Kurze Zusammenfassung zum nachehelichen Unterhalt I

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Kurze Zusammenfassung zum nachehelichen Unterhalt I
Kurze Zusammenfassung zum nachehelichen Unterhalt
I. Gesetzliche Grundlage: Art. 125 ZGB
1 Ist einem Ehegatten nicht zuzumuten, dass er für den ihm gebührenden Unterhalt unter Einschluss
einer angemessenen Altersvorsorge selbst aufkommt, so hat ihm der andere einen angemessenen
Beitrag zu leisten (sofern er dazu überhaupt in der Lage ist, d.h. grds. kein Eingriff in Existenzminimum
des Unterhaltsschuldners).
2 Beim Entscheid, ob ein Beitrag zu leisten sei und gegebenenfalls in welcher Höhe und wie lange, sind
insbesondere zu berücksichtigen: (nicht abschliessende Kriterienauswahl!)
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die Aufgabenteilung während der Ehe;
die Dauer der Ehe;
die Lebensstellung während der Ehe;
das Alter und die Gesundheit der Ehegatten;
Einkommen und Vermögen der Ehegatten;
der Umfang und die Dauer der von den Ehegatten noch zu leistenden Betreuung der Kinder;
die berufliche Ausbildung und die Erwerbsaussichten der Ehegatten sowie der mutmassliche
Aufwand für die berufliche Eingliederung der anspruchsberechtigten Person;
8. die Anwartschaften aus der eidgenössischen Alters- und Hinterlassenenversicherung und aus
der beruflichen oder einer anderen privaten oder staatlichen Vorsorge einschliesslich des voraussichtlichen Ergebnisses der Teilung der Austrittsleistungen.
3 Ein Beitrag kann ausnahmsweise versagt oder gekürzt werden, wenn er offensichtlich unbillig wäre, insbesondere weil die berechtigte Person:
1. ihre Pflicht, zum Unterhalt der Familie beizutragen, grob verletzt hat;
2. ihre Bedürftigkeit mutwillig herbeigeführt hat;
3. gegen die verpflichtete Person oder eine dieser nahe verbundenen Person eine schwere Straftat begangen hat.
II. Modalitäten (ZGB 126: grds. Rente, ausnahmsweise Kapitalabfindung)
Vielmals wird der nacheheliche Unterhalt zeitlich abgestuft resp. befristet (z.B. bis zur Volljährigkeit des jüngsten Kindes oder bis zum Erreichen des AHV-Alters des Unterhaltsschuldners)
III. Nachträgliche Abänderung durch Urteil (ZGB 129)
Voraussetzungen (vgl. Tafel ca. S. 87 Rep.):
Unvorhersehbarkeit (im Zpkt. der Festsetzung, bspw. Stellenverlust oder Karrieresprung)
Erheblichkeit (als Faustregel mind. 10% oder mehr)
Dauerhaftigkeit (Änderung wird voraussichtlich andauern, nicht bloss vorübergehend)
falls noch nicht gewiss, ist eine Sistierung bzw. vorübergehende Einstellung mögl.
Merke: Keine Abänderung vorgesehen bei Verschlechterung auf Seiten des Berechtigten!
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IV. Erlöschen
• von Gesetzes wegen (ZGB 130): Tod oder Wiederverheiratung der berechtigten Pers.
• Auf Antrag hin (Rsp. nach ZGB 129) beim sog. qualifizierten Konkubinat (d.h. 5 jährige, eheähnliche Beziehung -> Tatsachenvermutung)
Kriterien (nachehelicher Unterhalt)
Vorab: Die auf ZGB 159 Abs. 3 und 163 Abs. 1 beruhende eheliche Beistands- und Unterhaltspflicht
endigt mit der Scheidung1.
An deren Stelle kann bei lebensprägender Ehe nachehelicher Unterhalt gemäss Art. 125 ZGB treten.
1. Lebensprägende Ehe?
• Kinder, die weiterhin zu betreuen sind
• lange Ehedauer > 10 J.
• Rollenverteilung (klassische Hausgattenehe und damit verbundene länger Abstinenz
von der Arbeitswelt resp. Schwierigkeiten bei Wiedereingliederung)
• Verzicht auf Karriere im gegenseitigen Einvernehmen
• Entwurzelung aus fernem Kulturkreis
(nicht lebensprägend sind: Kurze, kinderlose Ehe, d.h. grundsätzlich von weniger als 5-10
Ehejahren; Ehe mit Kindern, aber ohne oder nur beschränkte tatsächlich Betreuung; Altersehe von kurzer Dauer)
2. Höhe des Unterhaltsbeitrags
a. Grundsatz der Eigenverantwortlichkeit
b. Leistungskraft bemisst sich nach den in Art. 125 Abs. 2 ZGB genannten Gesichtspunkten (nicht abschliessend!):
i. Ergebnis der güterrechtlichen Auseinandersetzung
ii. Weiterer künftiger Vermögensanfall
iii. Anwartschaften aus AHV/IV, berufliche Vorsorge
iv. Altersvorsorgeersparnisse
v. Tatsächliches und hypothetisches Einkommen
vi. Abklärung der Zumutbarkeit der Wiederaufnahme oder Ausdehnung einer
Erwerbstätigkeit
vii. Tatsächliche Betreuungspflichten gegenüber unmündigen Kindern (Ziff. 6)
jüngstes Kind hat das 16. Altersjahr vollendet: Volle Erwerbstätigkeit
jüngstes Kind hat das 10. Altersjahr vollendet: Aufnahme einer Teilzeitarbeit
(bei einem Ki. ca. 50%, bei zwei Ki. ca. 30%) zumutbar
viii. Lange Ehedauer (Ziff. 2)
i.d.R. nach Eintritt des 45. Altersjahr im Zeitpunkt der Trennung (neuere Tendenz: 50. Altersjahr) unzumutbar
ix. Persönliche Umstände, z.B. Krankheit und Invalidität (Ziff. 4)
x. Ausbildung und Erwerbsaussichten und mutmasslicher Aufwand für die berufliche Eingliederung, ebenso Arbeitsmarktlage (Ziff. 7)
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Merke: gestützt auf die Unterhalts- und Beistandspflicht der Ehegatten (ZGB 159 III und 163) kann im Eheschutz- wie auch im Scheidungsverfahren als vorsorgliche Massnahme ein Prozesskostenvorschuss vom vermögenden Unterhaltsschuldner verlangt werden. Dieser privatrechtliche Anspruch geht dem Anspruch auf
unentgeltliche Rechtspflege vor (ZPO 117 ff. / BV 29 III).
3. Berechnung (i.d.R. nach konkreter [im Gegensatz zur abstrakter Methode nach Drittelsregel:
d.h. 1/3 dem nichterwerbstätigen Ehegatten zzgl. bei 1 Ki. 15-17%, bei 2 Ki. 25-27%, bei 3 Ki.
30-35% des Einko. des Unterhaltsschuldners], zweistufiger Methode gestützt auf Richtlinien
für die Berechnung des betreibungsrechtlichen Existenzminimums (erweiterter Notbedarf /
familienrechtliches Existenzminimum), wobei die Berechnungsmethode weder vom Gesetz
noch von der Rechtsprechung vorgegeben ist!
Vorgehensweise:
a. Gebührende Unterhalt beider Ehegatten bestimmen, d.h. die massgebenden Lebensverhältnisse der Parteien feststellen (bei lebensprägender Ehe bemisst sich der gebührende
Unterhalt an dem in der Ehe zuletzt gemeinsam gelebten Standard [unter Berücksichtigung scheidungsbedingter Mehrkosten bei separate Haushalte]). Bei ausreichenden Mitteln haben beide Ehegatten Anspruch auf Beibehaltung des bisherigen Lebensstandards.
b. Eigenversorgungskapazität des Unterhaltsgläubigers feststellen, d.h. prüfen, inwiefern
die Ehegatten den Lebensunterhalt je selber finanzieren können (Vorrang der Eigenversorgung ergibt sich direkt aus dem Wortlaut von Art. 125 Abs. 1 ZGB).
Vermag der Bedürftige kraft Eigenversorgung am ehelichen Lebensstandard anzuknüpfen, bleibt kein Raum für nachehelichen Unterhalt.
Mit anderen Worten, erst wenn die Eigenversorgung einem Ehegatten vorübergehend
oder dauerhaft nicht möglich bzw. zumutbar ist (Stw. hypothetisches Einkommen, als
Faustregel ca. CHF 3‘000 – 4‘000 durchaus möglich, je nach Ausbildung), so dass er auf
Unterhaltsleistungen des anderen angewiesen ist, muss in einem dritten Schritt…
c. Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners prüfen und angemessene Unterhaltsbeiträge festsetzen. Dieser beruht auf dem Prinzip der nachehelichen Solidarität. Die ehebedingten Nachteile sollen gemildert werden. Das Vertrauen in den Fortbestand der ehelichen Gemeinschaft wird geschützt.
Der Freibetrag / Überschuss wird nach den relevanten Lebensverhältnissen im konkreten
Fall aufgeteilt, wobei die Methode der hälftigen Überschussteilung „bei langen, von klassischer Rollenteilung geprägten Ehen im mittleren Einkommensbereich“ durchaus „vernünftige Ergebnisse liefern kann“ (vgl. BGE 134 III 557 S. 579).
V. Kürzung?
Abschliessend ist ggf. noch eine Kürzung i.S.v. ZGB 125 III zu prüfen
(Billigkeitsentscheid nach richterlichem Ermessen für Einzelfallgerechtigkeit).