beuys uecker vostell staeck zero

Transcrição

beuys uecker vostell staeck zero
DIE SAMMLUNG
FRIEDEL DRAUTZBURG
BEUYS
UECKER
VOSTELL
STAECK
ZERO
Kunst
& Politik
UEBER 40 KUENSTLER
UND 150 WERKE
10. AUGUST 2014 BIS 31. JANUAR 2015
wohlfein edition
BILDER UND WORTE
A
WITTLICH
U
S
R ST
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D LU
G
A N
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G S-
GALERIE IM ALTEN RATHAUS
FÜHRUNGEN
finden jeden Freitag um 17:30 Uhr statt, mehrmals
mit dem Sammler Friedel Drautzburg persönlich.
RAHMENPROGRAMM zur Ausstellung (Auszug)
> Lars Brandt im Gespräch mit dem Sammler und
dem Künstler Detlef Waschkau zu den Portraits von
Willy Brandt
> Rafael Vostell zur Kunst seines Vaters →Wolf Vostell
> Kai Uwe Schlüter über das Buch „Günter Grass auf
Tour mit Willy Brandt“, an der auch Friedel Drautzburg beteiligt war.
> Klaus Henning Rosen (Ex-Büroleiter von Willy
Brandt und Leiter des Willy Brandt-Forums Unkel):
Zum Willy Brandt-Portrait von →Georg Meistermann und dessen Vita
> Elke Scheid im Gespräch mit dem Künstler →Tony
Munzlinger und dem Sammler Drautzburg.
> Exkursion nach Berlin (per Bus) für Kunstfreunde
mit Kurator Dr. Richard Hüttel und Friedel Drautzburg und umfangreichem Rahmenprogramm: U.a.
Mauermahnmale von Ben Wagin, Andachtsraum im
Reichstag von Günther Uecker, Akademie der Künste, Museen, Theater und Musik.
Portrait des Sammlers Friedel Drautzburg, 2013
von Armin Müller-Stahl
Termine siehe: www.kulturamt.wittlich.de
und www.sammlung-drautzburg.de
DER KATALOG ZUR
SAMMLUNG DRAUTZBURG
erscheint im Dezember 2014.
Gerne informieren wir Sie über unsere
Veranstaltungen und Neuigkeiten rund um die
Sammlung Drautzburg.
Außerdem möchte Sammler Friedel Drautzburg
mit Ihnen kommunizieren, Ihre Meinung erfahren!
Hinterlassen Sie Ihre Visitenkarte bitte
am Ausgang der Galerie und/oder schreiben Sie
uns auf Facebook oder senden Sie uns Ihre
Kontaktdaten, Ihren Kommentar an:
[email protected]
ALLE INFOS AUF
www.sammlung-drautzburg.de
ab 1. September online
Impressum:
Herausgegeben im Rahmen der
Ausstellung in der Galerie Altes
Rathaus in Wittlich
Kurator: Dr. Richard Hüttel
Organisation: Elke Scheid
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Gestaltung: Volker Schwennen
Scans: Helmut Thewalt
Texte, Recherche: F. Drautzburg,
V. Schwennen
© 2014 Friedel Drautzburg
und Wohlfein Verlag
Mit der Sammlung Friedel Drautzburg (Berlin) werden in
Wittlich Kunstwerke gezeigt, die auf facettenreiche Weise
die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland spiegeln.
Beuys und Vostell oder Staeck und Uecker zum Beispiel,
so vielfältig in ihren Persönlichkeiten, waren und sind im
Kern politische Künstler. Mit ihren Werken wollten sie die
Welt der Ästhetik und Gesellschaft neu vermessen. Die
Kunst als Kommunikation, Ausstieg aus dem Bild, erweiterter Kunstbegriff, Protest, Revolte, Provokation – das
waren verbreitete Schlagworte in den Jahren um 1968.
Tatsächlich veränderten sich damals das Land und seine
Kunst außerordentlich stark. Zero, Happening, Informel,
PopArt, Performance, Fluxus sind nur einige Begriffe, die
in der deutschen Kunstgeschichte nach 1945 zu lebhaften
Auseinandersetzungen in der Kunst führten.
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„Kunst war immer politisch. Jedenfalls, seit sie den Ruch
der bloßen Kunstfertigkeit hinter sich gelassen hatte. Sie
ist schon deshalb politisch, weil sie trotz mal stärker, mal
schwächer ausgeprägten Bezügen zur sicht- und erfahrbaren Realität eine andere Wirklichkeit verkörpert und vergegenwärtigt. Insofern birgt Kunst unweigerlich ein Potenzial, das Veränderung signalisiert, gemessen am Zustand
des ‚Es ist so‘ der Erfahrung.“, so der Kunstkritiker Prof.
Klaus Honnef in seinem Beitrag zum Katalog der Sammlung Drautzburg, der Ende 2014 erscheinen wird und auch
den nicht gezeigten Teil der Sammlung abbildet.
Eröffnet wurde die Ausstellung „Kunst+Politik“ offiziell
von Wittlichs Bürgermeister Joachim Rodenkirch und
dem Künstler und heutigen Präsidenten der Akademie der
Künste Berlin →Klaus Staeck sowie dem Kunsthistoriker
und Kurator der Ausstellung Dr. Richard Hüttel. Hunderte
von Besuchern kamen zur Eröffnung, die kurzerhand wegen drohender Überfüllung von der Koordinatorin Elke
Scheid auf den Marktplatz verlegt wurde.
Für ein ergreifendes musikalisches Erlebnis sorgte die Musikerin Anne Kaftan.Viele Besucher wünschten sich, diese Musik noch einmal hören zu können. Jetzt ist geplant,
dass die Musikerin Kaftan ein erweitertes Programm zur
Katalog-Erscheinung auf CD aufnimmt, die dem Katalog
beigelegt wird.
Vor dem Hintergrund der besorgniserregenden
geopolitischen Situation sagte Klaus
Staeck: „Dies ist eine gefährliche Zeit mit so vielen Brandherden und so viel Ratlosigkeit.“
Demokratie bedeute immer viel
Arbeit und so warnte er vor schwindender politischer Beteiligung: „Demokratie kommt nicht von alleine, auch die
Bürger sind gefragt.“
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Kurator Dr. Richard Hüttel gliederte die
Ausstellung in drei Themenblöcke
Den ersten bildet die neue Kunst, die sich in der Bundesrepublik Deutschland um das magische Jahr 1968 entwickelt.
Die erste Generation junger Bürgerinnen und Bürger, die
Nationalsozialismus und Zweiten Weltkrieg nicht mehr erlebt hatte, war erwachsen geworden und wehrte sich gegen
die verkrusteten Strukturen der Adenauerrepublik. Studenten wollten „unter den Talaren den Muff von tausend
Jahren“ nicht mehr akzeptieren, und der erste sozialdemokratische Bundeskanzler Willy Brandt wollte schließlich
„mehr Demokratie wagen“. Sowjetische Soldaten besetzten
Prag und die US-Amerikaner kämpften einen grausamen
Krieg in Vietnam.
Dieser neue Zeitgeist spiegelte sich in Literatur, Musik und
Kunst wieder. Autoren und Künstler wurden politisch,
griffen in die Politik ein und antworteten ihr in ihren Werken. Die Kunst wurde kritisch und provokativ, verwirrend
und aggressiv. Beuys und Vostell oder Staeck und Uecker
zum Beispiel, so vielfältig in ihren Persönlichkeiten, waren
und sind im Kern politische Künstler. Mit ihren Werken
wollten sie die Welt der Ästhetik und Gesellschaft neu vermessen. Die Kunst als Kommunikation, Ausstieg aus dem
Bild, erweiterter Kunstbegriff, Protest, Revolte, Provokation, das waren verbreitete Schlagworte in den Jahren um
1968. Tatsächlich veränderten sich damals das Land und
seine Kunst außerordentlich stark. Zero, Happening, Pop
Art, Performance, Fluxus sind nur einige Begriffe, die in
der deutschen Kunstgeschichte nach 1945 zu lebhaften
Auseinandersetzungen in der Kunst führten.
Politische Kunst nach 1989
Ein weiteres prägendes Jahr für die deutsche Nachkriegsgeschichte stellt das Jahr 1989 dar, und die Kunst dieser
Zeit bildet den zweiten Block in der Sammlung Friedel
Drautzburg und der Wittlicher Ausstellung. 40 Jahre nach
ihrer Gründung endete mit der Öffnung der Berliner
Mauer und der innerdeutschen Grenze am 9. November
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1989 quasi die Deutsche Demokratische Republik. Dieser
welthistorische Umbruch, der Zerfall der DDR und meisten kommunistischen Systeme wurde von Künstlern wie
Wolf Leo, Hans Martin Sewcz, Kirsten Klöckner, Ben Wagin, Detlef Waschkau u.a. aufgenommen und künstlerisch
umgesetzt. Sie setzten sich neben anderem mit Themen wie
zum Beispiel der Berliner Mauer, Kunst der DDR, Perestroika oder kommunistische Nomenklatura auseinander
und verstören den Betrachter mit einer zur Kunst erhobenen Kalaschnikow (Wolf Leo).
aufgrund seiner vielen
Freundschaften
und
Bekanntschaften in der
Kunst- und Politikszene Bonns zu wunderbaren individuell signierten Unikaten. 1997 erfolgt der
Umzug nach Berlin. Das Lokal „Ständige Vertretung des
Rheinlands“ (StaeV) öffnet am Schiffbauerdamm in Berlin-Mitte und wird Heimat für aus Bonn nach Berlin umgezogene Politiker, Journalisten und Künstler.
Friedel Drautzburg besitzt bei Wittlich ein Ferienhaus
und besucht seine Heimat regelmäßig, pflegt hier uralte
Freundschaften aus Kinderzeiten. Diese Verbundenheit
spiegelt sich im dritten Teil der Ausstellung, dem sogenannten „Drautzburg-Kabinett“ wieder. Hier strahlt eine
frisch restaurierte Moselansicht von Wilhelm Terwei, beeindrucken ein Gemälde Georg Meistermanns neben einer Plastik von Hanns Scherl und einer etwas anzüglichen
Bilderparade von Tony Munzlinger – Wittlich eben, bunt,
widersprüchlich und liebenswert. (Text: R. Hüttel)
Die Person Drautzburg
Der dritte Teil der Ausstellung widmet sich der Person des
Sammlers in Form seiner persönlichen Wittlich-Sammlung. Friedhelm „Friedel“ Drautzburg wurde 1938 in Wittlich geboren, besuchte das Cusanus-Gymnasium, studierte
in Hamburg und Bonn, absolvierte sein juristisches Staatsexamen mit Prädikat, um ein Lokal in Bonn zu übernehmen und eine Galerie zu gründen. Die „Schumannklause“
war bald ein beliebter Treffpunkt für Journalisten und Politiker, in der Galerie „Argelander“ stellte Drautzburg vom
Bonner Publikum kaum beachtet 1970 Günther Uecker
(ZERO) aus. Heute ein Künstler von Weltruhm, dessen
Werke unerschwinglich werden. Es folgen weitere Lokale
und Ausstellungen. Drautzburg, vom Wittlicher Kunsterzieher Rudolph Schöfer sensibilisiert, fasziniert die zeitgenössische Kunst und er erwirbt Bilder und Objekte, kommt
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Eine gezeichnete „Anweisung“
Ueckers für dessen Ausstellung in
Drautzburgs Galerie Argelander,
1968.
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ERSTE ETAGE
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|
→
RICHTER
AUFGANG
→
TREPPENAUFGANG
→
→
→
KABINETT
DRAUTZBURG
GANG LINKE SEITE
→
→
RAUM A
RAUM VI.
POLITISCHE
KUNST
NACH 1989
→
RAUM C
Mit Werken von →Tony Munzlinger,
→Fritz Winter, →Fred Thieler und
→Georg Meistermann
RAUM B
RAUM V.
GÜNTHER UECKER
GANG RECHTE SEITE
RAUM B
Mit Werken von →Günter Grass sowie
Portraits von Bundeskanzler Willy
Brandt von →Armin Müller-Stahl,
→Detlef Waschkau, →Luis Murschetz
und →Konrad Rufus Müller.
RAUM C
HEINZ MACK, OTTO
PIENE u.a.
→
RAUM A
Mit Werken von →Kirsten Klöckner,
→Persis Eisenbeis, →Hans Scherl,
→Carl Nonn, →Joseph Becker, →Jacques Sehy, →Gertrude Degenhardt,
→Armin Müller-Stahl, →Wilhelm Terwei und →Martin Noël.
RAUM IV.
ZERO
→
Schreiten Sie anschließend wieder die
Treppe hinunter, sehen Sie ein Werk
von →Timm Ulrichs mit dem Titel
„Ich kann keine Kunst mehr sehen“: Wir empfehlen Ihnen jedoch
noch einen Besuch im „Kabinett
Drautzburg“ mit drei Räumen und
weiteren Werken des Sammlers direkt
gegenüber.
RAUM III.
JOSEPH BEUYS
→
Danach geht es auf dem Gang zurück: Rechts mit Fotografien von →Klaus Behr, →Robert Lebeck, →Camillo Fischer
und →Konrad Rufus Müller, links mit Werken von →Christo,
→Siegfried Neuenhausen, →Rafael Canogar und zum Schluss
mit einem Bild des teuersten noch lebenden Malers →Gerhard
Richter.
RAUM II.
KLAUS STAECK
→
Am Ende der Treppe beginnen wir den Rundgang zunächst
mit dem Werk „Spiegelverformung KX-73“ (1974) von →Victor Bonato, begeben uns dann in den Raum I mit Werken von
→Wolf Vostell. Von dort aus bewegen wir uns durch die weiteren Räume mit Werken von →Klaus Staeck (II.), →Joseph
Beuys (III.), der Künstlergruppe ZERO (IV.), von →Günther
Uecker (V.) und Raum VI. mit „Politischer Kunst nach 1989“.
RAUM I.
WOLF VOSTELL
→
Bereits am Treppenaufgang sehen Sie eine Fotografie des Wittlicher Fotografen Helmut Thewalt, der während des Aufbaus
der Ausstellung den Sammler Friedel Drautzburg mit einem
Selbstportrait →Ueckers („Windvogel“) auf Kunststofffolie aus
dem Jahr 1969 zeigt.
→
EIN RUNDGANG
DURCH DIE AUSSTELLUNG
→
EINGANG/ERDGESCHOSS
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RAUM I.
WOLF VOSTELL (*1932 †1998)
Vostell gilt als einer der Pioniere des Environment (einer
Kunstart, die sich mit der Beziehung zwischen Objekt
und Umgebung auseinandersetzt), der Videokunst, des
Happening und der Fluxus-Bewegung. Was zählt war die
schöpferische Idee - Techniken wie die Verwischung, die
Décollage oder das Einbetonieren sind Kennzeichen seiner
Werke. 1976 wurde in Spanien das „Museo Vostell Malpartida“ als Zentrum der internationalen Fluxus-Bewegung
eröffnet. 1977 nahm er an der documenta 6 teil.
Das Werk „Die Ferse“ stammt aus der Edition Drautzburg
von 1972, die sich mit den Schüssen an der „Berliner Mauer“ befasst. „My Lai“ nimmt Bezug auf das Kriegsverbrechen US-amerikanischer Soldaten in Südvietnam: In dem
Dorf My Lai wurde ein fürchterliches Massaker an 504 Vietnamesen von US-amerikanischen Soldaten verübt, welches von der US-Armee zunächst vertuscht, doch durch
den Journalisten Seymour Hersh an die Öffentlichkeit gebracht wurde. Dafür erhielt dieser den Pulitzer-Preis und
seitdem hatte er großen Einfluss auf die öffentliche Meinung zum Vietnamkrieg in den USA.
Ebenfalls auf den Vietnamkrieg bezieht sich das Werk
„Nur die“ unter Verwendung u.a. eines Fotos von Eddie
Adams, der zufällig dabei war, als ein Vietcong von dem
Polizeikommandanten in Saigon hingerichtet wurde.
Das Bild „Treblinka“ hat ein Foto mit dem Titel „Vernichtungslager Treblinka. Mütter und Kinder auf dem Weg
in die Gaskammer“
zur Grundlage. Die
Kombination
mit
einer
Wetterkarte
soll zeigen, dass wir
einem
planmäßig
betriebenen Massenmord ebenso ausgeliefert sind wie dem
Wechsel des Wetters
Treblinka, 1967, Grafik/Siebdruck
und verweist somit
auf die Gefahr einer Schuldverleugnung. Die nummerierte
Auflage betrug aufgrund des erwarteten geringen Kaufinteresses nur 30 Exemplare und dokumentiert als kleines
Detail die angeprangerten Verdrängungs- und Verleugnungswünsche.
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Das Bild „Starfighter I.“
spielt auf die politische Affäre um Verteidigungsminister
Franz Josef Strauß an, der
ohne Berücksichtigung der
Einschätzung von Experten
eine große Stückzahl an offensichtlich unausgereiften
Kampfflugzeugen des Typs
„In Dresden erreichte die TemperaStarfighter einkaufte. Viele tur des Asphalts über 1000 Grad“,
1970, Grafik/Siebdruck
stürzten ab und entsprechend
haben Künstler seinerzeit das Thema aufgegriffen und die
Zahl und Schrecken der Unfälle in Form von Strichen auf
Bierdeckeln gemalt. Auch Klaus Staeck bezieht sich im
nächsten Raum darauf.
Der „B 52“-Bomber war ein Nuklearwaffenträger, der im
Vietnamkrieg für Flächenbombardements eingesetzt wurde, aber auch noch als Startplattform für Marschflugkörper
im Zweiten Golfkrieg 1991 und Kosovokrieg 1999. Zuletzt
wurde die B52 ab 2001 in Afghanistan und 2003 im Irak
eingesetzt. Der Bomber soll noch bis 2040 im Einsatz bleiben.
Das Bild „Rudi und Gretchen“ (mit „Rote Grütze“-Päckchen) entstand direkt nach dem Anschlag auf Rudi
Dutschke 1979 und nach dem sog. „Pudding-Attentat“ auf
US-Vize-Präsident Hubert Horatio Humphrey, einem Befürworter des Vietnamkriegs. Die Presse hatte die „Kommune I“ zu Attentätern hochstilisiert, als diese Tüten, gefüllt mit Pudding, Mehl und Farbstoff, auf Bäume warfen.
Der „Betonierte Cadillac“ bezieht sich auf den immer
stärker werdenden Verkehr in den Städten. Für Bürgerproteste sorgte beispielsweise die Aufstellung eines ebenfalls
betonierten Cadillacs 1987 in Berlin, welcher aber noch
immer zu besichtigen ist und auf Initiative von Sohn Rafael
Vostell 2006 aufwendig restauriert wurde.
Rafael Vostell ist im Rahmen der
Ausstellung demnächst auch zu
Gast in Wittlich, um über die
Kunst seines Vaters zu sprechen.
(siehe Seite 2)
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RAUM II.
KLAUS STAECK (*1938)
Staeck wurde Anfang der 70er Jahre durch seine satirische
Auseinandersetzung mit der Politik bekannt. Sein Werk
umfasst ca. 300 Plakate und zahlreiche Fotos, die in über
3.000 Ausstellungen präsentiert wurden. Er nahm u.a. an
der documenta 5, 6 und 7 teil. 1965 gründete Staeck den
Produzentenverlag „Edition Tangente“ (heute: „Edition
Staeck“), die seit Ende der 1960er Jahre auch Auflagenobjekte (Multiples) von international anerkannten Künstlern
herausgibt. So von →Joseph Beuys, mit dem er seit 1968
zusammenarbeitete, Panamarenko, Dieter Roth, Nam June
Paik, →Wolf Vostell, →Günther Uecker (siehe auch Objekt
„Schatten und Licht“ in Raum V.), Daniel Spoerri und vielen anderen.
Seit 2006 ist er Präsident der Akademie der Künste Berlin.
Er hielt die, daraufhin von der Presse vielzitierte, Eröffnungsrede zur aktuellen Ausstellung „Kunst+Politik“ in
Wittlich.
Für drei Wochen bis zum 31. August 2014 hat Staeck eine
ungewöhnliche Ausstellung in Berlin: Auf 300 Litfaßsäulen
im gesamten Stadtgebiet werden seine Plakate gezeigt.
Klaus Staeck wurde wegen seiner provokanten Plakate
und Postkarten oft verklagt, aber noch nie verurteilt. Einmal gerieten Staeck und Drautzburg gemeinsam in einen
Rechtsstreit. Es ging um das Plakat „Olympische Spiele
München 1972“, auf dem ein gekreuzigter Häftling unter
dem Lachen der Folterer in Afrika gequält wurde. Galerist
Drautzburg hatte eine Edition in Auftrag gegeben und Gegenstand der Klage gegen sie war jedoch nicht der politische Inhalt des Plakats, sondern die unerlaubte Nutzung
des offiziellen Emblems des Olympischen Komitees. Um
der angedrohten Strafe einer halben Million D-Mark zu
entgehen, verzichteten sie besser auf die Nutzung des Logos und überklebten die Plakate an benannter Stelle sicherheitshalber mit einem roten Punkt. Das einzige Exemplar
mit dem Logo, welches dem Gericht vorgelegt worden war,
konnte jedoch zur Seite geschafft werden und ist in der
Ausstellung zu sehen.
Staeck und Drautzburg sind übrigens beide Juristen. Diese Tatsache soll hier nur darauf verweisen, dass die 68er
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Künstler oft neben ihrem Beruf und ihrer Berufung alles
gleichzeitig waren: Galeristen, Künstler, Produzenten,
Selbstvermarkter, Händler, Publizisten, Verleger...
Die Arbeit „Vietnamesische Vegetation nach der Berührung mit US-Kultur“ korrespondiert gewissermaßen mit
Vostells politischen Arbeiten zu Vietnam.
Das Plakat „Wir sind für die Ostverträge, Herr Barzel! - Interessengemeinschaft des II. Weltkriegs
e.V.“ entstand vor dem Hintergrund der Ostpolitik von
Bundeskanzler Willy Brandt. Es zeigt Leichenberge eines Konzentrationslagers, die von den Briten mit einem
Bulldozer zusammengeschoben werden.
Das Bild „Patrone“ von 1969 ist Drautzburg von seinem
Freund Klaus Staeck gewidmet und verdeutlicht wieder,
wie lange der Galerist und Sammler bereits mit vielen
Künstlern zusammengearbeitet hat.
Auf dem Boden stehen, wie zum Blättern in einer Mappe, eine Reihe weiterer Staeck-Arbeiten. Auf einem Plakat
wird ersichtlich, dass Staeck, Vostell und KP Brehmer (im
nicht gezeigten Teil der Sammlung Drautzburg enthalten)
bereits 1966 in Brno in der damaligen CSSR ausgestellt haben, was allerdings während des „Kalten Krieges“ in der
DDR nicht möglich war.
Zu den bekanntesten Plakaten gehört „Würden Sie dieser
Frau ein Zimmer vermieten?“
auf einer Zeichnung Albrecht
Dürers von dessen Mutter.
Erstaunlich, wie aktuell auch
heute noch viele der Plakate
von Staeck sind.
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RAUM III.
JOSEPH BEUYS (*1921 †1986)
Beuys gilt als einer der bedeutendsten Aktionskünstler des
20. Jahhunderts und war ein idealtypischer Gegenspieler
zu Andy Warhol.
Ende der 1970er Jahre
forderte er ein kreatives Mitgestalten an der
Gesellschaft und in der
Politik als Entwicklung eines erweiterten
Kunstbegriffs, der aus
seiner Beschäftigung
mit Fragen rund um
Humanismus der Sozialphilosophie und
Anthroposophie resultierte. Sein umfangreiches Werk besteht neben Aktionen
aus Zeichnungen und
Bildhauerei. Er war Kunsttheoretiker und Professor an der
Kunstakademie Düsseldorf.
Drautzburg sammelte neben Originalgrafiken besonders
viel Plakate von Ausstellungsankündigungen von Joseph
Beuys, welche dieser ihm allesamt signierte. So weist das
besonders bekannte Riesenportrait von Beuys auf eine
Ausstellung in den USA hin.
An einer Wand hängen kleine Arbeiten von Beuys, darunter die von
ihm sogenannte „Kitschpostkarte“,
die er für das Düsseldorfer Büro
der von Günter Grass gegründeten
sozialdemokratischen Wählerinitiaive, der auch Drautzburg angehörte,
gestaltet hatte. Damit wollte der Mitbegründer der Partei „Die Grünen“
gegen die SPD politisch anstänkern.
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Besonders
interessant
ist eine Einladungskarte
des damaligen Ständigen
Vertreters der Bundesrepublik Deutschland in
der DDR, Klaus Bölling,
zu einer Beuys-Ausstellung in der „Ständigen Vertretung“, an der auch Klaus
Staeck teilnahm, und die Beuys in der DDR zu einer Kultgestalt werden ließ. Joseph Beuys „stibitzte“ sich zwei Blanko-Karten und signierte diese mit seinem Namen. Eine der
Karten ist im Besitz von Drautzburg, der als Mitinhaber
des bundesweit bekannten Polit-Kult-Lokals STÄNDIGE
VERTRETUNG® natürlich einen ganz persönlichen Bezug
zu dieser Rarität hat.
Provozierend ist die
Arbeit „Letzte Warnung an die Deutsche Bank“ von
1985 mit dem Zusatz:
„Beim nächsten Mal
werden Namen und
Begriffe genannt“.
Vitex Agnus Castus, 1973
Offsetlitografie
Joseph Beuys und
Udo Lindenberg
auf einem Kongress
der Grünen in Bad
Godesberg Anfang
der 1980er Jahre.
„Wer nicht denken will fliegt
raus“, 1977/1982, Grafik/Offset
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RAUM IV.
KÜNSTLERGRUPPE ZERO (1958-1966)
ZERO war eine Düsseldorfer Künstlergruppe, die am 24.
April 1958 von →Heinz Mack und →Otto Piene offiziell gegründet wurde. Im Jahr 1961 kam →Günther Uecker hinzu. Mack und Piene sahen die Nachkriegskunst „mit einem
Übermaß an Ballast befrachtet“. Die Künstler suchten einen neuen Anfang, eine „Stunde Null“, die von der Vergangenheit unbelastet sein sollte. Sie wollten dem aufgezwungenen Drama des Zweiten Weltkriegs und seinen Gräueln
eine reinere, gerechtere Welt entgegensetzen, indem sie in
der Alternative zur herkömmlichen Kunst, die sie im Informel und im Tachismus der Nachkriegszeit repräsentiert
fanden, eine hoffnungsvolle und idealistische Lebensauffassung sahen.
ZERO bezeichnete eine Phase des Schweigens und der
Stille, eine Zwischenzone, in der ein alter Zustand in einen
neuen übergeht. Die Mitglieder erzeugten mit ihren lichtkinetischen Objekten, die mit ihrem Licht und ihrer Kinetik in den Raum greifen und diesen mit einbeziehen, eine
neue puristische Ästhetik, die in der Erscheinung zwischen
Bild und Skulptur anzusiedeln ist. Die Gruppe löste sich
1966 auf, nachdem sich die künstlerischen und biografischen Wege ihrer Mitglieder getrennt hatten.
Zentral findet man eine Kiste
mit Zeitschriften und Büchern,
die mit schweren massiven Nägeln vernagelt wurde - eine Arbeit von Günther Uecker. Gleich
daneben eine Art Versicherung
Ueckers, dass dieser die Arbeit
auch selbst und „mit eigener
Hand“ gemacht habe. Diese
ironisch wirkende Ergänzung
hat heute einen faden Beigeschmack, denn viele Arbeiten
der ZERO-Künstler wurden
inzwischen oft und durchaus
kenntnisreich gefälscht.
Auf dem Foto von →Michael
Dannenmann (Abb. rechts, Auflage: 5 Expl.) über der „Kiste“
sieht man die älteren, Anzug tragenden Herren Künstler Piene,
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Uecker und Mack im Jahre 2010.
Viele Arbeiten der ZERO-Künstler werden mittlerweile gefälscht
- heute müssen häufig Prozesse gegen Fälscher geführt werden.
Neben Arbeiten von Heinz Mack
und Otto Piene findet sich in diesem Raum auch Werke des damals
mehr als heute bekannten Künstlers →Hermann Göpfert, sowie
→Ad Dekkers, →Ewerdt Hilgemann und →Jef Verheyen.
Anfang der 1970er Jahre hatte Drautzburg eine exklusive
Ausstellung mit Werken von Verheyen, die durch Vermittlung von Günther Uecker zustande kam. Beide waren enge
Freunde und hatten bereits in den frühen 1960er Jahren
spektakuläre Kunstaktionen veranstaltet. Uecker ist heute
einer der engagiertesten politischen Künstler der Gegenwart und als solcher weltweit erfolgreich.
Im Herbst zeigt übrigens das New Yorker Guggenheim-Museum eine große ZERO-Retrospektive. Die Ausstellung geht
anschließend nach Amsterdam und 2015 nach Berlin.
Heinz Mack, Silberflügel, 1972,
Grafik/Siebdruck
Auf der Rückseite des Portraits hat
Fotograf Michael Dannenmann
seine Signatur fein säuberlich in das
Passepartout mit einer „Klappe“
eingearbeitet.
Heinz Mack in Drautzburgs
Galerie Argelander, 1972
Ausstellungsplakat
Otto Piene, o.T.,1971, Siebdruck,
(Expl. 44/100)
Mack, Piene, Uecker sind - wie jeder ZERO-Künstler mittlerweile weltweit bekannt und von Sammlern gesucht,
was leider zu enormen Preisentwicklungen geführt hat.
Drautzburg selbst besitzt eine von der Fachwelt als besonders gut erhaltene Leinwand aus dem Jahre 1962, die
jedoch nicht in der Ausstellung gezeigt wird (allerdings
im Katalog). Dagegen ist ein verchromtes Metall-Relief zu
sehen, das der Sammler, der eine bedeutende Mack-Ausstellung in Bonn präsentieren konnte, als kostspieliges Auflagen-Objekt in 50er Auflage selbst editiert hat.
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RAUM V.
GÜNTHER UECKER (*1930)
Uecker gehört zu den ganz großen deutschen Künstlern,
ist Maler und Objektkünstler von internationalem Rang.
Bekannt wurde er vor allem mit seinen reliefartigen Nagelbildern. 1961 wurde er Mitglied der Künstlergruppe
ZERO, woraufhin er sich auch der kinetischen Lichtkunst
zuwandte. Gemeinsam mit →Gerhard Richter inszenierte
er die Demonstration „Museen können bewohnbare Orte
sein“. Die Aufführung des Terrororchesters in der Kunsthalle Baden-Baden, einer lärmenden Installation aus 20
Maschinen, Staubsaugern, einer Wäschetrommel sowie
Hammer und Sichel, erregte bundesweit Aufsehen.
1970 war er deutscher Vertreter auf der Biennale Venedig. Seit den 1980er Jahren nimmt er in seinen Werken
zu politischen Fragen Stellung: so etwa reagierte er auf die
Katastrophe von Tschernobyl
mit dem Zyklus „Aschebilder“.
Weitere politische Bezüge finden sich bei seinen Werken
über den Irak, Umweltprobleme und anderem. Von 1974 bis
1995 unterrichtet Uecker als
Professor an der Kunstakademie in Düsseldorf.
Die beiden Stahlnägel in der
Mitte des Raumes sind jeweils
25 Kilogramm schwer und
1,77 Meter hoch - genau der
Körpergröße des Künstlers
entsprechend. Daher betitelte
Uecker den Nagel auch als
„Selbstportrait“. Als Pendant
hierzu gibt es eine achtteilige
Arbeit als „Leibbeschreibung
eines Nagels“.
Eine Reihe seiner Meisterschüler ist inzwischen sehr bedeutsam. So hat der Sammler
Drautzburg mehrere Arbeiten
des Uecker-Schülers Wolfgang
Mally, die hier jedoch nicht gezeigt werden konnten, aber in
dem Ende 2014 erscheinenden
Katalog - neben zahlreichen weiteren Werken und Künstlern enthalten sind.
Im August 2013 übergab Sammler Drautzburg dem Staatlichen
Museum Schwerin 13 Werke aus
den 60er bis 80er Jahren von Uecker, die nun dauerhaft in
der Nähe des Geburtsorts des Künstlers gezeigt werden
sollen und die Breite von Ueckers Schaffen repräsentieren.
Im geplanten Uecker Museum soll die 13-teilige Drautzburg Sammlung der Mittelpunkt werden.
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Friedel Drautzburg hatte bereits 1968 eine Uecker-Ausstellung veranstaltet, die für
den Künstler und die Fachwelt noch heute einen großen
Stellenwert hat. Eine OrigiFriedel Drautzburg (Mitte) mit
nalzeichnung des Künstlers,
dem Künstler und der damaligen
wie er die Ausstellung geplant
WDR-Fernsehjournalistin und
späteren Ehefrau Ueckers, Christine
hat, ist in der Sammlung zu
Steinfeld.
sehen (Abb. S.7). Die Begeisterung Ueckers für das Engagement des Sammlers führte dazu, dass er 1972 erneut
in Bonn ausstellte. Dieses Mal wurde die Zeichnung für die
geplante Ausstellung als nummerierte und signierte Edition herausgegeben.
„Durchnageltes Buch“,
2012, Objekt, Metall
Rechts in einer Ecke sehen Sie ein
Selbstportrait Ueckers „Windvogel“ ein kaum bekanntes Unikat (s. Seite 6).
Ebenso einzigartig ist die Druckplatte
„Für Israel“ von 1995, auf der Anweisungen von Uecker an die Drucker
stehen. Diese Platte ist wohl die einzige, die jemals in den Handel gegangen
ist. Außerdem der 1. Druck einer späteren 30er Auflage - eben gedruckt auf
dieser Druckplatte.
Das Objekt „Schatten und Licht“
müsste eigentlich an der Wand hängen, zeigt es bei eingeschaltetem Licht den sich verändernden Schatten des Nagels bei der Bewegung des Betrachters. Interessanterweise
wurde dieses Objekt von der „Edition Staeck“ in Heidelberg herausgegeben.
Wie sich die berühmten Prägedrucke Ueckers entwickelt haben, sieht man
besonders im Vergleich von zwei gezeigten Beispielen, dem sog. documenta-Blatt von 1968 und einer neuen Arbeit von 2013. (Abb. unten)
Reihung 1968, Prägedruck
(documenta-Blatt)
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RAUM VI.
POLITISCHE KUNST NACH 1989
KIRSTEN KLÖCKNER
Als die Malerin die ‚offizielle‘ Malerei der DDR im
Kunstarchiv Beeskow entdeckte, wohin diese gleichsam verbannt wurde, entriss
sie den fast vergessenen
Bildern Details, dachte und
HxBxT, 2005, Filzhüte/Multiple
malte weiter – so entstand
die Serie „BeuteKunst I“. In den weiteren Serien „BeuteKunst II und III“ geht es zum einen um Personen und
Porträts, zum anderen um Wünsche von Menschen, die sie
malerisch (immer auch mit einem Augenzwinkern) verarbeitet. Während des Malens vollziehen sich Metamorphosen und es entstehen mehrteilige Aquarelle auf Leinwand.
Wesentlich für Klöckners Serien ist die Dokumentation
des Arbeitsprozesses, der sowohl in einer Ausstellung als
auch im dazu erscheinenden Katalog offen gelegt wird. Besonders bekannt ist Klöckner für ihr Objekt „Self service“
(Edition Staeck). Weitere Bilder der Künstlerin befinden
sich auch im „Kabinett Drautzburg“ im Erdgeschoss.
Kirsten Klöckner nahm an der Eröffnung der Ausstellung teil
und ist eine besonders eifrige Bloggerin.
WOLF LEO (*1970)
„Der ‚Kunstbegriff ‘ ist so unklar, dass er mich sehr wenig
interessiert - ich denke mehr an Gestaltung von Gedanken,Visionen und Träumen“, sagt Leo.
Seit 1972 trat er mit Buchgestaltungen, Illustrationen und
Plakaten hervor.
Ab 1979 wandte er sich verstärkt freien Arbeiten zu, insbesondere auf den Gebieten der Druckgrafik, der Malerei,
der Plastik und der Installation. In dem Berliner Lokal
STÄNDIGE VERTRETUNG® von Friedel Drautzburg und
Harald Grunert, gestaltete Leo eine Wand, die eindrucksvoll das politische Moment seines Schaffens verdeutlicht.
Wolf Leo nahm an der Eröffnung der Ausstellung teil.
Kalaschnikow, 2001, Objekt
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HANS MARTIN SEWCZ (*1955)
Das künstlerische Schaffen des deutschen Fotografen und
Konzeptkünstlers Sewcs reicht von der dokumentarischen
bis zur subjektiven Fotografie. Zusätzlich hat er sich
ab den 1990er
Jahren auch
als Installationsund
Gorbatschow in Ostberlin, 1987
Videokünstler
einen Namen gemacht. Bereits in der DDR beschäftigte er
sich mit dem Thema „Alltagskultur“.
Sewcz nahm an der Eröffnung der Ausstellung teil.
BEN WAGIN (*1930)
Der Aktionskünstler, Theatermacher und Umweltaktivist
setzt sich mit seinen Projekten europaweit für den Erhalt
der Natur und ein besseres Verhältnis und Verständnis des
Menschen zur Natur und speziell den Bäumen ein, so bei
seinem Langzeitprojekt „Parlament der Bäume“ am Schiffbauerdamm, einem Gedenkort für die Todesopfer an der
Berliner Mauer. 1985 erhielt er für sein Engagement das
Bundesverdienstkreuz.
Sammler Drautzburg kennt Ben Wagin bereits seit den
1960er Jahren, wo dieser sich mit Künstlerkollegen wie
Vostell, Staeck, Beuys u.a. polit-künstlerisch engagierte,
jedoch dem sogenannten Künstlerbetrieb bald den Rücken
kehrte und gänzlich eigene Wege ging, bis heute, wo ihn
die Fachwelt inzwischen „Mauerkünstler“ nennt.
Wittlich besitzt übrigens ein besonders qualitätvoll von
Ben Wagin gestaltetes Original-Segment der Berliner Mauer - gestiftet vom Sammler Drautzburg.
Sein großformatiges Bild „Gorbatschow“ von 1993 an der
Stirnwand trägt die Signatur von Gorbatschow.
Während der Ausstellungsdauer kann
eine Miniatur mit zwei gekreuzten
Mauerteilen in einer 48er Auflage zum
Preis von 500 Euro /statt später 600
Euro) erworben werden. Jede Plastik
ist einzeln und individuell von Wagin
bearbeitet (somit ist jede Miniatur auch
ein Unikat), nummeriert und signiert.
Der Erlös dient der Unterstützung von
Ben Wagins „Parlament der Bäume“.
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DETLEF WASCHKAU (*1961)
„Der künstlerische Ansatz bei Waschkau liegt vorrangig in
der prozesshaften Arbeitsmethode und im Erforschen der
sublimen Verbindung zwischen Malerei und Bildhauerei.”
(Peter Funken)
Im Jahre 2013 hat sich Detlef Waschkau ein Jahr lang mit
dem Projekt „Willy Brandt – 100 Jahre“ intensiv auseinandergesetzt. Aus einer großen Berliner Ausstellung ist ein
wichtiges Unikat – als
komplizierte Holzschnittarbeit - sowie ein entsprechendes Brandt-Porträt
als Grafik zu sehen.
Im Rahmenprogramm zur
Ausstellung (s.S.2): Lars
Brandt im Gespräch mit
dem Sammler und dem
Künstler Detlef Waschkau
zu den Portraits von Willy
Brandt, von denen zwei in
der Ausstellung präsentiert sind.
AM ENDE DES GANGS
GERHARD RICHTER (*1932)
Der Maler, Bildhauer und Fotograf ist heute der teuerste
Künstler weltweit. Zu Beginn der 1960er Jahre benutzte er
erstmals Fotografien als Vorlagen für Gemälde, ein Verfahren, das er danach regelmäßig aufgriff. Es handelt sich um
beiläufige Motive aus Zeitungs- und Illustriertenausschnitten (später auch auf eigenen Aufnahmen beruhend), die er
abmalend vergrößert und überwiegend in Grau-Weiß auf
die Leinwand überträgt und damit überhöht. Diese dem
Fotorealismus nahe Methode ist durch eine verwischt wirkende Unschärfe gekennzeichnet, die den Realismus der
Vorlagen verfremdet.
Im Mai 2013 erzielte Richters Werk „Domplatz, Mailand“
von 1968 bei den Frühjahrsauktionen von Sothebys, New
York, den bis dahin höchsten für ein Werk eines lebenden
Künstler gezahlten Preis von 29 Mio. Euro (37,1 Mio. Dollar). Für die Südquerhausfassade des Kölner Doms gestaltete Richter 2007 ein 113 m² großes Fenster.
Willy Brandt, Kopf geneigt, 2013
Holzrelief
GANG RECHTE SEITE
FOTOGRAFIEN
Die gezeigte Richter-Arbeit hat Drautzburg zwei Jahre
nach dem Übertritt Richters aus der DDR erworben. Das
Bild ist ein Teil einer früheren Richter-Aktion, indem er
große Leinwände oder Bildflächen zerschnitt, um die kleinen Einzelteile als selbständige Kunstwerke lebendig werden zu lassen. Diese Zeit nannte Richter gemeinsam mit
seinem Freund Sigmar Polke „Kapitalistischer Realismus“,
um den DDR-Sozialistischen-Realismus zu karikieren.
Hier finden Sie Fotografien international bekannter und
renommierter Fotografen wie →Klaus Behr, →Robert Lebeck, →Camillo Fischer und →Konrad Rufus Müller.
GANG LINKE SEITE
WEITERE WERKE
Mit Arbeiten von →Christo, →Siegfried Neuenhausen,
→Rafael Canogar und →Gerhard Richter.
Interessant ist Canogars Siebdruck „La Detención“ von
1972, auf dem ein am Boden liegender, sich schützender Demonstrant von einem Mann brutal zusammengetreten wird.
Direkt daneben hängt ein aktueller Zeitungsartikel der „taz“
mit einem Bild, welches einen engen Berater des türkischen
Präsidenten Erdogan zeigt, der brutal auf einen demonstrierenden Minenarbeiter eintritt. Für Drautzburg ein erschreckendes Indiz dafür, wie sich auch über 40 Jahre später die
„Bilder der Politik“ ähneln.
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Die signierte Rückseite des
Richter-Bildes
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KURZE ANMERKUNGEN
ZU DEN KÜNSTLERN A-Z
KLAUS BEHR (*1941)
Seit der 1960er Jahren ist er als Portraitfotograf und Dokumentator u.a. für den „Spiegel“ tätig. Seine Künstlerportraits
von Maria Callas, Joseph Beuys und Andy Warhol (wie in der
Ausstellung zu sehen), werden heute national und international hoch gehandelt. Die ausgestellten Fotografien von Helmut
Schmidt und Klaus von Dohnanyi wurde von den Portraitierten selbst gegensigniert.
VICTOR BONATO (*1934)
Der gebürtige Kölner Künstler begann 1966 seine freiberufliche Tätigkeit als Künstler und arbeitete an Glasspiegelungen
unter dem Aspekt der Irritation von Seh- und Verhaltensgewohnheiten.
RAFAEL CANOGAR (*1935)
Spanischer Maler und Bildhauer. Er gilt als Vertreter des Expressionismus und der Abstrakten Malerei und behandelt
häufig sozialkritische und politische Themen.
CHRISTO (*1935)
Gemeinsam mit seiner Frau Jeanne-Claude (*1935 †2009)
wurde das Künstlerehepaar in Deutschland insbesondere
durch die Verhüllung des Reichstags 1995 bekannt. 23 Jahre mussten beide beharrlich arbeiten, bis es zur Verhüllung
des Reichstags kam. Mit der Unterstützung der damaligen
Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth leisteten die Christos Überzeugungsarbeit bei den Mitgliedern des Deutschen
Bundestages, bis dieser nach einer emotional geführten Debatte dem Vorhaben zustimmte. Prominenteste Gegner der
Durchführung der Verhüllung waren Helmut Kohl und Wolfgang Schäuble. Sie waren der Überzeugung, dass der deutsche
Reichstag keiner Aufwertung durch eine Verhüllung bedürfe
und empfanden das Angebot als Kränkung. Zwischen der jeweiligen Entstehung der beiden ausgestellten und von Christo
signierten Bilder liegen 40 Jahre und zeigen zum einen das
noch unperfekt verpackte Amerika-Haus und den später sehr
gekonnt und elegant verhüllten Reichstag.
MICHAEL DANNENMANN (*1959)
Er ist „der“ Düsseldorfer Promifotograf, der neben Fotos für
den Stern bis zur Vogue besonders auf den feinsinnigen Dialog
mit seinen Gegenübern setzt. Er machte Portraits von Dennis
Hopper oder Gerhard Schröder oder Künstlern wie Stephan
Balkenhol oder Pipilotti Rist. Besonders bekannt aber sind seine Portraits des Künstlers Jörg Immendorf aus über 20 Jahren,
in denen rund 3000 Portraits entstanden. Dannenmann ist gewissermaßen der →Lothar Woleh von heute.
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GERTRUDE DEGENHARDT (*1940)
Die deutsche Lithografin und Zeichnerin ist eine genaue und
lachende Beobachterin von Menschen im Allgemeinen und
deren Charaktere. Sie spricht über die Menschheit, offenbart
uns unsere eigene Absurdität und erinnert uns an eine unserer
wenigen erlösenden Kräfte: die Musik. Alles Ernsthafte und
auch Komische wird in Übertreibung zur Groteske. Drautzburg machte mit der Schwägerin des bekannten Liedermachers Franz-Josef Degenhardt bereits mehrere Ausstellungen
und besitzt eine größere Anzahl ihrer recht unbekannten und
seltenen „Frottagen“, wovon eine in der Ausstellung zu sehen
ist.
ADRIAN (AD) DEKKERS (*1938 †1974)
Der niederländische Bildhauer und Reliefkünstler ist stark von
Piet Mondrian beeinflusst. Während er in den Jahren 1959 bis
1963 noch mit asymmetrischen Formen arbeitete, entwickelte
er bei bildhauerischen Arbeiten eine symmetrische Formensprache. Teilnehmer 1967 auf der Expo in Montreal und der
Biennale von São Paulo und 1968 der documenta 4 in Kassel.
(Raum IV.)
PERSIS EISENBEIS (*1969)
Die Künstlerin verbrachte ihre Schulzeit in der reformpädagogisch geprägten Summerhill Internatsschule in Leiston (Suffolk, England) sowie unter den avantgardistischen musikalischen Äußerungen solch bahnbrechender Bands wie Bauhaus,
The Clash, Crass und Die Goldenen Zitronen. Das war der
verwirrende Sound der Achtziger,
geprägt durch Punk und melancholisch kaltblauen Synthie-Pop.
In ihrer Kunst verwendet sie Fotografien aus Zeitungen, Modeillustrierten oder Bildlexika als
Vorlage und assoziiert neue eigenständige Bildwelten „Die assoziative
Bildentwicklung führt im Ergebnis
zu überraschenden Bildkomplexen,
die allen deutenden Sinnvorstellungen des Betrachters gegenüber offen
o.T., 2013, Öl auf Leinwand
sind“, beschreibt Harald Kohlmetz
ihre Kunst in einer Broschüre der
Hamburger Galerie Rose. Sie studierte bei Prof. Daniel Richter
an der UDK Berlin und lebt und arbeitet seit 1991 in Berlin.
CAMILLO FISCHER (*1920 †2009)
Der sehr bekannte deutsche Bildjournalist und künstlerische
Fotograf Fischer wurde von Konrad Adenauer wegen seines
Vornamens und seines schelmischen Naturells „Don Camillo“ genannt. Während seiner Lebenszeit entstanden über zwei
Millionen S/W-Aufnahmen von lokalen, nationalen und internationalen Persönlichkeiten: John F. Kennedy, Konrad Adenauer, Willy Brandt, Walter Scheel, Herbert Wehner, Helmut
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Schmidt, Johannes Paul II., Mutter Teresa, dem Dalai Lama,
Chruschtschow, Petra Kelly und zahllosen anderen. Er galt neben Jupp Darchinger - als der Starfotograf des politischen
Bonns der 70er Jahre. Das ausgestellte Bild vom Dalai Lama
wurde vom Portraitierten selbst gegensigniert.
HERMANN GOEPFERT (*1926 †1982)
Innerhalb der ZERO-Bewegung vertrat er die Integration
von Kunst und Architektur am stärksten. „Licht ist Form“,
lautete das Credo von Goepfert, der die ästhetische Qualität
des Lichtes durch vorgeformte Instrumente sichtbar machen
wollte. 1964 wurden sowohl seine Aluminiumreflektoren als
auch sein Optophonium (Licht-Ton-Maschine) auf der documenta 3 in Kassel gezeigt und im selben Jahr wurde er zu den
ZERO-Ausstellungen in London und Philadelphia geladen.
GÜNTER GRASS (*1927)
Der deutsche Schriftsteller, Bildhauer, Maler und Grafiker
Grass war Mitglied der Gruppe 47 und gilt als einer der bedeutendsten deutschsprachigen Autoren der Gegenwart. Mit
seinem ersten Roman Die Blechtrommel gelang 1959 dem
damals 31-jährigen der literarische Durchbruch. Seine Bücher
wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt. Im Jahr 1999 erhielt
er den Nobelpreis für Literatur.
Drautzburg machte 1969 und 1973 gemeinsam mit Grass eine
Wahlkampftour für Willy Brandt. So wird Drautzburg auch
im „Tagebuch einer Schnecke“ von Grass mehrmals und originell erwähnt. Im Rahmenprogramm zur Ausstellung gibt
es eine Lesung mit dem Autor Kai-Uwe Schlüter, der diese
Zeit in seinem Buch sehr anschaulich schildert (siehe Seite 2).
Drautzburg besitzt zahlreiche Grafiken von Grass, doch für die
Ausstellung wählte er die eher ungewöhnliche Arbeit „Waldlandschaft auf Moen“ (2000).
EWERDT HILGEMANN (*1938)
Der deutsch-niederländische Künstler wurde insbesondere
durch seine sogenannten Implosionen bekannt. SeineArbeiten
der 1960er und 1970er Jahre sind geprägt durch seriell-minimalistische Installationen aus Stangen beziehungsweise Röhren („Space Structures“) aus Polyester oder auch Stahl, durch
abstrakt-geometrische Holzskulpturen, die meist aus dem Kubus hervorgehen, sowie durch Reliefs aus vielen kleinen Holzstäben. (Raum IV.)
THOMAS HÖPKER (*1936)
Der deutsche Fotograf und Dokumentarfilmregisseur lebt seit
1976 in New York City. Höpker wurde 1989 Vollmitglied in
der Agentur Magnum Photos und war von 2003 bis 2007 ihr
Präsident. Höpker über sich: „Ich bin kein Künstler. Ich bin
ein Bilderfabrikant.“ Er hat im Auftrag und als bekennender
Sympathisant der sozialdemokratischen Wählerinitiative deren wichtigste Leitfigur Günter Grass für ein Werbe-Poster
portraitiert (hier von Grass signiert).
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ROBERT LEBECK
(*1929 †2014)
Er war einer der größten Fotochronisten unserer Zeit. Für
seine Fotos reiste er um die
ganze Welt, fotografierte die
Reichen in Monte Carlo ebenso
wie Tagelöhner in Indien. Ob Romy Schneider mit Schiebermütze, Joseph Beuys mit der Axt, Jacky Kennedy bei der Beerdigung ihres Mannes US-Präsident John F. Kennedy, Willy
Brandt bei seinem Kanzler-Rücktritt oder Alfred Hitchcock
hinter der Tür - Lebecks Fotos hielten große Momente des 20.
Jahrhunderts fest. In der Ausstellung zu sehen ist ein Portrait
von Romy Schneider, welches auch in der großen Ausstellung
„Romy“ in der Bundeskunsthalle in Bonn 2013 zu sehen war.
OTTO HEINZ MACK (*1931)
Er gründete mit Otto Piene die international einflussreiche
ZERO Gruppe, der später der jüngere Günter Uecker beitrat.
Bekannt geworden ist Mack durch seine experimentellen
Lichtreliefs sowie seine Licht-Installationen in der Wüste, die
zu den frühesten Beispielen der Land Art zählen. Er ist mehrfacher documenta-Teilnehmer und vertrat 1970 Deutschland
auf der Biennale in Venedig. (siehe Raum IV.)
GEORG MEISTERMANN (*1911 †1990)
Der Maler, Zeichner und Grafiker schuf über eintausend Glasfenster an rund 250 Orten in Europa. Einen Teil des künstlerischen Nachlasses beherbergt die „Städtische Galerie für
moderne Kunst“ in Wittlich. Weiter sind in Wittlich in elf Gebäuden 40 Glasmalereien von Meistermann zu sehen.
Drautzburg ist durch den früheren kunstsinnigen Wittlicher
Bürgermeister Mehs schon als Zehnjähriger mit dem Namen
Meistermann konfrontiert worden und hat seitdem den „Wittlicher“ Meistermann aufmerksam verfolgt und kann zwei
Arbeiten zeigen. In Kürze wird das wohl bekannteste Meistermann-Werk, das legendäre Willy-Brandt-Portrait, in einer
Sonderausstellung durch den damaligen Büroleiter Brandts
und „Wiederentdecker“ des Portraits, Hanns-Henning Rosen,
in Wittlich vorgestellt und die Odyssee des Werks erzählt.
(siehe Rahmenprogramm Seite 2)
KONRAD RUFUS MÜLLER (*1940)
Er ist einer der renommiertesten deutschen Portraitfotografen
der Nachkriegszeit. Er hat sämtliche Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland fotografiert, allerdings Adenauer,
Erhard und Kiesinger erst nach deren Amtszeit. Neben Politikerfotos hat Müller über Jahrzehnte Aufnahmen von Autoren,
Musikern, Schauspielern, Bergsteigern, Einsiedlern und anderen gemacht. Landschaftsaufnahmen und Reportagen für die
Magazine der Süddeutschen Zeitung, DIE ZEIT, den STERN,
Profil, L‘Express, Time Magazine zeigen weitere Facetten seines Schaffens. Er war bei der Ausstellungseröffnung anwesend.
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ARMIN MÜLLER-STAHL (*1930)
Als einziger deutscher Filmschauspieler erhielt er in beiden
deutschen Staaten und auch in Hollywoods Filmindustrie große Anerkennung, welche ihm unter anderem zwei Oscarnominierungen einbrachte. Müller-Stahl ist aber auch ausgebildeter
Violinist und Schriftsteller. In den letzten Jahren beschäftigt er
sich fast ausschließlich nur noch mit der Malerei. Eine Welle
bedeutender Ausstellungen, Buchveröffentlichungen und Bildbände folgten. Wie ein Besessener verbringt er Tag und Nacht
in seinem Atelier, weiß Drautzburg, der seit vielen Jahren mit
ihm bekannt ist. Beide treffen sich oft auf Ausstellungen im
In- und Ausland, tauschen sich aus und haben sich gegenseitig
sehr schätzen gelernt. Selbstverständlich also, dass Drautzburg
auch Werke von ihm besitzt, so ein Portrait von Willy Brandt.
2011 portraitierte Müller-Stahl auch den Sammler Drautzburg
(siehe Seite 3).
TONY MUNZLINGER (*1934)
Der in Wittlich geborene deutsche Maler und Cartoonist ist
auch als Filmemacher, Satiriker und Designer tätig. Unzählige
Bücher der Weltliteratur sind von ihm illustriert worden. Sein
bekanntestes Werk ist das 1965 erschienene und heute vergriffene Buch „Jazz“. Die ausgestellte Serie der „Farphalli (Pimmel-Mappe)“ haben Munzlinger und Drautzburg gemeinsam
1972 als Edition gedruckt und herausgegeben.
LUIS MURSCHETZ (*1936)
Der Karikaturist und Kinderbuchautor zeichnet zunächst ab 1967 für die
Süddeustche Zeitung und von 19712010 als Nachfolger von Paul Flora
politische Karikaturen für die Wochenzeitung DIE ZEIT.
Das ausgestellte Cartoon zeigt Willy Brandt
als „Eastern Rider“ (Hinweis auf die Ostpolitik Brandts). Diese Originalgrafik ist
von Brandt signiert und wurde Vorlage
für eine riesige Plakataktion der SPD, allerdings ergänzt durch Vizekanzler Scheel
und Franz Josef Strauß - im „Oppositionsqualm“ stehend.
SIEGFRIED NEUENHAUSEN (*1931)
Die Werke Neuenhausens zeigen gesellschaftliche Widersprüche, orientieren sich an Themen der Gesellschaftspolitik und
nutzen Kunst zur Emanzipation des Menschen. Seine Darstellung wurde im Laufe seines Schaffens radikaler und politischer, so setzte er gefolterte und torsohafte Menschen in Kisten, auf Stühle, und heftete sie als Kleiderrest an Bretterwände.
Sehr bekannt ist das sich in der Sammlung Drautzburg befindliche und im Kabinett Drautzburg gezeigte Werk „Georgios
Papadopoulos macht‘s möglich“. (Papadopoulos war füh28
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render Kopf der griechischen Militärdiktatur.) Gegen Abend
des 21. April 1967 waren über 10.000 Personen von schwer bewaffneten Soldaten in Athen, Piräus, Patras und Thessaloniki
verhaftet worden. Unter ihnen alte Widerstandskämpfer, Hunderte von Funktionären und aktive Mitglieder aller politischen
Parteien, der Gewerkschaften, der Jugendorganisationen und
die meisten Minister der amtierenden Regierung, Dutzende
von Abgeordneten, hohen Verwaltungsbeamten, zahlreiche
Journalisten, Rechtsanwälte, Schriftsteller und Schauspieler.
MARTIN NOëL (*1956 †2010)
Über seine Arbeiten schrieb die FAZ in einem Nachruf, dass
das Auge des Künstlers stets das Übersehene fand: Seine
Zeichnungen „erzählen von einer seltenen Fähigkeit, sich hineinzufühlen in die Wirkung von Linien, Kreisen, Flächen und
allen Formen von Sichtbarkeit. Seine Aufmerksamkeit galt den
Rissen in den Wänden und dem bizarren Muster einer zerborstenen Fensterscheibe.“ Noël war ein sehr guter Freund
von Drautzburg, dessen Tod ihn sehr erschüttert und mitgenommen hat.
CARL NONN (*1876 †1949)
Nach einigen Ausstellungen schlossen sich 1909 mehrere
Bonner Künstler zum Bonner Künstlerbund unter Vorsitz des
Malers Nonn zusammen. Ab 1912 war er an Ausstellungen in
Köln und Düsseldorf beteiligt. 1913/14 machte er die Bekanntschaft von August Macke. Drautzburg hat sich in die hier gezeigte Arbeit „Eifellandschaft“ so verliebt, dass er keine Kosten
scheute, sie zu besitzen (typisch heimatverliebter Sammler).
OTTO PIENE (*1928 †2014)
Er gründete mit Heinz Mack die international einflussreiche
ZERO Gruppe. Er gilt als ein Wegbereiter der Licht- und
Feuerkunst sowie der Sky-Art-Aktionen. Eine Gastprofessur
führte ihn bereits 1964 an die University of Pennsylvania. 1972
wurde er Professor der Umweltkunst am Massachusetts Institute of Technology, das ihn 1974 zum Direktor des CAVS berief, dessen Leitung er bis 1994 innehatte. (Raum IV.)
Bis zum 31.08.2014 ist in der Neuen Nationalgalerie in Berlin eine große Ausstellung zu sehen, bei der drei Projekte den
Blick auf die experimentelle Haltung von Otto Piene lenken.
Im Mittelpunkt stehen künstlerische Ansätze der 1960er und
frühen 1970er Jahre. Tragisch: Ein Tag nach der offiziellen Eröffnung am 17. Juli 2014 starb er während einer Taxifahrt in
Berlin.
HANNS SCHERL (*1910 †2001)
Natürlich ist für den Sammler Drautzburg die hier gezeigte Arbeit eines weitläufigen Verwandten des in Wittlich sehr beliebten Robert Drautzburg von besonderer
Bedeutung gewesen, um sie zu erwerben. Außerdem war
der geachtete Wittlicher Bildhauer in den letzten Jahren
oft ein interessanter Gesprächspartner für Drautzburg.
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JACQUES SEHY (*1945)
Der Fotograf Sehy setzt das Licht kalkuliert ein. Seine Bildkompositionen sind Produkt eines virtuosen Spiels mit der
variationsreichen Topographie des Körpers, mit Flächen und
Linien, die sich allein aus Kontrasten, Nuancierungen und Abstraktion der Schwarz-Weiß Fotografie ergeben.
Das in der Ausstellung gezeigte Portrait des Sammlers ist
eine „Lichtzeichung“ aus der Reihe „99 Berliner Kulturköpfe“
(Künstlerhandabzug, signiert Expl. 2/14).
WILHELM TERWEI (*1875 †1946)
Er machte sich zunächst als Kirchenmaler, später als Landschaftsmaler einen Namen. Rund 700 Gemälde, hauptsächlich
in Öl, dazu Plastiken und viele Zeichnungen und Skizzen umfasst sein Lebenswerk. Natürlich war dieses von Fachkreisen
als besonders wertvolles Öl für den Sammler mit besonderer
Anziehungskraft versehen, weil es den weltberühmten Weinort Wehlen an der Moselin der Nähe von Wittlich zeigt. Es ist
wieder ein Hinweis des Sammlers ausgeprägte Heimatverbundenheit.
FRED THIELER (*1916 †1999)
Thieler war ein deutscher Maler des Informel. Da er eine jüdische Mutter hatte, wurde ihm das Studium der Medizin verboten, so war er zunächst an einer privaten Malschule, musste
jedoch in den Untergrund gehen, um der Verfolgung der Nazis
zu entgehen. Er arbeitete im Umfeld der „Weißen Rose“ und
mit dem Maler und Widerstandskämpfer Mac Zimmermann
zusammen. Nach dem Krieg studierte er an der Akademie der
Bildenden Künste in München, wo er seine ersten abstrakten
Bilder malte. U.a. mit Willi Baumeister und →Fritz Winter
gründete er die Künstlergruppe ZEN 49. Von 1976 bis 1983
vertrat er die Bundesrepublik in der International Association
of Art (IAA), zu deren Vizepräsident er 1979 gewählt wurde.
1978 wurde Thieler Mitglied der Neuen Darmstädter Sezession und der Akademie der Künste, deren Vizepräsident er von
1980 bis 1983 war.
JEF VERHEYEN (*1932 †1984)
Der belgische Künstler Verheyen lernte Anfang der 1960er Jahre Günther Uecker kennen und nahm seit dieser Zeit an zahlreichen Ausstellungen der ZERO-Gruppe teil und arbeitete mit den Vertretern
der Gruppe zusammen. Beispiele hierfür
sind Verheyens Gemälde, die von Lucio
Fontana zerschnitten wurden oder die
Zusammenarbeit in der Land-Art-Ausstellung Vlaamse Landschappen (Flämische Landschaften) im Jahre 1967. Er
hatte in dieser Zeit die bedeutende Rolle
als Kontaktperson der Gruppe mit den
belgischen Künstlern.
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Timm Ulrichs - Ich kann keine Kunst mehr sehen,
1975/2002, Ellen Poerschke, Grafik/Offsetdruck
TIMM ULRICHS (*1940)
„Künstler wird man durch Entschluss, nicht durch Talent“,
bekannte Ulrichs im September 1985 gegenüber dem Zeit
Magazin. Als „Totalkünstler“ ist Ulrichs seit 1959 aktiv. 1961
erklärte er sich zum „ersten lebenden Kunstwerk“ und organisierte 1966 eine öffentliche „Selbstausstellung“ in Frankfurt
am Main. Er ist emerierter Professor für Kunst. 2010/2011
widmeten das Sprengel Museum und der Kunstverein Hannover „dem Pionier der Konzeptkunst und selbst ernannten
«Totalkünstler» Timm Ulrich eine große Retrospektive unter
dem Titel „Betreten der Ausstellung verboten“.
STEFAN WEWERKA (*1928)
Der Architekt, Designer und Künstler
entstammt einer traditionellen Künstlerfamilie und arbeitete nach seinem Architekturstudium ab Ende der 1950er Jahre
zunehmend als Freier Künstler. In den
1960er Jahren begann er mit den Zerschneidungen und Umbauten vor allem
von Stühlen, aber auch anderen Alltagsobjekten wie Münzen, Besteck, Fahnen,
Schallplatten usw. Ein solcher zerschnittener Stuhl befindet sich auch in der
Sammlung Drautzburg (zu sehen im Durchgang zum Raum
→Günther Uecker). Wulf Herzogenrath (damals Direktor
Kunsthalle Bremen) sagte über den vielfältigen Künstler anlässlich einer Ausstellungseröffnung, Wewerka sei „ein Einzelgänger wie kaum ein anderer, nicht zuzuordnen und doch nah
an der Zeit, an dem Zeitgeist dran, dem er immer davonjagte“.
FRITZ WINTER (*1905 †1976)
Zum 60. Geburtstag wurde Winter 1965 und 1966 als einer der
wichtigsten abstrakten Nachkriegskünstler in Deutschland mit
großen Retrospektiven in Kassel, Koblenz, Hannover, Mannheim, Düsseldorf, Stuttgart und Berlin gewürdigt. Er studierte
am BAUHAUS bei Josef Albers und Wassily Kandinsky, erhielt
sein Diplom mit einer positiven Beurteilung von Paul Klee. Er
nahm an der documenta 2 und 3 teil. In der Nachkriegszeit
wurde er Gründungsmitglied der Künstlergruppe „ZEN 49“
in München (u.a. mit →Fred Thieler), und sein Haus wurde zu
einem lebendigen Treffpunkt der aktuellen Kunstszene.
LOTHAR WOLLEH (*1930 †1979)
Der deutsche Fotograf arbeitete zunächst als Werbefotograf,
bevor er anfing, international bekannte Maler, Aktionskünstler und Bildhauer zu portraitieren. Insgesamt wurden dabei
109 Künstler fotografiert, darunter bekannte Persönlichkeiten
wie Georg Baselitz, Joseph Beuys, Dieter Roth, Jean Tinguely,
René Magritte, Günther Uecker, Gerhard Richter oder Christo.
Das Wolleh-Portrait von Uecker wurde von diesem übernagelt
und ist in dem Drautzburg-Konvolut in Schwerin ein besonders künstlerisches Juwel.
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DIE SAMMLUNG
FRIEDEL DRAUTZBURG
BEUYS
UECKER
VOSTELL
STAECK
ZERO
UND VIELE WEITERE KÜNSTLER
DER
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