Anlege Praxis

Transcrição

Anlege Praxis
Offshore Boote ANLEGE-PRAXIS
Immer mit der Ruhe!
Hafenmanöver mit
zweimotorigen
Yachten: Wie man
sein Schiff am
Stand dreht, wie
man sicher anlegt,
den Liegeplatz
kontrolliert verlässt
und welche Rolle
der Wind dabei
spielt
nlegemanöver bereiten so manchem
Skipper Magenschmerzen. Wer pro
Jahr nur eine, maximal zwei Urlaubswochen auf einer Motoryacht veritabler
Größe unterwegs ist, dem fehlt es zwangsläufig an Routine und entsprechendem
Know-how. Das Resultat mangelnder Übung
ist in den Marinas zu beobachten; stattliche
Yachten hängen wie zappelnde Fische mit
dem Propeller in der Muring, wild gestikulierende Skipper brüllen die eingeschüchterte Crew an.
Solche Szenarien müssen nicht sein. Das
Anlegen mit einer Motoryacht ist genau so
einfach wie das Einparken mit dem Auto. In
beiden Fällen müssen die Umgebungsbedingungen beachtet werden – beim Autofahren
ruhender und fließender Verkehr, beim
Yachting Stärke und Richtung des Windes.
Am Schiff kommt außerdem die Einbeziehung der Mannschaft dazu, denn der beste
Skipper steht auf verlorenem Posten, wenn
die Crew nicht weiß, was zu tun ist.
A
Wind
Kommunikation als
Basis zum Erfolg
Die Mannschaft ist das Spiegelbild des Skippers, heißt es, seine Erfahrung sollte in ihre
Handlungen einfließen. Ein umsichtiger
Schiffsführer führt eine Einschulung der
Crew vor Törnbeginn durch, egal, ob es sich
um erfahrene Seebären oder blutige Anfänger handelt. Jede Person bekommt einen
bestimmten Aufgabenbereich zugeteilt
(Muring, Holeleine, Festmacher in Luv bzw.
Lee, …), für den sie während des ganzen
Törns zuständig ist. So werden die Handgriffe im Lauf der Urlaubswoche zur Routine,
die Manöver immer besser.
Damit ist es aber nicht getan. Der Skipper
sollte jedes (!) bevorstehende Manöver besprechen, detaillierte Anweisungen für alle
Crewmitglieder inklusive. Für haarige Situationen muss darüber hinaus ein Alternativbeziehungsweise Notprogramm (z. B. was
tun, wenn ein Manöver abgebrochen werden
muss) erstellt werden. Nur wer weiß, was
der Skipper vorhat, kann zur rechten Zeit
den rechten Handgriff ausführen.
Nicht minder wichtig ist die Kommunikation mit dem Marinaio oder Helfern an
Land. Kommt man als Skipper zum Schluss,
dass der vom Marinaio vorgeschlagene Platz
aus irgendeinem Grund (Wind, schmale Boxengasse, etc.) nicht geeignet scheint, sollte
man sich nicht scheuen, das deutlich kundzutun (Zuruf!), und eine Alternative vorschlagen.
Offshore Boote
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Offshore Boote ANLEGE-PRAXIS
DREHEN AM STAND
1
1
In Hafenbereich wird fast ausschließlich
mit Ganghebeln manövriert. Zuvor unbedingt
Ruderblätter in neutrale Postion bringen
Erstes Kennen Lernen
Bevor man das erste Mal anlegt, sollte man
sich mit den Eigenheiten der Yacht vertraut machen. Motoryachten werden im
Hafen- und Marinabereich nicht mit dem
Rad, sondern den Ganghebeln gesteuert:
Die Ruder werden in neutrale Position
(siehe Ruderlagenanzeiger) gebracht, dann
legt man beispielsweise auf Steuerbord den
Rückwärtsgang ein und kuppelt nach ein
paar Sekunden wieder aus. Mit einer gewissen Zeitverzögerung wird die Yacht
nach Steuerbord drehen. Durch mehrfaches
Wiederholen des Gangwechsels erreicht
man eine kontrollierte Drehung. Diese beliebig ausbaubare Übung (Backbord Vorwärtsgang, Steuerbord Retourgang, etc.)
gibt einen guten Eindruck von der
Manövrierbarkeit der Yacht. Bei manchen
Booten packen die Propeller derart kräf-
2
2
Dann legt man beispielsweise auf Steuerbord den Vorwärtsgang, auf Backbord den Retourgang ein. Die Yacht dreht sich auf
der Stelle nach links
tig zu, dass man den Gang schon nach wenigen Sekunden herausnehmen muss, um
nicht zu schnell zu werden, auf anderen
kann man den Gang länger eingelegt lassen. Fallweise gibt es sogar Situationen,
die eine Beschleunigung der Drehung
durch einen kurzen Gasstoß verlangen.
Letzteres ist die Ausnahme von der Regel
und nur mit Vorsicht zu genießen – zu hohe
Geschwindigkeit und daraus resultierende
Hektik sind nämlich die häufigsten Ursachen misslungener Manöver.
Sobald man mit dem Schiff vertraut ist,
prüft man die Situation vor Ort. Man sucht
sich einen freien Platz oder nähert sich der
vom Marinaio zugewiesen Parklücke. Auf
dem Weg dorthin beurteilt man Windrichtung und -stärke, legt sich die Anlegetaktik
zurecht, bespricht sie mit der Crew, lässt
Fender in der richtigen Höhe ausbringen und
legt an.
Zweimotorige Yachten können am Stand gedreht werden. Diese Tellerdrehung ist Basis
fast jedes Manövers und wird folgendermaßen ausgeführt: Man stellt die Ruder in
neutrale Position, dann legt man auf Steuerbord den Vorwärtsgang, auf Backbord den
Retourgang (Bildserie 1) ein. Die Yacht
dreht sich augenblicklich gegen den Uhrzeigersinn (nach links) um die eigene Achse.
Damit die Drehung nicht zu schnell wird,
kuppelt man zwischendurch immer wieder
aus, dann wieder ein. Auf diese Weise bleibt
das Geschehen gut kontrollierbar.
Muss man auf engem Raum manövrieren,
ist geringe Schiffsgeschwindigkeit oberstes
Gebot. Zweimotorige Yachten bleiben auch
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Offshore Boote
2
Sobald man auf Steuerbord
den Retourgang einlegt, biegt die
Yacht scharf nach rechts ab
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Dreht sich die Yacht zu schnell, kann
man dazwischen immer wieder auskuppeln,
dann die Gänge wieder einlegen
ohne Fahrt manövrierfähig; der Steuermann
hat also ausreichend Zeit, sein Manöver
ohne Hektik auszuführen. Entschlossenheit
in Form eines wohldosierten Gasstoßes ist
lediglich bei Seitenwind gefragt, weil Motoryachten aufgrund geringer Lateral- und
hoher Windangriffsfläche schnell seitlich abtreiben.
Im Marinabereich wird daher ausschließlich mit Standgas gefahren. Es empfiehlt
sich, die beiden Maschinen zwischen „Vorwärts“ und „Neutral“ hin- und her zu schalten, um nicht zu schnell zu werden. Dabei ist
es nicht notwendig, beide Ganghebel gleichzeitig zu bedienen, man kann durchaus abwechselnd auskuppeln. An der Fahrtrichtung
ändert sich dabei (fast) nichts.
Befindet sich die Yacht in langsamer Geradeausfahrt, werden – aufgrund der besseren Hebelwirkung – Richtungsänderungen
mit dem Retourgang durchgeführt. Legt
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Dreht sie sich zu langsam, beschleunigt man die Drehung mit
ein paar Gasstößen. Vorsicht: Yachten reagieren immer mit einer
gewissen Zeitverzögerung
man Steuerbord den Retourgang ein, wird
die Yacht nicht nur langsamer, sie dreht auch
augenblicklich nach Steuerbord (Bildserie
2). Viel träger ist hingegen die Reaktion bei
einem konventionellen Drehversuch, bei
dem an Backbord der Vorwärtsgang ein- und
Ruder gelegt wird: Das Boot dreht zwar
ebenfalls nach Steuerbord, aber erst nach geraumer Zeit und in einem großen Bogen.
Außerdem wird das Schiff dabei schneller,
ein meist unerwünschter Effekt (Bildserie 3).
Anlegen mit dem Heck
zur Mole
Römisch-katholisch wird diese Variante des
Einparkens im Volksmund genannt. Die wichtigste (und am häufigsten missachtete) Regel
dabei lautet: Bei Seitenwind jedes Manöver
mit dem Heck zum Wind einleiten.
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Im Umgang mit den Gashebeln sollte man daher behutsam und geduldig sein
Und so wird’s gemacht: Man fährt mit
dem Heck gegen den Wind und dreht das
Schiff vor der Parklücke mit Hilfe entsprechender Gangwechsel (Bildserie 4). Das gelingt in der Praxis sehr gut, weil die Stärke
der Drehbewegung dank Doppelmotorisierung dem auf den Bug wirkenden Winddruck genau angepasst werden kann. Die
Ruder stehen dabei in neutraler Stellung.
Legt man das Manöver mit dem Wind,
also falsch an, kommt es zu folgendem
Szenario: Die Zentrifugalkraft – entstanden
durch die Drehung des vorderen Teiles der
Yacht – wird durch den Winddruck verstärkt,
der Bug dreht schneller als erwünscht und
schmiert unkontrolliert ab. Ist diese Drehbewegung einmal in Gang, hilft auch kein gegenläufiger Schub der Motoren mehr, sondern nur ausreichend Leeraum, eine Portion
Glück und viele Fender!
Man fährt also mit dem Heck gegen den
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2. KURVE MIT VORWÄRTSGANG: SO NICHT!
1. KURVE MIT RÜCKWÄRTSGANG
Enge Kurven aus langsamer
Fahrt geradeaus immer mit dem
Retourgang einleiten
Das Drehen am Teller ist Basis fast aller
Manöver
Drehen am Stand und
Manövrieren auf
engem Raum
MANÖVRIEREN AUF ENGEM RAUM
1
3
3
Angenehmer Nebeneffekt: Die Yacht
wird bei der Drehung langsamer, was besonders in engen Marinas von Vorteil ist
1
Konventioneller Drehversuch:
Einlegen des Vorwärtsganges an
Backbord, Ruder legen Steuerbord
2
Die Yacht beschreibt einen
großen Bogen …
3
… und wird immer schneller.
Genau das ist in engen Marinas
unerwünscht.
4
Die Kurve wird auch nicht
enger, wenn man Gas gibt. Einzige
Hilfe: Steuerbord retour
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ANLEGEN MIT DEM HECK ZUR MOLE
1
Der Skipper dieser Yacht will auf den freien Liegeplatz am rechten unteren Bildrand. Der Wind weht aus der Boxengasse (Annahme). In diesem
Fall wird die Yacht schon außerhalb der Boxengasse gedreht
5
Die Drehung bleibt so kontrollierbar. Bei kräftigem Wind kann die
Drehung mit kurzen Gasschüben beschleunigt werden. Steht die Yacht vor
dem Liegeplatz, Retourgang einlegen und mit Gangwechseln in die Box fahren
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Er fährt mit dem Heck (!) gegen den Wind bis vor den Liegeplatz und kuppelt währendessen abwechselnd auf Steuerbord und
Backbord immer wieder kurz aus. So wird er nicht zu schnell
Gangwechsel verhindern zu hohe Geschwindigkeit und korrigieren die Richtung (siehe Bild). Mindestens zwei Personen
stehen in der Plicht bereit
Die Annäherung mit dem Heck gegen den Wind ist notwendig,
weil so die Drehbewegung des Buges der Stärke des Winddrucks
angepasst werden kann
Eine Person übernimmt mit dem Bootshaken die luvseitige (!)
Muring und geht damit nach vor zum Bug. Die andere wirft den luvseitigen Festmacher, übernimmt die Holeleine und behält sie an Bord
Wird das Manöver verkehrt herum angelegt, würde der Wind die
Drehung des Buges beschleunigen statt abbremsen – die Yacht würde
abtreiben
Wirft man die Holeleine zu früh ins Wasser, verfängt sie sich häufig im Prop. Sind Muring und Festmacher in Luv fest, leeseitige Leinen befestigen
Wind
Wind
Wind, dreht das Schiff (backbord vorwärts,
steuerbord retour) um 90 Grad und tastet
sich mit gleichzeitigen oder abwechselnden
Rückwärtsschüben (Gangwechsel: retour –
neutral) in den Liegeplatz.
Mit der Übernahme der Muring beginnt
eine heikle Phase: Häufig kommt es vor,
dass der Marinaio statt der luvseitigen die
leeseitige Muring anbietet. In diesem Fall
muss das zuständige Crewmitglied die Übernahme verweigern und vom Marinaio die
luvseitige Muring verlangen, andernfalls
sollte man das Manöver abbrechen. Nimmt
man nämlich die leeseitige Muring an Bord,
treibt diese mit großer Wahrscheinlichkeit
unter das Schiff und verfängt sich in einem
der Propeller.
Ein weiterer Fehler betrifft die Holeleine.
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Offshore Boote
Vielfach wird diese dünne Leine, mit der die
Muring an Land befestigt ist, zurück ins
Wasser geworfen, während ein Crewmitglied
mit der Muring zum Bug geht. Auf zweimotorigen Motoryachten sollte die Holeleine
aber unbedingt an Bord behalten werden.
Am besten bestimmt der Skipper ein Crewmitglied, das sich um nichts anderes kümmert. Befindet sich die Holeleine nämlich im
Wasser, während der Skipper kurz Gas gibt –
beispielsweise um den Abstand zur Mole zu
verändern –, besteht die Gefahr, dass sich
das Tau um einen der Propeller wickelt.
Also: Holeleine an Deck halten, das erspart
den Tauchgang und – viel wichtiger – erhält
die Manövrierfähigkeit.
Im Idealfall positioniert der Skipper beim
römisch-katholischen Anlegen drei Personen
an der Luvseite des Hecks. Eine schnappt sich
mit dem Bootshaken die Holeleine respektive
Muring und geht mit ihr rasch zum Bug. Eine
sorgt dafür, dass die Holeleine nicht zurück
ins Wasser fällt, während die dritte Person
den Festmacher übergibt. Erst wenn all das
erledigt ist, kümmert sich die Crew um leeseitigen Festmacher und Muring.
Ablegen aus römischkatholischer Position
Yachten, die mit dem Heck zur Mole liegen,
sind in der Regel mit zwei Murings befestigt. Beim Ablegen wirft man zuerst die
leeseitige Muring ins Wasser und wartet,
bis sie untergegangen ist. Ist die Muring
staubtrocken, kann das ziemlich lange dauern. Bei der leeseitigen Muring macht das
Warten nichts aus, bei der luvseitigen sehr
wohl, besonders bei starkem Seitenwind. In
diesem Fall ist es ratsam, die Leine vorher
nass zu machen, damit sie schneller sinkt. So
kann der Skipper früher den Vorwärtsgang
einlegen, der Bug treibt nicht so schnell ab
und die Gefahr, mit dem Prop in der eigenen
Muring hängen zu bleiben, ist gebannt.
Das Ablegemanöver gestaltet sich folgendermaßen (Bildserie 5): Die luvseitige Muring wird auf Kommando des Skippers ins
Wasser geworfen, die beiden Festmacher auf
Slip gelegt. Ist die Muring tief genug abgesunken, gibt die Crew dem Skipper ein Zeichen. Er legt auf beiden Maschinen den Vorwärtsgang ein und fährt geradeaus. Verlässt
man die Boxengasse über Backbord (biegt
nach links ab), gibt man auf Höhe der Muring des Nachbarschiffes den Gang der
Backbordmaschine heraus und bringt damit
den Propeller in Sicherheit. Nur von der
Steuerbordmaschine angetrieben, beschreibt
die Yacht einstweilen einen leichten Bogen
nach Backbord. Besteht für den leeseitigen
Propeller keine Gefahr mehr, gibt man auf
Backbord den Retourgang hinein, positioniert die Yacht in der Boxengasse, schaltet in
den Vorwärtsgang und verlässt die Marina.
Ablegemanöver bei
starkem Wind
Verlässt man einen Römisch-katholischen
und der
Wind hat nicht nur zugelegt, sondern bläst anders
als in Bildserie 4 in die Boxengasse hinein, sollte die
Ablegetaktik den geänderten Bedingungen angepasst werden. Besser man
sucht nicht den direkten Weg hinaus, sondern
fährt, wie in Bildserie 5 beschrieben, so weit
nach vor, bis das Heck auf Höhe der Muring
des Nachbarschiffes ist. Dann biegt man
nicht nach Backbord, sondern nach Steuerbord ab und fährt rückwärts aus der Boxengasse. Warum? Bläst der Wind von Backbord, treibt die Yacht derart rasch nach rechts
ab, dass sich der Steuerbordpropeller in
der Muring verfangen könnte. Damit das
nicht passiert, kuppelt man Steuerbord aus.
Liegeplatz
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ABLEGEN OHNE WIND
1
Zuerst werden Muring und Festmacher
in Lee gelöst, dann die
Muring in Luv. Der
Skipper fährt erst los,
wenn das Crewmitglied am Vorschiff
signalisiert, dass die
Muring tief genug gesunken ist. Tipp:
Trockene Muring nass
machen, dann geht sie
schneller unter
2
Ist die Muring gesunken, Vorwärtsgänge einlegen, auf Slip
gelegten, luvseitigen
Festmacher einholen
und losfahren. Sobald
das Heck auf Höhe der
ins Wasser tauchenden Muring des Nachbarschiffes ist, auf
Backbord auskuppeln
(siehe Bild 3)
3
Die Yacht fährt
weiter nach vor und
dreht sich ein wenig
nach links. Durch das
Auskupplen auf Backbord besteht keine
Gefahr, dass sich der
Backbord-Propeller in
der Muring verfängt
4
Sobald man weit
genug von der Muring
entfernt ist, wird auf
Backbord der Retourgang eingelegt. Die
Yacht dreht sich weiter nach links. Passt
die Position, wird
auch auf Backbord
der Vorwärtsgang eingelegt und man fährt
aus der Boxengasse
hinaus
Angetrieben durch die Backbordmaschine,
beschreibt die Yacht eine leichte Kurve nach
rechts. Besteht für den Steuerbordprop keine
Gefahr mehr, legt man kurz den Retourgang
ein, die Yacht richtet sich geradeaus. Danach
schaltet man auf Backbord ebenfalls in den
Retourgang und fährt rückwärts aus der Boxengasse.
Bläst der Wind direkt von vorne auf den
römisch-katholischen Liegeplatz, löst man
zuerst eine der beiden Murings, danach die
Festmacher. Vorsicht ist beim Lösen der
zweiten Muring geboten. Sobald diese
gelockert wird, beginnt das Schiff rückwärts
auf die Mole zu treiben. Man legt daher kurz
auf beiden Maschinen den Vorwärtsgang ein,
fährt aber auf keinen Fall aus dem Liegeplatz, sondern kuppelt wieder aus. Durch
wiederholtes Gang-Einlegen und Auskuppeln
versucht man, das Boot so lange in sicherer
Distanz zur Mole zu halten, bis die Muring
tief genug gesunken ist. Erst dann legt man
den Vorwärtsgang ein und verlässt wie gewohnt den Liegeplatz.
Das Ablegen bei starkem Seitenwind
funktioniert auch mittels Hilfsleine. Man lässt
nur den luvseitigen, achteren Festmacher
belegt und legt sofort am leeseitigen Motor
den Vorwärtsgang ein. Dadurch stabilisiert
sich das Boot praktisch von selbst und bleibt
im rechten Winkel zur Mole liegen. Gibt man
dosiert Gas, dreht der Bug sogar nach Luv.
Auf diese Weise hat man die Yacht trotz Seitenwindes gut unter Kontrolle und kann in aller Ruhe die luvseitige Muring ins Wasser
werfen, warten bis sie absinkt und den Liegeplatz wie oben beschrieben verlassen. Diese
Methode ist vor allem dann angebracht,
wenn in Luv keine Yacht liegt und man der
Muring der in Lee liegenden Nachbaryacht
nicht zu nahe kommen will. Auch in engen
Boxengassen oder Häfen mit wenig Raum
nach Lee macht dieses Manöver Sinn.
Anlegen längsseits zur
Mole
5
Achtung: Würde der
Wind stark von links
wehen, müsste man
nach rechts abbiegen
und mit dem Heck voraus aus der Boxengasse fahren (siehe Kapitel: Ablegemanöver bei
Starkwind)
Weht kaum oder nur wenig Wind, fährt man
einfach mit dem Bug (Bildserie 6) bis knapp
zur Mole, wobei die Ansteuerung in einem
Winkel von etwa 45 Grad erfolgt. Danach
legt man Backbord kurz den Retourgang ein.
Dadurch vergrößert sich der Abstand des
Bugs zur Mole. Um ihn wieder zu verringern, legt man kurz den Vorwärtsgang an
Steuerbord ein. Dieses Prozedere – Backbord retour, Steuerbord voraus, Backbord re-
LÄNGSSEITS ANLEGEN
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LÄNGSSSEITS ANLEGEN (EINDAMPFEN)
1
1
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2
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Beim längsseits
Anlegen langsam
in einem Winkel
von etwa 40 Grad
zur Mole fahren
und zwischendurch immer wieder auskuppeln.
Könner nähern
sich mit etwas
mehr Fahrt im
Schiff
Befindet sich
der Bug knapp vor
der Mole, auf
Backbord den Retourgang einlegen. Die Yacht beginnt sich parallel
zur Kaimauer zu
drehen. Gleichzeitig bewegt sich
der Bug etwas
von der Mole weg
Daher kurz auf
Steuerbord den
Vorwärtsgang einlegen, unmittelbar
darauf auf Backbord den Retourgang. Dieses Spiel
– Steuerbord vorwärts, Backbord
retour – muss
unter Umständen
öfter wiederholt
werden
Bei ablandigem
Wind ist das Eindampfen in die
Vorspring oft die
einzige Möglichkeit, mit einer
Yacht längsseits
zu gehen. Der Anfahrtswinkel sollte
eher steil sein, er
kann 45 Grad
überschreiten
Man fährt
knapp zur Mole,
eine Person legt
die Vorleine (Vorspring) über den
Poller und nimmt
sie unter der Reling zurück. Achtung: Die Leine
darf nicht zu kurz
sein, weil sich das
Schiff sonst nicht
drehen kann
Der Skipper
muss darauf achten, dass er über
den Poller hinausfährt, damit die
Vorleine zur Vorspring wird (siehe
Foto). Dann legt er
auf Backbord den
Retourgang und
auf Steuerbord
den Vorwärtsgang
ein. Die Gänge
bleiben eingelegt
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4
5
5
Wenn genug
Fahrt im Schiff ist,
genügen eine bis
zwei Wiederholungen, weil die
Anfahrtsgeschwindigkeit
durch Einlegen
des Retourgangs
in die Drehbewegung umgewandelt wird
Nicht vergessen: Beim längsseits Anlegen ausreichend Fender
in richtiger Höhe
anbringen
Wind
Die Vorspring
spannt sich, und
die Yacht hebelt
sich parallel zur
Mole. Bei relativ
wenig Wind, kann
die Drehbewegung zu schnell
werden. In diesem
Fall rechtzeitig
beide Maschinen
auskuppeln
Die Geschwindigkeit der Drehbewegung hängt
von der Propellergröße und der
Windstärke ab. In
der Regel kommt
man ohne Gasschübe aus, nur
bei extrem starkem Wind kann
der eine oder andere Gasstoß notwendig sein
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Zuerst wird der Bug gut abgefendert, dann löst man den achteren Festmacher und bringt die Vorspring aus. Diese muss unbedingt von der Belegklampe nach achtern zum Poller geführt werden und maximal (!) straff sein
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Passt alles, legt der Skipper auf Backbord den Vorwärtsgang
ein. Das Schiff beginnt sofort zu drehen
Und tschüss!
Bei Starkwind oder enger Parklücke
sollte man diesen Trick auf Lager haben
1
Bei engen Liegeplätzen oder auflandigem Wind ist das Eindampfen in
die Vorspring oft die einzige Möglichkeit, den Liegeplatz zu verlassen
tour, … – wiederholt man, bis die Yacht
parallel zur Mole liegt.
Ein geübter Skipper nützt bei der
Annäherung an die Mole die Geschwindigkeit der Yacht aus. Er nähert sich zügig der
Mole und legt vorerst nur auf Backbord
den Retourgang ein. Durch die aus Fahrtgeschwindigkeit und Einlegen des Retourganges entstandene Drehbewegung kommt
die Yacht beinahe schon parallel zur Mole
zu liegen, und man kommt meist mit einem
Offshore Boote
der oben beschriebenen Gangwechsel aus.
Ablandiger Wind oder enge Parklücken
erschweren das längsseits Anlegen. Oft ist
das Eindampfen in die Vorspring (siehe
Bildserie 7) die einzige Möglichkeit, in eine
Parklücke zu kommen. In diesem schwierigen Fall erfolgt die Annäherung an die Mole
mit mehr als 45 Grad. Das erleichtert, falls
erforderlich, das Abbrechen des Manövers
und schafft einen Sicherheitsabstand zu bereits an der Mole liegenden Yachten. Ein
Crewmitglied sollte mit dem Festmacher
(Vorspring) am Bug bereitstehen, zuvor
wurde der gesamte Vorschiffsbereich auf
Steuerbord mit ausreichend vielen Fendern
gepolstert.
Der Skipper hat in dieser Phase genügend
Spielraum und Zeit, den Anfahrtswinkel mittels Rückwärtsschub der jeweiligen Maschine zu korrigieren. Ist der Anfahrtswinkel zu
steil, gibt er mit der Backbordmaschine einen Gasschub retour, ist er zu flach, wird der
Win
ABLEGEN DURCH EINDAMPFEN IN DIE VORSPRING
2
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Offshore Boote ANLEGE-PRAXIS
4
Nun wartet man solange, bis die Yacht in einem Winkel von
ca. 45 Grad zur Mole steht. Bei wenig Platz kann der Ausfahrtswinkel durchaus noch steiler sein
iegt man längsseits und weht starker auflandiger
Wind, ist das Eindampfen in die Vorspring (siehe
Bildserie 8) die Methode der Wahl, um von einer
Mole oder aus einer engen Parklücke zu kommen. In
der Großschifffahrt ist diese Methode des Ablegens
selbstverständlich, Freizeitskipper haben davor
unnötigen Respekt. Zugegeben, wenn sich die Yacht
mit dem Bug förmlich über die Mole dreht, sieht das
ziemlich bedrohlich aus. In der Praxis ist dieses
Manöver aber ungefährlich – vorausgesetzt man beachtet zwei Punkte.
Erstens ist es besonders wichtig, das Vorschiff – in
unserem Fall an Steuerbord – mit ausreichend vielen
und dicken Fendern zu sichern. Zweitens darf der
Gang erst eingelegt werden, wenn die Spring ganz
straff ist. Andernfalls fährt das Schiff ungebremst in
die Mole.
Und so wird’s gemacht: Vorschiff abfendern, achtern
den Festmacher lösen und Vorspring ausbringen. Sobald die Vorspring straff ist, legt man bei der äußeren
Maschine den Vorwärtsgang ein. Die Yacht beginnt
sich sofort zu drehen. Noch einmal: Die Vorspring darf
dabei nicht das geringste Spiel haben, sonst nimmt die
Yacht Fahrt auf und stoppt ruckartig! Nun wartet man
geduldig, bis das Schiff in einem Winkel von 45 Grad
zur Mole steht. Dann wird bei beiden Maschinen
gleichzeitig (!) der Retourgang einlegt, um eine unerwünschte Drehbewegung zu verhindern. Sobald man
sich ausreichend von der Mole entfernt hat, lässt sich
die Yacht in jede beliebige Richtung drehen.
L
Winkel mit der Steuerbordmaschine retour
optimiert.
Noch einmal: Richtungsänderungen bei
Manövern immer im Retourgang durchführen! Vorwärtsschub ist weit weniger effi-
zient, außerdem besteht die Gefahr, dass das
Schiff zu schnell wird.
Fährt die Yacht in die gewünschte Richtung, nähert man sich mit dosierten Vorwärts-Gasschüben der Mole, bis ein Crewmitglied an Land springen und die Vorspring
5
Dann wird auf beiden Maschinen gleichzeitig der Retourgang eingelegt,
um eine unerwünschte Drehbewegung zu vermeiden, und die auf Slip gelegte
Vorspring eingeholt
DAS KLEINE 1X1 DER NAUTIK
Diese Fachbegriffe sollten Sie kennen
Backbord:
Steuerbord:
Luv:
links, in Fahrtrichtung gesehen
rechts, in Fahrtrichtung gesehen
Richtung, aus der der Wind kommt; die dem Wind
zugewandte Seite
Lee:
Richtung, in die der Wind weht; die dem Wind
abgewandte Seite
Muring:
Vorrichtung zum Festmachen einer Yacht, bestehend
aus einem am Grund
liegenden Muringstein
aus Beton sowie einer
Muringleine, die an einer
Muring
Holeleine
Belegklampe des Schiffs
befestigt wird
Holeleine:
dünnes Tau, das dazu dient, die Muringleine aus dem
Wasser zu holen
Auf Slip legen: Eine Leine so um einen Poller oder durch einen Ring
führen, dass beide Enden an Bord bleiben. Ein Ende
bleibt an der Klampe belegt, das andere wird gelöst
und beim Ablegen langsam gefiert (nachgelassen).
Erst auf Befehl des Skippers wird das Ende losgelassen
Vorspring:
Leine, die vom Bug nach achtern an Land führt
um einen Poller legen kann. Dabei ist folgendes zu beachten:
Der Poller muss in Längsrichtung gesehen
hinter der Belegklampe liegen, das Schiff
fährt gewissermaßen über den Poller hinaus.
Der Festmacher führt also von der Belegklampe nach achtern und wird so zur Vorspring. Außerdem darf die Vorspring nicht
zu kurz sein, weil sie sonst die Drehbewegung der Yacht behindert.
Dann legt der Skipper zuerst bei der äuße-
ren Maschine den Retourgang ein (im Bild:
Backbord), unmittelbar darauf oder gleichzeitig bei der innen liegenden den Vorwärtsgang. Die Folge: Die Vorspring spannt sich
und das Schiff „hebelt“ sich langsam parallel
zur Mole. Diese Drehbewegung ist umso
langsamer, je stärker der Wind.
Liegt das Schiff längsseits, steigt ein
Crewmitglied mittschiffs aus und belegt den
Heck-Festmacher.
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