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14. Lektion - lectio quarta decima (quattuordecim 14)
Einleitung
Mit einigen weiteren Gedichten werden wir heute Catull verabschieden.
Das erste Gedicht, Carmen 13, ist an Fabullus gerichtet, der mit Veranius in Spanien
gedient hatte. Obgleich der junge Catull aus einer vermögenden Familie stammte, war
er in Rom wohl nicht immer voll mit Geld ausgestattet. Das Einzige, was er zur
Dinnerparty beisteuern konnte, waren wohlriechende Salben, mit denen die Römer sich
reichlich einzureiben pflegten; es gab ja noch keine Sprays.
Cênâbis bene, mî Fabulle, apud mê
paucîs, sî tibi dî favent, diêbus,
sî têcum attuleris bonam atque magnam
cênam, nôn sine candidâ puellâ
et vînô et sale et omnibus cachinnîs.
haec sî, inquam, attuleris, venuste noster,
cênâbis bene; nam tuî Catullî
plênus sacculus est arâneârum.
sed contrâ accipiês merôs amôrês
seu quid suâvius êlegantiusve est:
nam unguentum dabo, quod meae puellae
dônârunt Venerês Cupîdinêsque;
quod tû cum olfaciês, deôs rogâbis,
tôtum ut tê faciant, Fabulle, nâsum.
Du wirst gut speisen, mein Fabullus, bei mir in
wenigen Tagen, wenn die Götter dir
wohlwollen,
falls du mitbringst ein gutes und reichliches
Dinner, nicht ohne ein hübsches Mädchen,
Wein, Witz und jede Art Lachen.
Wenn du, sag ich, all dieses mitbringst, mein
reizender Freund, wirst du gut speisen; denn
dein Catull hat seinen Beutel voll von
Spinnweben.
Dafür wirst du erhalten reine Zuneigung
oder, was köstlicher und feiner ist:
eine Salbe werde ich nämlich stiften, die
meinem Mädchen schenkten Liebesgöttinnen
und der Liebe Götter;
wenn du die riechst, wirst du die Götter
anflehen, Fabullus, dass sie dich ganz zur Nase
machen.
Vokabeln
cênô 1 speisen
faveô, fâvî, faustum, favêre + Dat. begünstigen, geneigt machen
vandidus 3 strahlend weiß, hübsch
sâl,salis m, n Salz, Witz
ad-ferô = afferô, attulî, allâtum, affere herbeitragen
cachinnus, î m Lachen, Gelächter
venustus 3 schön, anmutig, reizend, ein von Catull gern gebrauchtes Adjektiv und wohl
von Venus abgeleitet
venustâs, âtis Anmut, Charme
sacculus, î m Geldbeutel, Säckchen
1
arânea, ae f Spinnweb
contrâ hier Adv. im Gegenzug, andererseits
merus 3 rein; seu = sîve oder wenn
unguentum, î n Salbe, Salböl
dô, dedî, datum, dare geben (Präs.: dô, dâs, dat, damus, datis, dant; das Futur dabô ich werde
geben wird hier wegen des Versmaßes mit kurzem o verwendet.)
Venerês Cupîdinêsque gehört zu Catulls Liebesvokabular. Venus, eris Göttin der Liebe,
Cupîdô, inis m (Amor) Sohn der Venus, entspricht dem griechischen Eros und wird wie
dieser oft im Plural gebraucht und dargestellt. Wahrscheinlich mussten Venus und ihr
Sohn im Plural auftreten, weil sonst die allgegenwärtige Liebe gar nicht vollgültig
dargestellt werden konnte.
dônârunt = dônâvêrunt 3.Pl.Ind.Perf.Akt. sie haben geschenkt
quod ... olfaciês = cum tû id olfaciês; 2.Sg.Ind.Fut.Akt. von olfaciô, fêcî, factum, facere
riechen
nâsus, î m Nase
Carmen 5
Vîvâmus, mea Lesbia, atque amêmus,
rûmôrêsque senum sevêriôrum
omnês ûnius aestimêmus assis!
Sôlês occidere et redîre possunt;
nôbîs cum semel occidit brevis lûx,
nox est perpetua ûna dormienda.
Dâ mî bâsia mîlle, deinde centum;
dein mîlle altera, dein secunda centum;
deinde ûsque altera mîlle, deinde centum.
Dein, cum mîlia multa fêcerîmus,
conturbâbimus illa, nê sciâmus,
aut nê quis malus invidêre possit,
cum tantum sciat esse bâsiôrum.
Wir wollen leben, Lesbia, und lieben,
alles Gerede gestrenger Greise
soll uns keinen Pfennig wert sein!
Sonnen können unter- und aufgehen;
wenn unser kleines Licht einmal untergeht,
müssen wir eine endlose Nacht schlafen.
Gib mir tausend Küsse, dann hundert;
dann wieder tausend, dann die zweiten
hundert;
dann bis zu den nächsten tausend, dann
hundert.
Darauf, wenn wir viele Tausende gemacht
haben, werden wir sie (derart) durcheinander
bringen, dass wir (ihre genaue Zahl) nicht
kennen, damit kein böser Mensch sein Auge auf
uns werfen kann, da er die Gesamtzahl (3300)
der Küsse kennt.
Vokabeln
Wieder einmal möchte ich Sie auf die Verwandtschaft zwischen Latein und einer der
romanischen Sprachen hinweisen. Die erste Zeile kann auf Spanisch lauten:
vivamos, Lesbia mía, y amémonos, was offenbar nicht weit vom Lateinischen entfernt
ist.
In der letzten Lektion hatten wir den ersten Vers bei den Übungen zur Grammatik schon
besprochen, schauen wir ihn nochmals an:
vî-vâ-mus, me-a Les-bi-(a), at-qu(e) a-mê-mus
||||
und zum Vergleich ein Vers aus der Widmung an Cornelius Nepos:
2
Cui do-no le-pi-dum no-vum li-bel-lum
||||
Also wieder ein Hendekasyllabus, ein Elfsilbler.
Hinzugefügt habe ich noch die Trennstriche für die fünf Füße. Meist ist auch der fünfte
Fuß ein Spondeus, so dass wir als normales Schema des Hendekasyllabus haben:
Spondeus | Daktylus | Trochäus | Trochäus | Spondeus
Die Silben -mus und Les- sind positionslang, zwei Elisionen treten auf.
Wir wollen leben, meine Lesbia, und lieben!
vîvâmus und amêmus 1.Pl.Konj.Präs.Akt. wir mögen leben und laßt uns lieben
rûmôrês und omnês gehören zusammen
ûnius assis aestimare wertschätzen + Gen. des Wertes (Genitivus pretii) eines
Asses.
Die Münzeinheit as, assis m war in der Kaiserzeit nur noch Pfennige wert.
cum semel wenn, sobald einmal
nobis una nox perpetua dormienda est uns bleibt nur der Schlaf einer endlosen
Nacht
bâsium, iî n Kuss ist eigentlich kein ursprünglich lateinisches Wort, Catull hat es
in die Poesie eingeführt
fêcerîmus 1.Pl.Ind.Fut.IIAkt. wir werden gemacht haben ist in der Prosa fêcerimus
invidêre scheel ansehen, beneiden. Die Kenntnis eines bestimmten Namens oder
einer genauen Zahl verleiht einem Menschen, der über den Bösen Blick verfügt,
Macht über andere Personen.
In vielen primitiven Gesellschaften wählt ein Mann einen Geheimnamen, den er
nie offenbaren wird. Einen Feind zu verspeisen bedeutet auch, seinen Namen zu
übernehmen. Der Besitz vieler Namen macht mächtig.
Wahrscheinlich war Catull nur ein Spielzeug in der Hand der leichtfertigen,
unersättlichen Lesbia-Clodia. Als sie sich schließlich mit Catulls Freund Caelius
einließ, waren Catulls Liebesleiden wohl unerträglich geworden. Andererseits aber
gingen ihm die Augen auf, und er fand die Kraft, sich von der treulosen Schönen (oder
umgekehrt) zu trennen. Von Caelius wurde Lesbia recht bald durchschaut und
ordnungsgemäß verlassen.
In ihrer verständlichen Wut stachelte sie ihren Bruder, seit 59 v.Chr. Volkstribun,
Clodius Pulcher auf, gegen Caelius einen Rechtsstreit anzuzetteln.
Das war aber auch das Ende für Sie selbst, denn Caelius hatte in Cicero einen Freund
und rücksichtslosen Anwalt. Nach dem Prozeß verschwand Clodia spurlos. Nachzulesen
sind Ciceros wenig feinen Attacken gegen sie in seiner Rede Pro Caelio. Aber auch
Clodius sollte seine Genugtuung haben: auf seinen Antrag hin wurde Cicero 58 v.Chr.
verbannt, allerdings bereits ein Jahr später ehrenvoll zurückgerufen.
Catull schloß sich im Frühjar 57 v.Chr. der Begleitmannschaft des Prätors C. Memmius
Gemellus an, der eine militärische Mission in der Provinz Bithynien, am Südufer des
Schwarzen Meeres gelegen, zu erledigen hatte. Nicaea war die -im Sommer unerträglich
heiße- Hauptstadt Bithyniens.
Er hielt es ein Jahr lang dort aus, dann verließ er das Land, das er nie lieben lernte. Er
segelte -auf eigener Jacht?- auf der Rückreise hinab bis Rhodos, besuchte Athen und
gelangte schließlich wieder zurück in seine Heimatstadt Verona. In der Nähe, ca. 30 km
3
entfernt, liegt der See Benacus, der Gardasee, an dessen Südufer -auf der Halbinsel
Sirmione- seine Familie (oder er selbst?) eine Villa hatte.
In seinem Gedicht auf Sirmio, carmen 31, drückt er seine überschwengliche Freude
darüber aus, die Halbinsel und die Villa wiederzusehen: Salve, o venusta Sirmio! heißt es
in Vers 12. Man muss das auf Italienisch hören, um etwas von der Schönheit des
Lateinischen zu erahnen: O mia bella Sirmio, salve!
Carmen 31
Paene însulârum, Sirmio, însulârumque
ocelle,quâscumque in liquentibus stâgnîs
marîque vastô fert uterque Neptûnus,
quam tê libenter quamque laetus invîsô,
vix mî ipse crêdêns Thyniam atque Bithynos
liquisse campôs et vidêre tê in tûtô!
o quid solûtîs est beâtius cûrîs,
cum mêns onus reponit, ac peregrîno
labôre fessî venîmus larem ad nostrum
dêsîderâtôque acquiêscimus lectô?
hoc est, quod unum est pro labôribus tantîs.
Salve, o venusta Simio, atque ero gaudê
gaudente, vôsque, Lydiae lacûs undae!
ridête, quidquid est domî cachinnôrum.
Von Halbinseln, Sirmio, und Inseln
das Juwel, und von allen die in klaren Seen
und weitem Meer der eine oder der andere
Neptun trägt,
wie gerne und wie freudig erblicke ich dich,
kaum kann ich glauben, Thynia und die
Ebenen Bithyniens verlassen zu haben und
dich in Ruhe betrachte!
Was ist beglückender als abgeworfene
Sorgen, wenn der Geist die Last ablegt und
wir müde vom auswärtigen Dienst zum
eigenen Herd zurückkommen und auf dem
ersehnten Bett zur Ruhe kommen.
Das allein wiegt so viele Mühen auf.
Sei gegrüßt, du schönes Sirmio, und erfreue
dich an deines Herren Freude, auch ihr, ihr
lydischen Wellen des Sees!
Lachen sollen alle Gelächter, die sich zu
Hause befinden.
Erklärungen:
paene însula = paenînsula Halbinsel (wörtl. Fastinsel)
ocellus, î m Deminutiv zu oculus, also Äuglein, Goldapfel, Juwel
liquêre flüssig, klar sein
stâgnum, î n stehendes Gewässer, See
uterque Neptûnus jeder der beiden Neptune, d.h. es gibt einen Neptun (Gott) der Seen,
Süßwasser, und einen des Meeres, Salzwasser.
in-vîsere erblicken
Thynia n der Küste Bithyniens; die Thyni und die Bithyni waren zwei Volksstämme
Bithyniens.
linquere = relinquere verlassen
in tûtô in Sicherheit, an sicherer Stelle; tûtum, î n Sicherheit
solûtîs cûrîs Ablativus comparationis (Abl. des Vergleichs).
Bei Komparativen steht statt quam + Nom. (od. Akk.) häufig ein Ablativ. Vgl. unten in
Grammatik.(quid beatius est quam cura soluta);
solvô, solvî, solûtum, solvere lösen, abzahlen, ablegen
cûra, ae f Sorge
peregrînus 3 fremd, ausländisch, Fremder, Ausländer
fessus 3 müde
4
lâr, laris m (meist Plural Larês, ium) der Lar, die Laren, Gott (heiten) des Hauses, Herd,
vergötterte Seelen der Verstorbenen, Gottheiten der Kreuzwege und Straßen
ac-quiêscô, quiêvî, quiêtum, quiêscere zur Ruhe kommen, ausruhen
dê-sîderâre sich sehnen nach, wünschen, verlieren, vermissen
desîderâtô lectô Ablativus loci (Abl. des Ortes) auf die Frage wo?
hoc est, quod unum est pro labôribus tantîs das ist es, was das Einzige ist für soviele Mühen
d.h. das alleine macht die Mühen wett.
Catull spricht von lydischen Wellen weil die Ureinwohner der Gegend um den Gardasee
angeblich Etrusker waren, von denen man annahm, dass sie aus Lydien (heutige Türkei)
kamen.
quidquid est cachinôrum domî was auch immer an Gelächter im Hause ist
Wenn Sie sich den Aufbau der Verse ansehen, werden Sie feststellen, dass am Versende
  |   oder   |   steht. Die Betonung (der Iktus) liegt auf der drittletzten
und auf der vorletzten Silbe. Dadurch wird der Vers schleppend, oder wie man sagt
hinkend. Man nennt das Versmaß daher Hinkiambus oder griechisch Choliambus.
Nehmen wir als Beispiele die beiden ersten Verse, in denen ich auch die
positionslangen Silben mit ^ markiert habe.
Im ersten Vers gibt es zwei Elisionen und die letzte Silbe ist kurz, d.h. der letzte Fuß ist
ein Trochäus (   ):
paen(e) însulârûm, Sîrmi(o), însulârûmque:
paen(e) în
su lâ
rûm Sîr
mi(o) în
su lâ
rûm que






In der zweiten Zeile sehen wir am Versende einen Spondeus (   ):
ocêlle quâscûmqu(e) în liquêntibûs stâgnîs
oc êl
le quâs
cûm qu(e) în
li quên
ti bûs
stâg nîs






Beim lauten Lesen spüren Sie, dass das Versende verzögert wirkt.
Normalerweise hat ein Jambus seine Betonung (seinen Iktus) auf der zweiten Silbe des
Versfußes. Bemerkenswert ist beim Hinkiambus, dass der letzte Fuß, der ein Spondeus
oder ein Trochäus sein kann, seinen Iktus auf der ersten Silbe hat. Das ist es, was das
Hinken hervorruft.
Damit das mit dem Hinken auch wirklich funktioniert, muß der fünfte Fuß immer ein
Jambus sein.
Erlaubte Abweichungen sind folgende: Im 1., 3. und 4. Fuß können statt Jamben ( 
) auch Spondeen (  ) stehen, im letzten Fuß ist ein Trochäus (  ) oder ein
Spondeus erlaubt.
Grob gesagt ist der Hinkiambus ein jambischer Senar, 12.Lektion, in dem der letzte Fuß
umgedreht wurde, d.h. um vor dem Versende eine Bremse zu haben, wurde aus dem
letzten Jambus ein Trochäus gemacht.
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Ein weiterer Grund, um an der Bithynien-Expedition teilzunehemen, war wohl auch der
Wunsch, seinem in der Troas (Gebiet des alten Troja) verstorbenen Bruder letzte Ehren
zu erweisen. Sein Carmen 101 ist seinem geliebten Bruder gewidmet.
Carmen 101
Multâs per gentês et multa per aequora
vectus
adveniô hâs miserâs, frâter, ad înferiâs,
ut tê postrêmo dônârem mûnere mortis
et mûtam nêquîquam adloquerer cinerem,
quandôquidem fortûna mihî têtê abstulit
ipsum,
heu miser indignê frâter adêmpte mihî.
Nunc tamen intereâ haec, prîscô quae môre
parentum
trâdita sunt trîstî mûnere ad înferiâs,
accipe frâternô multum mânantia flêtû,
atque in perpetuum, frâter, avê atque valê.
Durch viele Völker und viele Meere gereist,
komme ich, Bruder, zu diesen armseligen
Beerdigungsriten,
um dich zu beschenken mit den letzten
Totengaben und vergeblich zur stummen
Asche zu sprechen,
da das Schicksal dich selbst mir nahm,
ach, unglücklicher Bruder, ungerecht von
mir genommen.
Doch jetzt, indessen, nimm diese an, die
nach alter Sitte der Vorfahren
dargebracht wurden als traurige Gaben für
das Totenritual, triefend von vielen
brüderlichen Tränen,
und für immer, Bruder, grüße ich dich und
auf Wiedersehen.
Vokabeln
aequor, oris n ebene Fläche, die See
vehô, vêxî, vectum, vehere forttragen, fortbewegen, fahren, segeln
înferiae, ârum f Totenopfer
postrêmus, a, um hinterster, letzter, geringster
mûnus, eris n Geschenk, Abgabe, letzter Liebesdienst
mûtus 3 stumm, still
nêquîquam Adv. vergeblich
ad-loquor = al-loquor anreden, ermahnen, trösten
cinis, cineris m, f (Leichen) Asche
quandôquidem da; mihî hat langes i wegen des Metrums; têtê ist emphatisch für tê; heu ach
miser, misera, miserum elend, unglücklich
indignê Adv. ungerechterweise, schmachvoll
adimô, adêmî, adêmptum, adimere wegnehmen, der Vokativ adêmpte gehört zu frâter
inter-eâ Adv. inzwischen, indessen
prîscus 3 alt, altehrwürdig
haec Akk.Pl.Neutr. ist Objekt zu accipe, mânantia (Part. von mânô 1 strömen, triefen)
bezieht sich auf haec. Die Totengaben waren Wein, Milch und Honig.
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Grammatik
Steigerung (Komparation ) der Adjektive
Wir beginnen dieses Kapitel mit Auszügen aus einigen Cicero-Briefen:





libentissime legi tuas litteras; in quibus iucundissimum mihi fuit, quod cognovi meas tibi
redditas esse.
mit dem größten Vergnügen habe ich deinen Brief gelesen; das Erfreulichste an
ihm war mir, dass ich erkannte, dass du den meinigen erhalten hast.
Volumnia debuit in te officiosior esse quam fuit, et id qoud fecit, potuit diligentius facere
et cautius.
Volumnia hätte gefälliger gegen dich sein können, und auch das, was sie tat,
hätte sie umsichtiger und behutsamer tun müssen.
In maximis meis doloribus excruciat me valetudo Tulliae nostrae.
In meinen tiefsten Schmerzen quält mich der Gesundheitszustand unserer Tullia.
Cohortarer vos, quo animo fortiores essetis, nisi vos fortiores cognossem quam
quemquam virum.
Ich würde euch gute Ratschläge geben, damit ihr um so tapferer seiet, wenn ich
nicht wüßte, dass ihr tapferer als mancher Mann seid.
omnes sunt redditae, diligentissimeque a te perscripta sunt omnia, idque mihi
gratissimum fuit.
alle sind angekommen, und alles so ausführlich von dir berichtet, und das ist mir
äußerst angenehm gewesen.
Wir sehen, wie sehr der Lateiner es liebte, gesteigerte Adjektive (und Adverbien) zu
benutzen.
Nun haben wir uns bereits in der 5.Lektion mit der Steigerung (Komparation) von
Adjektiven beschäftigt und die Formen von Komparativen und Superlativen immer
wieder benutzt. Aber was hindert uns, die Angelegenheit nochmals aufzurollen,
vielleicht gibt es doch noch einiges hinzuzufügen. Rollen wir also auf!
In der 5.Lektion stand u.a. folgende Frage:
Können Sie vermuten, wie man die Steigerung eines Adjektivs durchführt? Einfach!
1. Nimm den Genitiv des Adjektivs: sapient-is
2. Ersetze den Genitivausgang durch -ior (beim Neutrum -ius)=> Komparativ
3. Ersetze den Genitivausgang durch -issimus => Superlativ
An dieser Wahrheit hat sich bisher nichts geändert: Der Komparativ wird gebildet,
indem man -ior (m/f) bzw. -ius (n) an den Wortstock des Adjektivs hängt.
(Den Wortstock des Adjektivs erhalten wir dadurch, dass wir im Singular den
Genitivausgang -i bzw. -is abstreifen.
Beispiele:
longus lang hat den Genitiv long-î; also lautet der Wortstock: long- . Bei pulcher schön
lautet der Genitiv pulchr-î, also ist der Wortstock: pulchr-.
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Die Komparative heißen long-ior,-ius länger und pulchr-ior, -ius schöner. Beachten wir
auch, dass das Bildungselement des deutschen Komparativs -er ist.)
Der Komparativ wird nach der konsonantischen Deklination dekliniert, oder genauer:
die Komparative sind Adjektive zweier Endungen nach der dritten Deklination.
Für das Adjektiv longus, a, um lang schauen wir uns einmal die komplette
Deklination des Komparativs an:
Singular
Nom.
Plural
m
f
n
longior
longior
longius
m
longiôrês
f
longiôrês
Gen.
longiôris
longiôrum
Dat.
longiôrî
longiôribus
Akk.
Abl.
longiôrem
longiôrem
longiôre
longius
longiôrês
longiôrês
n
longiôra
longiôra
longiôribus
Wie bei den Substantiven der kons. Deklination haben wir im Abl.Sing. den Ausgang e und im Gen.Plur. -um. Wir sahen in der 7.Lektion, dass die Adjektive der kons.
Deklination an diesen Stellen -e und -ium haben, also wieder einmal gut aufpassen!
Eine Ausnahme bildet übrigens plûrês mehr (der Zahl nach), das im Gen. Pl. auf -ium
ausgeht: plûrium. Der Positiv, also die Grundform des Adjektivs, heißt multî viele.
Eshandelt sich hier um eine Steigerung mit Stammwechsel. Hierhin gehören einige
häufig benutzte Adjektive wie bonus, malus usw. Weiter unten stelle ich sie für Sie
zusammen.
Normalerweise machen wir mit dem Komparativ genau das, was der Name sagt:
comparare vergleichen:
Lesbia pulchrior est quam Sempronia. Lesbia ist schöner als Sempronia.
Vêr pulchrius est quam hiems. Der Frühling ist schöner als der Winter.
Mihi plûrês librî sunt quam tibi. Ich habe mehr Bücher als du.
Oft aber wird garnichts verglichen: Rhenus longior est. Hier wollen wir einfach nur sagen
der Rhein ist ziemlich lang, -oder wenn wir unbedingt wollen: Der Rhein ist ein verglichen mit anderen Flüssen- längerer Fluß.
Aber jedenfalls ist richtig, dass Danuvius longior est quam Rhenus. Die Donau ist länger
als der Rhein.
Zu erwähnen ist noch folgende Erscheinung: Oft wird quam als weggelassen und
stattdessen das Vergleichsglied in den Ablativ gesetzt. Also statt turris altior est quam
mûrus sagt man turris altior est murô. D.h. eigentlich sagt man das nicht, man setzt beim
feineren Sprechen gern den Ablativ vor den Komparativ: turris mûrô altior est. Der
Ablativ ist die Basis, von der aus man den Nominativ betrachtet. Von der Mauer aus
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betrachtet ist der Turm höher.
Natürlich hat dieser Ablativ auch eien Namen: Ablativus comparationis. (Im
Griechischen ist es der Genitivus comparationis.)
Beispiele:
Lesbia mihi carior est quam vita mea. Lesbia ist mir teurer als mein Leben (würde Catull
gesagt haben). Hier sind die beiden Umwandlungsschritte:
1. Lesbia mihi carior est vitâ meâ
2. Lesbia mihi vitâ meâ carior est. (Abl. comp.)
(Eigentlich: Lesbia ist mir von meinem Leben aus betrachtet das teurere.)
Nihil amâbilius est quam virtûs (ûtis f). amâbilis, e liebenswürdig, liebevoll
Nichts ist liebenswerter als die Tugend.
1. Nihil amabilius est virtûte
2. Nihil virtûte amabilius est. (Abl. comp.)
Beim Relativpronomen benutzt man überhaupt nur den Ablativ und nicht quam.
Beispiel: ratiô, quâ nihil est in nôbis dîvînius. Die Vernunft, im Vergleich zu der nichts
Göttlicheres in uns ist. (Oder besser: Die Vernunft, das Göttlichste, was wir besitzen.)
Wenn wir aber einfach fragen: Was ist in uns göttlicher als die Vernunft?, so können
wir mit quam oder auch mit Ablativ übersetzen:
1. Quid est in nôbis dîvînius quam ratiô? oder
2. Quid est in nôbis ratiône dîvînius? (Abl. comp.)
Hier haben Sie noch die Zusammenstellung der Adjektive, deren Steigerung mit
Stammwechsel stattfindet:
Positiv
Komparativ
Superlativ
bonus gut
melior, melius besser
optimus der beste, sehr gut
malus schlecht
peior, peius schlechter
pessimus der schlechteste, sehr schlecht
mâgnus groß
mâior, mâius größer (älter) mâximus der größte, sehr groß (der
älteste)
parvus klein
minor, minus kleiner
minimus der kleinste, sehr klein
multum viel
plûs mehr (Menge, Grad)
plûrimum das meiste, sehr viel
multî viele
plûrês, plûra; Gen. plurium
mehr (Zahl)
plûrimî die meisten, sehr viele
Mit plûrês mehr (bei zählbaren Dingen) sind verwandt der Komparativ complûrês
mehrere und der Superlativ plêrîque die meisten. Im direkten Vergleich steht immer nur
plûrês, nie complûrês, welches ein unbestimmtes Zahlwort ist.
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Beispiele: Mihi plûrês librî sunt quam tibi. Ich habe mehr Bücher als du. Aber:
Complûrês librî vîdî. Ich habe mehrere Bücher gesehen.
(Man darf natürlich nicht plûrês mit magis verwechseln. Beide werden im Deutschen
durch mehr übersetzt, aber man darf nicht übersehen, dass plûrês der Komparativ des
Adjektivs multî und magis ein Adverb ist. Beispiel: ego tê magis amô quam tû mê ich liebe
dich mehr als du mich.)
Im Spanischen werden Sie größer i.a. mit más grande mehr groß übersetzt finden, im
Portugiesischen aber unbedingt mit maior, also nach Art der Lateiner. Wenngleich auch
der Spanier den Komparativ mayor kennt, verliert dieser jedoch immer mehr an
Bedeutung.
Die Umschreibung mit dem Adverb mehr (span. más, lat. magis), treffen wir bereits im
Lateinischen an, und zwar bei Adjektiven, die vor dem Ausgang -us einen Vokal haben,
z.B. ardu-us, a, um steil. Der Komparativ heißt magis arduus. Den Superlativ bilden diese
Adjektive mit mâximê am meisten, sehr, also der steilste oder sehr steil heißt mâximê
arduus.
Folgende Adjektive gehören hierhin: idône-us geeignet, dubi-us zweifelhaft, necessâri-us
notwendig und auch piu-us fromm: magis pius frommer, mâximê pius der frommste, sehr
fromm.
Nicht dazu gehört aber das Adjektiv antîquus, a, um, es bildet ganz normal antîquior, -ius
älter und antîquissimus der älteste, sehr alt. Hier gehört das -u- vor dem -us zum -q- und
ist konsonantisch (w). Die Ausprache ist ja auch: an-tî-kwus, an-tî-kwi-or, an-tî-kwis-simus.
Über den Superlativ gibt es auch noch etwas zu sagen. Wir treffen ihn typischerweise
dann an, wenn drei Personen oder Dinge in Bezug auf eine gemeinsame Eigenschaft
miteinander verglichen werden. Vergleichen wir doch mal die Schönheit dreier Frauen:
Sempronia pulchra est. Sempronia ist schön.
Lesbia pulchrior est quam Sempronia. Lesbia ist schöner als Sempronia.
Claudia pulcherrima omnium est. Claudia ist die schönste von allen.
Bei den Adjektiven auf -er geht der Superlativ auf -errimus aus: pulcher => pulcherrimus,
miser elend => miserrimus, celer schnell => celerrimus der schnellste, sehr schnell
Das Bildungselement des Superlativs ist normalerweise -(is)sim-, das links von sich
den Wortstock und rechts die Ausgänge -us, -a, -um der a-o-Deklination hat.
Der Superlativ aller Adjektive wird nach der a-o-Deklination dekliniert.
Superlativ: Wortstock + (is)sim + (-us, -a, -um)
Tiberis flûmen latissimum est. Der Tiber ist ein sehr breiter Fluß. (flûmen, inis n)
Auch beim Superlativ muss nicht unbedingt ein Vergleich vorliegen.
Sie könnten z.B. finden, dass Claudia sehr stark und Lesbia sehr klug ist:
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Claudia fortissima et Lesbia prûdentissima est.
Oder denken Sie an Ihren Brief, der Cicero so angenehm war, denn er schrieb Ihnen,
Richard, doch: Grâtissimae mihi tuae litterae fuêrunt, Ricarde.
Ich muss Sie aber noch auf folgende Besonderheit hinweisen, die die Adjektive auf ilis betrifft wie facilis leicht, similis ähnlich, humilis niedrig usw.
Sie bilden den Superlativ auf -(il)limus:
facillimus sehr leicht, simillimus sehr ähnlich, humillimus sehr niedrig
Ausnahme: nôbilis, e edel => nôbilissimus sehr edel
Noch eine Kleinigkeit, weil es unten in der Caesar-Lektüre (Zeile 1) vorkommt. Es gibt
einige Komparative und Superlative, die keinen Positiv haben. Genauer, die kein
Adjektiv als Positiv haben; bei ihnen übernimmt eine Präposition die Rolle des Positivs.
Z.B. wird von extrâ außerhalb der Komparativ exterior der äußere und der Superlativ
extrêmus der äußerste abgeleitet.
Aus prope nahe bei ergibt sich propior der nähere und proximus der nächste.
Nehmen wir noch ein Beispiel:
Aus suprâ oberhalb folgen der Komparativ superior mit den beiden Bedeutungen der
obere und überlegen und die beiden Superlative suprêmus der oberste und summus der
höchste.
Sie finden eine Liste dieser unvollständigen Steigerung in Ihrer Grammatik, z.B. in
KurzGr S.26.
Machen wir Schluß mit einem Hinweis auf eine Stelle in unserer
heutigen Bellum- Gallicum-Lesung. Es heißt dort in Zeile 5
Caesar ... quam maximîs potest itineribus in Galliam ulteriôrem contendit.
Caesar eilt in möglichst großen Märschen ins jenseitige Gallien.
Die Struktur, die ich erklären will, ist quam + Superlativ + posse. Caesar
benutzt sie, um einen möglichst großen Aufwand zu bezeichnen.
Ein paar Zeilen weiter heißt es: ..quam maximum potest militum numerum ...
eine möglichst große Anzahl an Soldaten...
Unser möglichst mit dem Positiv wird im Lateinischen also durch quam
mit dem Superlativ ausgedrückt.
Manchmal fehlt eine Form von posse, z.B. in einem früheren B-GKapitel (I,3,1) Helvetii constituerunt sementes quam maximas facere. Die
Helvetier beschlossen, eine möglichst große Aussaat zu machen.
Das unregelmässige Verb volô
In der 12.Lektion haben wir die Formen von possum betrachtet, heute ist volô, voluî,
velle wollen an der Reihe.
Zunächste einige Sätze, in denen Formen von velle benutzt werden:



vîsne esse aliquandô tônsor? Willst du nicht eines Tages Friseur werden?
velîsne fierî magister? Möchtest du Lehrer werden?
nôlô fierî neque tônsor neque magister; volô fierî causidicus,-quia causidicî ingentem
pecûniam faciunt. Etiam Marcus vult fierî causidicus. Volumus multum pecûniae facere.
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
Ich will weder Friseur noch Lehrer werden; ich will Anwalt werden, -weil
Anwälte eine Menge Geld verdienen. Auch Marcus will Anwalt werden. Wir
wollen viel Geld machen.
ut vêra dîcam, ego velim medicînam exercêre. Mêdicî, ut scîs, magnâ auctôritâte ûtuntur.
Um die Wahrheit zu sagen, ich möchte gerne Medizin treiben. Ärzte, wie du
weißt, genießen ein großes Prestige.
(Der Konj. Präsens velim steht bei erfüllbaren, der Konj. Imperfekt vellem bei
unerfüllbaren Wünschen: velim dêliciâs emere ich möchte ein Haustier, einen
Liebling, kaufen. Dagegen: vellem dêsineret ich wollte, er hörte auf, aber es gibt
keine reale Möglichkeit, ihn dazu zu bringen. Gedächtnisstütze: Imperfekt bei
impossible.)
quibus mê voluisti agere gratias, êgî. Bei denen du wolltest, dass ich mich bedanke,
habe ich getan.
Sie sehen, ohne velle wollen ist kein Gespräch zu führen, schon gar nicht über Geld.
Also schnell die Verbalformen zusammengestellt:
Präsensstamm:
Präsens
Imperfekt
Futur I
Indikativ
Konjunktiv
Indikativ
Konjunktiv
Indikativ
vol-ô
ich will
vî-s
vul-t
vol-u-mus
vul-tis
vol-u-nt
vel-i-m
ich wolle
vel-î-s
vel-i-t
vel-î-mus
vel-î-tis
vel-i-nt
vol-ê-ba-m
ich wollte
vol-ê-bâ-s
vol-ê-ba-t
vol-ê-bâ-mus
vol-ê-bâ-tis
vol-ê-ba-nt
vel-le-m
ich wollte
vel-lê-s
vel-le-t
vel-lê-mus
vel-lê-tis
vel-le-nt
vol-a-m
ich werde wollen
vol-ê-s
vol-e-t
vol-e-mus
vol-e-tis
vol-e-nt
Man kann drei Stämme ausmachen: vel-, vol-, vul- (dabei haben wir vîs nicht
berücksichtigt). Der Stamm vel- ist sprachgeschichtlich der ältere, vol- entwickelte sich
später daraus, und vul- ist ein Folgeprodukt von vol-, das man auch die o-Stufe nennt. Sie
sehen, dass das Imperfekt im Indikativ den Stamm vol- und die charakteristische Silbe ba- hat. Futur I wird ebenfalls aus dem vol-Stamm entwickelt, dagegen leiten die
Konjunktive sich vom alten vel-Stamm ab, -woran wir sie auch leicht erkennen können!
Beachten Sie auch die alte Regel für den Konjunktiv des Imperfekts: Infinitiv +
Personalendung (m, s, t, mus, tis, nt).
Die Formen des Perfektstammes leiten sich alle von vol- ab. Der Indikativ Perfekt von
velle ist vol-u-î ich habe gewollt. Die von vol-u-î abgeleiteten Tempora werden ganz
regelmäßig gebildet, so dass es genügt, nur die 1.Pers.Singular anzugeben:
Perfekt
Plusquamperfekt
Indikativ
vol-u-î
ich habe gewollt
Konjunktiv
vol-u-erim
ich habe gewollt
Indikativ
vol-u-eram
ich hatte gewollt
Konjunktiv
vol-u-issem
ich hätte gewollt
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Indikativ
Futur II
Infinitiv Perfekt
vol-u-erô
ich werde gewollt haben
vol-u-isse
gewollt haben
Das Part.Präs. volêns, volentis wollend ist meist Adjektiv und bedeutet dann willig,
gewogen
Zu volô gehören zwei Composita, die wir bereits kennen:
nôlô, nôluî, nôlle nicht wollen
mâlô, mâluî, mâlle lieber wollen
Diese Verben sind aus nê-volô und magis volô kontrahiert. Fast alle Formen werden nach
dem Muster von velle gebildet, aber zu beachten sind einige Ausrutscher:
nôlô
ich will nicht
nôn vîs
nôn vult
nôlumus
nôn vultis
nôlunt
mâlô
ich will lieber
mâvîs
mâvult
mâlumus
mâvultis
mâlunt
Beispiele:
nôlô multum tempus perdere. Ich will nicht viel Zeit verlieren.
plura scribere nôlô mehr will ich nicht schreiben
errare mâlô cum Platone... ich will lieber mit Plato irren...
nôlêns volêns nicht wollend (oder) wollend oder: nicht wollend wollend
Übungen zur Grammatik
Hier sind zunächst einige Übungen zu Catull,
versuchen Sie zu übersetzen:
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Lûgête, ô Venerês Cupîdinêsque
et quantum est hominum venustiôrum!
Passer mortuus est meae puellae,
passer, dêliciae meae puellae,
quem plûs illa oculîs suîs amâbat.
(lûgeô, lûxî, lûctum, lûgêre trauern, hominum venustiôrum der Menschen feinerer
Empfindungen Gen.Pl. abhängig von quantum soviel; passer, eris m Sperling, der
Sperling -falls es sich wirklich um einen solchen handelt- war der Venus heilig.
dêliciae, ârum Wonne, Liebling, wird selten im Singular benutzt. plûs ... Ablativus
comparationis; im folgenden Gedicht der Komparativ mit quam.)
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
Caeli, Lesbia nostra, Lesbia illa,
illa Lesbia, quam Catullus ûnam
plûs quam sê atque suôs amâvit omnês:
nunc in quadriviîs et angiportîs
glûbit magnanimî Rêmî nepotês.
(quadrivium, iî n Kreuzweg, angiportum, î n enges Gäßchen, Seitengasse,
glûbô, psî, ptum, glûbere abschälen, berauben, aussaugen)
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Scannen Sie bitte die folgenden beiden Verse (Hendekasyllabus) aus Carmen
49,
12. Lektion:
tantô pessimus omnium poêta
quantô tû optimus omnium patrônus.
Hier sind zwei Hinkiambus-Verse:
Miser Catulle, dêsinâs ineptîre Carmen 8
(dêsinô, siî, situm, ere ablassen von, aufhören,
ineptîre töricht reden, den Dummkopf spielen)
und der folgende Vers aus Carmen 31
labôre fessî venîmus larem ad nostrum
Nun zu der Komparation von Adjektiven
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
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Im Sommer sind die Tage sehr heiß.
Marcus war der klügste aller Schüler.
Ich habe mehrere Bücher gekauft.
Bei Martial (Marcus Valerius Martialis 40 n.Chr. -104 n.Chr.) finden wir ein
kleines Poem auf das Schoßhündchen Issa. In den ersten vier Zeilen finden wir
Komparative.
Issa est passere nêquior Catullî,
Issa est pûrior ôsculô columbae,
Issa est blandior omnibus puellîs,
Issa est cârior Indicîs lapillîs,
Issa est dêliciae catella Pûblî.
nêquior, ius wertlos,
schelmisch
columba, ae f Taube
blandus 3 neckisch, kosend
Indicus 3 aus Indien
lapillus, î Edelstein
catella, ae f Hündchen
Pûblî = Pûbliî (Gen. von
Pûblius)
Sie finden sicher schnell heraus, dass es sich um Elfsilbler (Hendekasyllabus) handelt:
Is-s(a) est | pas-se-re | nê-qui |-or Ca |-tul - lî; bis auf nê- sind alle markierten Silben
positionslang, denn ihre Vokale stehen jeweils vor mehreren Konsonanten.
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
Caesar quam maximas potest copias armat.

Hieme dies compluribus horis breviores sunt quam aestate. Annus Aegyptiorum quinque
diebus brevior fuit.
Zur Angabe der Differenz, um die sich die Dinge unterscheiden, wird ein
Ablativ benutzt: compluribus horis und diebus (Ablativus mensurae).
Turres septênîs pedibus altiores sunt quam murus. (septênî ist eine sog.
Distributivzahl und bedeutet je sieben. Sie werden dekliniert wie der Plural boni,
ae, a. Bei den Pluralia tantum, die Singularbedeutung haben, stehen die
Distributivzahlen statt Kardinalzahlen: bîna castra zwei Lager, ûnae litterae, trînae
litterae ein Brief, drei Briefe.)
Erant mûrî Babylônis ducentôs pedês altî. (Der Akkusativ dient zur Angabe
absoluter Höhen.)
Sie gaben dem besseren Führer größere Macht (imperium) und mehr Geld.
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Hier noch zwei Sätze zu velle und mâlle:
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
Wie übersetzen Sie den folgenden Satz?
Vellem Idibus Martiîs mê ad cênam invitasses.
Ich will lieber kaufen als bitten.
Lösungen:
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Trauert, ihr Liebesgöttinnen und der Liebe Götter
und alle Menschen feinerer Empfindungen!
Der Sperling meines Mädchens ist tot,
(jener) Sperling, der Liebling meines Mädchens,
den jene mehr als ihre Augen liebte. Anfang von Carmen 3
Caelius, meine Lesbia, jene Lesbia,
jene Lesbia, die Catull einzig
mehr als sich und all die Seinen geliebt hat:
jetzt an Kreuzwegen und in engen Gäßchen
saugt sie aus des hochherzigen Remus Enkel. Carmen 58
Alle Längen - auch Pos.Längen- sind eingetragen, die Versbetonung (Iktus) und
die Füße sind markiert
tân tô | pês si mus | ôm ni | ûm po | ê ta
quân tô | t(u) ôp ti mus | ôm ni | ûm pa | trô nus
Es handelt sich um den Hendekasyllabus. Die letzte Silbe ist in beiden Versen
kurz, normalerweise sollte sie lang sein, wie z.B. in

pâs sêr | dê li ci | ae me | ae pu | êl lae
mi sêr | Ca tûl | le || dê | si nâs | in êp | tî re (Hinkjambus)
Armer Catull, hör auf, den Dummkopf zu spielen
Hier ist auch die Zäsur vermerkt, die meist nach der dritten Senkung stattfindet.
la bô | re fês | sî || vê | nî mûs | lar(em) âd | nôs trum (Hinkiambus)
Wegen des Metrums steht vênîmus statt venîmus; -mus ist positionslang.
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Aestâte diês calidissimî sunt.
Marcus prûdentissimus omnium discipulorum erat.
Complûrês librôs êmî.
Issa ist schelmischer als der Spatz Catulls,
Issa ist reiner als der Kuß einer Taube,
Issa ist neckischer als alle Mädchen,
Issa ist teurer als indische Edelsteine,
Issa ist das Wonne-Hündchen (Schoßhündchen) des Publius.
Caesar bewaffnet möglichst viele Truppen.
Im Winter sind die Tage mehrere Stunden kürzer als im Sommer. Das Jahr der
Ägypter war fünf Tage zu kurz.
Die Türme sind um (je) sieben Fuß höher als die Mauer.
Die Mauern Babylons waren zweihundert Fuß hoch.
Meliôrî ducî maius imperium et plûs pecûniae dedêrunt. (mehr des Geldes)
Ich wollte, du hättest mich an den Iden des März zum Dinner eingeladen.
(unerfüllbarer Wunsch!)
Mâlô emere quam rogâre. (steht bei Cicero, Verr. II, IV 12)
Lektüre
Als Caesar erfuhr, dass sie vorhatten, durch die römische Provinz zu ziehen, verließ er
sofort Rom und erschien eine Woche später bereits vor Genf. So war Caesar.
BG I,6,3-7,3
1
Extrêmum oppidum Allobrogum est proximumque Helvêtiôrum fînibus Genava. Ex eô
oppidô pôns ad Helvêtiôs pertinet.
2.
Allobrogibus sêsê vel persuâsûrôs quod nôndum bonô animô in populum Rômânum
vidêrentur, exîstimâbant, vel vî coâctûrôs, ut per suôs fînês eôs îre paterentur.
3.
Omnibus rêbus ad profectiônem comparâtîs diem dîcunt, quâ diê ad rîpam Rhodanî
omnês conveniant.
4.
is diês erat ante diem quîntum Kalendâs Aprîlês Lûciô Pisône, Aulô Gabiniô cônsulibus.
5.
Caesarî cum id nûntiâtum esset, eôs per provinciam nostram iter facere conârî, mâtûrat ab
urbe proficîscî et quam maximîs potest itineribus in Galliam ulteriôrem contendit et ad
Genavam pervenit.
6.
Provinciae tôtî quam maximum potest mîlitum numerum imperat (erat omnînô in Galliâ
ulteriôre legiô ûna), pontem, quî erat ad Genavam, iubet rescindî.
7.
Ubî dê eius adventû Helvêtiî certiôrês factî sunt, legâtôs ad eum mittunt nobilissimôs
civitâtis, cuius lêgâtiônis Nammêius et Vercucloetius principem locum obtinêbant,
8.
quî dîcerent sibi esse in animô sine ullô maleficiô iter per provinciam facere, propterea
quod aliud iter habêrent nullum; rogâre, ut eius voluntâte id sibi facere liceat.
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Übersetzung
wörtliche Übersetzung
1.
Die letzte Stadt der Allobroger ist und die nächste der Helvetier den Grenzen
Genf. Aus dieser Stadt eine Brücke zu den Helvetiern führt.
2.
Die Allobroger sie entweder überreden würden, weil noch nicht guter Gesinnung
gegen das Volk römische schienen, sie glaubten, oder mit Gewalt zwingen
würden, dass durch ihr Gebiet sie ziehen ließen.
3.
Nachdem alle Dinge zum Aufbruch vorbereitet worden waren, einen Tag sie
sagen an, an welchem Tag am Ufer der Rhône alle zusammenkommen sollen.
4.
Dieser Tag war der fünfte Tag vor den Kalenden des April, als Lucius Piso und
Aulus Gabinius Konsuln waren.
5.
Dem Caesar als dies gemeldet worden war, (dass) sie durch Provinz unsere die
Reise zu machen beabsichtigten, er eilt von der Stadt abzureisen und in möglichst
großen er kann Märschen in das jenseitige Gallien er eilt und bei Genf er anlangt.
6.
Der Provinz ganzen eine möglichst große er kann der Soldaten Anzahl er legt auf
(es war überhaupt im jenseitigen Gallien Legion eine), die Brücke, die war bei
Genf, er befiehlt abzureißen.
7.
Sobald von seiner Ankunft die Helvetier benachrichtigt worden sind, als Gesandte
zu ihm sie schicken die Vornehmsten der Bürgerschaft, welcher Gesandtschaft
Nammeius und Verucloëtius die erste Stelle einnahmen,
8.
die sagen sollten, ihnen sei im Sinne ohne jede Feindseligkeit den Weg durch die
Provinz zu machen, weil einen anderen Weg sie hätten keinen; sie bäten, dass mit
seinem Willen dies ihnen zu tun erlaubt sei.
freie Übersetzung
Die letzte Stadt der Allobroger und die den Grenzen der Helvetier am nächsten ist Genf.
Von dieser Stadt aus führt eine Brücke zu den Helvetiern. Diese glaubten, dass sie die
Allobroger, die den Römern noch nicht freundlich gesinnt zu sein schienen, entweder überreden
oder durch Gewalt zwingen würden, ihnen den Durchzug durch ihr Land zu erlauben. Nachdem
alles für den Aufbruch vorbereitet war, bestimmten sie einen Termin, an dem sich alle am Ufer
der Rhône einfinden sollten.
Dies war der 28. März des Konsulatsjahres des Lucius Piso und Aulus Gabinius (58 v.Chr.)
Als Caesar gemeldet worden war, dass sie durch die römische Provinz ziehen wollten,
beschleunigt er seine Abreise aus Rom, eilt in möglichst starken Tagreisen in die Provinz (nach
Gallia ulterior) und trifft vor Genf ein.
Der gesamten Provinz befiehlt er, eine möglichst große Anzahl an Soldaten zu stellen (im
jenseitigen Gallien lag überhaupt nur eine Legion); die Brücke, die es bei Genf gab, lässt er
abreißen.
Sobald die Helvetier von seiner Ankunft benachrichtigt worden waren, schickten sie zu ihm die
Vornehmsten des Stammes als Gesandte. An der Spitze dieser Gesandtschaft standen Nammeius
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und Verucloëtius. Diese sollten erklären, sie beabsichtigten, ohne jede Feindseligkeit durch die
Provinz zu ziehen, deswegen, weil sie keinen anderen Weg hätten. Sie bäten um seine
Einwilligung.
Worterklärungen
Verben
côgere zwingen
videor, vîsus sum, vidêrî scheinen, vidêrentur sie schienen, 3.Pl.Konj.Impf.Dep.
exîstimâre meinen, glauben
mâtûrâre (auch properâre) sich beeilen
patior, passus sum, patî Deponens der 3.Konj. auf -ior leiden, dulden, erlauben
ut paterentur dass sie erlaubten + a.c.i., 3.Pl.Konj.Impf.Dep.
comparâre vorbereiten, comparati erant (3.Pl.Ind.Plqupf.Pass.) sie waren vorbereitet
worden
re-scindô, re-scidî, re-scissum, rescindere einreißen, abbrechen
licet es ist erlaubt wird nur unpersönlich gebraucht (Perf. licuit und licitum est)
Sonstige Wörter und Erklärungen
Genava Genf; lacus Lemannus Genfer See
vî = Abl. instrumenti auf die Frage womit? wodurch? von vîs f Kraft, Gewalt
bonô animô esse in ... von freundlicher Gesinnung sein gegen...
ante diem quîntum Kalendâs Aprîlês (A-prî-lês) wird mit a.d.V.Kal.Apr. abgekürzt
quam maximus möglichst groß, quam maxima itinera möglichst große Reisen
iter facere marschieren
mîlitês imperô ich befehle, Soldaten zu stellen
tôtus, tôta, tôtum ganz; im Genitiv lauten alle Formen tôt-îus, im Dativ tôt-î,
im Akkusativ tôt-um,-am,-um und im Ablativ tôt-ô, -â, -ô. Der Genitiv ganz Galliens tôtîus
Galliae ist uns schon begegnet.
certiorem facere benachrichtigen (wörtl.: sicherer machen)
maleficium, iî n Übeltat, Feindseligkeit
ullus 3 irgendein
Zeile 1
Beide Sätze sind zwar recht einfach zu übersetzen, dennoch wollen wir sie nicht einfach
überfliegen. Da steht z.B. im ersten Satz das Subjekt Genava ganz eigenwillig am
Satzende, offenbar der besonderen Betonung wegen. oppidum ist Prädikatsnomen zum
Verbum est.
Genf ist einerseits die letzte Stadt, andererseit die nächste, d.h. die Superlative extremum
und proximum (vgl. Grammatik) sind Attribute zu oppidum. Allobrogum ist Genitivattribut
zu oppidum.
Von dem Attribut proximum ist schließlich der Dat. Pl. finibus abhängig. (spr. pro-ximum-kwe)
Bei Satz 2 ist zu bemerken, dass ex den Ablativ regiert: eô oppidô mit eô als Ablativ Sg.
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Neutr. von is, ea, id. Das Verb pertinêre bedeutete bisher meist gehören, in der Wendung
pôns pertinet bedeutet es sich erstrecken, führen.
Zeile 2
Der HS des Satzgefüges ist (Helvetiis) exîstimabant (ex-î-sti-mâ-bant). Natürlich erwarten
wir einen a.c.i., -der auch prompt auftaucht: sêsê (= sê = Helvetios) vel persuâsuros (esse).
Dazu gehört als entfernteres Objekt (= Dativ-Objekt, denn persuâdeô regiert den Dativ)
Allobrogibus.
persuasurum esse (und gleich auch coacturum esse) ist der Inf.Präs. der Coniugatio
periphrastica, der gleichzeitig als Infinitiv Futur fungiert, wie wir schon in der
11.Lektion sahen.
persuasurum muss sich nach dem Subjekt des a.c.i. richten, das heißt nach dem
Akk.Pl.Mask. sêsê (= Helvetios). Daher lautet das fertige Prädikat des a.c.i.: persuasuros
esse. Zu exîstimabant gehört aber noch ein zweiter a.c.i.: (sêsê) vel vî coâctûrôs (esse).
Sie glaubten, dass sie die A. entweder (vel) überreden würden ... oder (vel) durch Gewalt
zwingen würden...
Zwischen persuasuros und existimabant hat Caesar noch einen Nebensatz eingeschoben,
der den Grund dafür angibt, weshalb die Helvetier glaubten, die A. überreden zu
können, wir haben also einen Kausalsatz vor uns. Der Konjunktiv steht bei quod, weil
es sich bei dem Grund um eine Vermutung des Subjektes des HS handelt. Schließlich
muss noch gesagt werden, was sie wirklich vorhatten: ut per suôs fînês eôs îre paterentur.
Der a.c.i. eos îre hängt von paterentur ab: dass sie ihnen erlaubten, durch ihr (der
Allobroger) Gebiet zu ziehen. Klarer wird das Ganze, wenn wir den Nebensatz durch
ein Substantiv ersetzen: dass sie ihnen den Durchzug durch ihr Gebiet (Land)
erlaubten.
Zeile 3
Der HS (Helvetii) dîcunt wird von einem Abl. absolutus eingeleitet: nachdem alle Dinge
zum Aufbruch vorbereitet worden waren... Der von quâ, vgl. 5.Lektion, eingeleitete
Relativsatz hat das Prädikat conveniant 3.Pl.Konj.Präs.Akt., das wir hier mit Hilfe von
sollen wiedergeben müssen sie sollen zusammenkommen. Es handelt sich um einen
Jussiv, erinnern Sie sich? Das steht in der 4.Lektion. Als Muster können Sie sich
merken videant consules! die Konsuln sollen sich drum kümmern... In der 4.Lektion
erfuhren wir, dass dies maskulin ist, wenn es einen Tag von 24 Stunden meint; bedeutet
es einen Termin, so ist es weiblich. Demnach ist diem vor dicunt mit Termin zu
übersetzen. Im 4.Satz bedeutet is dies aber einen Tag von 24 Stunden, ein Datum.
Zeile 4
Man erhält das Datum, wenn man vom 1. April (Kalendae Aprîlês) aus 5 Tage rückwärts
rechnet. Die Zählung beginnt am 1. April: 1., 31., 30., 29., 28.
Das fragliche Jahr ergibt sich aus der Nennung der beiden Konsuln (im Ablativus
absolutus).
Caesar gelang es im Oktober 59, als er selbst Konsul war, für das Jahr 58 zwei seiner
Freunde als neue Konsuln wählen zu lassen: Lucius Calpurnius Piso, seit kurzem sein
Schwiegervater, Caesar hatte dessen Tochter Calpurnia geheiratet. Aulus Gabinius war
ein alter Gefolgsmann des Pompeius. Caesar bereitete zu dieser Zeit bereits seine
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Gallien-Mission vor und brauchte zu Hause zuverlässige Hintermänner. Dazu gehörte
auch Clodius, der Bruder der Catullschen Lesbia-Clodia. Mit Caesars Einwilligung war
Clodius kurz zuvor zum Volkstribun gewählt worden. Pompeius heiratete 59 Caesars
Tochter Julia, die etwa dreißig Jahre jünger war als er. Crassus, Pompeius und Caesar
waren außerdem durch ihr Triumvirat aneinander gebunden, wenigstens Pompeius und
Caesar, Crassus hielt sich spürbar zurück. Dass Caesar im Senat und in der römischen
Gesellschaft wenige Freunde hatte, kann man sich leicht ausmalen. Vor seiner Abreise
nach Gallien war jedenfalls noch manches Band zu knüpfen.
Zeile 5
Hier beginnt der eigentliche Auftritt Caesars, BG I,7,1.
Gleich zu Beginn müssen wir staunen, denn Caesar verfügte offenbar über einen
schnellen Geheimdienst mit keltischen Sprachkenntnissen.
Den temporalen Vordersatz sparen wir uns bis zum Schluß auf. Der HS mit Caesar als
Subjekt ist zusammengezogen und besitzt drei Verba im Präsens: maturat, contendit,
pervenit, also typischer Caesar-Stil: er beschleunigt, eilt und kommt an. proficîscî ist
direktes Objekt zu maturat. Die Verwendung des Präsens macht die Schilderung lebhaft.
Caesar hätte auch im Perfekt schreiben können: maturâvit, contendit (= Präs.), pervênit.
Beachten Sie auch die beiden et, die die Verben miteinander verbinden: maturat et
contendit et pervenit. Im Deutschen setzen wir und nur vor das letzte Verb: und kommt
an. Der Lateiner kann die drei Verben aber auch einfach unverbunden, durch Kommata
getrennt, nebeneinander schreiben, wie wir ja schon früher bei veni, vidi, vici ich kam, sah
und siegte sahen.
maximis itineribus ist ein Ablativ auf die Frage womit? wodurch?, ein Ablativus
instrumenti.
(Der Instrumentalis steht als adverbiale Bestimmung zur Bezeichnung von: Mittel,
Ursache, Begleitung und Art und Weise.)
ad Genavam bedeutet in die Gegend von Genf; nach Genf würde einfach Genavam
heißen.
Ebenso muss man unterscheiden a Roma aus der Umgegend von Rom und ex urbe Roma
aus der Stadt Rom.
Jetzt fehlt noch der Anfang der Periode. Der Konj. Plusquamperfekt nûntiâtum esset
beim cum historicum bezeichnet die Vorzeitigkeit: zuerst musste der Vorgang gemeldet
werden, dann erst brach Caesar auf: als Caesar dies gemeldet worden war.... Das
Partizip nuntiatum steht im Neutrum, weil es sich auf das Neutrum id bezieht. Der auf
den Temporalsatz folgende dass-Satz steht lateinisch im a.c.i. mit eôs als Subjekt und
dem Deponens conârî versuchen als Prädikat.
Zeile 6
Die Periode besteht aus zwei beigeordneten Hauptsätzen mit den Präsens-Prädikaten
imperat und iubet. Wir wissen, dass iubet nach einem a.c.i. verlangt: pontem rescindî dass
die Brücke abgerissen werde. rescindi ist Inf. Präs. Passiv von rescindere.
Beachten Sie, dass im Relativsatz quî erat ad Genavam das Relativpronomen quî im
Nominativ steht, das Bezugswort pontem aber im Akkusativ. In der 5.Lektion hörten Sie,
dass das Rel.Pron. sich in Genus und Numerus zwar nach seinem Beziehungswort
richtet, im Kasus jedoch nach seiner Funktion im Relativsatz -und die ist hier, Subjekt
zu sein. Beachten Sie das Imperfekt erat zur Schilderung eines Zustandes.
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Der eingeschobene Satz erat ... legiô ûna deutet darauf hin, dass es in der provincia
Romana vor Caesars Auftritt offenbar recht ruhig zuging, denn eine Legion waren nur
4000 Mann. Soviele Polizisten benötigt eine heutige Großstadt um bei besonderen
Anlässen die Ordnung zu garantieren.
Dass Caesar so ohne weiteres und in wenigen Wochen ein ansehnliches Heer ausheben
konnte, ist ebenfalls bemerkenswert. Er erwähnt nicht, dass er in Aquileia, in
Norditalien, bereits über drei Legionen verfügte. Die Aushebung von Legionen
verlangte eigentlich einen Senatsbeschluss. Aber Caesar wird sich schon zu
rechtfertigen wissen.
Zeile 7/8
HS: (helvetii) mittunt, Objekt zu mittunt ist nobilissimos mit dem Gen. Attribut cîvitâtis.
Apposition zum Objekt ist legatos als Gesandte.
Im temporalen, passiven Vordersatz ist facti sunt sie sind gemacht worden
3.Pl.Ind.Perf.Pass. Prädikat zum Subjekt Helvetii. certior factus sum ich bin benachrichtigt
worden.
ut ... liceat (Konj.Präs.) ist ein Finalsatz, eingeleitet mit ut finale, der von rogare abhängt.
Von liceat hängt schließlich der Infinitivsatz id facere dies zu tun ab.
Die relativen Anschlüsse cuius (legationis) und qui (dicerent) erzeugen im Lateinischen
eine enge Satzverbindung. Im Deutschen ist es jedoch geschickter, die Rel.-Pronomina
in Demonstrativ-Pronomina zu verwandeln. Wir beginnen dann jedesmal einen neuen
Satz.
Übungen zur Lektüre
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Caesar drängt darauf, von Rom (von der Stadt) abzureisen. Er eilt ins jenseitige
Gallien und gelangt nach Genf.
Als Caesar das hörte, hat er sich nach Gallien aufgemacht. (côn-ferô, contulî,
collâtum, côn-ferre vereinigen, sê cônferre sich begeben)
Currû in castra advectus est. (currû vehî im Wagen fahren, equô vehî reiten aber
pedibus îre zu Fuß gehen, pês, pedis m der Fuß)
Caesar cum prîmum in castra vênisset, tabernâs novâs ibî visitâbat.
(cum prîmum sobald als. Will man ausdrücken, dass die Haupthandlung sofort auf
die Nebenhandlung folgte, so benutzt man zweimal Ind. Perf.:
Caesar cum prîmum in castra vênit, tabernâs novâs ibî visitâvit.)
Als Caesar in der Umgegend von Genf angekommen war, erschienen ihm viele
Dinge seltsam. ( mîrus 3)
(videor, vîsus sum, vidêrî scheinen Dep. 2.Konj.
vidêbar ich schien 1.Sg.Ind.Impf.Dep., vgl. Grammatik)
Die Helvetier hatten im Sinne, ohne jede Feindseligkeit durch die römische
Provinz zu ziehen, weil sie keinen anderen Weg hatten.
Nobis erat in animô Nammeium ad Caesarem mittere et cum eô Verucloetium.
Si profectus erit, faciam te certiorem.
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Lösungen:
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Caesar matûrat ab Urbe proficîscî. In Galliam ulteriorem contendit et Genavam pervenit.
Quae cum Caesar audivisset, in Galliam se contulit.
Er fuhr auf einem Wagen ins Lager.
Sobald Caesar im Lager angekommen war, besuchte er dort die neuen Tabernen.
Cum Caesar ad Genavam vênisset, multae rês eî mîrae vidêbantur.
Helvetiis erat in animô sine ullô maleficiô per provinciam Romanam iter facere, propterea
quod aliud iter habebant nullum.
Ich hatte die Absicht, Nammeius zu Caesar zu schicken und Verucloetius mit
ihm.
Wenn er reist, gebe ich dir Nachricht.
Anhang
Heute werden wir eine Anekdote aus dem Leben des Kaisers Augustus lesen. Hier sind
zunächst einige Lebensdaten:
Name: C. Octavius, nach Adoption durch Onkel C. Iulius Caesar neuer Name:
C. Iulius Caesar Octavianus, seit 16.1.27 Augustus, der Erhabene.
Geb. 23.9.63 v.Chr. in Rom
45 begleitet er Caesar nach Spanien
27.11.43 Triumvirat zusammen mit Antonius und Lepidus.
Nach Ausschaltung des Lepidus und nach dem Seesieg über Antonius am
2.9.31 bei Aktium Alleinherrscher unter scheinbarer Wahrung republikanischer
Traditionen.
Gestorben: 19.8.14 n.Chr. in Nola. Der Sterbemonat wurde nach ihm August genannt.
Bei seinem Tod hinterließ Augustus ein Testament, eine Verfügung über seine
Bestattung, eine statistische Übersicht über das ganze Reich und ein Verzeichnis seiner
Taten, die Res gestae Divi Augusti. 1555 wurde eine Abschrift dieses Verzeichnisses
(Index rerum gestarum) in lateinischer und griechischer Sprache -in Marmor gemeißeltan einem ehemaligen Tempel der Göttin Roma und des Augustus in Ankara (Ankyra)
gefunden, daher auch Monumentum Ancyranum genannt.
Der römische Historiker Sueton (70-140 n.Chr., Freund Plinius´ d.J.,) verfasste eine
Biographie des Kaisers.
Im Anhang der nächsten Lektion werden wir einige Zeilen aus dem Index lesen.
Nur einige wenige der unzähligen Briefe, die Augustus geschrieben bzw. diktiert haben
muss, sind erhalten, z.B. ein kurzer Brief an seinen heiß geliebten Enkel Gaius Caesar
(20 v.Chr.- 4.n.Chr.).
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Hier nun die angekündigte Anekdote:
Cum post Actiacam victoriam Octavianus Romam reverterêtur, occurit ei inter gratulantes opifex
quidam corvum tenens, quem instituerat haec dicere:
Ave, Caesar, victor imperator.
re-vertor, revertî, reversus, vertere zurückkehren, hier 3.Sg.Konj.Impf.Dep. cum historicum
mit Konj.Impf. signalisiert Gleichzeitigkeit, daher: als O. nach R. zurückkehrte, ...
oc-currô, (cu)currî, cursum, currere begegnen, hier Perfekt
opifex, opificis m Handwerker
corvus, î m der Rabe
în-stituô, uî, ûtum, stituere 3 veranstalten, unterweisen, abrichten, hier
3.Sg.Ind.Plqupf.Akt.
victor kann heißen Sieger oder siegreich
Als Oktavian nach dem Sieg bei Aktium nach Rom zurückkehrte, begegnete ihm unter
den Gratulanten ein gewisser Handwerker, der einen Raben hielt, den er abgerichtet
hatte, folgendes zu sagen: Sei gegrüßt, Caesar, siegreicher Herrscher.
Miratus Caesar officiosam avem viginti milibus nummorum emit. Salutatus similiter a psittaco emi
eum iussit. Hoc exemplum sutorem pauperem sollicitavit, ut corvum institueret ad parem
salutationem.
mîror, mîrâtus sum, mîrârî sich wundern, anstaunen (+ Akk.) Dep. 1.Konj.
mîrâtus emit = miratus est et emit er hat gestaunt und gekauft
emô, êmî, êmptum, emere kaufen
vîgintî mîlibus Ablativ des Preises (Ablativus pretii), vîgintî 20 ist undeklinierbar
nummus, î m Münze, Sesterz (1/4 Denar)
officiôsus 3 gefällig, dienstfertig
psittacus, î m der Papagei
sûtor, ôris m der Schuster
pâr, aris Adj. ähnlich, gleich
Caesar staunte über den eilfertigen Vogel und kaufte ihn für 20000 Sesterzen. Als er
von einem Papagei ähnlich begrüßt worden war, befahl er, ihn zu kaufen.
Dieses Beispiel reizte einen armen Schuster, einen Raben zu der gleichen Begrüßung
abzurichten.
Quî impendiô exhaustus saepe ad avem non respondentem dîcere solêbat: opera et impênsa
periit! Aliquandô tamen corvus coepit dicere dictam salutationem.
impendium, i n der Aufwand, die Mühe, die Kosten
ex-hauriô, hausî, haustum, ex-haurîre erschöpfen
impênsa, ae f Kosten, Aufwand
aliquandô Adv. einst, einmal
coepiô, coepî, coeptum, coepere anfangen, beginnen, coepî ich habe angefangen
Dieser pflegte durch den Aufwand erschöpft zum nicht antwortenden Vogel oft zu
sagen: Mühe und Kosten sind verloren! Einmal jedoch begann der Rabe, die
vorgesprochene Begrüßung auszusprechen.
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Hâc salutatiône auditâ Augustus, dum transit, respondit: Satis domî talium salutatorum habeô.
Superfuit corvô memoria, ut et illa, quibus dominum querentem solebat audire, subtexerat:
opera et impensa periit.
hac salutatione audita ist Abl. absolutus;
dum transit während er vorübergeht
supersum, superfuî, superesse übrig sein, noch vorhanden sein
queror, questus sum, querî klagen
quibus ist Abl. instrumenti mit denen
audio te querentem ich höre dich klagen, vgl. 12.Lektion Acc. cum participio
ut et illa (verba) ... Konsekutivsatz: so dass ...
sub-texô, texuî, textum, texere einflechten, texere weben, textilis, e gewebt
Nachdem Augustus dies gehört hatte, sagte er beim Vorübergehen: Zu Hause habe ich
genug derartiger Begrüßer. Der Rabe hatte noch Gedächtnis übrig, so dass er auch
jene Worte hinzufügte, mit denen er seinen Herren klagen zu hören pflegte: Mühe und
Kosten sind verloren.
Ad quod Caesar rîsit emique avem iussit, quantî nullam ante emerat.
rîdeô, rîsî, rîsum, rîdêre lachen
quantî für wieviel, so teuer wie (quantî cônstat haec avis was kostet dieser Vogel? - Est
cârissima!)
Caesar lachte hierüber und befahl, den Vogel zu kaufen, so teuer wie er keinen vorher
gekauft hatte.
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