir auch. Sicher, wir hatten einige
Erfahrungen mit dem Nacktsein – zu Hause, im Urlaub, begrenzt auch in der Öffentlichkeit, z.B. bei Nacktwanderungen und kurzen Radstrecken. Aber über mehrere Tage, in dieser Form - das war neu für uns und je näher der Termin kam, desto gespannter und neugieriger wurden wir auf das, was uns erwarten würde – auf was wir uns eingelassen hatten.
Wir fragten uns: Mit welchen Reaktionen müssen wir rechnen? Wie werden wir selbst
reagieren? Werden wir die Ostsee überhaupt nackt erreichen? Hinzu kam, dass wir beide
keine Erfahrungen mit mehrtägigen Radtouren hatten. Außerdem hatten wir uns darauf
verständigt in Zelten zu übernachten und die Tour nicht nur ohne Kleidung sondern auch
mit wenig Gepäck zu fahren – also möglichst nackt. Aber es blieben weitere Fragen: Wie
wird das Wetter – wird es regnen, wird es warm genug sein, um nackt zu radeln? Wie viel
Gepäck und was genau nehmen wir mit? Halten die Räder durch? Halten wir durch und
besonders unsere Hintern? Ein Skeptiker sprach in diesem Zusammenhang vom „Projekt
Pavian“. Trotz aller Fragen und leichter Zweifel überwog die Zuversicht und Vorfreude auf
ein besonderes Erlebnis.
Der Streckenverlauf war wie folgt: von Garz/Brandenburg (etwa 70 km nordöstlich von
Berlin) nach Graal-Müritz/Ostsee (Nähe Rostock)und dann nach Prerow. Insgesamt sind
wir sieben Tage geradelt. Eine kurze Strecke vor Rostock haben wir mit dem Zug zurückgelegt und auch die Rückfahrt dann von Barth nach Berlin.
1.Tag: von Garz nach Rheinsberg - “Camping- u. Naturfreunde Steinablage
2.Tag: von Rheinsberg nach Blankenförde - Camping “Zum Hexenwäldchen”
3.Tag: von Blankenförde nach Jabel - Camping Jabel
4.Tag: von Jabel nach Mühl Rosin - Heuhotel “Waldhof” 5.Tag: von Mühl Rosin nach Graal-Müritz - Ostseecamp “Rostocker Heide”
6.Tag: Sonne und Meer - Ostseecamp “Rostocker Heide”
7.Tag: von Graal-Müritz nach Prerow - Regenbogencamp
8.Tag: von Prerow über Barth nach Berlin - Rückreise mit Rad und Zug
Teil 2 Nackt von Garz zur Ostsee
Treffpunkt und Start war der „Nacktivhof“ von Anita u. Wolfgang Gramer in Brandenburg/
Nähe Berlin.
Wir waren schon 2 Tage vorher mit dem Zug angereist und hatten so die Gelegenheit, uns
als Gruppe etwas besser kennen zu lernen und eine kleine nackte „Probefahrt“ in der Umgebung zu unternehmen. Ein weiteres Paar hatte sich kurz entschlossen hinzugesellt. Beide
mussten sich leider auf der 4. Etappe vorzeitig verabschieden - ihr Urlaub war zu Ende.
Außerdem war auf der 1. Etappe dabei, Luise, eine Redakteurin der TAZ, die über die
Radeltour und das neue Buch der Gramers („Schöner Sexen“) in der Sonntaz berichten
wollte. Artikel erschien am 05.09.2009)
Start war am Montag, 27.07.2009 um 10:00 Uhr bei herrlichem Sonnenschein.
Die Tour führte uns, natürlich nackt, von Garz aus zum Radwanderweg Berlin – Kopenhagen.
Wir fuhren über Feldwege, Radwege aus Kopfsteinpflaster, auf Plattenwegen, entlang kleinerer und größerer Straßen, durch herrliche Landschaften, vorbei an zahlreichen Seen und
durch kleine verschlafene Dörfer.
Später, auf dem Radwanderweg Berlin – Kopenhagen, führte unser Weg auch durch
größere Städte wie Waren und Güstrow.
Mit dem Zug ging es an Rostock vorbei bis Graal-Müritz an der Ostsee.
Teil 3 – Schöne Rast- und Ruheplätze
Den Campingplatz in Graal-Müritz an der Ostsee erreichten wir am späten Nachmittag
des 5. Tages.
Zurückblickend war er für uns der schönste aller Plätze. Hier haben wir uns so wohl gefühlt
wie es für uns als „alte FKK-Camper“ auf einem Textil-Platz überhaupt möglich ist.
Schon die vier vorherigen Übernachtungsorte hatten ihren besonderen Charakter und zum
Teil auch eigenen „Ost-Charme“. Sie lagen alle idyllisch an einem der vielen Seen Brandenburgs und Mecklenburg-Vorpommerns.
Die Übernachtungen:
„Camping- und Naturfreunde Steinablage D100“ –
ein relativ kleiner, überschaubarer Platz; ruhig und mitten im Wald gelegen; familiär und
persönlich.
„Zum Hexenwäldchen“ ein Platz für Familien mit Kindern, mit vielen Spiel- und Sportangeboten und für Kanuten,
die die lockere Atmosphäre bestimmten; mitten im Müritzer Nationalpark gelegen;
Campinplatz Jabel
Eine Begegnung am Bootssteg: eigentlich wollte ich nur mal kurz ins Wasser
springen, kam aber mit einem Mann ins Gespräch, der dort saß. Seine Füße baumelten im
Wasser und er sagte: „Seit 40 Jahren komme ich hierher – früher war es viel schöner, einfacher, persönlicher.“ Mit dem Kopf zeigte er auf die Segelboote, die wenige Meter entfernt vor Anker lagen. “Seit dem die hier sind, ist alles nicht mehr so wie früher – ich weiß
nicht, ob ich noch mal wiederkomme.“ Stand auf und ging.
Das Heuhotel „Waldhof“ es liegt direkt am Radwanderweg Berlin – Kopenhagen und hatte erst vor wenigen Tagen
eröffnet; dazu gehört ein kleiner „Streichelzoo“ und ein Bio-Laden mit Cafe.
Wir gönnten uns den Luxus für 10,-€ pro Person mal kein Zelt aufzubauen und schliefen
auf dem Dachboden im Heu.
Das „Ostseecamp Rostocker Heide“ in Graal-Müritz
war der bisher mit Abstand größte aller Campingplätze. Es war Hochsaison, er war voll und
wir hatten Bedenken noch einen Zeltplatz zu bekommen.
Wir wollten uns anmelden, wie sich das so gehört, doch die Antwort war: „Sucht euch erst
mal einen Platz, dann kommt ihr zurück.“
Auf dem riesigen Gelände, direkt hinter der Düne war es „rappelvoll“ und es sah etwas
chaotisch aus. Parzellen oder ähnliches gab es dort nicht. Jeder stellte sein Zelt da auf, wo
noch ein Plätzchen frei war und war zufrieden – wir auch.
Unkonventionell, unbürokratisch, unkompliziert.
Eine tolle Atmosphäre - locker, offen, tolerant und, wenn wir nackt am Zelt waren, keine
dummen Bemerkungen oder negative Reaktionen.
Alle Altersgruppen waren vertreten, in der Mehrzahl Jugendliche. Diese trafen sich abends
am Strand an vielen Lagerfeuern in kleinen und großen Gruppen Sie tanzten und sangen
zur Musik, von Techno bis Schlager, selbst gespielt oder vom Player - friedlich bis zum
frühen Morgen.
Wie auf allen Plätzen zuvor waren auch hier die Mitarbeiter ausnahmslos freundlich und
auffallend zuvorkommend.
So setzte sich der Fischbuden-Chef kurzerhand zu uns, fragte wie es uns schmeckt und
klärte uns auf, dass sein Räucherfisch der allerbeste ist.
Wir blieben noch einen Tag und nutzen die Zeit und das schöne Wetter zum Entspannen,
Sonnen und Baden.
Teil 4 – Nackte Begegnungen
Sehr positiv erlebten wir die Offenheit, das Interesse, die Freundlichkeit und die Hilfsbereitschaft der Menschen. Wie bei der Reifenpanne. Wir waren noch nicht ganz von den
Rädern, da wurde uns schon spontan Hilfe angeboten und mit Flickzeug ausgeholfen.
Die meisten Menschen reagierten auf uns Nacktradler neutral - viele aber auch angenehm
überrascht und interessiert.
Zurufe wie:
- „ihr werdet aber schön braun“
- „ihr traut euch was“
- „ihr seid aber mutig“
- „geil“, „herrlich“
- „dass ich das noch erleben darf.“
waren immer wieder zu hören.
Selbst die „Hüter der Ordnung“, denen wir ein paar Mal begegneten, sahen keinen Grund
aktiv zu werden. Auch nicht, als sie auf dem Radweg nur einen Meter von uns entfernt
standen – es gab ja auch keinen Grund.
Die Radtour war als Nackt-Radeltour geplant und auch wenn wir uns gelegentlich Tücher
umbanden, sind wir doch weit über 80% der Radstrecke nackt gefahren.
Ausnahmen waren: Kleidung als Schutz, wenn es frühmorgens auf den ersten Tageskilometern noch etwas kalt war,
Privatgelände
und die belebten größeren Innenstädte.
Nackt fahren, das hatten wir im wahrsten Sinne des Wortes er-fahren, ist ein tolles
Körpergefühl und sobald die Sonne wärmte zogen wir die überflüssige Kleidung aus und
schnallten die Tücher aufs Gepäck.
Immer wieder nutzten wir die Gelegenheit zur Rast an den zahlreichen wunderschönen
Seen
und den Cafes am Weg…
oder auch mal in der Stadt
für ein paar Bilder am Hafen von Waren.
Für uns war nackt Rad fahren im Verlaufe der Tour immer selbstverständlicher geworden.
Zu Beginn, noch etwas unsicher, hatten wir bei Begegnungen eher den Blickkontakt vermieden; später haben wir die vielen positiven Reaktionen gerne erwidert; bis sich schließlich
so etwas wie Normalität einstellte.
Die Reaktion der anderen auf unser Nacktsein wurde zunehmend unwichtiger. Unsere Unsicherheit war verschwunden.
Eine Veränderung, die sich innerhalb weniger Tage vollzogen hatte.
Teil 5 - Entlang der Ostseeküste nach Prerow
und Rückfahrt nach Berlin
Sechstes Etappenziel war Prerow.
Die Tour führte uns über den Sehweg – dem Landweg entlang der Küste.
Auf dem Dünenradweg hatten wir einen schönen Blick aufs Meer ...
und die zahlreichen Touristen Blick auf uns.
„Bild“ wusste es schon vorher
und wir erlebten sie hautnah – die Käferplage. Unzählige Käfer, die auf unsere schutzlosen,
nackten Körper trafen… und auch noch zubissen.
Anziehen? Nicht mit uns - „Augen zu und durch!“ oder besser: Augen etwas auf, Mund zu
und weiterfahren.
Nachdem wir uns mehrfach, wie während der gesamten Fahrt, auf der Karte orientiert hatten,
erreichten wir schließlich das Regenbogencamp in Prerow.
Nackt wie wir waren, fuhren wir auf das Camp, das sich ca. 2 km entlang der Ostseeküste
erstreckt. Nach etwa 500m warfen wir uns die Tücher um, denn außer uns sahen wir nur
Bekleidete auf dem Platz, der sehr gut besucht war, wie die gesamte Ostseeküste zu dieser
Zeit.
Die Anmeldung lag auf der gegenüberliegenden Seite. Wir buchten Zeltplätze im FKK Bereich und mussten wieder zurück - zurück in den Bereich, in den wir nackt hinein gefahren waren. Auch auf dem Rückweg - keine Nackten auf dem FKK – unglaublich.
Also, mal rauf auf die Düne und nachgeschaut. In und vor den Zelten, Frauen im Bikini und
Männer in Badehose – keine Nackten!?
Auf Nachfrage wurde uns bestätigt, dass wir uns im FKK – Bereich befanden; aber, „es sei
ja nicht so warm.“ ??? Stimmt, aber so kalt war es auch nicht.
Schnell waren die Zelte aufgebaut, wir hatten ja Übung.
Anschließend genossen wir noch einen wunderschönen Abend ...
mit Weitblick auf die Ostsee, leckerem Essen und Live-Musik von Mr. Campfire.
In der Nacht fing es an zu regnen. Für uns war klar: abbauen, einpacken und weg hier.
Bis zum Bahnhof in Barth waren es ca. 30 km. Der Regen hielt an und unsere gute Stimmung auch.
Durchnässt erreichten wir den Bahnhof und mit dem Zug ging es dann in trockenen Tüchern nach Berlin.
Vier Stunden Zugfahrt bot Gelegenheit das Erlebte noch einmal Revue passieren zu lassen.
Wir hatten Antworten auf unsere Fragen bekommen.
Das Wetter – Super! Es war warm, die Sonne schien…bis zum letzten Tag.
Das Gepäck – Wir hatten wenig mitgenommen, aber es war mehr als genug.
Die Räder
– Nur einen Platten.
Nacktradeln – Es war problemlos nackt zu radeln. Nur positive Reaktionen, damit hatten
wir nicht gerechnet. Außerdem ein ganz tolles Körpergefühl, eine
sinnliche Erfahrung. Wir haben uns sehr wohl gefühlt, in jeder Hinsicht –
auch in der Hin(tern)sicht.
Mit einem langen Abend in einer urigen Berliner Kneipe endete unsere gemeinsame Nacktradeltour 2009.
Am nächsten Morgen verabschiedeten wir uns von Anita und Wolfgang, denen wir an
dieser Stelle noch einmal ganz herzlich DANKE sagen.

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