Death Proof - Philip Koch

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Death Proof - Philip Koch
„Death Proof“: Quentin Tarantino im Rückwärtsgang?
Quentin Tarantino gehört schon zu den Ausnahmeerscheinungen in Hollywood: Einer
der großen Big Players, der sich alles erlauben kann, der ein Massenpublikum
weltweit in die Kinos zieht, und gleichzeitig einer der großen Filmautoren des
Amerikanischen Kinos ist: Tarantino ist die Schnittstelle zwischen dem USIndependentfilm und dem marktorientierten Erzählprodukt, und lebt den Traum jedes
unabhängigen Filmemachers: Millionen Dollar dafür zur Verfügung gestellt zu
bekommen, seinen Film so zu machen, wie er es sich vorstellt. Ein Luxus freilich, den
er sich hart erarbeitet hat, und, gemessen an seinem überschaubaren, aber umso
famoseren Oeuvre, mehr als verdient ist: Seit „Reservoir Dogs“, seinem krachendem
Debüt, folgte jener Film, der die Kategorie des Kult-Films aus dem Underground
hervorholte und einem Millionenpublikum zugänglich machte: „Pulp Fiction“.
Gefolgt von „Jackie Brown“, seinem stärksten Film, und jüngst die beiden „Kill Bill“Rachefantasien, ebenfalls Riesenerfolge. Nach so einer Erfolgsstory kann man sich
schon mal einen Fehlgriff erlauben; auch wenn die internationale Kritik, wahlweise
aus Mitleid wegen des grandiosen kommerziellen Flops in den USA, oder aus der
eitlen, cineastischen Selbstgefälligkeit heraus, sich an Tarantinos müdem Zitate-Brei
zu ergötzen, nicht wahrhaben will, dass Quentin Tarantinos fünfter Film „Death Proof
– Todsicher“ sein mit Abstand schwächster ist, und mit Vollgas an dem Ur-Bedürfnis
des Kino-Zuschauers vorbei rauscht: Unterhalten zu werden.
Dabei schien es so viel versprechend zu sein, das infame „Grindhouse“-Projekt: Die
Wiederbelebung des amerikanischen Schmuddelkinos der 70er Jahre, als
Doublefeature mit seinem Regie-Kumpel Robert Rodriguez (dessen Segment „Planet
Terror“ um ein vielfaches besser ist, wenn auch weniger anspruchsvoll), durch
aberwitzige Vorschauen fiktiver Filme – unvergesslich schon jetzt: „Machete“ –
verbunden. Die 3-stündige Hommage an das Exploitation-Kino allerdings, wurde an
den US-Kinokassen so böse abgestraft, dass die beiden Filme nun aufgeteilt wurden
und einzeln in die Kinos kommen, um kommerziell zu retten, was zu retten ist.
Der Plot von „Death Proof“ hört sich zudem auch wahnwitziger an, als er letzten
Endes rüberkommt: Unkonventionell, und mit dem dramaturgischen Stinkefinger
gegenüber Aristoteles, unterteilt Tarantino seinen Film in zwei Hälften, in denen
jeweils eine Gruppe Mädels dem Stuntman Mike (großartig: Kurt Russel) zum Opfer
fallen – einem Serienkiller, der seine Opfer mit seinem death-proof-sicheren Auto zur
Strecke bringt. Während die erste Gruppe (gespielt von Sydney Tamiia Poitier,
Vanessa Ferlito, Jordan Ladd, Rose McGowan) nach einem Abend in einer Bar dem
vernarbten Mörder nicht entkommen kann, liefert sich die zweite Gruppe nun tafferer
Mädels (Rosario Dawson, Tracie Toms, Zoe Bell, Mary Elizabeth Winstead) ein
tödliches Katz und Maus-Spiel – auf den texanischen Landstraßen bei 180 Sachen.
Und das ohne digitale Spezialeffekte! Zweifelsohne gehört die Verfolgungsjagd am
Ende des Films zu den spannendsten Höhepunkten und können durchaus begeistern –
die endlosen Gespräche seiner girls allerdings, sind so spannend wie ein FormelDrei–Rennen im Standgas, und taugen mehr für Drehbuch-Workshops, wie man gute,
realitätsnahe Dialoge schreibt. Denn auch darin ist Tarantino ein Meister seines
Fachs. Und ohne nun sexistisch klingen zu wollen – aber es ist nun mal ein
Unterschied, ein himmelweiter, ob sich ein Samuel L. Jackson und John Travolta über
einen Quarter Pounder with cheese unterhalten, oder vier girls über Gott und die
Welt. Sie tragen (obzwar alles tolle Darstellerinnen) die Erzählung einfach nicht.
Tarantinos Film entwickelt keinen Sog, der den Zuschauer aus seiner Zeit entführt:
Die Geschichte dümpelt im Leerlauf vor sich hin – und exploitation, man kann ihm
vieles vorwerfen: Exploitation hat niemals gedümpelt. Ein weiteres Manko ist auch
die Tatsache, dass Tarantino hier erstmals selbst Hand an die Kamera gelegt hat:
Auch und ganz besonders in der technischen Umsetzung kann „Death Proof“ kein
Feuer entfachen, sei es so subtil wie in „Jackie Brown“ oder so laut lodernd wie in
„Kill Bill“. Auch hier schwankt der Film zwischen Konvention, Subtilität und dem
völlig inkonsequent durchgezogenem Konzept des „alten Filmstreifens“, was zu den
technisch gravierendsten Schwächen gehört: Ist der Anfang noch übersäht mit
absichtlichen Kratzern auf dem Filmbild, Asynchronitäten, griesselig-schmutziger
Bildqualität und falschen Schnitten, um den feel der Grindhouse-Filme wieder fühlbar
zu machen, so geht dieses Konzept ab etwa der Hälfte des Films immer mehr
abhanden, als hätten die Macher irgendwann einfach keine Lust mehr gehabt.
Wirklich schade. Dabei hat der Film, handwerklich gesprochen, wirklich viele sehr
positive Seiten: Umwerfende Darstellerinnen, eine gekonnte Inszenierung,
ausgezeichnete Dialoge, einen originellen Plot, spannende Verfolgungsjagden, und
tolle Autos – und doch kommt der Film einfach nicht in Fahrt.
Um mit dem Größten der Kleinen Filmemacher zu zitieren, Ed Wood: „Film is not
about the details. It’s about the big picture“. Auch die schlechtesten Filmemacher
dürfen einmal Recht haben: Virtuose Einzelteile bilden nicht immer ein
überzeugendes Ganzes. Und so wirkt „Death Proof“ wie ein falsch
zusammengesetztes Puzzle, mit auf den Punkt gebrachten details, aber einem big
picture, auf dem nichts zu erkennen ist.