nzz_games_20080122

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nzz_games_20080122
B6
Neuö Zürcör Zäitung
MOBIL DIGITAL
Dienstag, 22. Januar 2008 Nr. 17
DIGITAL IN KÜRZE
Ein Ohr für Musikfans
Neues Gesicht für Linux. Nach mehrjähriger Vor-
Das Download-Geschäft bewegt sich
arbeit hat die Entwicklergemeinschaft der LinuxBenutzeroberläche KDE die neue Version 4.0 freigegeben. Die kostenlose Linux-Software wurde von
Grund auf überarbeitet. Ins Auge stechen die visuellen Neuerungen der grafischen Gestaltung des
Plasma genannten Desktops, der auch Anleihen
beim Mac OS X macht. Das Programm setzt auf
einen neuen Dateimanager namens Dolphin und
eine überarbeitete Multimedia-Schnittstelle. LinuxAnwendern stehen neue Steuerungselemente wie
ein Armaturenbrett und eine Kontrollleiste sowie
kleine, auf dem Desktop laufende Anwendungen im
Stil von Widgets zur Verfügung. Bereits haben mehrere Linux-Distributionen die Integration von KDE
4.0 angekündigt, darunter openSuse, Kubuntu, Fedora und Debian.
set.
10 000
Gratis-Programme. Das Online-Portal
Web.de ist um eine Plattform für den Download von
Computerprogrammen erweitert worden. Das Angebot umfasst mehr als 800 kostenpflichtige Vollversionen sowie etwa 10 000 kostenlose Programme. Alle
Programme seien ausführlich getestet worden, erklärte Web.de. Software gibt es zu allen gängigen
Betriebssystemen wie Windows PC, Mac, Linux,
Windows Mobile, Symbian oder Java.
(ap)
1,4 Kilogramm schwer und an der dicksten Stelle 1,9 Zentimeter: das MacBook Air.
PD
Multimedia-Disk für die Heimunterhaltung. Die
auf Speichermedien spezialisierte Firma Lacie hat
eine Multimedia-Festplatte namens LaCinema Premier vorgestellt, die als Unterhaltungs-Center für zu
Hause konzipiert ist. Sie kann direkt am Fernseher
angeschlossen werden und Musik, Filme und Fotos
wiedergeben. Die Disk bietet keinen HDMI-Ausgang, die Verbindung zum Fernseher erfolgt über
einen Component-Ausgang. Filme werden auf die
Auflösung 1080i hochskaliert. Die Multimedia-Daten können von einem PC oder Mac via USB auf die
LaCinema Premier übertragen werden. Das System
unterstützt die Audio-Formate MP3, WMA, AC3
und Ogg Vorbis sowie die Videoformate MPEG-1,
MPEG-2, MPEG-4 und DVD-Video und das Format JPEG für Fotos. Gesteuert wird die Disk über
eine mitgelieferte Fernbedienung. Die ab 229 Euro
erhältliche Festplatte gibt es in drei Versionen mit
einer Kapazität von 500 GByte, 750 GByte und
1 TByte, sie kann somit laut der französischen Herstellerin bis zu 1000 Filme, 320 000 Musikstücke oder
eine Million Fotos speichern.
set.
PD
Nachspiel
Spass vor Moral
Zwei Tendenzen sind in der Entwicklung des
Computerspiels in den letzten Jahren besonders
augenfällig: Die virtuelle Welt wird zunehmend
zu einem realistischen Abbild der Wirklichkeit,
und der Spieler wird vermehrt mit moralischen
Fragen konfrontiert. Die Wälder eines Rollenspiels etwa sollen aussehen, als wären sie natürlich gewachsen und nicht wie von Designerhand
hingepflastert. Und selbst in den oft als eindimensionale Schiessbudenspiele gescholtenen Actiontiteln versucht man den Akteur mit moralischen
Entscheidungen zu fordern, etwa indem man ihm
neben der Rambo-Strategie einen alternativen
Lösungsweg anbietet, der keine unnötigen und
unschuldigen Opfer fordert, jedoch kniffliger ist.
Zumindest ansatzweise funktioniert das.
Umso mehr erstaunt es, dass die Entwickler
von Criterion Games beide Tendenzen (bewusst)
ignorieren. Im neuen Rennspiel «Burnout Paradise» (siehe Artikel nebenan) finden die Strassenrennen zwar nicht mehr auf unrealistisch abgeschotteten Kursen statt, sondern in einer komplett frei befahrbaren Metropole; dennoch wird
nur ein fades Abbild einer Grossstadt geboten. So
realistisch alles aussehen mag, es fehlen die Menschen. Sogar die Autos fahren ohne Lenker. Der
Spieler darf so seinem Trieb als Möchtegernraser
freien Lauf lassen, ohne sich mit moralischen Fragen quälen zu müssen, denn Gefahr besteht
weder für Menschen noch für Pixelfiguren. «Erst
kommt der Spass, dann die Moral», werden sich
die Entwickler gedacht haben – und zwar ganz
ohne sozialkritische Nuance. Oder doch? Darf
man das Spiel auch als einen Beitrag zur erhitzten
Klimawandeldiskussion verstehen? Das Luft verpestende Statussymbol Nummer eins der Ersten
Welt, das Automobil, macht sich selbständig, und
der Spieler versucht, die Epidemie einzudämmen,
indem er die Karren von der Strasse fegt und zu
tonnenschwerem Schrott verarbeitet. Mit etwas
Phantasie muss man sich also nicht nur keine Gewissensbisse machen, sondern darf sich sogar als
Kämpfer für eine saubere Umwelt rühmen. Zumindest im virtuellen Raum.
Raffael Schuppisser
Luftpost
Das MacBook Air von Apple passt in einen Briefumschlag
S. B. Seit Jahren klafft in der Produktpalette von
Apple dort, wo Mitbewerber Subnotebooks positionieren, eine auffällige Lücke. Es gibt deshalb
seit Jahren Gerüchte, dass Apple ein solches Gerät – kleiner als ein herkömmlicher Mobilcomputer – bald auf den Markt bringen werde. Dass
Apple vor einer Woche mit dem MacBook Air
nun tatsächlich ein Subnotebook angekündigt
hat, kann also nicht überraschen. Trotzdem hat
dieses Produkt viel Beachtung gefunden.
Die elektronischen Komponenten, die bei
Apple-Rechnern den Funktionsumfang bestimmen, sind dieselben, die auch in Produkten der
Konkurrenz zum Einsatz kommen; für die Fertigung ist Apple auf Vertragshersteller aus Billiglohnländern angewiesen, die teilweise auch für
die Konkurrenz tätig sind. Dieselben Komponenten, dieselben Montagelinien – die Endprodukte
müssen sich ähneln. Das MacBook Air ist 1,4
Kilogramm schwer und an der dicksten Stelle 1,9
Zentimeter dick. Es kostet 2499 Franken. Das
Konkurrenzprodukt von Dell (XPS M1330) ist 1,5
Zentimeter dicker und 400 Gramm schwerer. Es
ist aber 700 Franken billiger und verfügt über ein
optisches Laufwerk. Der Toshiba Portégé R500
ist leichter, nur einen halben Zentimeter dicker
und besitzt ein DVD-Laufwerk. Er ist aber mehr
als 1500 Franken teurer und hat ein kleineres Display. Der kleinste Mobilcomputer von Sony
(VGN-TZ21XN/B) ist 20 Gramm leichter und
einen Zentimeter dicker; der Bildschirm ist zwar
kleiner, es gibt aber ein optisches Laufwerk. (Ein
Name von einem Zufallsgenerator für den Ge-
brauch innerhalb von Datenbanksystemen kreiert
– ist es denkbar, dass Durchschnittsanwender am
Stammtisch und Journalisten am Newsdesk über
ein VGN-TZ21XN/B aufgeregt sich unterhalten?)
Es gibt keine bedeutenden Hardware-technischen Innovationen, durch die das MacBook Air
die Konkurrenz klar übertrumpfen könnte. Bei
der Zusammenstellung der Funktionsmerkmale
dieses Produkts hat Apple in derselben Kiste gekramt, aus der auch die Konkurrenten sich bedienen. Apple hat aber bei der Komposition der Produktspezifikation die Akzente geringfügig anders
gesetzt als die Konkurrenz, und so gewinnt das
Macbook Air eine gewisse Individualität.
Das MacBook Air gilt als der dünnste Computer seiner Klasse. Um dieses Ziel zu erreichen, hat
Apple auf das optische Laufwerk verzichtet. In
einer Zeit, in der Programme und Daten hauptsächlich über Internetverbindungen geladen werden, ist ein solcher Verzicht verkraftbar. Apple
war die erste Computerfirma, die Tischrechner
ohne Floppy Drive auslieferte, vielleicht wird
auch der Abschied vom CD-/DVD-Laufwerk
Schule machen. Wenn man das MacBook Air
erstmals in die Hand nimmt, staunt man – selbst
wenn man es auf Bildern bereits gesehen hat –,
wie leicht es ist und wie klein. Trotz der spartanischen Ausstattung wirken Tastatur und Bildschirm grosszügig dimensioniert. Die Tastatur ist
nicht kleiner als diejenige der grösseren und
schwereren MacBook-Pro-Mobilcomputer, ist
aber – dank einem «knackigeren» Druckpunkt –
angenehmer in der Benutzung.
set. Die Band Radiomania stand letzte Woche in
den US-Billboard-Charts an erster Stelle. Die britische Gruppe ist zwar populär, dennoch ist der
Erfolg ihres Albums «In Rainbows» erstaunlich.
Vor dem offiziellen Verkaufsstart im Dezember
hatte die Band ihr neues Werk während zweier
Monate zum Download ins Internet gestellt und
es den Fans überlassen, wie viel sie dafür bezahlen wollten. Die Songs konnte man auch gratis
herunterladen. Ob diese Promotion das Album
an die Spitze katapultiert hat, ist schwer zu beurteilen, doch der Versuch zeigt, dass neue Vermarktungsmodelle und der kostenlose oder vergünstigte Download im Internet nicht partout den
kommerziellen Erfolg torpedieren. Auch Newcomer-Bands versuchen seit längerem, das Internet durch das Anbieten von Gratis-Songs als
Sprungbrett zum Durchbruch zu nutzen, freilich
mit unterschiedlichem Erfolg.
Manche Exponenten der Musikindustrie dürften diese Initiativen beunruhigen, denn die Branche steckt in einer strukturellen Krise. Investor
Guy Hands, seit kurzem neuer Chef des kriselnden Plattenlabels EMI, hat vergangene Woche die
Entlassung von 2000 Mitarbeitern angekündigt,
was laut Presseberichten Musiker wie Paul McCartney, Robbie Williams und Coldplay veranlasste, den Ausstieg bei EMI zu erwägen. Radiohead hat diesen Schritt bereits letztes Jahr vollzogen. Gegenüber der «Financial Times» äusserte
sich ausgerechnet Guy Hands wohlwollend zur
Download-Aktion der Band und meinte, die
Industrie habe es in den letzten Jahren verpasst,
auf die Kunden zu hören. Die Plattenfirmen
haben auf die Herausforderung Internet mit Abwehrmanövern und Lamentieren über den illegalen Download reagiert. Im Zeitalter der Gratiszeitungen und kostenlosen Inhalte im Internet
sind aber Experimente und neue Strategien gefragt. So überlegt sich Guy Hands, Sponsoring zur
Finanzierung von Alben einzusetzen. Eine Werbung von McDonald's auf dem Cover der Rolling
Stones? Sicher nicht auf dem nächsten Album,
dieses erscheint nicht mehr bei EMI, sondern bei
Universal, wie die Band am Donnerstag mitteilte.
Mit Genugtuung stellen Musikfans dieser Tage
fest, dass sich die Branche doch bewegt. Nachdem
Apple-Chef Steve Jobs die Musikindustrie aufgefordert hatte, den Kopierschutz (DRM) für online
verkaufte Songs fallen zu lassen, folgte ein Aufschrei. Doch bald begann EMI erste Songs ohne
DRM zu verkaufen, Universal und Warner zogen
nach, und vor wenigen Tagen folgte Sony BMG
als letzter Major, wenn auch erst in den USA.
DRM in dieser Form scheint tot, Musikfans dürften schon bald online gekaufte Songs auf allen
MP3-Playern abspielen können. Das ist heute aufgrund verschiedener DRM-Formate nicht der
Fall. Übersetzt hiesse dies, man könnte das neue
Album «Haubi Songs» von Züri West nur auf
einem CD-Spieler von Philips hören, wenn man es
bei Musik Hug gekauft, oder nur auf einem SonyPlayer, wenn man es bei City Disc erstanden hätte.
Das wären tatsächlich nur halbe Songs.
Das Leben ist ein Schrottplatz
In «Burnout Paradise» verlangt das Paradies nach vier Rädern und blitzschnellen Reflexen
mdb. Das Gitarren-Intro von Guns 'N' Roses'
Rockballade «Paradise City» erklingt zum Start
und mit ihm der nasale Gesang von W. Axl Rose:
«Take me down to the Paradise City. Where the
grass is green and the girls are pretty.» Doch als
gebrannter Meilenbolzer von früheren «Burnout»-Titeln weiss man, dass schöne Damen wohl
das Letzte sein dürften, was man auf den Strassen
dieser «Paradise City»-Interpretation sehen wird
– und das ist auch gut so. Erstens will man kein
Fussgängermassaker anrichten, was beim Fahrstil
unabdingbar wäre. Und zweitens geht es hier
nicht um Menschen, sondern um Maschinen.
Aus der Flut von Autorennspielen stach die
«Burnout»-Serie stets mit drei Qualitätsmerkmalen heraus: atemberaubendes Tempo, stählernes Faustrecht und schmerzhafte Karambolagen.
An diesen Leitplanken wurde auch diesmal festgehalten, aber sonst setzt das Team um Entwickler Alex Ward auf ein völlig neues Konzept und
eine offene Stadtumgebung, die sich über virtuelle 30 Quadratkilometer erstreckt.
120 Ampeln sind in diesem Moloch zu finden.
Sie dienen als Anknüpfungspunkte für verschiedene Wettbewerbe, die quer durchs urbane Netz
führen: «Es ist ein nahtloses Spielerlebnis», sagt
Alex Ward der NZZ. «Man bleibt immer im
Game.» So ausgelöste Rennen bringen es mit sich,
dass sie bei einem sieglosen Ausgang nicht einfach wiederholt werden können, denn das Ziel
liegt nicht selten in einem dem Startpunkt fernen
Quartier. Nebst den fahrerischen Fähigkeiten
wird vom Spieler die Wahl einer optimalen Route
gefordert. Abkürzungen durch Feldsträsschen
sind ein Weg, luftige Sprünge über Rampen ein
anderer. Diese anzuvisieren, ist bei den flirrenden
Geschwindigkeiten nicht immer einfach, und
wenn sich beim Rasen eine vermeintliche Sprungschanze als Brückenpfeiler erweist, ist das Ergebnis ein unschönes: Der Wagen wird zu einem
Splitter versprühenden Blechhaufen verklumpt.
Wohl aus diesem Grund finden sich in «Burnout
Paradise» keine lizenzierten Fahrzeuge, was Ward
wenig kümmert: «Unsere Wagen sehen ohnehin
Schmerzhafte Karambolagen bei atemberaubendem Tempo prägen «Burnout Paradise».
besser aus als echte.» Ironischerweise holt man sie
auf dem Schrottplatz ab, wo sie auch wieder landen – der Lebenszyklus von «Burnout».
Gerempelt, gecrasht und gewonnen werden
kann auch online. Das wohl innovativste Element
der «Burnout»-Episode dürfte die Verwendung
einer an die Playstation 3 oder Xbox 360 angeschlossenen USB-Kamera sein. Diese schiesst ein
Bild vom Gegner, der gerade mit Erfolg von der
Strasse oder in einen Brückenpfeiler gerammt
wurde. Diese «mugshots» der abgeschossenen
Gegner kommen in eine Trophäen-Galerie.
Durch die offene Struktur gewinnt «Burnout
Paradise» an Spieltiefe und verlangt nebst fahreri-
PD
schem Geschick räumliches Orientierungsvermögen. Die Wahl des röhrenden Gefährts ist matchentscheidend, denn mit einem Goldküsten-Panzer steigt man nicht in einen Drift-Wettbewerb,
aber um Gegner von der Strasse zu drängen, eignet sich ein SUV bestens. Auch wenn der Chaosfaktor gegenüber dem Renncharakter etwas in
den Hintergrund getreten ist, so lässt sich der
Titel des nächstens Teils schon vorstellen, und
Guns 'N' Roses könnten erneut Pate stehen:
«Appetite for Destruction».
«Burnout Paradise», Electronic Arts. Entwickler: Criterion
Games, Playstation 3 (getestet), Xbox 360. Ab 12 Jahren, ab
25. Januar im Handel.