Band 55 - Januar 1976 bis Maerz 1980 - Siebenbürgen

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Band 55 - Januar 1976 bis Maerz 1980 - Siebenbürgen
Otto Folberth´s Tagebücher
Band 55
Januar 1976 bis März 1980
1. Januar 1976
Zwei Tage vor Sylvester kehrten wir von Lauenau heim, wo wir eine Woche lang bei Hanzos
Familie verbracht hatten. Den Sylvesterabend feierten wir mit Trudl allein und gedachten bei einem
Gläßchen Champagner der Nacht vor 54 Jahren, in der ich Trudl den ersten Kuß gegeben hatte.
Dann gingen wir hochzeitlich schlafen und unternahmen heute die erste Wanderung dieses Jahres
und zwar auf dem sogenannten Stollenweg von Oberau nach Berchtesgaden, wobei wir 3½ Stunden
unterwegs waren.
21.–22. Januar 1976
hielt ich mich in Wien auf.
a) Ich sprach beim Schroll-Verlag vor und erfuhr zu meiner Freude, daß Herr Dieter Reisser, der
Verlagsleiter, sowohl mit dem Absatz meines Buches “Gotik in Siebenbürgen” wie auch mit den
ausgezeichneten Besprechungen sehr zufrieden ist. Er zahlte mir einen Teil meines Honorarguthabens von 4000 Schilling aus.
b) Ich nahm an der diesjährigen Vollversammlung der “Gesellschaft für die Geschichte des Protestantismus in Österreich” teil und konnte bei dieser Gelegenheit aus der Reihe der Amtsträger der
Gesellschaft bei der Neuwahl aus Altersgründen austreten.
c) Ich sprach beim Böhlau-Verlag, der mein Buch “Der Prozeß St.L.Roth” betreut, vor und unterbreitete dem Verlagsdirektor Dr.Paula einen neuen Buchplan über einen Sammelband mit kulturpolitischen Betrachtungen hauptsächlich über Südosteuropa.
d) Ich besuchte in der Universität im Institut für österreichische Geschichtsforschung den Paläegraphen Dr.Walter Koch und und ließ mich von ihm über die mutmaßliche Bedeutung hebraisierender “Zierlisten” an Gewänden am Mediascher Altar beraten. Eine eigentliche Deutung hält er
für kaum wahrscheinlich.
e) Schließlich kassierte ich beim Verlag Braumüller mein Honorar für meinen Beitrag in der AWR
Festschrift “Wie Österreich seinen Ruf als Asylland erwarb” in der Höhe von 1350 Schilling.
2. bis 9. Februar 1976
Einwöchiger Erholungsaufenthalt mit Trudl in Bad Gastein (Haus Girt an der Kaiserpromenade,
Besitzer: Familie Kurt Raschhofer, dem wir von der ehemaligen Besitzerin des Hauses, Frau Elfriede Dorn empfohlen worden sind, die in Salzburg zwei Etagen unter uns wohnt). Tatsächlich sind
wir mit unserer Unterbingung bestens zufrieden, besonders weil das Haus schön eingerichtete
Gesellschaftsräume besitzt und wir allabendlich am Farbfernsehergerät die Ereignisse auf der Winterolympiade in Innsbruck bequem verfolgen können, die den österreichischen Teilnehmern an den
Wettkämpfen leider weniger Ruhm als erwartet einbringen.
Im übrigen genießen wir den Aufenthalt im Gasteiner Raum mit ganzer Hingabe, da die ganze
Woche über sonniges Wetter herrscht und über den schneebedeckten Bergen sich ein tiefblauer
Himmel wölbt. Schon am frühen Morgen erglühen die weißen Gebirgsketten über dem Gasteiner
Tal, getroffen von den ersten Strahlen der Sonne und ihr Leuchten erlischt nur bei einbrechender
Nacht. Infolgedessen unternehmen wir täglich weite Spaziergänge in “Sport-Gastein”, in Richtung
Prossau, nach Bad Hofgastein und nach Böckstein, dem ersten Ort, in dem wir nach unserer Flucht
im August 1947 in Österreich ein neues Leben begannen.
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Die zweite Möglichkeit hier außer dem Wandern Kraft für die restlichen Wintermonate zu tanken,
nämlich das Schwimmen im Felsenthermalbad, nützen wir ebenfalls intensiv, fast Tag für Tag aus.
Auf diese Weise gestaltet sich diese Woche zu einem Ereignis, das beglückender nicht hätte sein
können, zumal am Tag der Fahrt nach Gastein, an Trudls 73. Geburtstag, uns eine Menge Briefe
von Kindern und Enkeln erreicht hatten. Womit haben wir soviel Glück und Freude verdient?
fragen wir uns immer wieder. Tiefste Dankbarkeit erfüllt unsere Seelen. Ich versuche, wie schon
einige Male im Leben, mit dem Lateiner auszurufen: O vita, maxime incunda incundissima!
Montag den 1. März 1976
erfahre ich aus Eßlingen (von Dr.Schremmer) und aus München (von Wilhelm Kronfuss), daß mir
einer der zwei Hauptpreise für 1976 des Georg-Dahio-Preises der “Künstlergilde” in der Höhe von
5000 DM zugesprochen worden ist. Meine Freude ist umso größer, als ich vor 10 Jahren (1966)
bereits eine Ehrengabe von 2000 DM aus diesem Preis erhalten habe. Die Verleihung soll bei der
diesjährigen “Eßlinger Begegnung” am 21. Mai erfolgen.
Die Freude darüber erfährt eine Steigerung dadurch, daß in dieser ersten Märzwoche unsere Dorothee auf einem Kurzurlaub bei uns weilt, wobei wir viel über ihre schon lang geplante Reise nach
Israel sprechen, die kurz nach Ostern, das heißt Ende April stattfinden soll.
9. und 10. März 1976
besucht mich Prof.Dr.Hans Mieskes aus Gießen, der spiritus rector der im Jahre 1970 gegründeten
“St.L.Roth-Gesellschaft für Pädagogik e.V.” (notabene ohne die geringste Mitwirkung meinerseits!), um Einsicht in meine Veröffentlichungen zu nehmen. Zillich hat ihn nämlich gebeten, für
die Südostdeutschen Vierteljahresblätter einen Gedenkaufsatz zu meinem 80. Geburtstag zu schreiben. Es kommt zu einer ergiebigen Aussprache zwischen uns, die noch zwei Tage länger hätte
dauern müssen, um ihren Zweck ganz zu erfüllen.
Am 5. April 1976
schickt er mir bereits sein Manuskript zwecks Beurteilung. Ich bin etwas geschockt und beschämt,
so hoch erhoben worden zu sein. Da wird es viele Kritiker und Neider geben! Doch kann ich dagegen kaum etwas tun.
Vom 14. bis 27. April 1976
gerade in den Tagen um Ostern verbringen Trudl und ich auf Einladung unseres Sohnes Paul zusammen mit seinem 10-jährigen Töchterchen Christine eine beglückend schöne Woche am Tegernsee (Rottach-Egern, Hotel Alpine). Beglückend für uns ist vor allem die Begegnung mit Christinchen, die wir seit Jahren nicht gesehen haben, da ihre Mutter Ruth die starken Spannungen, die
zwischen ihr und Paul bestehen, auch auf uns überträgt und die Verbindung zwischen Christine
einerseits und Paul und uns andererseits zu verhindern trachtet, obwohl sie von Paul in großzügiger
Weise finanziell unterstützt wird.
Vom ersten Augenblick des Wiedersehens sind wir über die günstige Entwicklung unserer Enkelin
aufs höchste überrascht. Sie kommt uns auf einem Fahrrad entgegen, geleitet uns in die bestellten
Zimmer und begrüßt jeden von uns mit einer selbstgebastelten Blume. Sogleich fallen alle
Schranken der Scheu vor ihren Großeltern von ihr, sie ist zutraulich, gesprächig und mitteilsam und
erobert im Sturm unsere Herzen. Von Stunde zu Stunde stellen wir immer mehr gute Eigenschaften
an ihr fest. Obwohl sie erst die Sexta (die erste Klasse) eines Gymnasiums besucht, stauenn wir
über ihr Wissen und ihre Intelligenz, aber auch über ihre körperliche und manuelle Geschicklichkeit. Sie hat eine schmale, kindliche Gestalt, lange Beine, lange Arme, lange Finger, noch unentwickelte Brüste, ein offenes, klares Gesicht, lebhafte dunkle Augen, schwarze Haare, spitzbübisches
Wesen, zu allen Späßen bereit.
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Wir machten mit ihr Ausflüge (z.B. auf den Riedersstein), Radtouren z.B. entlang der weißen
Walegge auf prachtvollen Radwegen, fast täglich badeten wir mit ihr im hoteleignen Hallenbad,
wobei sie sich als gute Schwimmerin und Taucherin erwies. An den Abenden spielten wir mit ihr
Domino oder Schach, Trudl lehrte sie Patience legen usw. In ihrem Wesen erinnerte sie uns oft an
unsere Enkelin Beatrice, weil sie genau so hilfsbereit, folgsam und liebenswert ist. Wieder hatten
wir den Eindruck, daß unsere Nachkommenschaft von keiner schlechten Rasse sein dürfte.
Das Wetter war die ganze Woche lang strahlend schön, genauso wie in der Urlaubswoche im
Februar in Bad Gastein. In Gedanken weilten wir oft bei unserer Dorothee, die in diesen tagen ihre
große Reise nach Israel antrat.
In Rottach-Egern überreichte uns Paul einen Scheck über 1200 kanadische Dollar als Zuschuß zu
unserer Miete für 1976. Er geht überaus großzügig mit Geschenken um. Freilich verdient er zur Zeit
auch viel (monatlich 5000).
Kaum waren wir in Salzburg, als ein Winterrückschlag den schönen Frühlingsanfang jäh unterbrach.
1. Mai 1976
Ein schönerer Vorfrühlingstag als dieser war nicht denkbar. Auf den Bergspitzen im Land Salzburg
lag noch leuchtender Schnee. Unten in den Tälern grünten die Wiesen. Die Bäume blühten. Trudl
und ich hatten uns lange für eine Busfahrt der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde vormerken
lassen. Sie galt der Besichtigung der neu restaurierten Stadtpfarrkirche zum Heiligen Hypolit in Zell
am See unter Führung der Restauroren selbst. Das Werk scheint uns bestens gelungen zu sein.
Nach dem Mittagessen fuhren wir weiter über Maria-Alm, Hinterthal und über den Filzensattel nach
Schloß Goldegg, einem frühmittelalterlichen festungsartigen Bau, in dem uns vor allem der große
Rittersaal mit origineller Bemahlung beeindruckte. Leider ist der Bau sehr vernachlässigt, seine
Restaurierung wird ein Heidengeld kosten.
5. Mai 1976
Unser 53. Hochzeitstag. Am Nachmittag machen wir mit Trudl einen Stadtbummel und kaufen ihr
ein schönes Kleid für die bevorstehenden Fahrten und Festtage. Dorothee ruft aus Gallneukirchen
an und meldet sich von ihrer Israelreise wohlbehalten zurück. Das stimmt uns besonders froh und
glücklich. Deshalb besorgen wir uns noch eine Flasche Champagner, kühlen sie ein und stoßen am
Abend in dankbarer Rückerinnerung auf die mit einander verbrachten Jahrzehnte und die Heimkehr
unserer Tochter aus dem von Unruhen durchschüttelten Heiligen Land an. Auf dem Tischchen vor
uns steht ein Strauß Blumen mit einer prachtvollen Feuerlilie. Dann gehen wir zu Bett wie vor 53.
Jahren.
Sonntag, den 9. Mai 1976
Wir besuchen unsere Tochter in Gallneukirchen, die heute dienstfrei hat. Sie empfängt uns – aus
dem Gottesdienst kommend – in ihrer schönen Schwesterntracht bei der Bushaltestelle. Bei sengender Sommerhitze steigen wir “selbstdritt” den Berg zum Martinstift hinan, wo wir uns in ihrem
Zimmer von ihrer erlebnisreichen Israelreise berichten lassen. Dorothee sieht prächtig aus und ist
offenbar stolz darauf, alle Schwierigkeiten der Reise bestens bewältigt zu haben. Sie hat viel fotografiert, natürlich in Farbe, und zeigt und erklärt uns munter und gesprächig die Schwerpunkte der
Reise: das Baden im Toten Meer, wo man wegen des hohen Salzgehaltes kaum Schwimmen kann,
hingegen hat sie das Baden im See Genezareth sehr genossen, dessen Wasser rein ist und dessen
Ufer die Erinnerung an Jesus in besonderem Maße wach halten.
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19.–24. Mai 1976
Fahrt mit Trudl zur Entgegennahme des mir zuerkannten Georg-Dahio-Preises für 1976 zur “Eßlinger Begegnung” der ostdeutschen Künstlergilde, die mir einmal vor 10 Jahren eine Ehrengabe von
2000 DM aus den Mitteln dieses Preises verliehen hatte. Diesmal erhalte ich 5000 DM für einen der
zwei Hauptpreise. Allerdings Übernahm ich auch die Aufgabe, bei der glanzvollen Festsitzung im
gotisch stimmungsvollen Bürgersaal des herrlichen alten Rathauses von Eßlingen vor einem erlesenen Kreis von Wissenschaftlern, Künstlern und von Vertretern der öffentlichen Prominenz im
Namen sämtlicher Ausgezeichneter die Dankrede von 15 Minuten Dauer zu halten. Einem Wunsch
der Gildenleitung (Dr.Schremmer) zufoge nimmt sie die Form eines Festvortrages über “Die Aufgaben der Kunstgeschichte im Sinne Georg Dahios” an, über den, obwohl der nach ihm benannte
Preis schon seit 1964 alljährlich verliehen wird, noch nie jemals bei solchen Gelegenheiten
gesprochen worden ist. Das von mir der Leitung vorgeschlagene Thema stellt sich als richtige
“Masche” heraus. Ich habe selten mit einem Vortrag solchen Erfolg gehabt wie mit diesem. Die KK
in Bonn erbot sich ihn sogleich zur Veröffentlichung in ihrer Korrespondenz mit dem Versprechen,
mir 40 Sonderdrucke zur Verfügung zu stellen.
Im übrigen verweise ich auf das gedruckte umfangreiche Programm der Festsitzung, eingeklebt in
Band II meiner handschriftlich geführten Bibliographie S.338, vom 21. Mai 1976. Es war umrahmt
von ausgezeichnet gespielten Musikstücken (Carl Stamitz, Joseph Hayden) eines Trios. 6 Redner
ergriffen das Wort, darunter Wilhelm Kronfuß, der die Laudatio auf mich hielt. Ich kam mit meiner
Dankrede erst als siebenter dran. Aber es gelang mir, mit meinem sinnvoll gewählten Thema das
bereits schläfrig gewordene Publikum wieder wachzurütteln und zu einem sichtlich spontanen
Beifall hinzureißen. Als höchste Anerkennung fand ich, daß mein höchst kritischer Sohn Otto, der
der Veranstaltung mit seiner Frau Roswitha und mit unserm Enkel Klaus-Michael aus Grenoble
beigewohnt hatte, mir nachher zuflüsterte: “Du warst der beste von allen. Was die andern sagten,
war mehr oder weniger Bla-Bla.”
Anschließend waren wir zu einem festlichen Mittagessen vom Bürgermeister in den Betonblock der
neuen Stadthalle geladen, wo ich neben dem Kunsthistoriker Ernst Schleger aus Detroit zu sitzen
kam, der gerade auf einer Europareise begriffen war und zu den Ehrengästen gehörte. Besonders
seine Frau, eine Holländerin, dankte mir begeistert für meinen Vortrag.
Vom 19. auf den 20. Mai übernachteten wir in Böblingen. Nächsten Tag brachten uns Otti und Roswitha zunächst nach Schwäbisch-Hall, wo wir uns am gut erhaltenen alten Stadtkern ringsum die
schöne gotische St.Michaelskirche erfreuten. Anschließend gings nach Fornsbach im Schwäbischen
Wald, von Otti als Treffpunkt ausersehen, wo unsere engere Familie (ca.14 Personen) am 17./18.
Juli meinen 80. Geburtstag feiern will, deshalb nicht am Stichtag (10. Juli), weil zu dieser Zeit
einige Enkel noch nicht Semesterferien haben. Wir fanden den abgelegenen Ort in hügeliger Landschaft von Wiesen und Wäldern umgeben recht geeignet für diesen Zweck, umsomehr, als sich ganz
in der Nähe auch ein kleiner Badesee befindet. Am späten Nachmittag trafen wir in Stuttgart ein,
stiegen für eine Nacht im Bahnhofhotel ab, während Otti zur Universität eilte, wo er eine zweistündige Vorlesung zu halten hatte.
Auf der an die “Eßlinger Begegnung” anschließende Kunstfahrt am 23. und 24. Mai lernten wir,
von Dr.Schremmer vorzüglich geführt, zunächst die stilvoll restaurierte kleine romanische Basilika
Brenz an der Brenz kennen, dann die riesengroße, ebenfalls neu renovierte, etwas überhelle barocke
Saalkirche von Neresheim, in der wir bitter froren. Während der Weiterfahrt saß ich im Bus eine
Weile lang neben Dr.Landsberg, einem jetzt pensionierten Ministerialrat von Düsseldorf, den ich
von früher kannte. Sehr aufschlußreiche Gespräche über die Landmannschaftspolitik von Plesch
und Bergal, die er genau so negativ beurteilt wie ich. Übernachtung in Hofdorf, wo eine Freizeitakademie des Malers Heribert Losert untergebracht ist.
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Nächsten Tag zum zweiten Mal an der “Walhalla” vorbei nach Regensburg zur Eröffnung neuer
Ausstellungen in der Ostdeutschen Gallerie. Vor zwei Jahren wohnte ich der Eröffnung der ersten
(?) Kollektivausstellung ostdeutscher Künstler in diesem Haus bei (Tagebuch Band 54, Seite 97)
und fand sie eher dürftig. Diesmal sind wir über die neu angeschlossenen Räume und der Fülle
schöner Arbeiten der verschiedensten Stilrichtungen angenehm überrascht. Man hätte geradezu
Lust, sich einige Bilder anzuschaffen.
In Regenburg trennen wir uns von unserer Busgesellschaft und begeben uns per Bahn zurück nach
Salzburg. Wegen unserer Müdigkeit und à konto des zugesprochenen Preises lösen wir Fahrkarten
erster Klasse und schaukeln auf weichen Pfühlen durch die frischgrüne Landschaft, bereichert und
beglückt durch unvergeßliche Erlebnisse den heimatlichen Bergen zu.
4.–9. Juni 1976
weilt unsere Dorothee bei uns in Salzburg und berichtet uns diesmal ausführlich über ihre wohlgelungene Israelreise. Sie ist gesprächig, wie noch nie, worüber wir sehr glücklich sind.
In der Zweisamkeit des Alters erfährt die Liebe ihre letzte Krönung. (von wem?)
Meine Kusine Hertha Jekeli geb. Folberth glaubt zu wissen, daß der Grabspruch für Sepponkel “Der
schnellste Reiter ist der Tod” von Luionkel aus dem Roman “Sülfmeister” von Julius Wolf in Vorschlag gebracht worden sei.
18.–21. Juni 1976
sind wir Gäste bei Rotraut Suther in Muthars bei Insbruck, wo sie sich ein reinzendes kleines Heim
geschaffen hat, seitdem sie beim Verlag “Wort und Welt” (Inhaber Prof.Dr.Walter Mieß) als die
rechte Hand des Chefs tätig geworden ist. Rotraut hat in der letzten Zeit zwei Büchger herausgebracht. Erstens das mir gewidmete (zu meinem 80. Geburtstag) “Siebenbürger Sachsen in
Vergangenheit und Gegenwart” im Universitätsverlag Wagner Innsbruck. Es besteht aus 83 Kurzbiographien, die zum Teil bebildert sind, und ist auch sonst sehr schön ausgestattet. Es stellt eine
vornehme, sehr instruktive Visitenkarte für uns Siebenbürger Sachsen in Österreich dar. Und
zweitens im Verlag “Wort und Welt” als 4. Band in einer eigenen Reihe von Kunstbüchern
“Salzburg, Stadt und Land in alten Reisebildern”. Auch dieses Buch enthält insoweit Beziehungen
zu mir, als im Text mehrere Stellen aus Reisebeschreibungen St.L.Roths über seinen Aufgenthalt in
Salzburg im Jahr 1817 enthalten sind.
Das auch bisher recht innige Verhältnis Rotrauts zu uns ist durch die zwei Bücher natürlich weiter
gesteigert worden und der zwei-tägige Aufenthalt in Innsbruck trägt das seine dazu bei. Unter
anderm machen wir mit Rotraut eine schöne Wanderung über die Mutharsalm ins Stubaital, das wir
noch nicht kannten; wir erleben am Abend des 19. Juni (Samstag) den überwältigenden Eindruck
des Sonnwendfeuers auf den Bergen rings um Innsbruck (auf der Nordkette und dem Patscherkofel;
wir fahren nächsten Tag kurz zum Andreas-Hofer-Denkmal auf dem Berg Isel, das ich seit meiner
Uraniareise im Jahr 1912 (!) nicht wieder gesehen hatte; wir besichtigen das dicht daneben liegende
Winter-Olympia-Stadium mit der großen Sprungschanze; anschließend zeigt uns Rotraut die Büroräume des Verlags “Wort und Welt” im Stadtzentrum; wir begeben uns mit der Gondelbahn aufs
Hafelnkar und wohnen dort zufällig dem wagemutigen Start von drei Drachenfliegern bei; nach
dem Mittagessen auf der Hungerburg machen wir bei Familie Schwob einen kurzen Besuch, wo uns
der Kaffee vorzüglich mundet; und schließlich bringt uns Rotraut zum Bahnhof, von wo wir die
Heimreise im vornehmen Transalpin antreten. Alles in allem drei unvergeßlich schöne Tage, bis
zum Rand ausgeschöpft durch höchst aufschlußreiche Gespräche.
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10. Juli 1976, mein 80. Geburtstag
Was alles sich rings um ihn abgespielt hat, kann ich erst Wochen nachher, nach Abklingen der
seelischen Erregungen, kurz aufzeichnen.
Am Vormittag des Stichtages gab es in unserer Wohnung einen kleinen Empfang für Verwandte
und prominente Gäste aus Salzburg. Für 18 Uhr abends hatten Trudl und ich zum Gasthof Dangstätter in Glasenbach, wo ich mich jeden Donnerstag Nachmittag mit meinen Kegelbrüdern treffe,
eingeladen: erstens diese Kegelbrüder selber, dann den Ausschuß des Vereins der Siebenbürger
Sachsen, dessen Ehrenobmann ich bin, den St.L.Roth-Chor des Vereins und noch einige gute Bekannte auf Würstel und Bier, um möglichst allen unsern Verpflichtungen auf einmal zu entsprechen
und das Fest nicht allzu sehr in die Länge zu ziehen. Es war auch gut so. Unter den 50 Personen, die
erschienen waren, herrschte alsbald die beste Stimmung, ich wurde mit Geschenken überhäuft und
Alfred Hönig, mein ehemaliger Berufskollege beim ÖFI [Österreichisches Forschungsinstitut] in
Salzburg, faßte alle Gratulationen der verschiedenen Sprecher zu einer prachtvollen, beschwingten
Ansprache zusammen, wie nur ein begabter Redner es vermag. Zum Schluß laß ich einige der
interessantesten und bemerkenswertesten Telegramme vor, die mich im Laufe des Tages erreicht
hatten.
Wenige Tage nach diesem ersten Fest wiederfuhr mir die größte Freude, die ich mir seit Monaten
gewünscht hatte. Mein Neffe Konrad traf ein und überbrachte mir die Glückwünsche der Mediascher Verwandten. Im letzten Augenblick war ihm der Paß mit dem Besuchsvisum ausgefolgt worden und zwar einer Intervention des österreichischen Bundeskanzlers Dr.Kreisky zufolge, um die
ich diesen schon im Januar ersucht hatte. Auf diese Weise konnte sich Koni, nachdem er Salzburg
rasch bewundert hatte, zusammen mit Trudl und mir, mit Klaus-Michael, der die letzten 10 Tage bei
uns verbracht hatte, und mit Dorothee, die aus Gallneukirchen zu uns stieß, per Bahn nach Stuttgart
begeben. Dort erwarteten uns Otti, Klaus mit Familie, und Claudia mit mehreren Wagen und brachten uns zu dem von Otti schon seit langem gewählten Ort des zweiten Geburtstagsfestes, nämlich
zum “Haus Hermann” in (7166) Fornsbach, im Schwäbischen Wald gelegen, wo das eigentliche
Familientreffen vom 16.-19. Juli stattfand und zwar deshalb eine Woche nach meinem Geburtstag,
weil einige unserer Enkel noch mit Prüfungen beschäftigt waren.
Die Tage in Fornsbach stellten einen neuen Höhepunkt dar. Wir waren 18 Personen beisammen und
unter uns weilte der liebe Koni, von seinen Vettern auf das herzlichste aufgenommen. Da er sich
jetzt zum ersten Mal in seinem Leben im Westen befand, gingen ihm die Augen über, was alles er
hier zu sehen bekam. Wir wieder hingen an seinen Lippen, wenn er von Mediasch erzählte.
Schade, daß weder Paul noch Christinchen unter uns sein konnten. Gottlob waren wir zu Ostern mit
ihnen in Tegernsee beisammen gewesen. Paul konnte sich so kurze Zeit darauf nicht wieder nach
Europa begeben und Christine verbrachte die Ferien jetzt mit ihrer Mutter in Florida.
Die Festrede am 17. Juli abends hielt in launiger Weise Hans, wobei ich mitwirkte, indem ich
jeweils einige Stellen aus dem höchst originellen und geschickt zusammen gestellten Kalender auf
das Jahr 1977 mit Bildern und Versen über mein Leben von seinem Sohn Martin vorlas. Das Werkchen stellt eine beachtliche Leistung des 13-jährigen Jungen dar und ruft bei allen die es kennen
lernen, Bewunderung hervor. Es ist humorvoll und geistreich. Es war ganz allein seiner Idee entsprungen und durch ihn ohne Hilfe anderer ausgeführt worden. Mich zu überraschen, war ihm
völlig gelungen.
Am Vormittag des gleichen Tages erschien eine Delgation der St.L.Roth-Gesellschaft für Pedagogik (RGP), bestehend aus zwei Männern (Wellmann, ein ehemaliger Schüler von mir, und Grohe)
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und überbrachten mir zwei Holzschnitte mit Mediascher Motiven als Geschenk der RGP. Im Gartenhäußchen des Anwesens führte ich mit ihnen angeregte Gespräche.
Sonntag den 18. unternehmen wir unter Führung von Otti in drei Autos eine Kunstfahrt nach
Schwäbisch Hall und Rothenburg ob der Tauber. Es herrschte eine mörderische Hitze.
Noch vor Eintreffen der oben genannten Delegation unterrichtete ich alle Anwesenden in der gleichen Gartenlaube von dem Ergebnis meiner Vorsprache beim Leiter des Salzburger Landesarchivs
Dr.Pagiz, den ich kurz vor Antritt unserer Reise aufgesucht hatte, um festzustellen, ob es gegebenen
Falls möglich sei, mein Privatarchiv bei ihm verwahren zu lassen. Die Alternative Gundelsheim
scheint mir nämlich nicht mehr das richtige zu sein. Hofrat Pagiz erklärte sich auf das freundlichste
damit einverstanden. Seitdem ist mir ein Stein vom Herzen gefallen.Natürlich begrüßen auch alle
meine Despendenten in der Laube diese Lösung, durch die, so hoffe ich, schwierige Probleme sich
vereinfachen.
Mit Ehrungen und Anerkennungen wurde ich in diesen Tagen und Wochen überhäuft wie noch nie.
Über 100 schriftliche und telegrafische Gratulationen flatterten in unser Haus, so daß ich mich
entschließen mußte, Dankkarten drucken zu lassen, von denen ich auf der gegenüberligenden Seite
ein Exemplar einklebe. Die Glückwünsche prominenter Personen und mir besonders nahe stehender
Freunde mußte ich dennoch handschriftlich oder individuell bedanken. Ich war damit Wochen lang
beschäftigt, wobei mir Trudl tüchtig mithalf, da sie auf der Maschine flotter schreiben kann als ich.
Die in der Presse erschienenen Gratulationsaufsätze und –notizen habe ich in einer besonderen
Mappe gesammelt, in der sich auch die wichtigsten Stücke dieser Korrespondenz befinden.
An Geschenken möchte ich wenigstens die wertvollsten aufzählen.
Von Trudl erhielt ich einen Taschenoperngucker, der gleichzeitig als Feldstecher benützt werden kann;
von meinen 5 Kindern ein Farbfernsehgerät (Grundig) als Ersatz für unsern alten, noch von den
Schwiegereltern geerbten Apparat ohne Farbe (Minerwa), der uns aber stets gute Dienste geleistet hatte. Der neue Grundig mit seinen prächtigen Farben kommt uns wie ein kleines Wunder
vor;
natürlich erhielt ich zahlreiche Bücher, darunter ein Monumentalwerk über die bäuerliche
Hinterglasmalerei in Rumänien und Siebenbürgen von Juliana und Dimitri Danku, vermutlich
das schönste Buch, das bisher in Rumänien gedruckt worden ist;
vom Verein der Siebenbürger Sachsen in Salzburg einen Zinnteller mit eingravierter Dedikation;
von den Kegelbrüdern Alkoholika noch und noch, usa. usf.
Zu diesen Geschenken gehört noch eine sehr wertvolle Gabe, die mir Dr.phil.Rotraut Suther, mit
der ich seit Jahren in freundschaftlicher Verbundenheit zusammenarbeite, verehrte: sie widmete mir
ihr Buch, das soeben erschienen war, mit den dem Vorwort vorangestellten Zeilen
“Meinem lieben, verehrten, väterlichen
Freund Prof.Dr.Otto Folberth zum 80. Geburtstag
am 10. Juli 1976”
Tatsächlich hatte sie es auf meine Anrgung und Benützung vieler meiner Vorarbeiten verfaßt. Unter
dem Titel “Siebenbürger Sachsen in Österreichs Vergangenheit und Gegenwart” enthält es 83 Kurzbiographien von bedeutenden Sachsen: Erfindern, Ärzten, Professoren, die in Österreich gewirkt
haben. Es ist sehr schön gedruckt und mit 39 Abbildungen geschmückt. Es erschien im Universitätsverlag Wagner, Innsbruck. Am 2. August wurde es gleichzeitig mit einem andern, von Rotraut
Suther verfaßten Buch “Salzburg, Stadt und Land in alten Reisebildern”, in das auch einige Zitate
aus St.L.Roths Beschreibungen von Salzburg aufgenommen worden sind, vom Verleger dieses letz-
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teren Buches Dr.Walter Mieß, dem Begründer des neuen Verlags “Wort und Welt” in Insbruck, im
Rahmen eines kleinen Empfanges im Chiemserhof dem Landeshauptmann von Salzburg Dr.Dr.
Hans Lechner vorgestellt.
Anschließend an das Fest in Fornsbach blieben Trudl, Dorothee und ich noch einige Tage dort,
während Koni von Hans nach Lauenau mitgenommen wird, Hannover und Hamburg kennen lernte
und sich von dort über Köln nach Garmisch-Partenkirchen zu seinem Vetter Pus begab. In der
dritten Juliwoche kreuzte er wieder bei uns in Salzburg auf, machte die Festspiele “Titus” und
“Jedermann” wie auch das “Fest in Hellbrunn” mit, weilte dann einige Tage in Böblingen bei Ottis
und trat Ende Juli die Heimfahrt über Wien mit 4 schweren Koffern und 2 Handtaschen bepackt,
außerdem übervoll von Eindrücken und Erinnerungen, an. Er betonte immer wieder es sei “die
Reise seines Lebens” gewesen. Ihm dazu verholfen zu haben bedeutete für mich die allergrößte
Freude in diesen glücklichen Wochen.
Zum Schluß sei noch ein Ereignis erwähnt, das unsere freudigen Emotionen in den Fornsbacher
Tagen immer wieder hochsteigen ließ: unsere liebe Enkelin Beatrice hatte hatte kurz vorher die
unerhört schwierigen Prüfingen zwecks Aufnahme in eine der berühmtesten Hautes Écoles von
Frankreich, der École Polytechnique, glänzend bestanden und damit ein seit Jahren verfolgtes Ziel
mit 19 Jahren erreicht. Die ganze Familie ist stolz auf sie, zumal sie sich infolge ihres bescheidenen
Wesens allgemeiner Beliebtheit erfreut. Wir sind alle sehr gespannt darauf, wohin diese Entscheidung führen wird. Ihr erster Brief an uns nach ihrem Eintritt in die Schule ist vom 10. September
1976 und als Absenderin gibt sie an:
Elève-officier Folberth
1-ère Compagnie
Détachement École Polytechnique
Camp de la Courtine
23101 La Courtine – Le Teoucq (?)
Ein letzter Nachtrag zu Fornsbach: Beim Festmal am 17. Juli abends mußte ich natürlich für alle
mir dargebrachten Geschenke und Gratulationen, besonders aber für die mir bewiesene herzliche
Liebe danken. Ich nahm die Gelegenheit wahr, um in meinem Worte auch unserm Sohn Paul zu
danken, der als einziger unserer Söhne aus Berufsgründen nicht unter uns sein konnte. Ich tat es,
indem ich einige Stellen aus seinem 6 Seiten langen Brief vom 21. Juni aus Rio [de Janeiro] vorlas,
in welcehm er ausführlich über seine großen und verantwortlichen Aufgaben berichtet und mit dem
Satz geschlossen hatte: “So will ich heute am Vorabend zu Tatas 80. Geburtstag Euch beiden aus
ganzem Herzen danken für Euren großen und entscheidenden Beitrag zu diesem meinem schönen
Leben, und Gott danken, daß Er mich hat Euren Sohn sein lassen.”
Über Pauls Wirkungsbereich ging uns kürzlich von Otti nebenstehender Zeitschriftenausschnitt zu:
Die drei Wochen vom 10.–31. August 1976
verbingen Trudl und ich in Bad Hall in Oberösterreich. Die Zeit um meinen 80. Geburtstag hat uns
etwas geschlaucht. Auch verleitete uns der gute Ruf der dortigen Augenärzte dazu, sebst etwas für
unsere alt werdenden Augen zu tun. Man verordnete uns tägliche Jontophorese-Kuren und jeden
zweiten Nachmittag gingen wir Schwimmen ins dortige Thermalhallenbad. Für ausgiebige Spaziergänge oder gar Wandern eignete sich erstens das Wetter nicht sehr, zweitens litt ich die ganze Zeit
über an einer schmerzhaften Ferseninsufiziens am rechten Fuß, die, laut ärztlichem Befund auf
einen Senkspreizfuß zurückzuführen ist. Ich mußte mir (in Steyr!) Einlagen machen lassen, erhielt
sie aber erst gegen Ende unseres Kuraufenthaltes und konnte mich sehr schwer an sie gewöhnen.
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Wiedersehen mit der schönen kleinen Barockkirche in Pfarrkirchen neben Bad Hall.
Thomas Mann:
“Die Aufgaben werden schwieriger, komplizierter, anspruchsvoller, je älter man wird; und merkwürdig ist die Einrichtung, daß man zu der Zeit, wo man rein sportlich schon gar nicht mehr auf der
Höhe ist, das Schwerste zu leisten hat. Das ist aber nicht etwa eine verkehrte Einrichtung. Das Alter
ist der Jugend ganz einfach überlegen, man sage was man wolle – überlegen durch alles schon
Getane; denn durch Vollbringung wird man nicht schwächer, sondern stärker.”
6. Oktober 1976
Uraufführung des ersten Teiles der St.L.Roth-Trilogie “Ein Leben in drei Jahreszeiten” (Erster Teil:
Frühling) von Christian Maurer und Hannes Schuschnig in Hermannstadt zu Beginn der Cibiniale
1976. Das Programmheft ist sehr aufwendig gehalten. 2 Exemplare siehe in der Sammelmappe
“Roth-Varia 1972 – “. Die Autoren hatten mit mir nicht die geringste Fühlung genommen. Die
Pressestimmen klingen sehr verhalten.
Sonntag, den 8. November 1976
besuchen wir Dorothee in Gallneukirchen. Sie hat ihre neue Wohnung im fertiggestellten Schwesternheim bezogen und ist ganz glücklich über ihre wirklich schöne, komfortable Garconnière mit
Badezimmer und Kochnische. Gegen Süden eine breite Fensterwand, großer Balkon und wundervoller Blick auf eine weite hügelige Landschaft mit Wiesen, einigen Bauernhöfen und einzelnen
Wäldchen. Bei angenehmstem Wetter machen wir einen weiten Spaziergang bis zu einer Gaststätte,
wo wir zu Mittag speisen. Nachher bereitet uns Dorothee einen guten Kaffee, wir spüren, welche
Freude es ihr macht, ihre Eltern bei sich zu Gast zu haben. Auch wir sind sehr glücklich, sie in so
guter Verfassung vorzufinden, sie mit Beruf und Umgebung zufrieden zu sehen und danken Gott,
daß sich doch alles gut mit ihr gefügt hat. Immer wieder staunen wir, was für ein schönes Menschenskind sie bei all ihrer tiefen Gottgläubigkeit ist.
19. November 1976
Besuch von Dr.Gustav Gündisch und seiner Frau Dr.Hertha Gündisch aus Hermannstadt bei uns.
Stundenlange Gespräche.
23. November 1976
wurde ich vom Orthopäden Dr.Gärtner an der Hammerzehe meines rechten Fußes, die mir schon
seit Jahren zu schaffen machte, operiert und mußte zwei Tage in der Privatklinik Wehrle liegen.
Nachher hatte ich noch 12 Tage Hausarrest. Am 6. Dezember zog man endlich die Fäden, so daß
ich halbwegs wieder mobil bin.
6. Dezember 1976
weilt Klaus einen Abend und eine Nacht bei uns in Salzburg, wo er an einer Fell-Auktion teilnimmt.
Bei dieser Gelegenheit übernimmt er auch den Familienbriefordner 1-5, die von ihm an uns geschriebenen Briefe aus den Jahren 1947 bis 1960.
7.–11. Dezember 1976
besucht uns Dorothee in Salzburg, wobei wir mit ihr den Advent recht vorweihnachtlich feiern, da
wir in diesem jahr die heiligen Tage nicht in Europa verbringen weren.
Hammamet in Tunesien 28. Dezember 1976
Seit einer Woche befinden wir uns hier – zum ersten Mal auf afrikanischem Boden. Wir möchten
dem Winter in Salzburg für 14 Tage entfliehen, wie seinerzeit in Tenneriffa. Doch spielt das Wetter
leider nicht so gut mit wie damals auf der kanarischen Insel im Atlantischen Ozean. Es gibt weniger
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sonnige Stunden, die Luft ist gewöhnlich sehr kühl und windig. Immerhin können wir Frühjahrskleidung tragen und uns viel im Freien bewegen.
Wir sind in einem der großen Hotels (Fourati) abgestiegen, die hier seit Jahren entlängs den Sandstränden an der tunesischen Westküste errichtet worden sind, die in kurzem zu einem der Tummelplätze des europäischen Touristenstromes gehören wird. In einem komfortablen Zimmer mit Bad,
WC und Balkon untergebracht, mit dem Blick auf stilvolle arabische Bauten, Palmengärten und
einem Streifen Meer, fühlen wir uns wie in einem Märchenland von tausend und einer Nacht,
unternehmen Ausflüge in die nähere und fernere Umgebung und versuchen Kräfte für den restlichen
Winter in Salzburg zu sammeln.
Hier nun drängt es mich etwas Rückschau zu halten auf das zu Ende gehende Jahr, das uns so viel
glückliche Stunden bescheert hat. Auf die Höhepunkte rings um meinen 80. Geburtstag mit dem
Familientreffen im lieblichen Fornsbach im Schwäbischen Wald, dem endlich erreichten Wiedersehen mit meinem Neffen Konrad aus Mediasch, auf die Ereignisse rings um die ehrende Zuerkennung des Georg-Dahio-Preises für mein Buch “Gotik in Siebenbürgen”, will ich gar nicht noch
einmal zurückkommen, sie sind in diesem Büchlein wenigstens skizzenhaft bereits festgehalten.
Vielmehr will ich mich darauf beschränken, soweit mir Worte dafür zur Verfügung stehen, des
Wunders dankbar zu gedenken, das die erwähnten Höhepunkte weitaus übertrifft: das ist die Tatsache unserer Liebe, die mich mit Trudl nun schon seit 53 Jahren verbindet und nicht aufhört, uns
zu beglücken. Das Alter hat ihr bisjetzt nicht den geringsten Abbruch getan, wir ziehen uns noch
immer wie Brautleute gegenseitig magisch an. Jede unserer Reisen, die wir doch jährlich einige
Male unternehmen, gleicht einer Hochzeitsreise. Zu diesem Glück mag beitragen, daß wir immerhin
fünf Kindern das Leben geschenkt und sie groß gezogen haben. Zu allen besitzen wir ein inniges
Verhältnis, das sich auch schon auf die Enkel übertragen hat, obwohl sie in alle Winde verstreut
sind. Aber durch einen regen Briefwechsel versuchen wir die Verbindung mit ihnen aufrecht zu
erhalten und zu pflegen.
Zu unserm Glück mag auch beitragen, daß außer der seelischen Gleichstimmung ein körperliches
Gleichmaß uns bescheert ist, das ein geradezu ideales Eheleben ermöglicht. Wir sind beiläufig
gleich groß (ca.167 cm), Trudl wiegt in der Regel 54, ich 60 kg, wir sind beide leicht beweglich,
schätzen überaus den Aufenthalt in frischer Luft, lieben zu wandern oder – wenn nur möglich –
auch Spazierfahrten aud Rädern zu unternehmen. Autofahren macht uns, seit dem irrsinnigen Verkehr auf Europas Straßen, schon lange keinen Spaß mehr. In meinem Alter sollte überhaupt keinem
Menschen mehr ein Führerschein ausgestellt werden – wegen verminderter Reaktionfähigkeit.
Natürlich frägt man sich immer wieder: wie lange noch kann ein so gnadenreiches Leben dauern?
Einmal muß es doch ein Ende nehmen. Abend für Abend bitten wir den lieben Herrgott, daß er in
diesem Falle uns beide zu gleicher Zeit zu sich nehmen möge. Allein zurückzubleiben würde für
jeden von uns ein bitteres Schicksal bedeuten. Aber wie vielen unserer Altersgenossen ist es beschieden!
In diesem Zusammenhange müssen wir oft daran denken, daß wir schon wiederholt wähnten, mit
dem Leben abschließen zu müssen. Zur Zeit unserer Flucht aus der Heimat beispielsweise hatten
wir wenig Hoffnung, daß es uns gelingen werde, ein neues Leben in Österreich aufzubauen. Die
vorangegangenen Ereignisse mit ihren Enttäuschungen und Demütigungen hatten uns zu mutlos
gemacht. Nun, seither sind bald 30 Jahre vergangen, in vielen düsteren Stunden war die Welt in
dunkle Wolken gehüllt, immer wieder kam aber die Sonne zum Vorschein und überantwortete uns
nicht der Verzweiflung. Im Gegeteil, wir machten die Erfahrung, daß auch das Alter seine schönen
Seiten haben kann, die zuweile jene der Jugend übertreffen. Sich von ihnen überraschen zu lassen,
bedeutet für uns das große Geschenk, das täglich uns zuteil wird. Zu diesen großen Überraschungen
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gehört, daß Trudls Gesundheit nach vielen bösen nervlichen Rückschlägen, die uns, und vor allem
sie, an den Rand der Verzweiflung brachten, mit steigendem Alter sich besserte und einem Wohlbefinden Platz machte, das sie Jahrzehnte lang kaum gekannt hatte. Möglich auch, daß die ärztliche
Diagnose, ihr Leiden gehe eigentlich auf eine schlecht funktionierende Buachspeicheldrüse zurück,
und eine entsprechende Behandlung, einen Wendpunkt ihres Lebens einleitete. Jedenfalls milderten
sich ihre Depressionen zusehends, ja sie verloren sie streckenweise sogar ganz. Trudl wurde leistungsfähiger denn je, ein wachsender Optimismus und eine anhaltende Zufriedenheit begannen sie
zu beherrschen. Äußerlich nahm ihre Weiblichkeit reizende Formen an, sie wurde das, was man
eine vollschlanke Frau nennt. Immerschon hatte sie schöne makellose Beine und einen munteren
beschwingten Gang – auf unsern Ausflügen konnte ich seit jeher feststellen “Du kannst ja steigen
wie ein Gemse” – jetzt im Alter aber entwickelte ihr Busen Formen, die mich entzückten und den
Vergleich mit den vielen Watte-Busen aushielten, die man in den Illustrierten zu sehen bekam. Ich
kannte keinen Wunsch mehr, in Gedanken andere Busen zu streicheln.
Nun etwas über die Ausflüge, die wir trotz des sehr wechselnden Wetters von Hammamet aus
unternehmen. Zunächst einmal liefen wir am langen Strand entlang, der sich vor unserm Hotel
hinzieht, nach dem kleinen arabischen Ort mit der am Meer gelegenen Kasbah (Besfestigung aus
dem 12./15. Jahrhundert), besichtigten die von einer Mauer umgebene Medina (Altstadt) mit engen
Gassen und Gäßlein, die es hier in jedem Ort gibt.
Manche Spaziergänge bzw. Ausflüge unternahmen wir in Begleitung des Ehepaares Erich Thiel aus
D-401 Hilden (Bei Düsseldorf) Kalstest 40, die sich uns angeschlossen hatten und mit uns auch
manchen Abend, so den Heiligen Abend und den Sylvesterabend verbrachten. (Er, ehemaliger
Unteroffizier eines Reiterregiments und Teilnehmer am Zweiten Weltkrieg, aus dem er erst nach 4jähriger russischer Gefangenschaft in Sibierien heimkehrte.) Wir unternahmen mit ihnen auch
gemeinsam Ritte auf Kamelen, die rudelweise auf dem glatten Sandstrand vor unserm Hotelgarten
(eigentlich ein großer schöner Park) lagerten und auf Touristen warteten.
Spaziergang entlang eines Wadis, eines breiten, wasserlosen Flußbettes, bis zu einer Beduinenhütte.
Eintägiger Ausflug mittels Autobusses nach Tunis, Karthago und Sidi-Bou-Said. Tunis ist heute
eine Stadt von 800.000 Einwohnern. Einfahrt durch ein ausgedehntes Industrieviertel. In der Stadtmitte Besichtigung des Bardo-Museums, das angeblich die wertvollsten Mosaiken aus der Römerzeit enthält. Tausende von Besuchern werden durch die zahllosen Säle ungeschickterweise genau zu
gleicher Zeit geschleust. Schlechte Organisation. Im übrigen aber machen die Tunesier einen intelligenten Eindruck, die sehr um die Fremden bemüht sind.
In Karthago, über dessen Geschichte wir wohl vorbereitet die Reise angetreten haben, sind uns bei
dem sonst diesigen Wetter einige sonnige Stunden bescheert. Die Stadt ist einige Male zerstört und
wieder aufgebaut worden. Nich ganz klar ist mir, auf wen die letzte Zerstörung zurückzuführen ist.
Auf die Wandalen? Auf die Araber? Und die Pumier sollen jeweils das erstgeborene Kind im Alter
von 2-7 Jahren dem Gott Baal geopfert haben? Jedenfalls sind die Wege durch das Trümmerfeld
beiderseits mit sargähnlichen, kleinen einander völlig gleichenden Urnen gesäumt, in denen die
Asche der verbrannten Kinder aufbewahrt worden sein soll und die nun zu hunderten (oder tausenden) ausgegraben worden sind.
Den stärksten Eindruck auf mich machte, wie vor vielen Jahren in Trier, das mächtige, auch nur als
Ruine erhaltene römische Bad mit herrlichem Blick auf das Meer. Zu Mittag fahren wir durch das
Villenviertel der Reichen, wo auch der jetzige, sehr beliebte Präsident von Tunesien Bourgiba einen
stilvollen, von Soldaten bewachten Palast hat, nach dem malerischen kleinen auf einem Hügel am
Meer gelegenen Ort Sidi-Bou-Said und mit kunstvoll gebauten Häusern, die hier mit hellblauen
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Tür- und Fenstergittern versehen sind. Ansonsten sind alle Bauten in Tunesien, ob klein oder groß,
nur weiß gestrichen. Ich kaufte mir hier als Andenken eine tunesische rote Kamelhaarkappe, eine
Art Fez.
Am 1. Januar 1977,
nach 14-tägiger Abwesenheit von Salzburg, trafen wir wieder zuhause ein. Wir waren froh, ein für
unser Alter gewagtes Abenteur wohlbehalten, wenn auch etwas übermüdet, überstanden zu haben.
Wir wollen eine so weite Reise auch nicht wieder unternehmen. Umso weniger, als sie, wie fast jede
Reise ihren Zweck erfüllt hatte: einzusehen, daß man zuhause doch am besten aufgehoben ist,
besonders wenn man in einem so schönen Land wie Österreich lebt.
Zum Ausruhen hatten wir aber diesmal nicht die erwünschte Gelegenheit, denn
am 2. und 3. Januar 1977
hatten wir einen Gästestrom zu betreuen, der teils angesagt, teils unangesagt uns in Anspruch nahm.
Erstens mein Neffe Dipl.-Ing.Helmuth Binder mit seiner Frau Gretl (geb.Schuster Lizzi) und seine
zwei sehr sympathischen Kinder Karin und Helmuth, und zweitens meinen Schwager Helmut
Karres und und seine Frau Batzi, die gegenwärtig in Seefelden Winterurlaub machen, und uns
allesamt zu einem gemeinsamen Mittagessen ins Hotel Pitter einluden. Immerhin fand in unserer
Wohnung zweimal ein Abendessen statt, das die Trudl, weniger ermüdet als ich, tadellos meisterte.
10. Januar 1977
Zufällig stoße ich in diesen Tagen auf einen Aufsatz über Goethes Liebesleben, aus dem ich mir
wenigstens einige Sätze anmerken will, weil sie mir glaubwürdig erscheinen:
“Die Sehnsucht nach Liebe führt durch seine Erdentage. Allein, letzte Erfüllung fand er nie.
Zweisamkeit, zur Einheit werdend, war ihm nicht vergönnt. Ihm, der die schönsten Liebesgedichte
verfaßte, war es unmöglich, Liebe zu genießen. Sein Genie stand vor seinem Glück. Nie begegnete
er der Sinnlichkeit und Geistigkeit, in ein und derselben Frau!” KK 291 vom 30.12.76
17.–19. Januar 1977
weilte Dorothee wieder einmal bei uns. Sie hatte Sehnsucht nach ihren Eltern und wir nach ihr.
Glücklich berichtete sie uns, daß das Weihnachtsgeschenk ihrer Brüder, ein bequemer Lehnstuhl
zur Ergänzung ihres neu bezogegenen Zimmers im Schwesterntrakt auf dem Linzer Berg, endlich
eingetroffen sei. Hans hatt ihn ihr aus Lauenau besorgt. Auch einen netten, singfrohen Kanarienvogel (“Felix”) hat sie sich angeschaft.
20. Jnuar 1977
überbringe ich mit meinem jungen Mitarbeiter Udo Wolfgang Acker die ersten zwei Aktenbündel
meines Privatarchivs in das neu errichtete Salzburger Landesarchiv in der Michael-Bacher-Straße
40, wo allmählich mein ganzer Nachlaß verwahrt werden soll. Siehe den “Vorvertrag eines Übereinkommens” zwischen dem Landesarchiv und mir in meiner Dokumentarmappe 1. Folge.
Über den Umgang mit Menschen und Büchern, von Knigge:
“Lustig anzusehen aber ist es, wenn zwei Schriftsteller sich einander mündlich oder schriftlich
loben und preisen, vorteilhafte Rezensionen gegenseiteig erschleichen, sich bei lebendigem Leibe
einbalsamieren, und sich eine glänzende Ewigkeit zusichern.”
Am 2. Februar 1977
an Trudls 74. Geburtstag machen wir einen Besuch im Evangelischen Altenheim “Kreuzbrückl”,
auf das ich schon lange ein Auge geworfen habe und lassen uns durch die Schwester Elisabeth
einige Zimmer zeigen, die eventuell für uns später einmal in Frage kommen. Bald darauf lassen wir
uns auf die Warteliste setzen. Sehr vieles würde sich für uns vereinfachen, wenn unser letzter
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Wohnungswechsel sich innerhalb von Salzburg vollziehen würde. Dorothee jubelt, als sie durchs
Telefon von unserm Entschluß erfährt. Den Abend feiern wir, ohne etwas davon zu verraten, mit
einem Glas Sekt in unserer Wohnung mit dem uns so sympathischen Ehepaar Schiel.
23. Februar 1977
Gedenkfeier zum 150. Todestag Pestalozzis (17. Februar 1827) in Zürich, zu dem ich vom Pestalozzianum unvermutet als Gast gegen Ersatz sämtlicher Spesen (400 Sfr.) eingeladen wurde. Veranstaltungsraum Hotel Zürich. Hier lerne ich endlich Dr.Emmanuel Seging kennen, mit dem ich seit
Jahrzehnten viele Briefe über St.L.Roth bei Pestalozzi gewechselt habe. Am späten Abend kurzer
Besuch bei Hita Vogt-Ambrosi, deren Mann Mathias vor wenigen Wochen an Prostatakrebs gestorben ist. Ich lerne ihre Kinder Mathias (ca.18) und Christine (ca.15) kennen. Der älteste Sohn Johannes (studiert Philologie) war leider abwesend. Beim Rückflug am 24. Februar hatte ich bei starkem
Föhn wieder sommerlich warems, schönes Wetter.
Ein großes Erlebnis für mich die Aufführung einer Tonbildschau über Pestalozzis Leben und
Schaffen, hergestellt von der Condor-Film A.G. Zürich, Condor-Haus, Restelbergstr.107, CH-8044
Zürich. Leiter der Abteilung Audiovisuals Markus Wegermann.
Über das große Erdbeben am 4. März 1977 in Rumänien
Anfang März 1977
weilt Paul drei Tage bei uns in Salzburg. Mit einem Mietauto besuchen wir zu dritt Dorli in ihrer
neuen Wohnung in Gallneukirchen.
30. März bis 1. April 1977
übernachten bei uns Walter und Harald, die unterwegs waren einen neuen Motor in Walters zweitem Gebrauchtwagen einzufahren. Zwei prächtige Burschen, mit denen wir uns ausgezeichnet sprechen. Walter studiert im 3. Semester Physik in Karlsruhe, Harald besucht ein “technisches Gymnasium” in Sindelfingen und steht zu unserer großen Freude ganz unerwartet vollkommen positiv zu
seinen Schulaufgaben und Schulpflichten. Seine Entwicklung hat in der letzten Zeit die denkbar
besten Fortschritte gemacht. Wieder eine Ursache, stolz auf unsere Nachkommenschaft zu sein. Ich
befinde mich, kurz vor ihrem Eintreffen, gerade bei meinem wöchentlichen Kegeln und hatte mit 3
Schub die Rekordzahl von 237 Kegeln umgelegt.
10.Mai 1977
halte ich, aufgefordert vom “Neuen Klub”, einem lockeren Zusammenschluß von geistig interessierten Menschen, im Marmorsaal des Hotels Pitter, einen Vortrag über das von der Klubleitung
gewünschte Thema: “Die Siebenbüger Sachsen in Vergangenheit und Gegenwart”. Zu diesen
Vorträgen, die jeden ersten Dienstag des Monats stattfinden, werden vervielfältigte Einladungen mit
kurzer Biographie des Vortragenden verschickt. Die Einladung zu meinem Vortrag ist eingeklebt in
meiner handschriftlich geführten Bibliographie II, Seite 342.
Ich war bei guter Stimme und las ohne Brille Wort für Wort vom Blatt (im 82. Lebensjahr!!) vor
einem atemlos zuhörenden, teils aus Österreichern, teils aus Siebenbürger Sachsen bestehendem
Publikum – sicherlich zum letzten Mal in meinem Leben in Salzburg. Meinerseits blieb mir der
Atem stocken, als mir nachher ein Honorar von 1000 Schilling übergeben wurde.
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Sonntag den 22. Mai 1977
wird unser Enkel Martin (14) in Lauenau konfirmiert. Seine Patin ist Dorothee. Mit ihr und mit
Trudl begeben wir uns per Bahn mit einem langweiligen Zug nach Hannover, von wo uns Hans in
seinem Mercedes abholt und nach Lauenau bringt. Sehr schöner Konfirmationsgottesdienst in der
dortigen evangelischen Kirche. Anschließend Festessen, von Ruthild, die infolge Heiserkeit kaum
sprechen kann, aufs beste vorbereitet. Wir staunen über die zahllosen Geschenke, die Martin erhält,
vor allem auch in Form von Geld. Die Türglocke läutet ununterbrochen, insgesamt häuft sich für
Martin ein kleines Kapital von DM1580.- an, mit dem er sich Bestandteile für ein ferngesteuertes
Modellflugzeug anschaffen will. Wir staunen von neuem über den ungeheuren Wohlstand der
Bevölkerung in Deutschland, die in Geld zu schwimmen scheint.
Beim Festmahl nach Martins Konfirmation, hielt Hans eine Ansprache, in der er seiner Liebe zu
Martin, der ja einmal ein sehr schwieriges Kind gewesen war, und seiner Hochschätzung seines
zweifellos begabten Sohnes in überschwenglichen Worten Ausdruck verlieh. Schließlich klopfte
auch ich ans Glas und führte ein Stichwort Hanzos, in dem dieser seinem ehrgeizigen Sohn etwas
mehr “Gelassenheit” bei ungerechten Bemerkungen in der Schule empfohlen hatte, etwas weiter
aus. Was ich sagte bestand eigentlich aus einer kurzen Wiederholung eines Leserbriefes, den ich vor
unserer Abreise, durch einen Artikel in den “Salzburger Nachrichten” angeregt, verfaßt hatte und
der einige Zeit später auch wirklich erschien.
Leserbrief aus den “Salzburger Nachrichten” vom 8. Juli 1977:
“Für eine angstfreie Schule
In meiner jahrzehntelangen Tätigkeit als Gymnasiallehrer habe ich die Erfahrung gemacht, daß
Klassifikationen und Prüfungen in der herkömmlichen Art eine der Hauptursachen dafür sind,
zwischen Lehrern und Schülern Feindschaften hervorzurufen. Ich begrüße daher Ihren Aufruf für
eine “angstfreie Schule” aus ganzem Herzen. Leider konnte ich an Ihrer Diskussion nicht
teilnehmen, da ich verreist war. Diese Zeilen mögen Ihnen bloß verraten, daß ich Ihre Initiative
billige und gespannt verfolgen werde. Prof.Dr.Otto Folberth, Salzburg, Ingnaz-Rieder-Kai 15”
Martin hat sich im letzten Jahr sehr zu seinem Vorteil entwickelt. Zu unserer Freude stellen wir fest,
daß er sowohl dem schulischen wie auch dem kirchlichen Leben gegenüber positiv eingestellt ist.
Das Hauptverdienst daran gebührt vermutlich dem jungen fähigen Pfarrer, der von Ruthild bestens
unterstützt wird. Guten Einfluß übt auf ihn auch die Pfadfindergruppe aus, der er angehört.
Auch das Verhältnis zwischen Martin und Stefan (11) hat sich gebessert. Beide kommen in der
Schule gut voran. Martins Hauptfächer: Physik, Mathematik, Geschichte, Latein. Sein großes
Hobby derzeit: Bau von durch Funk lenkbaren Flugzeugen. Überhaupt Flugzeugbau. Besonders die
Maschinen des Zweiten Weltkrieges interessieren ihn. Dadurch komme ich mit ihm ins Gespräch
über meine Kriegserinnerungen. Infolge Überfütterung und Übermüdung kann ich ihm nur sehr
unzureichende Mitteilungen machen. Ich habe ja auch schon viel vergessen. Er müßte auf einige
Tage zu mir kommen. Wenn nur die Entfernung nicht so groß wäre! Es ist ein Jammer!
Wie hatte ich mich gefreut, Stefan einmal im Sattel zu sehen! Ausgerechnet jetz ist sein Schulpferd
fußkrank.
Hans befindet sich in einem ungeheuren Streß. Gerade in diesen Tagen findet (jedes 2. Jahr) die
große Messe in Hannover statt und Hans hat Maschinen einzukaufen, sowohl für Casala, wie auch
für eine neue von Herrn Grönnemeier gekaufte Möbelfabrik im Harz. Wie gerne ließe sich Hans
dorthin als Geschäftsführer versetzen, um endlich einmal der Fuchtel seines übertrieben kapitalistisch eingestellten Chefs zu entrinnen. In Lauenau wird er wie ein Sklave ausgebeutet und verschleißt.
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Besuch mit Ruthild in der schönen alten Stadt Hagen, Besuch mit Hans in der neuen, von Casala
eingerichteten Riesenschule von Bad Memmingen, Martins Schule. Das Wetter ist schön, die
Saatfelder erreichen ihren Höchststand und schaukeln ihre langen Grame im Winde. Sehr sympatisch die Tante Helde aus Clewe, von Beruf Schneiderin mit 70 Jahren! Schwierigekiten haben
Hans und Ruthild mit Ruthilds Vater, der am liebsten politische Monologe hält.
Natürlich besichtigen wir auch jetzt wieder die neuesten Möbelmodelle von Casala. Dorothee sieht
sie zum ersten Mal. Hans berichtet uns über die günstige finanzielle Lage des Unternehmens, trotzdem sind der Chef und besonders seine Frau unzugänglich sozialen Erwägungen. Das bringt unsern
Hans in die schwierigsten Situationen, weil er, wie wir alle, bürgerlich denkt und ihm die sozialen
Ungerechtikeiten sehr auf die Nerven gehen. Dazu kommt ein Spannungsverhältnis zwischen den
beiden Familien, die je einen Sohn in der gleichen Schulklasse haben, von denen der junge Grönnemeier sehr minderwertige Schulleistungen zustande bringt, während unser Martin ein ungewöhnlich
heller Kopf ist, der besonders auf dem technischen-mathematischen-physikalischen Gebiet glänzt.
Beide wurde gleichzeitig konfirmiert. Gesellschaftliche Beziehungen zwischen den zwei Familien
bestehen aber nicht.
Die Zunkunft unseres Hans, der zwar technischer Prokurist der Firma ist, hängt aus allen diesen
Gründen in der Luft. Er wünscht sich nichts sehnlicher, als unabhängiger Geschäftsführer eines ähnlichen Unternehmens zu werden. Die Aussichten dafür liegen aber noch in weiter Ferne. Hauptsache ist, daß er ein glückliches Familienleben, ähnlich wie seine Eltern, führt und sie an den beiden
heranwachsenden Jungen ihre große Freude haben. Trudl und ich stehen mit allen im besten Verhältnis und je älter die Jungen werden, umso reger schließen sie sich an ihren Opa an, was mich glückich macht.
Montag den 23. Mai 1977
unternehmen wir mit Ruthild, Trudl und mir eine Fahrt nach der schönen alten Stadt Hagen, die wir
noch nicht kannten und besorgen einige Einkäufe. Am Abend Einkehr in ein stilvoll eingerichtetes
altes Bauernhaus “Im Krug . . .” irgenwo in der Nähe, wo besonders Martin mich über meine Erlebnisse als Kriegsberichter ausholen möchte. Ich bin aber so müde, daß ich ihm kaum Rede und Antwort in dem überfüllten Lokal stehen kann. Immerhin ein Zeichen dafür, daß der 14-jährige Enkel
schon ein gewisses Interesse an meiner Vergangenheit nimmt. Mein großer Schmerz ist es ja, daß
diese bewegte und nicht unbedeutende Vergangenheit kaum je in das Bewustsein meiner Nachkommenschaft eingehen wird. Infolge der großen Zersteuung zwischen uns, wird es immer nur kurze
Augenblicke des Erzählens geben.
Donnerstag den 25. Mai 1977
fahren wir per Bahn in einem überfüllten Schnellzug nach Stuttgart bzw. Böblingen, wo wir bei
Ottis alle ihre Kinder samt Freunden und Freundinnen – wenigstens für einige Stunden – antreffen
und außerdem zwei Ehepaare (mit je zwei Kindern) kennen lernen, mit denen die Böblinger oft
beisammen sind:
a) Horst Faber und seine Frau Ingeborg Faber geb.Folberth, die Tochter von Prof.Günther Folberth, meines Großneffen in Agnetheln. Ingeborg ist eine hübsche, sympathische Erscheinung. Bis
vor kurzem war sie Lehrerin am Lyzeum Nr.2 in Mediasch, Fachrichtung Deutsch und Rumänisch.
Ich erfahre von ihr höchst wichtige Zustände in Mediasch und vor allem über den Fortschritt an der
Freilegung der auch ihrer Meinung nach großartigen Fresken in der Mediascher Kirche. Anschrift
siehe im Adressenbuch VI.
b) Erwin und Helga Scharf geb.Suckow (Heydendorff). Sie bauen sich ein Haus in Schönaich,
ganz in der Nähe vom “Rauhen Kopf”, also nur wenige Schritte von Ottis Haus in Böblingen.
Anschrift in Adressbuch VI.
Otti brät Holzfleisch, man unterhält sich großartig.
15
Am 28. Mai 1977
ist auch Christine, unsere liebe Enkelin, mit von der Partie. Otti und ich holen sie am Morgen dieses
Tages von Karlsruhe ab, Otti und Trudl bringen sie am Abend wieder heim. In Karlsruhe wechseln
wir auch einige unwesentliche Worte mit Ruth.
Pfingstsonntag, den 29. Mai 1977
begeben wir uns im gefüllten Auto Ottis zum Siebenbürgisch-Sächsischen Treffen in Dinkelsbühl,
das diesmal besonders stark besucht ist. Dorothee fährt von Stuttgart per Bahn nach Gallneukirchen.
Wir andern machen an dem reichen Programm eigentlich bloß die “Kundgebung” von Dr.Schramm
mit, wo der nach dem Tode von Erhard Pesch neugewählte Bundesvorsitzende der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen in Deutschland, Dr.Wilhelm Bruckner seine Jungfernrede hält. Er
dürfte kein “Boß” sein, aber gerade deshalb politisch gemäßigt wirken.
Pfingstmontag, den 30. Mai 1977
treten Trudl und ich die lange Heimfahrt nach Salzburg (9 Stunden Bahnfahrt) an, wo wir redlich
müde, aber wohlbehalten und erfüllt von freudigstem Erleben eintreffen. Am gleichen Tag ruft
Klaus aus Grenoble an. Er nahm am 30-Jahrtreffen seiner Maturaklasse in Mediasch teil und ist wie
Ingeborg begeistert von den großartigen Fresken in der Mediascher Kirche, was mich natürlich
glücklich macht.
Während der ganzen Zeit dieser Reise hatten wir extrem schönes Wetter, das den Genuß an der
jungfräulichen Frühjahrslandschaft sowohl im Norden wie im Süden aufs höchste steigerte.
6.–13. Juni 1977
liege ich auf der Kieferstation der Salzburger Landeskrankenanstalt, um mir vom Primar Dr.Zisser
einen Abzeß am Unterkiefer entfernen, der dort wahrscheinlich schon seit Monaten oder Jahren an
einer schadhaften Zahnwurzel entstanden ist. Die Fahrt zu Martins Konfirmation hielt mich davon
ab, den Eingriff früher machen zu lassen. Mein Entlassungsschein lautet auf Orthoomyelitis C (?)
Kiefereiterung.
Am 21. Juni 1977
bricht mir aus dem Unterkiefer ein Stiftzahn aus. Ich begebe mich sofort zur Kieferstation. Im Laufe
von zwei Stunden extrahiert mir Dr.Zisser zwei Zähen und seztet mir die ergänzte Protese sofort
wieder ein. Alles, ohne daß ich Schmerzen empfand. Großartige Fortschritte der Zahnheilkunde!
Am 26. Juni 1977
große Veranstaltung des “Vereins der Siebenbürger Sachsen in Salzburg”, wobei die Nachbildung
der zwei Schwerter von Broos und Draas in der Honteruskirche eindrucksvoll an einer Wand
angebracht werden. Der Feier gingen Monate lange polemische Auseinandersetzungen, besonders
mit Dentist Erhard Rehner voraus, bei denen ich mit meiner Meinung schließlich durchdrang.
Anschließend an den Gottesdient, in dem Pfarrer Othmar Karzel eine sehr schöne Predigt hielt,
sprach ich über das Thema der Feier ohne schriftliches Konzept, leider um 10 Minuten zu lang.
Weniger wäre mehr gewesen.
Sonntag, den 28. Juni 1977
halte ich in der Johannes-Honterus-Kirche in Sachsenheim nach dem Gottesdienst, in dem Pfarrer
Othmar Karzel eine treffliche Predigt hält, und nach Befestigung der Nachbildungen der sagenhaften Schwerter von Draas und von Broos an einer Kirchenwand, eine Ansprache nur an Hand
weniger Aufzeichnungen. Nachher habe ich den Eindruck, meine Aufgabe gut gelöst zu haben. Die
Wirkung wäre aber noch stärker gewesen, wenn ich etwas kürzer gesprochen hätte. Trudl sagte mit
16
Recht: “Eine retorische Leistung, jedoch ¼ Stunde zu lang.” Siehe auch “Folberth-Bibliographie”
II, Seite 344.
In den 2 ersten Wochen des Juli 1977
mache ich mit Hilfe meines Mitarbeiters Udo Wolfgang Acker die Druckvorlage einer meiner großen Arbeiten fertig und zwar das von uns gekürzte Tagebuch des Michael Conrad von Heydendorff
des Jüngeren (1769-1857), eines Vorfahren von mir. Sein Titel lautet: Heydendorff, Unter fünf Kaisern, Tagebuch von 1786-1856 zur siebenbürgisch-österreichischen Geschichte. Herausgegeben,
bearbeitet, mit einem Vorwort und Anmerkungen versehen von Otto Folberth und Udo W. Acker.
Verlag des Südostdeutschen Kulturwerks, München. 200 Seiten, 8 Abb. DM36.- Ö.S.270. Mitte
Dezember 1977 stellt die Druckerei Thaurdruck (Giesriegl) bei Innsbruck den Umbruch her. Mitte
August 1978 werden die ersten Expemplare des Werkes nach vielen Pannen ausgeliefert.
Brief des Abraham Mendelsohn Bartholdy, Vater von Felix Mendelsohn
“Ob Gott ist? Was Gott sei? Ob ein Teil unseres Selbst ewig sei und, nachdem der andere Teil
vergangen, fortlebe? und wo? und wie? – Alles das weiß ich nicht und habe Dich deswegen nie
etwas darüber gelehrt. Allein ich weiß, daß es in mir und in Dir und in allen Menschen einen Hang
zu allem Guten, Wahren und Rechten und ein Gewissen gibt, welches uns mahnt und leitet, wenn
wir uns davon entfernen. Ich weiß es, glaube daran, lebe in diesem Glauben, und er ist meine
Religion. Die konnte ich Dich nicht lehren, und es kann sie niemand erlernen, es hat sie ein jeder,
der sie nicht absichtlich und wissentlich verleugnet, und daß Du das nicht tun würdest, dafür bürgt
mir das Beispiel Deiner Mutter, dieser edelsten, würdigsten Mutter – dieser Religion in Menschengestalt. Du wuchstest heran in ihrem Schutz. Deine Mutter war und ist, und mein Herz sagt mir, sie
wird noch lange bleiben unser aller Vorsehung und Leitstern. Wenn Du sie betrachtest und das Gute
erwägst, was sie Dir erwies, und wenn Dir dann in Dankbarkeit, Liebe und Ehrfurcht das Herz aufund die Augen übergehen, so fühlst Du Gott und bist fromm.- Dies ist alles, was ich Dir über
Religion sagen kann, alles, was ich davon weiß.”
1.–3. August 1977
15. Jahrestagung des seit 1962 bestehenden Heidelberger Arbeitskreises für siebenbürgische Landeskunde im Verein mit der Societate Romania, Bukarest, in Hermannstadt.
Das Programm dieser Tagung und die darüber erschienenen Pressestimmen waren so umfangreich,
daß ich sie in diesem Tagebuch unmöglich aufzeichnen konnte. Ich habe sie in einer eigenen Mappe
gesammelt: ca.34 Beiträge über 37 Referate. In Wirklichkeit sind viel mehr erschienen. Man hatte
den Eindruck, einem historischen Ereignis beizuwohnen.
Die Tagung hatte Höhepunkte, die uns unvergeßlich bleiben werden: zum Beispiel die Empfänge
der zwei Bischöfe (von Bischof A. Klein im alten bischöflichen Palais am großen Ring in Hermannstadt) und vom orthodoxen rumänischen Metropoliten Nicolaus Mladin in dessen Sommerresidenz
in Sambata am Fuß der Fogarascher Gebirgskette mit stundenlangem Abendessen, allgemeiner Verbrüderung, mit rumänischen und deutschen Liedern, darunter “Siebenbürgen, Land des Segens”.
Wer hätte das erwartet? Der Metropolit war geradezu toll aufgelegt. Beim Abschied küßte er auch
mich auf beide Wangen.
Für mich gab es aber auch Enttäuschungen, physische und psychische. Die Hitze dieser heißesten
Tage dieses Sommers setzte mir zu und ich erlitt zwei Sonnenstiche. Durch drei private Einladungen (Prof.Lugi Binder, Prof.Scharg und ein überflüssiges lang andauerndes Mittagessen im
“Römischen Kaiser” für eine kleine Zahl von “Prominenten”) verloren wir die Zeit der Entspannung
völlig, so daß ich wichtige Vorträge und Begegnungen versäumen mußte. Das verärgerte mich und
machte mich nervös.
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Der Zahnabzeß am Unterkiefer bereitete mir große Schmerzen und hinderte mich daran, mich entsprechend zu ernähren, sodaß ich von Kräften kam und völlig erschöpft nach Salzburg zurückkehrte. An die neue Protese, die mir Dr.Nikolaus machte, konnte ich mich erst ab Juni 1978 (!), also
ein Jahr nach der Kieferoperation gewöhnen. Mein Körpergewicht betrug nurmehr 55 kg, genau so
viel wie das Trudls, die alle Strapazen auch besser überstanden hatte als ich und überhaupt prächtig
aussah.
7.–15. September 1977
begeben wir uns in den Lungau zu einem Erholungsaufenthalt nach Mariapfan, wo wir im Berghotel absteigen und 10 Tage lang hauptsächlich durch Spaziergänge zur Ruhe kommen.
30. September bis 2. Oktober 1977
12. Jahrestagung der St.L.Roth-Gesellschaft für Pädagogik in Fulda. Ich vermittle zur Vervollständigung des Programmes eine Tonbildschau über Pestalozzis Leben und Werk, die mich bei der
Feier von Pestalozzis 150. Todestag in Zürich begeistert hatte.
Weihnachten 1977
verbringen wir mit Dorothee in Salzburg. Anschließend begeben wir uns nach Rottach-Egern und
feiern Trudls 75. Geburtstag zusammen mit Paul, Libia, Christine, Hans, Ruthild, Stefan, schließlich kommt auch Otti dazu. Besteigung des Wendelsteins an einem sonnigen Wintertag.
20. Mai bis 3. Juni 1978
Mittelmeerfahrt Venedif – Athen – Rhodes – Kreta – Corfu – Dubrovnik – Venedig. Teilnehmer:
Trudel (ihr 75. Geburtstag), Otto, Dorothee, Gertl. Siehe Trudls Reisebericht vom 5. Juni 1978 an
unsere Kinder und Enkel im Familienbriefordner Nr.14.
7. August 1978
Claudia und ihr Freund Harald kehren auf ihrer Rückfahrt von ihrer Ferienreise über Jugoslawien,
Bulgarien, Rumänien nach Mediasch (Dauer 5 Wochen, zurückgelegte Strecke ca.8000 km) bei uns
in Salzburg zum Mittagessen ein und berichten uns höchst interessant und lebendig von ihren
reichen Erlebnissen. In Mediasch wurden sie auf das freundlichste von Koni betraut. Der Altar, der
die neue Bekrönung erhalten hat, sowie die freigelegten Fresken haben einen starken Eindruck auf
sie gemacht. Claudia war jetzt zum ersten Mal, ohne vorher ihren Plan jemandem zu verraten, in der
Heimatstadt ihrer Großeltern. Der kurze Besuch erfrischte uns auf das willkommenste.
Am gleichen Tag abends ruft Mela telefonisch von Mediasch an und teilt uns freudestrahlend mit,
sie habe den Paß erhalten und werde in kurzem zu Besuch für längere Zeit zu uns kommen.
23. August 1978
Mela trifft bei uns ein. Sie hat eine entsetzlich schlechte Fahrt in einem schmutzigen rumänischen
Wagen I.Klasse über die glühend heiße ungarische Pusta hinter sich. Es war der heißeste Tag dieses
an sich so kühlen und regnerischen Spätsommers. Jetzt schlendert sie durch die Straßen der Salzburger Innenstadt und kann sich an den herrlichen Schaufenstern mit den übervollen Waren nicht
satt genug sehehn.
Nach 4-wöchigem Aufenthalt bei uns und einer Reise zu verschiedenen Bekannten in Deutschland
erkrankt sie auf der Drabener Höhe plötzlich an einem Darmknick, kehrt schnurstracks zu uns zurück und begibt sich auf dringenden ärztlichen Rat am 15. Oktober mit dem Orient-Express wieder
zurück nach Mediasch. Die Arme!
18
4. September 1978
Die Onanie ist ein Laster, das weitgehend moralisches Unbehagen erzeugt. Sie ist aber nicht gesundheitsschädlich und vermag unerträgliche sexuelle Hochspannungen überwinden helfen. R.P.
Am 21. September 1978
begeben wir uns zu dritt auf Reisen. Mela verläßt den Zug in Stuttgart, wo sie von Bekannten (Geng
Rosenauer) erwartet wird, um dann anschließend viele andere Bekannte hier und da in Westdeutschland aufzusuchen. Der Abschluß ihrer Reise wird dann wieder einen längeren Aufenthalt bei
uns in Salzburg bilden.
Trudl und ich fahren weiter nach Heidelberg zur 16. Jahrestagung des AKSL [Arbeitskreises für
Siebenbügische Landeskunde], die vom 22.-24. September einen schönen Verlauf nimmt. Die meisten Teilnehmer steigen wie wir im “Holländer Hof” in der Nähe der schönen alten Neckarbrücke ab,
über die ich als Student im Jahr 1921 täglich von meiner Bude am Röderweg 7 zur Uni ging.
22. September 1978
Am Morgen vor der Eröffnung der Sektionssitzungen der erste Gang über die Brücke, um meine
ehemalige Studentenbude aufzusuchen. Wir müssen aber ziemlich lange die Häuser unter dem
Philosophenweg absuchen, bis wir vor dem Haus stehen, denn der Röderweg ist mittlerweile in den
Hölderlinweg umbenannt worden. Aber Haus und Garten, in dem ich so gerne die Blumen begoß,
sind unverändert erhalten, natürlich haben sie seither wiederholt den Besitzer gewechselt.
Am gleichen Vormittag die Erföffnung einer eindrucksvollen Ausstellung von sächsischen Kirchenburgen und Wehranlagen von Juliane Fabritius-Daxen, mit der ich schon lange in Verbindung stehe,
durch Dr.Rehs vom Institut für deutsche Auslandbeziehungen in Stuttgart, mit dem ich auch schon
lange bekannt bin. Er ist ein exzellenter Sprecher.
Unter den vielen Vorträgen interessieren uns vor allem zwei: der von Dr.C. Göllner über die Migrationen von Rumänen aus Siebenbügen in die Moldau und die Walachei, und jener von Frau Zobel,
einer Magyarin, über die Cséngonen in Rumänien, der Bukowina usw. Nur in diesem Falle beteilige
ich mich an der Diskussion.
Wichtig für mich war die Exkursion am Sonntag Nachmittag nach Schloß Gundelsheim und zwar
im Hinblick auf die Unterbringung meines Nachlasses oder Teile davon im Siebenbügischen Archiv
im Schloß Horneck, das von Balduin Herter sicherlich sehr gewissenhaft geleitet wird. Ich bin aber
doch froh, daß es hoffentlich nicht allzubald dazu kommen wird, denn die zur Verfügung stehenden
Räume sind noch keineswegs dazu geeignet, jedoch sollen sie im Ausmaße der in Aussicht gestellten Mittel ausgebaut und eingerichtet werden. Alle, die mich beraten, versuchen mich dafür zu
gewinnen, von meinem ursprünglichen Plan, das Angebot des Salzburger Landesarchivs für diesen
Zweck in Anspruch zu nehmen, Abstand zu nehmen. Diesem Rat folge ich schon jetzt, indem ich
Herrn Herter drei Sammelmappen übergebe, a) über die Tätigkeit der deutschen Buchgilde in
Rumänien (in zwei Mappen), b) über die Tätigkeit der deutschen Laienbühnen in Siebenbürgen und
c) einen Leitz-Briefordner mit der Vorbereitungsliteratur zu meinem “Prozeß St.L.Roth”. Die unter
b) genante Sammelmappe erhält zunächst Herr Rolf Schuller für eine geplante Ausstellung über das
deutsche Theaterleben in Rumänien. In Briefform wird mir die Übernahme der Mappen bestätigt.
Ein nettes Erlebnis in Schloß Horneck: Trudl begegnet im Altenheim zwei Schwestern unseres
leider schon vor Jahren verstorbenen Freundes Dr.Heinrich Scheiner und erfährt von ihnen, daß sie
bereits mein jüngst erschienenes Buch “Unter 5 Kaisern” mit größtem Interesse gelesen haben. Ihre
Freude nimmt überschwengliche Formen an, als ich ihnen kurz darauf in ihrem Zimmer selbst einen
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Besuch abstatte und wir in Mediascher Mundart einige Worte wechseln. “Medwescheresch met dem
färsigen Folberth Otto rieden ze kennen. Wat fiur en Gläck!”
Schon tagszuvor waren wir zum Tee bei Frau Erna Zintz eingeladen, die in den Jahren 1961-1963
die Handschrift des von mir nach Österreich gebrachten Exemplars des Tagebuchs Michael Conrad
von Heydendorff des Jüngeren in Maschineschrift übertragen und es dadurch lesbar gemacht hatte.
Mit Hilfe meines Mitarbeiters Udo Acker habe ich dann das Tagebuch gekürzt, bearbeitet, kommentiert und mit dem Titel “Unter 5 Kaisern” versehen im Auftrage des “Südostdeutschen Kulturwerkes”, München, herausgebracht. Leider ist der Großteil des Textes in zu kleiner Druckschrift
gesetzt worden, was mir viel Ärger verursacht hat. Die Teestunde bei Frau Zintz und ihrer Tochter
Erika war indessen sehr erholsam und von angenehmen Erinnerungen an ihren Mann, meinen
Regimentskameraden Dr.Richard Zintz, erfüllt.
Die Fahrt von Heidelberg nach Gundelsheim und zurück mittels Autobus fand bei schönstem Wetter statt. Auf der Rückfahrt saß ich neben der Historikerin Dr.Maja Philippi aus Kronstadt, mit der
ich angenehme Gespräche über die Entstehung der berühmten Honteruskarte führte. Meine Hypothese, Honterus könne die Unterlagen dafür nur hoch zu Roß, ein Handpferd mit seinem Gepäck
neben sich führend, von Pfarrhof zu Pfarrhof reitend, zusammengetragen haben, akzeptierte sie
ohne weiteres.
Während der Tagung führte ich wiederholt Gespräche mit Golle über seinen Vorschlag, eine Zusammenstellung kleinerer Arbeiten von mir in Buchform im Kriterionverlag herauszubringen. Frau
Hedi Hauser, die Leiterin des Verlages, hatte mir ja schon im Vorjahr in Hermannstadt den gleichen
Vorschlag gemacht. Jetzt rät auch Dr.Roland Böbel, von mir darauf angesprochen, dazu. In Gollos
Institut erscheinen nämlich seit einiger Zeit Arbeiten über die siebenbürgisch-sächsische Literatur
der letzten Jahrhunderte und gerade will man sich bereits des 20. Jahrhunderts annehmen. Bearbeiter meines Buches soll nach Wunsch von Gollo ein Oberassistent am Institut, Stefan Sienerth aus
Busd bei Mediasch, werden.
Wir verbleiben so: ich schicke an Gollos Büro als Drucksache zunächst ein Werkverzeichnis von
mir (mit Farbfoto). Nach getroffener Auswahl erhalte ich einen Entwurf, aus dem die Absichten des
Bearbeiters hervorgehen. Gollo nimmt an, daß die Korrespondenz zwischen Hermannstadt und mir
im Laufe des Jahres „79 stattfinden und das Buch im Laufe des Jahres „80 gedruckt werden könnte.
Montag, den 25. September 1978
begeben wir uns mit Trudl über Mannheim nach Lauenau zur Familie unseres Sohnes Hans.
Gespräche über a) Wienenburg, b) über Benze-Kollektion. Hülsta-Werke. Wir bleiben 10 Tage. Das
Wetter ist sehr unfreundlich, regnerisch, kalt, sehr windig, ozeanisches Klima, typisch norddeutsch.
Kein Wunder, wenn die Menschen von hier in ihrer Freizeit in Scharen nach dem Süden drängen.
Unsere Enkel Martin und Stefan scheinen sich mit diesen Unabänderlichkeiten besser abgefunden
zu haben als ihre Eltern.
Mit Hans mache ich trotz Wind und Wetter täglich Spaziergänge, wobei er mich ausführlich über
seine Absicht unterrichtet, seinen Posten zu wechseln. Gerade während unsere Anwesenheit führt er
mit den Herren der Hülsta-Werke in der Nähe der holländischen Grenze entscheidende, jedenfalls
vielversprechende Verhandlungen. Einmal kam das schöne Gespräch mit ihm über unser religiöses
Denlen, aus dem ich zum ersten Mal erfahre, wie gleichgerichtet wir sind. Ich verspreche ihm, ein
Exemplar meiner Doktordissertation über “Meister Eckehart und Laotse” zukommen zu lassen.
Von den beiden Enkeln ist besonders Martin (15) infolge seiner Pubertätszeit in einer stürmischen
Entwicklung. Er hat mutiert und spricht mit tiefer Stimme. Noch immer schwierig, verrät sein
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Wesen doch eine tiefe Umwandlung. Der Ferienaufenthalt in Schweden hat ihm gut getan. Stefan
(12) ist nach wie vor der liebenswürdigere harmlosere Junge mit viel Herz, aber ebenfalls sehr
intelligent. Mit dem “Blauen Enzian” eine bequeme Heimfahrt. Die liebe Ruthild, die sich mit
ganzem Einsatz der Erziehung ihrer Kinder widmet, bringt uns zu diesem Zug.
6.–8. Oktober 1978
Südostdeutsche Historische Kommission tagt in München. Kleine Arbeitstagung, die im Gegensatz
zu Heidelberg (AKSL) bloß zwei Vorträge im Programm hat und daher längere Diskussionen
ermöglicht, an denen auch ich mich beteilige. Allerdings nur zum Vortrag von Günter Schödl,
Erlangen, über nationalpolitische Probleme von 1918. Ich bin der einzige Augenzeuge des Mediascher Anschlusses vom 1. Januar 1919 und versuche dabei die Rolle von Rudolf Brantsch glaubhaft
zu machen.
Den zweiten Vortrag hält Dr.Anton Schwob über den Südtiroler Oswald von Wolkenstein.
Sehr wertvoll für uns war, noch vor Beginn der Tagung, die Stadtrundfahrt durch das großzügig
wiederaufgebaute München und am Abend die Einladung zu Rolf von Steinburg. Am darauffolgenden Sonntag, Fahrt mit der neuen Schnellbahn bei herrlichem Wetter und in Begleitung von Ella
nach Starnberg, Schiffahrt nach Schloß Berg, dort Mittagessen.
“Was wäre die Religion ohne Mystik?” Gabriel Marcel, französischer Philosoph.
Salzburger Nachrichten vom 13. Oktober 1987
“Zwei-Kinder-Familie gilt als Ideal. Hamburg (dpa). Nach dem Donnerstag in Hamburg veröffentlichten Ergebnis einer Meinungsumfrage glauben die Deutschen, daß arm dran sei, wer viele Kinder
habe. Nur 6% könne sich eine Familie mit vier Kindern, aber 70% ein kinderloses Paar auf einer
schönen Reise vorstellen. Rund zwei Drittel der Befragten verbinden eine gute finanzielle Situation
und eine schöne Wohnung mit kinderlosen und nicht mit kinderreichen Ehen. Als besorgniserregend wird in der Analyse dieser Umfrage bewertet, daß 52% die Ansicht vertraten, eine kinderreiche Familie habe gegen gesellschaftliche Vorurteile zu kämpfen und werde in der Öffentlichkeit
schief angesehen. Mehr als drei Viertel der Befragten bezeichneten die Zwei-Kinder-Familie als
ideal. Jeder vierte Befragte sprach sich für mehr als zwei Kinder aus. Vor zwanzig Jahren tat das
noch jeder dritte.”
Welcher moralische Niedergang!
20. Oktober 1978
Heute weilen unsere Gedanken immer wieder bei unserm Paul, der Zeuge eines bedeutenden Ereignisses in seinem beruflichen Leben gewesen sein muß. Daß er am 1. Oktober von Rio an die Baustelle des Wasserkraftwerkes Itaipú am Paranáfluß – seinem Wunsche gemäß – versetzt werden
sollte, wußten wir bereits aus seinen letzten Briefen. Allein, daß heute der Durchstich des Umleitungskanals erfolgen werde, erfuhren wir erst durch Rundfunksendungen, die wir zufällig abhörten.
Es lautete in ihnen: Itaipú sei das größte Wasserkraftwerk im Bau jetzt auf der Welt, sechs Mal
größer als beispielsweise Assuan in Ägypten. Es seien 30.000 Arbeiter dabei beschäftigt. Die
Explosion sei durch General Geisel ausgelöst worden, der bis vor kurzem Präsident von Brasilien
war. Die Flutwelle sei 40 m hoch durch den Kanal gebraust. Man rechne mit der Fertigstellung des
Kraftwerkes schon im Jahr 1988. Wir sind aufs höchste auf den nächsten Bericht Pauls gespannt
und überhaupt auf die Veröffentlichungen der Presse über das Ereignis.
31. Oktober 1978
Von Koni erfahren wir telefonisch, daß seine Muttr seit einer Woche auf der Krebsabteilung der
Universität in Klausenburg in einem 4-Bettzimmer liege und am 30. Oktober operiert werden soll.
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Der ärztliche Befund von Drabender Höhe ist für richtig angesehen worden, ebenso der Rat sie solle
so schnell als möglich nach Mediasch heimkehren.
16. November 1978
Ich telefoniere mit Koni und erfahre, daß seine Mutter operiert worden ist. Man hat ihr vom Darm
eine Länge von ca.½ m weggeschnitten, obwohl die entzündete Stelle sehr klein gewesen sein soll.
Der Arzt ist zuversichtlich, weil der Eingriff doch verhältnismäßig frühzeitig erfolgen konnte. Jetzt
ist Mela bereits wieder in Mediasch, zwar sehr geschwächt, aber sie darf und soll sich bewegen,
gehen usw.
17.–18. November 1978
Otti ist für wenige Tage dienstlich von Riverside nach München geflogen und besucht uns in Salzburg, wo er zweimal übernachtet. Hochinteressante Gespräche mit ihm, auch über unsere internen
Probleme: die fehlenden Karten und Blätter in unserer Ahnentafel, seitdem Paul Lichtpausen in
Rothach-Egern zur Jahreswende 77/78 angefertigt hat; die Frage nach dem Ort der Aufbewahrung
meines Nachlasses; die ergreifend schönen Studienprotokolle in meiner Doikumentenmappe usw.
Nächsten Tag trudelt auch Walter ein und berichtet uns ausführlich über seine abenteuerliche
Ferienfahrt nach Portugal. Otti zeigt uns wieder schöne Dias von seiner Alpendurchquerung.
17. Dezember 1978
Heute, eine Woche vor Weihnachten, erreichen uns eine Reihe von Nachrichten, auf die wir schon
lange gewartet haben:
a) Otti teil uns in einem Rundbrief an seine Eltern und Geschwister günstige Einzelheiten über das
Leben in Amerika mit, besonders eine sportliche Glanzleistung: er hat an einem Marathonlauf (42,5
km) teilgenommen und diesen gut zu Ende gebracht, wenn auch mit der letzten Kraft. Im Alter von
54 Jahren!
b) Auch Klaus hat in einem Rundbrief von sich hören lassen. Es geht ihnen gut, allerdings verlangt
das Leben auch von ihm Höchstleistungen, da er beruflich zwischen zwei Lederfabriken im Masif
Central (vor allem in Le Puy), Grenoble, St.Martin und oft auch Paris hin und her pendelt.
c) Aus Lauenau ruft Ruthild an. Hans hat seinen Schock wegen der Enttäuschung über die Absage
im letzten Augenblick von der in Aussicht gestellten Entscheidung der Hülsta-Werke wenn auch
schwer so doch überwunden. Wir bedauern ihn sehr. Freuen würden wir uns, wenn es zu dem Plan
kommen könnte, mit ihm und Dorothee zusammen einen Winterurlaub in Bad Kleinkirchheim zu
machen.
d) Schließlich ruft Paul, den wir mittels Brieftelegrammen um Nachricht gebeten hatten, telefonisch an und führt mit mir ein längeres Gespräch während Trudl gerade ein Heilbad in der Badewanne gegen ihre Ischiasanfälle nimmt. Es ginge bei ihm in Iguaçú alles in bester Ordnung, nur
habe er infolge Arbeitsüberlastung noch nicht schreiben können.
Glücklich über diese Nachrichten begeben wir uns zu Bett und danken Gott innig.
23. Dezember 1978
Nur wer seinen Egoismus haßt, weiß was Liebe ist.
Um Weihnachten und Neujahr 1978/79
erleben wir einzigartige Ereignisse in Gedanken mit. Otti ist ja von IBM für ein Jahr (von Sept.78
bis Sept.79) in die Zentrale dieser Weltfirma nach Riverside bei New York versetzt worden, wohin
er seine ganze Familie hätte mitnehmen können. Studienhalber konnten seine drei Kinder (Claudia,
Walter und Harald) aber nicht mit von der Partie sein. Drei Wochen erleben auch sie Amerika und
berichten uns darüber ausführlich in Briefen, so daß ich statt eigene Eintragungen hier bloß auf
diese verweise und zwar auf folgende: auf den Brief Ottis vom 9.12.78, auf den Brief Claudias vom
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17.1.79 und auf den Brief Roswithas vom 21.1.79. Alle befinden sich im Briefordner Nr.14 der
Briefordnerserie, in der ich ausschließlich Korrespondenz mit unsern Kindern, Schwiegerkindern
und unsern Enkeln aufbewahre.
21.–28. Februar 1979
Verbringen Trudl, Dorothee und ich einen erholsamen, kurzen, jedoch sehr gelungenen Winterurlaub in Altenmarkt bei Radstadt. Wir wohnen in der kleinen Pension bei Frau Biehl. Am Vormittag
wandern wir, Dorothee macht Langlauf mit viel Spaß, am Nachmittag halten wir uns stundenlang
im schönen, neuen Hallenbad auf. Am Faschingsdienstag Ausflug nach Zauchensee. Die Hälfte der
Zeit über schönes sonniges Wetter.
14. März 1979
Erwin Wittstock ist ein Dichter, der die Kontrolle über sein Phantasie verliert.
21.–28. März 1979
werde ich in der Salzburger Augenklinik von Primar Prof.Dr.Kutschera am grauen Star des linken
Auges operiert. Ich verbinge sechs Tage in der allgemeinen Abteilung der Klinik (8 Betten) und
werde dann in häusliche Plege entlassen. Bis auf weiteres muß ich eine dunkle Brille tragen und soll
das Auge möglichst schonen.
27.–30. März 1979
weilt Paul zu kurzem Besuch aus Italien komen, und läßt sich auch, aber bei Dr.Schweiger, eine
kleine Operation an einem Augenlid machen, die ihn 6500 Schilling kostet.
Am 1. April 1979
wird unsere Enkelin Christine in Karlsruhe konfirmiert, zu welchem Zweck Paul eigentlich nach
Europa gekommen ist. Da wir an der Festlichkeit nicht teilnehmen, geben wir Paul als unser
Geschenk für Christine einen schönen Ring mit drei Diamanten aus der Kravatte ihres Karresurgroßvaters mit. Anschließend begeben sich Paul, Christine und Ruth zu einem Osterurlaub nach
Florida da in Europa noch winterliches Wetter herrscht. Leider aber ruft Paul nicht, wie versprochen, kurz vor dem Abflug aus Frankfurt an, so daß wir bis heute, den 24. April ohne jede
Nachricht von ihm bleiben.
14.–17. April 1979 – Ostersamstag bis Osterdienstag
Nervenzusammenbruch Trudls, da unser Hausarzt verreist ist. Trotz des schön zuwerdenden Wetters, dunkelste Tage für uns. Diesntag, den 17.4. abends Aufnahme Trudls in die uns von früher
wohlbekannte Klinik. Ich bin allein, ich Unglücklicher.
Montag, den 24. April 1979
kommt Dorli aus Gallneukirchen für vier Tage, um mir im Haushalt beizustehen. Sie erfüllt ihre
Aufgabe aufs vorzüglichste. Ich freue mich, wie selbstständig sie geworden ist.
30. April 1979
besucht mich Ministerialrat a.D. Dr.Oskar Schuster. Lange, sehr aufschlußreiche Gespräche. Er ist
über meine ungedruckten Materialien beeindruckt und drängt mich, sie möglichst bald abzuschließen und zu veröffentlichen. Carpe diem! Besonders die Arbeit über den Coetus halte er für besonders wichtig und werde sich für sie einsezten. Zum Beispiel solle ich mit dem Verlag Johann Rau,
Düsseldorf, die Verbindung suchen. Aber die Texte müßten druckreif sein. Er warnt auf das entschiedenste vor einer Zusammenarbeit mit Dr.Mieß (Wort und Welt Verlag).
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12. Mai 1979
Die vor zehn Jahren erstellte Erinnerungstafel an St.L.Roth an der Morzger Eiche mußte wegen
Straßen-Neuarbeiten durch eine neue Tafel ersetzt werden. Es geschah am 130. Todestag, den wir
wegen des schlechten Wetters um einen Tag auf den 12. Mai verschoben. Trotzdem regnete es bei
der Feier zuweilen in Strömen. Aber die zahlreichen Teilnehmer ließen sich nicht stören. Sie
standen wie eine Mauer. Niemand verließ den Platz. Das war vor allem ein Erfolg der großartigen
Festansprache von Senior Ekkehard Lebouton, der zu meiner größten Überraschung den Vorschlag
machte, den zur Eiche führenden Weg als Otto-Folberth-Weg zu benennen.
Montag, den 14. Mai 1979
wird Trudl nach 27 Tagen aus der Nervenklinik, Gott sei Lob und Dank, entlassen, da sie nun
wieder schlafen kann. Es war ein schrecklicher April, wie eine neue Eiszeit. Ich besuchte sie fast
täglich, aber bei dem schlechten Wetter konnten wir nur selten im schönen großen Park der Anstalt
spazieren gehen. Zahlreiche Briefe unserer Kinder und Enkel erleichterten uns die traurige Zeit. Nur
Paul enttäuscht durch sein Schweigen. Dafür berichtet uns sein Töchterchen Christine in einem
Brief vom 20. Mai reizend über ihre gemeinsamen Erlebnisse nach der Konfirmation in Kalrsruhe
über ihre Ferienreise nach Florida.
Am 25. Mai 1979
heiratete unser älteste Enkelin Claudia, die Tochter Ottis, ihren Tübinger Studienkollegen Harald
Bay in Grunbach, einem Ort in der Nähe von Stuttgart. Beide hatten kurz vorher ihr Staatsexamen
mit gutem Erfolg abgelegt und bemühen sich nun, möglichst an der gleichen Schule irgendwo in
Baden-Württemberg ihr Lehramt anzutreten. Claudia hat Geschichte und Sport studiert. Ihr Mann
ist sehr sympatisch und gefällt uns ausgezeichnet. Seine Familie bestes schwäbisches Bürgertum,
wohnt in einem sehr gepflegten Haus mit schönem Garten. Vater Schwerkriegsverletzter.
Obwohl Trudl und ich noch klapperige Rekonvaleszenten sind, nahmen wir an der großen Hochzeit
(80-200 Personen) im Einverständnis unserer Ärzte teil und bereuhen es nicht. Dorothee begleitete
uns. Wiedersehen mit der Familie Ottis (der jetzt ein Jahr lang in der Zentrale der IBM in Riverside
in den USA arbeitet), mit den Familien von Klaus und Hans und unzähligen Bekannten und Unbekannten. Das Wetter hochsommerliche Hitze. Weitere Eintragungen verhindert mein noch nicht
normalisiertes, am grauen Star operiertes Auge, in dem ich eine weiche Dauerkontaktlinse trage und
überdies bei hellem Licht eine dunkle Brille. Otti, der jetzt in einem grausamen Streß lebt, zwischen
Amerika und Europa hin- und herfliegt, stellte seinen Mann als Brautvater in jeder Hinsicht in
vorbildlicher Weise. Überhaupt konnten wir auf alle unser Kinder wieder aufrichtig stolz sein.
1. Juni 1979
verkaufen unsere Kinder Hans und Ruthild ihr chönes Haus samt Garten in Lauenau um den Preis
von DM 335.000, um sich in Schramberg in Süddeutschland ein neues Haus zu schaffen, wo Hans
nach Kündigung bei Casala eine neue Arbeitsstätte gefunden hat. Die Errichtung ihres Hause in
Lauenau hatte sie DM 135.000 gekostet.
Am 1. Juni 1979
überrascht uns ein Besuch eines Kriegskameraden von Otti, Dr.Michael Bresser, ein Banater
Schwabe, der die letzten Kämpfe im Mai 1945 an Ottis Seite im Harz mitgemacht hat und mit ihm
zusammen in amerikanische Kriegsgefangenschaft gefallen war. Wir hören von ihm zuerst über
Ottis waghalsige Flugeinsätze zu Übungszwecken, bis ihnen der Sprit ausgegangen war (Kunstflüge). Er selbst hat uns darüber nie etwasverraten! Derzeit befinden sich beide in den USA, ganz nahe
von einander, ohne davon Kenntnis zu haben.
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26. Juli 1979
besucht mich Arch.Dr.Hermann Fabini auf der Durchfahrt in Salzburg – von einem kirchlichen
Kongreß in Amerika kommend. In wenigen Stunden liest er bei mir meinen Briefwechsel mit Leo
Priebisch und äußert sich recht kritisch dazu.
Sonntag den 29. Juli bis Sonntag den 5. August 1979
verbringen wir auf Einladung Pauls zusammen mit seiner Frau Libia und seiner Tochter Christine
(14) eine erholsame Woche in St.Gilgen, wo ich im “Seehof Nebrich” (Frau Reamer) ein
romatisches Quartier schon lange vorher gemietet hatte. Mit Trudl fröhnen wir dem Badevergnügen
trotz des wechselvollen kühlen Wetters, teils im dortigen Hallenbad, dreimal aber auch im frischen
Wasser (20º) des Wolfgangsees. Einmal machen wir eine Bergwanderung über Fürberg und dem
Falkenstein nach Ried, vermutlich unsere letzte große turistische Leistung. Kehren mittels Schiff
nach St.Gilgen zurück.
Am 7. August 1979
erfahren Paul und Christine telefonisch aus Karlsruhe die Nachricht, daß die Großmutter der
Christine gestorben sei und am 10. August begraben werde. Paul entschließt sich, seine Europareise
abzuändern und bringt Christine in Ottis Wagen (der ihn statt eines teuren Mietwagens von Otti,
dessen Aufenthalt in Amerika noch nicht abgelaufen war, zur Verfügung stand) wieder zu ihrer
Mutter zurück nach Karlsruhe.
Am Sonntag den 12. August 1979
findet die Trauung von Rotraut Suther und Udo Acker im Kirchlein von Seekirchenam Wallersee
statt. Die Veranstaltung hat hohes künstlerisches Niveau, wie Trudl und ich es noch niemals erlebt
haben.
Seit Montag den 6. August 1979
beziehen wir nichtmehr das sogenannte “Essen auf Rädern”, sondern Trudl vermag gottlob ihrer
Küchenpflicht wieder nachzukommen und unsern Haushalt selbst zu führen, obwohl ihr unser
Hausarzt Dr.Urban noch nicht erlaubt hat, alle ihr verordneten Medikamente abzubauen. Ein ungewöhnlich schwerer, witterungsmäßich abnormaler Winter hat somit hoffentlich ein Ende gefunden.
In diesem letzten Halbjahr haben wir beide stark gealtert.
2. September 1979
Glückhafte Stunden in Erinnerung zu behalten, ist die wundervollste Eigenschaft des Gedächtnisses.
14.–15. September 1979
Otti weilt, nach Abschluß seiner erfolgreichen einjährigen Tätigkeit beim IBM in den USA zu
kurzem Besuch bei uns in Salzburg. Er berichtet hochinteressant nicht nur über ihren Aufenthalt in
Amerika (einschließlich dem von Roswitha, Claudia plus ihrem jung angetrauten Mann Harald
Walter Bay, Walter und Harry Folberth) sondern auch über seine beruflichen Erlebnisse und die
vielen Reisen, die sie teils zusammen, teils einzeln gemacht haben (Peru, Kanada, Hawai usw.). Es
war für alle ein ungewöhnlich bewegtes Jahr das wir Alten in Form von Briefen und Bildern
miterlebten.
5.–7. Oktober 1979
tagt der AKSL [Arbeitskreis für siebenbürgische Landeskunde] in Salzburg. Hauptorganisatoren
waren Rotraut und Udo Acker. Am Vorabend besichtigte der jetzige 1.Vorstand Dr.Ernst Wagner
meine reiche Bücher- und Handschriftensammlung und sonstige archivarische Schätze und schlug
der Mitgliederversammlung vor, für all das im Siebenbürgischen Archiv im Schloß Horneck einen
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neu hergerichteten Raum mit fachgerechter Aufwahrungsmöglichkeit zur Verfügung zu stellen und
diesen Raum nach mir zu benennen. Der Vorschlag wurde einhellig begrüßt. Besonders eindrucksvoll verlief der Ausklang der Tagung nach der Besichtigung der St.L.Roth-Eiche und Sachsenheim,
die siebenbürgische Siedlung bei Elexhausen.
13.–26. Oktober 1979
Reise mit Trudl nach Schramberg und Böblingen, wo wir die Familien von Hans und Otti je eine
Woche lang besuchen. Hanzo und Familie sind im August von Lauenau nach Schramberg, das heißt
von Norddeutschland nach Süddeutschland, also von Niedersachsen nach Baden-Württemberg
übersiedelt. Gewaltige Umstellung in jeder Beziehung, hoffentlich mit gutem Ausgang. Besonders
für die beiden Söhne, Martin (16) und Stefan (14) keine leichte Aufgabe, jedoch scheinen sie sie
bewältigen zu können. Hans jetzt in einer Spitzenstellung der Großfirma Hülsa für Wohnmöbel, die
mehrere Werke besitzt. Hans leitet zwei von ihnen bei Schramberg im Schwarzwald. Ruthild eine
bewundernswerte Hilfe für ihn und die Kindererziehung. Die neue Mietwohnung etwas zu klein,
aber sehr originell gestaltet und eingerichtet. Wenn alles gut geht wollen sie in 1-2 Jahren größer
bauen.
Martin sehr ______ , aber in mancher Beziehung noch gehemmt. Stefan besucht einen Reituntericht
dem wir eine Stunde lang beiwohnen. An einem verregneten Sonntag Fahrt nach Freiburg, wo sich
mein Vetter Dr.Hermann Folberth und zahlreiche andere Landsleute niedergelassen haben. Nach 59
Jahren sehe ich das herrliche Münster wieder. Abenteuerliche Rückfahrt durch den dunkeln
Schwarzwald. Am 19. Oktober Fahrt mit Ruthild bei schönem Wetter nach dem Städtchen Schiltach
mit wunderbar alten Fachwerkbauten. Jause in Schenkenzell mit erstem Schnee. Gespräch Sepps,
der Musterungen in Schramberg als Stabsarzt a.D. durchführt. Reitstunde Stefans.
Freitag, den 19. Oktober 1979
holen uns Otti und Roswitha und bringen uns nach Böblingen. Samstag den 20. Oktober Fahrt mit
Otti und Roswitha nach Gundelsheim, wo uns Balduin Henter und Frau Gisela Richter das neue
Archiv zeigen. Der Vorschlag “Stiftung Otto Folberth” gefällt ihnen gut. Ich überreiche ihnen einen
ersten Vertragsentwurf.
23. Oktober 1979
telefoniere ich mit Gundelsheim, nachdem ich meinen ersten Entwurf mit Hilfe von Otti ergänzt
habe und schicke die zweite Fassung per Post nach Gundelheim.
25. Oktober 1979
Besichtigung des großzügigen Hauses der Donauschwaben in Sindelfingen. Freundliche Aufnahme
durch den Geschäftsführer Jakob Wolf. Herr Komanscheck empfiehlt mir, Dr.Ernst Wagner für die
Arbeit über Roths Schwabeneinwanderung zu gewinnen.
26. Oktober 1979 – Ankunft in Salzburg
Da uns Otti an den letzten Abenden prachtvolle Dias von ihren Reisen in Amerika, Rußland und auf
Hawai gezeigt hat, haben wir selbst das Gefühl, Weltreisen unternommen zu haben.
21. November 1979
Rotraut Acker-Suther nimmt heute in ihrem Auto 5 schwere Kartons (Pakete) mit Materialien für
die mir vorgeschlagene “Otto-Folberth-Stiftung” des Siebenbürgischen Archivs auf Schloß Horneck
in Gundelsheim mit. Mögen sie gut ankommen! Die gelbe Klemmappe mit meinen bibliographischen Daten zählt 121 provisorisch paginierte Seiten.
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Nachher die wohltuende Entspannung im Bett. Beim letzten Hochzeitsfest bin ich 83 Jahre und 5
Monate. Ein freiwilliger Abschied von der gnadenreichsten Epoche meines Lebens.
10. Dezember 1979
Unser Klaus besucht uns für eine Nacht und einen halben Tag aus beruflichen Gründen, um in
Eggersberg bei Mattighofen bei Herrn Anton Stöger Kalbfelle einzukaufen. Endlich erfahren wir
Näheres über ihr zerissenes Leben in Le Puy, Bort und Grenoble. Dann über Magda, Beatrice und
Klaus-Michael, dessen Anfälle gottlob immer seltener werden. Klaus ist noch immer die
“Prachterscheinung” unserer Kaste und scheint sich als Generaldirektor (Président du Directoire)
von zwei halbstaatlichen Lederfabriken tortz großer Schwierigkeiten infolge seiner Fachkenntnisse
und ungeheuren Fleißes durchzusetzen. Béatrice ist nach Toulouse versetzt worden, ihr Freund
(“Nr.19”) aber ist in Paris tätig. Er soll gleichaltrig mit Béatrice und zum Kummer Magdas etwas
kleiner sein als sie. Natürlich verfliegen die Stunden mit Klaus wie im Flug, doch hofft er in der
Zukunft öfters “Geschäftsreisen” dieser Art in unsere Nähe zu unternehmen.
Dezember 1979 – Januar 1980
Um mein operiertes Auge (links) zu schonen, liest mir Trudl wochenlang eine ½ Stunde vor dem
Schlafengehen aus guten Büchern vor: zum Beispiel “Die Farm in den grünen Bergen” von Alice
Zuckmeyer-Herdan. Auch von Zuckmeyer selbst, den wir schon lange außerordentlich schätzen
(“Als wärs ein Stück von mir”), die “Henndorfer Pastorale”. Von Randolf “Soldat im alten
Österreich”, ein Buch, das mich an unzählige meiner eigenen Kriegserlebnisse erinnert. Das schöne
Buch von Helene Voigt-Diederichs “Auf Marienhof”, das uns die Dichterin selbst noch nach ihrem
Besuch in Mediasch geschenkt hat. Die zwei ergreifenden Bücher von Hanna Reitsch “Fliegen –
mein Leben” und “. . . . . “, das erstere schenken wir unserer Enkelin Béatrice in Toulouse, die dort
in Kürze ebenfalls fliegen lernen soll, und außerdem unserm Neffen Koni in Mediasch.
Am 28. Januar 1980
stirbt unsere liebe Schwägerin Mela an Darmkrebs.
Im März 1980
begibt sich Trudl ohne erkenntliche Ursachen – es sei denn die kalten Wetterstürze nach einem
abnormalen frühlingshaften warmen Februar setzten ihr seelisch zu – wieder auf Talfahrt und muß
sich ins Krankenhaus der barmherzigen Brüder aufnehmen lassen, wo sie von Dr.Neusburger
theoretisch und Dr.Oberauer jun. praktisch behandelt wird. Dort rutscht sie eines Tages auf dem
glatten Fußboden aus und zieht sich einen Oberschenkelhalsbruch zu. Sogleich wird sie in das
Salzburger Unfallkrankenhaus überstellt, wo sie in der allgemeinen Klasse, aber in einem sehr
schönen Zimmer (mit 6 Betten) untergebracht ist. Zwei Tage darauf, am 15. März, begebe ich mit
mit Dorothee, die gerade Urlaub erhalten hat, nach so viel Aufregungen für eine Erholungswoche
nach Bad Hofgastein.
Dieses Heft berichtet kurz über die Höhen und Tiefen unseres Familienlebens in den letzten Jahren.
Die Tiefen sind oft nur angedeutet, weil ich sie rasch vergessen will. So, zum Beispiel machte mir
ein Karbunkel auf dem rechten Schulterblatt 8-10 Wochen, jedoch ohne Schmerzen, zu schaffen.
Trudl mußte mich nach Anweisung von Dr.Urban zweimal täglich verbadern.
Am 12. März 1980
unterzeichnete ich den von Dr.Ernst Wagner und Balduin Henter fertig gestellten “Überlassungsvertrag” betreffend die “Otto-Folberth-Stiftung” zugunsten des Siebenbürgischen Archivs auf
Schloß Horneck in Gundelsheim.
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Ins Reine geschrieben
von Paul J. Folberth
im April des Jahres 2004
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