Stahlmarkt in Indien: Unternehmen auf Expansionskurs

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Stahlmarkt in Indien: Unternehmen auf Expansionskurs
Aktuelle Themen 363
Indien Spezial
11. August 2006
Stahlmarkt in Indien: Unternehmen auf Expansionskurs
Hohes Wachstum programmiert. Die Stahlbranche befindet sich weltweit auf
Expansionskurs. Seit einigen Jahren kommt ihr die besondere Dynamik der asiatischen Staaten (v.a. Indiens und Chinas) zugute. Die wirtschaftlichen Aufholprozesse in diesen Ländern kurbeln die Stahlnachfrage stark an.
In Indien überdurchschnittliche Zunahme zu erwarten. Wir rechnen mit
einer Steigerung der indischen Rohstahlproduktion zwischen 2005 und 2015 von
derzeit 38 Mio. Tonnen auf 68 Mio. Tonnen (+6% p.a.). Im gleichen Zeitraum sind
umfangreiche Kapazitätserweiterungen geplant. Die Weltrohstahlerzeugung nimmt
im Prognosezeitraum um rd. 5% p.a. auf 1.800 Mio. Tonnen etwas weniger schnell
zu. Trotz der dynamischen Produktionssteigerung erreicht der Anteil der indischen
Stahlproduktion an der gesamten Weltrohstahlproduktion in den nächsten zehn
Jahren nur knapp 4%. Im Vergleich zu China (41%) ist das vergleichsweise recht
wenig.
Vordringen der Stranggusstechnik. Zur Effizienzsteigerung der Stahlindust-
rie hat vor allem der stärkere Einsatz der Stranggusstechnik – als Gradmesser der
Modernität – beigetragen. Ihr Anteil an der indischen Rohstahlerzeugung stieg von
38% Mitte der 90er Jahre auf nunmehr 66%. Damit ist Indien auf gutem Wege,
Anschluss an die führenden Stahlhersteller unter den Industrieländern zu finden
(Anteil in EU-25: 96%). Allerdings werden in Indien immer noch rd. 6% des Rohstahls auf Basis des veralteten Siemens-Martin-Verfahrens hergestellt (EU-25:
0,3%), was auf weitere Restrukturierungspotenziale hinweist.
Unternehmen drängen auf Weltmarkt. Das indische Stahlministerium plant,
die Exportquote in den kommenden 15 Jahren von derzeit 15% auf 24% zu erhöhen. Große Unternehmen, wie SAIL und Tata Steel, wollen Global Player werden,
indem sie sich an ausländischen Firmen beteiligen.
Autor
Uwe Perlitz
+49 69 910-31875
[email protected]
Prognose der Rohstahlerzeugung: Indien mit deutlichem
Wachstum
Mio. t
754
Editor
Hans-Joachim Frank
DB Research Management
Norbert Walter
400
349
Publikationsassistenz
Sabine Berger
Deutsche Bank Research
Frankfurt am Main
Deutschland
Internet: www.dbresearch.de
E-Mail: [email protected]
Fax: +49 69 910-31877
500
300
196
186
113
119
68
38
200
100
0
2005
Indien
China
2015
Japan
EU-25
Quelle: DB Research
Aktuelle Themen 363
1. Aktuelle wirtschaftliche Lage
Indiens Volkswirtschaft boomt
In Regionen, in denen wirtschaftliche Aufholprozesse stattfinden, ist
der Stahlbedarf naturgemäß besonders hoch. In Indien kurbeln riesige Infrastrukturprojekte die Nachfrage an, wie der Bau von Staudämmen, Hafenanlagen, Kraftwerken, Eisenbahnen und Überlandstraßen. Zudem verzeichnen die industriellen Standbeine (z.B.
Bauwirtschaft, Automobilindustrie und Maschinenbau) ein hohes
Wachstum. Mit steigenden Löhnen und Gehältern nehmen auch die
Ansprüche der Konsumenten bei Autos, Haushaltsgeräten und ähnlichem zu, was ebenfalls dem Stahlbedarf zugute kommt.
Indien Gewinner bei
Rohstahlerzeugung
Anteile in %
1995
16,7
1. Indien unter den größten 10 Stahlproduzenten
24,1
In den vergangenen zehn Jahren stieg in Indien die Rohstahlerzeugung um jährlich knapp 6% auf 38 Mio. Tonnen, während der Weltrohstahlausstoß um 4% zulegte (Deutschland: nur + knapp 1% p.a.).
Indien ist zwar international der achtgrößte Stahlerzeuger. Dennoch
ist der Anteil an der Weltstahlproduktion mit gut 3% noch sehr gering; er entspricht in etwa dem Stahlausstoß der Ukraine. China, der
größte Stahlerzeuger der Welt, produziert knapp zehnmal so viel wie
2
Indien.
2,9
4,9
5,6
13,5
6,9
12,7
2005
17
2005 stellte Indien mit 38 Mio. Tonnen Rohstahl 17% mehr her als
ein Jahr zuvor; lediglich in China war die Wachstumsrate mit 25%
noch erheblich höher. Dagegen ging die Herstellung in den USA um
knapp 5% und in der EU-25 um etwa 4% zurück. In den ersten fünf
Monaten 2006 setzte sich die Expansion der indischen Stahlproduktion mit einem Plus von 19% gegen Vorjahr unvermindert fort.
12,7
16,5
3,4
9,9
4,2
Der Grundstein für eine moderne indische Stahlindustrie wurde
schon 1953 mit einem Vertrag über die Errichtung eines integrierten
Stahlwerkes in Rourkela (im Bundesstaat Orissa) zwischen der indischen Regierung und den deutschen Firmen Fried. Krupp und Demag AG gelegt. Zunächst waren 500.000 Tonnen Jahreskapazität
geplant, dies wurde jedoch später auf 1 Mio. Tonnen erhöht. Inzwischen beträgt die Kapazität von Rourkela Steel Plant (RSP), das
zum SAIL-Konzern (Steel Authority of India Ltd.) gehört, knapp 2
Mio. Tonnen.
3,9
5,8
8,4
EU-25
China
Russland
Südkorea
Andere
Indien zählt weltweit zu den am stärksten expandierenden Volkswirtschaften. In den letzten zehn Jahren boomte die Wirtschaft mit
preisbereinigt 6% p.a., gegenüber knapp 4% in den 50er und 60er
Jahren. 2005 beschleunigte sich das Wachstum auf rd. 8%; für 2006
und 2007 ist allenfalls mit einer leichten Tempodrosselung zu rechnen. Maßgeblich für die dynamische Entwicklung ist die Liberalisierung der Wirtschaft. Indien hat sich insbesondere nach 1995 stärker
der Weltwirtschaft geöffnet. Die Importzölle wurden seit 1990 mehr
als halbiert. Sie liegen aber immer noch deutlich über denen anderer asiatischer Staaten. Zudem verfügt Indien über eine breite Basis
an hoch qualifizierten Technikern und Ingenieuren. Jährlich verlassen rd. 200.000 Ingenieursabsolventen die indischen Hochschulen,
1
rund sechsmal mehr als in Deutschland.
30,9
Japan
USA
Deutschland
Indien
Quellen: IISI, eig. Berechnungen
1
Schon frühzeitig zeigten auch die ehemalige UdSSR und ein britisches Konsortium Interesse am Aufbau einer modernen Stahlindust1
2
2
Siehe Just, Tobias (2006). Baustelle Indien: Perspektiven für die indischen Immobilienmärkte. Deutsche Bank Research. Aktuelle Themen 351. Frankfurt am Main.
Siehe Perlitz, Uwe (2004). Stahlmarkt in China: Engpässe verhindern stärkeres
Wachstum. Deutsche Bank Research. China Spezial vom 23. Juni 2004. Frankfurt
am Main.
11. August 2006
Stahlmarkt in Indien
rie in Indien. So wurde mit sowjetischer Hilfe in Bhilai ein Stahlwerk
mit einer Kapazität von 1 Mio. Tonnen gebaut und mit britischer Unterstützung ein Hüttenwerk in Durgapur mit einer Kapazität von
3
ebenfalls 1 Mio. Tonnen.
Die Standorte der indischen Stahlindustrie konzentrieren sich hauptsächlich auf den Osten, Süden und Westen des Landes. Im Osten
sind die integrierten Hüttenwerke beheimatet, während Elektrostahl
dominierend im Süden und Westen produziert wird.
2. Strukturelle Defizite
Anlagen sollen modernisiert werden
In den vergangenen Jahrzehnten modernisierte Indien seine Stahlerzeugung zwar erheblich. Dennoch werden immer noch knapp 6%
des Rohstahls auf Basis des veralteten Siemens-Martin-Verfahrens
(SMV) hergestellt (EU-25: nur 0,3%). Allerdings hat SAIL im sog.
Corporate Plan 2012 verschiedene Maßnahmen zur Modernisierung
seiner Anlagen und Prozesse angekündigt. Dazu zählt auch die
Stilllegung der Rohstahlkapazitäten nach dem traditionellen SMV.
Zur Effizienzsteigerung der indischen Stahlindustrie hat vor allem die
Stranggusstechnik beigetragen, die als Gradmesser der Modernität
gilt. Ihr Anteil an der Rohstahlerzeugung stieg nach Angabe des
International Iron and Steel Institute (IISI) von knapp zwei Fünfteln
Mitte der 90er Jahre auf nunmehr zwei Drittel (EU-25: 96%). Damit
liegt Indien zwar noch weit hinter den führenden Industrieländern –
ist aber auf dem Weg, Anschluss zu finden.
Hoher Anteil von Profilstahl wegen
des großen Baubedarfs
Die Produktionsstruktur der indischen Stahlindustrie hat sich in der
Vergangenheit zwar zugunsten der Flacherzeugnisse verschoben,
doch stellen die Werke – ähnlich wie in Osteuropa – immer noch viel
einfachen Profilstahl her. In Indien beträgt das Verhältnis zwischen
Profil- und Flachstahlerzeugnissen derzeit etwa 50:50, während die
Hersteller in der EU eine Quote von 40:60 als wettbewerbsfähig
ansehen. Allerdings ist dabei zu berücksichtigen, dass die Bauwirtschaft als Abnehmer von Profilstahl in Indien ein viel größeres Gewicht als in Europa hat.
Nachholbedarf besteht auch bei der Erzeugung von Edelstahl, der
vorwiegend vom Anlagen- und Gerätebau, der Pharma- und der
chemischen Industrie benötigt wird.
Indien: überdurchschnittliches Wachstum bei Rohstahlerzeugung
Mio. t
2005/1995
1995
1996
1997
1998
1999
2000
2001
2002
2003
2004
2005
Indien
22,0
23,8
24,4
23,5
24,3
26,9
27,3
28,8
31,8
32,6
38,1
5,7
China
95,4
101,2
108,9
114,6
124,0
127,2
150,9
182,2
222,4
280,5
349,4
13,9
Japan
101,6
98,8
104,6
93,6
94,2
106,4
102,9
107,8
110,5
112,7
112,5
1,0
36,8
38,9
42,6
39,9
41,0
43,1
43,9
45,4
46,3
47,5
47,8
2,6
181,4
169,6
184,6
182,4
175,9
186,7
180,5
180,9
184,0
193,5
186,4
0,3
Deutschland
42,1
39,8
45,0
44,1
42,1
46,4
44,8
45,0
44,8
46,4
44,5
0,6
USA
95,2
95,5
98,5
98,7
97,4
101,8
90,1
91,6
93,7
99,7
94,9
+/- 0
Russland
51,6
49,3
48,5
43,8
51,5
59,1
59
59,8
61,5
65,6
66,1
2,5
752,3
750,0
798,9
777,3
789,0
847,7
850,3
903,8
969,1
1.067,0
1.131,8
Südkorea
EU-25
Welt
in % p.a.
4,2
Quelle: IISI
3
11. August 2006
2
Siehe Stümpel, Hermann (1966). Das Hüttenwerk Rourkela: Ein westdeutscher
Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung Indiens. Marburg.
3
Aktuelle Themen 363
Zudem ist die Arbeitsproduktivität in Indien noch sehr gering. Während nach Angabe der Wirtschaftsvereinigung Stahl (WV Stahl) beim
größten indischen Hersteller etwa 144 Tonnen Stahl pro Beschäftigten und Jahr erzeugt werden, sind es in Westeuropa ca. 600 Tonnen. Allerdings sind die Arbeitskosten je geleistete Arbeitsstunde in
Indien mit EUR 1 sehr niedrig gegenüber beispielsweise EUR 26 in
Deutschland und EUR 18 in Japan.
Arbeitskosten in Indien
niedrig*
2004, in EUR
1
2
3
3
IN
CN
RU
PL
CZ
HU
JP
US
GB
FR
DE
5
5
18
19
20
21
26
0
10
20
30
*Arbeitskosten je geleistete Arbeitsstunde
3
Quelle: IW
Aufholen muss Indien auch beim Aufbau von sog. Stahl-ServiceCentern. Diese nehmen eine Position zwischen den Stahlwerken
und den Endverbrauchern ein. Sie bieten in der Regel Leistungen
wie Lagerhaltung, Weiterverarbeitung und Montage an. Die ServiceCenter decken derzeit nur etwa 5% der gesamten indischen Stahlproduktion ab und werden in der Regel von den Stahlproduzenten
betrieben (Anteil in Deutschland: 11%). Der indische Stahlkonzern
Tata Steel schätzt, dass die Stahl-Service-Center in den kommenden Jahren etwa ein Viertel der gesamten indischen Stahlerzeugung
bearbeiten werden, da der Markt zunehmend kleinere „Lose“ und
kürzere Lieferzeiten verlangt.
3. Hoher Importbedarf
Stahlaußenhandel in Indien
gewinnt an Drive
Mio. t
6
5
4
3
2
1
0
1995 1997 1999 2001 2003 2005
Export
Import
4
Quellen: IISI, WV Stahl
SAIL weit hinter
ThyssenKrupp
1,9
Ispat
2,0
Essar
2,4
RINL
Der Stahlexport spielte in Indien lange Zeit nur eine untergeordnete
Rolle. Vor zehn Jahren kam die Exportquote lediglich auf knapp 6%.
Infolge der verbesserten Wettbewerbsfähigkeit nahmen von 1995
bis 2005 die Lieferungen ins Ausland um durchschnittlich 15% p.a.
zu und die Quote hat sich mehr als verdoppelt. Die wichtigsten Exportländer sind China, Indonesien und die Philippinen.
3,4
Tata Steel
4,1
SAIL
12,1
ThyssenKrupp
16,5
0
5
10
15
Quelle: WV Stahl
4
Als Mitglied der WTO (seit 1995) ist Indien verpflichtet, seine Einfuhrbeschränkungen stufenweise abzubauen; daher dürfte der
Stahlimport künftig wesentlich störungsfreier verlaufen als in der
Vergangenheit.
4. Auf dem Weg zur Globalisierung
Produktion 2005, Mio. t
JVSL
Obwohl Indien inzwischen zu den zehn größten Stahlproduzenten
der Welt zählt, kann es den Bedarf nicht in allen Segmenten aus
eigener Produktion decken. 2005 wurden rd. 4,7 Mio. Tonnen Stahl
importiert, gegenüber erst 2,2 Mio. vor zehn Jahren (+8% p.a.). Der
Zuwachs der indischen Importnachfrage im Jahr 2005 von rd. 2 Mio.
Tonnen entspricht rein rechnerisch etwa der gesamten Jahreserzeugung Ungarns. Niedrige Stahlpreise begünstigen den Import aus
Russland, der Ukraine und Kasachstan. Wichtige Lieferländer sind
aufgrund der geografischen Nähe auch Japan, Südkorea und China.
Wir rechnen nicht damit, dass Indien seinen Bedarf auf mittlere
Sicht in vielen Bereichen aus eigener Produktion decken kann. Dafür gibt es mehrer Gründe. Zum einen steigt der Stahlverbrauch als
Folge des zu erwartenden dynamischen Wirtschaftswachstums sehr
rasch. Zum anderen verlangt der Markt Erzeugnisse in hoher Qualität, die in Indien auf absehbare Zeit nicht in ausreichender Menge
hergestellt werden können. Hierzu zählen oberflächenveredelte
Produkte, die zu einer längeren Lebensdauer und Werterhaltung der
Erzeugnisse beitragen. Generell hält der Trend zu gewichtsoptimierten Bauteilen an; dadurch erhöhen sich die Chancen westeuropäischer Exporteure auf dem indischen Markt.
20
5
Da die indische Stahlindustrie auf Rohstoffe aus dem Ausland angewiesen ist, waren verschiedene Kooperationsverträge zur langfristigen Sicherung erforderlich. Vertieft wurde z.B. die Zusammenarbeit zwischen der SAIL und dem australischen Rohstoffkonzern
BHP Billiton. Der Vertrag zielt vor allem auf die Beteiligung an Kokskohlebergwerken von BHP. Denn in den kommenden Jahren muss
11. August 2006
Stahlmarkt in Indien
SAIL seinen steigenden Kokskohlebedarf im Wesentlichen durch
Importe decken. Aus diesem Grund werden weitere Akquisitionsmöglichkeiten geprüft.
Steigender Anteil der
Industrie am BIP in Indien
%
2002
Auch der zweitgrößte Stahlproduzent Indiens, Tata Steel, will ein
Global Player werden. So beteiligte sich das Unternehmen Ende
2005 an der thailändischen Millennium Steel. 2004 übernahmen die
Inder die Stahlaktivitäten des in Singapur ansässigen Langstahlproduzenten NatSteel mit einer Kapazität von 2 Mio. Tonnen. Damit
reifte Tata Steel inzwischen zu einem der weltweit größten Drahtproduzenten.
22,7
26,6
2. Mittelfristige Entwicklung des Stahlmarktes
50,7
2009
Für die indische Stahlindustrie rechnen wir auf mittlere Sicht mit
einem merklichen Produktionswachstum. Der Beitrag der gesamten
Industrie zum Bruttoinlandsprodukt dürfte sich in den kommenden
Jahren auf gut 30% erhöhen – gegenüber derzeit knapp 27%.
Wachstumstreiber sind die expandierenden Abnehmerindustrien
Fahrzeugbau (Produktion 2005/2000: +16% p.a.), Maschinenbau
(+10% p.a.) und Bauwirtschaft (+6% p.a.).
18,4
30,4
1. Weiterer starker Aufbau von Stahlkapazitäten programmiert
51,2
Landwirtschaft
Dienstleistungen
Industrie
Quelle: World Markets Research Centre
6
Geplante Rohstahlkapazitäten
Unternehmen
Zunahme in
'000 Tonnen
ARCELOR
BAI BALAJI
BHUSHAN LTD.
BHUSHAN STEEL
& STRIPS
ESSAR GUJARAT
INDIAN IRON & STEEL
ISPAT INDUSTRIES
JINDAL STEEL & POWER
MITTAL STEEL
POSCO
RASHTRIYA ISPAT
NIGAM
SAIL
TATA IRON &
STEEL (TISCO)
VEDANTA RESOURCES
VISA INDUSTRIES
VISAKHAPATNAM
VIZAG
Summe
Jahr
5.000
2.000
2.000
2010
2010
2007
3.000
1.250
1.500
2.800
3.000
6.000
4.000
2.008
2006
2.009
2.010
2.008
2.009
2.010
1.450
2.000
2.000
3.000
3.000
7.500
5.000
1.500
5.100
1.600
2.007
2.007
2007
2008
2010
2010
2.008
2.010
2.010
2.008
62.700
20062010
Quelle: WV Stahl
11. August 2006
7
Angesichts der expandierenden Wirtschaft verwundert es nicht,
dass im Zuge des zu erwartenden Bedarfs die indischen Stahlkapazitäten in den kommenden Jahren deutlich ausgeweitet werden
sollen. Geplant sind deutlich mehr Anlagen in der Oxygenstahl- als
in der Elektrostahltechnologie. Bei der „Oxygenstahlroute“ (mit Eisenerz und Koks als wesentliche Rohstoffe) werden Flachprodukte
z.B. für die Automobil- und die Eisen, Blech und Metall verarbeitende Industrie produziert. Demgegenüber werden bei der Elektrostahlerzeugung (über den Einsatz von Schrott) Langprodukte hergestellt, die vor allem in den Bausektor und den Maschinenbau gehen. Ob die geplanten Kapazitätserweiterungen auch in vollem Umfang realisiert werden, ist jedoch fraglich, da sich die Unternehmen
zunächst nur den Zugriff auf Eisenerzvorkommen sichern wollen.
Mitte dieses Jahres kündigte Mittal Steel (Firmensitz in Rotterdam)
an, in der strukturschwachen Provinz Orissa ein Stahlwerk für knapp
EUR 7 Mrd. zu bauen, das jährlich 12 Mio. Tonnen Stahl produzieren soll. Das ist etwa so viel wie gesamte belgische Stahlproduktion.
2. Rückenwind durch dynamische Wirtschaftsentwicklung
Indien ist weltweit die langfristig am stärksten prosperierende
Wachstumsregion. Das ökonometrische Modell von Deutsche Bank
Research „Formel-G“ weist für das Land von 2006 bis 2020 eine
durchschnittliche Zunahme des BIP von preisbereinigt 5,5% p.a.
aus R gefolgt von Malaysia (5,4%) und China (5,2%). Insgesamt
wurden 34 Volkswirtschaften analysiert, die etwa 85% des Welt-BIP
repräsentieren. Wachstumstreiber sind Bevölkerungsentwicklung,
Humankapital, Öffnung der Wirtschaft und steigende Investitionen.
Trotz des starken Bevölkerungsanstiegs in Indien wird das ProKopf-BIP – gerechnet in Kaufkraftparitäten – bis 2020 um jährlich
knapp 4% zulegen. Da das Modell die großen Anstrengungen des
Landes im Infrastrukturbereich nicht angemessen berücksichtigt,
dürfte die durchschnittliche Wachstumsrate bis 2020 sogar näher an
5
Aktuelle Themen 363
6% liegen. Bis Ende des Jahrzehnts könnte Indien sogar Japan als
4
drittgrößte Volkswirtschaft nach den USA und China ablösen.
Zunehmendes BIP begünstigt Stahlnachfrage
real % gg. Vj.
2001
Langfristige BIP-Wachstumsraten
2006 bis 2020 p.a.
2003
2005
2006
2007
Indien
5,8
8,5
8,1
7,1
6,6
China
8,3
10,0
9,9
9,5
8,3
1,7
Japan
0,4
2,3
2,6
2,6
6
Westeuropa
1,9
1,1
1,5
2,2
1,7
5
Deutschland
1,2
-0,2
1,0
1,7
0,8
4
3
Osteuropa
1,9
5,8
5,7
5,1
4,9
USA
0,8
2,7
3,5
3,3
2,0
Welt
1,7
2,8
3,4
3,5
2,6
2
Quelle: DB Research
8
1
0
IN
CN
BIP
US
DE
TR
BIP pro Kopf
Quelle: DB Research
9
Wichtig für die künftige Stahlnachfrage ist der immense Investitionsbedarf im Infrastrukturbereich. Der Anteil der Bauindustrie an der
Stahlnachfrage liegt mit 43% sehr hoch, gefolgt vom Maschinenbau
(32%) und dem Fahrzeugbau (5%). Auch in den kommenden Jahren
dürfte sich an dieser Zusammensetzung nicht viel ändern.
3. Anstöße durch Bauwirtschaft
Bau größter Abnehmer von
Stahl in Indien
Anteile 2005 in %
20
43
5
32
Bauwirtschaft
Fahrzeugbau
Maschinenbau
Andere
Quelle: WV Stahl
10
Die Stahlunternehmen knüpfen ihre Hoffnung vor allem an die
wachsende Bauwirtschaft. Die Branche ist einer der wichtigsten
Wachstumsträger der indischen Wirtschaft. Bis 2030 müssen bis zu
10 Mio. neue Wohnungen pro Jahr fertig werden. Starkes Bevölkerungswachstum, steigende Einkommen und sinkende Haushaltsgrößen erzwingen umfangreiche Maßnahmen im Wohnungssektor.
Der aufgestaute Bedarf an Wohnungen wird vom indischen Bauverband auf rd. 20 Mio. Einheiten geschätzt; das Ministerium für urbane
Entwicklung und Armutsbekämpfung veranschlagt den Nachhohlbe5
darf sogar auf gut 31 Mio. Wohneinheiten. Die Ausrichtung der
Commonwealth Games im Jahr 2010 in New Delhi dürfte weitere
Impulse für die Bauwirtschaft und damit für die Stahlnachfrage bringen. Neben den Sportstätten sind Unterkünfte für die Teilnehmer
und für Besucher geplant. Die Regierung hat angekündigt, dass bis
2010 etwa 40 Hotels mit insgesamt 15.000 Betten gebaut werden
sollen. Der indische Büromarkt profitiert von der anhaltenden Auslagerung von Offshoring-Aktivitäten aus den Industrieländern. Dabei
liegt der Schwerpunkt Indiens in der Softwareentwicklung und bei
Softwareprodukten. Das zweite Standbein ist die Übernahme kompletter unterstützender Geschäftsprozesse, das sog. Business Process Outsourcing. In diesen Bereichen stehen die Weichen weiter6
hin auf Wachstum. Zudem profitiert die Bauwirtschaft von großen
Infrastrukturprojekten. Investiert werden soll vor allem in den Straßenbau und das Schienennetz, ferner in den Neu- und Ausbau von
See- und Flughäfen.
4
5
6
6
Siehe Bergheim, Stefan et al. (2005). Globale Wachstumszentren: Formel-G für 34
Volkswirtschaften. Deutsche Bank Research. Aktuelle Themen 313. Frankfurt am
Main.
Siehe Just, Tobias (2006). Baustelle Indien: Perspektiven für die indischen Immobilienmärkte. Aktuelle Themen 351. Frankfurt am Main.
Siehe Schaaf, Jürgen (2005). Outsourcing nach Indien: Der Tiger auf dem Sprung.
Deutsche Bank Research. Aktuelle Themen 335. Frankfurt am Main.
11. August 2006
Stahlmarkt in Indien
4. Starkes Wachstum im Maschinenbau
Wachstumspotenzial bei indischen Stahlverarbeitern
Produktionsindex 1999=100
300
250
200
150
100
50
0
2000
2002
2004
Maschinenbau
2006
Fahrzeugbau
Bauwirtschaft
Quelle: WV Stahl
11
Boomende Kfz-Produktion
in Indien
Mio. Stück
05/00
Indien
2000
2005
% p.a.
0,8
1,7
16,3
China
2,1
5,2
19,9
Japan
10,1
10,8
1,4
3,1
3,7
3,6
18,4
17,9
-0,6
5,5
5,8
1,1
12,8
11,9
-1,5
1,2
1,4
3,1
57,9
63,3
1,8
Südkorea
EU-25
Deutschland
USA
Russland
Welt
Quelle: VDA
12
Kfz-Dichte* in Indien sehr
gering
2005
IN
CN
Welt
RU
KR
Europa
JP
DE
US
11
21
136
207
308
391
572
593
790
0
500
1000
*Anzahl der Kraftwagen je 1.000 Einwohner
Quelle: VDA
13
Der Maschinenbau verzeichnete in den vergangenen fünf Jahren
eine Zunahme der Fertigung von rd. 10% p.a. Aufgrund des steigenden technischen Fortschritts dürften sich die Absatzchancen für
einheimische Anbieter in Zukunft verbessern, während das Wachstum der Importe etwas gebremst wird. Gefragt sind insgesamt vor
allem Bau- und Kunststoffmaschinen sowie Werkzeug- und Textilmaschinen. Da sich z.B. die heimische Textil- und Bekleidungsindustrie in der Wertschöpfungskette nach „oben“ orientiert, müssen
die Unternehmen zahlreiche Erneuerungs- und Erweiterungsinvestitionen in ihren Maschinenparks tätigen. Produzenten von Baumaschinen profitieren von den großen geplanten Infrastrukturvorhaben
der indischen Regierung und Werkzeugmaschinen-Hersteller u.a.
vom Aufschwung der Kfz- und Zulieferindustrie. Die Ausfuhr des
indischen Maschinenbaus expandierte zuletzt um knapp 30% auf
USD 10 Mrd. Zum Vergleich dazu exportierte der deutsche Maschinenbau Waren im Wert von nicht ganz USD 117 Mrd., davon Maschinen von rd. USD 1 Mrd. nach Indien. Besonders hoch ist der
deutsche Anteil an den indischen Einfuhren in den Sparten Holzbearbeitungs- und Werkzeugmaschinen sowie Pumpen und Kompressoren. Ausländische Maschinen sind dort gefragt, wo besonders
hohe Ansprüche an Leistung und Präzision gestellt werden. Das
Engineering Exports Promotion Council (EEPC) prognostiziert für
Indien ein Exportvolumen bis 2008 von USD 30 Mrd. (+32% p.a.);
dennoch ist das Volumen im internationalen Maßstab immer noch
sehr gering.
5. Boomende Automobilindustrie
Der Fahrzeugbau hat zwar einen relativ geringen Anteil an der
Stahlverwendung, weist aber die höchste Wachstumsrate unter den
wichtigsten Stahlabnehmern auf. In Indien hat sich inzwischen eine
kleine aber stark prosperierende Automobilindustrie entwickelt, die
vor allem im Tiefstpreissegment ihre Zukunft sieht und als potentielles Absatzgebiet den Inlandsmarkt und andere Schwellenländer im
7
Auge hat. Die Kfz-Dichte (Pkw und Nkw) in Indien liegt mit 11 Fahrzeugen pro 1.000 Einwohner sogar noch unter der sehr niedrigen in
China (21 Fahrzeuge). Getragen wird die Entwicklung der indischen
Automobilindustrie von einer bemerkenswerten Binnennachfrage.
Die konsumfreudige und dynamisch wachsende Mittelschicht gilt als
wichtiger Antriebsfaktor. Umsatzfördernd wirken die kontinuierliche
Zunahme der Einkommen und günstige Finanzierungsmöglichkeiten. Allerdings beträgt die Nutzungsdauer für Pkw nicht selten 20
Jahre (Westeuropa: 12 Jahre), wobei in Städten ausrangierte Autos
oft noch lange in den ländlichen Regionen gefahren werden.
Die stetig wachsenden Mobilitätsbedürfnisse der Bevölkerung und
ein stark zunehmendes Transportaufkommen generieren auch in
Zukunft eine erheblich steigende Kfz-Nachfrage. Gleichzeitig etabliert sich Indiens Automobilsektor als Exporteur auf den Weltmärkten. Hyundai beispielsweise nutzt das Land als Exportbasis für
Kleinwagen und Ford stellt dort Fahrzeuge für Südafrika und andere
Märkte her. Allerdings hat der Wettbewerb unter den Automobilproduzenten deutlich an Intensität gewonnen. Gab es 1995 in Indien
erst fünf Hersteller von Pkw, sind es mittlerweile 10. Die größten
sind Maruti Udyog Ltd., Hyundai Motor India und Tata Engineering
(Telco). Die Tata-Gruppe versucht, mit neuen Modellen sogar auf
7
11. August 2006
Siehe Heymann, Eric (2005). Dynamische Branchen begünstigen globale Wachstumszentren. Deutsche Bank Research. Aktuelle Themen 332. Frankfurt am Main.
7
Aktuelle Themen 363
dem europäischen Markt Fuß zu fassen. Insgesamt kommt die indische Automobilproduktion derzeit auf 711.000 Pkw jährlich
(Deutschland: 5,4 Mio.).
Kräfige Aufstockung der Produktionskapazitäten
Stück
InbetriebDerzeitige
Zusätzliche
nahme/
Unternehmen
Kapazität
Kapazität
Jahr
Maruti Udiyog
350.000
100.000
2006
Hyundai Motor
250.000
150.000
2007
Tata Motors
150.000
75000
2006
Mahindra&Mahindra
100.000
50000
2007
Honda
30.000
8000
2006
General Motors
25.000
35.000
2006
bis 2008
Quelle: bfai
14
Parallel zur positiven Entwicklung der Autohersteller legen auch die
Kfz-Zulieferer kräftig zu. In Indien hat sich inzwischen eine Reihe
privater, eigenständiger Unternehmen etabliert, die sich zum Teil
international bereits einen Namen gemacht haben (z.B. Tube Investments, Bharat Forge).
Stahlverbrauch Indiens nur
bei rd. 9% des EU-Niveaus
6. Prognose der Rohstahlproduktion in Indien bis
2015
kg pro Kopf
1995
2004
Indien
28,2
35,3
China
83,5
229,7
Japan
669,5
629,4
Südkorea
827,2
985,1
EU-25
365,0
399,8
Deutschland
506,5
469,3
USA
429,7
418,8
Russland
173,1
261,3
Welt
143,4
183,0
Quelle: IISI
15
Prognose der Rohstahlerzeugung
Mio. t
2005
2015 2015/2005
% p.a.
Indien
38,1
68,2
China
349,4
754,4
6
8
Japan
112,5
118,5
0,5
Südkorea
47,7
52,7
1
EU-25
Deutschland
186,4
196,0
0,5
44,5
46,5
0,5
USA
94,9
104,8
1
Russland
66,1
88,8
3
1.131,8
1.843,5
5
Welt
Quelle: DB Research
8
16
Alles in allem rechnen wir für Indien mit einer Zunahme der Rohstahlproduktion zwischen 2005 und 2015 von derzeit 38 Mio. Tonnen auf 68 Mio. Tonnen (+6% p.a.). Der Zuwachs der indischen
Rohstahlproduktion in den zehn Jahren bis 2015 von rd. 30 Mio.
Tonnen entspricht in etwa der derzeitigen jährlichen Rohstahlerzeugung Italiens. Allerdings ist dabei zu berücksichtigen, dass der jährliche Pro-Kopf-Verbrauch an Stahl in Indien derzeit nur 35 kg beträgt
gegenüber 400 kg in der EU-25.
Maßgeblich für das hohe Wachstum in Indien ist die gute Performance der inländischen Abnehmerindustrien – vor allem der Bauwirtschaft, der Automobilindustrie und des Maschinenbaus. Insgesamt dürfte die Industrieproduktion in Indien in den kommenden
Jahren zweistellig zunehmen. Hinzu kommen Impulse vom privaten
Verbrauch. Die anhaltende Auslagerung von IT-gestützten Geschäftsprozessen nach Indien bietet der dortigen Mittelschicht gute
Einkommensmöglichkeiten.
Die indische Regierung will eine moderne und effiziente Stahlindustrie. Strategisches Ziel ist nicht mehr allein die Versorgung des Binnenmarktes. Das Land versucht, sich mittelfristig auch stärker als
Exporteur von Stahlerzeugnissen zu positionieren. Nach den Plänen
der Regierung soll die Exportquote von derzeit 14 auf 24% gesteigert werden. Die Ankündigung einer offensiven Exportstrategie im
Zusammenhang mit den geplanten Kapazitätserweiterungen dürfte
nicht ohne Auswirkungen auf den Weltstahlmarkt bleiben. Insbesondere bei Commodities ist mit einem verschärften Wettbewerb zu
rechnen. Als Marktversorgung wurden vom indischen Stahlministerium bis zum Jahr 2020 etwa 90 Mio. Tonnen vorgegeben – gegenüber knapp 38 Mio. Tonnen in 2005. Das würde für die kommenden
Jahre ein Wachstum von rd. 6% p.a. bedeuten. Die Ausweitung des
Industriesektors und damit auch des Stahlverbrauchs ist unbedingt
notwendig, um die Armut weiter Teile der Bevölkerung zu verringern.
11. August 2006
Stahlmarkt in Indien
Demgegenüber wird die Rohstahlerzeugung in der EU-25 voraussichtlich nur um 0,5% p.a. auf 196 Mio. Tonnen steigen; dennoch
wäre sie damit auch in zehn Jahren noch knapp dreimal so hoch wie
in Indien. Die Welt-Rohstahlherstellung dürfte 2005 bis 2015 um
etwa 5% p.a. auf 1.844 Mio. Tonnen zulegen. Ein entscheidender
Grund für die starke Zunahme des Weltmarktes ist die hohe Nachfrage in Indien und China.
Indien bei Rohstahlerzeugung vor Deutschland
Anteile 2015 in %
22,5
40,9
2,5
3. Hemmende Faktoren für die indische
Stahlindustrie
2,9
3,7
4,8
5,7
6,4
China
USA
Südkorea
10,6
EU-25
Russland
Deutschland
Japan
Indien
Andere
Quellen: IISI, eig. Berechnungen
17
Das Wachstum der indischen Stahlindustrie und ihr Anteil an der
Weltrohstahlerzeugung könnten sogar noch höher ausfallen, wenn
8
wichtige Rahmenbedingungen nicht bremsend wirken würden. Die
Investitionen in die Infrastruktur steigen zwar deutlich, bleiben jedoch wegen Finanzierungsproblemen weit hinter den Zielsetzungen
9
der Regierung zurück.
1. Engpassfaktor Energie
So beeinträchtigt die Stromknappheit vielerorts die Produktion. Seit
2001 bemüht sich die indische Regierung, bis 2012 eine flächendeckende Versorgung sicherzustellen. Aufgrund der Mängel sind viele
Betriebe mit höherem Energiebedarf inzwischen dazu übergegangen, in industriellen Eigenanlagen selbst Strom zu produzieren.
Indien setzt für seine künftige Energieerzeugung eindeutig auf Kernenergie. Im September 2005 ging der 15. und bisher größte Kernreaktor ans Netz. Bis 2050 soll der Anteil der Kernkraft am Energiemix
auf etwa 25% steigen. Insgesamt dürfte Indien bis 2010 nach den
USA, China und Japan der weltweit viertgrößte Energieverbraucher
sein.
2. Probleme bei der Rohstoffbeschaffung
Heimische Rohstoffquellen zu knapp
Da für die indische Stahlindustrie die heimischen Rohstoffquellen
unzureichend sind, muss ein beträchtlicher Teil der Rohstoffe aus
dem Ausland eingeführt werden. So ist Eisenerz quantitativ begrenzt
und es gibt Probleme, dieses auch in einem ausreichenden Maße
zu fördern. Die Steinkohlevorkommen Indiens sind von geringer
Qualität. Aus diesem Grund nahmen in den letzten fünf Jahren die
Steinkohlenimporte um insgesamt zwei Fünftel auf knapp 30 Mio.
Tonnen zu. Davon entfällt knapp die Hälfte auf Kokskohle (der Rest
ist Kraftwerkskohle). Weltweit ist Indien der sechstgrößte Kohleimporteur. Bedingt durch den steigenden Elektrostahlausstoß nimmt
auch die Nachfrage nach Stahlschrott stark zu. 2006 liegt der
Schrottimport schon bei etwa 3,5 Mio. Tonnen, gegenüber nur 1 Mio.
Tonnen in 2000. In den kommenden Jahren dürfte die Einfuhr infolge von Kapazitätserweiterungen weiter expandieren.
3. Ineffizientes Transportwesen
Engpass Verkehrsinfrastruktur
In Indien werden der Mangel an Frachtangebot und die seit langem
unzureichende Verkehrsinfrastruktur mehr und mehr zum Hemmschuh für die Entwicklung der Wirtschaft. Das Land verfügt zwar
über eines der größten Verkehrsnetze der Welt; das Schienennetz
ist insgesamt doppelt so umfangreich wie das in China. Die schlech8
9
11. August 2006
Siehe Schaffer, Teresita C., Mitra, Pramit (2006). Indien – Auf dem Weg zur Weltmacht? Deutsche Bank Research. Aktuelle Themen 342. Frankfurt am Main.
Siehe Rawkins, Paul (2006). Indiens Haushalts(schief)lage: Muss uns das kümmern? Deutsche Bank Research. Aktuelle Themen 357. Frankfurt am Main.
9
Aktuelle Themen 363
te Qualität hemmt jedoch eine effiziente Versorgung mit Gütern.
10
Ähnlich sieht es bei Hafenanlagen und Flughäfen aus. In den kommenden Jahren sollen insgesamt USD 150 Mrd. in die Verkehrsinfrastruktur investiert werden R ein großes Potenzial für die Stahlindustrie. Mittel- bis langfristig wird durch diese Investitionen ein Fundament für einen reibungslosen Güterverkehr gelegt.
4. Ausblick
Konzentrationsgrad noch
gering
2005
Rohstahlerzeugung
Mio. t
Unternehmen
Mittal Steel
NL
63,0
Arcelor
LU
46,7
Nippon Steel
JP
32,0
POSKO
KR
30,5
JFE
JP
29,9
Baosteel
CN
23,8
US Steel
US
19,3
Nucor
US
18,4
Corus Group
GB
18,2
IT
17,5
ThyssenKrupp
DE
16,5
Tangshan
CN
16,1
Evraz
RU
13,9
Gerdau
BR
13,7
Severstal
15 größte Unternehmen zusammen
RU
13,6
Riva
Anteil am Weltmarkt
373,1
33%
Quellen: IISI, eig. Berechnungen
18
Mittelfristig dürfte es in der Weltstahlindustrie zu einem stärkeren
Konzentrationsprozess kommen, denn es herrscht in der Branche
11
ein ungebremster Drang zur Größe vor. Dabei verfolgen die Konzerne vor allem zwei Ziele: Mit dem Kauf zusätzlicher Produktionskapazitäten wollen sie sowohl ihre Kostenstruktur verbessern als
auch ihre Marktmacht vergrößern. Mit der Fusion der beiden weltweit größten Stahlproduzenten Mittal Steel (Niederlande) und Arcelor (Luxemburg) bekommt die Branche einen Stahlgiganten, der fast
viermal so viel produziert wie der nächstgrößere (Nippon Steel) und
achtmal so viel wie SAIL. In Indien haben die drei größten Stahlhersteller mit einem Ausstoß von knapp 20 Mio. Tonnen einen Marktanteil von 51%. Ihnen steht eine Vielzahl mittlerer und kleinerer Unternehmen gegenüber. Dazu zählt z.B. Ispat mit einem Ausstoß von 2
Mio. Tonnen. Hier ist mit weiteren Zusammenschlüssen zu rechnen,
da die Unternehmen vor allem ihre Position gegenüber den mächtigen Rohstofflieferanten verbessern müssen.
In Indien versprechen auch künftig niedrige Löhne merkliche Kostenvorteile im Vergleich zu Produktionsstandorten in (West-)Europa
oder den USA. Zudem sind die Wachstumsperspektiven der Abnehmerindustrien sehr günstig. Durch den Einsatz moderner Produktionsanlagen ist Indien mehr und mehr in der Lage, die Qualitäten seiner Stahlprodukte zu verbessern und damit seine Exportchancen zu erhöhen.
Uwe Perlitz (+49 69 910-31875, [email protected])
10
11
10
Siehe Asuncion-Mund, Jennifer (2005). Indien im Aufwind: Ein mittelfristiger Ausblick. Deutsche Bank Research. Aktuelle Themen/Indien Spezial. 3. Juni 2005.
Frankfurt am Main.
Siehe Perlitz, Uwe (2005). Weltstahlmarkt: Asien legt hohes Tempo vor. Deutsche
Bank Research. Aktuelle Themen 339. Frankfurt am Main.
11. August 2006
Aktuelle Themen
Indien Spezial
Indien rückt aufgrund seiner beeindruckenden wirtschaftlichen Entwicklung zunehmend ins Blickfeld der Welt.
Diese Entwicklung ist auf den Liberalisierungsprozess in den vergangenen beiden Jahrzehnten und die
Öffnung des Landes für die Weltwirtschaft zurückzuführen. Unsere Reihe "Indien Spezial" befasst sich mit
Indiens wachsender ökonomischer und politischer Bedeutung und deren Auswirkungen für Asien und die Welt.
Unter anderem behandeln wir die jüngste Entwicklung Indiens sowie die Reformen, die das Land noch durchführen muss, um alle Vorteile einer funktionierenden Marktwirtschaft zu genießen. Darüber hinaus gehen wir
auf folgende Punkte ein: regionale und geopolitische Implikationen der zunehmenden Bedeutung Indiens,
Handels- und Investitionsbeziehungen zwischen Indien und Deutschland, Aussichten für den IT-Sektor, Kapitalmarktinstitutionen und Ausblick für die Kapitalmärkte, Pensionsfondsreformen in Indien und China, derzeitige
und künftige fiskalische Entwicklung in Indien und Ausblick für den Bankensektor in Indien und China.
Indiens Haushalts(schief)lage: Muss uns das kümmern? Aktuelle Themen 342 ..................................21. Juni 2006
Baustelle Indien – Perspektiven für die indischen Immobilienmärkte
Aktuelle Themen 351 ............................................................................................................................... 8. Mai 2006
Indien – Auf dem Weg zur Weltmacht? Aktuelle Themen 342 ......................................................... 8. Februar 2006
Deutsche Direktinvestitionen in Indien: Unausgeschöpftes Potenzial
Aktuelle Themen 338 .................................................................................................................. 29. November 2005
Outsourcing nach Indien: Der Tiger auf dem Sprung
Aktuelle Themen 335 ...................................................................................................................... 11. Oktober 2005
Indien im Aufwind: Ein mittelfristiger Ausblick ......................................................................................3. Juni 2005
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