Die dritte Dimension des Fagottrohres

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Die dritte Dimension des Fagottrohres
Universität für Musik und darstellende Kunst Wien
Die dritte Dimension des Fagottrohres
Aspekte einer rechnergestützten Methode
für den Fagottrohrbau
Wissenschaftliche Hausarbeit
zur Erlangung des akademischen Grades
Magister artium”
”
in der Studienrichtung
Konzertfach Fagott
eingereicht von
Clemens Wöß
Betreuer:
ao. Univ.-Prof. Mag. phil. Dr. phil. Matthias Bertsch
Institut für Musik- und Bewegungserziehung sowie Musiktherapie
Wien, im September 2011
Vorwort
Physikalisch gesehen besteht die Aufgabe des Musikers darin, mit seinem Instrument oder durch seine Stimme Luftteilchen in Schwingung zu versetzen. In Form
von Schallwellen breitet sich der erzeugte Klang im Raum aus und erreicht den
Zuhörer. Ob diesen das Wahrgenommene anspricht, hängt vor allem von der Form
und Struktur der Schwingungen ab.
Beim Fagott nimmt dabei das Doppelrohrblatt als Schwingungserzeuger eine entscheidende Rolle ein. Es beeinflusst beispielsweise Klangfarbe, Intonation sowie
Ansprache der Töne und ermöglicht dem Musiker somit seinen Vortrag zu gestalten. Fagottisten verbringen daher viel Zeit mit der Anfertigung von geeigneten
Mundstücken, welche aus Gründen der Abnützung immer wieder erneuert werden
müssen. Hauptsächlich das sogenannte Schaben”, bei dem die dritte Dimension,
”
also die Rohrblattstärke, angepasst wird, ist besonders zeitintensiv und erfordert
einiges an Erfahrung und Geschicklichkeit. Zur Erleichterung dieses Arbeitsprozesses
gibt es Hobelgeräte, welche Verläufe von Blattstärken reproduzieren können.
Ich habe mir zur Aufgabe gemacht, einen vorhandenen Hobel unter Zuhilfenahme
rechnergestützter Methoden so zu modifizieren, dass bestimmte, von mir vorgegebene
Blattstärkenverläufe erzeugt werden können.
Mit der vorliegenden Arbeit versuche ich nun, aufbauend auf physikalischem Wissen
rund um das Fagott und das Doppelrohrblatt, Einblick in meine Vorgehensweise zu
geben und diese verständlich darzustellen.
An dieser Stelle danke ich vorerst allen Personen, die mich bei der Umsetzung meines
Projektes unterstützt haben, allen voran Herrn Univ.-Prof. Dr. Matthias Bertsch für
die kompetente Betreuung beim Verfassen dieser Arbeit.
Weiters gilt mein Dank Herrn Dipl. Ing. Alexander Mayer vom Institut für Wiener
Klangstil der Musikuniversität Wien, der mir bei den Vermessungsarbeiten mit dem
Laserscanner behilflich war, sowie Herrn Mag. Peter Leuthner, welcher mir seine
Messstation zur Verfügung gestellt hat.
Ganz besonders möchte ich mich bei jenen Personen und Institutionen bedanken,
welche sich bereit erklärt beziehungsweise es ermöglicht haben, die erforderlichen
Bauteile mittels CNC-Fräse anzufertigen. Vom Institut für Rechnergestützte Methoden im Maschinenbau der Johannes-Kepler-Universität Linz sind dies Herr Univ.Prof. Dr. Klaus Zemann und Herr Dipl. Ing. Dr. Peter Hehenberger. In gleicher
Weise bedanke ich mich hierfür bei Herrn Univ.-Prof. Dr. Hermann Ste↵an und
Herrn Franz Roschitz von der Technischen Universität Graz. Schließlich danke ich
in diesem Zusammenhang der Höheren Technischen Bundeslehranstalt Paul Hahn
Linz, wo mich Herr Prof. Robert Wersching und Herr Prof. Robert Standhartinger
ganz besonders unterstützt haben.
Ich habe noch vielen weiteren Personen zu danken, welche zum Gelingen des Projektes beigetragen haben, die allerdings hier nicht alle erwähnt werden können.
Mit Univ.-Prof. Dr. Gunter Schneider hatte ich oft einen kompetenten und anregenden Gesprächspartner, dem ich hiermit ebenfalls meinen Dank ausspreche.
Bei meiner Freundin Nives Romen möchte ich mich für die mentale Unterstützung
beim Verfassen der Arbeit und ihre Ausdauer bei Gesprächen zum Thema bedanken.
Schlussendlich danke ich im Besonderen meinen Eltern, die mich während meiner
gesamten Schul- und Studienzeit immer gefördert und unterstützt haben.
Ferner sei an dieser Stelle anmerkt, dass sich die in der Arbeit vorkommenden
personenbezogenen Bezeichnungen in der grammatikalisch männlichen Form auf
Frauen und Männer in gleicher Weise beziehen.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Thematischer Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.2 Motivation und Zielsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
1
2
2 Die Physik des Fagotts und die Bedeutung des Doppelrohrblattes
für das Instrument
4
2.1 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4
2.2 Aufbau und Funktionsweise der Doppelrohrblattinstrumente . . . . . 6
2.2.1 Der Resonator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8
2.2.2 Der Generator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
2.2.3 Die Kopplung von Generator und Resonator . . . . . . . . . . 24
3 Das dynamische Verhalten von Fagottrohren in Bezug auf
Festkörpermechanik und Materialeigenschaften
3.1 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.2 Die Herstellung eines Fagottrohrblattes - Eine Kurzbeschreibung der
Arbeitsschritte von der Pflanze zum Schwingungserzeuger . . . . . . .
3.3 Parameter, die das Schwingungsverhalten des Fagottrohres
beeinflussen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.3.1 Das Fagottrohr als Fortsetzung des Resonators . . . . . . . . .
3.3.2 Modelle zur Darstellung der Festkörpermechanik des
Schwingungsgenerators . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.3.3 Der einseitig festgehaltene Stab . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.3.4 Die Schwingungen einer Platte . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.3.5 Die Kontur der Bahn als dritte Dimension des Rohrblattes . .
3.3.6 Krümmung, Wölbung & Spannung . . . . . . . . . . . . . . .
3.3.7 Die Rohrblattö↵nung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.3.8 Der Einfluss von Arundo donax auf das Schwingungsverhalten
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4 Erfassung und Reproduzierbarkeit der Kontur von Fagottrohrblättern
4.1 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.2 Geräte für die Bearbeitung der Kontur von Fagottrohren . . . . . .
4.3 Dokumentation der Vorgangsweise im Überblick . . . . . . . . . . .
4.4 Vermessung von Fagottrohrblättern . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.4.1 Koordinatensystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.4.2 Messmethoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.4.3 Messergebnisse, Analysen und das Spielverhalten von Fagottrohren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5 Versuch einer rechnergestützten Methode zur Herstellung von
konturbestimmenden Komponenten für Fagottrohrbaugeräte
5.1 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.2 Auswahl eines Musterrohrblattes und Erstellung der Konturdaten
einer neuen Schablone mittels Di↵erenzrechnung . . . . . . . . . . .
5.3 Prozesskette . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.4 Umsetzung der Konstruktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.4.1 Glättung der Konturdaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.4.2 Aufbereitung der Konturdaten und Import in das
CAD-System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.4.3 Konstruktion von Konturfläche und Volumenmodell . . . . .
5.5 Anfertigung und erste Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.6 Konstruktion und Anfertigung einer symmetrischen Zunge . . . . .
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103
Zusammenfassung
107
Literaturverzeichnis
109
Abbildungsverzeichnis
112
Tabellenverzeichnis
117
Abkürzungsverzeichnis
119
Lebenslauf des Autors
120
Kapitel 1
Einleitung
1.1
Thematischer Hintergrund
Die Fertigung und Anpassung von Fagottrohren ist für jeden Fagottisten bereits
in der Studienzeit und auch später im Leben als Berufsmusiker ein zentrales Thema. Die Bescha↵enheit des Mundstückes ist von vielen Faktoren abhängig und hat
entscheidenden Einfluss auf das Spiel. Zudem ist die Haltbarkeit der aus schilfartigen Pflanzen gefertigten Doppelrohrblätter beschränkt, was bedeutet, dass man sich
ständig mit der Anfertigung neuer Fagottrohre beschäftigen muss. Die Herstellung
nimmt sehr viel Zeit in Anspruch und fordert dem Musiker handwerkliche Geschicklichkeit, Fingerspitzengefühl und viel Geduld ab. Vor allem das sogenannte Schaben,
bei dem der Stärkenverlauf der beiden Blatthälften mit Messer, Schleifpapier und
Feile händisch bearbeitet wird, stellt oftmals eine große Herausforderung dar.
Der Verlauf der Blattstärken, auch Kontur des Rohrblattes genannt, hat wesentlichen Einfluss auf das Schwingungsverhalten des Mundstückes. Im Prinzip nimmt
die Dicke des Mundstückes zur Spitze hin stetig ab, allerdings gibt es hierfür viele
verschiedene Verlaufsmöglichkeiten. Diese hängen unter anderem von verschiedenen
Rohrbauschulen und von der Bescha↵enheit des Holzes ab. Die eigentliche Kunst
des Fagottrohrbauens besteht darin, individuell auf die Gegebenheiten des Rohrblattes einzugehen und so die richtige Verteilung der Holzstärke auf dem Rohrblatt
zu scha↵en, denn nur so erhält man ein Mundstück mit gutem Schwingungseigenschaften. Durch das Wegnehmen von Material an unpassenden Stellen kann man
sein Ziel auch verfehlen.
Um die Arbeit zu erleichtern, gibt es bereits seit Jahrzehnten Maschinen beziehungsweise Handhobelgeräte, mit denen man das Rohrblatt in seinem Stärkenverlauf bearbeiten kann. Da jedes Stück Holz von Natur aus verschiedene Eigenschaften aufweist
1
und sich das Rohrblatt während des Einspielprozesses in seinen Spieleigenschaften
oft mehrmals verändert, ist es nicht sinnvoll, von einer solchen Maschine zu erwarten,
dass sie fertig bearbeitete Rohrblätter produziert, welche sofort allen Ansprüchen
des Fagottisten gerecht werden können. Vielmehr sollten diese Maschinen eine gute
und konstante Ausgangsbasis für das weitere Bearbeiten des Rohrblattes von Hand
scha↵en und somit den Arbeitsschritt des Schabens erleichtern und Zeitersparnis
bringen.
Da es unter Fagottisten unterschiedliche Vorstellungen für eine günstige Ausgangsposition gibt, versuchen Hersteller von Rohrbaumaschinen individuell auf die Wünsche einzugehen, was technisch sehr schwierig umzusetzen ist. Leider kommt es aber
sehr häufig vor, dass die gekaufte Maschine nicht die vom Musiker gewünschten
Blattstärkenverläufe produziert und mitunter sogar Unebenheiten und Unsymmetrien erzeugt, die sich in der Folge äußerst ungünstig auf das Schwingungsverhalten des Rohrblattes auswirken können und oftmals schwer auszubessern sind. Diese
Problematik wird bereits im Jahr 1970 von Frank Schwartz in dem Artikel Machine
Profiled Bassoon Reeds? Yes, But – – geschildert.
There is a basic contour which the reed must have to play well. [...] In
recent years more and more bassoonists have been profiling their reeds by
machine in order to save time by avoiding the preliminary scraping to
the point where the reed begins to play. This is progress. I believe that
a machine can rough out the desired profile better than can be done by
hand if the machine is properly designed and made. [...] The danger in
using these machines is that even though the profiled reed is obviously
still unfinished it may already be too thin in some critical area or else
it is so badly proportioned that only the most drastic alteration will save
it.1
1.2
Motivation und Zielsetzung
Leider entspricht auch meine Maschine nicht meinen Vorstellungen. Aus diesem
Grund habe ich den Dickenverlauf verschiedener Fagottrohrblätter vermessen und
verglichen. Mit diesem Hintergrundwissen habe ich das für mich beste Rohr ausgewählt und eine Methode entwickelt, um eine Schablone für meine Rohrblatthobelmaschine zu erzeugen, welche ein Rohr produziert, das den Dickenverlauf des Musterrohres möglichst exakt kopiert. Ziel meiner Arbeit ist es, diesen Entwicklungsprozess
1
Frank Schwartz, 1970.
2
zu dokumentieren und allgemein verständlich wissenschaftliches Hintergrundwissen
über das Doppelrohrblatt des Fagottes zu vermitteln. Ich möchte ausdrücklich darauf
hinweisen, dass nicht der Anspruch erhoben wird, eine ideale Kontur für Fagottrohre
herauszufinden.
3
Kapitel 2
Die Physik des Fagotts und die
Bedeutung des Doppelrohrblattes
für das Instrument
2.1
Allgemeines
Musikinstrumente mit Doppelrohrblättern gibt es in der Geschichte der Musik schon
sehr lange. Ihnen allen gemeinsam ist ein Mundstück aus zwei einen Hohlraum umschließenden Lamellen. Durch Anblasen weiten und verengen die beiden Lamellen in
schneller regelmäßiger Folge diesen Hohlraum. Die durch dieses Vibrieren in Schwingung versetzte Luftsäule klingt charakteristisch obertonreich.
Erste Nachweise für Instrumente mit dieser Art von Tonerzeugung stammen aus
der Zeit um 3000 v. Chr. Neben Darstellungen und Funden solcher Instrumente
in Ägypten und Mesopotamien sind uns heute vor allem die griechischen Auloi
und die römische Tibia aus der Antike bekannt. Das Spektrum in der neueren
Geschichte reicht von der Vielfalt der Doppelrohrblattinstrumente im Mittelalter
und der Renaissance, wie Schalmeien, Pommern, Dulziane und Rankette, über die
barocken und klassischen Oboen- und Fagottinstrumente bis zu den heute gebräuchlichen modernen Oboen und Fagotten. Nicht zu vergessen sind außerdem Sackpfeifen
und zahlreiche europäische und außereuropäische Formen der Doppelrohrblattinstrumente in volks- und kunstmusikalischen Traditionen.2
Für den Spieler ist neben der Qualität des Instrumentes die Bescha↵enheit des Rohrblattes von sehr großer Bedeutung, da von diesem auch sehr stark persönliche Befindlichkeit und äußere Wirkung des Spiels abhängt. Dieses lässt sich durch folgende
2
Vgl. Joppig, 1981, S. 14 ↵.
4
Kriterien beschreiben [siehe Abschnitt 3.2]:
· Klangschönheit / Klangqualität
· Intonationssicherheit
· gute Ansprache
· große dynamische Bandbreite
· Artikulationsmöglichkeiten
· Klangfarbenmodulation
· Spielbarkeit unter Berücksichtigung aller gerade genannten Kriterien in allen
Lagen des Instrumentes
Da das für den Rohrblattbau verwendete schilfartige Material durch das Spielen
ermüdet und das Rohrblatt dadurch letztlich unbrauchbar wird, müssen sich Spieler
von Doppelrohrblattinstrumenten ständig neue Mundstücke bescha↵en. In früheren
Zeiten wurden diese oftmals von den Instrumentenbauern gefertigt. Heutzutage
gibt es zwar Firmen oder Einzelpersonen, die Rohrblätter produzieren und zum
Verkauf anbieten, allerdings sind diese oftmals nicht spielbar, da sie an entscheidenden Stellen entweder zu schwach oder zu stark bearbeitet sind. Bei den zu schweren
Mundstücken sind die Lamellen noch zu dick und müssen teils intensiv nachbearbeitet werden. Diese Ausgangsposition ist aber immer noch besser als zu stark geschabte
Rohrblätter, die man unter Umständen nicht mehr korrigieren kann und ausscheiden
muss. Aus diesem Grund muss sich jeder Oboist und Fagottist im professionellen
Bereich mit der Materie des Rohrbauens eingehend auseinandersetzen, um das Rohrblatt an das Instrument, die persönlichen anatomischen Gegebenheiten sowie seine
Spielweise anpassen zu können.
Die verwendeten Mundstücke können daher von Spieler zu Spieler sehr stark in
Abmessung und Form und in der Folge auch im Spielverhalten variieren.
5
2.2
Aufbau und Funktionsweise der
Doppelrohrblattinstrumente
Rohrblattinstrumente können als ein gekoppeltes, druckgesteuertes, sich selbst erhaltendes Schwingungssystem aufgefasst werden, das aus drei Komponenten besteht:3
· einem Spieler
· einer Primärschallquelle (Generator), dem sogenannten Schwingungserzeuger,
· und einem Resonator
Im Fall der Rohrblattinstrumente ist der Schwingungserzeuger eine elastische, flexible Zunge aus Schilfrohr oder ähnlichem natürlichem Material.4 Bei Klarinetten
besteht dieser aus einem gegen ein Mundstück schlagenden Rohrblatt, bei den
Instrumenten der Oboenfamilie aus zwei symmetrisch gegeneinanderschlagenden
Lamellen oder Rohrblättern.
Der Resonator wird bei den Holzblasinstrumenten durch eine Schallröhre gebildet,
die im Falle des Fagottes aus fünf zerlegbaren Teilen besteht.
Diese sind der S-Bogen, der Flügel, der Stiefel, die Bassstange oder Bassröhre und
die Schallstürze.
Abbildung 2.1: Die Teile des Fagottes
Das Fagott hat eine konische Bohrung und ist, wie für alle Holzblasinstrumente
charakteristisch, mit Gri✏öchern versehen. Der Resonator ist an das Rohrblatt
gekoppelt und steht in bedeutender Wechselwirkung mit diesem.
3
4
Vgl. Carral, 2005, S. 1.
Vgl. Baines, 1996, S. 273.
6
Abbildung 2.2: Wechselwirkung einzelner Komponenten beim Fagottspiel
Wie in Abbildung 2.2 dargestellt stehen die drei Komponenten Spieler, Rohrblatt
und Instrument in folgender Wechselwirkung:5
Der Spieler: Er liefert diesem komplexen System mit seinem Luftstrom die nötige
Energie und versetzt das Rohrblatt in Schwingung. Abgesehen von dieser Rolle
als Luftzufuhr- und somit Energielieferant ist er Teil des Wechselspiels, weil er
das Rohrblatt, das er mit seinen Lippen umschließt, beeinflussen kann und die
Gri✏öcher der Schallröhre betätigt. Außerdem haben die Lufthohlräume im
Körper des Musikers, wie Mund-, Nasennebenhöhlen, Kehle, Brustraum, etc.
Resonanzwirkung und können den Klang und somit das System beeinflussen.
Das Rohrblatt: Durch periodische Ö↵nungs- und Schließbewegungen erzeugt das
Fagottrohr aus dem Luftstrom des Bläsers Überdruckimpulse. Diese versetzen die Luftsäule im Inneren des Instrumentes in Schwingung. Das Rohrblatt
arbeitet als druckgesteuertes Einlassventil, das zusammen mit dem Musiker
den Anregungsmechanismus des Systems bildet.
Das Instrument: Die schwingende Luftsäule nimmt starken Einfluss auf das Rohrblatt, weil sie mit ihren Resonanzfrequenzen in hohem Maße die resultierende
Schwingungsfrequenz und somit die Tonhöhe des gekoppelten Systems bestimmt. Die Schall- beziehungsweise Klangabstrahlung an die Luft erfolgt bei
den Holzblasinstrumenten hauptsächlich über die Tonlöcher und nicht über
den Schalltrichter.
In den folgenden drei Abschnitten werden die Komponenten Instrument und Rohrblatt sowie deren Kopplung im Einzelnen näher beschrieben.
5
Vgl. Stauder, 2004, S. 94 - 95; Hall, 2008, S. 271; Angerhöfer / Krüger, 1995, Sp. 299 - 300;
Widholm: Skriptum Holzblasinstrumente, S. 31 f. und Winkler, 1998, S. 22 ↵.
7
2.2.1
Der Resonator6
Alle Blasinstrumente benutzen als Resonator ein Rohr, in dem die Luftteilchen
mittels eines Generators zum Schwingen angeregt werden. Diese Luftteilchen bewegen sich hauptsächlich in Längsrichtung der Schallröhre zwischen bestimmten Ruhepunkten hin und her; dadurch entstehen Longitudinalwellen, bei denen per Definition die Schwingungsrichtung der Teilchen der Fortpflanzungsrichtung der Welle
entspricht.
Druckschwankungen und Teilchenbewegungen in akustischen Röhren
Abbildung 2.3: Luftteilchenbewegungen um einen Ruhepunkt in einer Schallröhre
Die Luftteilchen bewegen sich gegenläufig auf einen Ruhepunkt zu oder entfernen
sich von diesem. Dadurch kommt es im Bereich dieser Punkte zu Druckschwankungen, das bedeutet, dass abwechselnd Luftverdichtungen und Luftverdünnungen
auftreten. Deswegen werden diese Punkte auch als Druckbäuche einerseits und als
Bewegungsknoten andererseits bezeichnet, da es dort keine Teilchenbewegungen
gibt. Zwischen zwei Ruhepunkten schwanken die Teilchen hin und her. In der Mitte,
welche auch als Bewegungsbauch oder Druckknoten bezeichnet wird, bewegen sich
die Teilchen mit der größten Geschwindigkeit. Hier treten die geringsten beziehungsweise keine Druckschwankungen auf. Druck- und Bewegungsverläufe für eine sinusförmige Luftschwingung sind in Abb. 2.4 dargestellt.
Da sowohl in o↵enen als auch einseitig geschlossenen (kurz: geschlossenen) akustischen Röhren gewisse Einschränkungen auf eine Schallwelle wirken, verschieben sich
die Bewegungs- und Druckknoten nicht, sondern bleiben an einem Ort. Diese Grenzoder Randbedingungen sind:
· Am o↵enen Ende einer Röhre tritt stets ein Druckknoten = Bewegungsbauch
auf. Dort haben die Teilchen Freiraum für Bewegung und der Schalldruck muss
annähernd gleich dem atmosphärischen Druck bleiben.
6
Vgl. Stauder, 2004, S. 72-81 u. S. 94-98; Hall, 2008, S. 238-243 u. S. 272 ↵.; Winkler, 1998,
S. 22-31; Angerhöfer / Krüger, 1995, Sp. 299 ↵. und Widholm: Unterrichtsbehelfe.
8
· Am geschlossenen Ende kann sich nur ein Bewegungsknoten = Druckbauch
bilden. Das bedeutet, dass sich die Teilchen an einem Röhrendeckel nicht bewegen, dafür baut sich Druck auf.
Abbildung 2.4: Druck- und Bewegungsverlauf von Luftschwingungen in Röhren
—— Druckverlauf, RR Bewegungsverlauf, ! bzw.
Ruhepunkt = Druckbauch = Bewegungsknoten
Bewegungsbauch = Druckknoten
Bewegung der Luftteilchen
Stehende Welle und Schallabstrahlung
Durch Reflexion an den Enden der Röhre, egal ob geschlossen oder o↵en, wird die
bereits bestehende Welle in entgegengesetzter Richtung von einer Welle mit gleicher Frequenz und gleicher Amplitude überlagert und es bildet sich eine Stehende
”
Welle”.7
Abbildung 2.5: Darstellung einer Stehenden Welle”
”
7
Vgl. Hall, 2008, S. 240 - 241.
9
Dieses Phänomen ist Grundvoraussetzung für das Funktionieren von Blasinstrumenten. Bei Holzblasinstrumenten mit Rohrblatt gilt das Mundstück als das geschlossene
Ende der Röhre, an dem die größten Druckschwankungen des Systems auftreten.
Das Rohrblatt hat die Aufgabe diese Druckbäuche zu erzeugen. Warum es ein
geschlossenes Ende der Röhre darstellt, erklärt Hall folgendermaßen:
Es ist zwar nicht präzise zutre↵end, dass der Abschluss vollständig ist,
aber selbst wenn immer noch etwas Luft zwischen Rohrblatt und Kehle
hindurchströmen kann, ist diese Ö↵nung vernachlässigbar klein gegenüber den Maßen der anschließenden Pfeifenröhre. Vergleichbare Drücke
können nicht annähernd so viel Strömung durch die Rohrblattö↵nung
bewirken als an jedem anderen Ort in der Pfeife, und wir können daher
in guter Annäherung von einem Auslenkungsknoten sprechen.8
Abbildung
2.6: Darstellung unterschiedlicher
Schwingungszyklus im Resonator der Oboe
Druckverhältnisse
während
eines
Außerdem tritt an einem o↵enen Ende einer solchen Schallröhre ein Teil der Welle
aus und pflanzt sich im Raum als Schallwelle fort, sodass ein Klang hörbar wird. Die
Abstrahlungseffizienz, welche definiert ist als das Verhältnis zwischen dem auftretenden Schalldruck knapp außerhalb des Instrumentes zu dem im Inneren, hängt
von der Ö↵nungsgröße der Schallröhre und der Schwingungsfrequenz ab. Die Abstrahlungseffizienz steigt sowohl mit der Zunahme der Frequenz als auch mit der
Zunahme der Ö↵nung. Bei Holzblasinstrumenten ist diese also von der Anzahl der
geö↵neten Gri✏öcher und deren Durchmesser abhängig.9 [siehe auch S. 15]
8
9
Hall, 2008, S. 272.
Vgl. Hall, 2008, S. 290 ↵. und Winkler, 1998, S. 31.
10
Schwingungsfrequenzen - Tonhöhen
Die Anzahl der in einer akustischen Röhre auftretenden Knoten und Bäuche ist
variabel und steht unter anderem in Zusammenhang mit der Schwingungsfrequenz
sowie der Länge und dem Verlauf der Röhre.
Aus den vorhin beschriebenen Randbedingungen [siehe S. 8] ergibt sich, dass eingeschlossene Luftsäulen nur in ganz bestimmten Frequenzen schwingen können, eben in
solchen, welche die Grenzbedingungen erfüllen. Man spricht von den Eigenfrequenzen
beziehungsweise Modi eines Lufraumresonators.
• Eigenfrequenzen einer zylindrischen, beiderseits o↵enen Röhre:
Grundfrequenz: Die Länge der Röhre entspricht der halben Wellenlänge.
1
= 2·l, f1 =
c
2l
Nächst höhere mögliche Schwingungen: 2 = l, f2 = cl = 2·f1 und allgemein gilt
fn = n·f1 . Die Röhre kann alle ganzzahligen Vielfachen der Grundfrequenz, also die
Naturtonreihe erzeugen.
• Eigenfrequenzen einer zylindrischen, einseitig geschlossenen Röhre: Die Länge der
Röhre entspricht einem Viertel der Wellenlänge der Grundfrequenz f1 .
1
= 4·l, f1 =
c
4·l
Nächst höhere mögliche Schwingung: 2 = 43 ·l, f2 = 34 · cl = 3·f1 und fn = (2·n 1)·f1
Diese Röhren unterstützen nur die ungeradzahligen Vielfachen der Grundfrequenz,
wobei die Grundfrequenz eine Oktave tiefer als bei einer o↵enen Röhre mit gleicher
Länge liegt.
(a)
(b)
Abbildung 2.7: Die ersten drei Modi einer zylindrischen Röhre
(a) beiderseits o↵en, (b) einseitig geschlossen
11
• Konische, einseitig geschlossene Röhren verhalten sich wie o↵ene zylindrische oder
konische Röhren. Sie können lückenlos mit den Frequenzen der Obertonreihe schwingen.10 Diese werden die Eigenfrequenzen der Röhre genannt.
Abbildung 2.8: Die ersten drei Modi einer konischen, einseitig geschlossenen Röhre
Oboen- und Fagottinstrumente verwenden als Resonator eine konisch gebohrte, einseitig geschlossene Schallröhre. Deshalb überblasen diese Instrumente zuerst in die
Oktave, danach in die Duodezime usw., eben in der Reihenfolge der Naturtonreihe.
Bei einem realen Musikinstrument schwingt die Luftsäule nicht nur in der angeregten
Grundfrequenz, sondern auch in den Frequenzen ihrer Teiltöne. Die Vibrationen der
Doppelrohrblätter begünstigen die Entstehung vieler Partialtöne.
Die Obertöne der gespielten Grundfrequenz sind stets ganzzahlige Vielfache. Die
Klangfarbe des Tones wird primär durch deren Intensität geprägt, wobei auch inharmonische Komponenten den Klang mitprägen.
Abbildung 2.9: Klangspektrum des e1 beim Fagott
10
Vgl. Hall, 2008, S. 273 ↵., Campbell, 2001, S. 200 und Voigt, 1975, S. 45.
12
Parameter des Resonators, welche die Klangqualität (Toncharakter, Volumen, Registerausgeglichenheit), die Intonation und die Ansprache des
Instrumentes beeinflussen:
· Material der Resonanzröhre
· Länge und Wandungsstärke
· Art der Innenbohrung, Durchmesser
· Größe, Form und Stelle von Gri✏öchern
Die Innenbohrung ist beim Fagott im Prinzip konisch und weist einen geringen
Ö↵nungswinkel von 0,8 auf.11 Dadurch ist zum einen die Schallausbreitung weitgehend eindimensional und zum anderen bleibt das Instrument trotz seiner großen
Länge für den Menschen mit seinem Atem kontrolliert spielbar.12
Interessanterweise variieren die angegeben Maße für die Gesamtlänge der beim Fagott
im Stiefel geknickten Resonanzröhre. Laut Nederveen13 beträgt sie 2511 mm, die
MGG14 gibt 2490 mm an, Joppig15 bemisst das Instrument inklusive Mundstück
mit 2590 mm. Das ist zugleich die Rohrlänge, die zur Erzeugung des tiefsten Tones
B1 des Fagotts verwendet wird. Man spricht auch von der niedrigsten Eigenfrequenz
für die Gesamtlänge der Innenbohrung.
Das Fagott besteht aus den vier zerlegbaren Teilen des Holzkorpus und dem SBogen aus Metall. Der Biegungsverlauf des S-Bogens hat neben seinen Dimensionen
und seiner Materialbescha↵enheit ebenfalls erheblichen Einfluss auf das Schwingungsverhalten und somit auf die Klangeigenschaften des Instrumentes. Hiezu gibt
es Forschungsergebnisse der Technischen Universität Dresden aus der jüngeren Vergangenheit.16
Die Eingangsö↵nung des Resonators beim S-Bogen beträgt 4 mm, bis zum Ende der
Röhre weitet sich der Konus auf 40 mm. Das Verhältnis von Rohrweite zu Rohrlänge
wird als Mensur bezeichnet. Je weiter die Mensur, desto schwerer erklingen die
Obertöne eines Resonators und umgekehrt.17
11
Vgl. Nederveen, 1969, S. 107. und Angerhöfer / Krüger, 1995, Sp. 300.
Vgl. Angerhöfer / Krüger, 1995, Sp. 300.
13
Vgl. Nederveen, 1969, S. 107.
14
Vgl. Angerhöfer / Krüger, 1995, Sp. 272.
15
Vgl. Joppig, 1981, S. 13.
16
Vgl. http://tu-dresden.de/die_tu_dresden/fakultaeten/fakultaet_
maschinenwesen/ilr/tfd/forschung/efm/akustik
17
Vgl. Stauder, 2004, S. 79.
12
13
Die enge Mensur des Fagottes ist dafür verantwortlich, dass sich vor allem in den
tiefen Lagen Obertöne mit bis zu 33-facher Frequenz des Grundtones nachweisen
lassen. Beim Kontrafagott konnte man sogar Frequenzen bis zum 48. Oberton aufzeichnen. Mit zunehmender Tonhöhe sinkt dann allerdings die Zahl der mitschwingenden harmonischen Teiltöne. Die relative Stärke des Auftretens dieser Resonanzfrequenzen steht in Zusammenhang mit der Grundtonfrequenz, wodurch sich Klangfarbenänderungen ergeben. Gerade im tiefen Register des Fagottes kommt es vor,
dass teilweise mehrere Obertöne stärker im Spektrum vertreten sind als der Grundton selbst.18 Dieses Phänomen erklärt auch die Schwierigkeiten bei der Tonansprache
in dieser Lage.19
Um Töne verschiedener Tonhöhe, also mit unterschiedlichen Frequenzen, zu produzieren, muss bei Schallröhren die Länge variiert werden. Bei Holzblasinstrumenten
wird diese Änderung der Pfeifenlänge durch seitliche Bohrungen in den Resonatorwandungen erreicht.
Ein o↵enes Gri✏och hat hierbei eine ähnliche Wirkung wie das o↵ene Ende einer
Schallröhre. Dabei haben die richtige Position und Größe der Tonlöcher großen Einfluss auf die Klangcharakteristik des Instrumentes, von der Intonation abgesehen.
Die Bohrungen können weiters zylindrisch oder konisch sein, sie können sich an
Druckbäuchen oder Druckknoten befinden und beeinflussen somit die Schwingungsvorgänge im Inneren der Röhre, auch wenn sie geschlossen sind. Geschlossene Gri↵löcher verwandeln einen ursprünglich glatten Innenraum in eine Röhre mit seitlichen
Ausbuchtungen und Unregelmäßigkeiten.
Um die Klangeigenschaften einer Innenbohrung nicht zu verfälschen, werden Größe
und Abstand der Gri✏öcher zueinander nach bestimmten Regeln gebohrt. Lord
Rayleigh hat folgende mathematische Regel aufgestellt:
Das Verhältnis des Luftvolumens im geschlossenen Fingerloch zum Volumen der Innenbohrung in den Teilstücken zwischen benachbarten Gri↵löchern muss für alle Bereiche des Instrumentes gleich sein.20
Geschlossene Gri✏öcher wirken auf die Schwingung des Rohrblattes wie ein Filter,
indem sie die hohen Frequenzen stark unterdrücken. Dies hat besonders bei der Oboe
bedeutende Klangfarbeneinflüsse. O↵ene Gri✏öcher weisen ebenfalls eine Filterwirkung auf, lassen aber im Gegensatz zu geschlossenen Tonlöchern die hohen Frequenzen passieren, die über alle geö↵neten Löcher in der Folge effizient abgestrahlt
18
Vgl. Stauder, 2004, S. 97.
Vgl. Angerhöfer / Krüger, 1995, S. 300.
20
Winkler, 1998, S. 29.
19
14
werden. Die tiefen Frequenzen werden hingegen von diesem Filter abgeschwächt,
sodass diese hauptsächlich aus dem ersten und zweiten o↵enen Loch abgestrahlt
werden.
Diese Tatsache findet in der Praxis Anwendung bei Abdeckgri↵en für die tiefen Töne.
Durch das Schließen von tieferliegenden Tonlöchern kann man auf die Klangabstrahlung Einfluss nehmen. Vor allem das Abdecken des zweiten oder dritten o↵enen
Tonloches bringt eine erhebliche Lautstärkereduktion, was besonders im Orchester
oftmals sehr hilfreich ist. Gleichzeitig muss man aber klangliche Einbußen in Kauf
nehmen, denn der Klang wird dadurch matter und dumpfer.
Die für Holzblasinstrumente charakteristischen Überblaslöcher sind sehr klein gebohrt, da sie nicht als Tonloch funktionieren sollen. Ihre Aufgabe ist es, die Anzahl
und Struktur der Stehenden Wellen” in der Röhre und die Entstehung von Druck”
knoten zu beeinflussen. Auf diese Weise wird das Überblasen in die nächsthöheren
Schwingungsmoden erleichtert.
Ein weiterer Faktor, der die Tonhöhe des Resonators beeinflusst, ist die Tatsache,
dass die schwingende Luftsäule des Instrumentes leicht über das o↵ene Ende der
Röhre hinausragt. Für zylindrische Röhren ist sie an einem o↵enen Ende um den
Wert 0,6133·R länger als die Pfeife, wobei R der Pfeifenradius ist.21 Bei konischen
Röhren ist die Berechnung schwieriger, da sie zusätzlich von der Frequenz und von
der Art und Größe des Konus abhängt.22 Die Mündungskorrektur muss ebenso bei
den Tonlöchern berücksichtigt werden.
Abschließend sei noch erwähnt, dass aufgrund des komplexen Zusammenwirkens
der einzelnen Parameter eines Resonators die Bohrungen von Holzblasinstrumenten
nie exakt zylindrisch oder konisch sind, um gewisse Intonationsmängel auszugleichen. Diese Abweichungen von der Idealform kann man heute auch mathematisch
exakt vorherbestimmen.23
Einen entscheidenden Einfluss auf Klang, Intonation etc. eines Instrumentes hat
auch das Doppelrohrblatt, wie später in Abschnitt 2.2.3 [Kopplung von Generator
und Resonator] beschrieben wird.
21
Vgl. Stauder, 2004, S. 78.
Vgl. Stauder, 2004, S. 96.
23
Vgl. Winkler, 1998, S. 28.
22
15
2.2.2
Der Generator24
Als Anregungsmechanismus dient den Oboen- und Fagottinstrumenten ein Doppelrohrblatt, welches auch als Generator oder Primärschallquelle des Schwingungssystems bezeichnet werden kann. Die Doppelrohrblätter werden aus schilfartigem
Material gefertigt, wobei die beiden Blatthälften exakt übereinander liegen und
einen Hohlraum bilden. An einem Ende werden sie zusammengebunden, sodass eine
kleine Röhre entsteht, die durch Auf- oder Hineinstecken mit dem Luftraumresonator verbunden und an diesen gekoppelt wird. Zum anderen Ende des Mundstückes
hin verbreitern sich die Lamellen. Sie bilden eine schmale, ellipsenähnliche Ö↵nung
und können frei schwingen. Dies setzt natürlich eine gewisse Elastizität der beiden
Schwingungslamellen voraus.
Abbildung 2.10: Rohrblattö↵nungen in verschiedenen Schwingungsphasen
von links nach rechts: beinahe geschlossen, mittlere Ö↵nungsgröße, maximal geö↵net
Die Schwingungen der beiden Lamellen verlaufen symmetrisch gegeneinander, was
man mit Hilfe eines Stroboskopes gut nachprüfen kann.25 Allerdings kommt es im
Laufe einer Schwingungsperiode nicht zwingend zu einem vollständigen Abschluss
zwischen den beiden Lamellen, was Almeida, Vergez und Caussé in ihren Schriften
erläutern:
The flow remaining after the two blades are in contact suggests that
despite the closed apparency of the double reed, some narrow channels
remaining between the two blades are impossible to close, behaving like
rigid capillary ducts, which is corroborated by the slight increase in the
residual volume flow for high pressures.26
24
Vgl. Benade, 1990, S. 363-369 u. S. 430 ↵.; Vergez et al.: Toward a simple physical model, 2003
und Campbell / Greated, 2001, S. 259-261.
25
Vgl. A. Almeida et al.: Physical study of double-reed instruments, 2002, S. 217.
26
Vgl. A. Almeida et al.: Quasi-static non-linear characteristics, 2007, S. 241 r.
16
Wie weit sich das Rohrblatt tatsächlich schließt, ist auch von der gespielten Lautstärke
abhängig; bei lautem Spiel schließt das Rohrblatt tendenziell mehr.27
Abbildung 2.11: Transformation eines gleichförmigen Luftstromes in periodische
Luftstöße (Druckschwankungen) durch das Rohrblatt
Aufgabe des Fagottrohres ist es, einen konstanten Luftstrom aus den Lungen des
Bläsers durch Vibrieren in periodische Luftstöße zu transformieren und die für das
System erforderlichen Druckschwankungen zu erzeugen. Auf diese Weise führt es
der oszillierenden Luftsäule im Instrument ständig neue Schwingungsenergie zu. Die
notwendige Bedingung, dass am geschlossenen Ende der Schallröhre die größten
Druckschwankungen auftreten, wird durch diese Art der Schwingungserzeugung
erfüllt [siehe Abschnitt 2.2.1, S. 8].
Die Frequenz dieser periodischen Luftstöße, auch Überdruckimpulse genannt, wird
primär von der schwingenden Luftsäule im Instrument bestimmt. Ihre Schwingungsfrequenz entscheidet über die Schwingungsfrequenz des Rohrblattes. Man spricht von
einer sogenannten Erzwungenen Oszillation”. [siehe Abschnitt 2.2.3 Kopplung von
”
Generator und Resonator]
Der Schwingungsablauf des Rohrblattes:
Abbildung 2.12: Schwingungsablauf in vier Phasen
Beim Spielen eines Rohrblattinstrumentes herrschen zwischen Mundhöhle und dem
Inneren des Mundstückes Druckunterschiede, die sich im Laufe einer Schwingungsperiode ändern. Der Druck im Mundraum des Spielers kann dabei annäherungsweise
als konstant angesehen werden, was bedeutet, dass der Druck im Rohrblatt schwankt.
Diese Unterschiede entstehen aufgrund des Bernoulli-E↵ektes, welcher beim Rohrblatt folgendermaßen wirkt:
27
Vgl. Hall, 2008, S. 283, Campbell / Greated, 2001, S. 261.
17
Bei einer eingeschwungenen Schwingung vergrößert sich die Rohrblattö↵nung durch
den hohen Blasdruck, wodurch das Fließvolumen der einströmenden Luft zunimmt
und der Druck im Rohrblatt sein Maximum erreicht [siehe Abb. 2.13 rechts oben].
Dieses korreliert mit dem Druckbauch der Stehenden Welle”, welcher auf diese
”
Weise neue Energie zugeführt wird. Durch die hohe Geschwindigkeit des Luftstroms
in dieser Phase des Zyklus entsteht eine Sogwirkung, die von innen auf die Blattflächen wirkt (Bernoulli-E↵ekt). Gemeinsam mit dem Impuls der Luftsäule, die zu
diesem Zeitpunkt mit einem Druckminimum am Beginn der Resonanzröhre antwortet, schließen sich die Lamellen [siehe Abb. 2.13 rechts unten]. Durch die Federkraft der Lamellen und die Abnahme der wirkenden Schließkraft vergrößert sich die
Mundstückö↵nung und der Zyklus beginnt von neuem.28
Abbildung 2.13: Schwingungsablauf in vier Phasen samt Spieler und Instrument
(Luftsäule); helle Färbung steht für Unterdruck, dunkle für Überdruck
Die physikalische Beschreibung des Generators als druckkontrolliertes
Ventil
Das Rohrblatt funktioniert als druckgesteuertes Ventil, bei dem sich die schmale
Ö↵nung an der Spitze periodisch abwechselnd vergrößert und verkleinert und sich
der Hohlraum zwischen den beiden Blatthälften abwechselnd weitet und verengt.
Fletcher und Rossing schreiben in ihrem Buch:
... the motion of the valve is controlled by the pressure di↵erence across
it, ... 29
Ein physikalisches Modell liefert die Beschreibung des Rohrblattes durch einen harmonischen Schwingungserzeuger in Form eines durch Druck, Masse, Federwirkung
28
Die Trägheit der Luftmasse führt zu Phasenverschiebungen zwischen wirksamer Kraft und
einsetzender Bewegung, was zur Aufrechterhaltung des Zyklus beiträgt. Vgl. dazu Hall, 2008,
S. 302 - 304.
29
Fletcher / Rossing, 2005, S. 401.
18
und Dämpfung kontrollierten Ventils:30
2
m
y
y
+ r + k(y0
2
t
t
y) = pm
pr
(2.1)
Die Konstante m ist die Masse des Ventils, r stellt seinen Dämpfungsfaktor und k
seine Elastizitätseigenschaften dar. Die Variable y0 ist die Position des Rohrblattes
in seiner Ruhelage und y die momentane Position. p = pm pr beschreibt den
Druckunterschied zwischen Mundhöhle (pm ) und dem Innenraum des Mundstückes
(pr ).
Da die beim Spielen benutzen Frequenzen weit unter den Eigenfrequenzen31 der beiden Lamellen liegen, werden die Parameter m und r, Masse und Dämpfungsfaktoren,
meistens vernachlässigt, was zu folgender Vereinfachung von Formel 2.1 führt:
k(y0
y) ⇡ pm
pr
(2.2)
Für quasi-statische Bedingungen32 kann man durch folgendes, vereinfachtes
Modell eines Schwingungsgenerators für Rohrblattinstrumente den Zusammenhang
zwischen der Rohrö↵nungsweite und den Druckzuständen im Mund und im Mundstück verdeutlichen:33
Abbildung 2.14: Vereinfachter Schwingungsgenerator für Holzblasinstrumente
Die ⇠-Koordinate für die Ruhelage des Kolbens für p0 = pe sei ⇠ < 0.
Für (nicht zu große) konstante Druckdi↵erenz p0 pe gilt dann in der Ruhelage
⇠ ⇡ ⇠0 + (p0
pe ),
:=
30
Kolbenfläche
,
Federkonstante
(2.3)
Vgl. Almeida et al.: Experimental research on double reed physical properties, 2003, S. 1.
Anmerkung: Unter der Eigenfrequenz der Lamellen versteht man nicht die Frequenzen, die
durch das sog. Krähen mit dem Rohrblatt hervorgebracht werden können, sondern die Eigenfrequenzen der Holzlamellen an sich. Bei einem einfachen Rohrblatt der Klarinette ist dies vielleicht
besser zu verstehen. Vgl. Benade, 1990, S. 436 und Campbell / Greated, 2001, S. 260.
32
Ein schwingungsfreier Zustand kann z. B. durch Ausstopfen des Instrumentes mit Glaswolle
erreicht werden.
33
Vgl. Lücke, 2003, S. 59 ↵.
31
19
solange der Kolben den Eingang noch nicht ganz verschließt und man die Wirkung
der strömungsbedingten lokalen Druckänderung vernachlässigen kann.
Dieses Modell eines Ventils beschreibt die Tendenz der Rohrblätter, die Einströmö↵nung bei steigendem Druckunterschied zwischen Mundhöhle und Rohr- beziehungsweise Mundstückinnenraum zu verkleinern. Es handelt sich bei Doppelrohrblättern,
aber auch bei den einfachen Rohrblättern von Klarinette, Saxophon etc., um einschlagende Zungen⌧34 , engl. Inward striking reeds⌧35 . Unter der Voraussetzung,
dass gewisse physikalische Einflüsse wie Masse und Dämpfung nicht berücksichtigt
werden, kann man das ⇡ durch ein = austauschen. Wenn man nun die Gleichung
umformt und 1 durch k ersetzt, erhält man:
k(⇠0
⇠) = p0
pe
(2.4)
Nun wird der proportionale Zusammenhang zwischen der Druckdi↵erenz und der
Abweichung des Kolbens von seiner Ruhelage deutlich sichtbar. Die Elastizitätseigenschaften des Rohrblattes werden in diesem Modell durch eine Feder beschrieben und
durch eine Konstante dargestellt.
Für die Simulation des Schwingungsgenerators eines Holzblasinstrumentes macht
es Sinn, die Bezeichnungen der Gleichung an die Gegebenheiten folgendermaßen
anzupassen:
k(y0 y) = pm pr
(2.5)
Für Instrumente mit einfachem Rohrblatt ist dann y der Abstand der Rohrblattspitze vom Mundstück und y0 dieser Abstand bei Ruhelage. Für Doppelrohrblätter
sind y bzw. y0 die (mittleren) Abstände der beiden Lamellen voneinander an der
Spitze.
Wie bereits früher erklärt, sind pm und pr die Variablen für den Druck im Mundraum
und im Mundstück und k stellt die Biegesteifigkeit des Rohrblattes dar.
Somit hat man eine gute Erklärung für Formel 2.2 erhalten.
· Für pm = pr folgt aus der Gleichung y = y0 . Wenn keine Druckunterschiede
zwischen Mundraum und Rohrblattinnerem bestehen, dann befinden sich die
Lamellen in ihrer Ruheposition.
· Für y = 0, die Schließposition des Mundstückes, ist p = kz0 . Das ist eben
diejenige Druckdi↵erenz, bei der sich das Rohrblatt schließt.
34
35
Vgl. Voigt, 1975, S. 43, Pkt. 3) unten.
Vgl. Carral, 2005, S. 22 ↵.
20
Wenn man die Bernoullische Druckgleichung36 auf das Doppelrohrblatt anwendet,
v2
v2
⇢ m + pm = ⇢ r + pr
(2.6)
2
2
erhält man einen Zusammenhang zwischen den Druckverhältnissen pm , pr und den
Geschindigkeiten der Luftteilchen im Mundstück vr und im Mundraum vm , wobei ⇢
die Dichte der Luft darstellt.
Da die Luftgeschwindigkeit im Mund verglichen mit der im Rohrblatt vernachlässigbar klein ist, folgt für vm = 0:
1
pm = pr + ⇢vr2
2
(2.7)
Das Fließvolumen q durch das Mundstück lässt sich durch folgende Gleichung beschreiben:
q = ↵Ar vr
(2.8)
Die Querschnittsfläche Ar im Bereich der Rohrblattö↵nung ergibt sich in etwa aus
der Multiplikation der Breite des Mundstückes b mit dem mittleren Abstand der
beiden Rohrblätter z voneinander: Ar = b · y
Durch zusätzliches Einsetzen für vr aus Gleichung 2.7 in Formel 2.8 erhält man für
das Fließvolumen:
r
2
q = ↵yb
(pm pr
(2.9)
⇢
Der Parameter ↵ ist halb empirisch, er berücksichtigt strömungsbedingte Vorgänge
am Anfang des Mundstückes und bewegt sich in etwa zwischen 0.61 und 1.37
Schließlich kann man noch die Variable y durch den Zusammenhang aus Formel
2.5 ersetzen und erhält:
r
1
2
q = ↵b(y0
(pm pr ))
(pm pr )
(2.10)
k
⇢
Diese Gleichung beschreibt den Zusammenhang zwischen Druckdi↵erenz und Fließvolumen eines Doppelrohrblattes für quasi-statische Bedingungen. Folgendes Diagramm veranschaulicht das Verhalten des Mundstücks:
36
Vgl. Breuer, 2004, S. 73: Der Gesamtdruck einer idealen Strömung ist konstant und die
2
Geschindigkeit hängt vom Querschnitt ab. ⇢ v2 + p = po = konstant.
37
Vgl. Vergez et al.: Toward a simple physical model, 2003.
21
Abbildung 2.15: Fließvolumen q durch ein Doppelrohrblatt in Abhängigkeit von der
Druckdi↵erenz p = pm
pr , numerisch ermittelt aus Gleichung 2.10 für ↵ = 1,
3
2
y0 = 1e m, b = 1.6e
m und k = 1.6e7 Pa.m 1 . Der Druck im Mundraum wurde
3
mit pm = 8e Pa konstant angenommen, da man von einem gleichbleibenden Atemdruck
des Bläsers ausgeht.
Abbildung 2.15 zeigt deutlich den nicht-linearen Zusammenhang zwischen dem Fließvolumen einerseits und der vorherrschenden Druckdi↵erenz andererseits. Da sich
Druckdi↵erenz und Rohrblattö↵nungsweite proportional zueinander verhalten [siehe
Formel 2.5], herrscht also auch zwischen Fließvolumen und der Öfnungsweite y0 y
Nicht-Linearität. Im Punkt A ist pm = pr , d. h. p = 0, somit ist auch q = 0, es
fließt also keine Luft. Zwischen den Punkten A und B nimmt das Fließvolumen
mit steigendem Druckunterschied stetig zu, was bei konstantem Atemdruck ein
Sinken des Druckes im Mundstück bedeuten würde, und erreicht in B sein Maximum. Ab hier bewirkt eine weitere Zunahme von p einen Rückgang des Flusses
durch das Mundstück. In Punkt C wird der Druckunterschied so groß, dass sich
das Rohrblatt schließt38 und die Luftströmung gänzlich zum Erliegen kommt. Hier
gilt: pc := pm pr = k·y0 . Biegesteifigkeit und Spannungsverhältnis des Rohrblattes (beide in k berücksichtigt) beeinflussen die Schließdruckdi↵erenz pc , bei
der das Mundstück seine Ö↵nung theoretisch ganz verschließt.39 Weiters ist interessant, dass in diesem Modell der maximale Fluss durch das Rohrblatt stets bei
p = 13 ( pc ) = 13 k·y0 stattfindet.
Diese Eigenschaften, im Besonderen die Nicht-Linearität, sind wesentliche Faktoren
für das Funktionieren des Schwingungsvorganges.
38
39
Siehe Erläuterung von Formel 2.2.
Der Verschluss ist in der Praxis nicht vollständig [siehe S. 16].
22
Abbildung 2.16: Messergebnis des Fließvolumenverhaltens q = 0 in Abhängigkeit der
vorherrschenden Druckdi↵erenz
p eines Oboenrohrblattes
Abbildung 2.16 zeigt reale Verläufe dieser Kurve bei einer Versuchsanordnung mit
quasi-statischen Verhältnissen und bietet eine gute Grundlage für die Einschätzung
der im Modell wenig bis nicht berücksichtigten Parameter, wie die Rohrblattgeometrie. Am au↵älligsten bei den Ergebnissen des Experimentes ist, dass das Fließvolumen unterschiedliche Verläufe für Zu- und Abnahme der Druckdi↵erenz hat.
Diese Hysterese ergibt sich aufgrund des Materials, aus dem die Rohrblätter gefertigt sind. Außerdem flachen die beiden Kurven im Bereich der hohen Druckdi↵erenzen stark ab. Dies ist wiederum ein Hinweis dafür, dass sich das Mundstück nicht
vollständig schließt [siehe S. 16].40
Die bisher beschriebenen Modelle und Ergebnisse waren Darstellungen des Mundstückes im quasi-statischen Zustand. Für den Schwingungszustand des Rohrblattes
nimmt man ähnliche Zusammenhänge an. Damit ein Rohrblatt zu schwingen beginnen kann, müssen folgende Bedingungen erfüllt werden:
· Der Druckunterschied pm pr darf nicht zu groß sein, damit sich das Rohrblatt
(fast) schließt, was vor allem im Modell [siehe Abb. 2.15] sichtbar wird.
· Um das Mundstück zum Schwingen anzuregen, ist ein größerer als beim Fließvolumenmaximum herrschender Druckunterschied notwendig.
Bei einer eingeschwungenen Oszillation bewegen sich Druckunterschied und Fließvolumen vor allem im rechten Teil der Kurve, also rechts des Flussmaximums. Da pm ,
der Atemdruck des Bläsers, als konstant angesehen wird, kann man den Zusammenhang zwischen pr , dem Druck im Rohrblatt, und dem Fließvolumen q veranschaulichen. Eine Abnahme von pr geht mit einer Schließbewegung des Rohrblattes einher
40
Vgl. auch Almeida et al.: Quasi-static non-linear characteristics, 2007, S. 241 r.
23
und der Luftfluss nimmt ab. Dies ist jene Phase im Schwingungszyklus, in welcher
der Bernoulli-E↵ekt zuerst am stärksten wirkt und danach schwächer wird. Steigt
der Druck schließlich im Inneren des Mundstückes durch den Impuls des Resonators
wieder an, so ö↵net sich das Rohrblatt und das Fließvolumen nimmt zu [siehe S. 17].
Die Tatsache, dass das Mundstück die Luftaufnahme trotz Anstieg der Druckdi↵erenz reduziert, ist Grundvoraussetzung für das Funktionieren von Fagottrohren
und des Instrumentes im Gesamten.
2.2.3
Die Kopplung von Generator und Resonator
Abbildung 2.17: Darstellung der drei gekoppelten Komponenten beim Fagottspiel
Das Schwingungssystem der Holzblasinstrumente besteht im Wesentlichen aus drei
Komponenten, die zusammen ein gekoppeltes System bilden: Generator, Resonator
(eigentlich Luftsäule) und Musiker. Es wird hier hauptsächlich die Kopplung zwischen Generator und Resonator behandelt, der Einfluss des Musikers auf das System
wird an manchen Stellen erwähnt.
Bei der Kopplung zweier Schwingungssysteme entstehen prinzipiell neue” Schwin”
gungen, die sich aus den Schwingungen der beiden gekoppelten Elemente zusammensetzen. Die Frequenz der resultierenden Schwingung entspricht keiner der Eigenfrequenzen der einzelnen Komponenten, sondern es entsteht eine unterschiedliche
Kopplungsfrequenz.
... the frequency with which it vibrates is controlled partly by its own natural frequency and partly by the resonances of the instrument air column
to which it is connected.41
41
Fletcher / Rossing, 2005, S. 401.
24
Da aber in der Regel die beiden Komponenten verschieden stark gedämpft sind,
beeinflussen das Rohrblatt als Generator und das Instrument als Resonator (im
Falle der Doppelrohrblattinstrumente) die resultierende Frequenz, also die Tonhöhe,
unterschiedlich stark.42
Schwach gedämpfte Schwingungssysteme besitzen im Spektrum schmale Resonanzen
mit hohen Amplituden und benötigen länger zum Einschwingen. Stark gedämpfte
Schwingungssysteme weisen breitere Resonanzgebiete mit einer meist geringeren
Amplitude auf und schwingen schneller ein.43
Abbildung 2.18: Resonanzkurven von stark und schwach gedämpften Schwingungssystemen
Im gekoppelten Schwingungssystem des Fagottes und der Oboe ist das Doppelrohrblatt das stark gedämpfte System. Dafür verantwortlich ist vor allem das
Material der Mundstücke, welches im Vergleich zu Metall weich und wenig elastisch
ist, was zu schnellen Energieverlusten führt. Die Resonanzkurve für ein Rohrblatt
ist deshalb flach und breit; es kann über einen großen Frequenzbereich hin reagieren,
sodass viele Frequenzen hervorgebracht werden können.44
Die Eigenfrequenz des Holzes liegt beim Fagottrohr mit ca. 1800 Hz weit oberhalb
der Grundfrequenzen des benutzten Spielbereichs, wie das für eine stabile Anregung erforderlich ist. Zusätzlich werden die Rohrblatthälften durch Feuchtigkeitsaufnahme aus der Atemluft überkritsch gedämpft. Außerdem führt das Umschließen
jener durch die Lippen des Bläsers zu einer weiteren Absorption von Schwingungsenergie.45
42
Vgl.
Vgl.
44
Vgl.
45
Vgl.
43
Stauder, 2004, S. 94-95.
Widholm: Skript Physikalische Akustik 1, S. 14.
Hall, 2008, S. 270.
Angerhöfer / Krüger, 1995, Sp. 300.
25
Anmerkung: Unter der Eigenfrequenz der Lamellen versteht man nicht die Frequenzen, die durch das sogenannte Krähen” mit dem Rohrblatt hervorgebracht werden
”
können, sondern die Eigenfrequenzen der Holzlamellen an sich. Es ist die Frequenz,
die durch Anzupfen der Lamellen theoretisch schwingt. Bei einem einfachen Rohrblatt der Klarinette ist dies vielleicht besser zu verstehen.46
Die schwingende Luftsäule im Fagott stellt das schwach gedämpfte System
dar. Zu jeder Länge der Luftsäule gibt es bestimmte mögliche Resonanzfrequenzen,
die auf S. 11 erläuterten Eigenfrequenzen des Resonators. Die Resonanzröhre weist
viele Unregelmäßigkeiten auf wie Abweichungen vom Konus, Knickung, Gri✏öcher
etc.
Alle diese Unregelmäßigkeiten beeinflussen die Ausbildung der Schwingungsknoten und Bäuche im Instrument und damit die Folge der Eigenschwingungen, die im Gegensatz zu den Teiltönen der Klänge nicht streng
harmonisch zueinander liegen.47
Die Eigenschwingungen einer Röhre sind bei Rohrblattinstrumenten diejenigen Frequenzen, bei denen bei konstantem durchschnittlichem Luftdurchfluss maximale
Druckschwankungen am Mundstück auftreten würden. Das heißt, diese Töne haben
den größten Eingangswiderstand beziehungsweise maximale Eingangs-Impedanz.
Um die Folge der Eigenschwingungen darzustellen, verwendet man Impedanzkurven, bei denen auch alle Impedanzwerte zwischen den Eigenfrequenzen dargestellt
werden. Die Impedanz ist als das Verhältnis von Druckamplitude zur ausgelösten
Luftströmung am Eingang der Resonanzröhre definiert. Sie wird als Funktion der
Frequenz dargestellt. [siehe Abb. 2.19]
Abbildung 2.19: Kurve der Eingangs-Impedanz beim Ton B des Fagottes
46
47
Vgl. Hall, 2008, S. 270 und Benade, 1990, S. 436.
Voigt, 1975, S. 47.
26
Beim Fagott fallen die Spitzen der Impedanzkurven nicht sehr hoch” aus, anders
”
als zum Beispiel bei der Klarinette.48 Das bedeutet, dass die Resonanzen relativ
schwach ausgebildet sind, dafür aber breiter auf der Frequenzachse erscheinen. Dies
hängt mit der großen Dämpfung im Bereich der sehr engen Bohrungsteile nahe dem
Rohrblatt (enge Mensur) zusammen.
Bei einer Kopplung der beiden unterschiedlich stark gedämpften Schwingungssysteme wirkt das Doppelrohrblatt zunächst als Schwingungserreger und reagiert
dann sofort auf die Rückmeldung des Resonators. Dieser wird durch Rückkopplung
zum dominierenden Faktor der resultierenden Schwingungsfrequenz, das heißt, die
Schalldruckschwankungen an der Eintrittsö↵nung des Resonanzkörpers bestimmen,
wann sich das Rohrblatt ö↵net und wann es sich schließt.
Das Rohrblatt übernimmt zwar zum Großteil die Grundfrequenz, es schwingt allerdings nicht sinusförmig, sondern stark verzerrt, aber streng periodisch. Die periodische Impulsfolge, welche durch das schwingende Rohrblatt erzeugt wird, setzt sich
aus streng harmonisch liegenden Teiltönen zusammen.49 Ansonsten wäre der Ton
beziehungsweise Klang in sich verstimmt”.
”
Diese teiltonreichen Schwingungen regen in der Folge zusätzliche Schwingungen im
Resonator an, welche wiederum Rückwirkung auf das Rohrblatt haben usw.
Auf diese Weise treten im Spektrum des abgestrahlten Klanges die Obertöne der
Rohrblattschwingungen zum Teil sehr stark hervor. Es ist aber zu beachten, dass
diese Teiltöne in völlig anderer relativer Stärke erscheinen als in der Zunge selbst.50
Ist schließlich eine Balance zwischen den vielen Teilschwingungen erreicht so spricht
man von einer Schwingungsgruppe. Jede Schwingung kooperiert gewissermaßen mit
allen anderen, damit das Gesamtschwingungsmuster erhalten bleibt.51
Insbesondere muss die Gesamtwirkung aller Druckschwingungen auf das
Rohrblatt [...] eine Rohrblattbewegung [...] erzeugen, welche alle Eigenschwingungen auf dem gleichen Energieniveau hält, so dass sich das
ganze System selbst stabilisiert.52
Nicht-lineare Rückkopplungen nehmen im Allgemeinen mit der Amplitude zu, weil
sich mit zunehmender Lautstärke die Rohrblattö↵nung eher verschließt.
48
Vgl. Angerhöfer / Krüger, Sp. 300-302.
Voigt, 1975, S. 49.
50
Stauder, 2004, S. 96.
51
Vgl. Hall, 2008, S. 282.
52
Hall, 2008, S. 283.
49
27
Einfluss des Rohrblattes
Für Fagottisten haben die verschiedenen Schwingungseigenschaften unterschiedlicher
Rohrblätter große Bedeutung. Sie wirken sich aus auf:
Klangfarbe:
Das Rohrblatt kann manche in der Impedanzkurve des Resonators schwach
ausgeprägte, harmonische Resonanzen der klingenden Grundfrequenz etwas
anheben beziehungsweise stark ausgeprägte abschwächen. Andererseits kann
es durch sein Spektrum bestimmte Frequenzbereiche zusätzlich hervorheben.
Daher klingt ein Instrument mit verschiedenen Rohrblättern unterschiedlich.
Diese Eigenschaft kann zum Beispiel für eine gute Mischfähigkeit im Orchester
genutzt werden.
Intonation:
Die Resonanzen von Fagott und Oboe sind im Vergleich zu Flöte, Klarinette oder Saxophon relativ schwach ausgeprägt. Im Gegenzug erscheinen die
Resonanzspitzen aber verhältnismäßig breit auf der Frequenzachse. Diesem
Umstand verdanken die Doppelrohrblattinstrumente ihre klangliche Modulationsfähigkeit sowie ihre große Flexibilität in der Intonation.53 Durch Änderung
des Blasdrucks, des Lippendrucks sowie des Ansatzpunktes auf dem Rohrblatt
kann die Tonhöhe des Instrumentes variiert werden. Die Bandbreite dieser Intonationskorrektur ist von Ton zu Ton unterschiedlich und wird als Ziehbereich
bezeichnet. Dieser ist sowohl vom Instrument als auch von der Bescha↵enheit
des Rohrblattes abhängig. [siehe Abb. 2.20]
Dynamik:
Der Spieler kann durch Steuerung des Luftvolumens, welches durch das Rohrblatt hindurch in das Instrument strömt, die Lautstärke variieren. Die resultierenden Schallleistungspegel sind unter anderem von der Schnelligkeit der
gespielten Töne abhängig. Bei schnellen Passagen bewegen sich die Pegel zwischen 81 und 96 dB, bei langsameren kann sich der Dynamikumfang auf 72
bis 102 dB ausweiten. In tiefen und hohen Lagen verringert sich jener allerdings wiederum auf ca. 25 dB.54 Die Bescha↵enheit des Rohrblattes hat ebenfalls einen bedeutenden Einfluss auf die dynamische Bandbreite. Prinzipiell
bieten schwere” Rohre mehr Möglichkeiten für Variationen der Lautstärke
”
als leichte”.55 Die gespielte Dynamik hat ihrerseits wieder Auswirkungen auf
”
die Klangfarbe, denn je lauter das Spiel, desto größer ist die Anzahl und
53
Angerhöfer / Krüger, 1995, S. 300 ↵.
Vgl. Meyer, 2004, S. 70
55
Vgl. Widholm: Skript Holzblasinstrumente, S. 32 f.
54
28
Ausprägung der im Klang enthaltenen Teiltöne. Diese hellere Klangfarbe ist
auf die verzerrten Schwingungsbewegungen des Generators zurückzuführen,
welche sich im ff -Spiel verstärken. Leichte Mundstücke weisen diese Eigenschaft bereits bei geringeren Dynamikstufen auf.
Ansprache:
Die Ansprache der Töne ist mit dem Einschwingvorgang verknüpft.
Im mittleren und hohen Frequenzbereich schwingen die Obertöne des Fagottklangs sehr schnell ein, was zu einem klar definierten Tonbegin führt. . . . Im
tiefen Frequenzbereich benötigt das Fagott eine längere Einschwingzeit als im
hohen Frequenzbereich. Im Vergleich zu anderen Instrumenten wirkt dies dennoch sehr präzise.56
Grundsätzlich weisen leichte” Rohrblätter in der Tiefe und schwere” im
”
”
hohen Register eine gute Ansprache auf.
Abbildung 2.20: Stimmung und Ziehbereich eines Fagottes: Starke Linie - stark angeblasen, dünne Linie - schwach angeblasen
56
Jordan, 2007, S. 18-20.
29
Kapitel 3
Das dynamische Verhalten von
Fagottrohren
in Bezug auf Festkörpermechanik und Materialeigenschaften
3.1
Allgemeines
Die Herstellung von Doppelrohrblättern hat eine sehr lange Tradition. Seit es Instrumente mit dieser Art der Tonerzeugung gibt, werden die dafür notwendigen Mundstücke hergestellt.
Schon seit jeher gibt es Musiker beziehungsweise Instrumentenbauer, die sich auf die
Anfertigung der Mundstücke spezialisiert haben und diese verkaufen. Dennoch ist
es für den Berufsmusiker unerlässlich, sich mit dieser Materie auseinanderzusetzen,
da Doppelrohrblätter sehr individuell auf den jeweiligen Spieler und das jeweilige
Instrument abgestimmt werden müssen. Die Herstellung der Mundstücke erfolgt in
vielen Arbeitsschritten und erfordert handwerkliches Geschick, Zeit und vor allem
jahrelange Erfahrung und Übung.
Obwohl sich im Laufe der Jahrhunderte einige Rohrbaumethoden entwickelt haben,
gibt es innerhalb jeder einzelnen von Musiker zu Musiker große Unterschiede. Dies ist
dadurch zu erklären, dass das Wissen über den Rohrbau vom jeweiligen Lehrer jahrelang in der Praxis übermittelt wird und verschiedene Theorien in die eigene Bauweise
einfließen. Dadurch passt jeder Musiker die Rohre individuell seinen anatomischen
Gegebenheiten an und kann den persönlichen Vorstellungen bezüglich Klang und
Spielgefühl gerecht werden.
Dies klingt zwar relativ einfach, das Gelingen hängt jedoch von vielen Faktoren ab.
Einige, wie die Länge des Holzes und die Façon, sind gut kontrollierbar, andere
wiederum sind schwer in den Gri↵ zu bekommen. Zu diesen zählen unter anderem
30
die Bescha↵enheit des Holzes und der Blattstärkenverlauf.
Weitere Faktoren, wie die Luftfeuchtigkeit und die Seehöhe, wirken sich ebenfalls
auf das Schwingungsverhalten aus. Dies ist zum Beispiel bemerkbar, wenn man das
gleiche Rohr im Sommer und Winter oder an verschiedenen Orten verwendet. Auch
der Zeitparameter ist schwer zu kontrollieren und wirkt sich auf das Schwingungsverhalten der Mundstücke aus. Besonders neue Rohrblätter können ihre Spieleigenschaften immer wieder verändern, müssen langsam eingespielt und unter Umständen
mehrmals nachbearbeitet werden.
Im Folgenden wird der Herstellungsprozess eines Fagottmundstückes umrissen, bevor
einige Parameter näher beleuchtet werden, die sein Schwingungsverhalten beeinflussen.
3.2
Die Herstellung eines Fagottrohrblattes
Eine Kurzbeschreibung der Arbeitsschritte von der Pflanze
zum Schwingungserzeuger
Arundo donax: Verbreitung und Kultivierung
Für die Fertigung des Fagottrohrblattes wird wie auch bei der Oboe oder der Klarinette Arundo donax (= Pfahlrohr) verwendet. Hierbei handelt es sich um eine mit
Schilf verwandte Grasart, die botanisch in die Familie der Süßgräser (Gramineae
= Poaceae) eingeordnet wird. Arundo donax wächst vor allem in subtropischen bis
warm gemäßigten Klimazonen auf dem gesamten Erdball und wird auch kommerziell
gepflanzt.
Zu den nennenswerten Ausbreitungsgebieten zählen unter anderem Gebiete in Frankreich, Spanien, Italien, Griechenland und der Türkei ebenso wie Regionen in Südafrika, China, Indien und Australien. Aber auch auf dem amerikanischen Kontinent
kommt Arundo donax vor. Neben Kalifornien, Texas und Florida bietet auch Argentinien einen geeigneten Lebensraum für die Pflanze.
Für den Rohrblattbau wird vorwiegend Pfahlrohr aus dem europäischen Mittelmeerraum verwendet, wobei jenes aus Südostfrankreich bevorzugt verarbeitet wird.
Im Departement Var, das sich an der Mittelmeerküste in der Region Provence Alpes - Côte d’Azur befindet und nach dem gleichnamigen Fluss benannt ist, hat
der kommerzielle Anbau von Arundo donax für Rohrblätter von Holzblasinstrumenten eine Jahrhunderte lange Tradition. Vielleicht genießt französisches Schilfrohr
gerade auch deshalb einen sehr guten Ruf, was die Qualität betri↵t. Inwieweit dieser
gerechtfertigt ist, lässt sich nicht genau sagen, da es an wissenschaftlichen Unter31
suchungen mangelt, die diesen Rohsto↵ aus unterschiedlichen Herkunftsregionen für
den musikalischen Gebrauch vergleichen.57
Jean-Marie Heinrich schreibt über eines der wenigen Experimente, die zu diesem
Thema durchgeführt worden sind. Hierbei verlich man das spezifische Gewicht von
Aruno donax aus verschiedenen Anbaugebieten. Während dabei wider Erwarten bei
französichen Pflanzen die größte Schwankungsbreite auftrat, war diese bei argentinischen am geringsten. Dies mag auf den ersten Blick die konstante hochwertige
Qualität des französichen Pfahlrohres etwas relativieren, andererseits ist die Relevanz dieser Eigenschaft für die musikalische Qualität noch nicht ausreichend geklärt.58
Abbildung 3.1: Arundo donax (nicht kultiviert) im Rhône-Delta
Wachstum, Ernte und Trocknung
Die Fortpflanzung erfolgt bei Arundo donax nicht über Samen, sondern vegetativ
über die Wurzeln und die daraus knospenden Triebe. Im ersten Jahr wachsen die
bereits ab Ende März aus dem Boden sprießenden Pflanzen vorwiegend in die Höhe
und erreichen bis zum Ende der Saison ihre endgültige Größe von zirka drei bis
sechs Meter. Das vertikale beziehungsweise primäre Wachstum der Schilfrohre ist
dann abgeschlossen. Das sekundäre, also das Dickenwachstum der Stängel, kann
auch in der darau↵olgenden Saison noch fortgesetzt werden, bevor die Pflanzen im
Winter verholzen.59 Die Stängel sind durch Knoten in einzelne Abschnitte (Internodien) unterteilt und besitzen eine einkeimblättrige Struktur.
57
Vgl. Casadonte, 1995, S. 25.
Vgl. Heinrich, Arundo donax, 1991, S. 619 f.
59
Vgl. Heinrich, Arundo donax, 1991, S. 611 und Casadonte, 1995, S. 26 ↵.
58
32
Die für den Rohrblattbau verwendeten Pflanzen gedeihen auf Plantagen und werden
nach zwei bis drei Jahren in den Monaten Dezember, Jänner oder Februar geerntet.60 Nach einem aufwändigen Trocknungsprozess im Freien werden die Stangen ein
bis zwei Jahre an einem kühlen und trockenen Platz gelagert. Jetzt wird das für den
Rohrblattbau bestimmte Holz (kurz: Rohrholz)61 mit dem geeigneten Durchmesser
auf die benötigte Länge abgeschnitten. Für Fagottrohrblätter beträgt diese mindestens 130 mm, was in etwa der doppelten Mundstücklänge plus Reserve entspricht.
Der Durchmesser der Stangen muss zwischen 23 und 26 mm liegen62 und deren Wandungsstärke sollte zirka 3 mm betragen. Außerdem sollten die zylindrischen Stangen
möglichst gerade und fein gewachsen sowie goldgelb gefärbt sein.63
Anschließend werden die recht handlich gewordenen Rundhölzer geviertelt, sodass
man Holzstücke von zirka 19 mm Breite erhält.
Innen- und Außenhobeln des Holzstückes
Beim Innenhobeln wird die ursprünglich im Stängel eingeschlossene, gekrümmte
Fläche bearbeitet. Mittels einer Innenhobelmaschine werden die Holzstücke auf der
Innenseite mit einem Rundmesser mit bestimmtem Radius über die gesamte Länge
gehobelt. Ein Richtwert für die einstellbare Holzstärke wäre 1,30 mm.
Abbildung 3.2: Innenhobel des Herstellers Michel
60
Vgl. Casadonte, 1995, S. 30.
Korrekterweise handelt es sich bei diesen verholzten“ Pflanzen nicht um Holz, sondern um
”
Schilf, da Arundo donax nicht die Zellstruktur von Bäumen, sondern von Gräsern aufweist. Im
Englischen wird deshalb das Rohmaterial mit cane“ (Schilf) bezeichnet. Im Deutschen hat sich
”
hingegen hauptsächlich die Bezeichnung Holz eingebürgert, sowohl im täglichen Sprachgebrauch
unter Doppelrohrblattbläsern als auch in der einschlägigen Literatur zu dieser Thematik.
62
Vgl. Lotsch, 1974, S. 15.
63
Vgl. Angerhöfer / Krüger, 1995, Sp. 274.
61
33
Abbildung 3.3: Außenhobel des Herstellers Michel
Nach dem Hobeln der Innenseite, die jetzt praktisch fertig bearbeitet ist, folgt das
Außenhobeln. Bei diesem Vorgang wird nicht mehr die gesamte Länge des Holzes
bearbeitet, sondern nur die sogenannte Bahn, nicht der Schaft. Das Holz wird von
der Stufe (dick) zur Mitte (dünn) hin verlaufend ausgehobelt. Die Außenfläche des
Holzstückes wird zwar später beim Schaben” nochmals massiv bearbeitet werden,
”
allerdings kann man anders als bei der Oboe auf das Außenhoblen, das eine Art
Vorhobeln ist, nicht verzichten, da ansonsten das Holzstück beim Knicken und Aufbinden zum Doppelrohrblatt brechen würde.
Bei diesem Arbeitsgang wird außerdem die Mittellinie eingezeichnet beziehungsweise
eingeritzt. [siehe Abb. 3.4]
Abbildung 3.4: Innen- und außengehobeltes Holzstück”
”
Wesentlich in allen Stadien der Verarbeitung ist auch immer wieder die Sichtkontrolle
des Materials: Wie fühlt sich das Holz an, wie ist es gefärbt, wie fein oder grob sind
die Fasern, wie stark kann man das Holzstück biegen und verwinden? Vom Rohmaterial bis zum fertig gebauten Rohr werden praktisch bei jedem Arbeitsschritt
Hölzer ausgeschieden, da es ja nicht viel Sinn ergibt Hölzer mit Mängeln, die in
unterschiedlichen Stadien auftauchen, weiter zu bearbeiten. Der Zeitaufwand für
den Rohrbau ist ohnehin enorm.
34
Für die gerade beschriebenen Arbeitsschritte vom runden Holzröhrchen zum innenund außengehobelten Holzstück gibt es auch Werkzeuge und Maschinen für den
Einzelgebrauch, sodass jeder Fagottist seine Hölzer selbst herstellen und bis zu einem
gewissen Grad individuell anpassen kann. Es können allerdings auch bereits von
Firmen vorgefertigte Hölzer erworben werden, was von vielen Fagottisten bevorzugt
wird, da dies eine große Zeitersparnis und Arbeitserleichterung mit sich bringt.
Abbildung 3.5: Definition der Messpunkte zu Tabelle 3.1
Hersteller
M0
M+8 /M
Danzi
Rigotti
Bonazza
58
57
55
28/28
20/30
40/40
8
R0
R00
120
107
95
S0
S00
139
130
125
S+8 /S 8
0
S+8
/S 0 8
130/130
*
*
T0
T00
139
130
127
T+8 /T 8
0
T+8
/T 0 8
130/120
*
*
Tabelle 3.1: Messdaten von innen- und außengehobelten Fagotthölzern verschiedener Hersteller (Für die mit * gekennzeichneten Felder gibt es keine Messwerte, da diese Hölzer
bereits vorfaçoniert geliefert wurden.)
Façonieren und Aufbinden
Nachdem die Hölzer beim Innen- und Außenhobeln in ihrer Dicke bearbeitet worden sind, erfolgt das Zuschneiden der Holzstücke in ihrer Breite. Dafür wird ein
Façonschneider, eine Art Schablone, verwendet, auf den das Holzstück geknickt oder
noch nicht geknickt, je nach Bauart des Façonschneiders, aufgespannt wird. Anschließend schneidet man das Holz der Form der Schablone entlang auf die vorgegebene
Breite. In dieser Phase werden Form und Abmessungen des späteren Fagottrohrblattes festgelegt. Natürlich gibt es viele verschiedene Schablonen, die Façons, welche
sich in ihren Breitenverläufen mehr oder weniger stark unterscheiden.
Ist das Holzstück schließlich façoniert und entlang seiner Mittellinie geknickt, wird es
in Wasser eingeweicht, bevor die beiden exakt übereinandergelegten Rohrblatthälften
am schmalen Ende mit üblicherweise drei Messingdrähten zusammengebunden und
durch Einführen eines Aufbindedorns gewölbt werden. Bei diesem Vorgang entsteht das eigentliche Doppelrohrblatt, bei dem charakteristisch zwei Lamellen einen
Hohlraum umschließen. Im hinteren Bereich, wo das Rohrblatt zusammengebunden
35
ist, ergibt sich eine kreisförmige Querschnittfläche dieses Hohlraumes mit einem
Durchmesser von zirka 4 mm. Dieser Teil wird auf den runden S-Bogen des Instrumentes aufgesteckt. Nach vorne hin ändert sich der Querschnitt des Innenraumes
kontinuierlich, zuerst nimmt er ellipsenähnliche Form an, bevor er immer flacher und
schließlich zu einem schmalen Schlitz wird.
Wickeln und Aufschneiden
Nach einer zwei- bis dreitägigen Trocknungsphase, in der das Holz leicht schrumpft,
müssen die Drähte nachgezogen werden, bevor die entstandene Rohrpuppe im hinteren Bereich gitterförmig mit Garn umsponnen wird, sodass eine Art Knoten entsteht, den man mit dem Begri↵ Wickel” bezeichnet. Dieser wird anschließend noch
”
mit Klebsto↵ oder Nagellack überzogen und versiegelt. Durch diesen Arbeitsschritt
wird das Doppelrohrblatt einerseits fixiert und abgedichtet. Andererseits vergrößert
sich die Masse im hinteren Bereich und dadurch minimiert sich die Gefahr, dass
das Mundstück, falls es versehentlich zu Boden fällt, mit der Spitze auftri↵t und
zerbricht. Auf das Wickeln folgt nach einer Trocknungszeit für den Lack beziehungsweise Klebsto↵ das Aufschneiden des Rohrblattes an der Spitze.
Es ist vorteilhaft, den Rohling in diesem Zustand eine gewisse Zeit zu lagern, damit
er sich an die neuen Spannungsverhältnisse gewöhnen kann. So weist das Rohrblatt
später stabilere Bedingungen auf, wenn es durch den Vorgang des Schabens spielbar
gemacht wird.
Im folgenden Abschnitt werden die Teile des Mundstückes näher betrachtet und die
erforderlichen Benennungen eingeführt.
36
Das Fagottrohr64 - Eine Nomenklatur
Abbildung 3.6: Bezeichnungen am Fagottrohrblatt
Die beiden Flächen des Rohres sind die eigentlichen Schwingungserreger. Durch
ihre periodischen Vibrationen versetzen sie die Luftsäule im Instrument in Schwingung. Der Spieler umschließt sie mit seinen Lippen bis zur Hälfte beziehungsweise
bis zu zwei Drittel, je nach Ansatz und gespieltem Ton. Tendenziell erfordern hohe
Töne, dass das Rohrblatt vom Spieler weiter in den Mund genommen, bei tiefen
eher herausgenommen wird.
Die Seitenflächen werden auch als Bahn bezeichnet, welche den Teil des Rohrblattes
definiert, der im nächsten Arbeitsschritt in seinem Dickenverlauf abermals bearbeitet wird. An der Spitze ist das Rohrblatt am dünnsten. Die Ansprache der Töne
hängt vor allem von diesem Bereich der Bahn ab. Zu den Ecken hin sollte die
Dicke 0,15 bis 0,2 mm nicht wesentlich übersteigen. Je weiter man entlang der Bahn
von der Spitze weg Richtung Schaft wandert, desto dicker werden die Lamellen
des Rohrblattes. Ebenso nimmt die Stärke von den Kanten zum Rücken hin des
Holzes zu.
Prinzipiell sollten stetige Dickenverläufe angestrebt werden, um ein möglichst freies
”
Schwingen” des Mundstückes zu erreichen. Es gibt natürlich verschiedene Rohrbaumethoden, die kleine Abweichungen von diesen grundsätzlichen Verlaufsformen zulassen beziehungsweise sogar anstreben. Die Zwingen und der Wickel haben zwei
Aufgaben: einerseits halten sie die beiden Hälften des Rohrblattes zusammen und
andererseits formen sie das Holz zu einem zylindrischen Rohr, das genau auf den
S-Bogen passen muss.
64
Um in der Folge die Schreibpraxis zu vereinfachen, werden für das Fagottrohrblatt die Begri↵e
Fagottrohr”, Rohrblatt” und Rohr” äquivalent verwendet. Diese Bezeichnungen sind auch unter
”
”
”
Fagottisten üblich.
37
Das Schaben des Rohrblattes
In dieser Fertigungsphase wird wie beim Außenhobeln abermals die Bahn bearbeitet. Der wesentliche Unterschied besteht nun darin, dass das aufgebundene Rohrblatt jetzt durch Spielen ausprobiert werden kann. Die Herausforderung bei diesem
Prozess ist, das Spielverhalten des Rohrblattes gezielt zu beeinflussen und an die
persönliche Spielweise anzupassen.
Da die Bescha↵enheit des Rohsto↵es Schilfrohr” variiert und außerdem jedes Rohr”
blatt zu einem großen Teil handgefertigt ist, gleicht kein Mundstück dem anderen.
Aus diesen Gründen muss auf die Gegebenheiten jedes einzelnen eingegangen werden und in der Folge jedes individuell bearbeitet werden, was viel Erfahrung und
Fingerspitzengefühl erfordert.
Da man mit einem aufgeschnittenen Rohr, das noch nicht geschabt wurde, in der
Regel noch keinerlei Töne produzieren kann, ist es notwendig, gleich von Anfang
an die Lamellen massiv in ihrer Dicke zu bearbeiten. In den meisten Fällen geht
es im ersten Schritt darum, die beiden Seitenflächen insgesamt dünner zu machen
und besonders die Spitze zu bearbeiten. Dabei hat jeder, der Rohre fertigt, seine
eigene Vorgangsweise. Verschiedene Bauweisen und persönliche Vorstellungen, was
den Verlauf der Blattstärken betri↵t, werden bereits in dieser Phase des Schabens
bemerkbar.
Die zur Verfügung stehenden Bearbeitungsmethoden sind:
- Hobeln
- Fräsen
- Schaben
- Feilen
- Schleifen
Die letzten drei Methoden werden von Hand ausgeführt, für das Hobeln beziehungsweise Fräsen gibt es eigens entwickelte Geräte, die den ersten zeitaufwändigen
Arbeitsschritt verkürzen und eine konstante Ausgangsbasis für das weitere Bearbeiten der Rohrblatthälften scha↵en. Dies ist von Hand schwer zu erreichen. Fagottisten wünschen sich von solch einer Hobel- beziehungsweise Fräsmaschine ein ihren
Vorstellungen entsprechendes konstantes Ergebnis mit hoher Präzision und Wiederholgenauigkeit.
Die Rohre sollten symmetrisch und gleichmäßig verlaufend gearbeitet sein und keine
Fehler wie Mulden, Löcher”, Hügel beziehungsweise Unsymmetrien aufweisen. Ziel
”
38
dieses ersten Bearbeitungsschrittes mittels einer Maschine ist es, Rohrblätter soweit
spielbar zu machen, dass man durch Probieren jene ausscheiden kann, bei denen sich
eine Weiterbearbeitung holzbedingt nicht lohnt.
Die übrigen bereits einigermaßen spielbaren Rohrblätter, die sich in ihrem Spielverhalten mehr oder weniger unterscheiden, sollten für die individuelle Weiterbearbeitung von Hand eine gute Basis bieten, auf die sich der Fagottist einstellen und
darauf aufbauend seine Rohrbaumethode entwickeln kann.
Nach der maschinellen Bearbeitung ist es empfehlenswert die Rohrblätter abermals zu lagern, damit sich die neuen Spannungsverhältnisse festigen können. Danach
versucht man gezielt durch Schaben, Schleifen und Feilen auf die Eigenheiten des
Schilfmaterials jedes Rohrblattes einzugehen und so ein ausbalanciertes Schwingungsverhalten des Rohrblattes und gute Spannungsverhältnisse herzustellen. Dieser
Arbeitsvorgang erstreckt sich bei jedem Rohr über mehrere Sitzungen, da sich die
Rohrblätter durch Einspielen verändern, und erfordert neben Geschicklichkeit und
Gespür für die Materie viel Geduld und Erfahrung.
Eine Lampe zum Durchleuchten der Seitenflächen als Sichtkontrolle und eine Messuhr zur punktuellen Überprüfung der Rohrblattstärken sind dabei adäquate Hilfsmittel.
Folgende Kriterien, die ein gutes Rohrblatt aufweist, können bis zu einem gewissen
Grad durch das Schaben beeinflusst werden:
- Klangschönheit beziehungsweise Klangfarbe
- Intonation und Ziehbereich, insbesondere Stabilität der Intonation65
- gute Ansprache, verschiedene Artikulationsmöglichkeiten (gutes legato, kurzes
und schnelles staccato)
- große dynamische Bandbreite / Steuerbarkeit der Dynamik66
- Modulationsfähigkeit der Klangfarbe / ein gutes Verhältnis von Eigenklang
und Mischklang;67 das bedeutet, dass der Spieler einerseits solistisch hervortreten und andererseits sich in den Gesamtklang des Orchesters beziehungsweise des Ensembles einfügen kann.
- Spielbarkeit über den gesamten Tonumfang des Instrumentes unter Berücksichtigung der gerade genannten Eigenschaften
65
Vgl. Platzer, 2011.
Ebenda
67
Ebenda
66
39
Rohrblätter, die all diese Anforderungen in hohem Maß erfüllen, sind sehr selten
und der Wunschtraum jedes Fagottisten.
In der Praxis erhält man Rohrblätter, die sich für unterschiedliche Zwecke mehr
oder weniger gut eignen. So werden die einen für Solokonzerte eingesetzt, andere
für das Musizieren in kammermusikalischen Besetzungen und wieder andere für den
Orchestergebrauch. Es entstehen allerdings auch Fagottrohre, die ausschließlich zu
Übezwecken benutzt werden können oder gänzlich ausgeschieden werden müssen.
3.3
Parameter, die das Schwingungsverhalten
des Fagottrohres beeinflussen68
Das Schwingungssystem des Doppelrohrblattes ist sehr komplex und schwer durch
physikalische Modelle darzustellen, die alle relevanten Parameter berücksichtigen. Es
kombiniert Elemente der Strömungslehre mit Elementen der Festkörpermechanik.
This interaction of the two physical phenomena is a marvel of nature,
and a satisfactory linking of the two is the goal of every reed maker, ...
Das Zusammenspiel der zwei physikalischen Komponenten ist ein Wunder der Natur, eine gute Verbindung der beiden ist das Ziel beim Rohrblattbau, ...69
Das physikalische Modell aus Abschnitt 2.2.2 beschreibt vor allem thermofluidale
Zusammenhänge des Fagottrohres. Die Festkörpermechanik des Rohrblattes wird
dabei in Form von Parametern für Masse m, Dämpfung r und Elastizitätseigenschaften k berücksichtigt.
Der folgende Abschnitt der Arbeit beschäftigt sich nun mit den variablen Einflüssen auf die genannten Parameter und versucht diese physikalisch anschaulich
darzustellen.70 Unterschiede in der Rohrblattarchitektur werden ebenso beschrieben
wie die Auswirkungen des Schabens auf das Schwingungssystem und für den Einfluss
des Rohmaterials Arundo donax wird ergänzende Literatur angeführt.
68
Vgl. Kopp, 2003.
Kopp, 2003, S. 4.
70
Dafür wurden unter anderem folgende Quellen herangezogen: Kopp, 2003; Heinrich: The Bassoon Reed, 1979; Heinrich: Arundo donax”, 1991.
”
69
40
3.3.1
Das Fagottrohr als Fortsetzung des Resonators
Abbildung 3.7: Darstellung des Fagottkonus in nicht geknickter Form samt Länge der
einzelnen Instrumententeile
Die annähernd geradelinige konische Bohrung des Fagottes [siehe Abb. 3.7] hat beim
Eingang des S-Bogens einen Durchmesser von 4 mm, am Ende des Schallstückes
beträgt dieser ca. 40 mm.71 Das heißt also, dass der Konus an seinem zusammenlaufenden Ende verkürzt ist. Die Länge x des fehlenden” Teils lässt sich leicht
”
errechnen: Bei einem Ö↵nungswinkel 0, 8 , das entspricht einem Steigungswinkel
2
von 0, 4 , ist x = tan0,4
= 284, 74... mm ⇡ 280 mm.
Abbildung 3.8: 3D-Darstellung des ungeknickten Fagottkonus mit aufgestecktem Rohrblatt
Durch das Doppelrohrblatt wird die konische Luftsäule des Instruments an seinem
schmalen Ende gewissermaßen fortgesetzt [siehe Abb. 3.8]. Wenn man von einem
Fagottrohr mit einer Gesamtlänge von 56 mm ausgeht, das 7 mm auf den S-Bogen
aufgesteckt wird, so ergibt sich eine e↵ektive Rohrblattlänge von 56 mm – 7 mm =
49 mm. Das Rohr nimmt also in seiner Länge weniger als 15 des zu Ende gedachten
Konus ein.
71
Vgl. Nederveen, 1969, S. 107.
41
Wie sieht es beim Vergleich der Volumina aus?
Für den fortgesetzten Konus, geometrisch ein Kegel, ergibt sich:
Kegelvolumen = Vk =
2 r2 ⇡h
2 . 22 ⇡ 284, 7
=
= 1.192, 55 mm3
3
3
Für das Fagottrohrinnenvolumen Vr gibt Nederveen 675 ± 25 mm3 an.72
Aus den Messdaten eines meiner Rohre habe ich ein Rohrvolumen von 672, 004 mm3
errechnet.73
Vr
Rohrinnenvolumen
675
=
=
= 0, 565...
Vk
Kegelvolumen
1193
Das Rohrblatt ergänzt also in etwa 57% vom Volumen des fehlenden Konusteils. Je
genauer das virtuelle Volumen des fortgesetzten Konus, das sogenannte Äquivalentvolumen, vom Rohrblatt ersetzt wird, desto besser wird das Schwingungsverhalten
des gesamten Systems sein.74 Für die Berechnung des Verhältnisses Vr /Vk wurde das
Volumen des Rohrblattes im statischen Zustand herangezogen. Im Schwingungszustand kann der Innenraum des Mundstückes durch die Vibrationen der flexiblen Holzlamellen auch größere Volumina Vvibr einnehmen. Wie groß dieses Volumen während eines Schwingungszyklus werden kann, hängt stark von den Elastizitätseigenschaften, der Masseverteilung und den Spannungsverhältnissen der beiden
Lamellen ab. Dieser Faktor kann mit dem physikalischen Begri↵ der Komplianz
beschrieben und durch folgenden Zusammenhang anschaulich dargestellt werden:
Vvibr = Vr + Komplianz
(3.1)
Die Komplianz ist indirekt proportional zur Federkonstante k,75 welche im Modell
aus Abschnitt 2.2.2 die Elastizitätseigenschaften darstellt.
Eine höhere Komplianz bedeutet daher mehr Flexibilität und weniger Federkraft der Lamellen, das heißt der Parameter k wird kleiner.
Umgekehrt geht eine niedrigere Komplianz mit weniger elastischen Lamellen
mit mehr Federkraft einher, k wird größer.
Durch Veränderungen in der Rohrblattgeometrie kann die Größe der Komplianz beeinflusst werden. Welche Parameter auf welche Weise variiert werden können, wird
in den folgenden Abschnitten erläutert.
72
Vgl. Nederveen, 1969, S. 107.
Die Vermessung hierfür erfolgte mit einem Laserscanner, die Berechnung wurde anschließend
mittels CAD-Software durchgeführt.
74
Vgl. Kopp, 2003, S. 8.
75
Vgl. http://wiki.answers.com (2. 10. 2011): Compliance is generally regarded as the inverse
of the elastic spring constant which is usually denoted as k“ in most standardized texts.
”
73
42
Fagottisten beziehungsweise Hersteller von Fagottrohren verstehen die Bedeutung
des Ausdrucks Komplianz wahrscheinlich intuitiv. In der Praxis werden dafür synonyme Umschreibungen verwendet wie:
- das Rohrblatt ist schwer oder leicht,
- es schwingt mehr oder weniger frei, kräht” gut oder schlecht,
”
- die Intonation des Rohrblattes ist generell höher oder tiefer, es kippt”, manche
”
Töne steigen beim Spielen,
- ein Fagottrohr hat viel oder wenig Widerstand,
- das pp - Spiel fällt leicht oder schwer (dynamische Bandbreite).
Zusammenhang zwischen Komplianz, Schwingungs- und Spieleigenschaften:
Durch eine Erhöhung der Komplianz werden die Schwingungsfrequenzen des
Rohrblattes und somit auch die Intonation des gekoppelten Schwingungssystems Mundstück-Fagott generell gesenkt.76 Der Ziehbereich vergrößert sich
und der Fagottist empfindet mehr Flexibilität sowohl bei der Tonhöhe als auch
bei der Klangfarbe und im Pianissimo-Spiel. Das tiefe Register wird leichter
spielbar, vor allem die Ansprache der Töne verbessert sich hier. Man spricht
von einem leichteren Fagottrohr, das frei durchschwingt” oder kräht”.
”
”
Eine zu große Komplianz bewirkt, dass einzelne Töne nach unten kippen”
”
und das Instrument generell zu tief klingt, was man dann auch nicht mehr
durch Lippendruck korrigieren kann. Die Intonation wird instabil und die
Ansprache im hohen Register verschlechtert sich zusehends. Außerdem geht
zu große Komplianz oft mit einer sehr hellen Klangfarbe einher.
Wird die Komplianz verringert, so steigen die Resonanzfrequenzen des Rohrblattes an. Die resultierende Kopplungsfrequenz von Mundstück und Instrument wird ebenfalls erhöht, das heißt dass die Intonation insgesamt ansteigt.
Bei vereinzelten Tönen kann dieser E↵ekt überdurchschnittlich groß auftreten;
man sagt dann, dass gewisse Töne nach oben ziehen”. Das schwere Rohrblatt
”
hat einen geringeren Ziehbereich, dafür eine größere dynamische Bandbreite,
wobei das Spiel im Pianissimo-Bereich generell meist anstrengend und schwer
zu kontrollieren ist. Auch die Ansprache der Töne ist schlechter als bei leichten
Rohren, ausgenommen davon ist das hohe Register. Dieses erfordert oftmals
76
Siehe Abschnitt 2.2.3.
43
schwerere Rohrblätter, die nicht zu frei krähen”. Der Klang schwerer Rohre
”
ist tendenziell dunkler.
Zu geringe Komplianz erschwert das Fagottspiel enorm. Abgesehen von der
schlechten Ansprache ermüdet man mit solchen Rohrblättern beim Spiel rasch,
verursacht durch den Widerstand beim Blasen, den diese Rohre oft entgegenbringen. Außerdem kostet das ständige, verschieden starke nach unten” Korri”
gieren der Töne viel Kraft. Ein weiterer Nachteil ist, dass sich solche Rohre
im Orchester meist schlecht mit anderen Instrumenten mischen.
Gute Fagottrohrblätter haben ein bestimmtes Maß an Komplianz, das im richtigen Verhältnis zum Innenvolumen des Mundstücks im statischen Zustand steht.
Ziel beim Rohrbau ist es daher, diese Balance durch geometrische Änderungen und
Regulierung der Spannungsverhältnisse am Rohrblatt zu erzeugen. Wie man auf die
Rohrblattarchitektur Einfluss nehmen kann, wird im folgenden Abschnitt deutlich.
3.3.2
Modelle zur Darstellung der Festkörpermechanik des
Schwingungsgenerators
Die Festkörpermechanik eines schwingenden Fagottrohres kann durch verschiedene
physikalische Modelle angenähert werden. Dadurch kann man mögliche Auswirkungen auf das Schwingungsverhalten des Rohrblattes, die durch Verändern eines
Rohrblattparameters entstehen, physikalisch erklären.
Da das sehr komplexe Schwingungssystem des Doppelrohrblattes vielfältige Geometrie-, Spannungs- und Materialeigenschaften aufweist, ganz abgesehen von seinen
strömungsmechanischen Komponenten, gibt es bis dato kein allumfassendes Modell,
welches alle diese Elemente und Eigenschaften durch Parameter berücksichtigt und
das Zusammenwirken dieser beschreiben kann. Ein solches Modell wird in der Fachsprache als Bottom - up - generierte Parametrik bezeichnet.
Wie allerdings einzelne physikalische Modelle Anwendung finden können, wird auf
den folgenden Seiten deutlich.
3.3.3
Der einseitig festgehaltene Stab – Die 1. Dimension
des Fagottrohrblattes
Ein dünner elastischer Stab, der an einem Ende eingeklemmt und am anderen frei ist,
schwingt bei einer Anregung in bestimmten Frequenzen, welche einerseits abhängig
sind von der Masse beziehungsweise Dichte und der Elastizität beziehungsweise
Steifigkeit des Materials und andererseits von den Abmessungen des Stabes.
77
Vgl. Breuer, 2004, S. 83.
44
Abbildung 3.9: 1. Schwingungsmodus eines an einem Ende eingespannten Stabes.
Am freien Ende befindet sich ein transversaler Schwingungsbauch, während auf der eingespannten Seite des Stabes ein Schwingungsknoten auftritt.77
Für die erste Eigenfrequenz der Transversalschwingungen eines dünnen festgehaltenen Stabes mit der Länge y und der Dicke z (die Breite x spielt keine Rolle) gilt:
0, 162 z
f1 =
y2
s
Y
,
⇢
wobei ⇢ die spezifische Dichte des Stabmaterials und Y , die Youngsche Zahl, eine
Maßeinheit für die Steifigkeit ist.78
Aus dieser Formel folgt [siehe auch Abb. 3.10]:
- Je dicker der Stab, desto schneller schwingt er und umgekehrt. Dicke und
Schwingungsfrequenz sind proportional zueinander.
- Eine Verlängerung des Stabes bewirkt eine niedrigere Schwingungsfrequenz.
Diese ist indirekt proportional zum Quadrat der Stablänge. Die Verdopplung
der Stablänge senkt die Frequenz auf ein Viertel der ursprünglichen Schwingungsfrequenz.
Das heißt also, dass sich Variationen der Stablänge viel stärker auf die Schwingungsfrequenz auswirken als Veränderungen der Stabdicke.
In influencing frequency, length is much more important than thickness.79
Die höheren Eigenfrequenzen sind im Gegensatz zu schwingenden Luftsäulen keine
ganzzahligen Vielfachen der Grundfrequenz, sondern liegen unharmonisch.80
78
Vgl. Hall, 2008, S. 175.
Kopp, 2003, S. 11.
80
Vgl. Stauder, 2004, S. 143.
79
45
(a)
(b)
(c)
(d)
Abbildung 3.10: Variationen der Länge und Dicke eines schwingenden Stabes
(a) dicker, (b) dünner, (c) länger, (d) kürzer
Anwendung auf das Fagottrohrblatt:
Die beiden am hinteren Ende fest verbundenen Lamellen des Doppelrohrblattes
können als eingeklemmter Stab aufgefasst werden. Am vorderen Ende können sie
sich relativ frei bewegen. Angemerkt sei, dass Schaft, Wickel und Drähte die beiden
Blätter des Mundstückes nur bis zu einem gewissen Grad fixieren.
Die Grundschwingungsfrequenz des Rohrblattes wird zwar in hohem Maß von der
Luftsäule im Instrument bestimmt, dennoch haben die Eigenschwingungen der beiden Blätter Einfluss auf die resultierende Kopplungsfrequenz [siehe Abschnitt 2.2.3].
Daher kann durch Variationen der Rohrblattlänge Einfluss auf die Tonhöhe des
Gesamtsystems genommen werden. Vorausgesetzt alle anderen Parameter bleiben
unverändert, bewirkt eine längere Bahn tendenziell eine tiefere Intonation und mehr
Komplianz. Längere Rohrblätter haben außerdem ein größeres Innenvolumen, welches dem Äquivalenzvolumen besser entspricht [siehe Abschnitt 3.3.1].
46
Außerdem führt der Zusammenhang zwischen Rohrblattlänge und Intonation in der
Praxis manchmal zu folgender Anwendung: Wenn ein Rohrblatt zu sehr nach unten
”
zieht” und Töne kippen, so kann man durch Abschneiden, also durch ein Verkürzen
der Bahn die Intonation korrigieren beziehungsweise wieder stabilisieren.
Die Mundstücklänge, genauer gesagt die Länge der Bahn, kann als die 1. Dimension
der Rohrblätter aufgefasst werden. Darüberhinaus beschreibt das Modell des schwingenden Stabes noch Eigenschaften des Rohrblattes, die seine dritte Dimension, die
Blattstärke, betre↵en. Ein Fagottrohr mit dickeren Lamellen schwingt tendenziell
schneller und weist geringere Komplianz auf, was die Funktionsfähigkeit im hohen
Register prinzipiell begünstigt. Für dünnere Rohrblätter gilt analog dazu das Gegenteil.
3.3.4
Die Schwingungen einer Platte – Die 2. Dimension des
Fagottrohrblattes
Abbildung 3.11: Platte, z << x, y
Platten zeichnen sich dadurch aus, dass sie im Verhältnis zu ihrer Länge und Breite
eine relativ geringe Höhe aufweisen. Sie schwingen ähnlich wie Stäbe in bestimmten
Strukturen, die je nach Material, Form und Befestigung der Platte variieren. Auch
die Art und Stelle der Erregung wirkt sich auf die Ausprägung dieser Schwingungsmuster aus. Eine Platte schwingt als Ganzes und in einzelnen Teilen, die durch
sogenannte Knotenlinien voneinander getrennt sind [siehe Abb. 3.12].
Auch in der Bauphysik und dem Maschinenbau beschäftigt man sich mit Schwingungen von Platten. Während man hier versucht unerwünschte Eigenschwingungen
von Bauteilen zu minimieren, beispielsweise beim Flügel eines Flugzeuges, geht es
bei Musikinstrumenten darum, bewusst und kontrolliert gewisse Schwingungsmuster
zu erzeugen beziehungsweise zu unterstützen. Beispiele hierfür findet man unter anderem bei den Idiophonen. Becken, Klangschalen und Glocken (stark gekrümmte
Platten), aber auch die Resonanzkörper von Saiteninstrumenten bestehen aus schwingenden Platten. Wie bei den schwingenden Stäben stehen auch die Eigenschwingungsfrequenzen von Platten in unharmonischem Verhältnis zueinander.
47
Abbildung 3.12: Chladnische Klangfiguren schwingender Platten
Anwendung auf das Fagottrohrblatt:
Die beiden Seitenflächen eines Fagottrohrblattes können als trapezähnliche Platten
angesehen werden, wobei diese an unterschiedlichen Stellen unterschiedlich starke
Krümmungen aufweisen [siehe Abb. 3.13].
Der Umstand, dass diese jeweils an ihrer kürzesten Seite CD beim Schaft eingespannt sind81 , begünstigt das Vibrieren der Lamellen. Hier befinden sich prinzipiell
Schwingungsknoten.
Abbildung 3.13: Trapezähnliche Façon der Fagottrohrbahn; mit A, B, C und D werden
die Eckpunkte des Trapezes bezeichnet
81
Korrekterweise befindet sich die kürzeste Seite bei der 1. Zwinge.
48
Abbildung 3.14: Schwingungsmuster von Fagottrohren
Da das Rohrblatt das stark gedämpfte System des Instrumentes darstellt, bestimmt
die Luftsäule des Resonators die Grundfrequenz. Von dieser abhängig prägen sich
unterschiedliche Schwingungsmuster auf den Lamellen aus [siehe Abb. 3.14]. Diese
Strukturen können nichtsdestotrotz durch Änderungen in der Rohrblattgeometrie
beeinflusst werden, was wiederum Auswirkungen auf das Gesamtsystem hat.
Abbildung 3.15: links: Standardfaçon eines Fagottmundstückes, rechts: schwingender, an
seiner Spitze beschwerter Stab
Variationen der 2. Dimension eines Fagottrohrblattes können durch verschiedene
Façons erreicht werden. Das sich zur Spitze des Mundstückes hin verbreiternde
Trapez hat ähnliche Auswirkungen wie das Beschweren eines Stabes in Abb. 3.15.
Die Masse am freien Ende des Schwingungskörpers wird erhöht, dadurch verhält
sich dieser wie ein längerer Stab und die Eigenfrequenz wird somit gesenkt.
49
a)
b)
c)
d)
Abbildung 3.16: Variationen der Façon bei Fagottrohrblättern 1
a) Ein Verbreitern der Spitze führt zu mehr Komplianz, die Intonation wird
durchwegs tiefer.
b) Eine schmälere Spitze reduziert die Komplianz des Rohrblattes und die Intonation steigt tendenziell.
c) Ist die Façon im Bereich der Kehle, welche sich zwischen der 1. und 2. Zwinge
befindet, schmäler, so hat das ähnliche Auswirkungen auf das Schwingungsverhalten wie in Fall a).
d) Ein Fagottrohr mit verbreiterter Kehle verhält sich ähnlich wie in Fall b).
Einen Vergleichswert bietet das Verhältnis R = AB/CD, wobei AB die Breite der
Bahn an der Spitze und CD die Bahnbreite bei der Kante darstellt. [siehe Abb. 3.13]
Es gilt: Je größer R, desto komplianter das Rohrblatt und umgekehrt.
Die Schwankungsbreite von R ist für gut funktionierende Fagottrohre ziemlich begrenzt. Weait gibt für die minimale Breite an der Spitze 9/16 Zoll ⇡ 14,29 mm und
für die maximale 5/8 Zoll ⇡ 15,88 mm an.82
Unterschiedliche Façons wirken sich auch auf die Größe des Innenvolumens Vr aus.
Speziell für oben beschriebene Mundstücke gilt:
- Façon a) und c) haben zwar annähernd gleiches R, allerdings haben Rohre
mit Façon a) ein größeres Innenvolumen als solche mit Façon c). Es folgt
aus Zusammenhang 3.1 [S. 42], dass Rohre mit Façon a) weniger Komplianz
benötigen um Vvibr zu erreichen als jene mit Façon c).
- Analoges gilt für Façon b) und d).
82
Vgl. Weait, 1985, S. 21.
50
Prinzipiell gilt, dass im Gesamten breitere Rohre das tiefe Register des Instrumentes
begünstigen, während sich schmälere Rohre vorteilhaft auf die hohen Lagen des
Instrumentes auswirken.83
a)
b)
c)
d)
Abbildung 3.17: Variationen der Façon bei Fagottrohrblättern 2 samt zugehöriger Rohrblattö↵nungen; a) geradelinige, b) konkave, c) konvexe, d) zusammengesetzte Kantenverläufe
Abgesehen von der Breite des Rohrblattes an seiner Spitze und an seinem Kragen
wird die Façon durch unterschiedlich verlaufende Verbindungslinien zwischen A und
C beziehungsweise B und D festgelegt. Es handelt sich um Abweichungen von der
Trapezform. Unterschiedliche Verlaufsformen haben Auswirkungen auf die Form der
Rohrblattö↵nung an der Spitze:
- Konvexe Kantenlinien wie in Abb. 3.17 c) begünstigen die Entstehung von
ellipsenähnlichen Ö↵nungen. Solche Rohrblätter haben ein größeres Innenvolumen Vr . Aus Zusammenhang 3.1 [S. 42] folgt, dass sie weniger zusätzliche
Komplianz benötigen.
- Konkave Kantenlinien wie in Abb. 3.17 b) verstärken eine zusammengesetzte
Ö↵nungsform, die auch in Abb. 3.17 a) bei geradlinigen Kanten zu sehen ist.
Bei diesen Formen reduziert sich Vr und ihre Komplianz muss durch andere
Parameter erhöht werden.
Eine geschwungene Form der Rohrblattö↵nungen ist prinzipiell anstrebenswert. Sie
entsteht nicht automatisch durch die beschriebenen Kantenverläufe, sondern ist das
Ergebnis des Zusammenwirkens mehreren Faktoren. Neben der Façon spielen hierfür die Holzqualität und der Rohrblattstärkenverlauf [siehe Abschnitt 3.3.5] eine
wesentliche Rolle.
83
Vgl. Heinrich, The Bassoon Reed, 1979, Kap. 5.
51
Eine detaillierte Beschreibung verschiedener Rohrblattö↵nungen und deren Auswirkungen auf das Spielverhalten erfolgt etwas später in Unterkapitel 3.3.7.
Abschließend sei noch erwähnt, dass Symmetrie in der Façon unbedingt angestrebt
werden muss, was generell für alle Arbeitsschritte beim Rohrbau gilt.
3.3.5
Die Kontur der Bahn als dritte Dimension
des Rohrblattes
Die beiden vorangegangen Abschnitte haben sich mit der ersten und zweiten Dimension des Fagottmundstückes, den Ausdehnungen der Lamellen in y- und x-Richtung
beschäftigt. Die physikalischen Modelle von schwingenden Stäben und Platten konnten Auswirkungen auf das Schwingungsverhalten des Rohrblattes, die durch Veränderungen der Parameter Länge und Façon zu erwarten sind, deutlich machen.
Die dritte Dimension des Rohrblattes betri↵t die Dicke der Holzlamellen und deren
Verlaufsmöglichkeiten. Dabei werden die Rohrblätter wiederum als schwingende
Platten betrachtet. Anders als bisher weisen diese nun keine konstante Dicke z auf,
sondern variieren ihrer Stärke.
Abbildung 3.18: links: Skizze einer
flachgedrückten” Lamelle eines Fagottrohr”
blattes mit Höhenschichtlinien; rechts: Foto eines mit einer Lampe durchleuchteten
Fagottmundstückes
Prinzipiell ist die Bahn im hinteren Bereich am stärksten und nimmt zur Spitze
hin kontinuierlich ab. Ebenso werden die Rohrblätter von der Mitte zu den Kanten
hin dünner. Dies wird auch beim Durchleuchten des Fagottrohres mit einer Lampe
sichtbar [siehe Abb. 3.18 links].
52
Die Stärkenverhältnisse der Seitenflächen, auch Kontur genannt, können als Funktion von x und y aufgefasst und als gekrümmte Fläche über einer Ebene im dreidimensionalen Raum dargestellt werden:
! : R2 ! R : (x, y) 7! z ,
wobei y 2 [0, l] und x 2 [-f (y), f (y)]; l ist dabei die Länge der bearbeiteten Bahn,
f (y) stellt die Façon der theoretisch platt gedrückten Lamelle dar, welche ihr Maximum bei y = 0 mit f (0) = 2b erreicht. Dabei ist b die Breite des Rohrblattes an der
Spitze.
Anmerkung: ! kann gleichzeitig auch als Funktion für die Masseverteilung auf dem
Rohrblatt aufgefasst werden, wenn man die Dichte des Materials als konstant annimmt. Andernfalls müsste man die Flächenfunktion” entsprechend erweitern.
”
Maße in mm
Pkt 1
Pkt 2
Pkt 3
Pkt 4
Pkt 5
...
x
0
0
0
0
0
...
y
0
1
2
3
4
...
z
0,33
0,48
0,56
0,61
0,66
...
Tabelle 3.2: Auflistung der Konturdaten eines Rohrblattes in Form einer Punktewolke
Abbildung 3.19: Graphische Darstellung der Konturdaten eines Fagottrohrblattes durch
ein Flächendiagramm in Microsoft Excel
53
In der Praxis stellt man die Kontur eines Rohrblattes nicht durch eine Funktion
dar, sondern vermisst endlich viele Punkte. Diese Messdaten in Tabellenform [siehe
Tabelle 3.2], auch Punktewolke genannt, lassen sich dann sehr gut auf dem Computer verwerten und graphisch darstellen [siehe Abb. 3.19].
Abbildung 3.20: Ansichten einer flachgedrückten Lamelle; links: von oben, rechts: von
der Seite
In der zweiten Dimension weiten sich die Lamellen zur Spitze des Mundstückes hin.
Anders in ihrer dritten Dimension: hier reduzieren sie sich in der gleichen Richtung
[siehe Abb. 3.20].
Eine weitere Methode zur Veranschaulichung der Stärkenverhältnisse beziehungsweise Masseverteilung bietet ein Querschnittsflächendiagramm.
Abbildung 3.21: Darstellung der Querschnitte durch eine Lamelle eines Fagottrohrblattes
im Abstand von 4 mm
54
A0 = AQ0 sei der Flächeninhalt der Lamelle für y = 0, also die Querschnittsfläche
an der Spitze, A1 analog dazu die Querschnittsfläche einen mm hinter der Spitze
und An die Querschnittsfläche der Lamelle n mm von der Spitze entfernt (n 2 N).
Ganz allgemein sei Ay die Querschnittsfläche der Lamelle y mm von der Spitze entfernt (y 2 [0, l]). [siehe Abb. 3.21]
Dann gilt in der Theorie:
f(y)
Ay =
R
!(x, y)dx
8y 2 [0, l] und x 2 [-f (y), f (y)]
!(x, n)dx
y = 0:
-f(y)
f(n)
y = n:
An =
R
f(0)
-f(n)
A0 =
R
!(x, 0)dx
-f(0)
Zur Berechnung dieser Flächeninhalte in der Praxis verbindet man die Punkte mit
gleicher y-Koordinate mit einem Spline” und lässt daraufhin den Computer den
”
Flächeninhalt unter diesem Spline errechnen.
Man erhält eine Folge bzw. die Funktion der Querschnittsflächen einer Lamelle, die
sich sehr gut in einem Diagramm darstellen lässt. Mit dieser Methode werden dreidimensionale Darstellungen der Kontur einer Lamelle um eine Dimension auf die
y-z-Ebene reduziert. Auf diese Weise wird die Masseverteilung in y-Richtung, also
von der Stufe bis zur Spitze, viel anschaulicher; natürlich geht dabei aber Information verloren.
Aus Abb. 3.22 links kann man die Auswirkungen der sich zur Spitze hin verbreiternden Façon auf die Masseverteilung eines Rohrblattes mit konstanter Dicke sehen.
Wie sich die Summe der beiden Eigenschaften von Façon und Dickenverlauf auf die
Masseverteilung entlang der Längsachse y eines Fagottrohrblattes in etwa auswirkt,
wird durch Abb. 3.22 rechts ersichtlich.
Abbildung 3.22: Querschnittsflächendiagramme; links: faconiertes Rohrblatt, welches
überall gleiche Dicke aufweist (z = const.), rechts: faconiertes Rohrblatt, das auch in
seiner Kontur bearbeitet ist
55
Den Verlauf der Rohrblattstärken kann man durch das sogenannte Schaben beeinflussen. Die Auswirkungen solcher Veränderungen an der Kontur stehen in Zusammenhang mit vielen anderen Parametern wie der Bescha↵enheit des Holzes, den
vorherrschenden Spannungsverhältnissen etc. und sind deshalb sehr komplex und
schwer zu verallgemeinern. Prinzipiell müssen die Rohrblattstärken in den verschiedenen Bereichen der Bahn gut aufeinander abgestimmt werden, damit eine gute
Schwingungsbalance entstehen kann. Dennoch existieren gewisse Grundregeln, an
denen man sich orientieren kann.
Aus den Erkenntnissen der Schwingungen von Stäben aus Abschnitt 3.3.3 kann man
ableiten, dass eine dünnere Lamelle mehr Komplianz und eine tiefere Intonation als
eine dickere aufweist.
Abbildung 3.23: Schema Längsschnitt durch ein Fagottrohrblatt mit Verhältnis zv : zh
(a) zv >
(b) zh <
(c) zh >
(d) zv <
Abbildung 3.24: Vier unterschiedliche Varianten von Verlaufsmöglichkeiten
(a) Die Spitze ist dicker.
(b) Im hinteren Bereich ist das Rohrblatt dünner, die Stufe ist stärker ausgeprägt.
(c) Die Lamelle wurde im hinteren Bereich weniger bearbeitet und ist hier dicker.
(d) Während der hintere Teil der Bahn dem Ausgangsmodell entspricht, wurde hier
die Spitze dünner geschabt.
Ausgehend von einer gegebenen Verlaufsform mit gegebenem Verhältnis zv : zh
[Abb. 3.23] können die Dickenverhältnisse wie in Abb. 3.24 variiert werden.
56
Für die vier grundsätzlichen Verlaufmöglichkeiten der Kontur ergibt sich weiters:
- Bei den Rohrblättern (a) und (b) ist das Verhältnis zv : zh vergrößert, anschaulich gesprochen verlagert sich im Modell des schwingenden Stabes die
Masse an das freie Ende. Daraus folgt, dass die Eigenfrequenzen der Lamelle
sinken und somit auch die Intonation. Die Komplianz steigt hingegen.
- In den Fällen (c) und (d) geschieht genau das Gegenteil: Der Schwerpunkt
wandert in Richtung eingespanntes Ende, Schwingungsfrequenz und Intonation
steigen, während die Komplianz des Fagottrohres sinkt.
Anmerkung: Auch die Schulter eines Rohrblattes muss in diesem Zusammenhang
berücksichtigt werden. Sie ist Teil des schwingenden Stabes, wenn man die Fixierung ab der 1. Zwinge definiert, und verlagert die Masse der schwingenden Lamelle
zusätzlich nach hinten. Andererseits bringt sie Stabilität in die Geometrie des Fagottrohres und erzeugt positive Spannung bis zur Rohrblattspitze, sodass das Innenvolumen des Rohres vergrößert wird, was die durch Masseverlagerung reduzierte Komplianz wiederum kompensiert.
Natürlich wird das Rohrblatt nur innerhalb gewisser Maße und Verhältnisse brauchbar funktionieren. Besonders an der Spitze ist der Bewegungsraum der Blattstärken
eingeschränkt. Eine zu dicke Spitze beispielsweise bewirkt eine schlechte Ansprache
der Töne. Andererseits sollten die Ecken ein gewisses Mindestmaß nicht unterschreiten, der Dickenunterschied zwischen Herz und Ecken sollte nicht zu groß sein usw.
Erwähnt werden muss auch der erhebliche Einfluss der Blattstärken auf die Federkraft k der Lamellen, die der Bernoulli-Kraft in Phase 4 des Schwingungsablaufes
entgegengesetzt ist [siehe Abschnitt 2.2.2]. Zu geringe Federkraft durch zu dünn
geschabte Lamellen beispielsweise kann für einen gleichmäßigen Schwingungsablauf
hinderlich sein. Gleiches gilt auch für zu große Federkraft durch zu dicke Rohrblätter.
Durch das Schaben kann man auf die Bescha↵enheit des Holzes reagieren und
Geometrie- und Spannungseigenschaften verändern beziehungsweise das Schwingungsverhalten des Rohrblattes verbessern und anpassen.
Vergleiche der dritten Dimension unterschiedlich bearbeiteter Rohrblätter bringt
in der Folge Abschnitt 4.4.3.
57
3.3.6
Krümmung, Wölbung & Spannung
Der Arbeitsschritt des Aufbindens hat mehrfache Auswirkungen auf die beiden
Lamellen und stellt einen großen Eingri↵ in die natürlichen Wölbungs- und Spannungsverhältnisse des Holzes dar:
- Die Krümmung der Holzblätter wird verändert, dabei entsteht der für Doppelrohrblätter typische Hohlraum.
- Die Façon verändert sich.
- Es werden Spannungen innerhalb der Lamellen erzeugt.
- Durch die Drähte und die Umwickelung werden die beiden Rohrblätter an
einem Ende fixiert = eingespannt.
Abbildung 3.25: Darstellung der gekrümmten Innenseite eines Fagottrohres;
links: Rasterdarstellung, rechts: Gaußsche Krümmung
Wenn man eine Lamelle eines Fagottrohrblattes betrachtet, so kann man Krümmungen in allen drei Koordinatenebenen feststellen, wobei sowohl konvexe als auch
konkave Teilbereiche vorkommen84 [siehe Abb. 3.25]. Diese Krümmungen stehen in
engem Zusammenhang zueinander, dennoch ist es sinnvoll, sie aufgespaltet einzeln
zu betrachten.
Krümmung K1 in x-z-Richtung ist einerseits auf die natürliche Wölbung des Pflanzenstengels beziehungsweise auf die Form des Messers beim Innenhobeln zurückzuführen.
Diese wird beim Aufbinden, abhängig von der Position auf der y-Achse, verschieden
stark verändert [siehe Abb. 3.26]. Während sich an der Spitze des Rohrblattes die
Wölbung des Holzes durch die Gegenkraft der gegenüberliegenden Lamelle reduziert,
wird die Wölbung im hinteren Bereich des Fagottrohres verstärkt, wo das Holzstück
zu einem Kreis beziehungsweise Halbkreis mit engem Radius geformt wird. Dies ist
auch auf den Verlauf der Façon zurückzuführen.
84
Korrekterweise muss erwähnt werden, dass sich in diesem Abschnitt die Krümmung immer
auf die Innenseite der Lamelle bezieht.
58
Abbildung 3.26: Krümmungen der Pflanzenröhre; links: natürliche Krümmung, Mitte:
Wölbung an der Rohrblattspitze, rechts: Wölbung am Schaft
Der gebräuchliche Stangendurchmesser ist ein Kompromiss zwischen der größten
Krümmung85 am Schaft und der kleinsten an der Spitze des Rohrblattes.
Abbildung 3.27: Krümmungsanalyse der Schnittkrümmung K1 bezüglich der x-z-Ebene
Im Speziellen nach dem Schaben entstehen auch vermehrt konkav gekrümmte Gebiete, besonders im Bereich der Spitze [siehe Abb. 3.27].
85
Exkurs: Definition Krümmung
Die gekrümmte Innenfläche eines Fagottrohrblattes kann man wie die Kontur der Lamellen ebenfalls als Funktion
: R2 ! R : (x, y) 7! z (Flächenfunktion der Innenfläche) darstellen. Bei
der Berechnung ihrer Schnittkrümmungen wird sie in einzelne Schnittkurven zerlegt. Für eine
Schnittrichtung parallel zur x-z-Ebene (wie bei K1 der Fall) ergeben sich dann Funktionen der
Gestalt gt : R ! R : z = gt (x) = (x, y), wobei y = t ist. Für eine solche Kurve, die durch
den Graph (x, gt (x)) der Funktion gt dargestellt wird, ist die Krümmung wie folgt definiert:
f 00 (x)
K1 (x) =
3
0
2
(1+(f (x)) ) 2
Diese Definition ist sinnvoll, da dann z. B. ein Kreisbogen eine konstante Krümmung von
was mit der anschaulichen Vorstellung von Krümmung gut übereinstimmt.
59
1
r
aufweist,
Krümmung K2 bezieht sich auf die y-z-Richtung und entsteht ebenfalls durch das
Aufbinden, ihre Ausprägung fällt vergleichsweise gering aus [siehe Abb. 3.28]. Abhängig ist der Krümmungsverlauf von der Façon ebenso wie vom verwendeten Aufbindedorn und von den Spannungen im Bereich der ersten beiden Zwingen. Weitere
Einflüsse bilden die einwirkende Kraft der gegenüberliegenden Lamelle und der Umstand, dass das Rohr nach dem Aufbinden an der Spitze eine Zeit lang geschlossen
bleibt. Außerdem spielt die Bescha↵enheit des Holzes eine nicht unwesentliche Rolle.
Abbildung 3.28: Krümmungsanalyse der Schnittkrümmung K2 bezüglich der y-z-Ebene
Die in Abb. 3.29 dargestellte Krümmung K3 in x-y-Richtung variiert wiederum stark
und wird hauptsächlich durch den Aufbindevorgang (in Zusammenhang mit der verwendeten Façon) erzeugt. Nahe der Symmetrieebene des Rohrblattes ist sie praktisch
null, zu den beiden Kanten der Lamelle hin nimmt sie zu und erreicht dort ihr Maximum im Bereich der ersten beiden Zwingen. Charakteristisch für K3 ist die konkave
Form in allen Bereichen des Rohrblattes.
K1 und K2 weisen großteils Konvexität auf, vor allem nach dem Aufbinden. Durch
das anschließende Schaben der Bahn wird der Anteil der konkaven Teilbereiche vergrößert. Das hat positive Auswirkungen unter anderem auf die Klangqualität und
eine indirektere Ansprache der Töne [siehe auch Abschnitt 3.3.7].
Nicht zu vergessen sind die Bescha↵enheit des Holzes und seine Dicke beim Aufbinden als wesentliche Einflussfaktoren auf das Krümmungsverhalten der Lamellen.
60
Abbildung 3.29: Krümmungsanalyse der Schnittkrümmung K3 bezüglich der x-y-Ebene
Die Deformation der 2. Dimension des Rohrblattes durch das Krümmen
der Lamelle beim Aufbinden
Durch den Aufbindevorgang wird die ursprünglich erzeugte Façon der Lamellen
verändert, das heißt, das aufgebundene Rohrblatt ist prinzipiell schmäler als das
façonierte Holzstück. Vor allem im Bereich des Schaftes schrumpft seine Breite ziemlich, sodass das Verhältnis R = AB/CD (Breite an der Spitze zur Breite am Kragen)
ungefähr 2 zu 1 beträgt. An der Spitze kommt es allerdings zu einer Verbreiterung
der Form, weil dort die Wölbung des Holzstückes durch den Aufbindevorgang reduziert wird [siehe Abb. 3.26].
Abbildung 3.30: Definition von ' als Winkel zwischen Seitenkante und Kante an der
Rohrblattspitze
Aufgrund der unterschiedlich starken Schrumpfung von der Spitze bis zum Schaft
beziehungsweise zur Stufe ergibt sich folgendes Phänomen: Rfaconiert < Raufgebunden
61
Daraus folgt:
- Bei Façons mit gerader Verlaufsform vergrößert sich der Winkel ' [Abb. 3.30],
- konkave Formen verstärken sich,
- konvexe hingegen erscheinen weniger konvex.
Abhängig ist der Grad der Schrumpfung (am Schaft) von Faktoren wie der Beschaffenheit der Holzes, der eingestellten Dicke beim Innenhobeln, der Verlaufsform des
Aufbindedornes und davon, wie weit dieser beim Aufbinden in das Rohrblatt hineingetrieben wird. Weiters sind dafür die Stra↵heit der Drähte sowie das Abschrägen
der Kanten im Schaftbereich von Bedeutung. Abgeschrägte Kanten optimieren die
Zylinderform des Schaftes und wirken sich positiv auf die Dichtheit das Rohrblattes
aus. Sie haben ähnliche Auswirkungen wie die Verwendung einer schmäleren Façon.
Durch das Wölben der Holzlamellen werden gleichzeitig Spannungsverhältnisse innerhalb des Doppelrohrblattes gescha↵en, welche in weiteren Arbeitsschritten durch
das Schaben und die Anpassung der Drahtzwingen aufeinander abgestimmt werden
können. Aufgabe der Messingdrähte ist es, einerseits die entstandene gekrümmte
Form und die Spannung der Lamellen zu fixieren und andererseits die schwingen”
den Platten” an einem Ende festzuhalten.
Wenn man alle bisher beschriebenen Eigenschaften der Fagottrohre zusammenfassen
möchte, so handelt es sich bei diesen um gekrümmte, trapezähnliche, schwingende
Platten, die an einer Seite eingespannt sind, unter Spannung gehalten werden und
deren Dicke sich kontinuierlich ändert.
3.3.7
Die Rohrblattö↵nung
Wie bereits im vorangegangenen Abschnitt 3.3.6 über die Krümmung des Fagottrohres beschrieben, wird durch das Aufbinden die ursprüngliche Wölbung an der
Spitze der Holzlamelle reduziert. Dadurch werden im Rohrblatt Spannungen aufgebaut. Deren Grad hängt unter anderem vom Durchmesser d des verwendeten Pflanzenstängels, von der Bescha↵enheit des Holzes, der Façon und Dicke der Lamellen
sowie der Aufbindetechnik etc. ab.
Der vorherrschende Spannungszustand im Bereich der Blattspitze nimmt Einfluss
auf die Form der Rohrblattö↵nung. Unterschiedliche Spannungsverhältnisse gehen
mit einer unterschiedlichen Geometrie der Ö↵nung einher. Diese steht in Zusammenhang mit einigen für den Musiker in der Spielpraxis relevanten Eigenschaften wie
62
Klangqualität, Tonansprache, Dynamik etc.
Garnier beschreibt dies um 1800 in seiner Oboenschule:
Die Ö↵nung, durch welche die Blätter die Luft durchlassen, ändert sich
in ihrer Form, und alle Veränderungen, die sie erfährt, verändern den
Klang des Instrumentes. Diese Veränderungen studiert der Künstler; er
kennt sie und wendet sie zweckmäßig an.86
Verursacht werden die an der Rohrblattspitze auftretenden Spannungen wie bereits
beschrieben durch die Deformation der Lamelle beim Aufbinden:
Die Gegenkraft der jeweils gegenüberliegenden Lamelle bewirkt, dass sich die
Wölbung der beiden Seitenflächen an der Spitze verflacht, was zu Spannungen
führt. Je kleiner d, der ursprüngliche Durchmesser der Pflanzenröhre, ist, desto
größer wird die Spannung an der Spitze des Rohrblattes sein, bedingt durch
die stärkere Verformung beim Aufbinden.
Gleichzeitig bewirkt der vergleichsweise kleine Durchmesser im Schaftbereich
ds einen zusätzlichen Spannungsaufbau. Auch hier gilt: je kleiner ds , desto
größer die Spannung an der Rohrblattspitze. Da der Durchmesser des Fagottmundstückes im hinteren Schaftbereich durch den S-Bogen mehr oder weniger
festgelegt wird, ist es vor allem die Breite des Mundstückes im Bereich des
Kragens, die sich auf die Spannungsverhältnisse auswirkt.
Das Verhältnis R = AB/CD [siehe Abschnitt 3.3.4] bietet einen Vergleichswert
dafür. Es folgt, dass auch die Façon Einfluss auf Spannungsparameter hat.
Je mehr Spannung an der Rohrblattspitze auftritt, desto größer werden auch der
Ö↵nungsspalt und das Innenvolumen Vr . Weiters haben folgende Parameter Auswirkungen auf die Spannung an der Blattspitze und die Rohrblattö↵nung:
- die Härte des Holzes
- die Feuchtigkeit der Lamellen
- die Kontur = der Rohrblattstärkenverlauf
- die Existenz einer Schulter, welche die aufgebaute Spannung unterstützt
- Durch Veränderungen von Form und Position der fixierenden Drähte kann
man wesentlichen Einfluss auf die Ö↵nungsform nehmen. Auch die variable
Stra↵heit derselben bietet Korrekturmöglichkeiten.
63
Abbildung 3.31: Rohrblattö↵nung mit zusammengesetzter Form; die roten Punkte
markieren die Wendepunkte in der Krümmung
Abgesehen von unterschiedlichen Ö↵nungsweiten kann die Rohrblattspitze verschiedene Ö↵nungsformen aufweisen. Es gibt prinzipiell zwei Grundtypen: ellipsoide Ö↵nungsformen und zusammengesetzte Formen.
Bei Fagottrohren mit zusammengesetzter (auch: geschwungener”) Ö↵nungs”
form ist die Krümmung K1 in der Mitte der Blattspitze konvex, zu den Seiten
hin geht diese in Konkavität über. Die Übergangspunkte Il , Ir , Jl , Jr werden mathematisch als Wendepunkte bezeichnet. Charakteristisch für solche
Mundstücke ist, dass sie, wenn man sie zwischen zwei Finger nimmt und
langsam schließt, die Geometrie ihrer Ö↵nungsform beibehalten. Die Wendepunkte wandern in Richtung Mitte, die Querschnittsfläche an der Rohrblattö↵nung verkleinert sich kontinuierlich und proportional, das heißt die Flächenform bleibt erhalten, bis die Wendepunkte Il , Ir , Jl , Jr im O zusammentre↵en
und die Ö↵nung geschlossen ist. [siehe Abb. 3.31]
Die Eigenschaft, dass ein Rohrblatt seinen Ö↵nungsspalt kontinuierlich von
den Seiten zur Mitte hin schließt ist prinzipiell anzustreben, da solche Mundstücke meist eine angenehme dunkle Klangfarbe aufweisen und eher dynamisch
steuerbar sind als Mundstücke mit anderen Ö↵nungsformen.87
Durch das Schaben lässt sich meist auf die Ö↵nungsform Einfluss nehmen.
Die geschwungene” Form erreicht man, indem man die Seitenbereiche dünner
”
schabt, was in Abb. 3.32 deutlich zu erkennen ist. Dabei wird gewissermaßen
der Dickenunterschied der Lamelle zwischen Mitte und Seite” erhöht. Zu viel
”
Unterschied wirkt sich allerdings wiederum negativ auf das Spielverhalten aus.
Solche Rohrblätter weisen meist viel Widerstand und wenig Flexibilität auf
und schwingen nicht mehr frei. Außerdem verringert sich ihr Ziehbereich und
sie mischen sich schlechter im Ensemble.
86
87
Heinrich, Arundo donax”, 1991, S. 614.
”
Vgl. Lotsch, 1974, S. 43 u. S. 33
64
Fagottrohre mit ellipsoiden Ö↵nungsformen weisen ein ganz anderes Schließverhalten auf. Sie verlieren die ursprüngliche Form, verlaufen bald flach, dann
fast parallel zueinander und schließen hierauf abrupt.
Tendenziell produzieren Rohrblätter mit ellipsenförmigen Ö↵nungsspalten Töne mit heller Klangfarbe, welche sich nur schwer modulieren lässt.88 Weitere
Merkmale sind eine sehr direkte Ansprache, wobei besonders im tiefen Register
die Töne gar nicht oder nur sehr laut und unkontrollierbar ansprechen, und
eine beschränkte dynamische Bandbreite im Allgemeinen.
Abbildung 3.32: Zusammenhang zwischen Ö↵nungsform und Rohrblattstärken an der
Spitze; links: Eine über die gesamte Breite konstante Blattstärke begünstigt eine elliptische Ö↵nungsform. rechts: Durch dünnere Ecken entsteht eher eine zusammengesetzte
Rohrblattö↵nung.
3.3.8
Der Einfluss von Arundo donax auf das
Schwingungsverhalten
Das Pflanzenmaterial Arundo donax ist ein inhomogener, orthotroper89 Rohsto↵,90
welcher vielfältige biologische, physikalische und chemische Eigenschaften aufweist.
Zu diesen zählen unter anderem die Dichte, Härte, Biegesteifigkeit, Feuchtigkeit,
Färbung sowie die Zusammensetzung und das Alter eines Holzstückes.
Dass all diese Parameter erheblichen Einfluss auf das Schwingungsverhalten der
Rohrblätter haben, weiß jeder Fagottist aus der Praxis. Wie sich jene im Einzelnen
auf die Spieleigenschaften auswirken, wurde immer wieder untersucht, ist aber letztendlich nicht restlos geklärt. Da die Auseindersetzung mit diesem sehr spannenden
Thema den Rahmen dieser Arbeit bei weitem sprengen würde, sei an dieser Stelle
weiterführende Literatur dazu angegeben.
Casadonte, Donald Jay: The Clarinet Reed: An Introduction to its Biology, Chemistry, and Physics,
PhD thesis The Ohio State University 1995.
Gatschelhofer, Barbara: Rohrholz - (k)ein Mysterium, Wiener Oboen-Journal, 35(2007), 3-9 und
36(2007), 3-8.
88
Vgl. Lotsch, 1974, S. 33.
Orthotropes Material weist richtungsabhängige Elastizitätseigenschaften auf.
90
Vgl. Dalmont et al., 2003.
89
65
Heinrich, Jean-Marie: Arundo donax”, das Holz, mit dem wir leben müssen!, in: Tibia, 16(4)(1991),
”
610-621.
Heinrich, Jean-Marie: The Bassoon Reed: An Analysis of its Construction Aesthetic Mechanical
and Botanical Aspects, in: J. IDRS, 7(1979).
Intravaia, Lawrence J.: The E↵ects of Hardness and Sti↵ness of Bassoon Cane upon Performance
of the Reed, in: J. IDRS, 6(1978).
Kolesik, Peter / Mills, Alan / Sedgley, Margaret: Anatomical Characteristics A↵ecting the Musical
Performance of Clarinet Reeds Made from Arundo donax L. (Gramineae), in: Annals of Botany,
81(1998).
Kopp, James B.: Counting the Virtues of Bassoon Reed Cane, in: The Double Reed, 26(4)(2003),
45-57.
Lacy, Edwin V.: An Experiment in Treatment of Arundo Donax, in: J. IDRS, 16(1988).
Lacy, Edwin V.: Testing the Density or Specific Gracity of Bassoon Cane, in: The Double Reed,
26(4)(2001).
Lord, Arthur E.: Viscoelasticity of the giant reed material Arundo donax, in: Wood Science and
Technology, 37(3-4)(2003), 177-188.
Perdue, Robert E.: Arundo donax - Source or Musical Reeds and Industrial Cellulose, in: Economic
Botany, 12(1958), 368-404.
Spatz, H.-Ch. / Beismann, H. / Brüchert, F. / Emanns, A. / Speck, Th.: Biomechanics of the giant
reed Arundo donax, in: Philosophical Transactins of the Royal Society B, 352(1997), 1-10.
Veselack, Marilyn S.: Arundo Donax: The Source of Natural Woodwind Reed, in: The Double Reed,
2(1)(1979).
Weir, Dominic: Information on Groth and Characteristics of Cane, in: To the World’s Bassoonists,
2(2)(1971).
http://www.zab.uni-freiburg.de/forschung/20001303Publ_Speck_web.pdf (12. 10. 2011)
[Publikationsliste zum Thema]
66
Kapitel 4
Erfassung und Reproduzierbarkeit
der Kontur von Fagottrohrblättern
4.1
Allgemeines
Zu Beginn meiner Studienzeit schabte ich meine Fagottrohre meist komplett von
Hand oder verwendete den an der Universität vorhandenen Anspitzhobel.
Als ich dann, bedingt durch meine Berufstätigkeit als Orchestermusiker, seltener
in Wien an der Musikuniversität war und gleichzeitig kontinuierlich mehr gute
Rohre brauchte, mir aber weniger Zeit zum Anfertigen dieser zur Verfügung stand,
beschloss ich, einen Anspitzhobel zu kaufen.
Hiefür suchte ich Herrn Kunibert Michel auf, einen Fachmann in der Herstellung von
Geräten und Maschinen, die zur Bearbeitung von Fagott- und Oboenrohrblättern
eingesetzt werden. Dieser fertigte die zur Hobelmaschine gehörige Schablone nach
einem Musterrohrblatt von mir an. Dadurch war es nun möglich, mit Hilfe des Anspitzhobels Kopien der Kontur dieses Musterrohres herzustellen.
Diese Vorgehensweise birgt allerdings eine gewisse Problematik in sich. Einerseits
haben die wenigsten Fagottisten - besonders in jungen Jahren - eine konkrete Vorstellung davon, wie ein solches Musterrohr auszusehen hat, zumal es ja kein fertig
bearbeitetes, gut spielbares Rohrblatt sein sollte, sondern eine gute Ausgangsbasis
zur weiteren Bearbeitung von Hand bieten muss, bei der man auf die einzigartigen
Eigenschaften jedes Holzstückes eingehen kann [siehe Kapitel 3]. Andererseits ist
es sehr schwierig, ein Rohrblatt ganz ohne Fehler und Unebenheiten auf einen bestimmten Dickenverlauf der Lamellen hin von Hand zu bearbeiten.
Im Laufe der Zeit stellte ich bei vielen Rohren aus meiner Maschine gewisse ungünstige Spieleigenschaften fest, welche in der Folge sehr schwer bis gar nicht händisch zu
67
korrigieren waren. Aus diesem Grund begann ich über Verbesserungsmöglichkeiten
meiner Schablone nachzudenken.
Zuerst spielte ich mit dem Gedanken, eine weitere Schablone nach einem anderen
Musterrohr anfertigen zu lassen. Schließlich kam ich jedoch zu dem Entschluss,
dass es sinnvoller wäre, vorerst den Dickenverlauf von Rohren aus verschiedenen
Anspitzmaschinen zu vermessen, zu vergleichen und herauszufinden, wie sich gewisse
Verläufe tendenziell auf das Spielverhalten auswirken. Mit diesem Wissen ho↵te ich,
meine Schablone nach meinen eigenen Vorstellungen verbessern zu können.
Dieses und das folgende Kapitel dokumentiert Überlegungen, Vermessungen und
Versuche für die Entwicklung meiner eigenen Schablone zu der bereits vorhandenen
Michelmaschine”. Zum allgemein besseren Verständnis folgt auf die Darstellung
”
von verschiedenen Geräten zur Bearbeitung des Dickenverlaufes eine überblicksartige Zusammenfassung meiner Arbeit, bevor ich meine Vorgehensweise detaillierter
beschreibe.
4.2
Geräte für die Bearbeitung der Kontur von
Fagottrohren
Abbildung 4.1: Die Form der Schablone (links) wird auf das Rohrblatt übertragen.
Wie in der Einleitung [Abschnitt 1.1] erwähnt gibt es bereits seit Jahrzehnten
Anspitzhobel, um den Fagottrohrbau zu erleichtern. Diese sind im Prinzip alle
als Kopiermaschinen aufgebaut, das heißt, eine als Schablone bezeichnete Form
wird mit einer Kugel abgetastet und gleichzeitig erzeugt ein Messer oder Fräser
68
die entsprechende Kontur auf dem aufgespannten Fagottrohrblatt [siehe Abb. 4.1].
Dadurch erhält man eine den Dickenverlauf betre↵ende, konstante Ausgangsbasis.
Dies ist mitunter nicht immer nur vorteilhaft; wenn nämlich die Form nicht den
persönlichen Vorstellungen entspricht, muss man erst recht viel Zeit für Korrekturmaßnahmen von Hand aufbringen.
Weiters ist die erste Formgebung oftmals sehr prägend, daher lassen sich gewisse
Spieleigenschaften eines Rohres beinahe gar nicht mehr verändern. Wenn zum Beispiel eine Maschine Rohre mit sehr heller Klangfarbe liefert, sind diese trotz verschiedenster Tricks” nicht mehr gänzlich zu korrigieren. Diese Tatsache zeigt, wie
”
wichtig ein gut funktionierendes Anspitzgerät beim Fagottrohrbau ist.
Im folgenden Abschnitt werden drei häufig verwendete Maschinen beschrieben und
verglichen:
I) Rieger:
Abbildung 4.2: Anspitzhobel der Firma Rieger
· Dies ist ein Anspitzhobel im ursprünglichen Sinn und daher nicht ganz mit
den anderen Maschinen zu vergleichen, weil hier nur das vordere Drittel der
Bahn bearbeitet wird.
· Die daraus resultierende Kante zwischen bearbeitetem und unbearbeitetem
Teil ist in der Folge schwierig von Hand auszugleichen.
· Außerdem ist die Kontur des Rohres aus bereits genanntem Grund nur teilweise ausgeprägt, wodurch noch viele Arbeitsschritte notwendig sind.
· Ein wesentlicher Vorteil ist allerdings, dass es vom Hersteller eine Standardschablone gibt.
69
II) Michel:
Abbildung 4.3: Anspitzhobel des Herstellers Michel
· Dieser Hobel besitzt, ähnlich der Riegermaschine”, eine einfache, wenig fehler”
anfällige Mechanik; sie ist leicht zu bedienen und problemlos zu transportieren.
· Im Gegensatz zum erstbeschriebenen Gerät bearbeitet der Michel-Hobel” die
”
Bahn über die gesamte Fläche.
· Diese Maschine ist meines Erachtens die schonendste für das Rohrblatt, da sie
über die gesamte Länge der Bahn entlang der Faserung des Holzes hobelt.
· Daher entstehen im Idealfall keinerlei Unregelmäßigkeiten, welche später korrigiert werden müssen.
· Die Schablone wird nach einem Musterrohr hergestellt, was Vor- und Nachteile
mit sich bringt [siehe Abschnitt 4.1].
70
III) Hipper:
Abbildung 4.4: Fräsmaschine des Herstellers Hipper, hier: für Oboenrohrblätter
· Dieses Gerät verdient den Namen Maschine”, da es die Lamelle mittels eines
”
elektrisch betriebenen Kugelfräsers bearbeitet.
· Da beim Fräsvorgang eine gewisse Sogwirkung entsteht, kann man die Blattstärke nicht so dünn wie bei Hobelmaschinen einstellen, weil ansonsten besonders an der Spitze die Gefahr besteht, dass Teile des Holzes weggerissen werden.
· Weiters ist die Hipper-Fräse” durch die komplexe Mechanik nur beschränkt
”
transportabel.
· Ein Vorteil gegenüber den anderen beiden Maschinen besteht darin, dass diese
auch für die Bearbeitung von Kontrafagottrohren eingesetzt werden kann.
4.3
Dokumentation der Vorgangsweise
im Überblick
Wie schon zu Beginn dieses Kapitels angedeutet, wurde mir nach der Anscha↵ung
meines Anspitzhobels relativ bald klar, dass das Hobelergebnis für mich nicht unbedingt zufriedenstellend war. Ich kannte nämlich Maschinen des gleichen Herstellers,
die wesentlich bessere Ergebnisse lieferten. Die Unausgewogenheit der Stärkenverhältnisse und Unregelmäßigkeiten, wie Stufen und Mulden in den Verläufen, wirkten
sich negativ auf die Spieleigenschaften aus, welche bei allen meinen Rohren relativ
ähnlich waren. Diese Tatsache, welche außerdem durch Messergebnisse bestätigt
wurde, zeigt, dass der Michelhobel prinzipiell sehr genaue Ergebnisse liefert.
71
Natürlich lernte ich mit der Zeit auf diese Missstände einzugehen und die Rohre
entsprechend zu verbessern. Um die Unausgewogenheit der Dickenverläufe auszugleichen, experimentierte ich außerdem mit Klebestreifen auf der Schablone und
mit Metallplättchen, die ich an bestimmten Stellen unterlegte. Dies führte auch
tatsächlich zu besseren Ergebnissen.
Dadurch motiviert kam mir erstmals der Gedanke, nicht an der bestehenden Schablone zu experimentieren, sondern selbst eine neue Form zu entwickeln. So begann ich
Fagottrohre aus verschiedenen Maschinen punktgenau zu vermessen und die Daten
aufzuzeichnen. Daraufhin verglich ich die Konturverläufe mit den Spieleigenschaften,
um so mögliche Zusammenhänge zwischen diesen feststellen zu können. Auf Basis
des erlangten Wissens stellte ich einen möglichst ausgeglichenen Dickenverlauf numerisch dar.
Nun stellte sich mir die Frage, wie ich eine Schablone fertigen könnte, die ein Fagottrohr mit eben diesen Daten liefern würde. Ich entschloss mich dazu, die Schablone
mit einer CNC-Fräse anfertigen zu lassen, da diese eine exakte Ausführung und
die Möglichkeit der Reproduzierbarkeit bietet. Das für die Fräse notwendige CADSystem, in welchem die Schablone gezeichnet wird, ermöglicht einen guten Überblick
über die Konstruktionsdaten und beinhaltet die Option, im Entwicklungsprozess
die Form unkompliziert zu verändern und anzupassen. Dadurch wird einerseits die
Prozesskette beschleunigt, andererseits werden Abänderungen der Kontur leichter
überprüfbar sowie deren unmittelbare Auswirkungen auf das Schwingungsverhalten
der Rohrblätter besser nachvollziehbar.
Ich hatte folgende grundlegende Idee: dazu musste ich vorerst die bestehende Schablone in gleicher Weise wie die Rohre vermessen. Hierauf berechnete ich die Di↵erenz
der Dicken zwischen dem Wunschrohr und dem Rohr, wie es bisher von der Maschine bearbeitet worden war. Genau um diese Di↵erenz korrigierte ich in der Folge die
Messdaten der bestehenden Schablone, sodass die neue Schablone die Kontur meines
Wunschrohres erzeugen würde. Jetzt musste mit den vorhandenen Daten ein CADModell der anzufertigenden Schablone erstellt werden. Ich entschied mich dafür, das
Modell selbst zu zeichnen und mich mit der geeigneten Software vertraut zu machen.
Für die Konstruktion verwendete ich das CAD-Programm Pro/ENGINEER Wildfire 5, was sich später noch als vorteilhaft herausstellen sollte, da diese Software an
den Technischen Universitäten und Höheren Technischen Lehranstalten in Österreich
ebenfalls gebräuchlich ist.
72
Mit dieser von mir angefertigten Zeichnung der neuen Schablone ausgestattet kontaktierte ich mehrere Metallbearbeitungsfirmen mit CNC-Fräsen in Oberösterreich
und Salzburg. Diese zeigten jedoch wenig Interesse für die Materie und schieden
deshalb bald aus.
Zielführender waren in der Folge meine Kontakte zur Johannes Kepler Universität
Linz und zur Technischen Universität Graz, sodass ich bald darauf die ersten CNCgefrästen Versuche einer verbesserten Schablone auf meinen Anspitzhobel schrauben
konnte. Die nun gehobelten Rohrblätter übertrafen meine Erwartungen, da sie bereits leichter in Schwingung zu versetzen waren. Allerdings gerieten die Mundstücke
nun im Bereich der Kanäle im Verhältnis zu dünn. Was außerdem auffiel, war die
Unsymmetrie zwischen rechter und linker Seite der Lamelle. Das bestätigte meine
Vermutung, dass die Zunge91 ebenfalls neu angefertigt werden müsste.
Abbildung 4.5: Die Zunge als Auflagefläche der Lamelle beim Hobeln
Anmerkung: Ich hatte eine Hälfte der Schablone vermessen, nach meinen Vorstellungen korrigiert und beim Zeichnen im CAD-Programm gespiegelt. Die auftretende
Unsymmetrie rührte also mit hoher Wahrscheinlichkeit von einer nicht exakt symmetrischen Zunge her, was sich beim Vermessen dieser daraufhin auch bestätigte.
Herr Michel hatte diesen Umstand beim Anfertigen der Schablone berücksichtigt
und entsprechend korrigiert.
91
Die Zunge ist der Teil des Anspitzhobels, auf dem das Rohrblatt für die Bearbeitung aufgespannt wird; sie ist die Fläche, auf der die zu hobelnde Lamelle aufliegt [siehe Abb. 4.5].
73
Bedingt durch die computerunterstützte Vorgehensweise legte ich Wert auf symmetrische Teile. Also beschloss ich die Zunge ebenfalls neu herstellen zu lassen und
konstruierte eine symmetrische Aufspannfläche in Anlehnung an die bestehende.
Diesen sehr kompliziert zu fräsenden Teil fertigte die HTL Paul Hahn in Linz an,
welche über sehr gute Maschinen verfügt und viel Engagement und Fachkompetenz
einbrachte.
Jetzt erhielt ich tatsächlich Rohrblätter mit hohern Symmetriewerten, die Kontur
war jedoch noch nicht zu meiner Zufriedenheit, wie weiter oben bereits geschildert.
Mir war klar, dass das noch einige Versuche erfordern würde, bis ich durch wiederholte Anwendung meiner Methode der Di↵erenzrechnung eine Annäherung an die
Messwerte meines Musterrohres erreichen würde.
4.4
Vermessung von Fagottrohrblättern
In diesem Kapitel präsentiere und vergleiche ich die Messergebnisse des Dickenverlaufes von Mundstücken, die von unterschiedlichen Maschinen bearbeitet worden sind. Davor wird ein für die Vergleichbarkeit notwendiges Koordinatensystem
eingeführt. Weiters werden verschiedene Methoden zur Rohrblattvermessung aufgezeigt sowie die dabei auftretenden Probleme erläutert.
Außerdem beschreibe ich meine Eindrücke beim Spielen der unterschiedlich bearbeiteten Rohrblätter, um so mögliche Zusammenhänge zwischen den Spieleigenschaften und dem Konturverlauf zu erkennen. Dabei ist natürlich wichtig, dass sich
die Fagottrohre in ihren übrigen Parametern möglichst wenig unterscheiden. Deshalb habe ich beim Aufbinden stets Arundo donax desselben Herstellers verwendet,
um die Qualitätsschwankungen beim Holz so gering wie möglich zu halten. Aus dem
gleichen Grund wurden Längenmaße und Façon nicht varriiert.
Ferner sei angemerkt, dass Vermessungen von Parametern wie Länge, Façon, Krümmung etc. unterschiedlich gefertigter Mundstücke nicht durchgeführt wurden, da
sie nicht unmittelbarer Gegenstand meiner Untersuchungen waren. Wie sich Variationen dieser Parameter tatsächlich auf die Spieleigenschaften der Fagottrohre auswirken, ergäbe ausreichend Sto↵ für weitere wissenschaftliche Arbeiten und würde
den Rahmen sprengen.
74
4.4.1
Koordinatensystem
Für die Vermessung und Vergleichbarkeit der Kontur verschiedener Mundstücke war
vorerst eine genaue Einteilung und Festlegung der Messpunkte nötig. Ich entschied
mich für ein kartesisches Koordinatensystem, wobei ich die Messpunkte im Millimeterabstand über die zu vermessende Lamelle verteilte [siehe Abb. 4.6].
Abbildung 4.6: Koordinatensystem auf einem Fagottrohrblatt
Den Ursprung O(0/0) habe ich in die Mitte der Rohrblattspitze gelegt. Meine Fagottrohre haben eine Bahnlänge von 28 mm und sind an der Spitze etwa 15,5 mm breit.
Daraus ergeben sich zirka 370 erfassbare Messpunkte, die auf 15 Längs- und 29
Querlinien liegen. Die Längslinien werden mit L7 , L6 , . . . , L1 , M0 , R1 , R2 , . . . , R7 ,
die Querlinien mit Q0 , Q1 , . . . , Q28 bezeichnet. M0 stellt also die Symmetrieachse
des Rohrblattes dar, da dieses im Idealfall auch symmetrisch gearbeitet ist. Der Ursprung, die Spitzenmitte, hat die Koordinaten (M0 /Q0 ) bzw. (0/0), der der Zwinge
am nächsten liegende Punkt in der Mitte des Rohrrückens die Koordinaten (M0 /Q28 )
bzw. (0/28) usw. Bei der Vermessung der Lamelle wird jedem Punkt (x/y) ein Wert
z zugeordnet, welcher die Blattdicke an diesem Punkt definiert [siehe auch Abschnitt
3.3.5].
75
Was die Vermessung der Kontur bei Doppelrohrblättern so schwierig macht, ist der
Umstand, dass die Lamellen gekrümmt sind. Die Innenseite dieser ist anders als
bei einfachen Rohrblättern nicht plan, sondern gewölbt. Wie bereits in Abschnitt
3.3.6 ausgeführt ist die Blattfläche in drei Richtungen gekrümmt. Die Krümmungen
K2 und K3 sind (im Bereich der zu vermessenden Bahn) sehr gering, weshalb ihre
Auswirkungen auf das Messergebnis vernachlässigt werden können. Krümmung K1
hingegen muss zweifelsohne berücksichtigt werden, sodass das Koordinatensystem
beim Vermessen der Wölbung angepasst werden muss, also ebenfalls gekrümmt wird.
Glücklicherweise ändert sich in dem am stärksten gewölbten hinteren Teil der Bahn
die Dicke der Lamelle entlang der Querlinien, das heißt in x-Richtung, nur langsam.
Dadurch wirken sich etwaige Positionsungenauigkeiten, welche die x-Koordinate betre↵en, kaum auf den Messwert z aus.
4.4.2
Messmethoden
Manuelle Vermessung mit einer Messuhr:
Abbildung 4.7: Für die Dickenbestimmung von Fagottrohren adaptierte Messuhr des
Herstellers Michel
Als erstes setzte ich meine Messuhr zur Bestimmung des Dickenverlaufes meiner
Rohrblätter ein. Dieses Messinstrument ist unter Doppelrohrblattbläsern weit verbreitet und dient zur Kontrolle und als Orientierungshilfe beim Schaben der Mundstücke.
Wie in Abbildung 4.7 gut sichtbar ist die Messuhr an einem eigens dafür gefertigten Stativ befestigt, wobei eine schmale sogenannte Messzunge es ermöglicht, den
76
Nullpunkt der Messapparatur beliebig im Hohlraum der beiden Lamellen zu positionieren, also die Dicke des Rohrblattes auch an Punkten zu bestimmen, welche
weit von der Spitze entfernt liegen. Die Messspitze ist flach und hat einen Durchmesser von 0,55 mm, dadurch wird ein Einsinken der Spitze in das eher weiche und
inhomogene Material Arundo donax vermieden. Die durch die Faserung auftretenden
Mulden werden überbrückt und weitgehend nicht erfasst.
Abbildung 4.8: links: Rohrblatt mit aufgezeichneten Längslinien im Millimeterabstand,
rechts: Fagottrohr samt Messuhr mit den Querlinien auf der Messzunge
Zur Positionierung meiner Messpunkte habe ich die Längslinien des Koordinatensystems aus Abschnitt 4.4.1 mit Lineal und Bleistift auf die zu vermessenden Lamellen
aufgezeichnet [siehe Abb. 4.8 links]. Damit war die x-Koordinate der Punkte festgelegt, wobei dadurch auch die Krümmung K1 des Mundstückes einigermaßen berücksichtigt wurde. Kleine Abweichungen würden sich auf das Messergebnis aus bereits genannten Gründen kaum auswirken [siehe Abschnitt 4.4.1]. Für die Positionsbestimmung in y-Richtung habe ich die auf der Messzunge bereits eingravierten
Markierungen verwendet [Abb. 4.8 rechts]. Als Messgenauigkeit für die Dickenmessung habe ich 0,01 mm als sinnvoll erachtet, wie viele andere auch, die sich mit
dieser Materie befasst haben. Außerdem ist meine Messuhr für diese Genauigkeit
ausgelegt. Mit guter Beleuchtung, viel Sehkraft und einigem Zeitaufwand habe ich
in der Folge mehrere Rohrblätter Millimeter für Millimeter vermessen.92
Vermessung mittels Laserscanner und CAD-Software:
Eine weitere Vermessungsmethode für Fagottrohrblätter bot sich, als mir am Institut für Wiener Klangstil der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien ein
3D-Laserscanner (der Marke Next Engine) zur Verfügung stand. Bei dieser Methode wird das zu vermessende Objekt durch mehrere Laserlinien abgetastet. Das
durch den Gegenstand reflektierte Licht wird durch einen oder mehrere Sensoren
vom Scanner wieder eingefangen und anschließend ausgewertet. Die Koordinaten
92
Für die Messpunkte in den hinteren Randbereichen war es notwendig, den Wickel und die
Drähte zu entfernen und das Mundstück in seine beiden Hälften zu zerlegen.
77
der dreidimensional vermessenen Punkte werden errechnet und als Mesh”93 , eine
”
durch Kanten94 verbundene Punktewolke, dargestellt. Die Erfassung und Auflistung
der Punktekoordinaten mittels Laserscanner ist eine Methode zur Analog-DigitalKonvertierung.
Abbildung 4.9: links: Laserscanner des Herstellers Next Engine, rechts: Scan als Mesh
dargestellt
Mit diesem Verfahren erhält man in relativ kurzer Zeit eine sehr große Anzahl von
Messpunkten mit hoher Punktedichte und somit eine große Datenmenge. Aus der
Funktionsweise des Laserscanners wird ersichtlich, dass das Messobjekt nicht durch
einige wenige repräsentative Punkte, sondern durch eine Wolke von gleichwertigen,
unklassifizierten Punkten beschrieben wird. Die sogenannten repräsentativen Punkte
sind meist nicht in der Menge der Scanpunkte enthalten. Im Fall der Rohrblattvermessung bedeutet das, dass der Laserscanner zwar sehr viele Punkte auf der Bahn
des Rohrblattes vermisst aber nicht unbedingt diejenigen, die auf meinem erstellten
Koordinatensystem liegen, wodurch die Daten verschiedener Fagottrohre aber erst
vergleichbar werden. Jene können allerdings mit Hilfe der CAD-Software angenähert
ermittelt werden.
Die Messgenauigkeit des verwendeten Laserscanners liegt laut Angaben des Herstellers bei etwa 0,005 inch = 0,127 mm, wobei man erwähnen muss, dass die Oberfläche des zu vermessenden Objektes möglichst wenig spiegeln, das heißt reflexions”
arm” sein sollte, weil ansonsten das Messergebnis erheblich verfälscht wird beziehungsweise an stark reflektierenden Stellen keine Messpunkte erfasst werden und das
Mesh viele Löcher” bekommt [siehe Abb. 4.10]. Zur Vermeidung von Spiegelungen
”
kann man das Messobjekt bei Bedarf mit einem matten Spray ansprühen.
93
Mesh (engl.): Gitter, Maschennetz, Polygonnetz zur 3D-Modellierung; eine Fläche, die meist
aus Drei- oder Vierecken besteht.
94
In der Graphentheorie werden die Punkte = Elemente als Knoten und die Verbindungslinien
als Kanten bezeichnet.
78
Abbildung 4.10: Links: 3D-Scan eines davor mit Messuhr manuell vermessenen Fagottrohres. Die dazu auf die Bahn gezeichneten Bleistiftstriche sind deutlich zu erkennen und
beeinträchtigen das Messergebnis erheblich. Rechts: Scan mit Löchern und ausgefransten
Rändern
Um später die tatsächliche Dicke der Lamelle ablesen zu können, müssen mehrere
Scans von verschiedenen Seiten gemacht werden. Zu diesem Zweck wurde das Rohrblatt in seine beiden Hälften zerlegt, anschließend wurden acht Scans der Lamelle
aufgenommen, welche auf einem Drehtisch positioniert war [siehe Abb. 4.11].
Abbildung 4.11: Links: Scan eines Rohrblattes von acht Seiten; rechts: Jeweils zwei dieser
Scans werden durch Referenzpunkte miteinander verknüpft.
Anschließend müssen die Scans zusammengesetzt und verbunden werden. Um zwei
Polygonnetze miteinander zu verknüpfen, müssen mindestens drei Referenzpunkte
pro Scan gesetzt werden. Diese Referenzpunkte sollten sich paarweise möglichst
exakt an der gleichen Stelle der Lamelle befinden, wie in Abbildung 4.11 rechts
dargestellt. Solche Punkte zu positionieren kann sich auf diesen teils sehr ausgefransten Scans schwierig gestalten, wie man sich leicht vorstellen kann. Je ungenauer man beim Zusammensetzen der Scans vorgeht, desto ungenauer wird das
Messergebnis.
79
Danach reduziert man die acht zusammengesetzten Meshes auf eines und kann dieses
neu erzeugte Mesh zum Beispiel als Datei im *.stl-Format95 in ein CAD-Programm
importieren. Hier wird die importierte Facette vorerst in ein geeignetes Koordinatensystem gelegt, das heißt, der Nullpunkt wird gesetzt und die Facette wird
entsprechend ausgerichtet. Danach kann diese in eine Fläche umgewandelt werden.
Schließlich kann man mittels Analysewerkzeugen das CAD-Modell vermessen. Hierbei gestaltet sich allerdings die Positionierung der Messpunkte wegen der Krümmung
der Lamelle äußerst schwierig und zeitaufwändig.
Aufgrund der für die Rohrblattvermessung nicht ausreichenden Genauigkeit des
Laserscannerverfahrens (mangelnde Punktgenauigkeit des 3D-Scanners, Schwierigkeiten beim Zusammensetzen der Scans) wurden für eine automatisierte Positionierung der Messpunkte im CAD-Programm keine weiteren Recherchen angestellt.
Eine weitere Methode zur Analog-Digital-Konvertierung von Messobjekten ist die
Computertomographie, die sich jedoch bei der Rohrblattvermessung aus Gründen der Inhomogenität des Materials Arundo donax bald als ungeeignet herausstellte.
Abbildung 4.12: Messtabellen für die Aufzeichnung der Dickenverhältnisse von Fagottrohren; links: konventionell, rechts: in Microsoft Excel
Ich habe schließlich die Kontur einiger Fagottrohre mit Hilfe meiner Messuhr punktweise vermessen und die Werte in mein Koordinatensystem eingetragen. Anschließend wurden die Messdaten in den Computer übernommen und in speziell dafür
erstellte Tabellen in Microsoft Excel eingetragen, wie in Abbildung 4.12 dargestellt.
Diese Digitalisierung ermöglichte eine unkomplizierte Visualisierungmöglichkeiten
durch die Software. Die Längs- und Querverläufe der Rohrblattstärken lassen sich
95
Das Dateiformat *.stl steht für Surface Tesselation Language oder auch für Standard Triangulation Language. Dieses wird als Schnittstelle für viele CAD-Systeme benutzt.
80
anschaulich in Diagrammen darstellen und die vermessenen Lamellen werden somit
leichter vergleichbar.
Ferner besteht durch diese Art der Digitalisierung die Möglichkeit, die Daten zu
weiteren Analysezwecken in eine andere Software zu übernehmen wie zum Beispiel
in CAD- oder Mathematik-Programme. Darstellungen und Berechnungen von Querschnittsflächen, Masseverteilung und Volumina werden dadurch ermöglicht. Außerdem kann die Topographie der Lamellen beispielsweise durch Höhenschichtlinien
veranschaulicht werden. Nähere Ausführungen dazu befinden sich in Abschnitt 3.3.5.
4.4.3
Messergebnisse, Analysen und das Spielverhalten
von Fagottrohren
Im folgenden Abschnitt werden die Messergebnisse repräsentativer Rohre, welche
von verschiedenen Maschinen in ihrer Kontur bearbeitet worden sind, präsentiert,
analysiert und verglichen.96 Deren Spieleigenschaften werden ebenfalls beschrieben
und mit den Messdaten in Zusammenhang gebracht.
Die vermessenen Rohrblätter wurden mit folgenden Hobel- bzw. Fräsgeräten bearbeitet:
Rohrblatt 1:
mein Anspitzhobel, Hersteller Michel
Rohrblatt 2:
Anspitzhobel, Hersteller Michel
Rohrblatt 3:
Fräsmaschine, Hersteller Hipper
Rohrblatt 1
Rohrblatt 1 wurde mit meinem Anspitzhobel (Hersteller: Michel) bearbeitet. Den
Grobverlauf der in Abb. 4.13 dargestellten Längslinien kann man bei diesem Modell prinzipiell als linear bezeichnen. Bis auf die im Diagramm deutlich sichtbaren
Ausreißer” könnte man die Dickenverläufe durch Geraden beschreiben, wobei die
”
Stärke sowohl zur Spitze als auch zu den Kanten der Lamelle hin stetig abnimmt.
Eine Ausnahme bildet die Spitze (Q8 - Q0 ): Hier verhalten sich die Linien sehr
96
Da die vermessenen Rohrblätter durchwegs gute Symmetriewerte aufwiesen, werden in der
folgenden Analyse aus Gründen der besseren Übersicht jeweils nur die Daten einer Rohrblatthälfte
dargestellt.
81
Abbildung 4.13: Darstellungen der Konturdaten von Rohrblatt 1
oben: Längsliniendiagramm, unten links: CAD-Modell der flachgedrückten Lamelle samt
Höhenschichtlinien, unten rechts: Querschnittsflächendiagramm
unterschiedlich, die Verläufe zweier benachbarter Linien ähneln sich kaum. Besonders au↵ällig ist dies in der Mitte bei M0 und L1 , welche außerdem starke Mulden
und Höcker aufweisen. Dieser Umstand trägt vermutlich dazu bei, dass das Rohr
nicht kräht, wenn es aus der Maschine kommt. Außerdem leidet die Ansprache des
Rohres darunter.
Entlang der Mittellinie (M0 ) ist das Rohrblatt an der hintersten gemessenen Stelle
bei Q27 ca. 1,2 mm und an der Spitze ca. 0,6 mm dick. Eine weitere Abweichung von
der Linearität bildet die ausgeprägte Mulde hinter dem Herz”, im Bereich Q12 bis
”
Q9 . Wie bereits erwähnt fällt die Dicke der Lamelle zu den Rändern (Spitze und
Kanten) hin stetig ab, was auch in Abb. 4.13 (Höhenschichtlinien) gut zu erkennen
82
und positiv zu vermerken ist. Die dünnste gemessene Stelle an der Spitze links außen
beträgt ca. 0,25 mm.
Die Linien M0 , L1 , L2 und L3 liegen relativ nah zusammen, wobei sich ihr Abstand zueinander zur Spitze hin tendenziell vergrößert. Zwischen L3 und L4 folgt
schließlich ein ziemlich großer Abstand, bevor sich anschließend die Linien L4 bis
L6 zur Spitze hin wieder annähern. Ungünstig sind weiters die Schwankungen der
Rohrblattstärken auf den Linien L5 und L6 , die wahrscheinlich auch das Mundstück
am freien Schwingen hindern.
Die in der Abbildung dargestellten Höhenschichtlinien weisen großteils ähnliche
Verläufe und regelmäßige Abstände zueinander auf. In der vorderen Hälfte der
Lamelle verkleinert sich ihr Abstand allerdings merklich, was bedeutet, dass hier
die Dicke schneller abnimmt, bevor im Bereich der Ecken der Stärkenverlauf wieder
abflacht. Die Höhenschichtlinien verlaufen steil nach hinten, sie schließen mit der
Mittellinie M0 spitze Winkel ein und haben in der Gegenüberstellung der drei
Rohrblätter die schmalste Form.
Der Verlauf der Querschnittsflächeninhalte (in y-Richtung) von der Stufe zur Spitze
des Rohrblattes ist ebenfalls sehr aussagekräftig [siehe Abb. 4.13 u. r.]. In der eckigen Form werden die Höcker und Mulden der Längslinien verstärkt sichtbar und
Unregelmäßigkeiten in der Masseverteilung entlang der y-Achse verdeutlicht.
Spieleigenschaften:
Die gerade beschriebenen Krümmungsunstetigkeiten in den Dickenverläufen haben
erheblichen Einfluss auf die Schwingungseigenschaften der Fagottrohre, welche nicht
frei durchschwingen”, kaum krähen und wenig Komplianz haben, wenn sie vom
”
Hobel bearbeitet worden sind. Dies bestätigt sich immer wieder dadurch, dass sich
nach mühevollem Ausgleichen dieser Diskontinuitäten das Schwingungsverhalten der
Fagottrohre verbessert. Die steil verlaufenden Höhenschichtlinien und der verhältnismäßig dicke Rücken bewirken einerseits eine dunkle Klangfarbe, andererseits dämpft
dieser Umstand die Schwingungen. Um die beschriebenen Unregelmäßigkeiten wieder
ausgleichen zu können, ist man gezwungen, die Rohrblattstärke bei der Maschine
sehr dick einzustellen, was die Rohre am freien Schwingen erst recht hindert. Das
erschwert die Weiterbearbeitung des Rohrblattes von Hand, sodass gute Resultate
nur mit viel Mühe und Zeitaufwand zu erreichen sind.
83
Rohrblatt 2
Abbildung 4.14: Längsliniendiagramm von Rohrblatt 2 zur Veranschaulichung der
Konturdaten
Rohrblatt 2 wurde mit einer Maschine des Herstellers Hipper gefräst. Auf den ersten Blick ähneln sich Rohrblatt 2 und Rohrblatt 1 durch die quasi linearen Verläufe
ihrer Längslinien, wobei Rohr 2 vorerst viel unregelmäßiger wirkt [siehe Abb. 4.14].
Dies mag wohl daran liegen, dass sich die Linien M0 , L1 und L2 in sehr geringem
Abstand zueinander bewegen und sogar mehrmals überkreuzen. Andererseits gibt
es wesentlich mehr Unebenheiten sogenannte Ausreißer”, die jedoch relativ klein
”
ausfallen und vielleicht in Zusammenhang mit dem Fräsvorgang stehen, durch den
die Kontur dieses Mundstückes erzeugt worden ist.97 Dennoch bietet diese durch
die Fräsmaschine vorgefertigte Kontur Vorteile gegenüber jener von Rohrblatt 1.
Vor allem im Bereich der Spitze sind die Dickenverläufe der Linien M0 bis einschließlich L3 ausgeglichener und ähneln einander eher. Besonders M0 fällt zur Spitze
der Lamelle hin gleichmäßiger ab und weist hier keine Mulde auf. Der Abstand
zwischen den Linien L3 und L4 ist im Vergleich zu den übrigen Linien ebenfalls vergrößert, fällt aber im Gegensatz zu Rohrblatt 1 nicht so überproportional groß aus.
Die absoluten Dickenmaße sind denen von Rohr 1 auch nicht unähnlich. M0 bewegt
sich ebenfalls zwischen 1,2 und 0,6 mm. Die dünnste Stelle Q0 auf L6 ist mit zirka
0,3 mm etwas stärker als bei Rohr 1.
97
Meiner Meinung nach nimmt die Bearbeitungsmethode des Fräsens im Gegensatz zum Handhobeln weniger Rücksicht auf die Faserung des Rohmaterials Arundo donax. Die natürliche Struktur des Pflanzenstengels wird dadurch weniger geschont und deren Oberfläche aufgerauht. Gefräste
Fagottrohre verhalten sich in ihren Schwingungen ähnlich wie dünner gehobelte Rohre, weil das
Fräsen die Holzstruktur anders beeinflusst als das Hobeln.
84
Spieleigenschaften:
Trotz der beschriebenen Unregelmäßigkeiten verhält sich Rohrblatt 2 beim Spielen
angenehmer. Man hat das Gefühl, dass es den Luftstrom effizienter umwandelt,
wobei es besser kräht” und schwingt und dadurch in der Folge leichter zu bearbei”
ten ist. Die Mehrzahl der Fagottrohre aus dieser Maschine ist allerdings sehr schwer,
sodass die Rohre von Hand um einiges dünner gemacht werden müssen und daher
noch viel Arbeit bleibt.
Aus folgenden Gründen wird die Maschine nicht dünner eingestellt:
- Bei dünneren Einstellungen besteht durch die beim Fräsen entstehende Sogwirkung die Gefahr, dass die Kontur generell verfälscht wird sowie Ecken leicht
abgerissen werden können.
- Der Fagottist, welcher diese Maschine benützt, möchte auch etwas weicheres”
”
Holz verwenden können und somit weniger Ausschussholz haben. Weicheres
Material hat naturgemäß eine geringere Spannung und darf nicht zu dünn
gearbeitet werden, damit es genügend Kraft behält und spielbar ist. Bei einer
dickeren Ausgangsbasis scheiden daher von vornherein weniger Fagottrohre
aus.
Rohrblatt 3
Rohrblatt 3 wurde wie Rohrblatt 1 mit einem Anspitzhobel des Herstellers Michel
bearbeitet, unterscheidet sich jedoch augenscheinlich von den beiden bisher beschriebenen Rohrblättern. Die in Abb. 4.15 dargestellten Längslinien nehmen einen komplett anderen Verlauf. Ihre Grundform kann nicht durch Geraden angenähert, sondern durch gekrümmte Kurven beschrieben werden, wobei es wenige Ausreißer”
”
gibt.
Dieses Rohrblatt ist insgesamt um einiges dünner gehobelt als die beiden bereits
analysierten Rohrblätter. Sehr au↵ällig ist in diesem Zusammenhang der steil abfallende hintere Bereich der Bahn: Von der Stufe bis Q27 nimmt der Hobel erfahrungsgemäß kein Material weg, danach von Q27 bis Q25 fallen die vermessenen Linien
schnell ab, bevor sie ein mehr oder weniger ziemlich konstantes Niveau von zirka
0,6 mm erreichen, welches bis Q15 bleibt. Gut zu erkennen sind diese topographischen Eigenschaften auch im Querschnittsflächendiagramm sowie in der Darstellung
der Höhenschichtlinien der Abb. 4.15. Die im Verhältnis sehr dicken hinteren 2 bis
3 Millimeter der Bahn wird man im Zuge der händischen Weiterbearbeitung mit
einer Feile beziehungsweise einem flachen Messer an den Rest der Bahn anpassen.
85
Abbildung 4.15: Darstellungen der Konturdaten von Rohrblatt 3
oben: Längsliniendiagramm, unten links: CAD-Modell der flachgedrückten Lamelle samt
Höhenschichtlinien, unten rechts: Querschnittsflächendiagramm
Gleichzeitig trägt dieser noch starke Teil zu einem positiven Spannungsaufbau bis
zur Spitze des Fagottrohres hin bei und bietet so Regulierungsmöglichkeiten für
diesen Parameter. In der vorderen Hälfte der Lamelle krümmen sich die Linien konvex und tre↵en sich an der Spitze bei ungefähr 0,2 mm.
Es gibt wie bei Rohrblatt 2 ebenfalls Überkreuzungen, nämlich zwischen den Linien
M0 , L1 , L2 , und L3 über die gesamte Länge der Bahn. Interessant ist dabei, dass L1
im hinteren Bereich bis Q10 unterhalb von L2 und L3 liegt, danach fällt L3 unter die
Linien L1 und L2 ab, die nun etwa gleiche Werte aufweisen. Au↵allend ist weiters,
dass die Lamelle im Bereich Q2 bis Q0 entlang L2 seine maximalen Dickenwerte im
Querschnitt besitzt. Im Bereich des Herzes” dominiert mit einigem Abstand die
”
Mittellinie M0 .
86
Abb. 4.15 (u. l.) zeigt die Höhenschichten der platt gedrückten Lamelle: Diese sind
sehr breit und deshalb tre↵en auch die einzelnen Höhenlinien an der Mittellinie im
Unterschied zu Rohrblatt 1 sehr flach aufeinander. Im Gegensatz dazu verlaufen
dieselben zu den Kanten des Rohrblattes hin sehr steil nach hinten. Dies gilt vor
allem für die vordere Hälfte der Bahn, wobei die Höhenlinien 9 und 10 (von der
Spitze weg gezählt) in ihrer Verlaufsform leicht variieren und somit eine kleine Ausnahme bilden.
Ein völlig anderes Erscheinungsbild zeigt auch das Querschnittsflächendiagramm in
Abb. 4.15 (u. r.). Abgesehen davon, dass es ebenfalls wie die Längslinien sehr glatt
verläuft, ergibt sich eine ganz andere Masseverteilung auf der schwingenden Lamelle.
Am au↵allendsten ist, dass im hinteren Bereich der Bahn viel weniger Holz stehen”
”
bleibt und sich daher der Schwerpunkt nach vorne verlagert. Der Anstieg der Kurve
von Q23 bis in etwa Q14 ist auf die sich zur Spitze weitende Façon zurückzuführen.
Ab Q14 wirkt sich schließlich die Abnahme der Dicke stärker aus als die Zunahme
der Breite durch die Façon.
Spieleigenschaften:
Da die Kontur von Rohrblatt 3 sehr gleichmäßig verläuft und nur wenige kleine Unebenheiten aufweist, kann die Maschine deutlich dünner eingestellt werden. Resultat
ist in den meisten Fällen ein gut schwingendes und krähendes” Rohrblatt, welches
”
sich bereits für Einspielübungen eignet, bevor man durch gezieltes Schaben Korrekturen vornimmt. Naturgemäß ist dann viel weniger Arbeit von Hand erforderlich,
was außerdem Zeitersparnis bringt und eine wesentliche Erleichterung beim Rohrbau
darstellt.
Natürlich ergeben sich bei Rohrblättern aus dieser Maschine auch Problematiken,
die aber ganz anders gelagert sind:
- Dichtes beziehungsweise hartes Rohmaterial Arundo donax ist erforderlich, da
ansonsten durch die dünnere Einstellung zu viel Spannung verlorengeht.
- Die Fagottrohre aus diesem Anspitzhobel neigen im Gegensatz zu Rohrblatt
1 und 2 zu einer eher hellen Klangfarbe, sind dafür jedoch von Anfang an
komplianter. Sie müssen aus diesem Grund auf etwas anderer Art und Weise
weiterbearbeitet werden.
87
Zusammenfassend kann man festhalten:
Dieser Anspitzhobel ermöglicht eine dünne Einstellung der Rohrblattstärke
und liefert eine ausgeglichene, frei schwingende Ausgangsbasis, welche verhältnismäßig wenig Nachbearbeitung erfordert.
Man muss keine Unregelmäßigkeiten ausgleichen und gleichzeitig sinkt die
Wahrscheinlichkeit, beim Schaben Fehler zu machen, weil die Bahn eben schon
dünner ist.
Man kann die Rohre in den meisten Fällen gleich einspielen, weil sie von Anfang
an mehr Komplianz mit sich bringen.
Aus all diesen Punkten ist klar ersichtlich, dass eine solche Maschine erheblich viel
Zeit spart und als Resultat bessere Rohre hervorbringt.
Ich habe noch weitere Rohrblätter aus anderen Maschinen vermessen und interessante Ergebnisse erhalten. Da diese Rohrblätter teilweise von Fagottisten stammen,
welche Rohrbaumethoden anwenden, die sich von meiner sehr unterscheiden, bleiben
die Beschreibungen und Analysen dieser Mundstücke aus inhaltlichen Gründen ausgespart.
88
Kapitel 5
Versuch einer rechnergestützten
Methode zur Herstellung
von konturbestimmenden
Komponenten für
Fagottrohrbauberäte
5.1
Allgemeines
Bevor ich mich intensiver mit der rechnergestützten Konstruktion einer neuen Schablone für meinen Anspitzhobel zu beschäftigen begann, setzte ich mir eine klare
Zielvorgabe. Ich wollte nicht das Rohrblatt mit der perfekten Kontur herstellen
können, was aus bereits mehrfach genannten Gründen weder sinnvoll noch möglich
ist [siehe Abschnitt 1.1 und Kapitel 3], sondern eine Methode finden, eine bestimmte
Kontur verlässlich erzeugen oder kopieren zu können. Später würde ich kleine Variationen an der Zeichnung vornehmen und weitere Schablonen anfertigen lassen, um
in Folge durch Experimentieren und Sammeln von zusätzlichen Erfahrungswerten in
der Spielpraxis weiterführende Verbesserungen für mich zu erreichen und eine noch
bessere Ausgangsbasis zu scha↵en.
Vorerst wählte ich ein Musterrohr aus, von dem ich wusste, dass es sowohl gute
Schwingungseigenschaften beim Spielen als auch eine gute Ausgangsbasis für die
Weiterbearbeitung von Hand bot.
89
5.2
Auswahl eines Musterrohrblattes und
Erstellung der Konturdaten einer neuen
Schablone mittels Di↵erenzrechnung
Hauptsächlich wegen der positiven Schwingungseigenschaften von Rohrblatt 3 [siehe
S. 85] entschied ich mich, dieses als Vorbild für mein Musterrohrblatt zu verwenden.
Außerdem würden die Konturunterschiede zu meinen bisher gehobelten Rohrblättern
gut messbar und deutlich sichtbar sein.
Messdaten
geglättete Daten
Abbildung 5.1: Konturdaten des Musterrohrblattes, oben: Darstellung der Längslinien,
unten: Flächendiagramm der Kontur
Um die Dickenverläufe meines Musterrohres so kontinuierlich wie möglich zu gestalten, wurden an den Messdaten von Rohrblatt 3 geringfügige Änderungen vorgenommen. Kleine, eventuell auch durch Messfehler entstandene Unregelmäßigkeiten wurden von mir ausgeglichen. Zusätzlich habe ich die Werte in den erstellten Tabellen in
Microsoft Excel von Hand geglättet. Diese von mir vorgenommenen Veränderungen
sind in Abb. 5.1 dargestellt.
90
Damit war der Dickenverlauf des Musterrohres durch eine Punktewolke festgelegt.
Doch leider kann jener nicht direkt für die Kontur der Schablone übernommen werden, wie das bei der Herstellung von Klarinettenblättern möglich ist, da diese im
Gegensatz zu Doppelrohrblättern eine plane Rückseite besitzen. Beim Fagottmundstück hingegen muss man für die Anfertigung einer Schablone den gewölbten Innenraum berücksichtigen.
Durch das Aufstecken des Fagottrohres auf die Zunge des Anspitzhobels [siehe Abb.
4.1 auf S. 73] wird die Form des Innenraumes fixiert, sodass die Krümmung des
Hohlraumes möglichst konstant bleibt. Es sei angemerkt, dass dieser Hohlraum vor
allem im hinteren Bereich des Rohrblattes nicht unbedingt der komplementären
Zunge entspricht,98 wodurch eine direkte Addition von Zunge und Rohrblatt nicht
die Kontur der Schablone ergibt.
Abbildung 5.2: Schematische Darstellung der Di↵erenzrechnung
Um die Form der Schablone für das Musterrohr zu erhalten, stellte ich daher folgende
aus Abb. 5.2 ersichtliche Überlegung an:
Die Di↵erenz der Konturwerte von neuem zu altem Rohrblatt muss
gleich sein der Di↵erenz der Konturwerte von neuer zu alter Schablone, wobei mit neuem Rohrblatt das Musterrohrblatt gemeint ist und
mit altem jenes, welches mit der alten Schablone hergestellt worden ist;
der Begri↵ alte Schablone steht demnach sinngemäß für die bestehende
Schablone. Die Konturwerte der neuen Schablone, welche das Musterrohrblatt kopieren soll, können aus diesem Zusammenhang errechnet
werden.
Für diese Art der Berechnung war es notwendig, die Kontur der bestehenden Schablone meiner Michelmaschine zu vermessen. Dankenswerterweise stellte mir dafür
98
Das heißt, das Rohrblatt liegt unter Umständen nicht überall auf.
91
Herr Mag. Peter Leuthner, Hersteller von Klarinettenblättern, seine Messstation
zur Verfügung [siehe Abb. 5.3].
Abbildung 5.3: Messstation, eine vereinfachte Form der Koordinatenmessmaschine
Für die Vermessung der Schablone verwendete ich die gleiche Einteilung der Messpunkte wie bei den Rohrblättern, das heißt das gleiche Koordinatensystem, um so
mit den übereinanderliegenden Punkten, das sind jene Punkte mit gleicher x- und
y-Koordinate,99 die Di↵erenzrechnung durchführen zu können [siehe Abb. 5.4].
Es ist nützlich, die in Form von regelmäßigen Punktewolken vorliegenden Daten
durch Matrizen darzustellen, was die Di↵erenzrechnung anschaulicher macht. Dies
entspricht auch der in Microsoft Excel durchgeführten Tabellenkalkulation.
Es sei Rm die Matrix, welche die Kontur des Musterrohres, und R die Matrix,
welche das mit der bestehenden Schablone gehobelte Rohrblatt beschreibt. Weiters
steht S für die Konturdaten der bestehenden Schablone, sodass sich Sm , die Kontur
der Schablone, welche den Dickenverlauf des Musterrohres ergeben würde, wie folgt
berechnen lässt:
Sm = S (Rm R)
(5.1)
99
Aufgrund der Krümmung des Rohrblattes liegen zwar die Messpunkte nicht exakt übereinander. Diese sich ergebende Abweichung ist jedoch minimal, da zum Einen beim Aufstecken
des Rohres auf die Zunge seine Wölbung reduziert wird und zum Anderen sich die Dicke der
Lamelle im hinteren Bereich nur sehr langsam ändert.
92
Abbildung 5.4: Veranschaulichung der Di↵erenzmethode an einer Stelle (x/y)
5.3
Prozesskette
Bereits bevor ich mit Hilfe der errechneten Konturdaten aus Abschnitt 5.2 die erste
Schablone (im CAD System) konstruierte und anfertigen ließ, war mir durchaus
bewusst, dass die neue” Schablone noch nicht exakte Kopien des Musterrohres
”
produzieren würde und das Verfahren unter Umständen mehrmals wiederholt werden
müsste. Unvermeidbare Messfehler, die sich bei den für die Berechnung notwendigen drei vermessenen Objekten (Rohrblatt 1, Rohrblatt 3, bestehende Schablone) summieren können, aber vor allem unberücksichtigte Faktoren wie Unsymmetrien in der bestehenden Zunge, der Auflagefläche der Lamelle beim Hobeln, etc.
haben das angestrebte Ergebnis beeinträchtigt. Weiters musste die neuangefertigte
Schablone auf ihre Maßhaltigkeit überprüft werden. Deshalb konzipierte ich die in
Abb. 5.5 schematisch dargestellte Prozesskette, welche mehrmals durchlaufen werden sollte, um die Schablone und somit die Kontur der vom Hobel bearbeiteten
Rohrblätter durch Iteration zu optimieren. Darüber hinaus könnte man durch Variieren des Musterrohrblattes weitere, den persönlichen Vorstellungen entsprechende
Verbesserungen im Schwingungsverhalten der gehobelten Fagottrohre erzielen.
93
Abbildung 5.5: Prozesskette zur Optimierung der Rohrblattkontur durch sukzessive
Approximation (=Iteration)
5.4
Umsetzung der Konstruktion
Die durch die Di↵erenzrechnung [siehe Abschnitt 5.2] ermittelten Rohdaten für die
Konstruktion der neuen” Schablone im CAD-System wurden anschließend geglättet,
”
um die Verläufe so stetig wie möglich zu gestalten und eine Oberfläche mit geringer
Welligkeit zu erreichen. Danach wurden die geglätteten Konturdaten für den Export
in das CAD-System aufbereitet und in der Folge in dieses übernommen. Dort wurde
daraus schließlich eine Fläche erzeugt und zu einem Volumenkörper ergänzt. Zur
Veranschaulichung dieses Ablaufes dient Abb. 5.6.
Abbildung 5.6: Schema zur Umsetzung der Konstruktion
94
5.4.1
Glättung der Konturdaten
Um eine Schablone mit möglichst geringer Welligkeit zu erhalten, ist eine entsprechende Glättung der Daten erforderlich. Als Erstes versuchte ich in Microsoft Excel
von Hand die z-Koordinaten der einzelnen Punkte zu korrigieren, um die durch Messfehler etc. auftretenden Unregelmäßigkeiten in der Kontur zu vermindern. Abgesehen
davon, dass diese Methode aus zeitlichen Gründen nicht sinnvoll ist, liefert sie kein
befriedigendes Ergebnis.
Ein weiterer Ansatz zur Geometrieglättung durch polynomische Regression, auch in
Microsoft Excel durchgeführt, erwies sich ebenfalls als ungeeignet. Dieser war zwar
viel ökonomischer, was den Zeitaufwand betri↵t, allerdings wurden dabei die ursprünglichen Konturdaten zu sehr verfälscht. Es traten nämlich Abweichungen von
mehr als 0.10 mm auf, welche auf eine mangelnde Anpassungsfähigkeit von Polynomen mit niedrigem Grad100 zurückzuführen ist.
Weitere Recherchen bezüglich eines mathematischen Verfahrens der Geometrieglättung sind daher bereits im Gange.
5.4.2
Aufbereitung der Konturdaten und Import
in das CAD-System
1
2
3
4
..
.
1.00
1.00
1.00
1.00
..
.
1.00
5.00
9.00
10.000
..
.
2.40
2.46
2.50
2.51
..
.
|{z}
x-Koord.
|{z}
y-Koord.
|{z}
z-Koord.
Punkte
|{z}
Abbildung 5.7: Punktewolke in kartesischen Koordinaten in Microsoft Excel (links) und
als *.ibl-Datei (rechts)
Für den Import mussten die nun geglätteten, in Microsoft Excel vorliegenden Daten
aufbereitet werden. Eine Möglichkeit dafür bietet zum Beispiel eine Datei im *.iblFormat, welche von Pro/Engineer eingelesen werden kann. Dazu wird aus der vorliegenden Matrix, welche die Kontur der Schablone beschreibt, in Microsoft Excel
eine Punktewolke erzeugt. Bei der Matrix wird jeder Punkt jeweils durch ein Element, welches seine z-Koordinate angibt, repräsentiert. Seine x- und y-Koordinaten
sind durch die Position des Elementes festgelegt. Nun werden die einzelnen Punkte
100
Ein niedriger Grad ist naturgemäß für eine Datenglättung erforderlich.
95
Abbildung 5.8: Darstellung der Punktewolke im CAD-System
in einer Tabelle [siehe Abb. 5.7] untereinander aufgelistet, sodass jeweils eine Zeile
die kartesischen Koordinaten eines Punktes enthält.
Als nächstes wird die so erzeugte Punktewolke in eine Datei im *.ibl-Format kopiert,
welche hierauf ins CAD-System übernommen werden kann [siehe Abb. 5.8].
Diese Methode wird allerdings später sehr aufwändig, da alle Punkte durch Splines
händisch miteinander verbunden werden müssen.
Eine weitaus zeitsparendere Variante ist es, beim Import der Daten die Längsund Querlinien der Schablone durch die Pro/SCAN-TOOLS automatisch erzeugen
zu lassen. Dies erfordert geringfügige Ergänzungen in der *.ibl-Datei [siehe Abb.
5.9]. Die daraus von Pro/Engineer generierten Vorlagekurvenzüge sind in Abb. 5.10
dargestellt.
Beide Vorgehensweisen liefern parametrische Geometrien, sodass Änderungen der
Konturdaten in der *.ibl-Quelldatei automatisch in die Zeichnung übernommen werden können und später das fertig konstruierte Modell der Schablone entsprechend
regeneriert werden kann.
96
open
arclength
!Kurve 1
begin section
begin curve
1
0.00
1.00
2
0.00
4.00
..
..
..
.
.
.
!Kurve 2
begin section
begin curve
1
1.00
0.00
2
1.00
4.00
..
..
..
.
.
.
|{z}
Punkte
|{z}
x-Koord.
|{z}
y-Koord.
Datei-Header
9
=
5.45
5.93
..
.
;
9
=
5.37
5.73
..
.
;
|{z}
z-Koord.
Kommentar
Beginn der 1. Punktfolge
Beginn der 1. Kurve
Punkte, welche die 1. Kurve bilden
Kommentar
Beginn der 2. Punktfolge
Beginn der 2. Kurve
Punkte, welche die 2. Kurve bilden
Abbildung 5.9: Textdatei im *.ibl-Format für den direkten Import von Kurvenzügen in
das CAD-System. Angemerkt sei, dass hierbei die Reihenfolge der Punkte entlang der
Kurve unbedingt eingehalten werden muss.
Abbildung 5.10: Darstellung der aus der Punktewolke erzeugten Vorlagekurvenzüge
(Längslinien) im CAD-System
97
5.4.3
Konstruktion von Konturfläche und Volumenmodell
Ich benutzte schließlich die Daten der Punktewolke zur automatischen Generierung
der Leitkurven, wie in Abschnitt 5.4.2 bereits erläutert.
Hierzu importiert man die Daten zweimal:
Einerseits verwendet man die Punkte für die Generierung der Längslinien,
das sind jene Kurven, die parallel zur yz-Ebene verlaufen. Da die Schablone
symmetrisch konstruiert wird, reicht es, eine Hälfte einzulesen. Man spiegelt
die Kurvenschar an der yz-Ebene und erhält so die Längsleitkurven über die
gesamte Breite der Schablone [siehe Abb. 5.11].
Andererseits werden die Daten der Punktewolke für die Generierung der Querleitlinien genutzt. Um diese parallel zur xz-Ebene verlaufenden Kurven automatisch erzeugen zu können, müssen die Punkte in MS Excel entsprechend
umsortiert und eine weitere *.ibl-Datei erstellt werden.
Diesmal müssen die (symmetrischen) Punktedaten der gesamten Schablone
verwendet werden, weil durch eine Spiegelung der erzeugten Kurven an der
yz-Ebene die tangentiale Stetigkeit und auch die Krümmungsstetigkeit unterbrochen würden. Anders gesagt: Die Tangenten der Querleitlinien müssen in
der Mitte der Schablone senkrecht zur yz-Ebene stehen, damit keine Kante
auftritt. Abb. 5.12 stellt das gesamte Leitkurvennetz dar.
Nun wird über das ganze Leitkurvennetz die Konturfläche gespannt, indem man die
einzelnen Berandungskurven anwählt.
Danach wird die der Konturfläche gegenüberliegende Grundfläche skizziert und bis
zu jener extrudiert. Das soeben entstandene Volumenmodell muss nun noch mit
den für die Befestigung am Anspitzhobel benötigten Bohrlöchern versehen skaliert
werden. Die folgenden Abbildungen dokumentieren und veranschaulichen den eben
beschriebenen Konstruktionsablauf.
98
Abbildung 5.11: Längslinien mit Spiegelung an der yz-Ebene
Abbildung 5.12: Gesamtes Leitkurvennetz, welches sich aus den Längs- und Querlinien
zusammensetzt
99
Abbildung 5.13: Anwählen der Leitkurven für die Erzeugung eines Berandungsverbundes
Abbildung 5.14: Die Konturfläche der Schablone wird durch einen Berandungsverbund
beschrieben.
100
Abbildung 5.15: Extrusion zu einem Volumenmodell
Abbildung 5.16: Fertiggestellte CAD-Zeichnung der Schablone samt Bohrlöchern
101
5.5
Anfertigung und erste Ergebnisse
Abbildung 5.17: Vergleich der Konturdaten eines Rohrblattes, welches mit der neuangefertigten Schablone bearbeitet worden ist, mit der Kontur des Musterrohrblattes. Links
sind die Längsverläufe des neuen Modells dargestellt, rechts jene des bereits bekannten,
ungeglätteten Musterrohrblattes. Verglichen wird jeweils die linke Hälfte einer gehobelten
Lamelle.
Wie man in Abbildung 5.17 beobachten kann, brachte bereits der erste Durchlauf
der Prozesskette mit der Anfertigung des ersten Schablonenmodells eine deutliche
Annäherung an das Musterrohrblatt. Allerdings traf das nur auf eine Hälfte der
Bahn zu, sodass starke Unsymmetrien zwischen der linken und der rechten Hälfte
einer Lamelle auftraten.
Die ursprüngliche Schablone war an die unsymmetrische Zunge des Hobelgerätes
angepasst worden, womit dieser Umstand kompensiert worden war und die Rohrblätter trotzdem gute Symmetrieeigenschaften aufwiesen. Ich hatte jedoch bis dato
nur eine Hälfte der bestehenden Schablone vermessen, deren Kontur verändert und
bei der Konstruktion gespiegelt, sodass die Asymmetrien in der Zunge jetzt durch
eine symmetrische Schablone sichtbar wurden. Aufgrund der computergesteuerten
Produktion der Schablone wollte ich die Herstellung von asymmtrischen Teilen vermeiden. Daher erachtete ich eine CNC-gefräste Neuanfertigung einer symmetrischen
Zunge als sinnvoll, bevor ich weitere Schablonen konstruieren und herstellen lassen
würde.
Abgesehen vom Umstand der asymmetrischen Zunge war mir noch folgende, zwar
leicht korrigierbare, aber bis jetzt unberücksichtigte Problematik aufgefallen: Die
Abstände ds und dz waren sowohl beim ursprünglichen als auch bei dem von mir
produzierten ersten Modell der Schablone verschieden, wobei ds für den Abstand
Schablone - Drehachse und dz für den Abstand Zunge samt aufgespanntem, gehobeltem Rohrblatt - Drehachse steht [siehe Abb. 5.18]. Dadurch wird die Kontur der
102
Abbildung 5.18: Unterschiedliche Abstände von Schablone und Rohrblatt zur Drehachse
Schablone beim Hobeln verzerrt auf die Lamelle übertragen. Das bedeutet, dass
man bei der Di↵erenzrechnung aus Abschnitt 5.2 eine Koordinatentransformation
berücksichtigen müsste. Dieser zusätzliche Rechenaufwand lässt sich jedoch leicht
umgehen, indem man die beiden Abstände ds und dz aneinander angleicht, in diesem
Fall die Schablone durch Unterlegen anhebt. Dadurch wird nun die Kontur unverzerrt auf das Rohrblatt übertragen.
Der nun folgende Abschnitt ist eine knappe Dokumentation der CAD-Konstruktion
einer symmetrischen Zunge in Anlehnung an die ursprüngliche Zunge des Anspitzhobels von Hersteller Michel.
5.6
Konstruktion und Anfertigung einer
symmetrischen Zunge
Die Konturdaten der bestehenden Zunge wurden wie bei der Schablone mit Hilfe
einer Messstation [siehe S. 92] erfasst. Zusätzlich konnte ich dabei die Messdaten aus
dem von mir am Institut für Wiener Klangstil der Musikuniversität durchgeführten
3D-Laserscan der Zunge verwenden [siehe Abschnitt 4.4.2]. Die Genauigkeit des
Laserscanners war dieses Mal unerwartet hoch, was aus Tab. 5.1, einem Vergleich
der Messdaten, hervorgeht.
Aus praktischen Gründen entschied ich mich, wie auch bei der Schablone, die linke
Hälfte der Zungenmessdaten für die Konstruktion zu verwenden. Im Unterschied
zur Schablone, welche einen rechteckigen Grundriss besitzt, musste bei diesem Teil
auch die Façon vermessen werden.
Für die Umsetzung der Konstruktion wurden die geglätteten Façon- und Konturdaten101 wiederum ins CAD-System importiert und daraus Leitkurven und Berandungsflächen erzeugt. Schließlich wurde das erstellte Volumenmodell noch mit
101
Diese beschreiben sowohl die Ober- als auch die Unterseite der Zunge, wobei die Genauigkeit
der Messdaten der Unterseite keine so große Rolle spielt, da sie nicht unmittelbare Auflagefläche
für die Lamelle beim Hobeln ist.
103
Abbildung 5.19: Messergebnis aus Laserscanner (Längslinie L2 )
L2
Messstation
Laserscanner
(Messraster wie
bei Schablone)
(z-Werte in
0,01 mm)
(z-Werte in
0,01 mm)
162,5
161,0
159,0
156,0
152,5
146,5
137,0
126,0
108,0
78,0
39,0
161,3
161,6
157,2
154,6
152,9
147,5
137,6
130,0
104,5
74,3
13,3
Q
Q
Q
Q
Q
Q
Q
Q
Q
Q
Q
-3
0
1
5
9
13
17
21
25
29
33
Tabelle 5.1: Vergleich der Messdaten der Zunge am Beispiel der Längslinie L2
den benötigten Bohrlöchern versehen, welche zur Positionierung und Befestigung
am Hobel dienen.
Durch die in Pro/Engineer zur Verfügung stehenden Geometrie-Analyse-Elemente
konnten besonders mit Hilfe der Höhenschichtliniendarstellung noch geringfügige
Glättungen an der Kontur durchgeführt werden. Dafür war der wiederum parametrische Aufbau des Modells im CAD System sehr vorteilhaft.
104
Die Anfertigung des Frästeils mit weitaus komplexerer Geometrie erfolgte auf einer
CNC-5-Achs-Fräse der HTL Paul Hahn in Linz [siehe Abb. 5.20] und konnte mit
einer Aufspannposition durchgeführt werden. Abbildung 5.21 dokumentiert durch
Fotografien die Produktion der Zunge.
Zu meiner Zufriedenheit werden die Rohrblätter seither tatsächlich symmetrisch
gehobelt, sodass nun eine Weiterentwicklung der Schablone Sinn macht und somit
die Prozesskette fortgesetzt und wiederholt werden kann, um die Musterrohre sukzessive zu approximieren.
Abbildung 5.20: Bearbeitungszentrum B 300 der Marke Hermle
105
(a)
(b)
(c)
(d)
Abbildung 5.21: Produktion der Zunge auf einer CNC-5-Achs-Fräse
(a)
(b)
(c)
(d)
Schlichten der komplexen Form mit einem Werkzeug ? 1 mm
Die Zunge ist fertig gefräst. Nun müssen noch Löcher eingebohrt werden.
Bohren der Löcher zur Positionierung und Befestigung auf dem Anspitzhobel
Fertig bearbeiteter Teil
106
Zusammenfassung
Für jeden Fagottisten ist die Bescha↵enheit der Rohrblätter ein wichtiges Thema, welches ihn sein Berufsleben lang begleitet. Die Herstellung von Fagottrohren
erfordert viele Arbeitsschritte und ist sehr zeitintensiv. Zudem ist selbst durch
langjährige Erfahrung im Rohrbau keineswegs gesichert, dass man Mundstücke mit
guten Spieleigenschaften erhält. Der Erfolg dabei hängt von zu vielen Parametern
ab, welche das Schwingungsverhalten der Rohrblätter beeinflussen.
In dieser Arbeit habe ich vorerst versucht, einen Überblick über solche Faktoren zu
geben, wobei manche in der Folge näher beschrieben wurden.
Es gibt etliche Werkzeuge und Hilfsmittel, durch welche sich gewisse Parameter
steuern und kontrollieren lassen, so auch für den Dickenverlauf des Rohrblattes,
welcher durch sogenannte Hobel- beziehungsweise Fräsgeräte reproduziert werden
kann. Diese sind alle so aufgebaut, dass sie einen bestimmten Blättstärkenverlauf
von einer Schablone auf die Fagottmundstücke übertragen. (In der Arbeit wurden
Geräte von verschiedenen Herstellern verglichen.)
Allerdings sind die Vorstellungen der Fagottisten, was eine ideale” Konturform be”
tri↵t, sehr unterschiedlich. Außerdem gibt es wenige Standardmodelle für Schablonen
und daher ist es oft schwierig, eine passende Vorlage zu finden, welche die gewünschte
Kontur erzeugt. Deshalb habe ich versucht eine Schablone zu entwickeln, welche
meinen Vorstellungen gerecht wird. Die dabei von mir gewählte rechnergestützte
Methode zur Umsetzung dieses Projektes hat sich prinzipiell als geeignet erwiesen, da
einerseits CNC-Fräsen bei der Herstellung der Schablonen die erforderliche Genauigkeit erreichen und andererseits die mittels CAD konstruierten Modelle leicht abänderbar sind, was für einen weitreichenden Entwicklungsprozess sehr vorteilhaft ist.
Die Prozesskette konnte von der Vermessung der benötigten Objekte über die CADKonstruktion der konturbestimmenden Geräteteile bis hin zur Fertigung aufgebaut
werden. Einzig und allein ein Glättungsalgorithmus für die Daten der Punktewolke, welche die Form der Schablone steuert, wurde bislang noch nicht gefunden.
Recherchen diesbezüglich sind jedoch im Gange.
107
Mit der vorliegenden Arbeit habe ich versucht, das Fagott und sein Doppelrohrblatt von einem für den Musiker eher unüblichen physikalischen Blickwinkel aus zu
betrachten und so manches, in der Praxis anwendbare Wissen zu vermitteln. Weiters
ho↵e ich für die Zukunft, mit meinem Projekt einen Beitrag zur kontrollierten Formgebung in der dritten Dimension des Rohrblattes leisten zu können.
108
Literaturverzeichnis
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112
Abbildungsverzeichnis
2.1
2.2
2.3
2.4
2.5
2.6
2.7
2.8
2.9
2.10
2.11
2.12
2.13
2.14
2.15
Die Teile des Fagottes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Wechselwirkung einzelner Komponenten beim Fagottspiel
(Carral, 2005, S. 6) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Luftteilchenbewegungen um einen Ruhepunkt in einer Schallröhre
(Stauder, 2004, S. 73) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Druck- und Bewegungsverlauf von Luftschwingungen in Röhren
(Stauder, 2004, S. 75) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Darstellung einer Stehenden Welle” (Widholm: Skript Physikalische
”
Akustik 1, S. 10 ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Darstellung unterschiedlicher Druckverhältnisse während eines
Schwingungszyklus im Resonator der Oboe (Winkler, 1998, S. 26-27) .
Die ersten drei Modi einer zylindrischen Röhre, (a) beiderseits o↵en,
(b) einseitig geschlossen (Carral, 2005, S. 12) . . . . . . . . . . . . . .
Die ersten drei Modi einer konischen, einseitig geschlossenen Röhre
(Carral, 2005, S. 15) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Klangspektrum des e1 beim Fagott (Jordan, 2007, S. 20) . . . . . . .
Rohrblattö↵nungen in verschiedenen Schwingungsphasen
(Almeida et al.: Physical study of double-reed instruments for
application to sound-synthesis, 2002, S. 217) . . . . . . . . . . . . . .
Transformation eines gleichförmigen Luftstromes in periodische
Luftstöße (Druckschwankungen) durch das Rohrblatt . . . . . . . . .
Schwingungsablauf in vier Phasen (Campbell / Greated, 2001, S. 260)
Schwingungsablauf in vier Phasen samt Spieler und Instrument
(A. Almeida, C. Vergez, R. Caussé: The exciter mechanism of
double-reed instruments, Fol. 7-10) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Vereinfachter Schwingungsgenerator für Holzblasinstrumente
(Lücke, 2003, S. 59) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Fließvolumen durch ein Doppelrohrblatt in Abhängigkeit von der
Druckdi↵erenz (Vergez et al.: Toward a simple physical model, 2003) .
113
6
7
8
9
9
10
11
12
12
16
17
17
18
19
22
2.16 Messergebnis des Fließvolumenverhaltens q = 0 in Abhängigkeit
der vorherrschenden Druckdi↵erenz p eines Oboenrohrblattes
(Almeida et al.: Quasi-static non-linear characteristics, 2007, S. 541) .
2.17 Darstellung der drei gekoppelten Komponenten beim Fagottspiel . . .
2.18 Resonanzkurven von stark und schwach gedämpften Schwingungssystemen (Widholm: Skript Physikalische Akustik 1, S. 14) . . . . . .
2.19 Kurve der Eingangs-Impedanz beim Ton B des Fagottes
(Hall, 2008, S. 288) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.20 Stimmung und Ziehbereich eines Fagottes (http://www.univie.ac.at/
muwidb/dias/diaansicht.php?id dia=6519 (8. 2. 2011)) . . . . . . .
3.1
3.2
3.3
3.4
3.5
3.6
3.7
3.8
3.9
3.10
3.11
3.12
3.13
3.14
3.15
3.16
3.17
Arundo donax (nicht kultiviert) im Rhône-Delta . . . . . . . . . . . .
Innenhobel des Herstellers Michel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Außenhobel des Herstellers Michel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Innen- und außengehobeltes Holzstück” . . . . . . . . . . . . . . . .
”
Definition der Messpunkte zu Tabelle 3.1 . . . . . . . . . . . . . . . .
Bezeichnungen am Fagottrohrblatt . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Darstellung des Fagottkonus in nicht geknickter Form samt Länge der
einzelnen Instrumententeile (vgl. Kopp, 2003, S. 7) . . . . . . . . . . .
3D-Darstellung des ungeknickten Fagottkonus mit aufgestecktem
Rohrblatt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1. Schwingungsmodus eines an einem Ende eingespannten Stabes
(vgl. Kopp, 2003, S. 10) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Variationen der Länge und Dicke eines schwingenden Stabes
(vgl. Kopp, 2003, S. 10) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Platte, z << x, y . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Chladnische Klangfiguren schwingender Platten
(Chladni, 1787, Anhang) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Trapezähnliche Façon der Fagottrohrbahn
(vgl. Heinrich, The Bassoon Reed, 1997) . . . . . . . . . . . . . . . .
Schwingungsmuster von Fagottrohren (vgl. Almeida et al.: The exciter
mechanism of double reed instruments, 2006) . . . . . . . . . . . . . .
links: Standardfaçon eines Fagottmundstückes, rechts: schwingender,
an seiner Spitze beschwerter Stab (vgl. Kopp, 2003, S. 12) . . . . . . .
Variationen der Façon bei Fagottrohrblättern 1
(vgl. Kopp, 2003, S. 12 f.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Variationen der Façon bei Fagottrohrblättern 2 samt zugehöriger Rohrblattö↵nungen (vgl. Kopp, 2003, S. 14 f.) . . . . . . . . . . . . . . . .
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34
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41
41
45
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47
48
48
49
49
50
51
3.18 links: Skizze einer flachgedrückten” Lamelle eines Fagottrohrblattes
”
mit Höhenschichtlinien; rechts: Foto eines mit einer Lampe durchleuchteten Fagottmundstückes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.19 Graphische Darstellung der Konturdaten eines Fagottrohrblattes durch
ein Flächendiagramm in Microsoft Excel . . . . . . . . . . . . . . . .
3.20 Ansichten einer flachgedrückten Lamelle; links: von oben, rechts: von
der Seite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.21 Darstellung der Querschnitte durch eine Lamelle eines Fagottrohrblattes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.22 Querschnittsflächendiagramme; links: faconiertes Rohrblatt, welches
überall gleiche Dicke aufweist (z = const.), rechts: faconiertes Rohrblatt, das auch in seiner Kontur bearbeitet ist . . . . . . . . . . . . .
3.23 Schema Längsschnitt durch ein Fagottrohrblatt mit Verhältnis zv : zh
(vgl. Kopp, 2003, S. 16f.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.24 Vier unterschiedliche Varianten von Verlaufsmöglichkeiten der Kontur
(vgl. Kopp, 2003, S. 16f.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.25 Darstellung der gekrümmten Innenseite eines Fagottrohres;
links: Rasterdarstellung, rechts: Gaußsche Krümmung . . . . . . . . .
3.26 Krümmungen der Pflanzenröhre; links: natürliche Krümmung,
Mitte: Wölbung an der Rohrblattspitze, rechts: Wölbung am Schaft
(Kopp, 2003, S. 23) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.27 Krümmungsanalyse der Schnittkrümmung K1 bezüglich der x-z-Ebene
3.28 Krümmungsanalyse der Schnittkrümmung K2 bezüglich der y-z-Ebene
3.29 Krümmungsanalyse der Schnittkrümmung K3 bezüglich der x-y-Ebene
3.30 Definition von ' als Winkel zwischen Seitenkante und Kante an der
Rohrblattspitze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.31 Rohrblattö↵nung mit zusammengesetzter Form (vgl. Heinrich:
The Bassoon Reed, 1979) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.32 Zusammenhang zwischen Ö↵nungsform und Rohrblattstärken an der
Spitze (vgl. Kopp, 2003, S. 18) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.1
4.2
4.3
4.4
4.5
4.6
Die Form der Schablone (links) wird auf das Rohrblatt übertragen.
Anspitzhobel der Firma Rieger (http://www.georgrieger.com
(9. 10. 2011)) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Anspitzhobel des Herstellers Michel . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Fräsmaschine des Herstellers Hipper, hier: für Oboenrohrblätter
(http://www.sg-oboe.com (9. 10. 2011)) . . . . . . . . . . . . . . .
Die Zunge als Auflagefläche der Lamelle beim Hobeln . . . . . . . .
Koordinatensystem auf einem Fagottrohrblatt . . . . . . . . . . . .
115
52
53
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. 68
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. 70
. 71
. 73
. 75
4.7
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4.14
4.15
5.1
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5.6
5.7
5.8
5.9
5.10
5.11
5.12
5.13
Für die Dickenbestimmung von Fagottrohren adaptierte Messuhr des
Herstellers Michel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
links: Rohrblatt mit aufgezeichneten Längslinien im Millimeterabstand, rechts: Fagottrohr samt Messuhr mit den Querlinien auf der
Messzunge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
links: Laserscanner des Herstellers Next Engine (www.nextengine.com
(11. 10. 2011)), rechts: Scan als Mesh dargestellt . . . . . . . . . . . .
Links: 3D-Scan eines davor mit Messuhr manuell vermessenen Fagottrohres. Die dazu auf die Bahn gezeichneten Bleistiftstriche sind deutlich zu erkennen und beeinträchtigen das Messergebnis erheblich.
Rechts: Scan mit Löchern und ausgefransten Rändern . . . . . . . . .
Links: Scan eines Rohrblattes von acht Seiten; rechts: Jeweils zwei
dieser Scans werden durch Referenzpunkte miteinander verknüpft. . .
Messtabellen für die Aufzeichnung der Dickenverhältnisse von Fagottrohren; links: konventionell, rechts: in Microsoft Excel . . . . . . . . .
Darstellungen der Konturdaten von Rohrblatt 1 . . . . . . . . . . . .
Längsliniendiagramm von Rohrblatt 2 zur Veranschaulichung der
Konturdaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Darstellungen der Konturdaten von Rohrblatt 3 . . . . . . . . . . . .
Konturdaten des Musterrohrblattes . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Schematische Darstellung der Di↵erenzrechnung . . . . . . . . . . .
Messstation, eine vereinfachte Form der Koordinatenmessmaschine .
Veranschaulichung der Di↵erenzmethode an einer Stelle (x/y) . . .
Prozesskette zur Optimierung der Rohrblattkontur durch sukzessive
Approximation (=Iteration) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Schema zur Umsetzung der Konstruktion . . . . . . . . . . . . . . .
Punktewolke in kartesischen Koordinaten in Microsoft Excel (links)
und als *.ibl-Datei (rechts) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Darstellung der Punktewolke im CAD-System . . . . . . . . . . . .
Textdatei im *.ibl-Format für den direkten Import von Kurvenzügen
in das CAD-System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Darstellung der aus der Punktewolke erzeugten Vorlagekurvenzüge
(Längslinien) im CAD-System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Längslinien mit Spiegelung an der yz-Ebene . . . . . . . . . . . . .
Gesamtes Leitkurvennetz, welches sich aus den Längs- und Querlinien
zusammensetzt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Anwählen der Leitkurven für die Erzeugung eines Berandungsverbundes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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.
.
.
.
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. 94
. 94
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. 96
. 97
. 97
. 99
. 99
. 100
5.14 Die Konturfläche der Schablone wird durch einen Berandungsverbund
beschrieben. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.15 Extrusion zu einem Volumenmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.16 Fertiggestellte CAD-Zeichnung der Schablone samt Bohrlöchern . .
5.17 Vergleich der Konturdaten eines Rohrblattes, welches mit der neuangefertigten Schablone bearbeitet worden ist, mit der Kontur des
Musterrohrblattes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.18 Unterschiedliche Abstände von Schablone und Rohrblatt zur
Drehachse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.19 Messergebnis aus Laserscanner (Längslinie L2 ) . . . . . . . . . . . .
5.20 Bearbeitungszentrum B 300 der Marke Hermle . . . . . . . . . . . .
5.21 Produktion der Zunge auf einer CNC-5-Achs-Fräse . . . . . . . . .
117
. 100
. 101
. 101
. 102
.
.
.
.
103
104
105
106
Tabellenverzeichnis
3.1
3.2
5.1
Messdaten von innen- und außengehobelten Fagotthölzern verschiedener Hersteller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35
Auflistung der Konturdaten eines Rohrblattes in Form einer Punktewolke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53
Vergleich der Messdaten der Zunge am Beispiel der Längslinie L2
118
. . 104
Abkürzungsverzeichnis
Abb.
Art.
Bd.
bzw.
ca.
DA
d. h.
dt.
engl.
etc.
f./↵.
Fol.
Hg./hg.
J. Acoust. Soc. Am.
J. IDRS
Kap.
Koord.
l.
o.
PhD
r.
rep.
S.
Sp.
u.
u. a.
Univ.
vgl.
z. B.
Abbildung
Artikel
Band
beziehungsweise
zirka
Diplomarbeit
das heißt
deutsch
englisch
et cetera
und folgende
Folie(n)
Herausgeber/herausgegeben von
Journal of the Acoustical Society of America
Journal of the International Double Reed Society
Kapitel
Koordinate
links
oben
philosophiae doctor
rechts
reprinted
Seite
Spalte
unten
unter anderem
Universität bzw. University
vergleiche
zum Beispiel
119
Lebenslauf des Autors
Name:
Geburtsdatum, -ort:
Staatsbürgerschaft:
Clemens Wöß
19. 04. 1981, Wels
Österreich
Schulausbildung:
Volksschule von 1987 bis 1991
Bundesgymnasium Freistadt von 1991 bis 1999
Reifeprüfung: Juni 1999 mit ausgezeichnetem Erfolg
Präsenzdienst 1999/2000 bei der Gardemusik Wien
Musikalische
Ausbildung:
Blockflötenunterricht an der Musikschule vom 8. bis
14. Lebensjahr
Violinunterricht vom 9. bis 19. Lebensjahr an der MS
und am Brucknerkonservatorium Linz
Fagottunterricht an der Musikschule Bad Leonfelden
ab dem 15. Lebensjahr
seit Oktober 2000 Konzertfachstudium Fagott an der
Universität Mozarteum Salzburg und an der
Universität für Musik und darstellende Kunst Wien bei
Univ.-Prof. Richard Galler
Orchestertätigkeit:
2003 - 2004 Substitutenvertrag beim Brucknerorchester
Linz
2004 - 2007 Orchestervertrag beim Kärntner
Sinfonieorchester in Klagenfurt
seit Sept. 2007 Mitglied des Brucknerorchester Linz
außerdem Substitutentätigkeit bei verschiedenen
österreichischen Orchestern wie dem
Mozarteumorchester Salzburg, dem RSO Wien, dem
Wiener Johann Strauß Orchester, dem Wiener
Kammerorchester und den Wiener Symphonikern
120
Kammermusik:
Mitglied im Oktavian Ensemble (Oberösterreich),
regelmäßig Auftritte in der Kammermusikserie des
Brucknerorchesters Mosaik“ in verschiedenen
”
Formationen
121
Erklärung
Ich erkläre hiermit, dass ich die Wissenschaftliche Hausarbeit selbstständig verfasst und dabei verwendete Literatur, Quellen und Hilfsmittel vollständig angegeben
habe.
Wien, im September 2011

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