Alkohol-Embryopathie

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Alkohol-Embryopathie
Kindernetzwerk e.V.
für Kinder, Jugendliche und (junge) Erwachsene mit
chronischen Krankheiten und Behinderungen
Krankheitsübersicht
Alkoholembryopathie
KINDERNETZWERK
AN ALLE BEZIEHER UND NUTZER DIESER KRANKHEITSÜBERSICHT
Mit den in dieser Krankheitsübersicht enthaltenen Informationen bietet das
Kindernetzwerk e.V. lediglich einen ersten Überblick über die Erkrankung, die
Behinderung oder das entsprechende Schlagwort.
Alle Informationen werden nach bestem Wissen – mit tatkräftiger Unterstützung
unseres pädiatrischen Beraterkreises und wissenschaftlichen Fachbeirats – aus
diversen Quellen ( Fachbücher, Fachartikel, Kindernetzwerk-Archiv sowie aus dem
Internet ) zusammengestellt.
Bei der Krankheitsübersicht wird darauf geachtet, dass die Informationen verständlich
und gut leserlich geschrieben sind. Wir möchten Eltern, Betroffenen und
Nichtmedizinern dadurch ermöglichen, insbesondere auch seltene Erkrankungen
besser zu verstehen.
Wir streben einen möglichst hohen Grad an Aktualität an, können aber wegen des
rapiden medizinischen Fortschrittes nicht in jedem Fall garantieren, stets den
allerneusten Stand des Wissens komplett abzubilden. Gerade deshalb empfehlen wir,
sich immer an einer der zuständigen Selbsthilfegruppen zu wenden (siehe beiligende
Adressen) um dort weiteres aktuelles Material anzufordern und individuelle Beratung
einzuholen!
Die Krankheitsübersicht ist nur für Ihren persönlichen Gebrauch bestimmt. Eine
Weitergabe an Dritte ist aus urheberrechtlichen Gründen nicht gestattet. Die
Unterlagen erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Die Inhalte der beigefügten
Materialien stellen keine Bewertung von Seiten des Kindernetzwerks dar, sondern
dienen der übersichtlichen Zusammenfassung vorhandener Informationsmaterialien
in kompakter Form.
Bei einem Teil der Krankheitsbildern liegen beim Kindernetzwerk noch umfassendere
Informationen (Infopakete) vor. Näheres erfahren Sie über die Geschäftsstelle.
Aufgrund der Seltenheit vieler Erkrankungen ist es nicht möglich, bei allen
Krankheitsübersichten ein Fallbeispiel darzustellen. Falls Sie uns dabei unterstützen
möchten, nehmen sie bitte Kontakt mit dem Kindernetzwerk e.V. auf.
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Alkoholembryopathie (AE)
Fetales Alkoholsyndrom
Embryofetales Alkoholsyndrom
Fetal alcohol syndrome (FAS)
Fetale Alkoholeffekte (FAE)
Fetale- Alkohol- Spektrum-Störungen (FASD)
Zusammengestellt für das Kindernetzwerk von
Prof. Dr. Gerhard Neuhäuser, Gießen
September 2005
Kurzbeschreibung
Teratogen verursachte Entwicklungsstörung bei Kindern alkoholkranker Mütter mit
•
Kleinwuchs
•
Mikrocephalie
•
charakteristischem Gesichtsausdruck
•
verschiedenen kleinen und großen Anomalien
•
sowie Verhaltensauffälligkeiten
Symptome/Formen
Betroffene Kinder werden infolge einer pränatalen Dystrophie durch vorgeburtliche
Mangelernährung mit geringem Gewicht und verminderter Körperlänge geboren.
Neben einem zu kleinen, unter der 3. Perzentile befindlichen Kopfumfang (Mikrocephalie) wird
eine relativ charakteristische craniofaziale Dysmorphie beobachtet:
•
Kurze, schmale, etwas schräg nach oben geneigte Lidspalten (Blepharophimose),
•
kleiner Augapfel (Mikrophthalmie) und hängende Lider (Ptose),
•
zusätzliche Falte über dem inneren Lidwinkel (Epikanthus),
•
breiter Augenabstand (Hypertelorismus, Telekanthus),
•
flacher, kurzer Nasenrücken,
•
gering ausgeprägtes oder fehlndes Philtrum
(Furche zwischen Nase und Mund),
•
nach vorne gerichtete Nasenlöcher
•
dünne Oberlippe mit schmalem Lippenrot,
•
kleine Zähne, Mikrogenie (kleiner Unterkiefer),
•
allgemein flaches Mittelgesicht,
•
oft leicht dysplastische, tief angesetzte Ohren mit verändertem Relief.
Mitunter treten Gaumenspalte, Trichter- oder Kielbrust auf.
Bei muskulärer Hypotonie verläuft die statomotorische Entwicklung langsam. Nach der Geburt
können Entzugserscheinungen bemerkt werden, in den ersten Lebensmonaten besteht eine
ausgeprägte Irritabilität, was vor allem beim Füttern Schwierigkeiten bereitet.
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Sehstörungen können durch Brechungsanomalien können durch (z.B. Myopie oder
Kurzsichtigkeit) und Strabismus (Schielen) entstehen.
Hörstörungen können durch in den ersten Lebensjahren häufige Mittelohrentzündungen
verursacht werden.
Die Sprachentwicklung ist deutlich verzögert.
Verhaltensauffälligkeiten
mit
vermehrter
Unruhe
und
Hyperaktivität
sowie
Konzentrationsstörungen werden oft beobachtet, auch eine Beeinträchtigung im Erwerb
kognitiver Fähigkeiten, vor allem im logisch-schlußfolgernden und kombinatorischen Denken,
woraus Lernbehinderung oder leichte bis mittelschwere geistige Behinderung resultiert.
Beobachtungs- und Wahrnehmungsfähigkeit sind eingeschränkt, Kurzzeitgedächtnis,
Aufmerksamkeit und Konzentration schwach ausgebildet.
Nicht selten ist auch das Sozialverhalten gestört.
Ein disproportionierter Kleinwuchs bleibt bestehen.
Angeborene Herzfehler kommen bei 30%, Anomalien der Nieren bei 10% der betroffenen
Kinder vor, seltener sind Genitalveränderungen mit Hypoplasie der großen Labien
(Unterentwicklung der Schamlippen) bei Mädchen oder Hypospadie (fehlerhafte Mündung der
Harnröhre) und Kryptorchismus (ausbleibendes Tieftreten der Hoden) bei Jungen.
Kleine Fehlbildungen betreffen Arme und Beine:
•
Radioulnare Synostose mit Einschränkung der Drehbewegung (Supination-Pronation)
im Unterarm,
•
Klinodaktylie (Abbiegung) oder Kamptodaktylie (Versteifung in Beugestellung) von
Fingern
•
Hypoplasie der Endphalangen sowie der Finger- und Fußnägel
Weitere Auffälligkeiten:
•
Veränderungen der Hautleistenmuster
•
Hernien (Leistenbruch)
•
Steißgrübchen
•
Hüftluxation
Diagnostik
➢
Die Diagnose wird nach dem klinischen Bild (vor allem Mikrocephalie, Minderwuchs und
craniofaziale Dysmorphie) gestellt, ist aber durch die Anamnese mit vermehrtem
Alkoholkonsum bzw. Alkoholismus bei der Mutter während der Schwangerschaft zu
bestätigen (gegebenenfalls durch Blutuntersuchung mit Bestimmen von Leberenzymen
und Ferritin).
➢
Nach
der
Ausprägung
sind
zwei
Schweregrade
zu
unterscheiden:
Beim FAS findet man mütterlichen Alkoholkonsum, prä- und postnatale
Wachstumsverzögerung und cerebrale Dysfunktion (Hirnfunktionsstörung) sowie
zwei der folgenden Anomalien: Mikrocephalie, Mikrophthalmie oder Blepharophimose,
verstrichenes
Philtrum,
schmale
Oberlippe,
Mittelgesichtshypoplasie.
Bei „fetal alcohol effects (FAE) werden neben der Anamnese nur
Wachstumsverzögerung und/oder cerebrale Dysfunktion sowie einzelne Anomalien
beobachtet.
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➢
Mit Sonographie und Magnetresonanztomographie können Veränderungen der
Hirnstruktur, zum Beispiel eine Erweiterung des Ventrikelsystems oder Hypoplasie
(Unterentwicklung) des Kleinhirns nachgewiesen werden.
➢
Kardiologische Untersuchung ist bei Verdacht auf Herzfehler erforderlich (EKG,
Echokardiogramm, Herzkatheter), Sonographie der Bauchorgane zum Ausschluss
von Nierenveränderungen.
➢
Mit einem Entwicklungstest werden motorische, sprachliche, kognitive und soziale
Fähigkeiten verfolgt, Intelligenz- und Teilleistungen sind mit geeigneten
(neuro)psychologischen Verfahren zu erfassen.
➢
Falls Anfälle auftreten, ist ein EEG erforderlich, bei Sinnesstörungen die Ableitung von
evozierten Potentialen (Reizantworten).
Ursachen
Eine teratogene (Fehlbildungen erzeugende) Wirkung von Alkohol und/oder Azetaldehyd ist im
Tierexperiment nachgewiesen, vermittelt über die Alkohol- bzw. Azetaldehyd-Dehydrogenase,
die zum Abbau von Alkohol in der Leber benötigt wird und beim Feten noch nicht vorhanden ist.
Bei einem Drittel der Kinder von alkoholkranken Müttern kommt es zur AE, bei 60-70% treten
partiell teratogene Effekte (FAE) auf mit Ausprägung von nur einzelnen Symptomen.
Die pathogenetischen Zusammenhänge sind im Einzelnen noch nicht geklärt, es entsteht
jedenfalls nach Zellschädigung (Alkohol wirkt als Zell- und Zellteilungsgift, auch als Neurotoxin)
eine so genannte Disruptionssequenz mit Störung verschiedener Entwicklungsvorgänge.
Möglicherweise sind auch Vitaminmangelerscheinungen und individuelle genetische Faktoren
bei der Entstehung bedeutsam.
Häufigkeiten
Je nach Verbreitung der Alkoholkrankheit ist die Häufigkeit des Syndroms verschieden; es
wurde in den USA bei 1 von 750 Neugeborenen (in einzelnen Indianerreservaten 1 : 100), in
Schweden bei 1 : 600, in Frankreich bei 1 : 212 beobachtet.
In der Bundesrepublik Deutschland sollen jährlich 1000 bis 2500 Kinder mit AE geboren
werden.
In den USA rechnet man mit einer Frequenz der AE von 0,5 bis 4,8, der FAE mit 9,1 pro 1000
Neugeborene.
Verwandte Krankheiten / Differenzialdiagnose / Begleitfehlbildungen
Ähnliche Symptome treten auf
•
bei der Trisomie 18 (Edwards-Syndrom),
•
bei Triplodie 7q oder
•
beim autosomal-rezessiv vererbten Dubowitz-Syndrom auf;
Differenzierung ist durch zytogenetische bzw. molekulargenetische Untersuchung möglich.
4
In Betracht kommen mitunter auch
•
Cornelia-de-Lang-Syndrom
•
Smith-Lemli-Opitz-Syndrom
•
Noonan-Syndrom
Sie sind aufgrund der Symptomkombination zu unterscheiden.
Standardtherapie
Es gibt nur symptomatische Möglichkeiten zur Behandlung:
•
Operative Korrektur von Gaumenspalte, Herzfehler, Hernien.
•
Korrektur bei Seh- und/oder Hörstörungen.
•
Frühförderung mit Physiotherapie und psychologisch-pädagogischer Betreuung.
Vielfach ist wegen der sozialen Probleme Unterbringung in Pflegefamilien oder geeigneten
Heimen nötig (nur etwa ein Drittel der von AE betroffenen Kinder kann bei den leiblichen Eltern
bleiben).
Wesentlich sind Maßnahmen der Prävention:
•
Aufklärung über die Gefahren des Alkoholkonsums in der Schwangerschaft;
•
Vorbeugung bzw. frühzeitige Behandlung bei Alkoholkrankheit.
Weitere Therapien, zum Teil noch in der Erforschung:
Nicht bekannt.
Prognose
Wegen häufig auftretender Infektionen, Gedeihstörung und Operationen ist vor allen in den
ersten beiden Lebensjahren oft stationäre Behandlung erforderlich.
Bei günstigen Bedingungen können Entwicklungsrückstände teilweise kompensiert werden.
Mikrocephalie und Kleinwuchs bleiben bestehen, die Körperfülle nimmt im Erwachsenenalter
zu. Verschiedene Symptome der craniofazialen Dysmorphie sind dann weniger deutlich
ausgeprägt.
Bestimmend für die Prognose ist vor allem das Ausmaß der Beeinträchtigung kognitiver
Funktionen. Nur etwa 20% betroffener Kinder können eine Normalschule besuchen, etwa ein
Drittel ist schwer behindert.
Beratung der Familien
Die Beratung der Familie muss unmittelbar nach der Geburt einsetzen, zumal es bei
Alkoholkrankheit der Mutter meist vielfältige psychosoziale Probleme gibt.
Es ist zu entscheiden, ob das Kind in der Familie bleiben kann. Individuelle Hilfen sind zu
organisieren.
BUNDESVERBÄNDE
Bei folgenden BUNDESWEITEN ANLAUFSTELLEN können Sie
Informationsmaterial anfordern. Fragen Sie dort auch nach Ansprechpartnern des
jeweiligen Verbandes in der Umgebung Ihres Wohnortes! Falls vorhanden, sind
auch Auslandsadressen mit aufgelistet. Bitte haben Sie dafür Verständnis, daß wir
in Bereichen, in denen bereits bundesweite Ansprechpartner existieren, primär
diesen Initiativen den Versand von Informationsmaterial und die Vermittlung
spezieller Hilfen überlassen. Bei zusätzlichen Fragen können Sie sich natürlich
jederzeit wieder an das Kindernetzwerk wenden!
FASD Deutschland e.V.
FASD Deutschland e.V.
Hügelweg 4
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49809 Lingen
Tel.: 05 91/7 10 67 00
Fax: 05 91/8 00 35 64
49809 Lingen
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Internet: www.fasd-deutschland.de
Ansprechpartner/innen: Gisela Michalowski, 1.
Vorsitzende
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Vorsitzende
MITGLIED IM KINDERNETZWERK
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49809 Lingen
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