Ist Wassersparen noch zeitgemäß? - mh

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Ist Wassersparen noch zeitgemäß? - mh
Mark t
Umfrage
Ist Wassersparen noch
zeitgemäß?
Pro & Contra: Ergebnisse aus einer Umfrage der „Haus- und Gebäudetechnik“-Gruppe im XING-Netzwerk
Wassersparen ist mittlerweile tief verwurzelt in unserer Bevölkerung. Und viele Aussagen unterstreichen heute, dass ein sparsamer
Umgang mit dem „Lebensmittel Nr. 1“ notwendig und richtig ist. Aber diese Meinung teilen nicht alle: „Wassersparen führt zu Ablagerungen in den Kanälen“, lautet z. B. häufig ein Argument, das von vielen Stadtwerken mit der Notwendigkeit von Zwangsspülungen
bestätigt wird. Und so wundert es nicht, dass einige Wasserversorger bereits über die Einführung einer Wasser-Flatrate nachdenken,
um den Wasserverbrauch anzukurbeln. Doch die Meinungen zum Thema Wassersparen sind differenzierter, wie eine Umfrage unter
den Mitgliedern der Haus- und Gebäudetechnikgruppe* im XING-Netzwerk gezeigt hat. Nachfolgend ein Auszug aus der Pro & ContraDiskussion – an der auch Sie sich gerne noch beteiligen können.
Fakt ist, dass die in den 70er-Jahren und
1980 im Rahmen des Wasserversorgungsberichts der Bundesregierung erstellten
Wasserbedarfsprognosen von einem kontinuierlich steigenden Wasserverbrauch
in Deutschland ausgingen. Diese Prognosen traten aber nicht ein – im Gegenteil:
Deutschland gehört zu jenen Staaten, in denen der private Wasserkonsum in den letzten Jahren und Jahrzehnten kontinuierlich
zurückgegangen ist. Regelmäßige Ermahnungen von Umweltschützern mit der Kritik am hohen Wasserverbrauch haben in
* Die Umfrage wurde Mitte September 2012 in der XingGruppe „Haus- und Gebäudetechnik“ (2250 Mitglieder)
durchgeführt.
„Am ,Wassersparen’ sollte man
festhalten, da wir sonst wieder zu
den ,alten Verbräuchen’ zurückkehren würden“, denkt Martin
Gesell, Projektleiter Produktionsplanung in einem deutschen Industrieunternehmen für Gebäudetechnik.
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der Bevölkerung einen Umdenkungsprozess ausgelöst. Und so verbraucht heute,
im Vergleich zum Jahr 1990, jeder Deutsche im Durchschnitt etwa 30 l Trinkwasser weniger pro Tag. Derzeit sind es rund
120 l. Die sich jährlich erneuernde verfügbare Wassermenge in Deutschland wird
vom Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) auf 188 Mrd. m³ beziffert. Lediglich 17 % dieser natürlichen
Vorkommen würden genutzt. Ist damit das
Ziel bereits mehr als erreicht – wie die einen sagen – oder soll jeder Bürger weiter
Wasser sparen – wie die anderen meinen?
Eine pauschale Antwort auf diese Frage kann aufgrund zahlreicher regionaler
Unterschiede nicht gegeben werden,
wenn auch die Mehrheit der Meinungs-
„Der Bürger spart Wasser, während
die Wasserwerke deshalb spülen
müssen und damit das zusätzlich
verbrauchte Wasser wieder aufschlagen“, meint Gunter Georgi,
Inhaber des gleichnamigen Sanitär- und Heizungsbetriebs.
äußernden der Auffassung ist, dass Wassersparen weiterhin richtig ist. So argumentiert z. B. Martin Gesell, Projektleiter
Produktionsplanung in einem deutschen
Industrie­unternehmen für Gebäudetechnik: „Es ist gut so wie es gekommen ist.
Und man sollte daran festhalten, da wir
sonst wieder zu den „alten Verbräuchen“
zurückkehren würden. Ich denke darüber hinaus, dass der Verbrauch nicht nur
durch das „Ermahnen“ zurückgegangen
ist, sondern auch durch die in vielen Regionen Deutschlands erheblich gestiegenen Kosten für Wasser und Abwasser,
die auch weiter steigen werden. Und es gibt
in Deutschland Regionen, in denen eine gewisse Wasserknappheit (z. B. Teile Nord­
bayerns) vorhanden ist.“
„Mit dem Wasserverbrauch geht
auch die Abwasserreinigung einher. Das kostet die Allgemeinheit
viel Geld und belastet zudem die
Umwelt“, sagt Markus Gehrig, Geschäftsleiter der MG Power Engineering AG (Schweiz).
„Viele Wasserwerke sind nicht
einmal zu 50 % ausgelastet und
die Instandhaltungsmaßnahmen
für nicht genutzte Einrichtungen
kostet etliches“, sagt Beate Blumenkamp, Geschäftsführerin der
Global Cultural Communication.
IKZ-Fachplaner November 2012
Markt
Umfrage
Die Ursache für den Kostenanstieg liegt
nach Meinung von Gunter Georgi, Inhaber
eines Sanitär- und Heizungsbetriebs, u. a.
im Konflikt zwischen der Wassereinsparung und den Zwangsspülungen der Abwasserkanäle. Georgi: „Der Bürger spart
Wasser, während die Wasserwerke deshalb
spülen müssen und damit das zusätzlich
verbrauchte Wasser wieder aufschlagen.“
In diesem Bezug geht Beate Blumenkamp,
Geschäftsführerin der GCC – Global Cultural Communication – Managementberatung Wasserwirtschaft, einen Schritt weiter. Die Nichtauslastung zahlreicher Abwasserwerke ist für sie mitverantwortlich
für die Kostensituation und erläutert: „Die
Auslegung der Wasserwerke in den 70erJahren und deren Extrapolierung ist nicht
eingetreten. Es redet aber keiner darüber,
dass viele dieser Wasserwerke nicht einmal zu 50 % ausgelastet sind und die Instandhaltungsmaßnahmen für nicht genutzte Einrichtungen etliches kostet, was
wieder auf den Trinkwasserpreis umgelegt wird.“ Vor diesem Hintergrund sei ein
Wassermehrverbrauch nicht absurd. Dabei
denkt Blumenkamp auch mit Blick über
den Tellerrand an Länder mit Wassernot:
„Wenn wir hier in einem wasserreichen
Land Trinkwasser sparen, ist den Leuten
in wasserarmen Ländern auch nicht geholfen.“
Der Grund für Zwangsspülungen ist
nach Meinung von Sebastian Schlott,
Projekt­ingenieur bei der aeteba GmbH,
auch eine Folge der Trennwassersysteme.
„Aufgrund der Trennung in Regenwasser
und Schmutzwasser kommt es nun in den
„Trinkwasser ist das wichtigste Lebensmittel und so sollte es auch
behandelt werden. Daher ist
Wassersparen immer zeitgemäß“,
betont Alexander Erich Sollböck,
Mitglied der Verkaufsleitung bei
der BWT Austria GmbH.
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Schmutzwassersystemen zu Mindestfüllungsproblemen.“
Thomas Junger, Leiter des Wasserwerks
der Stadtwerke Memmingen, hält eine pauschale Antwort auf die gestellte Frage für
unangebracht. Vielmehr müssten hier die
regionalen Unterschiede betrachtet werden. „Wassersparen muss, wem der Nachschub fehlt (siehe die erwähnte Wasserknappheit in Nordbayern). Es geht nicht
darum, Wasser zu sparen im Sinne einer
weltweit endlichen Ressource, sondern
darum, das regional vorhandene „Budget“ verantwortungsbewusst zu nutzen.
Wasser wird im Wasserkreislauf nicht verbraucht, sondern benutzt (in der Regel verschmutzt). In wasserreichen Regionen lautet das Gebot der Stunde, die Nutzung des
Wassers möglichst umweltbiologisch nachhaltig zu gestalten, auch wenn etwas mehr
„Flüssigkeit“ dafür benötigt wird. In wasserarmen Regionen muss auch der nutzbare Wasservorrat selbst berücksichtigt
werden.“
Das Wassersparen auch in der Hausinstallation zu Problemen führen kann, stellte Klaus Birkmann, Geschäftsführer Birkmann Haustechnik, fest. „Seit Einführung
der Wasserspartechnik bei WC-Anlagen
sind nach unseren Erfahrungen die Ka-
„Auch aufgrund der Trennung in
Regenwasser und Schmutzwasser
kommt es nun in den Schmutzwassersystemen zu Mindestfüllungsproblemen,“ meint Sebas­
tian Schlott, Projektingenieur bei
der aeteba GmbH.
November 2012 IKZ-Fachplaner
nalverstopfungen enorm gestiegen, da die
meisten Benutzer die Spültechnik nicht
beherrschen oder verstehen. Im öffentlichen Bereich haben wir die Drückerplatten mit Spartechnik an WC-Anlagen oft
wieder entfernt und durch alte Drückerplatten ersetzen müssen.“
Ob dies Einzelfälle waren oder regionale Besonderheiten dafür ausschlaggebend sind, kann in dieser Stelle nicht abschließend erörtert werden. Fakt ist aber,
das der verantwortungsvolle Umgang mit
der Ressource Trinkwasser weiterhin im
Fokus vieler Bürger steht.
■
www.xing.de
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Ihre Meinung ist gefragt!
In regelmäßigen Abständen greift die
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xing.de an.
„In wasserreichen Regionen lautet das Gebot der Stunde, die
Nutzung des Wassers möglichst
umweltbiologisch nachhaltig zu
gestalten, auch wenn etwas mehr
,Flüssigkeit’ dafür benötigt wird“,
so Thomas Junger, Leiter des Wasserwerks der Stadtwerke Memmingen.
„Es sollte noch mehr auf den
sorgsamen Umgang mit Ressourcen geachtet werden. Dass
es Probleme gibt, dass weniger
Durchfluss, als vorgesehen/ge­
plant/wünschenswert, durch die
Kanalisation existiert, liegt an der
Auslegung des Systems“, meint
Bernhard Bastian, Wolff-Managementberatung GmbH.
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