Autonomie im Alter
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Autonomie im Alter
Autonomie im Alter und wie diese in Alten- und Pflegeheime erlebt wird. Fachbereichsarbeit An der psychiatrischen Gesundheits- und Krankenpflegeschule Rankweil Erstellt von Elisabeth Studer Begleitet von Daniel Morscher Göfis, am 12.03.2008 1 Autonomie im Alter Vorwort v Ich möchte mich herzlich bei den Pflegeheimteams der mitwirkenden Pflegeheime für ihr Engagement und ihre tatkräftige Unterstützung bedanken. Die Durchführung meiner Befragungen wäre ohne Ihre Mithilfe nicht möglich gewesen. v Ich danke Daniel Morscher für sein Wissen, dass er mir mit Hilfe von Erklärungen, Anregungen und Tipps geduldig vermittelte. v Ich bedanke mich bei meinen fleißigen Korrekturlesern und Motivatoren. v Zum Schluss, aber nicht zuletzt, bedanke ich mich bei meinen MitschülerInnen, speziell bei Nicole, Susanne und Karin, ohne die die Schule im Allgemeinen und dieses Projekt im Besonderen doppelt so mühsam und nur halb so schön verlaufen wäre. Autonomie im Alter INHALTSVERZEICHNIS 1. EINLEITUNG......................................................................................................... 1 2. HAUPTTEIL........................................................................................................... 3 2.1. DEMOGRAPHISCHE ENTWICKLUNG .................................................................... 3 2.2 PFLEGEHEIME .................................................................................................... 4 2.3 PFLEGEBEDÜRFTIGKEIT ..................................................................................... 5 2.3.1. 2.4 Die Pflegestufen ........................................................................................ 5 FÜR DIE FACHBEREICHSARBEIT INTERESSANTE FORSCHUNGS- BEFUNDE .......... 6 2.4.1 MuGsLA- Studie........................................................................................ 6 2.4.2 Biomed2- Projekt ...................................................................................... 7 2.4.3 „Autonomie und das Prinzip der informierten Zustimmung in der Pflege“ ...................................................................................................... 7 2.4.4 4. „Lebensziele von Menschen im Alten- und Pflegeheim“.......................... 8 DEFINITION VON BEGRIFFEN ........................................................................ 9 4.1 DER BEGRIFF AUTONOMIE................................................................................. 9 4.1.1 Annäherung an den Begriff Autonomie .................................................... 9 4.1.2 Die philosophische Perspektive der Autonomie ....................................... 9 4.1.3 Autonomie in der Medizin und der Pflegewissenschaft .......................... 10 4.1.4 Wahlmöglichkeiten als Voraussetzung für Autonomie ........................... 10 4.1.5 Autonomie in Abgrenzung von Selbständigkeit und Kompetenz............. 11 4.2 DER BEGRIFF ERLEBEN .................................................................................... 11 4.3 DER BEGRIFF ALLTAG ..................................................................................... 12 4.3.1. Der Begriff Freizeit................................................................................. 13 4.3.2. Der Begriff Ernährung: .......................................................................... 14 4.3.3. Der Begriff Wohnen ................................................................................ 15 4.3.4. Der Begriff Körperpflege........................................................................ 15 Autonomie im Alter 5. DIE UNTERSUCHUNGSMETHODE ............................................................... 16 5.1. DIE FORSCHUNGSFRAGE .................................................................................. 16 5.1.1. 6. Weitere Forschungsfragen...................................................................... 16 5.2. FRAGEBOGENKONSTRUKTION .......................................................................... 17 5.3. AUSWAHL DER TEILNEHMER ........................................................................... 17 5.4. DURCHFÜHRUNG DER BEFRAGUNG.................................................................. 18 DARSTELLUNG DER DATEN.......................................................................... 18 6.1. AUTONOMIE IM BEREICH WOHNEN ................................................................. 19 6.1.1. 6.2. AUTONOMIE IM BEREICH KÖRPERPFLEGE........................................................ 21 6.2.1. 6.3. Wichtigkeit der Selbstbestimmung bei der Freizeitgestaltung................ 25 AUTONOMIE IM BEREICH ERNÄHRUNG ............................................................ 26 6.4.1. 6.5. Wichtigkeit der Selbstbestimmung bei der Körperpflege ....................... 22 AUTONOMIE IM BEREICH FREIZEIT .................................................................. 24 6.3.1. 6.4. Wichtigkeit der Selbstbestimmung beim Wohnen ................................... 20 Wichtigkeit der Selbstbestimmung bei der Ernährung ........................... 28 DAS AUTONOMIEERLEBEN IN DEN VIER BEREICHEN IM VERGLEICH ................ 29 7. RESÜMEE............................................................................................................. 30 8. LITERATUR- UND QUELLENVERZEICHNIS ............................................. 33 1. Einleitung In der heutigen Zeit gewinnt das Thema „Altern“ bzw. „Alt sein“ immer mehr an Bedeutung. Nicht zuletzt auf Grund der demographischen Entwicklungsprognosen, die uns in den kommenden Jahren und Jahrzehnten eine stetige und rasante Zunahme an alten Menschen in unserer Bevölkerung voraussagt. Auch die Tatsache, dass immer mehr alte Menschen auf Hilfe und Unterstützung angewiesen sind, fordert eine aktive Auseinandersetzung der Gesellschaft mit diesem Thema. Im Zuge meiner Fachbereichsarbeit möchte ich die Situation von HeimbewohnerInnen in Vorarlberg erforschen und herausfinden, wie diese ihren Heimalltag erleben. Im Besonderen interessiere ich mich für ihre Lebensgestaltung in einer für sie fremdbestimmten Institution. Ich möchte die sie umgebenden Strukturen mit ihren Einschränkungen, aber auch Möglichkeiten die sie bieten, aufzeigen. In meiner Arbeit erhebe ich anhand eines Fragebogens, wie BewohnerInnen von Alten- und Pflegeheimen in unserem Land ihre Autonomie im Alltag erleben und welche Mitsprache und Entscheidungsmöglichkeiten sie in unterschiedlichen Bereichen ihres täglichen Lebens haben. Institutionen der Altenpflege haben seit jeher eine schwierige Stellung in unserer Gesellschaft. Für viele Menschen ist es unvorstellbar, ihren Lebensabend in einer solchen Einrichtung zu verbringen. Der Umzug in ein Altenheim bedeutet für viele den Schritt in die Abhängigkeit, den Beginn der Unselbständigkeit und der endgültigen Pflegebedürftigkeit. Der Aufenthalt in einem Alten- oder Pflegeheim soll für den Bewohner dagegen einen für ihn sinnerfüllten Lebensabschnitt darstellen, und individuell mit Rücksicht auf die jeweilige Biographie gestaltet werden. Zudem ist die Gesellschaft von Skandalmeldungen in den Medien geprägt worden, die diverse Missstände in Alten- und Pflegeheimen dramatisch aufzeigen. Wir sollten uns dennoch die Frage stellen, ob es sich nicht eher um lückenhafte und oft stereotype Vorstellungen handelt, die wir von einem Leben alter Menschen in Pflegeheimen haben. 1 Autonomie im Alter Entspricht es der Realität, dass Institutionen der Altenpflege durch ihre Größenordnung und Strukturen gar nicht oder nicht ausreichend in der Lage sind, auf die Bedürfnisse jedes Einzelnen einzugehen, wie dies Zuhause oder in kleineren Wohngemeinschaften vielleicht besser möglich ist? Sind es womöglich auch die Erwartungen an unser eigenes Altern, die mit der Vorstellung von einem Leben in einem Pflegeheim nicht zu vereinbaren sind? Doch was tun, wenn es keine Alternativen gibt, wenn es der körperliche oder geistige Zustand nicht mehr zulässt, auf sich alleine gestellt zu leben, oder wenn die umgebende Familienstruktur eine Pflege und Betreuung zu Hause nicht zulässt? Die Ergebnisse meiner Arbeit werden an die mitwirkenden Pflegeheime in Form eines Handouts weitergeleitet. Die Pflegeheime werden somit über die erlebte Autonomie ihrer BewohnerInnen informiert und haben die Möglichkeit darauf zu reagieren. Die Resultate der Befragung sollen den Pflegenden bewusst machen, ob und in welchem Ausmaß in fremdbestimmten Institutionen Autonomie gelebt werden kann. 2 Autonomie im Alter 2. Hauptteil 2.1. Demographische Entwicklung Aus dem Sozialbericht, den das Land Vorarlberg 2006 veröffentlichte, geht hervor, dass die Gesamtbevölkerungszahl Vorarlbergs laut Bevölkerungsvorausschätzung weiter wachsen wird: von rund 362.000 im Jahr 2005 auf rund 396.000 im Jahr 2030 (+9%). Die demographische Entwicklung der Gesellschaft wird dabei in den nächsten Jahrzehnten zu einer Verschiebung zwischen den Altersgruppen führen: Der Anteil der Kinder und Jugendlichen unter 15 Jahren wird bis 2030 von 18% auf 15% zurückgehen, der Anteil der Jugendlichen und Erwachsenen im Alter von 15 bis unter 60 Jahren von 63% auf 56%. Dagegen wird der Anteil der Personen mit 60 und mehr Jahren von 19% auf 29% steigen, also wird sich die Anzahl dieser bis 2030 um über zwei Drittel erhöhen (+70%) und von rund 67.000 auf rund 114.000 ansteigen. 3 Autonomie im Alter Derzeit leben in Vorarlberg rund 65.000 Menschen, die 60 Jahre und älter sind, ca. 10.500 sind 80 Jahre und älter. Auf Grund der um 6 Jahre höheren Lebenserwartung der Frauen sind 57% der 60+ Jährigen und 72% der 80+ jährigen Frauen. Die Zahl der älteren pflegebedürftigen Menschen kann derzeit mit ca. 12.000 Personen in Vorarlberg angenommen werden. 72% der pflegebedürftigen Menschen werden durch informelle Netze, größtenteils durch Familienangehörige betreut. Weitere 25% werden ausschließlich durch professionelle Dienste, wie Heime und mobile Dienste betreut. (vgl.URL:http://www.vorarlberg.at/pdf/sozialbericht2006.pdf/ (08-03-03, 16:00) 2.2 Pflegeheime Im Folgenden wird der Begriff „Pflegeheim“ beschrieben. Pflegeheime im Sinn des Pflegeheimgesetzes sind entgeltlich geführte, stationäre Einrichtungen für ältere Menschen, die der Pflege bedürfen. Dazu gehören neben Pflegeheimen auch Pflegestationen in Altenwohnheimen und anderen stationären Pflegeeinrichtungen für Tages- oder Nachtbetreuung. In Vorarlberg stehen derzeit 51 Pflegeheime mit insgesamt 2.171 Heim- und Pflegebetten zur Verfügung. Als Betreiber der Pflegeheime treten verschiedene Träger auf, wobei immer mehr Einrichtungen an private Anbieter ausgegliedert werden. Derzeit werden 17 der 51 Pflegeheime von privaten Trägern betrieben, 11 in Form von Gemeinde - GmbHs, 19 durch Gemeinden und vier durch Orden und Stiftungen. (vgl. URL:http://www.vorarlberg.at/pdf/sozialbericht2006.pdf/ (08-03-03, 20:00) Sämtliche BewohnerInnen wohnen auf Grund von Pflegebedürftigkeit bzw. Hilfsbedarf in unterschiedlichen Bereichen des Alltags in Pflegeheimen. Sie benötigen die Unterstützung und Begleitung in diversen Lebensbereichen von medizinischem Fachpersonal. Die in den Pflegeheimen vorhandenen Strukturen sind auf die gesundheitlichen Bedürfnisse des Bewohners abgestimmt, und zielen darauf ab, dem Bewohner die nötige Versorgung zu bieten. Zudem sollen sie seine Selbständigkeit fördern. Die Arbeit mit alten Menschen soll somit ressourcenorientiert sein, das heißt: auf die vorhandenen Fähigkeiten des Betroffenen achten, sie nutzen und fördern. Doch 4 Autonomie im Alter was bedeutet es eigentlich für den Einzelnen, auf die Hilfe von Anderen angewiesen zu sein und der Pflege zu bedürfen? 2.3 Pflegebedürftigkeit Der Pflege zu bedürfen – nichts anderes sagt der Begriff der Pflegebedürftigkeit - ist eine Erfahrung, die die meisten Menschen zumindest aus ihrer Kindheit oder möglicherweise aus Zeiten schwerer Krankheit kennen. Pflegebedürftigkeit wird widersprüchlich erlebt. Einerseits ist es schön, sich geborgen und gut versorgt zu fühlen, die Verantwortung für die alltäglichen Anforderungen abzugeben. Andererseits kann man nicht einfach tun, was man möchte, sondern muss stets andere fragen oder auf sie warten, ist also in der gewohnten Weise der Lebensführung eingeschränkt. Zur Pflegebedürftigkeit kommt es durch Behinderung, Krankheit und/oder Alter. Pflegebedürftigkeit im Alter kann schleichend zunehmen oder jeden Menschen plötzlich und unerwartet treffen, selbst wenn er schon seit längerer Zeit erste altersbedingte Einschränkungen hinsichtlich sensorischer und motorischer Fähigkeiten verspürt hat. Dieser Begriffsbestimmung entspricht auch die sozialrechtliche Definition, der zufolge Pflegebedürftigkeit dann vorliegt, wenn die betroffene Person dauerhaft nicht mehr in der Lage ist, die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens zu vollbringen (vgl. SGB XI §14). Es gibt verschiedene Pflegestufen, die durch den Grad der Pflegbedürftigkeit und den damit verbundenen Pflegeaufwand entstehen. Diese sind gesetzlich geregelt und Voraussetzung für den Erhalt des Pflegegeldes. Umso höher die Stufe, desto höher der Pflegegeldbetrag, der an den zu Pflegenden ausbezahlt wird. (vgl. URL:http://www.vorarlberg.at/pdf/sozialbericht2006.pdf/ (08-03-03, 16:00) 2.3.1. Die Pflegestufen In den Stufen 1 und 2 bedürfen die in Frage kommenden Personen der ständigen Betreuung und Hilfe, in der ersten Stufe durchschnittlich mehr als 50 Stunden monatlich, in der zweiten Pflegestufe durchschnittlich mehr als 75 Stunden monatlich. Die Stufen 3 und 4 werden dann vergeben, wenn die zu pflegenden Personen sehbehindert, blind, meist bettlägrig oder auf den Gebrauch eines Rollstuhles angewiesen sind. In der dritten Pflegestufe liegt der Pflegebedarf bei durchschnittlich mehr als 120 Stunden monatlich, bei der vierten Pflegestufe bei durchschnittlich mehr 5 Autonomie im Alter als 160 Stunden monatlich. Die Pflegestufen 5 bis 7 kommen für Schwer- bis Schwerstbehinderte oder Personen in Frage, die der dauernden Beaufsichtigung einer Pflegeperson bedürfen bzw. für Taubblinde. In der fünften Stufe beträgt der Pflegeaufwand durchschnittlich mehr als 180 Stunden monatlich und zusätzlich außergewöhnlicher Pflegeaufwand. In der sechsten Stufe benötigt es durchschnittlich mehr als 180 Stunden monatlich der Pflege, dazu kommen zeitlich unkoordinierbare Pflegemaßnahmen und dauernde Beaufsichtigung während des Tages und der Nacht. In der siebten Pflegestufe liegt der pflegerische Aufwand bei durchschnittlich mehr als 180 Stunden monatlich, dabei ist der Bertoffene praktisch bewegungsunfähig. (URL:http://www.einfachleben.at/297_deu_html.php/ (08-02-26, 16:02) 2.4 Für die Fachbereichsarbeit interessante Forschungsbefunde Um sich diesem brisanten Thema besser annähern zu können, habe ich bei meiner Literaturrecherche Studien, Artikel und Aufzeichnungen gesucht, die sich ebenfalls mit der Thematik „Autonomie im Alter“ beschäftigen. Im folgenden Abschnitt werden vier Studien vorgestellt, die den aktuellen wissenschaftlichen Forschungsstand dieses Themenbereiches aufzeigen. 2.4.1 MuGsLA- Studie Im Rahmen der MuGsLA-Studie (Möglichkeiten und Grenzen selbständigen Lebens und Arbeitens in stationären Einrichtungen) wurden institutionelle Einflussfaktoren auf die Selbstbestimmung und die individuelle Lebensführung von Heimbewohnern untersucht. Die Studien kommen zu dem Schluss, dass die Handlungsspielräume von Heimbewohnern eher gering einzuschätzen sind und fordern deshalb, dass „Heime sich mehr als bisher an den Wünschen und Bedürfnissen der Bewohner orientieren und diesen im Alltagsablauf mehr Handlungs- und Gestaltungsspielräume gewährleisten müssen.“ (vgl. Heinemann-Knoch et al 1999, S.5). Zu erwähnen ist, dass in diesen Studien vorwiegend Pflegende und kaum Heimbewohner selbst befragt wurden. 6 Autonomie im Alter 2.4.2 Biomed2- Projekt Im Rahmen des von der EU unterstützten BIOMED2-Projekts wurden Personen in stationären Einrichtungen des Gesundheitswesens befragt. Es zeigte sich, dass die Befragten Selbstbestimmung und Einwilligung in Entscheidungen eher bei medizinischen und weniger bei pflegerischen Maßnahmen als wichtig erachteten. Ein wichtiges Ergebnis ist, dass Pflegende von älteren Menschen wenig Selbständigkeit und Selbstbestimmung erwarten und deshalb weniger Zustimmung zu pflegerischen Interventionen von ihnen einholen. Einen Unterschied in der Einschätzung ergab sich zwischen Pflegenden und Patienten vor allem in den Bereichen „Information“ und „Ermöglichen von Entscheidungsspielräumen“. (vgl. Schopp et al. 2001) 2.4.3 „Autonomie und das Prinzip der informierten Zustimmung in der Pflege“ Mit der Perspektive von älteren institutionalisierten Menschen setzten sich Schopp et al. (2001) im Rahmen der Studie „ Autonomie, Privatheit und die Umsetzung des Prinzips der informierten Zustimmung im Zusammenhang mit pflegerischen Interventionen aus der Sicht des älteren Menschen“ auseinander. Es wurden Patienten von Pflegeheimen und geriatrischen Kliniken befragt. Unter Autonomie verstehen die Autoren die Entscheidungs- und Handlungsfreiheit des Menschen in der Gestaltung seines Lebens. Wo Willens- und Entscheidungsfreiheit vom Menschen voll und ganz genutzt werden und sie in einem Gleichgewicht mit der Willens- und Entscheidungsfreiheit von Anderen sind, sprechen sie von einem autonomen Menschen. Selbstbestimmte Entscheidungen bedingen adäquate Informationen und Wahlmöglichkeiten. Die Studie kam zu dem Ergebnis, dass die befragten Älteren nur wenig über Pflegehandlungen informiert wurden und kaum selbstbestimmte Entscheidungen treffen konnten. Interessant ist, dass es einen Zusammenhang zwischen dem Alter und der Informiertheit der Patienten gab. Am wenigsten Informationen erhielten die ältesten Patienten. Eine Einbuße an Privatheit empfanden die Patienten vor allem in Ankleidesituationen und beim Verrichten von Ausscheidungen im Beisein Anderer. Die in Einzelzimmern untergebrachten Patienten fühlten ihre Privatheit mehr respektiert als die in Mehrbettzimmern untergebrachten Patienten. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass es anzunehmen ist , dass ältere Menschen wegen Informationsdefiziten, durch ihren Hilfsbedarf und durch die festgelegten Organisationsstrukturen der 7 Autonomie im Alter Pflegeeinrichtungen eine passive Krankenrolle übernehmen. (vgl. Schopp et al. 2001, S.30) 2.4.4 „Lebensziele von Menschen im Alten- und Pflegeheim“ Eine interessante Studie führte Thomas Lensing (1999) in einer personell, konzeptionell und baulich weit entwickelten Einrichtung der Altenhilfe durch. Er ging der Frage nach, welche Lebensziele und Lebensperspektiven Menschen in einer stationären gerontologischen Einrichtung entwickeln. Dazu interviewte er acht Bewohner. Ein besonderes Augenmerk legte er dabei auf die Autonomie der Befragten. Er definiert Autonomie als die Möglichkeit, „Entscheidungen unabhängig und eigenständig zu treffen, sowie das eigene Leben aktiv beeinflussen und selbstbestimmt gestalten zu können.“ Lensing konnte bei seiner Studie aufzeigen, dass das Bedürfnis nach Autonomie und die Kompetenz zur Selbstbestimmung unbedingt im Kontext zur Biographie der einzelnen älteren Menschen zu sehen ist. Des weiteren verdeutlicht diese Studie, dass für die Alten- und Pflegeheimbewohner das Bedürfnis nach Sicherheit eine große Rolle spielt: „Von großer Bedeutung scheint das Wechselspiel zwischen Autonomie und Sicherheit zur Befriedigung spezifischer Bedürfnisse zu sein. Neben dem Grundbedürfnis nach Autonomie spielt vor dem Hintergrund realisierter Funktions- und Kompetenzeinbußen des betagten Menschen das Erleben von Sicherheit eine zunehmend bedeutende Rolle. Offensichtlich ist dabei das Bedürfnis nach Sicherheit von größerer Bedeutung als das Verlangen nach umfassender Autonomie.“ (Huber 2005, zit. nach Lensing 1999, S. 49) 8 Autonomie im Alter 4. Definition von Begriffen 4.1 Der Begriff Autonomie Der Begriff Autonomie geht auf das griechische Wort autos (selbst) und nomos (Gesetz) zurück. Wörtlich übersetzt bedeutet der Begriff demnach eigene Gesetze zu haben und nach ihnen zu leben, was auch eine gewisse Unabhängigkeit von Anderen beinhaltet. Mit Autonomie wird Vieles assoziiert: Unabhängigkeit, Selbstbestimmung, Individualität, Kreativität, Freiheit, Emanzipation, Wahlmöglichkeiten, Selbständigkeit. (vgl. Huber 2005, S.21) 4.1.1 Annäherung an den Begriff Autonomie „Der klassische Begriff von Autonomie wurde zur Zeit des Liberalismus geprägt und wird umgangssprachlich mit „Selbstbestimmung“ übersetzt. Es geht darum, das eigene Leben zu kontrollierten, positive sowie negative Entscheidungen die eigene Person betreffend beeinflussen zu können. Sich autonom zu verhalten bedeutet im Grunde eine unabhängige und von äußeren Einflüssen freie Entscheidung treffen zu können.“ (Huber 2005, zit. nach Brandenburg 2002) 4.1.2 Die philosophische Perspektive der Autonomie Immanuel Kant (1724 bis 1804) gilt als einer der wichtigsten Vertreter der Aufklärung und beschäftigte sich seinerzeit ausführlich mit dem Wesen der Autonomie. Einer seiner Leitsätze lautet: „Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen.“ Er fordert dazu auf, selbstverantwortlich und vernünftig zu handeln. Kant versteht unter Autonomie die Fähigkeit eines Individuums, vernunftbegabt zu handeln. Kant sieht in seinem berühmten „Kategorischen Imperativ“ ein oberstes Prinzip, nach dem die Menschen als vernunftbegabte Personen handeln sollen. Dieses Prinzip lautet: „ Handle so, dass du die Menschheit sowohl in deiner Person als in der Person eines jeden anderen jederzeit zugleich als Zweck; niemals bloß als Mittel brauchst.“ Kant beschreibt damit drei Arten von Pflichten. Die erste ist eine Pflicht gegenüber sich selbst, nämlich die, sich selbst zu fragen, ob die eigene Handlung mit der „Idee der Menschheit“ einhergeht. Diese beinhaltet nach Kant: Vernunft, Autonomie und Moralität. Die zweite Pflicht ist eine Pflicht gegenüber anderen Personen. Sie bedeutet 9 Autonomie im Alter ein Verbot der Lüge, von dem keine Ausnahme erlaubt ist. Die dritte Pflicht betrifft die Anlagen der Menschheit, die – im Sinne der Menschheit – weiter entwickelt werden müssen und nicht verkümmern dürfen. Wer diesen drei Pflichten nachkommt, ist vernünftig und somit, nach Kant, eine Person, das heißt: ein autonomes Willenswesen. (vgl. Huber 2005, S.22) 4.1.3 Autonomie in der Medizin und der Pflegewissenschaft In der Medizin und der Pflegewissenschaft gibt es vorwiegend zwei Arten, wie die Autonomie von Patienten und Bewohnern verstanden wird. Einerseits gibt es den kognitive Bereich im Sinne von Entscheidungsfähigkeit oder Wahlfreiheit . Dabei geht es vor allem um die Fähigkeit der Patienten bzw. Bewohner, Entscheidungen selbständig treffen zu können. Demgegenüber steht oft ein handlungsorientierter Bereich von Autonomie, der die Selbständigkeit bzw. die Unabhängigkeit von Anderen betont. (vgl. Seidl et al. 2000 S.45) 4.1.4 Wahlmöglichkeiten als Voraussetzung für Autonomie Eigene Entscheidungen treffen zu können bzw. über gewisse Wahlmöglichleiten zu verfügen, wird von vielen Menschen als wichtigen Parameter für Autonomie empfunden. „Das Vorhandensein von Wahlmöglichkeiten und adäquate Informationen sind eine Grundvoraussetzung für Patienten, damit diese selbstbestimmte Entscheidungen treffen können.“ (Schopp et al. 2001, S.30). „Untersuchungen haben ergeben, dass Heimbewohner ihren Heimalltag auf Grund vielfältiger Reglementierungen (feste Sitzordnung, fehlende Haustürschlüssel, etc.) als belastend empfinden. Dieses Gefühl der Fremdbestimmung nimmt dann ab, wenn das Heim gewisse Wahlmöglichkeiten für die Bewohner anbietet.“ (Huber 2005, zit. nach Kruse, Kröhn et al 1992) 10 Autonomie im Alter 4.1.5 Autonomie in Abgrenzung von Selbständigkeit und Kompetenz Autonomie ist nicht gleichbedeutend mit Selbständigkeit. Verstehen wir Autonomie vorwiegend als Selbstbestimmung im Sinne von vorhandenen Entscheidungsspielräumen und Wahlmöglichkeiten, ist die Selbständigkeit im Gegensatz dazu die Fähigkeit eines Menschen, sein Leben aus eigener Kraft so führen zu können, dass er die Hilfe und Unterstützung von Anderen nicht regelmäßig benötigt. „Selbständigkeit ist definiert durch vorhandene Fähigkeiten in spezifischen Lebensbereichen. Von Interesse ist, inwieweit Fähigkeiten vollständig erhalten sind bzw. welche Beeinträchtigungen dabei festzustellen sind und auf welche Weise Hilfen und Hilfsmittel (Ressourcen) organisiert werden können.“(Heinemann Knoch et al. 1998, S.20) „So verstanden kann auch ein unselbständiger Mensch autonom handeln. Autonomie unterscheidet sich ebenfalls vom Begriff Kompetenz. Der Begriff Kompetenz basiert auf einem anthropologischen Grundmotiv, nach dem menschlichem Handeln primär das Bestreben zugrunde liegt, sich als kompetent zu erleben, d. h. etwas bewirken zu können, um gestaltend und aktiv in die Umwelt eingreifen zu können. Autonomie kann deshalb auch als wichtige Voraussetzung für eine kompetente Lebensgestaltung angesehen werden.“ (Huber 2005, zit. nach Brandenburg H. 1996, S.11) 4.2 Der Begriff Erleben Der Begriff „Erleben“ ist ein wesentlicher Bestandteil der gängigen Definition der Psychologie, als der Wissenschaft vom Erleben und Verhalten des Menschen. Das Erleben ergänzt damit den Bereich der Psychologie, die als Verhaltenswissenschaft bekannt ist, und befasst sich mit der rezeptiven Seite der Interaktion von Mensch und Umwelt, also wie der Mensch Ereignisse, Situationen oder generell das Leben „erlebt“. In der Wissenschaft „Psychologie“, werden vor allem zwei Bereiche des Erlebens unterschieden: nämlich die Emotion, die das Erleben begleiten, und die Kognition, als die interne Repräsentation des Erlebten. Kognitionen und Emotionen hängen zusammen und beeinflussen sich gegenseitig. Beide zusammen bestimmen das menschliche Erleben. 11 Autonomie im Alter Das Erleben einer Sache oder Situation ist ein durchaus individuelles Ereignis, das vom Betroffenen emotional und kognitiv verarbeitet wird. Außenstehende können gelegentlich äußerliche Merkmale eines Erlebnisses wahrnehmen, wie Lachen, Tränen, etc., jedoch nie die damit verbundenen Emotionen und Kognitionen erkennen. Die Perspektive des Betroffenen und die Perspektive Außenstehender, ein Ereignis betreffend, kann demnach stark differieren. Deshalb wird dem Urteil der betroffenen Person immer einen höheren Stellenwert zugesprochen, als dem des Beobachters. „Der kognitiven Theorie des Verhaltens gemäß bestimmt nicht die „objektive Situation“, sondern deren subjektive Wahrnehmung, Interpretation oder „kognitive Repräsentanz“ unser Verhalten.“ (Lehr 2000, S.140) 4.3 Der Begriff Alltag Eine sehr passende Definition von Alltag ist meiner Meinung nach folgende: „Gleichförmigkeit im Ablauf, Wiederkehr von Gleichem oder Ähnlichem in ähnlichen oder gleichen Abständen.“ (Lehr, Thomae 1996, S.9) Um das Erleben von Heimbewohnern erfassen zu können, müssen wir uns mit ihrer Alltagssituation auseinandersetzen. Wie wird der Alltag in Pflegeheimen gestaltet? Welche alltäglichen Aktivitäten und Ereignisse finden statt? Wenn wir uns einen Tagesablauf in einem Heim näher betrachten, gibt es einige Aktivitäten des täglichen Lebens, die sich alltäglich wiederholen und jeden Bewohner in gleichem Maße betreffen. Zu diesen Bereichen gehören: v die Körperpflege v die Ernährung v die Freizeitgestaltung v das Wohnen Unterschiede im Erleben dieser Bereiche ergeben sich allerdings durch die verschiedenen Stufen der Pflegebedürftigkeit. Eine an Demenz erkrankte Person oder eine Person mit Hemiplegie werden durch ihre Erkrankung soweit eingeschränkt sein, dass sie nur in geringerem Maße Wahl- und Entscheidungsfreiheit, zum Beispiel im Bereich Wohnen oder im Bereich Freizeitgestaltung, haben werden. 12 Autonomie im Alter Nachfolgend beschreibe ich die vier Teilbereiche, mit denen ich mich bei meiner Befragung im Besonderen beschäftigen werden, ausführlich. (vgl. Huber 2005, S.52) 4.3.1. Der Begriff Freizeit Das deutsche Wort „Freizeit“ geht auf den spätmittelalterlichen Rechtsbegriff „frey zeyt“ zurück, der im 14. Jahrhundert die „Marktfriedenszeit“ beschrieb. In jenem Zeitabschnitt wurden Marktreisenden und Besuchern Sicherheit vor Gewalt und Störungen aller Art, einschließlich Zwangshandlungen wie Verhaftungen und Vorladungen, gewährleistet. Zuwiderhandlungen wurden doppelt geahndet. „Frey zeyt“ war damals somit temporäre Friedenszeit. Freizeit dient der Entspannung und der persönlichen Entfaltung. In seiner Freizeit widmet sich der Mensch häufig seiner Familie, seinen Freunden und Dingen, die ihm Freude bereiten, wie zum Beispiel: dem Spielen, Lesen, Sport betreiben, Einkaufen, der Musik, Kunst oder Wissenschaft. Er nutzt die Zeit für das, was ihm persönlich wichtig ist. Die Funktionen der Freizeit sind vor allem Regeneration, Rekreation, Kommunikation und Interaktion. Freizeit kann Langeweile hervorrufen oder einen dazu anregen, aktiv das Leben zu genießen. Wie die Freizeit in Heimen wahrgenommen wird, hat einen entscheidenden Einfluss auf das gesamte Erleben von Menschen in Heimen. (vgl. Huber 2005, S.51) Es sind gewisse Voraussetzungen nötig, um die eigene Freizeit autonom gestalten zu können. Primär muss die persönliche Motivation, die stark durch äußere Faktoren beeinflusst wird, gegeben sein, um die angebotenen Aktivitäten annehmen zu können. Diese müssen natürlich mit dem Interesse der jeweiligen Person und deren psychischen und physischen Fähigkeiten konform laufen. Freizeit kann in gewissem Unfang unabhängig von den institutionellen Rahmenbedingungen selbst ausgefüllt werden, anders als bei der Körperpflege oder Ernährung. Selbständige haben im Durchschnitt 2,7 Stunden Freizeit am Tag, über 60Jährige hingegen 6,3 Stunden. Interessant ist zu erfahren, in welcher Weise diese Entscheidungsmöglichkeit genutzt wird und wie sie ihre Freizeit verbringen. (vgl. Huber 2005, S.52) 13 Autonomie im Alter 4.3.2. Der Begriff Ernährung: Die Ernährung beinhaltet die Aufnahme von Nahrungsstoffen, die ein Organismus zum Aufbau seines Körpers, zur Aufrechterhaltung seiner Lebensfunktionen und zum Hervorbringen bestimmter Leistungen in verschiedenen Lebenslagen benötigt. Ernährung ist eine Voraussetzung für die Lebenserhaltung jedes Lebewesens. Unter Ernährung ist nicht nur die bloße Befriedigung des Hungergefühls zu verstehen, sondern wichtig für die Zufriedenheit ist auch der Grad der Autonomie bei der Auswahl und Zubereitung der Speisen, der selbstbestbestimmte Zeitpunkt und Ort der Nahrungsaufnahme und die Auswahl der Gesellschaft. Dies sind die Faktoren, die den Themenbereich „Ernährung“ zu einer wichtigen Größe im Alltag eines Pflegeheims machen. (vgl. Huber 2005, S52) Deshalb ist es besonders wichtig, im Bereich der Nahrungsaufnahme auf die persönlichen Bedürfnisse und die Biographie des Einzelnen einzugehen. Jeder Mensch hat individuelle Wünsche bei der Gestaltung seiner Ernährung. Diese Eigenheiten und Gewohnheiten gilt es, so weit wie möglich, im Pflegeheim beizubehalten. Flexible Rahmenbedingungen und Angebote dienen nicht nur der Identitätswahrung, sondern fördern gleichzeitig die autonome Alltagsgestaltung der BewohnerInnen. Untersuchungen im Rahmen der BOLSA (Bonner gerontologische Länderschnittstudie) haben ergeben. das ein deutlicher Zusammenhang zwischen der Thematik Ernährung und der Zufriedenheit mit der allgemeinen Lebenssituation besteht. (vgl. Lehr 2000, S.164) 14 Autonomie im Alter 4.3.3. Der Begriff Wohnen Das Heim soll für die BewohnerInnen einen Ort darstellen, an dem sie sich ständig aufhalten und ihren Alltag verbringen können, der nach ihren individuellen Bedürfnissen gestaltet wird und der jedem eine respektvolle Privatsphäre bietet. Der Heimeintritt bedeutet für den betagten Menschen, dass er sein vertrautes Wohnumfeld verlässt. Private Gegenstände können nur in beschränktem Maß mitgenommen werden. Die Privatheit im Heim ist eine andere als zu Hause. Was ist unter dem Begriff „Wohnen“ zu verstehen? Die MUGSLA- Studie fasst unter dem Begriff Wohnen, folgendes zusammen: Ø Möglichkeiten der Eigenmöblierung Ø Selbstbestimmung bei der Zimmerbelegung Ø eigenes Telefon, Haus- und Zimmertürschlüssel Ø Selbstbestimmung der Weck- und Schlafenszeit Ø Besuchszeiten und Übernachtung von Besuchern Ø Halten von Haustieren (vgl. Heinemann- Knoch 1998, S.84ff.) 4.3.4. Der Begriff Körperpflege Unter Körperpflege ist die Aktivität des täglichen Lebens zu verstehen, bei der man sich wäscht und ankleidet. Dies umfasst die Grundpflege, in anderen Worten, das Sauberhalten des Körpers, und die ergänzende Körperpflege, wie Nägel schneiden und kämmen. Die Körperpflege bei einem pflegbedürftigen Menschen dient nicht nur der Sauberkeit und der Hygiene, zudem fördert und unterstützt sie auch dessen seelisches Wohlbefinden. Die Körperpflege stellt ein Grundbedürfnis des Menschen dar und wird von jedem einzelnen individuell durchgeführt. Wichtig ist dabei die Mitentscheidungsfähigkeit bei der zeitlichen Durchführung, bei der Art und Weise der Körperpflege und bei der Auswahl der verwendeten Pflegemittel. Wenn flexible Rahmenbedingungen geschaffen werden und die jeweilige Biografie des zu Pflegenden berücksichtigt wird, ist das ein großer Beitrag zur Erhaltung der Selbstbestimmung und der Zufriedenheit der Bewohner. (vgl. Heinemann- Knoch 1998, S.158) 15 Autonomie im Alter 5. Die Untersuchungsmethode 5.1. Die Forschungsfrage Anhand der oben vorgestellten Studien und der ergiebigen Literaturrecherche wird deutlich, dass das Thema „Autonomie im Alter“ in der Gerontologie und der Pflegewissenschaft ein viel diskutiertes Thema ist. Umso mehr ist das Interesse geweckt, zu erfahren, wie BewohnerInnen von Alten- und Pflegeheimen in unserem Land ihre Autonomie persönlich erleben und welche Mitsprache und Entscheidungsmöglichkeiten sie tatsächlich in unterschiedlichen Bereichen ihres täglichen Lebens haben und wie sie diese wahrnehmen. Daraus leitet sich für die Fachbereichsarbeit folgende Forschungsfrage ab: „Wie erleben BewohnerInnen von Alten- und Pflegeheimen ihre Autonomie bezogen auf Entscheidungsspielräume in ihrer Alltagsgestaltung?“ 5.1.1. Weitere Forschungsfragen Ø Gibt es geschlechtsspezifische Unterschiede bei den Ergebnissen? In welchen Lebensbereichen ergeben sich Unterschiede und in welchem Ausmaß? Ø Wird die Mitbestimmung in den vier Lebensbereichen jeweils als gleichwichtig empfunden? Ø Gibt es hinsichtlich der Wichtigkeit der Mitbestimmung geschlechtsspezifische Unterschiede? Ø Welche Mitbestimmung besitzen die Befragten in den vier Teilbereichen: Körperpflege, Ernährung, Freizeit und Wohnen? 16 Autonomie im Alter 5.2. Fragebogenkonstruktion Wie bereits erwähnt, soll die Fragestellung mit Hilfe eines Fragebogens bearbeitet werden. Dieser umfasst die oben vorgestellten vier Bereiche des täglichen Lebens. Zur Beantwortung der Fragen stehen den Befragten vier Antwortkategorien zur Verfügung: trifft zu, trifft eher zu, trifft kaum zu und trifft nicht zu. Es wurde absichtlich von einer neutralen Antwortkategorie abgesehen, um bei der Auswertung eindeutige Tendenzen erkennbar zu machen. Die gestellten Fragen sollen über die Mitentscheidungsmöglichkeiten der Bewohner Auskunft geben und weiters deren Eigeninitiative aufzeigen. Die Bemühungen bei der Erstellung zielten darauf ab, die Fragen einfach, kurz und umgangssprachlich zu formulieren, um Unklarheiten zu vermeiden und möglichst viele BewohnerInnen zu erreichen. Die Befragten und die mitwirkenden Pflegeheime bleiben anonym. Zusätzlich wird am Ende eines jeden Teilbereichs die Frage nach der Wichtigkeit dessen gestellt. Die Ergebnisse geben dann Aufschluss darüber, ob autonomes Handeln in allen Bereichen als gleichwichtig empfunden wird. Die BewohnerInnen können hier aus drei Antwortkategorien auswählen: Sehr wichtig, Weniger wichtig und Nicht wichtig. 5.3. Auswahl der Teilnehmer Ø Die Teilnehmer sollen kognitiv in der Lage sein, den Fragebogen auszufüllen. Ø Die Befragten sollen der ersten bis maximal vierten Pflegestufe angehören, da durch die vermehrte Pflegebedürftigkeit in den höheren Stufen, die Autonomie und Entscheidungsfähigkeit auf Grund der schwerwiegenden Beeinträchtigungen zunehmend abnimmt. Ø Befragt werden BewohnerInnen von drei Pflegeheimen in Vorarlberg. 17 Autonomie im Alter 5.4. Durchführung der Befragung Um Freiwillige für die Durchführung des Fragebogens zu finden, wurde bei sechs Pflegeheimen in Vorarlberg telefonisch um ihre Unterstützung angesucht. Zwei dieser Pflegeheime haben, nachdem ihnen auf ihren Wunsch der Fragebogen per E- Mail zugesandt wurden, abgesagt. Dann willigte ein großes Alten- und Pflegeheim im Raum Oberland ein, dessen Heimleiter sich sogleich interessiert an diesem Projekt zeigte. Im Anschluss daran konnten noch zwei sehr engagierte Pflegeheimleiter gefunden werden, die erlaubten, die Befragung durchzuführen. Bei einem der beiden, wurde der Fragebogen von mir persönlich zusammen mit den HeimbewohnerInnen erhoben. Dazu wurde zusammen mit den diensthabenden Pflegerin die Vorgehensweise der Befragung besprochen, wobei großes Interesse an der Arbeit erkennbar war. Die Stationsmitarbeiter zeigten sich sehr offen und engagiert. Genauso offen und interessiert wirkten die befragten BewohnerInnen, welche den Fragebogen sehr sorgfältig zu beantworten versuchten. Die Befragten wurden als aufgeschlossene und zufriedene Menschen erlebt, die an einem Leben im Heim viele positive Aspekte und nur wenig Negative fanden. Aus Zeitgründen war es nicht möglich, mehr BewohnerInnen zu befragen und persönliche Eindrücke und Geschichten zu erfahren. Insgesamt konnten 42 BewohnerInnen befragt werden. 26 Frauen und 16 Männer. 6. Darstellung der Daten Im Folgenden wird mit Hilfe von graphischen Darstellungen die Ergebnisse sichtbar gemacht. Die nachfolgenden Diagramme zeigen die geschlechtsspezifischen Unterschiede der erlebten Autonomie in den vier Lebensbereichen. Die Wertigkeiten eins bis vier geben an, wie die Teilnehmer die Autonomie erleben, wobei die Vier das größtmöglichen Autonomieerleben ausdrückt. Der Wert Vier ist gleichgestellt mit der Antwortkategorie „trifft zu“, der Wert Drei mit „trifft eher zu“, der Wert Zwei mit „trifft kaum zu“ und der Wert Eins gleichgestellt mit „trifft nicht zu“. Am Ende der einzelnen Bereiche des Alltags wird in einem Diagramm aufgezeigt, wie wichtig es den Befragten ist, im jeweiligen Teilbereich Autonomie zu besitzen und selbstbestimmt zu handeln. 18 Autonomie im Alter 6.1. Autonomie im Bereich Wohnen (1= keine Autonomie, 4= volle Autonomie) Wohnen Haben Sie die Möglichkeit die öffentlichen Räume (Speisesaal, Flur, Aufenthaltsraum,..) mitzugestalten? 2,62 2,25 Haben sie die Möglichkeit tagsüber zwischen beliebigen Aufenthaltsorten des Heimgeländes zu wählen? 3,77 3,75 3,62 3,63 Haben sie ausreichend Privatsphäre im Alltag? Werden Ihre Gewohnheiten bezüglich der Aufsteh- und Zubettgehzeit berücksichtigt? 3,81 3,69 Haben Sie die Möglichkeit sich mit ihrem Besuch in private Räume zurückzuziehen? 3,58 3,81 4,00 3,69 Haben Sie die Möglichkeit jederzeit Besuch zu empfangen? Hatten sie Mitspracherecht bei der Gestaltung und Dekoration ihres Zimmers? Hatten sie Mitspracherecht bei der Auswahl des Pflegeheims? 3,42 3,25 2,69 2,75 Männer Frauen Wie dieses Diagramm zeigt, erleben sich die BewohnerInnen im Bereich Wohnen überwiegend autonom. Die BewohnerInnen haben große Entscheidungsfreiheit, wenn es um die Bewegungsfreiheit im Heim geht. Rückzugsmöglichkeiten sind gegeben sowie auch eine ausreichende Privatsphäre im Alltag. Weniger Autonomie erleben die BewohnerInnen bei der Auswahl des Pflegeheimes und der Gestaltungsmöglichkeiten der eigenen Zimmer und der öffentlichen Räume wie 19 Autonomie im Alter Aufenthaltsräume, Speisesaal etc.. Unterschiede zwischen Männer und Frauen gibt es im Empfinden, ob die öffentlichen Räume mitgestalten werden können und beim Besuchsempfang. In beiden Fällen empfinden die Frauen eine größere Autonomie als die Männer. Dieses Diagramm macht deutlich, dass den BewohnerInnen Handlungsund Gestaltungsspielräume im Alltag eingeräumt werden. Sie könne frei über ihren Aufenthaltsort entscheiden, Besuche empfangen, wann sie möchten, die Gestaltung ihres Zimmers übernehmen und ihren Tagesrhythmus selbst bestimmen Der Gesamtdurchschnitt der erlebten Autonomie im Bereich Wohnen beträgt bei den Frauen einen Wert von 3,4. Bei den Männern ergab sich derselbe Wert. Das bedeutet dass Autonomie erlebt und gelebt wird. Entgegen dazu kam die MuGsLA Studien (Möglichkeiten und Grenzen selbständigen Lebens und Arbeitens in stationären Einrichtungen) zu dem Schluss, dass die Handlungsspielräume von Heimbewohnern eher gering einzuschätzen sind und fordern deshalb, dass Heime sich mehr als bisher an den Wünschen und Bedürfnissen der Bewohner orientieren und diesen im Alltagsablauf mehr Handlungs- und Gestaltungsspielräume gewährleisten müssen. (vgl. HeinemannKnoch et al 1999, S.5). 6.1.1. Wichtigkeit der Selbstbestimmung beim Wohnen (befragt wurden 26 Frauen und 16 Männer) Wie wichtig ist es den BewohnerInnen, das Zimmer und die Wohnumgebung autonom zu gestalten? nicht wichtig weniger wichtig sehr wichtig 2 0 5 Frauen 3 Männer 18 13 Anzahl der Nennungen An diesem Diagramm wird deutlich, dass es über drei Viertel der Männer als sehr wichtig erachten, selbstbestimmt ihre Umgebung zu gestalten. Knapp unter drei Viertel der Frauen ist es ebenso wichtig, autonom ihre Umwelt gestalten zu können. Sehr 20 Autonomie im Alter interessant ist, dass es 5 von insgesamt 26 befragten Frauen und 3 von 16 befragten Männern als weniger wichtig empfinden und 2 Frauen die autonome Zimmer- und Wohngestaltung es als nicht wichtig erachten. 6.2. Autonomie im Bereich Körperpflege (1= keine Autonomie, 4= volle Autonomie) Körperpflege 3,92 Können Sie ihre persönlichen Pflegeartikel verwenden? Werden Sie ausreichend über den Ablauf der Grundpflege informiert? Haben Sie die Möglichkeit einen Frisör, Fußpfleger etc. in Anspruch zu nehmen? Können Sie selbst entscheiden welche Kleidung Sie anziehen? Können Sie über die Form und den Ablauf der Körperpflege selbst entscheiden? Werden Ihre Gewohnheiten hinsichtlich der zeitlichen Durchführung der Körperpflege berücksichtigt? 3,94 3,54 3,31 3,96 4,00 3,77 4,00 3,58 3,69 3,77 3,63 Männer Frauen Im Bereich der Körperpflege haben die Befragten große Mitentscheidungsfähigkeit und Handlungsspielräume. Über die Kleidung und die benutzten Pflegeartikel entscheiden sowohl Frauen als auch Männer selbständig. Außerdem ist es dem Großteil der Bewohner jederzeit möglich, einen Frisör, Fußpfleger etc. in Anspruch zu nehmen. Die männlichen Befragten empfinden ihre Autonomie geringfügig kleiner bei der Bestimmung der zeitlichen Durchführung der Körperpflege als die Frauen. Männer werden laut dieser Untersuchung nicht in der gleichen Ausführlichkeit über den Ablauf der Grundpflege informiert, wie Frauen. Interessant ist, dass die Frage nach dem 21 Autonomie im Alter ausreichenden Informationsfluss währen der Durchführung der Körperpflege durchschnittlich am wenigsten Punkte bekam. Der Wert liegt dennoch bei den Männern unter 3,5 und bei Frauen knapp darüber. Das zeigt, dass Informationen zur Durchführung eher schon, aber nicht als völlig ausreichen wahrgenommen werden. Die Studie „Autonomie und das Prinzip der informierten Zustimmung“ kam zu dem Ergebnis, dass BewohnerInnen von Heimen nicht ausreichend Informationen über Pflegehandlungen erhalten und sie dadurch viele Entscheidungsspielräume einbüßen. (vgl. Schopp et al. 2001) Diese Aussage lässt sich an Hand meiner Ergebnisse nicht gänzlich stützen. Der Durchschnittswert der erlebten Autonomie im Bereich Körperpflege liegt bei den Frauen sowie Männern bei 3,8. 6.2.1. Wichtigkeit der Selbstbestimmung bei der Körperpflege (befragt wurden 26 Frauen und 16 Männer) Wie wichtig ist es den BewohnerInnen, über die Art und den Ablauf der Körperpflege selbst entscheiden zu können? 0 nicht wichtig 0 weniger wichtig sehr wichtig Frauen 6 1 Männer 20 15 Anzahl der Nennungen Hier zeigt sich, dass 15 von 16 Männern autonom über die Art und den Ablauf der Körperpflege bestimmen möchten. Sechs Frauen empfinden es als weniger wichtig, im Bereich Körperpflege autonom zu handeln bzw. selbst entscheiden zu können. Im Gegensatz dazu gaben 20 von 26 befragten Frauen an, es ist ihnen sehr wichtig, im Bereich Körperpflege selbst entscheiden zu können. Über ein Fünftel der Frauen empfinden es als weniger wichtig, über diesen Bereich autonome Entscheidungen treffen zu können. Dennoch wird die Autonomie in diesem Bereich überwiegend als sehr wichtig empfunden. Der Bereich Körperpflege ist je nach Grad der 22 Autonomie im Alter Pflegebedürftigkeit mit mehr oder weniger vielen Pflegeinterventionen verbunden. In der oben angeführten Studie des Biomed 2 – Projektes wird beschrieben, dass Selbstbestimmung bei medizinischen Handlungen mehr gewünscht wird als bei pflegerischen Handlungen. (vgl. Schopp et al. 2001). Dieses Diagramm zeigt auf, dass bei der Körperpflege der Wunsch nach Autonomie und eigenständiger Gestaltung sehr groß ist. Die Körperpflege stellt ein Grundbedürfnis des Menschen dar und wird von jedem einzelnen individuell durchgeführt. Wichtig ist dabei die Mitentscheidungsfähigkeit bei der zeitlichen Durchführung, bei der Art und Weise der Körperpflege und bei der Auswahl der verwendeten Pflegemittel. Wenn flexible Rahmenbedingungen geschaffen werden und die jeweilige Biografie des zu Pflegenden berücksichtigt wird, ist das ein großer Beitrag zur Erhaltung der Selbstbestimmung und der Zufriedenheit der Bewohner. (vgl. Heinemann- Knoch 1998, S.158) 23 Autonomie im Alter 6.3. Autonomie im Bereich Freizeit (1= keine Autonomie, 4= volle Autonomie) Freizeit 3,81 Haben sie die Möglichkeit Ihre Hobbys im Heim auszuleben? 3,25 Haben Sie die Möglichkeit mit einer Begleitung das Heim zu verlassen, um einen Spaziergang zu machen oder Besorgungen zu tätigen? 3,54 3,38 3,08 Können Sie Vorschläge zur Freizeitgestaltung machen? 3,25 3,88 Können sie selbst entscheiden, welche Angebote Sie annehmen wollen? Müssen Sie auf Pflegende zugehen um teilnehmen zu können? Gibt es Möglichkeiten im Heim zur Freizeitgestaltung? 4,00 2,12 2,38 3,35 3,50 Männer Frauen Die Freizeitgestaltung im Alten- und Pflegeheim orientiert sich stark an den Wünschen der BewohnerInnen. Es sind laut den Angaben der Befragten eher Angebote und Möglichkeiten vorhanden, um die Freizeit zu verbringen. Klar wird durch dieses Diagramm, dass sowohl Männer als auch Frauen bei der Freizeitgestaltung durchwegs selbständig entscheiden, welche Angebote sie annehmen und welche Aktivitäten sie ablehnen. Erkennbar ist auch, dass Frauen mehr Möglichkeiten haben, ihre Hobbys im 24 Autonomie im Alter Heim auszuleben als Männer. Um an Aktivitäten teilnehmen zu können, müssen die Befragten weniger auf das Pflegepersonal zugehen, was darauf schließen lässt, dass die betreuende Pflegekraft die Bewohner nach ihrem Interesse befragt. Interessant ist, dass sowohl bei Männern als auch bei Frauen die Möglichkeit, Vorschläge zur Freizeitgestaltung zu machen, nicht so sehr gegeben ist. Die Chance das Heim mit Begleitung zu verlassen, für einen Spaziergang oder andere Tätigkeiten, wird als eher vorhanden wahrgenommen, was jedoch heißt, dass diese Chance nicht gänzlich gegeben ist, bei den Frauen genauso wie bei den Männern. Durchschnittlich erhält die empfundene Autonomie im Bereich Freizeit von den Frauen den Wert 3,3 und von den Männern 3,2. 6.3.1. Wichtigkeit der Selbstbestimmung bei der Freizeitgestaltung (befragt wurden 26 Frauen und 16 Männer) Wie wichtig ist den BewohnerInnen die autonome Freizeitgestaltung? nicht wichtig 0 weniger wichtig sehr wichtig 1 Frauen 5 3 Männer 20 13 Anzahl der Nennungen Hier zeigt das Diagramm anschaulich, dass die selbstbestimmte Freizeitgestaltung bei männlichen und weiblichen Bewohnern einen sehr hohen Stellenwert hat. 13 von insgesamt 16 befragten Männern ist es sehr wichtig, Freizeitaktivitäten nach eigenem Interesse und nach eigenen Bedürfnissen ausüben zu können. 20 von 26 befragten Frauen erachten es ebenfalls als sehr wichtig, die freie Zeit autonom zu gestalten. Keinem der befragten Männer und nur einer Frau ist es nicht wichtig, selbstbestimmt die Freizeit zu planen und auszuleben. Die Befragung ergab, dass es in allen mitwirkenden Heimen eine Reihe von Freizeitangeboten gibt. Dazu gehören das 25 Autonomie im Alter Gedächtnistraining, Handwerken, Singen und Musizieren. Dieses Ergebnis macht deutlich, dass Freizeit und die Gestaltung dieser, sehr wertvoll für die BewohnerInnen ist. Denn durch die persönlich gestaltete Zeit, die sich nach individuellen Bedürfnissen und Wünschen richtet, wird eine Regeneration und Entspannung erreicht. Zudem kann sie den Menschen dazu anregen, das Leben aktiv zu genießen. Wie die Freizeit in Heimen wahrgenommen wird, hat einen entscheidenden Einfluss auf das gesamte Erleben von Menschen in Heimen. (vgl. Huber 2005, S.51) 6.4. Autonomie im Bereich Ernährung (1= keine Autonomie, 4= volle Autonomie) Ernährung Haben Sie die Möglichkeit eigene Wünsche bezüglich des Menüplans zu äußern? Haben Sie die Möglichkeit für den privaten Gebrauch Lebensmittel und Genußwaren zu erhalten/ verwenden? Können Sie sich aussuchen, wo Sie essen wollen? Können Sie sich aussuchen an welchem Tisch Sie sitzen? Haben Sie die Möglichkeit zwischen verschiedenen Menüs zu wählen? Haben sie die Möglichkeit ihre Mahlzeit bei Bedarf auch außerhalb der üblichen Essenszeiten einzunehmen? Gibt es einen gemeinsamen Speiseplan, der für alle gut ersichtlich ist? 3,04 2,50 3,46 3,50 3,58 3,44 3,12 3,00 3,38 3,56 3,19 3,50 3,88 3,94 Männer Frauen 26 Autonomie im Alter Im Bereich Ernährung sind Unterschiede zwischen Männer und Frauen zu erkennen. Allen Befragten gemein ist, dass es einen für sie gut sichtbaren Speiseplan gibt. Deutlich wird, dass die Möglichkeit, Vorschläge zum Essen zu machen, mehr bei Frauen als bei Männern besteht. Zusätzlich fällt auf, dass Männer die Möglichkeit, das Essen außerhalb der üblichen Essenszeiten einzunehmen, mehr wahrnehmen als dies Frauen tun. Bei manchen Fragebögen wurde ergänzend hinzugefügt, dass eine Verschiebung der Essenszeit auf Grund von Arztbesuchen und ähnlichem vorgenommen werden kann. Die Entscheidungsfreiheit, an welchem Tisch die BewohnerInnen sitzen möchten, wurde als eher vorhanden angegeben, wobei keine komplette Selbstbestimmung in diesem Bereich möglich zu sein scheint. Die Befragten, Männer sowie Frauen, können für ihren privaten Gebrauch Lebensmittel bekommen. Im Bereich der Ernährung wird die Autonomie eher als groß empfunden, dennoch sind die BewohnerInnen, wenn es um Mitsprache und Entscheidungsspielräume bei der Speiseplangestaltung oder bei der Wahl des Sitzplatzes geht, nicht gänzlich autonom. Sie müssen sich vorrangig an die vorgegebenen Strukturen halten. Der Durchschnittswert der erlebten Autonomie liegt bei den Frauen bei 3,4 und bei den Männern bei 3,3. Unter Ernährung sollte nicht nur die bloße Befriedigung des Hungergefühls verstanden werden, sondern wichtig für die Zufriedenheit ist auch der Grad der Autonomie bei der Auswahl und Zubereitung der Speisen, der selbstbestbestimmte Zeitpunkt und Ort der Nahrungsaufnahme und die Auswahl der Gesellschaft. Dies sind die Faktoren, die den Themenbereich „Ernährung“ zu einer wichtigen Größe im Alltag eines Pflegeheims machen. (vgl. Huber 2005, S52) Bei der Befragung der PflegeheimbewohnerInnen konnte ein zusätzlicher Eindruck gewonnen werden, wie diese den Bereich Ernährung im Bezug auf ihre Autonomie wahrnehmen. Dabei wurde deutlich, dass bei Mahlzeiten, die im Heim selbst zubereitet werden, die Wünsche und Bedürfnisse der BewohnerInnen mehr berücksichtigt werden können, als bei Speisen, die von externen Kantinen bezogen werden. 27 Autonomie im Alter 6.4.1 Wichtigkeit der Selbstbestimmung bei der Ernährung ( befragt wurden 26 Frauen und 16 Männer) Wie wichtig ist es den Befragten, über die Ernährung selbst entscheiden zu können? nicht wichtig weniger wichtig sehr wichtig 1 1 Frauen 8 4 Männer 17 11 Anzahl der Nennungen Die Wichtigkeit der Autonomie im Bereich Ernährung steht, im Vergleich zu den anderen Bereichen des Alltags, nicht so sehr im Vordergrund. Elf Männer und 17 Frauen geben an, dass autonomes Handeln bei der Ernährung sehr wichtig ist. Dazu gehört die Information über den Essensplan, die Auswahl der Gerichte, die Essenszeit und die räumliche Gegebenheiten. Einem Drittel der befragten Frauen ist die selbständige Entscheidung über die Ernährung weniger wichtig, und einer Bewohnerin nicht wichtig. Vier der Männer bewerten die Autonomie in diesem Bereich als weniger wichtig und ebenfalls 1 Mann als nicht wichtig. Untersuchungen im Rahmen der BOLSA (Bonner gerontologische Länderschnittstudie) haben ergeben. das ein deutlicher Zusammenhang zwischen der Thematik Ernährung und der Zufriedenheit mit der allgemeinen Lebenssituation besteht. (vgl. Lehr 2000, S.164) 28 Autonomie im Alter 6.4. Das Autonomieerleben in den vier Bereichen im Vergleich (4 = volle Autonomie, 1 = keine Autonomie) Durchschnittswerte der erlebten Autonomie in den vier Lebensbereichen 3,76 3,35 3,44 Männer Frauen Wohnen Männer 3,76 Frauen Körperpflege 3,48 3,53 Männer Frauen Freizeit 3,35 3,38 Männer Frauen Ernährung Die meiste Autonomie wird, wie dieses Diagramm zeigt, im Bereich der Körperpflege empfunden. Männer und Frauen nehmen vorhandene Entscheidungsspielräume hier identisch wahr. Dieses Ergebnis ist sehr erfreulich, da bei der Körperpflege oftmals die meisten Pflegehandlungen durchgeführt werden. Trotz der Pflegebedürftigkeit und dem damit verbundenen Hilfsbedarf empfinden sich die Befragten hier autonom. Das deutet darauf hin, dass die Rahmenbedingungen in den Institutionen nach den Wünschen der BewohnerInnen so gestaltet werden, dass die Art und Weise, der Zeitpunkt und andere Faktoren von ihnen selbst gewählt werden können. Im Bereich der Freizeitgestaltung liegt der Mittelwert der erlebten Autonomie bei den Frauen bei 3,53 und bei den Männern bei 3,48. Dieses Ergebnis lässt annehmen, dass die Befragten sehr autonom sind und ihre freie Zeit nach eigenen Vorstellungen ausleben können. Sie werden demnach durch institutionelle Strukturen nicht daran gehindert, ihre Hobbys in gewohnter Weise weiter auszuüben. In Hinblick auf die von den BewohnerInnen angegebene Wichtigkeit, in diesem Bereich autonom zu handeln, ist dies ein sehr befriedigendes Resultat. Die Bereiche Wohnen und Ernährung haben bezüglich der dort 29 Autonomie im Alter vorhandenen Autonomie die niedrigsten Werte erreicht. Doch selbst diese liegen durchschnittlich bei über 3,35, was ein ebenfalls hohes Autonomieerleben ausdrückt. Den hier angeführten Ergebnissen entsprechend, kann behauptet werden, dass Menschen, die Pflegeheime bewohnen als autonom angesehen werden können. In der Literatur wird Autonomie als Möglichkeit definiert, Entscheidungen unabhängig und eigenständig zu treffen, sowie das eigene Leben aktiv beeinflussen und selbstbestimmt gestalten zu können. (vgl. Huber 2005, nach Lensing 1999, S. 49) 7. Resümee Nach Beendigung der Auswertung und Interpretation der Untersuchungsergebnisse kann festgehalten werden, dass in den befragten Alten- und Pflegeheimen autonome Alltagsgestaltung von Seiten der BewohnerInnen sehr wohl in einem großen Ausmaß gelebt werden kann. Bei nicht allen kontaktierten Alten- und Pflegeheimen konnte eine Mitarbeit erreicht werden. Bei denen, die sich für eine Befragung in ihrer Institution bereit erklärten, war bei den Pflegepersonen großes Interesse vorhanden. Die mitwirkenden Pflegeheime erhielten von ihren BewohnerInnen durchwegs positive Resonanz, wenn es um ihre Mitentscheidungsfähigkeit und autonome Lebensgestaltung geht. Die Gegenüberstellung der Ergebnisse von Männern und Frauen lässt einen interessanten Einblick zu, wie unterschiedlich Autonomie empfunden und ausgelebt wird. Es sind in allen Bereichen Situationen und Möglichkeiten vorhanden, in denen selbstbestimmt und individuell Entscheidungen getroffen werden können. Diese Tatsache ist für die Befragten sehr bedeutsam, da sie vorhandene Autonomie in allen Bereichen überwiegend als sehr wichtig erachten. Über 90% der Männer geben an, dass sie bei der Körperpflege Selbständigkeit und Entscheidungsfreiheit als sehr elementar empfinden, bei den Frauen haben dies knapp unter 80% angegeben. Die Bereiche, in denen die BewohnerInnen die Autonomie ebenfalls als sehr wichtig erachten, sind die Freizeitgestaltung und das Wohnen. Die Frauen bewerten im Allgemeinen die Wichtigkeit, in den einzelnen Bereichen autonom entscheiden zu können, als weniger bedeutend, als dies Männer tun. Der Teilbereich, indem die Befragten im Durchschnitt die größte Autonomie erfahren, ist die Körperpflege. Der Wert beträgt hier 3,76 (von möglichen 4,0). Die Autonomie wird hier von beiden Geschlechtern als gleich groß empfunden. Interessant ist, dass in diesem Bereich die Frage nach dem ausreichenden 30 Autonomie im Alter Informationsfluss währen der Durchführung der Körperpflege durchschnittlich am wenigsten Punkte bekam. Hier scheint es einen ungedeckten Bedarf der BewohnerInnen an adäquaten Informationen zu geben, welche die Pflegehandlungen bei der Körperpflege betreffen. Ein weiterer Bereich, in dem Autonomie zum Teil nicht gänzlich ausgelebt werden kann, ist die Ernährung. Hier können BewohnerInnen weniger Einfluss auf die Gestaltung des Menüplans nehmen oder auf die Entscheidung an welchem Tisch Sie sitzen möchten. Es ist bei der Ernährung nicht einfach, auf die Wünsche jedes Einzelnen einzugehen. Das Pflegepersonal sollte die Möglichkeit nutzen, bei besonderen Anlässen individuelle Vorlieben zu berücksichtigen. Die Tischordnung zu lockern oder abzuschaffen bedeutet für Pflegende bestimmt mehr Aufwand, kann aber zum Erhalt oder zur Knüpfung von sozialen Kontakten beitragen. Untersuchungen im Rahmen der BOLSA (Bonner gerontologische Länderschnittstudie) haben ergeben. das ein deutlicher Zusammenhang zwischen der Thematik Ernährung und der Zufriedenheit mit der allgemeinen Lebenssituation besteht. (vgl. Lehr 2000, S.164). Im Bereich der Freizeitgestaltung liegt der Mittelwert der erlebten Autonomie bei den Frauen bei 3,53 und bei den Männern 3,48. Die selbstbestimmte Freizeitgestaltung wird von den HeimbewohnerInnen als sehr wichtig erachtet. 13 von insgesamt 16 befragten Männern ist es sehr wichtig, Freizeitaktivitäten nach eigenem Interesse und nach eigenen Bedürfnissen ausüben zu können. 20 von 26 befragten Frauen empfinden dies als ebenfalls sehr wichtig. Denn durch die persönlich gestaltete Zeit, die sich nach individuellen Bedürfnissen und Wünschen richtet, wird eine Regeneration und Entspannung erreicht. Zudem kann sie den Menschen dazu anregen, das Leben aktiv zu genießen. Wie die Freizeit in Heimen wahrgenommen wird, hat einen entscheidenden Einfluss auf das gesamte Erleben von Menschen in Heimen. (vgl. Huber 2005, S.51) Diese Ergebnisse sollen Pflegenden von alten Menschen zeigen, dass Autonomie gewünscht ist und es zu einem zufriedenen und ausgeglichenen Zusammenleben- und Arbeiten beiträgt. Wenn den BewohnerInnen Entscheidungsmöglichkeiten im Alltag eingeräumt werden, können Sie ihrer Person entsprechend handeln. Die Chance, auf die Umwelt Einfluss zu nehmen und sie mitgestalten zu können, benötigen alle Menschen, um ihre Individualität wahrnehmen zu können. Autonomes Handeln trägt dazu bei, die 31 Autonomie im Alter eigene Identität zu wahren, die in einer fremdbestimmten Umgebung noch mehr an Bedeutung gewinnt. (vgl. Huber 2005, nach Brandenburg H. 1996, S.11) Der Erhalt der Autonomie von Pflegebedürftigen gehört mit Sicherheit zu den aufwendigsten und zeitintensivsten Aufgaben von Pflegepersonen. Um autonom handeln und selbstbestimmt entscheiden zu können, müssen Pflegbedürftige sehr gut und laufend über die Möglichkeiten und Grenzen der jeweiligen Institution informiert werden. Es liegt an den Pflegenden zu entscheiden ob und wo Informationsbedarf besteht und darauf entsprechend zu reagieren, zu informieren und aufzuklären. „Das Vorhandensein von Wahlmöglichkeiten und adäquate Informationen sind eine Grundvoraussetzung für Patienten, damit diese selbstbestimmte Entscheidungen treffen können.“ (Schopp et al. 2001, S.30). Eine elementare Rolle bei der Aufrechterhaltung der Autonomie von BewohnerInnen spielt demnach die Kommunikation mit dem Pflegebedürftigen. 32 Autonomie im Alter 8. Literatur- und Quellenverzeichnis • Heinemann Knoch et al. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hrsg. ) (1998). Möglichkeiten und Grenzen des selbständigen Lebens und Arbeitens in stationären Einrichtungen. Stuttgart, Berlin, Köln: Kohlhammer Verlag. • Lehr, H. (2003). Psychologie des Alterns (10. Auflage) Wiebelsheim: Quelle und Meyer. • Seidl, E. et al. (Hrsg.) (2000). Autonomie im Alter. Studien zur Verbesserung der Lebensqualität durch professionelle Pflege. Wien. • Huber, M. et al. (2005). Autonomie im Alter. Hannover: Schlütersche Verlagsgesellschaft. • Schopp, A. et al. (2001). Autonomie, Privatheit und die Umsetzung des Prinzips der informierten Zustimmung in Zusammenhang mit pflegerischen Interventionen aus der Perspektive des älteren Menschen. Pflege 14/2001/1, S.29 –37. • URL:http://www.vorarlberg.at/pdf/sozialbericht 2006.pdf (08-0303, 16:00) • URL:http://www.einfachleben.at/297_deu_html.php (08-03-03, 16:30) • Titelbild: Juan Mirò, Bildtitel: „Der vom Goldblau umkreiste Flügel der Lerche kommt wieder zum Herzen des Klatschmohns, der auf der diamantgeschmückten Wiese schläft“ 33 9. Eigenständigkeitserklärung Ich, Elisabeth Studer, bestätige hiermit die selbständige Verfassung meiner Fachbereichsarbeit, ausschließlich mit Zuhilfenahme der von mir angeführten Literatur und Quellen. Göfis, am 12.03.2008 Autonomie im Alter 10. Anhang v Fragebogen v Abstract Autonomie im Alter Bitte kreuzen Sie die zutreffenden Felder an! Vielen Dank! Geburtsdatum: Geschlecht: m: w: Wie lange wohnen sie bereits im Pflegeheim: 1. Wohnen 1. Hatten Sie Mitspracherecht bei der Auswahl des Pflegeheims? 2. Hatten Sie Mitspracherecht bei der Gestaltung und der Dekoration ihres Zimmers? 3. Haben Sie die Möglichkeit jederzeit Besuch zu empfangen? 4. Haben Sie die Möglichkeit sich mit ihrem Besuch in private Räume zurückzuziehen? 5. Werden Ihre Gewohnheiten und Wünsche bezüglich der Aufsteh- und Zubettgehzeit berücksichtigt? 6. Haben Sie ausreichend Privatsphäre im Alltag? 7. Haben sie die Möglichkeit tagsüber zwischen beliebigen Aufenthaltsorten des Heimgeländes zu wählen? 8. Haben Sie die Möglichkeit die öffentlichen Räumlichkeiten (Speisesaal, Aufenthaltsraum, Flur.) mitzugestalten? trifft trifft zu eher zu trifft trifft weniger nicht zu zu Autonomie im Alter Wie wichtig ist es Ihnen, selbst entscheiden zu können, wie sie ihr Zimmer gestalten? Sehr wichtig Weniger wichtig 2. Körperpflege Nicht wichtig trifft zu trifft eher zu trifft trifft weniger nicht zu zu 1. Werden Ihre Gewohnheiten und Wünsche hinsichtlich der zeitlichen Durchführung der Körperpflege berücksichtigt? 2. Können Sie über die Form und den Ablauf der Körperpflege selbst entscheiden? 3. Können Sie selbst entscheiden welche Kleidung sie anziehen? 4. Haben Sie die Möglichkeit einen Frisör, Fußpfleger, etc. in Anspruch zu nehmen. 5. Werden Sie ausreichend über den Ablauf der Grundpflege informiert? 6. Können Sie ihre persönlichen Pflegeartikel verwenden? Wie wichtig ist es Ihnen selbst zu entscheiden, wann und wie ihre Körperpflege abläuft? Sehr wichtig Weniger wichtig Nicht wichtig Autonomie im Alter 3. Freizeit trifft zu trifft trifft eher weniger zu zu trifft nicht zu 1. Gibt es Möglichkeiten im Heim zur Freizeitgestaltung? Wenn ja, welche? o Bewegung/ Gymnastik o Singen/ Musizieren o Gedächtnistraining o Spiele/ Basteln o Kochtraining o Ausflüge 2. Müssen Sie auf Pflegende zugehen um teilnehmen zu können? 3. Können Sie selbst entscheiden, welche Angebote sie annehmen wollen? 4. Können Sie Vorschläge zur Freizeitgestaltung machen? 5. Haben Sie die Möglichkeit mit einer Begleitung das Heim zu verlassen, um einen Spaziergang zu machen od. Besorgungen zu tätigen? 6. Haben Sie die Möglichkeit ihren Hobbys im Heim auszuleben? (Stricken, Häkeln, Malen,...) Wie wichtig ist es Ihnen selbst entscheiden zu können, wie sie ihre Freizeit verbringen? Sehr wichtig Weniger wichtig Nicht wichtig Autonomie im Alter 4. Nahrungsaufnahme trifft zu trifft eher zu trifft trifft weniger nicht zu zu 1. Gibt es einen gemeinsamen Speiseplan, der für alle gut ersichtlich ist? 2. Haben Sie die Möglichkeit bei Bedarf ihre Mahlzeit auch außerhalb der üblichen Essenszeiten einzunehmen? 3. Haben Sie die Möglichkeit zwischen verschiedenen Menüs zu wählen? ( z.B. vegetarische Kost) 4. Können Sie sich aussuchen an welchen Tisch sie sitzen? 5. Können Sie sich aussuchen, wo sie essen wollen? (Speisesaal, Zimmer, Terrasse) 6. Haben Sie die Möglichkeit für den privaten Gebrauch Lebensmittel und Genusswaren zu bekommen/ verwenden? 7. Haben Sie die Möglichkeit eigene Wünsche bezüglich des Menüplans zu äußern? Wie wichtig ist es Ihnen über das Essen selber entscheiden zu können? Sehr wichtig Weniger wichtig Nicht wichtig Autonomie im Alter Abstract In der heutigen Zeit gewinnt das Thema „Altern“ bzw. „Alt sein“ immer mehr an Bedeutung. Nicht zuletzt auf Grund der demographischen Entwicklungsprognosen, die uns in den kommenden Jahren und Jahrzehnten eine stetige und rasante Zunahme an alten Menschen in unserer Bevölkerung voraussagt. Auch die Tatsache, dass immer mehr alte Menschen auf Hilfe und Unterstützung angewiesen sind, fordert eine aktive Auseinandersetzung der Gesellschaft mit diesem Thema. Im Zuge meiner Fachbereichsarbeit möchte ich die Situation von HeimbewohnerInnen in Vorarlberg erforschen und herausfinden, wie diese ihren Heimalltag erleben. In meiner Arbeit erhebe ich anhand eines Fragebogens, wie BewohnerInnen von Alten- und Pflegeheimen in unserem Land ihre Autonomie im Alltag erleben und welche Mitsprache und Entscheidungsmöglichkeiten sie in unterschiedlichen Bereichen ihres täglichen Lebens haben. Befragt wurden 26 weibliche und 16 männliche Bewohner über ihre erlebte Autonomie in den Bereichen: „Wohnen“, „Körperpflege“, „Freizeit“ und „Ernährung“. Die anschließende Auswertung ergab viele interessante Ergebnisse, zum Beispiel, dass speziell im Bereich der Körperpflege, die Informationen zur Durchführung von Seiten der Pflege als eher wenig vorhanden empfunden wurden. Hier sehe ich einen ungedeckten Bedarf der BewohnerInnen an adäquaten Informationen, die Pflegehandlungen bei der Körperpflege begleiten sollen. Ein weiterer Bereich, in dem Autonomie zum Teil nicht gänzlich ausgelebt werden kann, ist die Ernährung. Hier können BewohnerInnen kaum Einfluss auf die Gestaltung des Menüplans nehmen und nur in begrenztem Maße darauf, an welchem Tisch Sie sitzen möchten. Es ist bei der Ernährung nicht einfach, auf die Wünsche jedes Einzelnen einzugehen. Wir Pflegepersonen haben dennoch die Möglichkeit bei besonderen Anlässen zu versuchen, individuelle Vorlieben zu berücksichtigen. Die Tischordnung zu lockern oder abzuschaffen bedeutet für Pflegende bestimmt mehr Aufwand, kann aber zum Erhalt oder zur Knüpfung von sozialen Kontakten beitragen. Ein sehr wichtiges Ergebnis dieser Untersuchung ist die Tatsache , dass Selbstbestimmung und Autonomie in allen Bereichen als sehr wichtig erachtet wird. Die meiste Autonomie möchten die Befragten, Frauen sowie Männer, im Bereich der Körperpflege und der Freizeitgestaltung. Der Erhalt der Autonomie von Pflegebedürftigen gehört mit Sicherheit zu den aufwendigsten und zeitintensivsten Aufgaben von Pflegepersonen. Um autonom Autonomie im Alter handeln und selbstbestimmt entscheiden zu können, müssen Pflegbedürftige sehr gut und laufend über die Möglichkeiten und Grenzen der jeweiligen Gegebenheiten informiert werden. Es liegt an den Pflegenden zu entscheiden ob und wo Informationsbedarf von Seiten der BewohnerInnen besteht, und darauf entsprechend zu reagieren, zu informieren und aufzuklären. Eine elementare Rolle bei der Aufrechterhaltung der Autonomie von BewohnerInnen spielt demnach die Kommunikation. Diese soll zwischen Pflegepersonen und HeimbewohnerInnen stets aufrecht erhalten werden.