Bruno Banani - business

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Bruno Banani - business
Hans Borchert
Bruno Banani
Reportage FAZ-Magazin
Auszug:
Der Nähsaal ist Fertigungsstätte einer Firma, die, wie ihr Besitzer gerne sagt, in den letzten drei
Jahren „mit kleinen Feuern einen Flächenbrand“ auf Deutschlands Textilmarkt ausgelöst hat.
Seine Näherinnen produzieren Unterwäsche, die sich designer wear nennt und es ist Frau
Hirschmann, die in slips und strings, bodies und bras, pants, tops und bustiers das trendige
Label einnäht. Darauf steht: bruno banani. - not for everybody. Gleiches ziert übrigens das Schild
des Mitarbeiterparkplatzes - und das ist praktisch.
Text:
Wer noch nie einen Nähsaal betreten hat, den irritiert zuerst - und damit noch vor dem Lärm, den
37 gleichzeitig laufende Maschinen erzeugen - die Neugierde der Näherinnen. Die sitzen, der
Produktionsfluss verlangt das so, in vier Reihen hintereinander angeordnet und eine jede hebt
beim Aufschwingen der Haupttür abrupt die Augen. Einige tuscheln und kichern, andere schauen
interessiert, wieder andere blicken nur leer und stumm. Hände und Füße der Frauen verrichten
derweil weiter und wie ferngesteuert ihre Arbeit, weshalb, anders als erwartet, keine Stille eintritt.
Später heißt es: die Näherinnen arbeiten im Akkord. Zeit ist für sie bares Geld.
Der Nähsaal ist Fertigungsstätte einer Firma, die, wie ihr Besitzer gerne sagt, in den letzten drei
Jahren „mit kleinen Feuern einen Flächenbrand“ auf Deutschlands Textilmarkt ausgelöst hat.
Seine Näherinnen produzieren Unterwäsche, die sich designer wear nennt und es ist Frau
Hirschmann, die in slips und strings, bodies und bras, pants, tops und bustiers das trendige
Label einnäht. Darauf steht: bruno banani. - not for everybody. Gleiches ziert übrigens das Schild
des Mitarbeiterparkplatzes - und das ist praktisch.
Frau Hirschmann - sie trägt einen bunten, vom vielen Waschen, ausgebleichten Kittel - bedient
sich bei ihrer Etikettenarbeit einer Doppelsteppstich-Maschine des japanischen Herstellers
Yamato. Sie näht mit flinken Fingern und ist sich ganz offensichtlich der Bedeutung ihres
Arbeitsplatzes bewusst. Den begreift sie als Nahtstelle zweier Welten, denn ihre rasende Nadel
verbindet
traditionelle
Qualitäts-Handarbeit
mit
moderner
Marketingund
Kommunikationsstrategie. „Erst wenn der banani drauf ist“, weiß Sächsin Hirschmann, „ist die
Wäsche ooch een echtes Kultobjekt.“
Und damit entern wir das Untendrunteruniversum des bruno banani. Dort gibt es keine Tabus,
aber Bekennerbriefe aus dem Cyberspace. Die lauten - Schiesser-Spießer aufgepasst - wie folgt:
„Mein letzter Seitensprung hieß Edith und sie war - was ich nicht wusste - eine Wächterin des
Unvergänglichen. Die Energie trug sie direkt auf der Haut und als ich ihr ein großes Stück
nähergekommen war, da machte sie das Licht noch einmal an und - siehe da - alles war längsund querelastisch und aus dem Stoff, der den Himmel auf Erden verspricht. Wonderwear limited edition, hauchten meine Lippen, dann sank ich hin und wir verloren uns in der
Unendlichkeit der Möglichkeiten.“
Kursiv gedrucktes, das merkt der Autor an, entstammt ihrer Propaganda. So nennt sich die in
fünftausender Auflage gedruckte Werbe- und Kundenpostille (Format DIN A 3) des bruno
banani. Darin wird, zur Freude der Fans, flott und schon mal quer- und längselastisch formuliert.
Etwa so: nicht wundern - wondern.
Fragt sich nur: wer ist eigentlich der coole bruno? Überhaupt: wo kommt er her? Es gibt Leute,
die schwören, er sei eine Figur aus dem Internet. Dort hat er ja e-mail Adresse und eigene web
page. Please click under http://www.brunobanani.de. Andere, mit weniger Phantasie, halten ihn
für einen Italiener aus Bologna und wieder andere, mit übertrieben großer Phantasie, die denken,
er sei der Strohmann eines schon betagten, imageverlassenen Trikotage-Großherstellers
Auf Wohnort Mittelbach kommt keiner. 09224 Mittelbach bei Chemnitz. 2200 Seelen. Neue
Bundesländer, Sachsen. Sagt der Hotelier Abendroth: „Warten sie, wann war das noch? Helga
hilf mir. Wann ist der bruno banani geboren“. Ruft Helga: „93, oder?“ Sagt wieder der Hotelier
Abendroth: „Genau, Ende 93. Da stand der Briefträger in der Tür und fragte: Wohnt bei euch der
Herr Banani? Mit dem Namen kann das doch nur ein Ausländer sein.“
So ging das los. Heute weiß es der Briefträger längst besser: den bruno banani - kleine
Produktenttäuschung -, den gibt es gar nicht. „Weshalb“, wie er sich ausdrückt, „der auch nicht
erschossen werden kann, so wie Versace.“ Es gibt stattdessen nur die Firma und ihr Label.
Beides gehört zu achtzig Prozent Herrn Wolfgang Jassner und also bekommt der auch die ganze
Post. Und zwar im dualen System, nämlich megabyte- und auch Körbeweise.
„Ja, der Bruno, der hat für ganz schön Furore gesorgt“, sagt Herr Jassner und krault sich
versonnen lächelnd den spärlich-grauen Haarkranz. Er ist Vater dreier fast erwachsener Kinder
und dazu geistiger Vater des coolen Untendrunteruniversums mit seiner, wie Propaganda
schreibt, Lizenz zum abheben, zeitnehmen, trendsetzen, durchblicken und absurfen.
Mit cleveren Marketing- und Kommunikationsideen, sowie den Hauptprodukten perfect und
dynamic underwear für Frauen und Männer hat Wolfgang Jassner in den letzten Jahren den
gesamten Wäschemarkt kräftig durcheinandergewirbelt. Jetzt sind alle abgehängt und der bruno
ist Marktführer: vor Calvin Klein, vor Joop, vor Schiesser. Umsatz von null auf achtzehn
Millionen, Produktion von null auf über eine Millionen Stück und Mitarbeiter von null auf über
einhundert. Die sind Sachsen, fast ausnahmslos. Fragt Propaganda: frech und ganz zu
recht:bruno banani sieht gut aus. Zieht perfekt an. Und verkauft sich wie von selbst. Was wollen
sie mehr?
Gar keine schlechte Bilanz für einen Jungunternehmer von fast 55 Jahren. „Sehen sie nur, ich
habe noch keine Zeit zum Golfspielen“, sagt Herr Jassner und beugt sich über einen Wust von
Papieren auf seinem Schreibtisch. Wer in sein Büro will, der macht die Tür auf und merkt zu
spät, das er schon drin ist. Von wegen Vorzimmer: darin residiert der Chef und die Sekretärin
kommt immer von hinten angelaufen. „Erleichtert die Kommunikation“, sagt Wolfgang Jassner
mit mildem Schmunzeln, „man muss halt unkonventionelle Wege gehen.“
Gekommen ist er 1992 als Unternehmensberater. Gesehen hat er, wie die Textilindustrie in den
neuen Bundesländern wegbrach. Allein in Mittelbach gab es vor der Wende noch vier Betriebe.
Und gedacht hat er: „Mit der richtigen Idee ist hier etwas zu machen.“ Und mutig war er auch,
schließlich sagt die Statistik: nur 28, 50 DM gibt der deutsche Mann jährlich für Unterwäsche
aus.
Jassners Kapital waren sechzehn Jahre, in denen er als Geschäftsführer eine schwäbische
Textilfirma mit 800 Mitarbeitern geleitet hatte und sein Wissen um die „psychologische
Marktnische.“ Davon hatte er geträumt: eine sportive, aus hochwertiger Stoffqualität hergestellte
Ware für Leute, die anders sein wollen, als andere Leute. Eben: ein Kultobjekt.
Um nun eine lange Geschichte abzukürzen: zwei Designerinnen aus dem süddeutschen Raum
entwerfen die erste Kollektion. Sie setzen auf Fein- und Doppelripp-Strukturen, auf DreierKnopfleiste, modernes Styling und gute Tragbarkeit. „Nichts schließlich“, weiß underwearExperte Jassner, „ist schlimmer, als wenn es zwischen den Beinen zwickt und zwackt.“
So weit das Produkt und nun - weit wichtiger noch - der Auftritt und seine Philosophie. Die
Köpfe rauchen, ein Name wird gesucht Die Vorgabe lautet: hohe Merkfähigkeit, coole
Anmutung, gute graphische Umsetzbarkeit, lässt Raum für Phantasie, trifft den Zeitgeist. Da
macht es „klick“, einer sagt bruno banani, und alle denken - da hätte ich auch drauf kommen
können.
Der Rest ist generalstabsmäßige Feinarbeit. bruno ist sportiv und energiegeladen. Er liebt
bungee-jumping und zorbing, carving und skating. bruno ist dazu internet-surfer, er ist weltweit
vernetzt und weltweit anzutreffen. Weshalb die mit Sichtfenster versehene Verpackung
zweisprachig bedruckt wird, denn merke: dies ist eine internationale Operation. Keine sächsische.
Die Markteinführung findet demzufolge im Westen statt, weil mit „Ostprodukten noch wenig
Staat zu machen ist“ und nun sitzen alle da und warten ganz gespannt. Das Telefon klingelt, es
meldet sich das Modehaus Beck, Marienplatz München und eine Stimme berichtet: „Wir haben
eine drei Meter banani-Wand und gerade mussten wir eine extra Kasse daneben stellen.“
Whow - ignition.
„Das ist halt eine Superstory“, sagt Herr Jassner und klopft sich auf sein kleines Bäuchlein. „Wir
haben den richtigen Typ getroffen.“ Der bruno ist gesellschaftlicher Aufsteiger samt Anhang.
Vierzehn bis 40 Jahre alt, mal Arzt, mal Rechtsanwalt und - immer häufiger - auch eine Frau.
Man mag darüber klagen, aber wahr ist: dessous sind megaout.
Jetzt, wo der Laden läuft und man selbst im Zwei-Schicht-Betrieb kaum so viel produzieren
kann, wie die Leute haben wollen, spielt Jassner in seinem Untendrunteruniversum vornehmlich
„den Außenminister“. Propaganda kündet regelmäßig von seinen Reisen rund um den Erdball.
Die Kärrnerarbeit leisten derweil am point of sale - also den Geschäften - seine Vertreter. Die
heißen special agents, sind Dynamikmaschinen und lebende Flammenwerfer und bringen die
Ware an den Trendverbraucher. Sogenannte limited editions mit so schönen Namen wie funtastic,
zen, border oder passion sind die neusten Renner. Sie bleiben nur acht Wochen im Handel und
der wahre Fan trägt sie nicht - er nagelt sie über seinem Bett an die Wand. »Ihr habt es so
gewollt«, fällt Propaganda dazu ein.
Die Welt der Wäsche ist eben voller Überraschungen, nur der Nähsaal gehört eigentlich nicht
dazu. Und doch ist er die Größte aller Überraschungen. Weil die so pfiffig vermarktete Ware
eben nicht einfach so vom Himmel fällt, sondern in anstrengender, das Rückgrat der Frauen
strapazierender Handarbeit zusammengenäht wird. Da sitzen sie an ihren Vier-Nadel-Flatseamer, Drei-Nadel-Weichbund- oder Zwei-Nadel-Interlockmaschinen, die Tür geht auf, sie blicken auf
und - nein - wieder war es nicht der bruno banani.
Wie der wohl aussehen würde? Manchmal, wenn sie die Nähte zum Suspensorium seiner
Unterhosen schließt, träumt die Frau Trommer davon. „Frech und mutig“ wäre er. Hübsch dazu.
Mit Haartolle, dunklem Teint und schwarzen Augen. „Eben wie so een Italiener.“

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