Allgemeines Verwaltung Allgemeines Verwaltungsrecht
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Allgemeines Verwaltung Allgemeines Verwaltungsrecht
Kommunales Studieninstitut Kaiserslau Kaiserslautern Skript zum Unter Unterricht im Unterrichtsfach Allgemeines Verwaltungs Verwaltungsrecht Erarbeitet und zusammengestellt von Stadtoberverwal Stadtoberverwaltungsrätin Christina Mayer, Mayer, Stellvertr. Direktorin des Referats Recht und und Ordnung Das Kopieren, Vervielfältigen usw. dieses Skriptes ist nur mit Zustimmung der Autorin gestattet! 20.05.12 Unterrichtsskript zum AVR.doc StOVR Christina Mayer Skript zum Verwaltungsrecht - Allgemeiner Teil 2 Inhaltsverzeichnis I. Einführung und Allgemeines 1. Abgrenzung von Privatrecht und Öffentlichem Recht 2. Einführungsfall – Jim Knopf II. Standort des Verwaltungsverfahrens Wo wird das Verwaltungsrecht innerhalb des Öffentlichen Rechts eingeordnet? III. Grundsätze des Verwaltungshandelns 1. Allgemeines 2. Überblick über die Handlungsformen der Verwaltung a. Rechtsverordnungen und Satzungen aa. Rechtsverordnungen bb. Satzungen b. Tatsächliches Handeln der Verwaltung c. Planendes Handeln der Verwaltung d. Internes Verwaltungshandeln aa. Verwaltungsvorschriften bb. Arten von Verwaltungsvorschriften cc. Rechtswirkungen von Verwaltungsvorschriften e. Weisungen 3. Verwaltungsträger 4. Gesetzmäßigkeit der Verwaltung a. Der Vorrang des Gesetzes b. Der Vorbehalt des Gesetzes 5. Ermessen der Verwaltung a. Das Wesen des Ermessens - Grundlagen b. Voraussetzungen und Arten des Ermessens aa. Merkmale von Ermessensnormen bb. Abgrenzung zu artverwandten Erscheinungen Unbestimmte Rechtsbegriffe c. Arten des Ermessens d. Intendiertes Ermessen e) Bindungen der Ermessensausübung - Ermessensfehlerlehre aa. Gesetzliche Bindung und Grenzen des Ermessens StOVR Christina Mayer Skript zum Verwaltungsrecht - Allgemeiner Teil 3 bb. Ermessensfehler aaa.) Ermessensüberschreitung bbb.) Ermessensnichtgebrauch (teilweise als Unterschreitung des Ermessens bezeichnet) ccc. Ermessensfehlgebrauch(-missbrauch) ddd. Verstoß gegen Grundrechte und allgemeine Verwaltungsgrundsätze cc. Ermessensreduzierung auf Null IV. Grundregeln des Verwaltungsverfahrens 1. Was ist das Verwaltungsverfahren? 2. Warum gibt es ein Bundesverwaltungsverfahrensgesetz und ein Landesverwaltungsverfahrensgesetz? 3. Wo steht im Verwaltungsverfahrensgesetz etwas Grundsätzliches über das Verwaltungsverfahren? 4. Nichtförmlichkeit des Verwaltungsverfahrens 5. Verfahrensgrundsätze des Verwaltungsverfahrens a. Die Behörde b. Amtsträger - Ausschluss von Personen c. Die Beteiligten aa. Die Beteiligungsfähigkeit - § 11 VwVfG bb. Handlungsfähigkeit § 12 VwVfG cc. Beteiligte d. Vertretung e. Beginn des Verwaltungsverfahrens f. Amtssprache g. Beratung und Auskunft h. Untersuchungsgrundsatz - Amtsermittlungsgrundsatz i. Anhörung j. Beweismittel k. Akteneinsicht l. Geheimhaltung V. Besondere Verfahren 1. 2. Förmliches Verfahren Planfeststellungsverfahren VI. Der Verwaltungsakt 1. Übersicht 2. Hoheitliche Maßnahme StOVR Christina Mayer Skript zum Verwaltungsrecht - Allgemeiner Teil 4 3. Die Behörde 4. Einzelfallregelung a. Regelung b. Einzelfall 5. Öffentliches Recht als Handlungsbereich 6. Rechtsaußenwirkung a. Außenwirkung b. Unmittelbarkeit VII. Arten des Verwaltungsaktes 1. Einteilung nach der Entstehungsform 2. Einteilung nach der Ausdrucksform 3. Einteilung nach der Wirkungsform VIII. Die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes IX. Nebenbestimmungen zum Verwaltungsakt 1. Bedeutung der Nebenbestimmungen 2. Arten von Nebenbestimmungen a. Befristung b. Bedingung c. Widerrufsvorbehalt d. Auflage e. Auflagenvorbehalt 3. Zulässigkeit von Nebenbestimmungen a. Gebundene Verwaltungsakte b. Ermessensverwaltungsakte c. Koppelungsverbot 4. Rechtsschutz gegen Nebenbestimmungen X. Das Widerspruchsverfahren 1. Die Bedeutung des Vorverfahrens - Die Doppel- bzw. Dreifachnatur des Widerspruchsverfahrens a. Verwaltungsgerichtliches Vorverfahren b. Verwaltungsbehördliches Rechtsbehelfsverfahren c. Filterfunktion für die Verwaltungsgerichte 2. Ablauf des Verfahrens a. Verfahrensbeginn b. Die ordnungsgemäße Widerspruchserhebung aa. Ausgangsbehörde bb. Rechtsausschuss StOVR Christina Mayer Skript zum Verwaltungsrecht - Allgemeiner Teil 5 c. Die Voraussetzungen des § 70 VwGO aa. Schriftlich bb. Zur Niederschrift cc. Frist dd. Bestimmte inhaltliche Anforderungen XI. Exkurs: Welche formlosen Rechtsbehelfe gibt es? 1. Allgemeines 2. Die Gegenvorstellung 3. Die (Fach-)Aufsichtsbeschwerde 4. Die Dienstaufsichtsbeschwerde 5. Bürgerbeauftragter 3. Weiterer Verfahrensablauf zu a. Vorsitzender zu b. Beisitzer zu c. Widerspruchsführer und Widerspruchsgegner 4. Der Termin der mündlichen Verhandlung Zu a. Rücknahme des Widerspruchs Zu b. Abhilfe Exkurs : Der Ablauf des Abhilfeverfahrens Zu c. Vergleich Zu d. Erledigungserklärung Zu e. Widerspruchsbescheid Zu f. Was wird vor Erlass des Bescheides geprüft? XII. Die Wirksamkeit und die Bestandskraft von Verwaltungsakten 1. Die Wirksamkeit von Verwaltungsakten a. Allgemeines b. Zur Bekanntgabe c. Die Bestandskraft eines Verwaltungsaktes d. Die Unanfechtbarkeit eines Verwaltungsaktes 2. Die Vorschriften im Einzelnen a. § 43 VwVfG b. § 44 VwVfG StOVR Christina Mayer Skript zum Verwaltungsrecht - Allgemeiner Teil 6 c. § 45 VwVfG d. § 46 VwVfG e. § 47 VwVfG f. § 48 VwVfG Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes g. § 49 VwVfG Widerruf eines rechtmäßigen Verwaltungsaktes XIII. Der Öffentlich-rechtliche Vertrag 1. Der Begriff des öffentlich-rechtlichen Vertrags - Einführung 2. Begriffsmerkmale des Verwaltungsvertrags a. Vertragliche Regelung b. Auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts 3. Die Arten öffentlich-rechtlicher Vertragsbeziehungen - Die öffentlich-rechtlichen Vertragstypen a. Zum koordinationsrechtlichen Vertrag b. Zum subordinationsrechtlichen Vertrag 4. Der Abschluss – das Zustandekommen des öffentlich rechtlichen Vertrags 5. Rechtsfolgen bei Fehlerhaftigkeit des Verwaltungsvertrags 6. Anpassung und Kündigung öffentlich-rechtlicher Verträge 7. Die Durchsetzung öffentlich - rechtlicher Vertragspflichten XIV. Vollstreckung von Verwaltungsakten 1. Überblick 2. Erzwingung von Handlungen, Duldungen oder Unterlassungen Literaturverzeichnis Verwendete Literatur : - Skript der Bayrischen Verwaltungsschule - Allgemeines Verwaltungsrecht, - Skript : Wirtschaftlich wichtige Teile des Öffentlichen Rechts, Begleitskript zur Vorlesung im Wintersemester 2000/2001, 1. Teil, von Dr. Ralf Müller-Terpitz, Universität Bonn - Skript Wolfgang Dahlem – Verwaltungsrecht AT, Angestellten Kurs II, Verwaltungsschule Mainz, 2001 StOVR Christina Mayer Skript zum Verwaltungsrecht - Allgemeiner Teil - Skript Marco Wicklein, Allgemeines Verwaltungsrecht, RuprechtKarls-Universität, Heidelberg, Stand November 2001 - Skript – Verwaltungsrecht AT der Uni Halle, Stand 2002 7 Hinweis zum Umgang mit diesem Skript Das Skript dient zur Unterrichtsbegleitung für die Verwaltungsfachangestellten und die Beamten des mittleren und des gehobenen Dienstes aber auch Lehrgänge I und II für Angestellte im Öffentlichen Dienst (in verschiedenen Kursen bzw. Unterrichtseinheiten wird im Unterricht der eine oder andere Punkt vertieft). Dieses Skript ersetzt nicht die Mitarbeit im Unterricht und erhebt insbesondere nicht den Anspruch auf Vollständigkeit. Dieses Skript soll aber einen Einstieg in das Verwaltungsrecht geben und beim Einüben und Erlernen der Klausur-LösungsTaktiken helfen. Sollten Sie Anregungen oder Verbesserungsvorschläge haben, dann geben Sie diese bitte an das Kommunale Studieninstitut Kaiserslautern oder direkt an die Autorin (Gerne auch eine Mail: [email protected]) StOVR Christina Mayer Skript zum Verwaltungsrecht - Allgemeiner Teil 8 Das Verwaltungsrecht – Allgemeiner Teil I. Einführung und Allgemeines Um ein bestimmtes Rechtsgebiet richtig zu "erfassen" und es einordnen zu können, muss man sich zunächst mit dem gesamten Rechtssystem beschäftigen. Bevor hier also in das Gebiet des Verwaltungsverfahrensrecht „eingestiegen“ wird, erfolgen einige grundlegende und einführende Erläuterungen. Recht im objektiven Sinne ist die Rechtsordnung, d.h. die Gesamtheit der Rechtsvorschriften, nach denen sich das Verhältnis der Menschen zueinander, insbesondere in ihren Handlungen, sowie ihre Beziehungen zu den öffentlichen Verwaltungsträgern und deren Rechtsbeziehungen untereinander bestimmen. Diese Rechtsvorschriften können ausdrücklich gesetzt, d.h. festgeschrieben sein oder sich als Gewohnheitsrecht in langjähriger, teilweise Jahrhunderte langer Übung herausgebildet haben. Dieses eigentlich sehr naheliegende Phänomen, welches man sich aber in aller Regel nicht vor Augen führt, drückt etwas sehr einfaches aus: Unser gesamtes Recht – das Rechtssystem - ist kein "Selbstläufer", sondern hat sich in vielen hundert Jahren entwickelt. Eine Gesellschaft braucht einfach bestimmte "Spielregeln" für ihr Zusammenleben. Diese Spielregeln gibt sie sich in Gesetzen, Verordnungen, Satzungen usw. Früher waren die Regeln nicht in geschriebener Form vorhanden, man hat die „Gesetze“ mündlich überliefert; der Fürst oder ein hoher Vertreter der Kirche (Abt) haben Recht gesprochen. Heute - bei der Fülle der Gesetze und Verordnungen – könnte sich diese niemand merken (schon gar nicht so genau und präzise, wie dies eben bei der Arbeit mit Gesetzen der Fall sein muss), weshalb sie auch spätestens seit der Erfindung des Druckens in größerer Anzahl aufgeschrieben wurden. Dies dient natürlich nicht nur den Verlagen und Herstellern von Fotokopierern, sondern auch der Rechtssicherheit. Das Recht im subjektiven Sinne ist die Befugnis, die sich für den Einzelnen aus dem objektiven Recht unmittelbar ergibt (gesetzliches Recht - z.B. der Anspruch auf Sozialhilfe, wenn bestimmte Voraussetzungen vorliegen) oder die er aufgrund des objektiven Rechts erworben hat (erworbenes Recht - z.B. Erbrecht aufgrund eines Testaments (nicht der gesetzliche Erbanspruch) oder Steuervorteile aus dem Steuerrecht). StOVR Christina Mayer Skript zum Verwaltungsrecht - Allgemeiner Teil 9 1. Abgrenzung vom Privatrecht und Öffentlichem Recht Das gesamte Rechtssystem in Deutschland lässt sich in zwei große Bereiche aufteilen: Privatrecht Öffentliches Recht • ordnet vor allem die Rechtsbeziehungen unter Privaten • setzt eine Gleichordnung voraus • steht auch dem Staat offen • regelt Grundrechtskollisionen • Sonderrecht des Staates • Ausdruck der Grundrechtsbindung und des Gesetzesvorbehalts • regelt insbes. die Staat-Bürger-Beziehung bei Eingriffen Das öffentliche Recht umfasst die Rechtsnormen, welche sich auf das Verhältnis des Einzelnen zum Staat und zu den übrigen Trägern öffentlicher Gewalt oder auf das Verhältnis solcher Verbindungen untereinander beziehen. Die Rechtsbeziehungen des öffentlichen Rechts zeichnen sich durch eine Über-Unter-Ordnung von der "übergeordneten" Behörde als Vertreter des Staats zum "untergeordneten" Bürger aus. Als Beispiele aus dem Gebiet des Öffentlichen Rechts sind Völkerrecht (int. Recht), Kirchenrecht, Staatsrecht, Strafrecht und das gesamte Prozessrecht zu nennen. Das Privatrecht umfasst die Rechtssätze, welche sich auf die Rechtsverhältnisse der Menschen untereinander beziehen. Im Bereich des Zivilrecht = Privatrecht sind alle Ansprüche von der Gleichordnung der Beteiligten geprägt. Anspruchsteller und Anspruchsgegner oder Kläger und Beklagter (nicht Angeklagter, das gibt es nur im Strafrecht) sind gleichwertig; keiner hat einen „höheren Rang“. Der Bereich des Privatrechts umfasst insbesondere das Familien- und das Vermögensrecht. Als das zentrale Gesetzbuch der zivilrechtlichen Beziehungen der Menschen untereinander ist das BGB, das Bürgerliche Gesetzbuch zu nennen. Hier wird was man über den Abschluss von Rechtsgeschäften, alle Arten von Verträgen u.ä. wissen muss, aber auch das Familienrecht und das Erbrecht geregelt. StOVR Christina Mayer Skript zum Verwaltungsrecht - Allgemeiner Teil 10 2. Einführungsfall – Jim Knopf Zur Verdeutlichung der Unterscheidung zwischen Privatrecht und Öffentlichem Recht dient der folgende Einstiegsfall: Der Verwaltungsfachangestellte bei der Stadtverwaltung Kaiserslautern Jim Knopf hat einen sehr schlechten Montag vor sich. Er verschläft, muss deshalb auf sein Frühstück verzichten, sein Auto startet nicht und deshalb muss er – unerlaubter Weise – den Wagen seines Großvaters, Lukas – einem pensionierten Lokomotivführer - nehmen, der sich im Urlaub auf Lummerland befindet. Da es Jim sehr eilig hat, fährt er mit überhöhter Geschwindigkeit durch die Kaiserslauterer Innenstadt. Es kommt wie es kommen muss, er wird von einem städtischen Geschwindigkeitsüberwachungsteam „geblitzt“ und das mit 75 km/h. Danach beschließt J, dass es nun ohnehin egal sei und fährt weiter zu schnell. Er übersieht deshalb ein Stopp-Schild und es kommt mit einem PKW, der vorfahrtsberechtigt ist, zu einem Zusammenstoss. Bei diesem Zusammenstoss wird das Auto des Jim (welches ja seinem Großvater gehört) stark beschädigt. Es wurde nach dem Aufprall auf das andere Fahrzeug gegen einen Baum, der im Eigentum der Stadt steht, geschleudert und hat diesen abgebrochen. Nachdem das Fahrzeug zum Liegen kam, ist Motorenöl ausgelaufen. Das Fahrzeug des Unfallgegners Kalle Wirsch hat auch starke Beschädigungen. Der Fahrer des anderen Wagens, Kalle, hat einen Armbruch und ein Halswirbelschleudertrauma erlitten. Die Polizei nimmt den Unfall auf und befragt zwei städtische Hilfspolizeibeamten als Zeugen, die zufällig alles gesehen haben, da sie gerade in dieser Strasse den ruhenden Verkehr überwachen. Außerdem kommt die städtische Feuerwehr mit einem Einsatzfahrzeug und bindet und beseitigt das aus dem Auto des Jim ausgelaufene Motorenöl. Jim kommt an diesem Tag nicht mehr rechtzeitig zu seinem Arbeitsplatz – das scheint aber wohl eines der kleineren Probleme zu sein. Welche Ansprüche können hier auf Jim Knopf zukommen? (Hier sollten arbeitsrechtliche Überlegungen wegen des zu späten Erscheinens am Arbeitsplatz nicht berücksichtigt werden.) StOVR Christina Mayer Skript zum Verwaltungsrecht - Allgemeiner Teil 11 Hier ist zunächst der Vorgang der Geschwindigkeitsüberprüfung zu nennen. Es handelt sich hier um eine Ordnungswidrigkeit, die die Stadtverwaltung als Ordnungsbehörde verfolgt. Das Verhältnis zwischen Jim und der Stadtverwaltung, bei der er auch angestellt ist, wird im Rahmen der Geschwindigkeitsüberschreitung durch eine ÜberUnter-Ordnung bestimmt. Die Verwaltung handelt hier quasi von oben als „strafende“ Behörde. Wenn Jim nicht zahlen wird, wird es zu einer Verhandlung vor dem Strafrichter beim Amtsgericht kommen. Als zweiten Punkt, der Ansprüche nach sich ziehen könnte, muss man bei dem schwarzen Montag des Jim das überfahrene Stoppschild sehen. Dieser Vorgang wurde zwar – wie auch der nachfolgende Unfall – von zwei Hilfspolizeibeamten der Stadtverwaltung beobachtet; diese sind jedoch lediglich Zeugen. Die Verfolgung dieser Ordnungswidrigkeit fällt nicht in den Zuständigkeitsbereich der Stadtverwaltung. Hier werden Polizei und Staatsanwaltschaft tätig. Identisch mit dem ersten Teil dieses Falles ist hier allerdings, dass die handelnde Behörde im Über-Unter-Ordnungsverhältnis Jim gegenübertritt und den Strafanspruch des Staates hier geltend macht. Das Überfahren eines Stopp-Schildes wird nahezu so geahndet wie die Nichtbeachtung einer roten Ampel. Auf Jim kommt also ein weiteres Ordnungswidrigkeitsverfahren zu, welches natürlich auch – im Fall eines Einspruchs – vor dem Amtsgericht verhandelt werden würde. Was den Zusammenstoss der beiden Pkws angeht (hier wird der Überschaubarkeit der Ansprüche wegen nicht auf das Problem eingegangen, dass Jim den Wagen seines Großvaters Lukas fuhr), so hat der Kalle Wirsch gegen Jim Knopf als Fahrer, den Großvater, Lukas, als Halter und die Versicherung des PKW einen Anspruch auf Ersatz der entstandenen Schäden. Hier ist natürlich zu sagen, dass der Kalle Wirsch diesen Anspruch nicht dreimal hat, sondern nur einen Anspruch, StOVR Christina Mayer Skript zum Verwaltungsrecht - Allgemeiner Teil 12 den er aber gegen alle drei Parteien geltend machen kann. Diese Ansprüche (Reparaturkosten des Wagens, Kosten eines Mietwagens für die Zeit der Reparatur, Kosten für einen Rechtsanwalt, Auslagenpauschale (zwischen 20 und 25 €), merkantiler Minderwert, Schmerzensgeld, Erstattung der Behandlungskosten und Verdienstausfall) sind zivilrechtliche Ansprüche, d.h., wenn der Schadensverursacher oder dessen Versicherung nicht oder nicht alles zahlen will, muss man vor dem Zivilgericht klagen. Es handelt sich hier also um Ansprüche aus einer Gleichordnung. Hier ist keine Über-Unter-Ordnung gegeben. Die Beteiligten stehen sich gleichgeordnet gegenüber. Die Frage des zerstörten Baumes führt wieder zurück in den Bereich der Verwaltung. Es handelt sich um einen städtischen Baum. Diesen hat Jim zerstört. Der Schadensersatzanspruch, den die Stadt wegen des Baumes hat, ist aber kein öffentlich-rechtlicher Anspruch, der im Wege der Überordnung gegenüber Jim geltend gemacht werden könnte. A hat Eigentum der Stadt zerstört. Dies ist nicht anders zu bewerten, als die Eigentumsbeschädigung gegenüber Kalle Wirsch (siehe oben). Das Eigentumsrecht der Stadt ist nicht anders einzuordnen als das der Bürger – Eigentümer bleibt Eigentümer, gleich ob der Eigentümer eine Kommune (also juristische Person) ist oder eine natürliche Person. Jim muss den Schaden ersetzen; tut er dies nicht, wird er vor dem Zivilgericht verklagt. Hier ist also - obwohl die Stadt als Kommune in diesen Anspruch „verwickelt“ ist -, kein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis gegeben, sondern Jim und die Stadt befinden sich auf gleicher Ebene. (Dies gilt im übrigen auch für den zwischen Jim und der Stadt geschlossenen Arbeitsvertrag. Streitigkeiten aus diesem Vertrag werden zwar vor dem Arbeitsgericht und nicht vor dem Amtsgericht ausgetragen; es liegt aber eine Gleichordnung zwischen Jim und der Stadt vor.) Schließlich ist noch die Frage des Feuerwehreinsatzes zu klären. Grundsätzlich sind Feuerwehreinsätze kostenlos. Dies gilt aber für ganz bestimmte, in § 37 LBKG geregelte Fälle nicht; dort sind Ausnahmen StOVR Christina Mayer Skript zum Verwaltungsrecht - Allgemeiner Teil 13 von der Kostenfreiheit geregelt. Ein Verkehrsunfall ist ein solcher Ausnahmefall. Hier wird im Gesetz eine vom Verschulden unabhängige Halterhaftung festgeschrieben. Für den vorliegenden Fall heißt das, dass der Großvater des Jim die Kosten des Einsatzes zahlen muss, da er der Halter des Fahrzeuges ist. Diese Kosten werden von Lukas, dem Lokomotivführer nicht mit einer einfachen Rechung angefordert, sondern mit einem Bescheid. Hier handelt die Behörde aufgrund einer Regelung im Gesetz. Die Ermächtigungsgrundlage – also das Recht so zu handeln – findet sich also im Bereich des Öffentlichen Rechts und deshalb handelt die Behörde hier im Über-Unter-Ordnungsverhältnis. Will der Großvater des Jim Knopf (er ist ja der Halter des PKWs und nicht Jim) nicht zahlen, muss er einen Widerspruch einlegen. Je nach Entscheidung des Stadtrechtsausschusses (wieso hier der Rechtsausschuss entscheidet, wird im Laufe des Unterrichts noch geklärt werden) kann Lukas der Lokomotivführer eine Klage vor dem Verwaltungsgericht erheben. Abschließend ist also festzuhalten, dass die Autofahrt des Jim an diesem Morgen eine Reihe von Konsequenzen aus verschiedenen Rechtsgebieten hatte. Diese lassen sich entweder dem Bereich des Privatrechts oder des Öffentlichen Rechts zuordnen. Die Frage, ob etwas zum Zivilrecht oder dem Öffentlichen Recht zugeordnet wird, ist keine rein akademische oder theoretische Frage. Die Abgrenzung ist wichtig und es ist erforderlich sie vorzunehmen wie dies im Folgenden erkennbar wird: - - - - bei der Bestimmung des Rechtsweges (bei öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten ist grundsätzlich der Verwaltungsrechtsweg eröffnet § 40 VwGO, für privatrechtliche Streitigkeiten ist es der Zivilrechtsweg § 13 GVG. das Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) ist nur bei öffentlichrechtlicher Verwaltungstätigkeit anwendbar, für privatrechtliche Maßnahmen gelten demgegenüber die allgemeinen Vorschriften des BGB, HGB etc. ein Verwaltungsakt (VA) setzt nach § 35 VwVfG eine Regelung auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts voraus. Entsprechendes gilt für den öffentlichen-rechtlichen Vertrag (§ 54 VwVfG) die Verwaltungsvollstreckung dient nur der Durchsetzung öffentlichrechtlicher Forderungen und Verpflichtungen (§§ 1, 6 VwVG) bei öffentlich-rechtlichem Handeln richtet sich die Haftung des Staates nach Art. 34 GG, § 839 BGB (sog. Amtshaftung), während bei privatrechtlicher Tätigkeit die allgemeinen Regeln der §§ 823 ff BGB gelten. StOVR Christina Mayer Skript zum Verwaltungsrecht - Allgemeiner Teil 14 Es gibt eine Reihe von Theorien um die Abgrenzung von Privatrecht zu öffentlichem Recht vornehmen zu können. Wie Sie an den obigen Beispielen erkennen können, ist dies in vielen Fällen sehr wichtig. Insbesondere bei der Frage, ob ein Verwaltungsakt gegeben ist und bei der Frage, ob das Verwaltungsgericht das zuständige Gericht ist (wichtig bei der Prüfung der Zulässigkeit eines Widerspruchs oder einer Klage) sind diese Theorien von Bedeutung. Man muss nicht alle Theorien kennen, aber zumindest eine dieser Theorien sollte „man drauf haben“. Als die wichtigsten Theorien sind hier die Subordinationstheorie, die Interessentheorie und die modifizierte Subjektstheorie zu nennen. Nach der Subordinationstheorie geht man von einem öffentlichrechtlichen Rechtsverhältnis aus, wenn zwischen den Beteiligten ein Über- und Unterordnungsverhältnis besteht, das sich daraus ergibt, dass ein mit hoheitlicher Gewalt ausgestatteter Träger öffentlicher Verwaltung daran beteiligt ist. Die Interessentheorie stellt auf die zugrundeliegende Rechtsnormen ab und ordnet diejenigen, die überwiegend dem öffentlichen Interesse dienen, dem öffentlichen Recht zu und die im Individualinteresse liegen, dem Privatrecht zu. Hierbei stellt man auf die dem Rechtsstreit zugrundeliegende Rechtsnorm ab (achten Sie darauf in Klausuren wird in aller Regel eine Rechtsgrundlage genannt oder zumindest ein Gesetz angegeben, nach dem sich der Streit richten soll). Nach der modifizierten Subjektstheorie wird darauf abgestellt, dass öffentliches Recht gegeben ist, wenn aus dem Rechtssatz ein Hoheitsträger berechtigt oder verpflichtet werden kann, d.h. er gerade in seiner Eigenschaft als Hoheitsträger berechtigt oder verpflichtet wird. - Denken Sie daran, dass Sie eine dieser Theorien beherrschen müssen, um Klausuren lösen zu können. Sie brauchen aber keinesfalls alle Theorien gleichzeitig. Merken Sie sich also die Theorie, die Ihnen am nachvollziehbarsten erscheint und die Sie am leichtesten „benutzen“ können. StOVR Christina Mayer II. Skript zum Verwaltungsrecht - Allgemeiner Teil 15 Standort des Verwaltungsverfahrens 1. Wo wird das Verwaltungsrecht innerhalb des Öffentlichen Rechts eingeordnet? Nachdem nun also klar ist, dass das Rechtssystem - einfach ausgedrückt - in zwei Bereiche unterteilt werden kann, muss die Einordnung des Verwaltungsrechts in diesem System genauer beleuchtet werden. Dass das Verwaltungsrecht zum Bereich des Öffentlichen Rechts zu zählen ist, wird hier nicht weiter vertieft. Zur genaueren Standortbestimmung des Verwaltungsrechts im großen Bereich des Öffentlichen Rechts wird hier zunächst einmal eine Übersicht zu den Funktionen des Verwaltungsrechts herangezogen. Funktionen des Verwaltungsrechts • Organisation der Verwaltungsträger • innere Ordnung der Verwaltung und ihrer Abläufe • Ausgestaltung der Bürger-Staat-Beziehung in materieller und verfahrensrechtlicher Hinsicht Das Verwaltungsrecht mit seinen hier beschriebenen Funktionen wird also Gegenstand der folgenden Ausführungen sein. Einen sehr wichtigen Teil dieser Betrachtungen stellt das Verwaltungsverfahren dar. Wo finden wir „das“ Verwaltungsverfahren ? Um sich mit dem Verwaltungsverfahren beschäftigen zu können, muss man zunächst einmal dessen Position im Rechtssystem bestimmen. Rechtssystem insgesamt Öffentliches Recht Privatrecht - Verfassungsrecht - Bürgerliches Gesetzbuch - Völkerrecht - Verwaltungsrecht - Handelsrecht StOVR Christina Mayer Skript zum Verwaltungsrecht - Allgemeiner Teil 16 Zum Bereich des Öffentlichen Rechts gehören neben dem Verwaltungsrecht u.a. noch das Verfassungsrecht, das Gemeinde- oder Kommunalrecht (diese beiden Gebiete rechnet man dem Besonderen Verwaltungsrecht zu), das Sozialrecht und das Steuerrecht. Das Verwaltungsrecht wiederum wird unterteilt in einen Allgemeinen und einen Besonderen Teil. Diese Aufteilung kann man auch in anderen Rechtsgebieten finden, z.B. im Zivilrecht, im Bürgerlichen Gesetzbuch. Auch dort finden sich allgemeiner Teil neben dem besonderen Teil; ebenso im Strafgesetzbuch. Mit dieser systematischen Aufteilung wird erreicht, dass in einem Gesetz oder in einem Gesetzesteil grundlegende Dinge geregelt werden können, die später für eine ganze Reihe verschiedener Bereiche Gültigkeit haben. In der Mathematik würde man sagen, dass man bestimmte Regelungen „vor die Klammer zieht“, die dann für alle Angaben in der Klammer Bedeutung haben. So ist das auch hier. Die grundsätzlichen Regelungen des allgemeinen Teils haben für den gesamten besonderen Teil Bedeutung; es sei denn, dass dort in den jeweiligen Spezialgesetzen etwas anderes geregelt ist. Im allgemeinen Verwaltungsrecht wird z.B. geregelt, was ein Verwaltungsakt ist, wie er aufgehoben werden kann, welchen Anforderungen er entsprechen muss und vieles andere mehr. Diese Regelungen gelten im Polizeirecht ebenso wie bei Beitragsbescheiden oder im Umweltrecht. Es würde wenig Sinn machen und auch das Rechtssystem nur noch komplizierter machen, wenn in jedem dieser Spezialrechtsgebiete eigene Vorschriften über den Verwaltungsakt und seine Wirksamkeit gelten würden. Soweit ein Spezialgesetz aber gerade wegen seiner Spezialität eine besondere Regelung braucht, werden diese ganz unproblematisch in das Spezialgesetz aufgenommen – das allgemeine System kann aber erhalten bleiben. StOVR Christina Mayer Skript zum Verwaltungsrecht - Allgemeiner Teil 17 III. Grundsätze des Verwaltungshandelns 1. Allgemeines Bevor wir dann also endlich zum Verwaltungsverfahrensgesetz vorstoßen, ist es sinnvoll sich noch die unterschiedliche Handlungsweisen bzw. Grundsätze des Verwaltungshandelns anzusehen, die für alle Arten der Handlungen der Verwaltungen Gültigkeit haben. Wenn wir wissen wollen, in welches Gesetz wir – zur Lösung einer Klausur aber natürlich auch, um die Aufgabenstellungen im Bereich unserer dienstlichen Tätigkeit zu lösen - hineinschauen müssen, müssen wir zunächst die unterschiedlichen Arten des Verwaltungshandelns kennen. Die Rechtsgrundlagen des Verwaltungshandelns richten sich nach der jeweiligen Form des Handelns. Je nach der Art der Handlung, liegt auch eine andere Rechtsgrundlage vor, auf die wir zurückgreifen können. 2.Überblick über die Handlungsformen der Verwaltung Verwaltungshandeln Mit Außenwirkung Privatrechtlich Öffentlich-rechtlich Hoheitliche Handlungen Verwaltungsakte Mit Innenwirkung Schlicht Hoheitliche Handlungen Rechtsnormen ÖffentlichRechtliche Verträge Nicht unmittelbar rechterhebliches Handeln Ziele des Verwaltungsverfahrens StOVR Christina Mayer Skript zum Verwaltungsrecht - Allgemeiner Teil 18 Die Art, also die Form des Verwaltungshandelns richtet sich nach dem Bereich in dem die Behörde tätig ist. Wird die Verwaltung z.B. rein informierend tätig, tut sie das nicht mit einem Verwaltungsakt, sondern mit dem sogenannten schlichten Verwaltungshandeln. Schlichtes Verwaltungshandeln ist Handeln der Verwaltung durch Realakt. Realakte wiederum sind solche Verwaltungsmaßnahmen, die nicht auf einen rechtlichen, sondern nur auf einen tatsächlichen Erfolg gerichtet sind und diesen herbeiführen (z.B. die Bürger über ihre Kehrpflicht informieren mit Infoblättern). Ein Verwaltungshandeln mit Innenwirkung (z.B. interne Anweisungen, bei der Anmeldung zur Müllentsorgung das Formular A oder bei Anmeldung zur Hundesteuer das Formular B zu verwenden – siehe auch im Einschub zu den Rechtsquellen „Verwaltungsvorschrift“) hat seine Rechtsgrundlage beispielsweise im behördlichen Organisationsrecht oder im Beamtenrecht (z.B. der Beamte ist gemäß dem Beamtengesetz verpflichtet, die dienstlichen Anordnungen seiner Vorgesetzten auszuführen). Privatrechtliches Verwaltungshandeln findet seine Rechtsgrundlage im Zivilrecht; insbesondere im Bürgerlichen Gesetzbuch und seinen Nebengesetzen oder im (individuellen) Arbeitsrecht. Bitte beachten Sie, dass die Verwaltung keinesfalls nur im Bereich des öffentlichen Rechts tätig ist. Denken Sie daran, dass eine Behörde ja z. B. auch Kaufverträge und Mietverträge abschließt. 3. Beispiele und Erläuterungen zu den Begriffen der Übersicht a. Rechtsverordnungen und Satzungen aa. Rechtsverordnungen Bei Rechtsverordnungen handelt es sich um Gesetze im materiellem Sinne, die von der Exekutive erlassen werden. Die Exekutive muss hierzu durch ein formelles (parlamentsbeschlossenes) Bundes- oder Landesgesetz ermächtigt worden sein. Dieses Gesetz muss Inhalt, Zweck und Ausmaß der Verordnungsermächtigung näher konkretisieren (Art. 80 Abs. 1 GG). Im Unterschied zu parlamentsbeschlossenen Gesetzen werden Rechtsverordnungen nicht in einem formellen, im Grundgesetz oder in den Landesverfassungen geregelten Verfahren erlassen. Vielmehr wird die Rechtsverordnung durch den jeweiligen Verordnungsgeber (z.B. ein Bundesministerium, ein Landesministerium, aber auch sonstige Behörden, sofern sie zur Verordnungsgebung ermächtigt wurden) erarbeitet. Der Verordnungsgeber kann deshalb schneller und flexibler auf sich verändernde Gegebenheiten reagieren. Von daher bietet sich das Verordnungsgebungsverfahren insbesondere dort an, wo es um die Regelung eher technischer (und damit politisch weniger umstrittener) Sachverhalte geht, die einer ständigen Überprüfung und ggf. Anpassung bedürfen. Parlamentarische Gesetzgebung und Verordnungsgebung stehen damit in einem Verhältnis der Arbeitsteilung zueinander: Der parlamentarische Gesetzgeber regelt Grundsatzfragen, gibt gleichsam den „roten Faden“ vor; der Verord- StOVR Christina Mayer Skript zum Verwaltungsrecht - Allgemeiner Teil 19 nungsgeber regelt die (meist technischen) Details, die ggf. flexibel an eine sich verändernde Wirklichkeit angepasst werden müssen. bb. Satzungen Satzungen sind das gesetzliche Handlungsinstrument der juristischen Personen des öffentlichen Rechts (= Träger der mittelbaren Staatsverwaltung). Solche juristischen Personen des öffentlichen Rechts sind 1. Körperschaften des öffentlichen Rechts, 2. rechtsfähige und nicht-rechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts sowie 3. Stiftungen des öffentlichen Rechts. Die Körperschaften lassen sich dabei in sog. Gebietskörperschaften (Gemeinden, Kreise, kreisfreie Städte) und Personalkörperschaften (Universitäten, Industrie- und Handelskammern, Handwerks-, Ärzte- und Rechtsanwaltskammern etc.) untergliedern. Eine Körperschaft des öffentlichen Rechts zeichnet sich durch ihre Struktur aus Mitgliedern aus, d.h. die Mitglieder wirken an der Erfüllung ihrer Aufgaben mit (z.B. durch Wahl des Gemeinde- bzw. Stadtrats oder der jeweiligen Gruppenvertreter innerhalb der Universitäten). Demgegenüber wird die Anstalt des öffentlichen Rechts durch ein Benutzungsverhältnis gekennzeichnet: Man nutz die Anstalt, ohne auf ihre Organisation und Aufgabenerfüllung Einfluss nehmen zu können. Rechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts sind etwa die Sparkassen oder die Rundfunkanstalten (WDR, NDR, MDR etc.). Nichtrechtsfähige Anstalten sind etwa Einrichtungen wie Museen, Schwimmbäder oder Bibliotheken. Eine Stiftung des öffentlichen Rechts verfolgt einen am Gemeinwohl orientierten Stiftungszweck (wie etwa die Stiftung Preußischer Kulturbesitz, deren Stiftungszweck eben in der Erhaltung des preußischen Kulturbesitzes besteht). Das Recht zur Satzungsgebung ergibt sich für die genannten juristischen Personen zunächst aus ihrer Existenz und Zwecksetzung. b. Tatsächliches Handeln der Verwaltung Verwaltungshandeln ist nicht immer auf die Setzung einer Rechtsfolge gerichtet, sondern kann auch in der Herbeiführung eines tatsächlichen Erfolgs bestehen. In diesem Kontext spricht man von Realakten, Tathandlungen bzw. schlichtem Verwaltungshandeln. Solche Realakte lassen sich dabei wie folgt systematisieren: Sie bestehen zum einen in Wissenserklärungen (z.B. Auskünfte, Warnungen, Berichte etc.), zum anderen in tatsächlichen Verrichtungen (z.B. Auszahlung eines Geldbetrags, den ein Bürger als Entschädigung für sein schützenswertes Vertrauen von der Verwaltung erhält; Fahrt des Bürgermeisters mit dem PKW; Errichtung eines Verwaltungsgebäudes; Straßenreinigung etc.). c. Planendes Handeln der Verwaltung Bei zukunftsgerichteten oder komplexen Verwaltungsvorgängen bedient sich die Verwaltung der Handlungsform des Plans. Solche Pläne kommen in der Rechtswirklichkeit vielfältig und in verschiedensten Zusammenhängen vor: Haushaltspläne des Bundes, der Länder und der Gemeinden; Raumordnungspläne (raumordnende Gesamtpläne, Landes- und Regionalpläne, Flächennutzungspläne, Bebauungspläne) sowie raumbezogene Fachpläne (z.B. zur Durchführung großer Infrastrukturvorhaben wie Straßen- oder Schienenwegebau). Der Plan ist keine eigenständige rechtliche Handlungsform, sondern lässt sich in der Regel unter andere Handlungsformen subsumieren. So wird etwa der Haushaltsplan des Bundes durch ein formelles Gesetze – das Haushaltsgesetz (vgl. Art. 110 Abs. 2 S. 1 GG) – festgestellt mit der Besonderheit, dass dieses keinen materiellen, d.h. an den Bürger gerichteten, sondern lediglich einen an die Exekutive gerichteten Regelungsgehalt aufweist. Die Bebauungspläne der Gemeinden werden demgegenüber als Satzungen erlassen (§ 10 Baugesetzbuch). Raumbezogene Fachplanungen (Straßenund Schienenwegebau) werden regelmäßig im Rahmen eines sog. Planfeststellungs- StOVR Christina Mayer Skript zum Verwaltungsrecht - Allgemeiner Teil 20 verfahrens (vgl. §§ 72 ff. VwVfG) durchgeführt, das mit einem Planfeststellungsbeschluss (= Verwaltungsakt) endet. d. Internes Verwaltungshandeln Verwaltungsvorschriften Bei Verwaltungsvorschriften (auch als „Erlasse“, „Richtlinien“ oder „allgemeine Weisungen“ bezeichnet) handelt es sich um abstrakt-generelle Anordnungen einer Behörde an nachgeordnete Behörden oder eines Vorgesetzten an die ihm unterstellten Verwaltungsbediensteten. Dementsprechend lassen sich Verwaltungsvorschriften als Rechtsregeln des Verwaltungsinnenraums (Innenrechtssätze) charakterisieren. e. Weisungen Bei Weisungen handelt es ich um konkret-individuelle Anordnungen einer Behörde an eine nachgeordnete Behörde oder eines Vorgesetzten an die ihm unterstellten Verwaltungsbediensteten mit dem Inhalt, in einer konkreten Verwaltungsangelegenheit in einer bestimmten Art und Weise zu verfahren. Beispiele: 1. Die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion weist den Landrat L an, die Beseitigung des illegal errichteten Wochenendhauses des A zu verfügen. 2. Bundeswirtschaftsminister Clement weist den Präsidenten der Regulierungsbehörde an, den Antrag der Deutschen Post AG auf Genehmigung ihres Briefportotarifs vom 23.2.2003 in einer bestimmten Art und Weise zu bescheiden. Die Weisung verhält sich damit zur Verwaltungsvorschrift (Innenrecht) wie der Verwaltungsakt zum Gesetz (Außenrecht). 4. Verwaltungsträger Träger der Verwaltung ist der Staat. Denken Sie hier an die Dreiteilung der staatlichen Gewalten. Staatsfunktionen „Gewalten“ Legislative = Gesetzgebung Exekutive = Verwaltung Judikative = Rechtsprechung Im Grundgesetz wird unterschieden zwischen der Bundes- und der Landesverwaltung. Bund und Länder sind juristische Personen des öffentlichen Rechts. Als juristische Person sind sie jedoch nicht so handlungsfähig wie dies für die Verwaltung erforderlich wäre; für sie handeln Organe. Die Organe, die Verwaltungsaufgaben wahrnehmen, nennt man Behörden. Handelt der Staat durch eigene Organe (Behörden), so spricht man unmittelbaren Staatsverwaltung. Bundesbehörden sind StOVR Christina Mayer Skript zum Verwaltungsrecht - Allgemeiner Teil 21 z.B. Kreiswehrersatzämter und Landesbehörden sind z.B. ADD und Polizeipräsidien. Der Staat muss aber seine Aufgaben nicht stets selbst wahrnehmen, sondern kann andere rechtlich verselbständigte Organisationen einschalten. Dann spricht man von mittelbarer Staatsverwaltung. Hier handeln selbständige juristische Personen des öffentlichen Rechts, nämlich Körperschaften, Anstalten und Stiftungen. Körperschaften = mitgliedschaftlich verfasste Zusammenschlüsse, denen öffentliche Aufgaben übertragen sind, bei denen die Mitglieder wesentlichen Einfluss auf die Willensbildung und deren Bestand vom Wechsel der Mitglieder unabhängig ist Beispiele : Gebietskörperschaften, Gemeinden, Ärztekammer, Industrie- und Handelskammer Anstalten = organisatorisch und rechtlich verselbständigte Zusammenfassung von Sachmitteln und Personal, zur Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe, i.d.R. dem Bürger zur Benutzung zur Verfügung gestellt Beispiele : öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten, Sparkassen Stiftungen = rechtlich verselbständigte Vermögensmasse, zur Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe Beispiele : Stiftung Preußischer Kulturbesitz Verwaltungsstruktur des Landes (Beispiel) Unmittelbare Landesverwaltung - Finanzministerium - Oberfinanzdirektion - ADD - Landrat als untere staatl. Verwaltungsbehörde - Innenministerium Mittelbare Landesverwaltung kommunale Selbstverwaltung durch Gemeinden Eigengesellschaften Stadtwerke StOVR Christina Mayer Skript zum Verwaltungsrecht - Allgemeiner Teil 22 Die Verwaltung kann aber auch durch Privatpersonen handeln; dies erfolgt jedoch nur ausnahmsweise. Liegt ein solcher Ausnahmefall vor, dann handeln diese Personen als Beliehene oder Verwaltungshelfer. Beliehene sind natürliche oder auch juristische Personen des Privatrechts, die durch oder aufgrund eines Gesetzes einzelne hoheitliche Verwaltungsaufgaben im eigenen Namen wahrnehmen dürfen. Beispiele : Technischer Überwachungsverein, Notar, Postdienst Verwaltungshelfer handeln nicht selbstständig, sondern sie nehmen nur Hilfstätigkeiten im Auftrag und nach Weisung der sie betrauenden Behörde wahr. Ihr Handeln wird der Behörde zugerechnet. Beispiel : Abschleppunternehmer, der im Auftrag der Kommune Autos abschleppt 5. Allgemeine Grundsätze des Verwaltungsrechts Bei der Ausübung ihrer Tätigkeit hat die Verwaltung - gleichgültig auf welchem Sachgebiet (natürlich im Bereich des öffentlichen Rechts) sie im Einzelnen tätig wird - eine Reihe von allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungshandelns zu beachten. Diese lassen sich zum Teil auf allgemeine Rechtsgrundsätze zurückführen, die nicht nur dem Verwaltungsrecht, sondern unserer gesamten Rechtsordnung zugrunde liegen (z. B. Grundsatz der Verhältnismäßigkeit). Zum Teil können die allgemeinen Grundsätze des Verwaltungshandelns auch direkt den Grundrechten oder anderen verfassungsrechtlichen Regelungen entnommen werden. Allgemeine Grundsätze des Verwaltungsrechts Sind in der Regel Schöpfungen der Rechtsprechung. Teilweise handelt es sich um Konkretisierungen aus dem Verfassungsrecht • • • • • Selbstbindung der Verwaltung Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Verwirkung im öffentlichen Recht öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch Grundsatz des Vertrauensschutzes StOVR Christina Mayer Skript zum Verwaltungsrecht - Allgemeiner Teil 23 6. Gesetzmäßigkeit der Verwaltung Der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung ist ein Kernstück der Rechtsstaatlichkeit; er hebt den Rechtsstaat vom reinen Willkürstaat ab. Verfassungsrechtlich ist er in Art. 20 Abs. 3 GG verankert. Dem gemäß ist die Verwaltung bei ihrer Tätigkeit an Gesetz und Recht (auch untergesetzliche Normen, ungeschriebenes Recht) gebunden. Diese Bindung äußert sich in zwei Erscheinungsformen: Gesetzmäßigkeit der Verwaltung – Art 20 Abs. 3 GG - Vorrang des Gesetzes - negative Gesetzmäßigkeit kein Verwaltungshandeln gegen das Gesetz - Vorbehalt des Gesetzes - positive Gesetzmäßigkeit dem Handeln der Verwaltung muss eine Norm zugrunde liegen a. Der Vorrang des Gesetzes Der Vorrang des Gesetzes (oder die negative Gesetzmäßigkeit) besagt, dass kein Verwaltungshandeln im Widerspruch zu Recht und Gesetz stehen darf. Das Gesetz ist dem Verwaltungshandeln »vorrangig«, d. h. das Gesetz hat immer Vorrang, muss immer beachtet werden; es bestimmt den Inhalt des Verwaltungshandelns. Wo Spezialgesetze für ein bestimmtes Verwaltungshandeln bestehen, muss die Verwaltung diese beachten, im übrigen zumindest allgemeine Rechtsgrundsätze beachten. Die Nichtbeachtung von Recht und Gesetz hat die Rechtswidrigkeit des Verwaltungshandelns zur Folge. Einem rechtswidrigen Verwaltungshandeln braucht der Bürger aber nicht folge zuleisten. Beispiel: Das Unterlassen der für einen schriftlichen Verwaltungsakt gemäß § 37 Abs. 3 VwVfG erforderlichen Unterschrift macht diesen rechtswidrig (es sei denn, es handelt sich um einen maschinell erstellten Verwaltungsakt); die willkürliche Ungleichbehandlung eines Bürgers durch die Verwaltung widerspricht dem Gleichheitssatz (Art. 3 GG) und führt zur Rechtswidrigkeit des betreffenden Verwaltungshandelns. StOVR Christina Mayer Skript zum Verwaltungsrecht - Allgemeiner Teil 24 b. Der Vorbehalt des Gesetzes Der Vorbehalt des Gesetzes (oder die positive Gesetzmäßigkeit) besagt, dass öffentlich-rechtliches Verwaltungshandeln einer rechtlichen Grundlage bedarf, d. h. den Verwaltungsmaßnahmen des öffentlichen Rechts muss eine entsprechende Befugnisform zugrunde liegen. Beispiel: die Möglichkeit, eine Gaststättenerlaubnis zu widerrufen, weil der Inhaber seinen Betrieb ohne Erlaubnis durch einen Stellvertreter betreiben lässt, ist in der Gewerbeordnung festgelegt. Es gibt also eine gesetzliche Regelung, die der Verwaltung beim Vorhandensein der Voraussetzungen diese bestimmte Handlungsweise erlaubt. 7. Ermessen der Verwaltung a) Gesetzesbindung und Ermessen - Grundlagen Der Begriff Ermessen ist vieldeutig, denn er begegnet uns in ganz verschiedenen Zusammenhängen. So ist neben dem Verwaltungsermessen auch vom Ermessen des Gesetzgebers, vom Verordnungsermessen und schließlich vom richterlichen Ermessen die Rede. Handelt es sich hierbei immer um „die selbe Art von Ermessen“? Bei dem uns hier interessierenden Begriff geht es nur um das Verwaltungsermessen. Es hat seinen Ort bei der Gesetzesbindung der Verwaltung, denn es stellt eine Lockerung der Gesetzesbindung dar. Das Ermessen eröffnet der Verwaltung bei Vorliegen eines Gesetzestatbestandes Entscheidungs- und Verhaltensalternativen. Es gibt nicht mehr eine bestimmte Rechtsfolge und damit Verhaltensform - die Verwaltung kann vielmehr zwischen mehreren möglichen Verhaltensformen wählen. Vgl. insoweit die Regelung in § 15 GastG (Rücknahme und Widerruf einer Gaststättenerlaubnis): § 15 Abs. 1 und 2 GastG sehen eine strikte Gesetzesbindung vor („ist zurückzunehmen“, „ist zu widerrufen“), sofern die dort genannten Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind; § 15 Abs. 3 GastG eröffnet der Verwaltung demgegenüber Ermessen („kann widerrufen werden“). StOVR Christina Mayer Skript zum Verwaltungsrecht - Allgemeiner Teil 25 Tatbestand A mit Gesetzesbindung - eine bestimmte Rechtsfolge ist vorgegeben Tatbestand B mit Ermessen - Verhaltensmöglichkeiten X1 bis X n Übersicht Ermessen: Gebundene Entscheidung: Tatbestand Rechtsfolge X Ermessensentscheidung Rechtsfolge 1 Tatbestand Rechtsfolge 2 Rechtsfolge 3 Damit ist zugleich eine erste Aussage über die Struktur des Ermessens gemacht: Ermessen bezieht sich auf die Rechtsfolgenseite. Es setzt die Erfüllung eines gesetzlichen Tatbestandes voraus. Es gibt kein Ermessen ohne gesetzlichen Tatbestand. Ermessen bedeutet zugleich: Verlagerung der Verantwortung vom Parlament auf die Verwaltung. Diese besondere Verantwortung bei der Ermessensausübung kommt im Begründungserfordernis zum Ausdruck, denn die Verwaltung muss offen legen, nach welchen Gesichtspunkten sie ihr Ermessen ausgeübt hat. Beim Vollzug von Gesetzen ohne Ermessen ist das nicht in gleicher Weise der Fall. Sein Sinn besteht darin, Einzelfallgerechtigkeit zu ermöglichen. Aufgrund einer Bindung an gesetzliche Tatbestände gibt es kein völlig freies Ermessen. Das Ermessen der Verwaltung ist immer gesetzesakzessorisch, d.h. es ist durch die ausdrücklichen Vorgaben sowie den Sinn und Zweck der Norm begrenzt. Das auch schon an der Formulierung im Gesetz erkennbar : § 40 Ermessen Ist die Behörde ermächtigt, nach ihrem Ermessen zu handeln, hat sie ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten. StOVR Christina Mayer Skript zum Verwaltungsrecht - Allgemeiner Teil 26 b) Voraussetzungen und Arten des Ermessens aa. Merkmale von Ermessensnormen Äußeres Erkennungsmerkmal von Ermessensnormen ist die Verwendung von Worten wie „kann“, „soll“, „darf“, „ist befugt“ usw. bb. Abgrenzung zu artverwandten Erscheinungen Unbestimmte Rechtsbegriffe - Sind einzelne Tatbestandsmerkmale, die im Wege der Auslegung zu konkretisieren sind. (Beispiele: „öffentliches Interesse“, „Gefahr“, „soziale Härte“, „Einbruch der Dämmerung“, „geschlossene Ortslage“). Es ist Aufgabe der Verwaltung, die unbestimmten Rechtsbegriffe durch Auslegung zu konkretisieren und auf den Einzelfall anzuwenden. Unbestimmte Rechtsbegriffe unterliegen ohne Einschränkungen der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle. Oft hilft auch die verfassungskonforme Auslegung weiter. Das bedeutet aber auch, dass die letztendliche Festlegung, was unter diesem unbestimmten Rechtsbegriff zu verstehen ist, das Verwaltungsgericht trifft. c. Arten des Ermessens Entschließungsermessen: bezieht sich auf das OB, d.h. ob die Verwaltung handelt Gestaltungsermessen: bezieht sich auf das WIE, d.h. den Inhalt der Entscheidung Auswahlermessen: ist ein Teil des WIE, z.B. bei der Auswahl des Störers im Polizeirecht Beispiel aus einer Norm: „Die Polizei kann (= Entschließungsermessen) die notwendigen Maßnahmen (= Gestaltungsermessen) treffen, um eine im einzelnen Falle bestehende, konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit abzuwehren ...“ Fallbeispiel: Die für die Sicherheit des fließenden Verkehrs zuständige Polizei entdeckt auf einem Radweg eine ungesicherte Baugrube. Wegen der anbrechenden Dunkelheit ist davon auszugehen, dass in absehbarer Zeit ein Radfahrer in diese Baugrube stürzen könnte. Zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit kann/muss (was meinen Sie?) die Polizei nunmehr Maßnahmen ergreifen. Zunächst werden sich die handelnden Polizeibeamten überlegen, ob sie überhaupt zur Sicherung der Baugrube tätig werden sollen. In Anbetracht der drohenden Gefahren werden sie diese Frage zweifelsohne bejahen. Sodann überlegen sich die Beamten, wie sie die Sicherung der Baugrube bewerkstelligen. Ihnen bieten sich hierzu mehrere Möglichkeiten an: Sie können die Baugrube selbst sichern, den Bauunternehmer (soweit ermittelbar) zur Grube zitieren und ihm die Sicherung aufgeben oder einen dritten Bauunternehmer mit der Sicherung der Grube beauftragen. Welche StOVR Christina Mayer Skript zum Verwaltungsrecht - Allgemeiner Teil 27 dieser drei Handlungsalternativen die Beamten wählen, hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls (Ermittelbarkeit des Bauunternehmers, Zeitfaktor etc.) ab. Die Polizei wird ihre Entscheidung deshalb nach Effektivitäts- und Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten treffen. d) Bindungen der Ermessensausübung - Ermessensfehler aa. Gesetzliche Bindung und Grenzen des Ermessens Allgemeine Maßstabsnorm für die Ermessensausübung ist § 40 VwVfG. § 40 Ermessen Ist die Behörde ermächtigt, nach ihrem Ermessen zu handeln, hat sie ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten. Diese Norm begründet die sogenannte Gesetzesakzessorietät des Ermessens. Es darf nur und ausschließlich in Übereinstimmung mit dem Zweck der gesetzlichen Ermächtigung ausgeübt werden und es müssen die gesetzlichen Grenzen, die ebenfalls aus der Norm abzuleiten sind, beachtet werden. § 40 normiert also eine positive Zielvorgabe und eine negative Grenze. "Zweck der Ermächtigung" meint, dass hier die Überlegungen einfließen müssen, die den Gesetzgeber zum Erlass der Norm veranlasst haben (welchen Zweck wollte er erreichen? Bei den neuen Gesetzen unter dem Stichwort „Hartz-IV“ soll die Arbeitslosigkeit abgebaut werden und die Zahl der Sozialhilfeempfänger verringert werden – das ist der Zweck dieser Gesetze). Bei den „gesetzlichen Grenzen“ sind an Regelungen aus der Verfassung wie den Gleichbehandlungsgrundsatz u.ä. und an die gesetzlichen Grenzen also andere Regelungen aus dem jeweils zugrundeliegenden Gesetz zu denken. StOVR Christina Mayer Skript zum Verwaltungsrecht - Allgemeiner Teil 28 bb. Ermessensfehler Ermessensfehler -Ermessensüberschreitung -Ermessensnichtgebrauch -Ermessensmissbrauch -gewählte Rechtsfolge hält sich nicht im Rahmen, der vorgegeben ist - die Behörde verkennt, dass sie ein Ermessen hat -falsche Motive oder unpassende Gesichtspunkte prägen die Entscheidung -Verstoß gegen Grundrecht und allgemeine Verfahrensgrundsätze -hier ist insbesondere an Artikel 3 und 5 zu denken -Ermessensreduzierung auf Null Wichtig : Um es nochmals zu betonen: Ein Verstoß gegen die normativen Vorgaben des § 40 VwVfG ist ein Rechtsverstoß. Ermessensfehler sind deshalb Rechtsfehler (und nicht „Zweckmäßigkeitsfehler“). Als solche werden herkömmlicher weise unterschieden: aaa. Ermessensüberschreitung Die Behörde überschreitet ihr Ermessen, wenn sie eine Rechtsfolge wählt, die sich nicht im Rahmen der Ermessensvorschrift hält (= Verstoß gegen § 40 Alt. 1 VwVfG). Beispiele: - Nach einer Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr darf die Behörde nach ihrem Ermessen für den Einsatz des Vollzugsdienstes eine Gebühr zwischen 200,- und 400,- € erheben. Die Behörde macht jedoch eine Gebühr von 500,- € geltend. - Eine landesgesetzliche Regelung sieht vor, dass die Behörde nach ihrem Ermessen für Gaststätten- und Restaurantbetriebe die Sperrstunde zwischen 23.00 Uhr und 1.00 Uhr anordnen kann. Die zuständige Behörde setzt die Sperrstunde jedoch auf 22.30 Uhr fest. StOVR Christina Mayer Skript zum Verwaltungsrecht - Allgemeiner Teil 29 bbb. Ermessensnichtgebrauch Ein Fall des Ermessensnichtgebrauch liegt vor, wenn die Behörde überhaupt nicht erkennt, dass ihr ein Ermessen zusteht (= Verstoß gegen § 40 Alt. 1 VwVfG). Dies ist dann der Fall, wenn die Behörde davon ausgeht, dass sie nur eine ganz bestimmte Entscheidung treffen kann (muss), dies aber gerade nicht der Fall ist, weil im Gesetz verschiedene Handlungsmöglichkeiten gegeben sind. ccc. Ermessensfehlgebrauch (-missbrauch) Von einem Ermessensfehlgebrauch spricht man, wenn die Behörde ihr Ermessen nicht entsprechend dem Zweck der Ermächtigung ausübt, d.h. sich von sachfremden Motiven leiten lässt oder falsche Gesichtspunkte in ihre Erwägungen einbezieht (= ebenfalls Verstoß gegen § 40 Alt. 1 VwVfG). Beispiel: Die Versammlungsbehörde löst eine öffentliche Versammlung auf (§ 15 Abs. 2 Versammlungsgesetz), weil sie ihr „politisch nicht ins Konzept passt“. Die Ermächtigungsnorm (§ 15 Abs. 2 Versammlungsgesetz) dient allein dem Zweck, die öffentliche Sicherheit und Ordnung aufrechtzuerhalten, nicht hingegen der Versammlungsbehörde eine Handhabe gegen politisch unliebsame Versammlungen zu geben. ddd. Verstoß gegen Grundrechte und allgemeine Verwaltungsgrundsätze § 40 Alt. 2 VwVfG ordnet schließlich an, dass die Ermessensausübung nicht die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschreiten darf. Zu diesen gesetzlichen Grenzen gehören insbesondere die Grundrechte und die allgemeinen Verwaltungsgrundsätze (siehe die obigen Ausführungen). Beispiel: In dem obigen Gebührenbeispiel (Gebühren und Maßnahmen im Straßenverkehr) wäre es ermessensfehlerhaft, wenn der handelnde Verwaltungsangestellte eine Gebühr von 400,- € (also an der obersten Grenze des Rahmens) festsetzen würde und von einem Gebührenschuldner verlangen würde, nur weil er diesen persönlich nicht „riechen“ kann. Die Verwaltung hat zwar aufgrund des Gebührenrahmens zwischen 200,- und 400,- € ein Ermessen, wann sie welche Gebührenhöhe festlegt. Aber in dieser Frage hat sie sich durch die bisherige Verwaltungspraxis und ggf. auch durch verwaltungsinterne Anweisungen selbst gebunden; sie verstieße durch ein solches Vorgehen gegen Art. 3 Abs. 1 GG (Gleichbehandlungsgebot). StOVR Christina Mayer Skript zum Verwaltungsrecht - Allgemeiner Teil 30 cc. Ermessensreduzierung auf Null Mitunter kann es vorkommen, dass sich der Ermessensspielraum der Behörde „auf Null reduziert“ („Ermessensreduzierung auf Null“). Dies ist dann der Fall, wenn dem handelnden Verwaltungsangestellten im Rahmen seiner Ermessensbetätigung aufgrund bestehender rechtlicher Bindungen nur noch eine rechtmäßige Handlungsoption zur Verfügung steht. Beispiele: Die Verteilung von politischen Handzetteln in der Fußgängerzone ist eine sog. „Sondernutzung“ des öffentlichen Straßenraums, die nach dem Straßen- und Wegerecht in Rheinland-Pfalz einer Genehmigung bedarf. Die Genehmigung steht dabei im Ermessen der Genehmigungsbehörde. Da das Verteilen von Handzetteln jedoch der politischen Willensbildung dient (s. Art. 21 und Art. 38 GG), verdichtet sich die Entscheidungsalternative der Behörde (Erteilung oder Nichterteilung) auf nur eine zulässige Option, nämlich der Erteilung einer Sondernutzungsgenehmigung (es sei denn, die Partei wäre verboten oder würde in den Flugblättern zu Straftaten aufrufen). IV. Grundregeln des Verwaltungsverfahrens 1. Was ist das Verwaltungsverfahren? Dem öffentlich-rechtlichen Verwaltungshandeln liegen in verfahrensrechtlicher Hinsicht die Vorschriften des Verwaltungsverfahrensrechts zugrunde. Dieses öffentlich-rechtliche Verwaltungshandeln soll im Folgenden näher – insbesondere unter dem Aspekt des Verfahrensablaufes - beleuchtet werden. Das Verwaltungsverfahrensgesetz gilt also nur für die öffentlichrechtliche Verwaltungstätigkeit von Behörden. Das Verwaltungsverfahren ist eine besondere Art des Verwaltungshandelns, die in einem Gesetz, nämlich dem Verwaltungsverfahrensgesetz festgeschrieben, also kodifiziert worden ist. Wie bereits oben gesehen, wird das Verwaltungsverfahren abgegrenzt von den anderen Arten des Verwaltungshandelns (Realakte, Normsetzung etc.). StOVR Christina Mayer Skript zum Verwaltungsrecht - Allgemeiner Teil 31 Grundzüge und systematische Einordnung des Verwaltungsverfahrensgesetzes Das Verwaltungsverfahrensgesetz ist in 8 Teile untergliedert. Teil I – Regelungen über den Anwendungsbereich des Gesetzes und die Amtshilfe Teil II – allgemeine Verfahrensbestimmungen, die sich sowohl auf den Erlass eine VA als auch auf den Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages beziehen Teil III – Kernstück des Gesetzes = Regelungen über den VA Teil IV – ebenfalls Kernstück = Regelungen über den Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages Teil V – besondere Verfahrensarten Teil VI – Rechtsbehelfsverfahren Teil VII – sehr allgemeine Vorschriften über ehrenamtliche Tätigkeiten und das Verfahren vor den Ausschüssen Teil VIII – Schlussvorschriften 2. Warum gibt es ein Bundesverwaltungsverfahrensgesetz und ein Landesverwaltungsverfahrensgesetz? Das Verwaltungsverfahren ist sowohl in einem Bundesgesetz geregelt als auch in eigenen Ländergesetzen. Wie ist dieses Nebeneinander der Gesetze zu erklären? Das Verwaltungsverfahren ist weder Gegenstand der ausschließlichen Gesetzgebung des Bundes (Art 73 GG) noch der konkurrierenden Gesetzgebung (Art 74 GG) d.h. der Bund hat Regelungen für die Bundesbehörden getroffen und die Länder haben eigene Verwaltungsverfahrensgesetze erlassen (die aber häufig wortgleich mit der bundesrechtlichen Regelung sind). Die Landesverwaltungsverfahrensgesetze gehen bei den Aufgaben der Landesverwaltung vor. Finden sich dort - in den Landesverwaltungsverfahrensgesetzen - keine Regelungen, dann greift das Bundesverwaltungsverfahrengesetz ein. Hier vorliegend wird auf das Bundesverwaltungsverfahrensgesetz Bezug genommen; es sei denn, es wird ausdrücklich das Landesverwaltungsverfahrensgesetz genannt. StOVR Christina Mayer Skript zum Verwaltungsrecht - Allgemeiner Teil 32 3. Wo steht im Verwaltungsverfahrensgesetz etwas Grundsätzliches über das Verwaltungsverfahren? "§ 9 Begriff des Verwaltungsverfahrens Das Verwaltungsverfahren im Sinne dieses Gesetzes ist die nach außen wirkende Tätigkeit der Behörden, die auf die Prüfung der Voraussetzungen, die Vorbereitung und den Erlass eines Verwaltungsaktes oder auf den Abschluss eines öffentlichrechtlichen Vertrages gerichtet ist; es schließt den Erlass des Verwaltungsaktes oder den Abschluss des öffentlich-rechtlichen Vertrages ein." Diese Vorschrift ist eine Legaldefinition des Verwaltungsverfahrens. Es handelt sich hierbei um öffentlich-rechtliche Tätigkeiten der Verwaltungsbehörden, wobei die Definition der Behörde in § 1 Abs. 4 VwVfG und in § 2 LVwVfG zu finden ist. Die Tätigkeit der Behörde muss nach außen gerichtet sein. Im Stadium der Vorbereitung kann also nur dann von einem Verwaltungsverfahren i.S.d. Gesetzes gesprochen werden, wenn bereits mit den von der Verwaltung getroffenen Entscheidungen eine Außenwirkung eingetreten ist. Bloße interne Vorüberlegungen reichen also noch nicht aus, um die Regelungen dieses Gesetzes anwenden zu können. Das ist insbesondere dort wichtig, wo Bürger ihre "Rechte" wie Akteneinsicht und Anhörungsrechte reklamieren, die das Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) ihnen einräumt. Diese Rechte können erst dann geltend gemacht werden, wenn tatsächlich ein Verwaltungsverfahren i.S.d. Gesetzes begonnen hat. Nicht von § 9 VwVfG erfasst werden also allgemeinverbindliche Anordnungen, Richtlinien, Erlasse, Realakte, Belehrungen und privatrechtliche Handlungen (siehe dazu die obigen Ausführungen zu den Arten des Verwaltungshandelns). Der Vollzug also die Durchsetzung des Verwaltungsaktes wird in einem eigenen Gesetz, nämlich dem Verwaltungsvollstreckungsgesetz geregelt. 4. Nichtförmlichkeit des Verwaltungsverfahrens "§ 10 VwVfG Das Verwaltungsverfahren ist an bestimmte Formen nicht gebunden, soweit keine besonderen Rechtsvorschriften für die Form des Verfahrens bestehen. Es ist einfach, zweckmäßig und zügig durchzuführen." Die Behörde bestimmt also durch interne Geschäftsanweisungen und Verwaltungsrichtlinien den Ablauf des Verfahrens. Eine ähnlich umfassende und genau festgeschriebene Regelung wie in der Zivilprozess- StOVR Christina Mayer Skript zum Verwaltungsrecht - Allgemeiner Teil 33 ordnung oder der Strafprozessordnung gibt es also nicht. Es handelt sich hierbei ja auch nicht um einen Prozess! Allerdings sind im VwVfG einige grundsätzliche Bestimmungen enthalten, die Verfahrensgrundsätze §§ 9 - 30 die anzuwenden und einzuhalten sind. 5. Verfahrensgrundsätze des Verwaltungsverfahrens Nachfolgend werden einige sehr wichtige Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes besprochen, deren Kenntnis unerlässlich ist im Bereich der Verwaltungstätigkeit. Bitte bedenken Sie, dass man Vorschriften nur dann verstehen und damit auch richtig anwenden kann, wenn man sie aufmerksam liest! ALSO LESEN SIE BITTE!!!!!! a. Die Behörde Die Legaldefinition, was eine Behörde ist, findet sich in § 2 LVwVfG bzw. in § 1 IV VwVfG. Die örtliche Zuständigkeit ist in § 3 VwVfG geregelt; hierbei kommt es z.B. darauf an, wo sich die Gaststätte befindet, für die man eine Gaststättenerlaubnis beantragt oder aber der Wohnort des Antragstellers ist entscheidend, wie z.B. bei der Fahrerlaubniserteilung. Die sachliche Zuständigkeit der Behörden ergibt sich meistens aus den Fachgesetzen des jeweiligen besonderen Verwaltungsrechts; z.B. § 2 GemO, § 57 LBauO etc. b. Amtsträger - Ausschluss von Personen Für die Behörde werden Amtsträger (=Bedienstete) tätig. Für das Verwaltungsverfahren stellen die §§ 20 und 21 VwVfG sicher, dass die jeweilige Amtshandlung nur durch unbefangene Amtsträger wahrgenommen wird. Bestehen Zweifel über die Unparteilichkeit sollte diese Unparteilichkeit immer - auch zum Schutz des Bediensteten selbst - angenommen werden und es sind die Konsequenzen daraus zu ziehen. StOVR Christina Mayer Skript zum Verwaltungsrecht - Allgemeiner Teil 34 Ausschluss kraft Gesetzes § 20 VwVfG - hier wird geregelt, wann ein Amtsträger kraft Gesetzes, d.h. ohne weiteren Antrag oder Entscheidung von einem Verwaltungsverfahren ausgeschlossen ist. Wenn z.B. der Bruder des Sachbearbeiters im Bauamt eine Baugenehmigung beantragt, dann würde ein Angehöriger eines Beteiligten handeln und dieser ist nach dem Gesetz ausgeschlossen (Beachten: hier muss kein Vorgesetzter eine Entscheidung treffen. Die Entscheidung trifft das Gesetz!). Besorgnis der Befangenheit § 21 VwVfG § 21 betrifft den Fall, dass ein konkreter Grund für die Besorgnis der Befangenheit besteht. Anwendungsfälle sind hier in erster Linie das Bestehen einer Freundschaft oder einer Feindschaft. Rechtsfolge des § 21 ist, dass der betroffene Amtsträger den Vorgesetzten unterrichten soll und sich gegebenenfalls - auf dessen Anordnung hin - der Mitwirkung an dem Verwaltungsverfahren zu entziehen hat. Die Besorgnis der Befangenheit ist dann anzunehmen, wenn objektiv ein vernünftiger Grund besteht, der geeignet ist, Misstrauen gegen eine unparteiische Amtsausübung zu rechtfertigen oder wenn von einem Beteiligten ein solcher Grund schlüssig behauptet wird (in diesem letzteren Fall muss die also die Besorgnis der Befangenheit nur vorgetragen werden und gerade nicht tatsächlich vorliegen oder ausdrücklich festgestellt werden.) - Ein förmliches Ablehnungsrecht des Bürgers geben die §§ 20 und 21 VwVfG nicht, wie etwa die Prozessregeln der ZPO oder der StPO, wo man Richter (nicht Staatsanwälte!!) wegen der Besorgnis der Befangenheit ablehnen kann. Eine fehlerhafte Mitwirkung im Verwaltungsverfahren kann aber als Rechtswidrigkeitsgrund gegenüber der Endentscheidung geltend gemacht werden. Beachtlich ist hierbei noch, dass die §§ 20 und 21 nur dort eingreifen, wo dem Amtsträger ein Entscheidungsspielraum zusteht und er damit einen nennenswerten Einfluss auf das Ergebnis des Verfahrens nehmen kann; bei reinen Hilfstätigkeiten, z.B. rein manueller Art ist das nicht der Fall. StOVR Christina Mayer Skript zum Verwaltungsrecht - Allgemeiner Teil 35 c. Die Beteiligten aa. Die Beteiligungsfähigkeit - § 11 VwVfG = die Fähigkeit, Subjekt eines Verwaltungsverfahrens zu sein; hier wird an die Rechtsfähigkeit angeknüpft, allerdings geht die Beteiligungsfähigkeit weiter, da auch nichtrechtsfähige Behörden beteiligungsfähig sind. bb. Handlungsfähigkeit § 12 VwVfG = die Fähigkeit, ein Verwaltungsverfahren als Beteiligter selbst zu führen. Sie umfasst die Fähigkeit zur Abgabe von verfahrensrechtlichen Willenserklärungen und zur Vornahme sonstiger Verwaltungshandlungen. vgl. hierzu die Regeln des BGB: Rechtsfähigkeit = alle Menschen können Träger von Rechten und Pflichten sein; ebenso juristische Personen Geschäftsfähigkeit = ist die Fähigkeit, Rechtsgeschäfte selbst wirksam vornehmen zu können. Die Begriffe aus dem Privatrecht sind zwar sehr ähnlich, aber nicht völlig identisch. So regelt z.B. das Wehrpflichtgesetz, dass ein Wehrpflichtiger 17 jähriger ohne gesetzlichen Vertreter Beteiligter eines Verwaltungsverfahrens sein kann. cc. Beteiligte § 13 VwVfG legt abschließend fest, wer Beteiligter sein kann. - Antragsteller und Antragsgegner - Adressat des VA - die Partner beim Abschluss des öffentlich-rechtlichen Vertrages - der Hinzugezogene d. Vertretung Im Verwaltungsverfahren ist man nicht gezwungen, jede Handlung selbst d.h. persönlich vorzunehmen. Gem. § 14 VwVfG kann sich der Beteiligte auch durch einen rechts- und sachkundigen Vertreter vertreten lassen. Hiermit soll die auch Chancengleichheit mit der Behörde gewahrt werden, bei der die Fachleute arbeiten. StOVR Christina Mayer Skript zum Verwaltungsrecht - Allgemeiner Teil 36 Auf Verlangen der Behörde, hat der Vertreter seine Vollmacht schriftlich nachzuweisen, § 14 III VwVfG. Dies ist keine Schikanevorschrift, sondern dient der Sicherheit, dass die Behörde auch wirklich mit dem richtigen Bevollmächtigten verhandelt. Deshalb ist bei Anrufen absolute Vorsicht geboten. Am Telefon lässt sich nur sehr schwer prüfen, ob tatsächlich eine Bevollmächtigung (und eine schriftliche Vollmacht kann man so überhaupt nicht prüfen) vorliegt und ob dieser Gesprächspartner, den man gerade in der Leitung hat, auch identisch ist mit der Person, die bevollmächtigt wurde. (§ 16 schreibt die Möglichkeit fest, dass die Behörde von Amts wegen einen Vertreter für einen Beteiligten bestellt. Dies soll in Fällen passieren, in denen der eigentlich vom Verfahren Betroffene dies nicht selbst kann, weil z.B. krank ist oder sein Aufenthalt unbekannt ist. Hierdurch soll der Schutz der Beteiligten gewahrt werden.) e. Beginn des Verwaltungsverfahrens Die Einleitung eines Verwaltungsverfahrens liegt - soweit keine andere Regelung eingreift - im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde und geschieht von Amts wegen; das sogenannte Offizialprinzip § 22 VwVfG. Im Ermessen der Behörde liegt die Einleitung des Verfahrens dann nicht, wenn die Behörde - von Amts wegen tätig werden muss oder - auf Antrag hin tätig werden muss bzw. nur auf Antrag hin tätig werden darf. f. Amtssprache Nach § 23 Abs. 1 VwVfG ist die Amtssprache deutsch. Dies spricht zunächst nicht für die Bürgerfreundlichkeit des Gesetzes. Allerdings hat die Vorschrift nicht nur einen Absatz 1 hat, sondern noch weitere Absätze und insoweit werden Regelungen getroffen, wie mit Anträgen etc in einer anderen Sprache zu verfahren ist. StOVR Christina Mayer Skript zum Verwaltungsrecht - Allgemeiner Teil 37 Amtssprache Nach § 23 VwVfG ist die Amtssprache deutsch. Allerdings soll unter dem Gesichtspunkt der Rechtsstaatlichkeit auch eine Berücksichtigung von ausländischem = fremdsprachigem Vorbringen erfolgen können. (1) Die Amtssprache ist deutsch. (2) Werden bei einer Behörde in einer fremden Sprache Anträge gestellt oder Eingaben, Belege, Urkunden oder sonstige Schriftstücke vorgelegt, soll die Behörde unverzüglich die Vorlage einer Übersetzung verlangen. In begründeten Fällen kann die Vorlage einer beglaubig ten oder von einem öffentlich bestellten oder beeidigten Dolmetscher oder Übersetzer angefertigten Übersetzung verlangt werden. Wird die verlangte Übersetzung nicht unverzüglich vorgelegt, so kann die Behörde auf Kosten des Beteiligten selbst eine Übersetzung beschaffen. Hat die Behörde Dolmetscher oder Übersetzer herangezogen, werden diese in entsprechender Anwendung des Gesetzes über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen entschädigt. g. Beratung und Auskunft § 25 VwVfG legt fest, dass die Behörde Helfer des i.d.R. unkundigen Bürgers sein soll. Der Bürger soll beraten werden und über seine Rechte aufgeklärt werden. So soll sichergestellt werden, dass jeder, dem ein Recht zusteht, dieses auch kennt und weiß, wie er es geltend machen kann. Zu dieser Beratung und Aufklärung gehört z.B. auch die Erklärung, dass ein Verwaltungsverfahren i.d.R. Gebühren = Geld kostet und dass dies der Bürger im Falle des Unterliegens zahlen muss. Hierbei ist aber unbedingt auf Neutralität in der Beratung zu achten; es darf nicht der Eindruck entstehen, dass man den Bürger von der Wahrnehmung bestimmter Rechte abhalten will. h. Untersuchungsgrundsatz - Amtsermittlungsgrundsatz Die Behörde kann sich bei ihrer Entscheidung im Verwaltungsverfahren nicht auf das beschränken, was die Beteiligten vortragen. Nach § 24 VwVfG besteht der sogenannte Amtsermittlungsgrundsatz, d.h. die Behörde ist verpflichtet, für die Grundlage ihrer Entscheidung, den wahren Sachverhalt zu ermitteln. Dieser Grundsatz entspricht der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, d.h. die Verwaltung muss sich an die geltenden Gesetze und Vorschriften halten und das kann sie nur dann, wenn sie den ganzen Sachverhalt kennt und damit auch alle einschlägigen Gesetze anwenden kann (siehe hierzu die obigen Ausführungen zum Vorbehalt des Gesetzes und Vorrang des Gesetzes). StOVR Christina Mayer Skript zum Verwaltungsrecht - Allgemeiner Teil 38 i. Anhörung Gem. § 28 VwVfG ist die Anhörung der Beteiligten vor dem Erlass eines belastenden Verwaltungsakten vorgeschrieben. Auch dies entspricht dem Gebot der Rechtsstaatlichkeit. Der Beteiligte soll nicht nur das Objekt der Entscheidung der Behörde sein, sondern er soll vor dem "Eingriff" der Verwaltung in seine Rechte hiervon unterrichtet werden und soll sich hierzu äußern können. Im § 28 VwVfG sind in den Absätzen 2 und 3 auch Ausnahmen von dem Grundsatz zur Durchführung einer Anhörung geregelt; also unter welchen Bedingungen auf eine Anhörung verzichtet werden darf. Hier ist jedoch Vorsicht geboten und eine genaue und gewissenhafte Prüfung angeraten. Die Ausnahmen des § 28 VwVfG sind eng auszulegen, da es hier um den Schutz der Bürgerrechte (auch wenn der Begriff hier nicht 100%ig stimmt) geht. Eine unterlassene Anhörung stellt einen Verfahrensfehler dar, der jedoch geheilt werden kann (z.B. kann durch die Durchführung des Widerspruchsverfahrens die Anhörung, die vor dem Erlass des Ursprungsverwaltungsakt vergessen wurde, nachgeholt werden, weil der Bürger im Widerspruchsverfahren die Möglichkeit hat, sich zu äußern – er wird also angehört. Die Frage des Verfahrensfehlers, seiner Heilungsmöglichkeiten u.ä. wird später noch erörtert.) § 28 Anhörung Beteiligter. (1) Bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, ist diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. (2) Von der Anhörung kann abgesehen werden, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalles nicht geboten ist, insbesondere wenn 1.eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint; 2.durch die Anhörung die Einhaltung einer für die Entscheidung maßgeblichen Frist in Frage gestellt würde; 3.von den tatsächlichen Angaben eines Beteiligten, die dieser in einem Antrag oder einer Erklärung gemacht hat, nicht zu seinen Ungunsten abgewichen werden soll; 4. die Behörde eine Allgemeinverfügung oder gleichartige Verwaltungsakte in größerer Zahl oder Verwaltungsakte mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen will; 5.Maßnahmen in der Verwaltungsvollstreckung getroffen werden sollen. (3) Eine Anhörung unterbleibt, wenn ihr ein zwingendes öffentliches Interesse entgegensteht. StOVR Christina Mayer Skript zum Verwaltungsrecht - Allgemeiner Teil 39 Anhörung nach § 28 VwVfG Was muss bei der Anhörung erfolgen ? Es wird Gelegenheit zur Äußerung zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen gegeben Erforderlich - bei belastenden VA - gegenüber Beteiligten i..S.d. § 13 VwVfG Entbehrlich - zwingend im Falle des § 28 Abs. 3 VwVfG - nach Ermessen bei § 28 Abs. 2 VwVfG, insbesondere bei Gefahr in Verzug, Allgemeinverfügung, Vollstreckungsmaßnahmen Was passiert, wenn die Anhörung nicht durchgeführt wurde ? Es liegt ein Verfahrensfehler vor – was ist dann zu tun ? Heilung - Nachholung nach § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG - Durch die Ausgangs- oder auch die Widerspruchsbehörde - Bis zum Abschluss eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens (§ 45 Abs. 2 VwVfG) - Dadurch wird die Rechtswidrigkeit des VAs (die durch den Formfehler entstanden ist) beseitigt StOVR Christina Mayer Skript zum Verwaltungsrecht - Allgemeiner Teil 40 j. Beweismittel § 26 VwVfG normiert den Grundsatz der Unbeschränktheit der Beweismittel, d.h., dass die Behörde nicht an die klassischen Beweismittel, die man aus dem Zivil- oder Strafprozess kennt, gebunden ist, sondern die Beweiserhebung auch auf andere Grundlagen stellen kann. Dies ist eine Folge der in § 10 VwVfG normierten Nichtförmlichkeit des Verwaltungsverfahrens. Nach § 26 II VwVfG sollen die Beteiligten am Verfahren mitwirken. Hierbei handelt es sich um eine Obliegenheit. Verletzt ein Beteiligter diese Obliegenheit, muss er bedenken, dass die Untersuchungspflicht der Behörde dort endet, wo nur noch der Beteiligte selbst Klarheit schaffen könnte. Die Behörde kann im persönlichen Bereich eines Beteiligten nur sehr begrenzt ermitteln. Erhält die Behörde aber nicht die zur Entscheidung erforderlichen Informationen, so kann sie diese auch nicht berücksichtigen, was wiederum negative Folgen für den Beteiligten haben kann (hier sei auf § 60 SBG X hingewiesen - ein besonderes Verfahrensrecht für den Bereich des Sozialrechts, dort sind der Behörde ausdrücklich Verfahrensweisen für die mangelnde Mitwirkung an die Hand gegeben – z. B. die Einstellung der Leistung). k. Akteneinsicht § 29 Akteneinsicht durch Beteiligte. (1) Die Behörde hat den Beteiligten Einsicht in die das Verfahren betreffenden Akten zu gestatten, soweit deren Kenntnis zur Geltendmachung oder Verteidigung ihrer rechtlichen Interessen erforderlich ist. Satz 1 gilt bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens nicht für Entwürfe zu Entscheidungen sowie die Arbeiten zu ihrer unmittelbaren Vorbereitung. Soweit nach den §§ 17 und 18 eine Vertretung stattfindet, haben nur die Vertreter Anspruch auf Akteneinsicht. (2) Die Behörde ist zur Gestattung der Akteneinsicht nicht verpflichtet, soweit durch sie die ordnungsgemäße Erfüllung der Aufgaben der Behörde beeinträchtigt, das Bekannt werden des Inhalts der Akten dem Wohle des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde oder soweit die Vorgänge nach einem Gesetz oder ihrem Wesen nach, namentlich wegen der berechtigten Interessen der Beteiligten oder dritter Personen, geheimgehalten werden müssen. (3) Die Akteneinsicht erfolgt bei der Behörde, die die Akten führt. Im Einzelfall kann die Einsicht auch bei einer anderen Behörde oder bei einer diplomatischen oder berufskonsularischen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland im Ausland erfolgen; weitere Ausnahmen kann die Behörde, die die Akten führt, gestatten. StOVR Christina Mayer Skript zum Verwaltungsrecht - Allgemeiner Teil 41 § 29 VwVfG schreibt fest, dass dem Beteiligten zur Wahrung seiner Rechte Einsicht in die Verwaltungsakte gewährt werden soll. Voraussetzungen sind: - nur die Beteiligten (und wer „Beteiligter“ ist, haben wir oben schon gehört – welche Vorschrift war es? NICHT GLEICH NACHLESEN – ERST MAL NACHDENKEN!) sind zur Akteneinsicht berechtigt - Akteneinsicht nur in "seine" das Verfahren betreffenden Akten (nicht in Parallelverfahren) - Akteneinsicht muss zur Rechtswahrung erforderlich sein - die einzusehende Akte darf nicht nur aus Entscheidungsentwürfen oder Vorbereitungsarbeiten bestehen - der Akteneinsicht dürfen keine Geheimhaltungsinteressen der Behörde entgegenstehen Akteneinsicht kann grundsätzlich nur bei der aktenführenden Behörde beansprucht werden. Ausnahmen sind hier zulässig. In § 16 Abs. 6 AGVwGO ist geregelt, dass die Akte, die Gegenstand eines Widerspruchsverfahrens ist, in die Kanzlei eines bevollmächtigten Rechtsanwalts geschickt werden darf. Das ist eine erste ausdrückliche Regelung dahingehend. Vor diesem Datum war es den Behörden überlassen, die Entscheidung zu treffen, ob man dem Rechtsanwalt die Akte gibt bzw. in seine Kanzlei schickt oder ob er sie nur in der Behörde zu den üblichen Behördenöffnungszeiten einsehen darf. Im Rahmen der Akteneinsicht stellt sich immer wieder die Frage, ob die Ablehnung der beantragten Akteneinsicht vom Bürger angefochten werden kann und wie (siehe dazu den späteren Fall im Rahmen des Unterrichts). l. Geheimhaltung Der Geheimhaltungsanspruch aus § 30 VwVfG bezieht sich auf Tatsachen (persönliche Daten etc), die nur einem begrenzten Personenkreis bekannt sind und an deren Geheimhaltung der Beteiligte ein berechtigtes Interesse hat. § 30 Geheimhaltung. Die Beteiligten haben Anspruch darauf, dass ihre Geheimnisse, insbesondere die zum persönlichen Lebensbereich gehörenden Geheimnisse sowie die Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, von der Behörde nicht unbefugt offenbart werden. StOVR Christina Mayer Skript zum Verwaltungsrecht - Allgemeiner Teil 42 V. Besondere Verfahren 1. Förmliches Verfahren In besonderen, im jeweiligen Gesetz geregelten Fällen führt die Verwaltung sogenannte besondere = förmliche Verfahren durch. Die Regelungen, die zum Verwaltungsverfahren bislang vorgestellt wurden, gelten hier nur soweit, als keine spezielleren in den Vorschriften der §§ 63 ff VwVfG zu finden sind. Das förmliche Verfahren findet aufgrund gesetzlicher Anordnung statt. Die Vorschriften der §§ 63 ff VwVfG gehen den allgemeinen Regeln vor (lex specialis vor lex generalis): - zur Einleitung des Verfahrens ist ein Antrag erforderlich § 64 - Zeugen und Sachverständige sind verpflichtet, bei dem Verfahren mitzuwirken § 65 I - es gibt ein erweitertes Anhörungsrecht § 66 - es muss eine mündliche Verhandlung durchgeführt werden § 67 I - es gibt kein Vorverfahren § 70 - § 71 enthält Regeln für ein förmliches Verfahren vor Ausschüssen 2. Planfeststellungsverfahren Das Planfeststellungsverfahren §§ 72 ff VwVfG dient der Aufstellung verbindlicher Pläne zur Durchführung bestimmter raumbedeutsamer Vorhaben. Beispiel : Bundesfernstraßen, Flughäfen, Abfalldeponien Abgeschlossen wird das Planfeststellungsverfahren durch den behördlichen Planfeststellungsbeschluss § 74 VwVfG, der als VA zu qualifizieren ist. Die Besonderheit dieses VA besteht darin, dass er alle nach anderen gesetzlichen Vorschriften erforderlichen Genehmigungen, Erlaubnisse, Bewilligungen und sonstige Zulassungsakte ersetzt § 75 I VwVfG (Konzentrationswirkung). Zentraler Bestandteil des Planfeststellungsverfahrens ist das Anhörungsverfahren § 73 VwVfG. Im Rahmen des Anhörungsverfahrens besteht für die Bürger die Möglichkeit, Einwendungen gegen den Plan zu erheben und mit der Behörde zu erörtern. Die Vorschriften des VwVfG über das Planfeststellungsverfahren sind nur dann anwendbar, wenn - die Durchführung des Planfeststellungsverfahren gesetzlich vorgeschrieben ist, § 72 Abs. 1, Halbs.2 VwVfG - und keine Sonderregelungen bestehen, § 1 VwVfG. StOVR Christina Mayer Skript zum Verwaltungsrecht - Allgemeiner Teil 43 VI. Der Verwaltungsakt 1. Übersicht Der Verwaltungsakt = VA ist eine ebenso häufige wie typische Handlungsform des Verwaltungshandelns. Er ist das Instrument, mit dem die Verwaltung dem Bürger aufgrund der öffentlich-rechtlichen Befugnisse etwas gebietet, verbietet, erlaubt usw. Die Definition des VA findet sich im Gesetz - § 35 Satz 1 VwVfG Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere - 1 - hoheitliche Maßnahme, die - 2 - eine Behörde - 3 - zur Regelung eines Einzelfalles - 4 - auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf die - 5 - unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Nachfolgend werden nun die einzelnen Merkmale genauer dargestellt: Unmittelbare Außenwirkung Behörde (§ 1 IV VwVfG) Einzelfall VA zur Regelung Hoheitlich StOVR Christina Mayer Skript zum Verwaltungsrecht - Allgemeiner Teil 44 2. Merkmal - Hoheitliche Maßnahme Maßnahme im Sinn der Vorschrift ist jedes zweckgerichtete Handeln mit Entscheidungscharakter. Die Behörde muss mit der Maßnahme einen bestimmten Zweck verfolgen und zur Erreichung des Zwecks eine bindende Entscheidung treffen wollen. Wenn also die Gemeinde durch eine Postwurfsendung oder durch eine Anzeige in der Zeitung auf die allgemeine Pflicht zur Straßenreinigung hinweist, dann ist das ein Handeln, das zwar durchaus den Zweck verfolgt, dass die Bürger ihre Kehrpflicht ernst nehmen, aber zur Erreichung des Zwecks wurde keine bindende Entscheidung getroffen. Hoheitlich ist eine Maßnahme dann, wenn sie auf die obrigkeitliche Hoheitsgewalt des Verwaltungsträgers gestützt werden muss. Hiermit wird der gesamte Bereich des Privatrechts ausgeklammert. Auch der Bereich des schlicht hoheitlichen Verwaltungshandelns wird hier ausgeklammert, weil bei ihm keine hoheitlichen bzw. obrigkeitlichen Zwangsmittel zum Einsatz gelangen. In der Praxis lässt sich daher die Frage, ob eine hoheitliche Maßnahme vorliegt, am leichtesten dadurch entscheiden, dass man prüft, ob die Verwaltung als Hoheitsverwaltung tätig geworden ist. 3. Merkmal - Die Behörde Ein Verwaltungsakt kann gemäß der Definition im Gesetz nur von einer Behörde stammen. Was eine Behörde ist, findet sich wiederum im Gesetz, in der Legaldefinition im § 2 des LVwVfG bzw. § 1 Abs. 4 VwVfG. "§ 2 LVwVfG Behörde im Sinne dieses Gesetzes ist jede Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt." Damit sind die Behörden von den privaten Verwaltungsträgern abzugrenzen, hier ist an die Verwaltung einer Versicherung oder die Verwaltung einer großen Bank zu denken. StOVR Christina Mayer Skript zum Verwaltungsrecht - Allgemeiner Teil 45 4. Merkmal - Einzelfallregelung a. Regelung Der Begriff der Einzelfallregelung bedeutet zunächst, dass die Maßnahme dazu dienen muss, ein Rechtsverhältnis zwischen der Verwaltung und dem Bürger zu regeln. Derartige Regelungen sind die Begründung, Änderung oder Aufhebung von Pflichten und Rechten die Abweisung von Begehren auf Begründung, Änderung oder Feststellung von Rechten und Pflichten die Feststellung des Bestehens, Nichtbestehens oder des Umfangs von Rechten und Pflichten. Regelungen in diesem Sinn dienen also dazu, neue Rechtsverhältnisse zu schaffen, unklare zu klären bzw. entsprechende Anträge abzuwehren. Durch seinen Regelungsgehalt unterscheidet sich der VA von anderen Verwaltungshandlungen ohne Regelungsgehalt z.B. unverbindliche Hinweise Auskünfte, Gewährung von Akteneinsicht Realakte b. Einzelfall Der Begriff bedeutet im strengen Sinn die Regelung der Verhältnisse einer bestimmten Person in einer konkreten Situation, d.h. die Regelung der konkreten Verhältnisse eines bestimmten Individuums also eine konkret-individuelle Regelung. Inhaltlicher Gegensatz dazu ist die Rechtsnorm, die generelle Geltung besitzt und die abstrakt (also losgelöst vom einzelnen Fall) für alle einschlägigen Fallgestaltungen gelten soll - generell-abstrakte Regelung Eine Nahtstelle zwischen diesen beiden Regelungen ist die Allgemeinverfügung, § 35 Satz 2 VwVfG. Hierbei handelt es sich um einen Regelungstyp, der zwar eine konkret bestimmte Situation oder Sache zum Gegenstand hat, diese aber im Hinblick auf eine (abgrenzbare) Personenmehrheit regelt. Gem. § 35 Satz 2 VwVfG wird die Allgemeinverfügung ausdrücklich als VA bezeichnet, d.h., dass alle übrigen Merkmale des VA bei der Prüfung der Voraussetzungen auch bejaht werden müssen. StOVR Christina Mayer Skript zum Verwaltungsrecht - Allgemeiner Teil 46 Es gibt insgesamt drei Arten der Allgemeinverfügung: Maßnahmen an einen bestimmten (bzw. bestimmbaren) Personenkreis Regelung der öffentlich-rechtlichen Eigenschaft einer Sache Regelung der Benutzung einer Sache durch die Öffentlichkeit 5. Merkmal - Öffentliches Recht als Handlungsbereich Ein Verwaltungsakt muss aus einer Maßnahme bestehen, die ihre Grundlage im öffentlichen Recht hat. Die Fragestellung muss also lauten, "wo hat die zu prüfende Maßnahme ihr Rechtsgrundlage?" Sinn dieser sog. Bereichsklausel (auf dem Bereich/Gebiet des öffentlichen Rechts) ist zunächst die Abgrenzung von Maßnahmen auf den Gebiet des Privatrechts. Daneben ist auch beachtlich, dass nach der Definition nur Behörden handeln dürfen und sich das Verwaltungsverfahren nur mit Verwaltungshandeln von Behörden beschäftigt, liegt hier noch eine weitere Einschränkung vor, nämlich die Beschränkung auf Maßnahmen aus dem Bereich des Verwaltungsrechts. Die übrigen Materien die des öffentlichen Rechts sind somit von der Bereichsklausel nicht umfasst und damit auch nicht dem Erlass von Verwaltungsakten zugänglich. 6. Merkmal - Rechtsaußenwirkung a. Außenwirkung Der Begriff der Außenwirkung bedeutet, dass die Wirkung der behördlichen Maßnahmen den behördeninternen Bereich verlassen muss. Eine endgültige behördliche Maßnahme verlässt den behördeninternen Bereich und wirkt damit nach außen, wenn von der Maßnahme ein von der Behörde verschiedener Rechtsträger betroffen wird. Diese Rechtsträger müssen nicht nur natürliche Personen sein, es können auch juristische Personen des Privatrechts und des Öffentlichen Rechts sein. Bei den endgültigen behördlichen Handlungen, die von ihrer Wirkung her den behördeninternen Bereich nicht verlassen, ist zu unterscheiden zwischen den Verwaltungsvorschriften und den innerdienstlichen Weisungen. (siehe oben – Rechtsquellen und Handlungsarten der Verwaltung) b. Unmittelbarkeit Schließlich muss die Rechtswirkung der Maßnahme nach außen unmittelbar eintreten. Ein lediglich mittelbares Betroffensein Außenstehender von einer behördlichen Maßnahme erfüllt den Begriff der Außenwirkung StOVR Christina Mayer Skript zum Verwaltungsrecht - Allgemeiner Teil 47 nicht. Beispiel: Der Oberbürgermeister weist den Hausmeister an, die Haupteingangstür täglich um 18 Uhr abzuschließen. Hier tritt keine Außenwirkung ein, weil es sich um eine interne Anweisung handelt. Der Bürger kann von dieser Anweisung zwar betroffen sein, wenn er nach 18 Uhr das Gebäude betreten möchte; es liegt dann aber nur eine mittelbare Wirkung vor. VII. Arten des Verwaltungsaktes Es gibt die verschiedensten Verwaltungsakte in den verschiedensten Rechtsgebieten. Man kann sie nach folgenden Kriterien einteilen bzw. zusammenfassen: 1. Einteilung nach der Entstehungsform Einseitige und mitwirkungsbedürftige Verwaltungsakte Bei einem einseitigen VA darf die Behörde allein und von Amts wegen tätig werden. Beispiel: Widerruf der Gaststättengenehmigung Bei einem mitwirkungsbedürftigen VA kann die Behörde - rechtmäßig nur mit der Mitwirkung des Betroffenen tätig werden. Die Mitwirkung besteht in aller Regel in der Stellung eines Antrages. Beispiel: Baugenehmigung, Anwohnerparkausweis, Fahrerlaubnis Einstufige und mehrstufige Verwaltungsakte Der Regelfall sind die einstufigen Verwaltungsakte, bei denen die zuständige Behörde allein entscheidet. Wenn eine Behörde eine andere Stelle hören muss oder ggf. mit einer anderen Stelle das Einvernehmen erzielen muss, dann sind derartige Mitwirkungshandlungen für den Betroffenen keine selbständigen Verwaltungsakte - es ergeht vielmehr ein einheitlicher VA nach einem verwaltungsintern mehrstufigen Verfahren. Beispiel : § 36 BauGB StOVR Christina Mayer Skript zum Verwaltungsrecht - Allgemeiner Teil 48 2. Nach der Ausdrucksform Schriftliche und mündliche Verwaltungsakte - der schriftliche Verwaltungsakt stellt den Regelfall dar und wird wohl auch in der Praxis die häufigste Form sein. - der mündliche Verwaltungsakt wird dadurch zum Ausdruck gebracht, dass der Bedienstete ihn mündlich bekannt gibt und der Betroffene ihn vernimmt. Die Behörde kann einen mündlich erteilten Verwaltungsakt schriftlich wiederholen, § 37 II Satz 2 VwVfG; dies dient der Klarstellung und erleichtert die Beweisführung. Bedenken Sie: Einen mündlichen Verwaltungsakt haben Sie nicht in der Akte, können nicht nachprüfen, was damals genau geregelt wurde und ein Vertreter kann im Fall der Abwesenheit des Bearbeiters nichts zum Sachverhalt sagen. Der schriftliche Verwaltungsakt ist also auf jeden Fall die sicherere Handlungsform. Kann sie aus Gründen der Eilbedürftigkeit o.ä. nicht angewendet werden, sollte dem mündlichen Verwaltungsakt der schriftliche zur Klarstellung nachfolgen. 3. Nach der Wirkungsform Belastende Verwaltungsakte Belastende Verwaltungsakte greifen in die Sphäre des Betroffenen ein. Sie - verlangen ein Tun, Dulden oder Unterlassen von ihm. Beispiel : Beseitigungsverfügung im Baurecht - beschränken oder entziehen Rechte. Beispiel : die nachträglich in den Führerschein aufgenommene Auflage, ein Fahrzeug nur mit Sehhilfe zu fahren - lehnen eine beantragte Begünstigung ab. Beispiel : Ablehnung des Baugesuchs - treffen ungünstige Feststellungen. Beispiel : Feststellung der mangelnden Wehrdienstfähigkeit Begünstigende Verwaltungsakte Begünstigende Verwaltungsakte erweitern die Rechtssphäre des Betroffenen. Sie - begründen oder bestätigen Berechtigungen. Beispiel : Erteilung der Taxikonzession, Gewährung der Sozialhilfe - beseitigen Belastungen. Beispiel : Rücknahme eines Erschließungsbeitragsbescheides - treffen günstige Feststellungen. Beispiel : Feststellung der Wahlberechtigung StOVR Christina Mayer Skript zum Verwaltungsrecht - Allgemeiner Teil 49 Ein begünstigender VA ist selbst dann anzunehmen, wenn mit der Begünstigung eine bestimmte Pflicht verbunden ist. Beispiel: mit der Ernennung zum Beamten geht dieser die besondere beamtenrechtliche Treupflicht (besonderes Pflichtenverhältnis) gegenüber dem Dienstherrn ein. Verwaltungsakte mit Mischcharakter Es gibt Verwaltungsakte, die sowohl begünstigend als auch belastend wirken können. Beispiel: die beantragte Baugenehmigung wird erteilt mit der Auflage, dass das Haus 2 Meter weiter westlich auf dem Grundstück gebaut werden darf Verwaltungsakte mit Doppelwirkung Verwaltungsakte mit Doppelwirkung sind dadurch gekennzeichnet, dass durch den VA an den unmittelbar Betroffenen auch ein Dritter in seinen Belangen mitberührt wird. Beispiel : Erteilung der Baugenehmigung unter Befreiung von den nachbarschutzrechtlichen Abstandflächenwahrungen Befehlende, gestaltende und feststellende Verwaltungsakte Gestaltende Verwaltungsakte regeln Rechte und Pflichten des Betroffenen und gestalten damit das zwischen ihm und der Behörde bestehende Verwaltungsrechtsverhältnis. Beispiel : Ausnahmegenehmigung zum Befahren der Fußgängerzone Feststellende Verwaltungsakte Feststellende Verwaltungsakte stellen bestehende Verwaltungsrechtsverhältnisse zwischen der Behörde und dem Bürger fest, ohne sie in irgendwelcher Weise zu begründen, zu ändern oder aufzuheben. Beispiel : Feststellung des Besoldungsdienstalters Befehlende Verwaltungsakte Befehlende Verwaltungsakte zwingen den Betroffenen zu einem Tun, Dulden oder Unterlassen. Beispiel: Die Baubehörde ordnet an, dass für ein bislang noch nicht genehmigtes Bauwerk, Planunterlagen vorzulegen sind. StOVR Christina Mayer Skript zum Verwaltungsrecht - Allgemeiner Teil 50 4. Besonderheit von Zusage und Zusicherung Eine Behörde kann dem Bürger eine Zusage geben, ein bestimmtes Verhalten betreffend. Eine besondere Form dieser Zusage – ein Mehr als eine Zusage – ist die Zusicherung, die in § 38 VwVfG geregelt ist. Nach ganz herrschender Meinung wird die Zusicherung wie ein Verwaltungsakt behandelt, denn die Behörde verpflichtet sich einen Verwaltungsakt bestimmten Inhalts zu erlassen oder diesen zu unterlassen (die Behörde sichert zu, dass sie keine Abrissverfügung wegen der zu Unrecht errichteten Hütte im Außenbereich erlassen wird; die Behörde sichert zu, dass sie die Gaststättenerlaubnis für die neu erworbene Gaststätte erteilt). Mit der Zusage wird noch keine Regelung getroffen. Zwar liegt ein Bindungswille vor, aber die Regelung wird nur in Aussicht gestellt und eben noch nicht vorgenommen. Zusage und Zusicherung - Zusage: o ist durch den Willen (rechtlicher Bindungswillen) zur Selbstverpflichtung gekennzeichnet o Gegenteil: Auskunft (hat reinen Informationscharakter) Zusage ist dann anzunehmen, wenn durch Auslegung ermittelt wurde, dass ein rechtlicher Bindungswille der Behörde vorlag o Rechtsnatur: kein VA, da die Zusage noch keine Regelung enthält, sondern diese erst in Aussicht stellt - Zusicherung: o ist die Zusage, einen bestimmten VA später zu erlassen oder zu unterlassen (§ 38 I VwVfG) o Folge: ist ein Unterfall der Zusage Zusicherung liegt dann vor, wenn sich die Selbstverpflichtung auf einen VA richtet, ansonsten liegt eine Zusage vor o Rechtsnatur: wird wie VA, wie sich aus § 38 II VwVfG ergibt, so behandelt Behördliche Erklärungen mit rechtlichem Bindungswillen ohne rechtlichem Bindungswillen (Auskunft) gerichtet auf VA (Zusicherung) gerichtet auf sonstige Maßnahmen (Zusage) StOVR Christina Mayer Skript zum Verwaltungsrecht - Allgemeiner Teil 51 VIII. Nebenbestimmungen zum Verwaltungsakt Ein Verwaltungsakt kann mit sogenannten Nebenbestimmungen versehen werden. Neben der eigentlichen Regelung des Verwaltungsaktes wird noch etwas Zusätzliches, was natürlich mit der eigentlichen Verfügung in Bezug steht, geregelt. Hierzu ein Minifall: Gustav Gastlich erwirbt eine Gaststätte und beantragt die zum ihrem Betrieb nach § 2 GastG erforderliche Erlaubnis. Die Erlaubnis wird ihm erteilt mit dem „Zusatz“, G habe noch weitere Lärmschutzvorrichtungen anzubringen, um Lärmbelästigungen für die Nachbarschaft zu vermeiden (vgl. § 4 Abs. 1 Nr. 3 GastG). 1. Bedeutung der Nebenbestimmungen Bei Nebenbestimmungen handelt es sich um Ergänzungen zu einem Hauptverwaltungsakt, die unter anderem die Funktion haben, Genehmigungshindernisse tatsächlicher oder rechtlicher Art auszuräumen und sicherzustellen, dass die genehmigte Tätigkeit in Übereinstimmung mit der Rechtsordnung ausgeführt wird. Eine Regelung findet sich in § 36 VwVfG. § 36 Nebenbestimmungen zum Verwaltungsakt. (1) Ein Verwaltungsakt, auf den ein Anspruch besteht, darf mit einer Nebenbestimmung nur versehen werden, wenn sie durch Rechtsvorschrift zugelassen ist oder wenn sie sicherstellen soll, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsaktes erfüllt werden. (2) Unbeschadet des Absatzes 1 darf ein Verwaltungsakt nach pflichtgemäßem Ermessen erlassen werden mit 1. einer Bestimmung, nach der eine Vergünstigung oder Belastung zu einem bestimmten Zeitpunkt beginnt, endet oder für einen bestimmten Zeitraum gilt (Befristung); 2. einer Bestimmung, nach der der Eintritt oder der Wegfall einer Vergünstigung oder einer Belastung von dem ungewissen Eintritt eines zukünftigen Ereignisses abhängt (Bedingung); 3. einem Vorbehalt des Widerrufs oder verbunden werden mit 4. einer Bestimmung, durch die dem Begünstigten ein Tun, Dulden oder Unterlassen vorgeschrieben wird (Auflage); 5. einem Vorbehalt der nachträglichen Aufnahme, Änderung oder Ergänzung einer Auflage. (3) Eine Nebenbestimmung darf dem Zweck des Verwaltungsaktes nicht zuwiderlaufen. Im Ausgangsfall kann die Gaststättenerlaubnis gem. § 2 Abs. 1 i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 3 GastG nur erteilt werden, wenn von dem Gaststättenbetrieb keine unzumutbaren Lärmbelästigungen für die Nachbarschaft ausgehen. Nach dem geschilderten Sachverhalt war der Gaststättenbetrieb zunächst offensichtlich nicht genehmigungsfähig. Durch den „Zusatz“ wird diese Genehmigungsfähigkeit jedoch hergestellt. Nebenbestimmungen geben der Verwaltung damit ein flexibles Hand- StOVR Christina Mayer Skript zum Verwaltungsrecht - Allgemeiner Teil 52 lungsinstrument an die Hand, um auch im Interesse des Bürgers rechtliche Hindernisse zu überwinden. Die Behörde handelt nach dem Grundsatz „Ja, aber ...“ und vermeidet damit die aus der Sicht des Betroffenen nachteiligere Entscheidung des „Nein“. Insofern verwirklicht sich durch die Nebenbestimmung der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. 2. Arten von Nebenbestimmungen Die Nebenbestimmungs-Typen werden in § 36 Abs. 2 VwVfG aufgelistet. Zu ihnen gehören: a. Befristung Vgl. § 36 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG Beispiele: 1. Der Einzelhändler E erhält die Erlaubnis, sein im Kurort K gelegenes Geschäft bis Saisonende (30.9.) auch an Sonntagen am Vormittag zu öffnen (s. § 10 Ladenschlussgesetz). 2. Die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post befristet eine Tarifgenehmigung zugunsten der Deutschen Post AG auf 2 Jahre. 3. Der wissenschaftliche Assistent MT wird für drei Jahre zum Beamten ernannt. b. Bedingung Vgl. § 36 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG Danach sind zu unterscheiden: Die aufschiebende und die auflösende Bedingung. Beispiele: 1. Eine Baugenehmigung wird unter der aufschiebenden Bedingung erteilt, dass eine zivilrechtliche Grunddienstbarkeit, die auf dem Baugrundstück lastet und dessen Bebaubarkeit entgegensteht, aus dem Grundbuch gelöscht wird. Bevor diese Bedingung nicht erfüllt ist, kann von der Baugenehmigung (durch Ausführung des Bauvorhabens) kein Gebrauch gemacht werden. 2. Dem Gastwirt G wird die Gaststättenerlaubnis unter der auflösenden Bedingung erteilt, dass er nicht seine wegen gewerblicher Unzucht und Kuppelei vorbestrafte Verlobte in der Gaststätte beschäftigt (vgl. § 21 GastG). Verstößt G gegen diese Bedingung, so erlischt automatisch seine Gaststättenerlaubnis. vgl. hierzu die Regelungen aus dem BGB : Aufschiebende Bedingungen § 158 I BGB: Der Eintritt der Rechtswirkung hängt von einer Bedingung ab. Diese Rechtswirkung entsteht also erst mit dem Eintritt der Bedingung. Als Hauptbeispiel kann hier der Eigentumsvorbehalt genannt werden § 455 BGB. Die Verpflichtung, das Eigentum zu übertragen, tritt erst nach der vollständigen Zahlung des Kaufpreises ein. Auflösende Bedingung § 158 II BGB: Der Fortbestand einer Rechtswirkung hängt von einer Bedingung ab. Die Rechtswirkung endet also mit dem Eintritt dieser Bedingung Hier ist als Hauptbeispiel der Rückfall einer gewährten Sicherung zu nennen, die nach der Tilgung einer Schuld erfolgt. Wie ist nun der Ausgangsfall des Gustav Gastlich zu beurteilen? Bei dem „Zusatz“ handelt es sich möglicherweise um eine aufschiebende Bedingung. G könnte deshalb von seiner Gaststättenerlaubnis erst StOVR Christina Mayer Skript zum Verwaltungsrecht - Allgemeiner Teil 53 dann Gebrauch machen, wenn er die Lärmschutzvorrichtungen installiert hat. Ob dies der Fall ist, oder ob nicht vielmehr die Nebenbestimmung einer Auflage gewählt wurde, muss nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt werden (dazu noch nachfolgend d). c. Widerrufsvorbehalt Vgl. § 36 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG Beispiel: Beamten Ernennung auf Widerruf (früher wurden z.B. Rechtsreferendare zu Beamten auf Widerruf ernannt. Die Beamten Ernennung wurde widerrufen, sobald der Rechtsreferendar sein 2. juristisches Staatsexamen erfolgreich bestanden hatte. Da dieser Zeitpunkt im vorhinein nicht exakt bestimmt werden konnte, wurde die Beamten Ernennung nicht befristet, sondern unter Widerrufsvorbehalt gestellt). Der Widerrufsvorbehalt zerstört Vertrauen! Der Adressat eines Verwaltungsakts, der mit einem Widerrufsvorbehalt versehen ist, kann sich (wie eben der Rechtsreferendar) nicht darauf verlassen, dass ihm eine rechtlich relevante Position (Beamten Ernennung) auf Dauer gewährt wird. d. Auflage Vgl. § 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG Im Gegensatz zu den Nebenbestimmungen a) bis c), die unselbständige Teile eines Hauptverwaltungsakts sind, handelt es sich bei der Auflage um einen selbständigen Verwaltungsakt, der sich auf einen bestimmten Hauptverwaltungsakt bezieht. Auflage und Bedingung unterscheiden sich dabei wie folgt: „Die Bedingung suspendiert, zwingt aber nicht. Die Auflage zwingt, suspendiert aber nicht.“ Um diesen Merkspruch am Ausgangsfall zu erklären: Handelte es sich bei dem „Zusatz“ um eine Auflage, so hätte dies zur Folge, dass G von der Gaststättenerlaubnis sofort Gebrauch machen könnte, da die Auflage (zusätzliche Lärmschutzvorrichtungen) die Wirksamkeit des Hauptverwaltungsakts (Gaststättenerlaubnis) nicht suspendiert (aussetzt). Kommt G in der Folgezeit der Auflage nicht nach, so kann diese von der Erlassbehörde zwangsweise durchgesetzt (vollstreckt) werden (z.B. durch Festsetzungen eines Zwangsgelds oder durch Ersatzvornahme). Würde es sich demgegenüber bei dem „Zusatz“ um eine Bedingung handeln, so würde diese, da aufschiebender Natur, die Wirksamkeit des Hauptverwaltungsakts (Gaststättenerlaubnis) suspendieren mit der Folge, dass G von der Erlaubnis solange keinen Gebrauch machen könnte, bis er dem „Zusatz“ nachgekommen wäre. Eines Verwaltungszwangs bedarf es in diesem Fall nicht; ob G die Gaststättenerlaubnis ausnutzen darf oder nicht, hängt allein von seinem autonomen Verhalten ab. Für welches Instrument (Bedingung oder Auflage) sich die Behörde im Einzelfall entscheidet, ist vom „verobjektivierten Empfängerhorizont“ des Adressaten aus zu bestimmten. Die Behörde hat sich im Zweifel für die dem Bürger günstigere Lösung entschieden. Dies ist regelmäßig das Handeln durch Auflage, da sich diese aus Sicht des Bürgers als StOVR Christina Mayer Skript zum Verwaltungsrecht - Allgemeiner Teil 54 das schonender (verhältnismäßigere) Mittel zur Erreichung eines bestimmten Verwaltungszwecks (Lärmschutz) darstellt. e. Auflagenvorbehalt Vgl. § 36 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG Abwandlung des Ausgangsfalls: Von der Gaststätte des G gehen im Genehmigungszeitpunkt keine Lärmbelästigungen aus. Allerdings ist bereits jetzt damit zu rechnen, dass es aufgrund einer „heranrückender Wohnbebauung“ in Zukunft zu Nutzungskonflikten zwischen der Gaststätte und der Wohnnutzung kommen wird. In einem solchen Fall erteilt die Genehmigungsbehörde die Gaststättenerlaubnis unter Auflagenvorbehalt. Im Falle eines tatsächlich entstehenden Nutzungskonflikts könnte dem G sodann eine entsprechende Auflage (zusätzliche Lärmschutzvorkehrung) nachträglich erteilt werden (tatsächlich ist diese Konstellation allerdings spezialgesetzlich in § 5 Abs. 1 Nr. 3 GastG geregelt; dennoch dürfte Ihnen der Fall Sinn und Zweck eines Auflagenvorbehalts plastisch vor Augen geführt haben). Abgrenzung von der aufschiebenden Bedingung zur Auflage Unterschied: Die Bedingung suspendiert, zwingt aber nicht die Auflage zwingt, suspendiert aber nicht. Das meint folgendes: (1. Bedingung : Unter der Bedingung, dass dieses und jenes erfolgt, darf der Bauherr sein Bauvorhaben beginnen – er muss nicht bauen – die Entscheidung liegt bei ihm, aber wenn er die Bedingungen nicht erfüllt, darf er nicht bauen; (2. Auflage : Die Auflage zwingt zu einem bestimmten Handeln, wird es nicht eingehalten, dann ist man nicht mehr im rechtmäßigen Bereich) - - Es kommt für die Abgrenzung auf den Willen der Behörde an. Dieser ist aus den jeweiligen Umständen zu ermitteln, soweit er nicht eindeutig erkennbar ist. Die Bezeichnung durch Behörde ist nicht entscheidend, sie ist vielmehr lediglich ein Indiz. Kriterien: o Wichtigkeitskriterium: War die Nebenbestimmung für die Behörde so wichtig, dass sie die Wirksamkeit des VAs davon abhängig machen wollte? Dann Bedingung Bsp.: • Nebenbestimmung für Gaststättenerlaubnis mit der Nebenbestimmung, für die Gäste mindestens eine Toilette zu bauen Bedingung • wie vor, jedoch sollen zu schon vorhandenen zehn eine weitere Toilette hinzugefügt werden Auflage o Zulässigkeitskriterium: wenn eine Bedingung unzulässig wäre, ist von einer Auflage auszugehen (und umgekehrt) StOVR Christina Mayer Skript zum Verwaltungsrecht - Allgemeiner Teil 55 denn es ist davon auszugehen, dass die Behörde rechtmäßig handeln will Belastungsintensität: bei Zweifeln ist von Auflage auszugehen, da diese den Bürger am wenigsten belastet o o Abgrenzungen - bei diesen Fällen liegen keine echten Nebenbestimmungen vor Folge ist dann, dass keine isolierte Anfechtung gegen die Nebenbestimmung möglich ist, sondern eine Verpflichtungsklage gegen den gesamten Verwaltungsakt erforderlich ist. bloße Inhaltsbestimmung o o o dadurch wird nur die Reichweite des Haupt- VA bestimmt Bsp.: Baugenehmigung enthält genaue Angaben über die überbaubare Grundstücksfläche Folge: keine isolierte Anfechtungsklage, denn VA könnte ohne Inhaltsbestimmung nicht aufrechterhalten werden, weil er zu unbestimmt wäre Teilgenehmigung o o o dabei bleibt das von der Behörde Gewährte hinter dem Beantragten zurück (Antragsteller enthält nur ein Minus, das aber vom Antrag mit umfasst ist) Bsp.: Es wird eine Baugenehmigung für ein 10- stockiges Haus beantragt, es wird aber nur ein 3- stockiges Haus gewährt Folge: keine Nebenbestimmung, denn es liegt nur eine Regelung vor Modifizierende Genehmigung o o o ist eine Genehmigung, aber mit Einschränkungen von essentieller Bedeutung für die Genehmigung Folge: Behörde gewährt im Ergebnis etwas anderes – ein sogenanntes Aliud - als beantragt war das Gewährte wird auch durch Auslegung nicht vom ursprünglich beantragten gedeckt 3. Zulässigkeit von Nebenbestimmungen Ob und inwieweit es zulässig ist, einen Hauptverwaltungsakt mit einer Nebenbestimmung zu versehen, entscheidet sich nach § 36 VwVfG. Dieser unterscheidet zwischen: a. Gebundene Verwaltungsakte Vgl. § 36 Abs. 1 VwVfG Das Gesetz beschreibt den gebundenen Verwaltungsakt als einen solchen, „auf den ein Anspruch besteht“. Nebenbestimmungen zu solchen gebundenen Verwaltungsakten sind nur in den durch Rechtsvorschrift zugelassenen Fällen (z.B. § 12 BImSchG; § 33a Abs. 1 Satz 3 GewO) oder zur Herbeiführung rechtmäßiger Zustände zulässig. b. Ermessensverwaltungsakte Vgl. § 36 Abs. 2 VwVfG. Anders verhält es sich bei Ermessensverwaltungsakten. Dort ist die Erteilung von Nebenbestimmungen grundsätzlich zulässig. Wenn schon StOVR Christina Mayer Skript zum Verwaltungsrecht - Allgemeiner Teil 56 die Erteilung des Hauptverwaltungsakts im Ermessen der Behörde steht, dann muss es der Behörde erst recht gestattet sein, die Hauptregelung durch Nebenbestimmungen näher zu begrenzen. c. Koppelungsverbot Vgl. § 36 Abs. 3 VwVfG Beispiel: Die Baugenehmigungsbehörde erteilt dem Bauherrn einen Dispens von den Festsetzungen des Bebauungsplans (z.B. gestattet sie ihm ausnahmsweise eine zweigeschossige Bebauung, obwohl der Bebauungsplan für das in Rede stehende Grundstück nur eine eingeschossige Bebauung vorsieht). Ein solcher Dispens steht gem. § 31 Baugesetzbuch im Ermessen der Behörde. Zugleich knüpft sie diesen Dispens (= Hauptverwaltungsakt) an die „Auflage“, dass der Bauherr eine Spende in Höhe von 5000,- € an die freiwillige Feuerwehr der Gemeinde X abzuführen habe. Da diese Spende in keinem inneren Zusammenhang zu der Dispens-Erteilung steht, ist sie gem. § 36 Abs. 3 VwVfG unzulässig. 4. Rechtsschutz gegen Nebenbestimmungen Der Adressat eines begünstigenden Verwaltungsakts (Hauptverwaltungsakt), der mit einer Nebenbestimmung versehen wurde, hat regelmäßig ein Interesse daran, dass im Widerspruchsverfahren oder im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nur die belastende Nebenbestimmung kassiert wird. Die Begünstigung möchte er hingegen behalten. Im Ausgangsfall wird Gustav Gastlich deshalb Rechtsschutz nur dahingehend begehren, dass die ihn belastende Auflage, weitere Lärmschutzvorrichtungen zu installieren, wieder aufgehoben wird. Grundsätzlich ist eine solche isolierte Anfechtung bzw. Teilanfechtung einer Nebenbestimmung zulässig. Ihre Aufhebung darf nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts allerdings nicht dazu führen, dass der Hauptverwaltungsakt rechtswidrig wird (etwa, weil durch die Beseitigung der Nebenbestimmung die Genehmigungsfähigkeit des gesamten Vorhabens entfällt). Setzt sich der Adressat eines Verwaltungsakts, der mit einer Nebenbestimmung verbunden wurde, gegen diese nicht zur Wehr, dann erwächst die Nebenbestimmung, ebenso wie der Hauptverwaltungsakt, in Bestandskraft, auch wenn sie rechtswidrig sein sollte. StOVR Christina Mayer Skript zum Verwaltungsrecht - Allgemeiner Teil 57 Vorgehen in Klausur bei Anfechtung von Nebenbestimmungen - - Prüfung der Zulässigkeit: welche ist die statthafte Klageart? o Schritt 1: Problem aufwerfen, dass gegen VA mit Zusätzen sowohl Anfechtungs- als auch Verpflichtungsklage in Frage kommt o Schritt 2: Prüfen, ob eine echte Nebenbestimmung vorliegt ? o Schritt 3: Rechtliche Einordnung Eingehen auf Problem der statthaften Klageart (siehe oben) dann der herrschenden Meinung folgen, nach der grundsätzlich Anfechtungsklage statthaft ist scheidet eine isolierte Aufhebung offenkundig von vornherein aus? dann Ausnahme Problem der Begründetheit: ist die Nebenbestimmung vom Haupt- VA teilbar? Obersatz: Die isolierte Anfechtungsklage gegen die Nebenbestimmung ist begründet, wenn die Nebenbestimmung rechtswidrig ist, den Kläger in seinen Rechten verletzt (§ 113 I 1 VwGO) und der Haupt- VA von der NB materiellrechtlich teilbar ist. VA ist nicht teilbar, wenn untrennbarer innerer Zusammenhang Eine Teilbarkeit ist anzunehmen, wenn der Rest- VA ohne die NB sinnvoller- und rechtmäßiger weise bestehen bleiben kann Besonderheiten beim Ermessens- VA o wenn nicht teilbar: Anfechtungsklage unbegründet, auch wenn Zusatz rechtswidrig aber Umdeutung der Klage in eine Verpflichtungsklage Tipp: Im Rahmen der Zulässigkeit sowohl die Voraussetzungen für eine Anfechtungs- als auch für eine Verpflichtungsklage prüfen. Denn es stellt sich erst innerhalb der Begründetheitsprüfung heraus, ob der VA von der NB teilbar ist und somit, ob eine Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage statthaft ist. Sonst müsste man eventuell nach Klageänderung noch einmal die Zulässigkeit prüfen!! StOVR Christina Mayer Skript zum Verwaltungsrecht - Allgemeiner Teil 58 IX. Wirksamkeit des Verwaltungsaktes 1. Bekanntgabe des Verwaltungsakts (§ 41 VwVfG) - Bedeutung der Bekanntgabe : Erst wenn der Verwaltungsakt bekannt gegeben wurde, erlangt er rechtliche Existenz - Wirksamkeit: Bekanntgabe bewirkt die Wirksamkeit (§ 43 I 1 VwVfG) – ist ein VA also noch nicht bekannt gegeben, ist er auch noch nicht wirksam. - wenn VA die Rechte mehrerer Personen berührt: o VA ist allen Betroffenen bekannt zugeben (§ 41 I 1 VwVfG) o Wirksamkeit tritt für den Einzelnen erst dann, wenn der VA ihm bekannt gegeben wurde (§ 43 I 1 VwVfG) o Folge: VA kann für einzelne Betroffene zu unterschiedlichen Zeitpunkten wirksam werden oder auch nur für einen Teil Voraussetzungen der Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes o Die Bekanntgabe muss amtlich durch die zuständige Behörde veranlasst worden ein o Bekanntgabe muss an den Betroffenen selbst erfolgen o muss in der vorgeschriebenen Form erfolgen - notwendig ist stets der Bekanntgabewillen der Behörde reine Auskunft ist noch keine Bekantgabe § 41 III VwVfG: Sonderfall der öffentlichen Bekanntgabe Drei- Tages- Fiktion des § 41 II VwVfG „Die Behörde B lehnt den Antrag des A auf Erlass einer Baugenehmigung mit Schreiben vom 04.04.2002 (Donnerstag) ab. Dieses Schreiben geht dem A am 05.04.2002 zu. Er legt am 08.05.2002 (Mittwoch) Widerspruch ein. Ist der Widerspruch noch rechtzeitig?“ - Fraglich ist hierbei, wann die Bekanntgabe i.S.d. § 70 VwGO erfolgt ist. Der A hat den Brief bereits am 05.04.2002 erhalten. Wenn das schon die Bekanntgabe i.S.d. § 70 VwGO wäre, dann wäre die Frist am 06.04.2002 um 0.00 Uhr los- (Ereignistag = Tag der Zustellung wird nicht mitgerechnet) und am 05.05.2002 24.00 Uhr (der letzte Tag der Frist muss in seiner Benennung dem Ereignistag also dem Zustellungstag entsprechen) abgelaufen. Der Widerspruch wäre daher verfristet. StOVR Christina Mayer Skript zum Verwaltungsrecht - Allgemeiner Teil 59 Jedoch ist auch § 41 II VwVfG abzustellen, da der Brief nicht förmlich zugestellt wurde. Danach gilt der VA mit dem dritten Tag nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. (Es sei denn er wurde später oder gar nicht zugestellt.) o Hier muss vom 04.04.2002 als Aufgabedatum ausgegangen werden, da der Brief vom selben Tag stammt und dem A bereits am nächsten Tag zuging. o Folglich gilt der VA als am 07.04.2002 (Sonntag) als bekannt gegeben, so dass die Widerspruchsfrist am 08.04.2002 0.00 Uhr zu laufen beginnt (§ 187 I BGB). Problematisch ist dabei, dass das Ende der Drei- Tages- Fiktion auf einen Sonntag fällt. Dabei könnte nach dem Rechtsgedanken der § 193 BGB, § 31 III VwVfG eine Verschiebung auf den folgenden Montag stattfinden. Aber diese Vorschriften gelten nur für eine Frist und dort auch nur für das Ende der Frist und nicht für den Beginn und nicht auch für eine Fiktion (wie § 41 II VwVfG). Damit endete die Widerspruchsfrist gem. § 188 II BGB am 07.05.2002 24.00 Uhr. Der am 08.05.2002 eingelegte Widerspruch ist verfristet; eine Möglichkeit der Fristverlängerung nach §§ 31 III VwVfG bzw. 193 BGB ist nicht möglich, weil es das Fristende nicht auf einen Samstag, Sonntag oder gesetzlichen Feiertag fällt. - Bekanntgabe Grundsatz: individuell (§ 41 I VwVfG) Normalfall: formlos (§ 41 I VwVfG) Ausnahme: öffentlich (§ 41 III VwVfG) Ausnahme: förmlich mittels Zustellung ( § 41 V VwVfG) durch Post (§§ 3, 4 VwZG) durch Behörde (§§ 5, 6 VwZG) StOVR Christina Mayer Skript zum Verwaltungsrecht - Allgemeiner Teil 60 X. Die Rechtmäßigkeit bzw. Rechtwidrigkeit des Verwaltungsaktes Bei Klausuren muss in der Regel die Rechtmäßigkeit bzw. die Rechtswidrigkeit von Verwaltungsakten geprüft werden (wie man diese Prüfung in die Struktur der Klausurlösung einbaut, wird später nach erklärt). Zu dieser Prüfung ist das nachfolgende Schema heranzuziehen. Bitte beachten Sie aber, dass dieses Schema immer auf Ihren Spezialfall angepasst werden muss, d.h. dass nicht alle Punkte immer in jeder Klausur auch zu prüfen sind. Manches sprechen Sie nur dann an, wenn in der Aufgabe Anhaltspunkte hierfür gegeben sind. Dies werden wird jedoch alles noch genau besprochen werden – Sie sollten dies aber bereits jetzt bedenken! Prüfungsschema - Rechtsmäßigkeitsvoraussetzungen des VA I. Rechtsgrundlage II. formelle Rechtmäßigkeit 1.Zuständigkeit 2.Verfahren 3.Form III. materielle Rechtmäßigkeit Tatbestand der Rechtsgrundlage Rechtsfolge: gebundene Entscheidung oder Ermessen Zu I. Rechtsgrundlage des VA o o o o Erfordernis einer Rechtsgrundlage (Inhalt Vorbehalt des Gesetzes) Rechtsgrundlage muss auf einem formellem Gesetz beruhen Die Auswahl der Rechtsgrundlage erfolgt nach dem Spezialitätsgrundsatz, d.h. das Spezialgesetz geht dem allgemeinen Rechtssatz vor wenn mehrere Grundlagen vorliegen, das speziellere heranziehen VA- Befugnis (Handlungsform – durfte die Verwaltung hier mit einem Verwaltungsakt handeln?) Wirksamkeit der Rechtsgrundlage (Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht) Zu II. Formelle Rechtmäßigkeit Zuständigkeit örtliche Zuständigkeit: • § 3 VwVfG, falls keine spezielleren Regelungen der örtlichen Zuständigkeit vorhanden sachliche Zuständigkeit: StOVR Christina Mayer Skript zum Verwaltungsrecht • • • - Allgemeiner Teil 61 welcher Verwaltungsträger ist zuständig? Bund, Länder Gemeinden\ welches Organ des Verwaltungsträgers zuständig ? Gemeinderat oder Bürgermeister Regelungen dazu finden Sie in aller Regel in den Spezialgesetzen (z.B. Landesbauordnung, Denkmalschutzgesetz, Polizei- und Ordnungsbehördengesetz etc.) Verfahren Anhörung (§ 28 VwVfG) Bürger muss vorher angehört werden Bürger soll Subjekt und nicht Objekt sein • Grundsatz (§ 28 I VwVfG): erforderlich bei belastendem VA • Ausnahme: Entbehrlichkeit (§ 28 II, III VwVfG) ggf.: Mitwirkung ausgeschlossener Personen (§§ 20, 21 VwVfG) ggf.: ordnungsgemäße Beschlussfassung eines Kollegialorgans (Bsp.: Gemeinderat) ggf.: Mitwirkung zu beteiligender weiterer Behörden (mehrstufiger VA) Form Form im engeren Sinne (§ 37 II – IV VwVfG) • Grundsatz der Formfreiheit (§ 37 II 1 VwVfG) • ggf.: speziellere Formvorschriften Begründung (§ 39 VwVfG) – hier ist aber nicht der Inhalt der Begründung gemeint, sondern die Frage, ob eine solche überhaupt vorliegt! Zu III. Materielle Rechtmäßigkeit - Tatbestandsvoraussetzungen der Rechtsgrundlage - Rechtsfolge: gebundene Entscheidung oder Ermessen gebundene Entscheidung: die Verwaltung muss handeln Ermessensentscheidung: Es besteht ein Ermessen der Verwaltung - Einschränkung der gerichtlichen Prüfungskompetenz auf Ermessensfehler (§§ 40 VwVfG, 114 VwGO) - weitere (allgemeine) Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen Bestimmtheit des VA (§ 37 I VwVfG) • in Bezug auf: Behörde, Adressat, Regelungsinhalt tatsächliche und rechtliche Möglichkeit Unmöglichkeit: • tatsächliche: o objektive Gründe (§ 44 II Nr. 4 VwVfG) o subjektive Gründe: idR nur Rechtswidrigkeit • rechtliche: o VA verlangt Begehung einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit (§ 44 II Nr. 5 VwVfG) o VA nicht durchsetzbar oder vollstreckbar - Die weiteren besonderen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen richten sich nach der jeweiligen Spezialvorschrift! StOVR Christina Mayer Skript zum Verwaltungsrecht - Allgemeiner Teil 62 3. Die Verwaltungsaktbefugnis - - - betrifft die Frage, ob die Behörde ermächtigt ist, gerade auch durch VA zu handeln Ausgangspunkt ist Art. 20 III GG: Das Prinzip des Vorbehalt des Gesetzes verlangt für belastende Eingriffe in Freiheit und Eigentum des Bürgers eine gesetzliche Grundlage Grundsatz: Gesetzliche Regelungen, in denen öffentlich- rechtliche Pflichten und Rechte des Bürgers begründet werden, enthalten zugleich – zumindest implizit – die behördliche Ermächtigung, zur Durchsetzung bzw. Feststellung dieser Pflichten und Rechte das Instrument des VA einzusetzen Wichtig nur für folgende Fallgruppen: o Ansprüche aus öffentlich- rechtlichem Vertrag und anderen Gleichordnungsverhältnissen: dürfen grundsätzlich nicht mit VA geltend gemacht werden nur Klage vor dem Verwaltungsgericht möglich: i.d.R. allgemeine Leistungsklage Ausnahme: Es besteht eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung, durch VA vorzugehen o bei privatrechtlichen (Erstattungs-) Ansprüchen o Subventionen: Der Erlass eines Leistungsbescheids ist auch ohne gesetzliche VA- Befugnis gewohnheitsrechtlich zulässig in folgenden Konstellationen: • durch VA gewährte Leistungen können ohne spezielle Ermächtigung auch durch VA zurückgefordert werden, wenn sie zu Unrecht erbracht worden sind • im Rahmen eines Über- und Unterordnungsverhältnisses (Bsp.: Beamtenverhältnis) StOVR Christina Mayer Skript zum Verwaltungsrecht - Allgemeiner Teil 63 Das Verwaltungs- und das verwaltungsgerichtliche Verfahren im Überblick Verwaltungsverfahren - Rechtsgrundlage VwVfG - Ziel : VA oder ÖR Vertrag Rechtsmittel Widerspruchsverfahren - Rechtsgrundlage : VwGO, AGVwGO - Ziel : Widerspruchsbescheid Widerspruch gegen VA – Frist : § 70 VwGO Verwaltungsgerichtliches Verfahren - Rechtsgrundlage : VwGO Urteil - Ziel : Urteil Klage gegen den Bescheid – Frist zur Klage § 74 VwGO Die rechte Spalte der gerichtlichen Überprüfung darf man sich nicht als eine Einheit vorstellen. Hier gibt es drei Instanzen: Das Verwaltungsgericht (für Kaiserslautern ist das zuständige Verwaltungsgericht in Neustadt) , das Oberverwaltungsgericht (Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz in Koblenz) und das Bundesverwaltungsgericht (das höchste Verwaltungsgericht mit Sitz in Erfurt, vorher Berlin). Man unterteilt hier auch nach dem ersten, dem zweiten und dem dritten Rechtszug : Erster Rechtszug Verwaltungsgericht : Klagefrist § 74 VwGO Zweiter Rechtszug = Berufung Oberverwaltungsgericht : Klagefrist § 124a VwGO Dritter Rechtszug = Revision Bundesverwaltungsgericht . Klagefrist § 139 VwGO StOVR Christina Mayer Skript zum Verwaltungsrecht - Allgemeiner Teil 64 XI. Das Widerspruchsverfahren Gegen einen Verwaltungsakt kann sich der betroffene Bürger (aber natürlich auch eine betroffene Behörde) mit dem Rechtsbehelf des Widerspruchs wehren. Dies ist kein Rechtsmittel, denn ein Rechtsmittel ist nur gegen gerichtliche Entscheidungen möglich. Erhebt man einen Widerspruch oder legt man den Widerspruch ein (dies ist lediglich ein sprachlicher Unterschied, nicht aber einer, der sich in der Bedeutung niederschlagen würde), dann wird das Widerspruchs- oder Vorverfahren durchgeführt. Dies ist eine besondere Form des Verwaltungsverfahrens, es gibt hierfür ein spezielles Gesetz in Rheinland-Pfalz, nämlich das Ausführungsgesetz zur Verwaltungsgerichtsordnung (abgekürzt AGVwGO). Dieses Spezialgesetz muss in jedem Fall zuerst heran gezogen werden, bevor man auf allgemeinere Gesetze – wie das Verwaltungsverfahrensgesetz – zurückgreift. 1. Die Bedeutung des Vorverfahrens - Die Doppel- bzw. Dreifachnatur des Widerspruchsverfahrens a. Verwaltungsgerichtliches Vorverfahren Vor der Erhebung verwaltungsgerichtlicher Anfechtungs- oder Verpflichtungsklagen (§ 42 VwGO) hat grundsätzlich ein sog. »Vorverfahren« (Widerspruchsverfahren) stattzufinden. Das Gesetz – die Verwaltungsgerichtsordnung – schreibt dies verpflichtend vor. Es gibt nur sehr wenige, im Gesetz geregelte Ausnahmen (vgl. § 68 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Im Rahmen dieses Verfahrens sind Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit eines erlassenen Verwaltungsakts (bei der Anfechtungsklage) oder der Ablehnung eines Verwaltungsakts (bei der Verpflichtungsklage) zu überprüfen (§ 68 VwGO i.V.m. § 6 AGVwGO). Eine verwaltungsgerichtliche Klage auf Aufhebung oder auf Erlass eines bestimmten Verwaltungsakts kann der Bürger also zulässigerweise nur dann erheben, wenn er vorher ohne Erfolg das Widerspruchsverfahren durchgeführt hat; andernfalls wird seine Klage bereits als unzulässig vom Gericht abgewiesen; eine formelle Voraussetzungen fehlt – das Gericht prüft die Sache selbst überhaupt nicht. Seinem Wesen nach ist das Widerspruchsverfahren ein »verwaltungsgerichtliches Vorverfahren«. Beispiel: Ein Bürger möchte die Aufhebung eines gegen ihn gerichteten Erschließungsbeitragsbescheids gemäß dem er 10.000,- € zahlen soll, erstreiten; eine verwaltungsgerichtliche Anfechtungsklage auf Aufhebung des Bescheids ist erst zulässig, wenn er vorher ohne Erfolg den Rechtsbehelf des Widerspruchs gegen den Bescheid eingelegt hat. StOVR Christina Mayer Skript zum Verwaltungsrecht - Allgemeiner Teil 65 b. Verwaltungsbehördliches Rechtsbehelfsverfahren Das Widerspruchsverfahren einschließlich seiner verfahrensbeendigenden Entscheidungen liegt ausschließlich in der Hand von Verwaltungsbehörden (vgl. §§ 72, 73 VwGO); im Widerspruchsverfahren findet somit auf das Rechtsschutzbegehren des Bürgers hin eine Selbstkontrolle der Verwaltung statt. Das Widerspruchsverfahren ist demgemäss von seinem Wesen her auch ein »verwaltungsbehördliches Rechtsbehelfsverfahren«. Beispiel: Die Gemeinde prüft nach dem Eingang des Widerspruchs den Bescheid nochmals und muss feststellen, dass es sich um einen klassischen „Montagsbescheid“ handelt. Sie hebt im Rahmen einer Abhilfeentscheidung (§ 72 VwGO) ihren eigenen (z.B. Sondernutzungsgebühren) Bescheid auf. c. Filterfunktion für die Verwaltungsgerichte Schließlich hat das Widerspruchsverfahren auch noch eine Art von Filterfunktion für die Verwaltungsgerichte; nicht jedes Begehren des Bürgers soll die Verwaltungsgerichte beschäftigen. Allein wenn man die Vielzahl der Baugenehmigungen bedenkt und dann davon ausgeht, dass auch nur ein Teil davon als Klage direkt zum Verwaltungsgericht gehen würde, dann bekäme man möglicherweise wegen einer Baugenehmigung einer Garage einen Gerichtstermin erst viele Jahre später. 2. Ablauf des Verfahrens Bei den folgenden Darstellungen wird – soweit es sich um die rein praktische Durchführung des Verfahrens handelt - immer nur auf die Vorgehensweise bei der Stadtverwaltung Kaiserslautern bzw. bei Stadtrechtsausschuss Kaiserslautern eingegangen. StOVR Christina Mayer Skript zum Verwaltungsrecht - Allgemeiner Teil 66 a. Verfahrensbeginn Das Verfahren beginnt mit der Einlegung des Widerspruchs durch den Widerspruchsführer gegen einen Bescheid der Stadt Kaiserslautern. Teil dieses Bescheides, den der Bürger erhält ist korrekterweise auch eine Rechtsbehelfsbelehrung, die ihn über die Möglichkeit dieses Verfahrens informiert und ihn davon in Kenntnis setzt, was erforderlich ist, um diesen Bescheid überprüfen zu lassen. Welche Folgen eine nicht erfolgte oder unkorrekt erfolgte Rechtsbehelfbelehrung haben, wird später noch vertieft werden. b. Die ordnungsgemäße Widerspruchserhebung Gemäß § 70 Abs. 1 VwGO muss der Widerspruch schriftlich oder zur Niederschrift bei der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat (Ausgangsbehörde) oder bei der Behörde, die den Widerspruchsbescheid zu erlassen hat (Widerspruchsbehörde) eingelegt werden. Dem Widerspruchsführer kommt insoweit ein Wahlrecht zu. Der übliche Weg ist die Widerspruchseinlegung bei der Ausgangsbehörde. Da die VwGO vom Leitbild des in aller Regel rechts- und verwaltungsunkundigen Normalbürgers ausgeht, sind die formellen und inhaltlichen Voraussetzungen an eine ordnungsgemäße Widerspruchserhebung nicht allzu hoch anzusetzen. Die Behörde - entweder der Stadtrechtsausschuss oder die Ausgangsbehörde - bekommt durch ein Schreiben des Bürgers = dem Widerspruchsführer oder aber dessen Vorsprache bei der Geschäftsstelle des Rechtsausschusses Kenntnis davon, dass dieser mit der Entscheidung (dem ihm zugestellten Verwaltungsakt) nicht einverstanden ist. Je nachdem, wo der Bürger sich mit seinem Anliegen hingewendet hat, verläuft jetzt das Verfahren weiter: aa. Ausgangsbehörde Wenn sich der Bürger = der Widerspruchsführer an die Ausgangsbehörde, also die Behörde, die den von ihm angefochtenen Bescheid erlassen hat, wendet, erhält diese mit dem Widerspruch die Möglichkeit durch eine nochmalige Überprüfung ihrer Entscheidung ein verwaltungsbehördliches Rechtsbehelfsverfahren durchzuführen. Stellt man hierbei fest, dass tatsächlich ein Fehler bei der Entscheidung gemacht wurde, wird dem Widerspruch abgeholfen. Zum Abhilfeverfahren der Ausgangsbehörde werden später noch Ausführungen gemacht. Bleibt die Ausgangsbehörde aber auch nach ihrer Überprüfung noch bei StOVR Christina Mayer Skript zum Verwaltungsrecht - Allgemeiner Teil 67 ihrer Entscheidung, legt sie den Bescheid zusammen mit der Sachakte (zur vollumfänglichen Prüfung muss in aller Regel mehr als nur der Bescheid geprüft werden) dem Rechtsausschuss zur Prüfung vor. Auch in diesem Fall der Vorlage des Bescheides an den Rechtsausschuss zur Prüfung sollte die Ausgangsbehörde dem Bürger schriftlich darüber informieren, dass dem Widerspruch nicht abgeholfen werden konnte und dieser deshalb dem Rechtsausschuss zur Entscheidung vorgelegt wird. Sicher könnte man hier argumentieren, dass das der Bürger ja schon selbst merken wird, da ja aufgrund seines Widerspruchs der Bescheid nicht geändert wird. Dies sollte jedoch im Rahmen der angestrebten Bürgerfreundlichkeit kein Argument sein. Ein sogenanntes Abgabeschreiben an den Bürger kann auch gleichzeitig als Schreiben an den Rechtsausschuss verwendet werden, mit welchem dieser in Kenntnis gesetzt wird, um welches Anliegen es vorliegend geht, was der Bürger wünscht und warum die Behörde diesem Wunsch nicht nachkommen konnte. Es besteht keinerlei gesetzliche Verpflichtung ein solches Schreiben an den Bürger und/oder den Rechtsausschuss zu erstellen. Da es aber der Klarstellung und Verfahrensverdeutlichung dient und nicht zu einer erheblichen Mehrbelastung führt, sollte es auf jeden Fall angefertigt werden. bb. Rechtsausschuss Spricht der Widerspruchsführer bei der Geschäftsstelle des Rechtsausschusses vor oder erhält diese den schriftlichen Widerspruch, so wird der Widerspruch zunächst mit einer Geschäftsnummer bzw. einem Aktenzeichen versehen, in die Statistik eingetragen und der Bürger erhält ein Eingangsschreiben, mit welchem ihm mitgeteilt wird, dass sein Widerspruch unter diesem Aktenzeichen bearbeitet wird. Sodann wird eine Akte angelegt und der Widerspruch - das Widerspruchsschreiben wird der Ausgangsbehörde, die im Verfahren zur Widerspruchsgegnerin wird, zur Stellungnahme vorgelegt. Die Ausgangsbehörde hat hier die Möglichkeit, ihre Entscheidung zu überprüfen und sich zu den Argumenten des Widerspruchsführers zu äußern. Nach Eingang der Stellungnahme wird diese an den Bürger weitergeleitet, um diesem die Möglichkeit der Erwiderung zu geben. c. Die Voraussetzungen des § 70 VwGO Zu den einzelnen Anforderungen an die Widerspruchseinlegung findet sich lediglich im § 70 VwGO eine Regelung. Weitere Anforderungen als die dort normierten werden nicht gestellt. Insbesondere ist eine Begründung eines Widerspruchs nicht erforderlich oder die ausdrückliche Verwendung des Wortes „Widerspruch“. Die einzelnen Voraussetzungen werden im Folgenden dargestellt: StOVR Christina Mayer Skript zum Verwaltungsrecht - Allgemeiner Teil 68 aa. - Schriftlich Schriftlich im Sinne von § 70 Abs. 1 VwGO meint den Normalfall, nämlich das Widerspruchsschreiben in der Form eines Briefes; aber auch der dem Sachbearbeiter der Ausgangsbehörde (oder der Widerspruchsbehörde) persönlich übergebene, entsprechend beschriebene Zettel genügt dem Erfordernis der Schriftlichkeit. Auch ein gefaxtes Schreiben erfüllt die Anforderungen der Schriftlichkeit. Selbst das Fehlen der (Original-)Unterschrift auf dem Widerspruchsschreiben ist unschädlich, wenn sich aus den Umständen hinreichend sicher ergibt, dass das Schreiben vom Widerspruchsführer stammt und mit dessen Willen in den Verkehr gelangt ist. Fernschriftliche und telegrafische Widerspruchseinlegung sowie die Verwendung neuer Medien (Teletext, Telefax, Email) sind unter den gleichen Voraussetzungen ausreichend. Bei Einsatz von Telefax muss allerdings das in das Sendegerät eingeführte Schriftstück unterschrieben sein. Die Frage der Widerspruchseinlegung per Email ist noch nicht geklärt. Hier lässt sich auch trefflich streiten, ob eine Email – also eine elektronische Nachricht – als „schriftlich“ im Sinne des Gesetzes angesehen werden kann. Siehe hierzu auch die Neuerungen durch das Formvorschriftenanpassungsgesetz, das zum 01.08.01 in Kraft getreten ist (Aufsatz hierzu in der NJW 2001, S. 2831 ff) bb. Zur Niederschrift Zur Niederschrift erfolgt die durch ein behördliches Protokoll belegte Widerspruchseinlegung. Dabei wird die Erklärung des Widerspruchsführers wörtlich niedergeschrieben, vorgelesen und von diesem durch seine eigenhändige Unterschrift genehmigt. Die persönliche Anwesenheit des Widerspruchsführers ist erforderlich. Eine telefonische Widerspruchseinlegung „zur Niederschrift“ – also der Anruf des Widerspruchsführers, der den Sachbearbeiter bittet, seinen Widerspruch schriftlich zu fixieren - ist nicht zulässig. Ebenso ist ein bloßer Aktenvermerk des Sachbearbeiters über eine mündliche Widerspruchseinlegung nicht ausreichend. cc. Frist Der Widerspruch muss innerhalb eines Monats nach der Bekanntgabe des Bescheides, den man mit diesem Rechtsbehelf anfechten will, eingelegt werden. Die Einhaltung der Frist stellt häufig – insbesondere in Klausuren – ein Problem dar. Die genaue Berechnung der Frist ist hierbei ebenso wichtig, wie die Frage der Bekanntgabe, die den Beginn der Frist markiert. Was hier genau zu prüfen ist, wird später noch (unter Punkt 4. e.) erörtert werden. StOVR Christina Mayer Skript zum Verwaltungsrecht - Allgemeiner Teil 69 dd. Bestimmte inhaltliche Anforderungen Die VwGO und auch das AGVwGO stellen an die Widerspruchseinlegung keine inhaltlichen Anforderungen. Beide Gesetze verlangen nicht ausdrücklich die Verwendung des Wortes „Widerspruch“; sprachlich gleichbedeutende Wendungen (Einspruch, Beschwerde, Rechtsmittel etc.) sind ausreichend. Eine Bezeichnung des Begehrens muss nicht explizit erfolgen; es reicht eine Umschreibung. Es muss also lediglich aus der abgegebenen Erklärung hinreichend erkennbar sein, dass der Betroffene sich durch einen bestimmten Verwaltungsakt beschwert fühlt und eine Nachprüfung und Abänderung der Entscheidung begehrt. Ein bestimmter Widerspruchsantrag des Widerspruchsführers ist auch nicht erforderlich. Der Widerspruchsführer muss also nicht wörtlich beantragen, dass er den Abschleppkostenbescheid der Stadt Titiwu vom 31.02.2000 insoweit aufgehoben haben will, als dieser einen Betrag von 20,- € übersteigt. Es reicht aus, dass aus seinem Schreiben erkennbar wird, welcher Bescheid nicht mit seiner Rechtsauffassung übereinstimmt. Hier muss die Behörde – die Ausgangsbehörde und der Rechtsausschuss – das Schreiben des Widerspruchsführers auslegen. Spricht dieser vor und legt seinen Widerspruch zur Niederschrift ein, dann kann man den Widerspruchsführer nach seinem Ziel fragen; man kann den Rechtsbehelf dann also schon eingrenzen. Das darf natürlich nicht so verstanden werden, dass man den Widerspruchsführer hier zu etwas überreden könnte, was er eigentlich nicht möchte. Als Behörde (Aufklärungspflicht – siehe oben bei den Grundsätzen des Verwaltungsverfahrens) gibt man dem Willen des Bürgers hier lediglich die richtige juristische Form – ohne aber den Bürgerwillen zu beeinflussen. Wird aber ein Widerspruch schriftlich eingelegt und es ist nicht ganz klar, was der Bürger mit diesem Schreiben erreichen möchte, muss die Behörde den Willen, der aus dem Schreiben erkennbar ist, auslegen. Dabei ist genau zu prüfen, ob der Widerspruchsführer nicht – entweder neben seinem Widerspruch oder anstelle des Widerspruchs – einen formlosen Rechtsbehelf, der ja gegenüber dem Widerspruch ein Minus darstellt, einlegen will. Der formlose Rechtsbehelf ist – wie der Name schon sagt – nicht an bestimmt Formen gebunden und kann sich deshalb „in einem Schreiben verstecken“. Um also sicher zu sein, auch wirklich das Begehren des Bürgers richtig deuten zu können, muss man wissen, welche formlosen Rechtsbehelfe es gibt. StOVR Christina Mayer Skript zum Verwaltungsrecht - Allgemeiner Teil 70 XII. Exkurs: Welche formlosen Rechtsbehelfe gibt es? 1. Allgemeines Das Recht des Bürgers, sich mit formlosen Rechtsbehelfen an die Behörden zu wenden, ist Ausfluss des verfassungsrechtlich verankerten Petitionsrechts (Art. 17 GG bzw. Art. 11 der Landesverfassung Rheinland-Pfalz: “ Jedermann hat das Recht, sich mit Eingaben an die Behörde oder an die Volksvertretung zu wenden.”). Mangels spezialgesetzlicher Verfahrensregelungen hat die höchstrichterliche Rechtsprechung allgemeine Verfahrensgrundsätze für die formlosen Rechtsbehelfe entwickelt. Dementsprechend ist zur Einlegung eines formlosen Rechtsbehelfs nicht nur derjenige befugt, der von dem gegenständlichen Verwaltungshandeln betroffen ist, sondern jeder Interessierte wie auch Gruppen Interessierter gemeinschaftlich. Beispiel: Im Hohenecker “Burgenland” wird eine neue Autobahn gebaut. Gegen den Straßenbau können z. B. auch ein Weilerbacher Bürger oder eine Hamburger Bürgerinitiative formlose Rechtsbehelfe erheben. Es ist nicht erforderlich, dass die Rechtsbehelfsführer (etwa als Grundstückseigentümer in der Straßentrasse) von dem Autobahnbau in ihren Rechten berührt wären. Die formlosen Rechtsbehelfe sind weder an eine Form noch an eine Frist gebunden. Sie können auch neben förmlichen Rechtsbehelfen erhoben werden. Das Petitionsrecht verleiht dem Rechtsbehelfsführer nicht nur ein Recht darauf, dass die angegangene Behörde seinen Rechtsbehelf entgegennimmt die Behörde ist auch verpflichtet, den Rechtsbehelf sachlich zu prüfen und dem Rechtsbehelfsführer in angemessener Frist schriftlich die Art der Erledigung des Rechtsbehelfs mitzuteilen (sog. Verbescheidung die allerdings keinen Bescheid im Sinne des Verwaltungsaktsbegriffs darstellt). Einen Anspruch auf Begründung der Verbescheidung besitzt der Rechtsbehelfsführer nicht. Der Grundsatz des bürgergerechten Verhaltens wird jedoch im Allgemeinen dazu führen, dass die Behörde ihre Entscheidung auch begründet. Die sachliche Reaktion der Behörde auf einen formlosen Rechtsbehelf steht im Übrigen in deren pflichtgemäßem Ermessen. Ein Anspruch des Rechtsbehelfsführers auf eine bestimmte Reaktion besteht nicht. StOVR Christina Mayer Skript zum Verwaltungsrecht - Allgemeiner Teil 71 Beispiel: Im obigen Beispielsfall wird die zuständige Autobahndirektion den Bürgern schriftlich antworten und kann dabei zum Ausdruck bringen, dass nach genauer Prüfung der vorgetragenen Argumente keine Veranlassung zu irgendwelchen straßenrechtlichen Maßnahmen gesehen wird. Gröblich beleidigende oder herausfordernde Petitionen können ebenso unerledigt bleiben wie wiederholte Petitionen der gleichen Person in gleicher Sache und mit gleichem Inhalt nach erstmaliger ordnungsgemäßer Verbescheidung. Kosten (Gebühren und Auslagen) werden für Entscheidung über formlose Rechtsbehelfe nicht erhoben. 2. Die Gegenvorstellung Mit dem formlosen Rechtsbehelf der Gegenvorstellung wendet sich der Rechtsbehelfsführer unmittelbar an die handelnde Verwaltungsstelle mit der Bitte, sein Vorbringen zu prüfen und entsprechende Veranlassung zu treffen bzw. beanstandete Maßnahmen zu ändern oder aufzuheben. Beispiel: Ein Bürger aus Kaiserslautern spricht beim Leiter der Straßenverkehrsabteilung der Stadt KL vor und verlangt, dass ein auf dem Kotten (Stadtteil von Kaiserslautern) aufgestelltes - seiner Meinung nach unsinniges - Haltverbotsschild abgebaut wird. Der Mitarbeiter wird den Sachverhalt prüfen und den Petenten vom Ergebnis der Prüfung (Abbau oder Belassen des Verkehrszeichens) in Kenntnis setzen. 3. Die (Fach)Aufsichtsbeschwerde Die Aufsichtsbeschwerde richtet sich an die der zuständigen Behörde übergeordnete Aufsichtsbehörde. Ziel der Aufsichtsbeschwerde ist ein aufsichtliches Tätigwerden der Aufsichtsbehörde der handelnden Behörde wegen eines bestimmten Vorgangs. Der Bürger wendet sich also an die Aufsichtsbehörde mit der Bitte, diese möge die zuständige Behörde anweisen, etwas Bestimmtes zu tun oder zu unterlassen. Das aufsichtliche Weisungsrecht der übergeordneten Behörde besteht allerdings nur im Interesse der Allgemeinheit und nicht im Privatinteresse eines einzelnen. Der Petent besitzt somit keinen Anspruch darauf, dass StOVR Christina Mayer Skript zum Verwaltungsrecht - Allgemeiner Teil 72 die Aufsichtsbehörde auf seine Aufsichtsbeschwerde hin auch tatsächlich eine aufsichtliche Weisung erteilt (selbst wenn eine derartige Weisung vertretbar wäre). 4. Die Dienstaufsichtsbeschwerde Während Gegenvorstellung und Aufsichtsbeschwerde ein sachliches Ziel (ein bestimmtes Verwaltungshandeln verfolgen), bezweckt die Dienstaufsichtsbeschwerde die Überprüfung des persönlichen Verhaltens eines Behördenbediensteten. Die Dienstaufsichtsbeschwerde wendet sich daher an den jeweiligen Dienstvorgesetzten des beanstandeten Bediensteten. Sie zielt ab auf eine Anweisung an den Bediensteten, sich ordnungsgemäß zu verhalten oder auf eine disziplinarrechtliche (bei Beamten) bzw. dienstvertragliche (bei Arbeitern und Angestellten) Würdigung eines bestimmten Verhaltens. Ein Rechtsanspruch des Bürgers auf dienstaufsichtliche Maßnahmen des Dienstvorgesetzten besteht nicht; der Dienstvorgesetzte hat allerdings bei Dienstpflichtverletzungen von Amts wegen nach pflichtgemäßem Ermessen über die Frage des Einschreitens zu entscheiden. StOVR Christina Mayer Skript zum Verwaltungsrecht - Allgemeiner Teil 73 Beispiel: Im obigen Beispielsfall (Verkehrsschild auf dem Kotten) hat der Beamte den Bürger bei dessen Gegenvorstellung grundlos angebrüllt und aus dem Dienstzimmer hinausgeworfen. Der Bürger wendet sich brieflich an den Oberbürgermeister als den Dienstvorgesetzten des städtischen Beamten und verlangt die Strafversetzung des Beamten zur Müllabfuhr. Der Oberbürgermeister (bzw. in dessen Auftrag der Leiter des Rechtsamtes) wird den Sachverhalt unter Anhörung des Bediensteten ermitteln und ihm (zumal, wenn es sich um eine einmalige Angelegenheit gehandelt hat) eine formlose Rüge erteilen. Dem Bürger wird mitgeteilt, dass künftig eine ordnungsgemäße Entgegennahme seines Vorbringens sichergestellt ist. Auf die Versetzung des Beamten hat der Bürger keinen Anspruch. 5. Bürgerbeauftragter In Rheinland-Pfalz wurde um den Bürgern im Umgang mit Behörden eine Anlaufstelle für ihre Sorgen zu geben der Bürgerbeauftragte eingerichtet. Es gibt ein Bürgerbeauftragtengesetz, dessen Lektüre sehr interessant ist. Hier ist genau geregelt, welche Kompetenzen der Bürgerbeauftragte hat, wie das Verfahren abzulaufen hat und welche Rolle der Petitionsausschuss spielt. – LESEN !! - Anhand dieser kurzen Darstellung ist erkennbar, welche formlosen Rechtsbehelfe ein Bürger einlegen kann und wie die Behörde hierauf zu reagieren hat. StOVR Christina Mayer Skript zum Verwaltungsrecht - Allgemeiner Teil 74 Zurück zum Widerspruchsverfahren : Geht also ein Widerspruch bei der Ausgangsbehörde ein, der durchaus auch - oder ggf. nur die Anforderungen eines dieser drei formlosen Rechtsbehelfe erfüllt, dann muss der Bearbeiter hierauf reagieren- die Dienst bzw. Fachaufsichtsbeschwerde muss er weiterleiten (natürlich unter Information des Amtsleiters). Eine Eingabe = Petition kann er selbst beantworten. Ist man sich nicht sicher, was genau der Bürger mit seinem Schreiben bezweckt, sollte man beim Bürger nachfragen oder - besser - im Zweifel das Schreiben auslegen, dass mehrere Rechtsbehelfe vorliegen. Das hat zwei ganz entscheidende Vorteile: Durch eine Nachfrage beim Bürger tritt eine Zeitverzögerung ein, die bei einem Widerspruch z.B., der an Fristen gebunden ist, zu einer Unzulässigkeit des Widerspruchs führen kann; denn es gilt nur das, was der Bürger vor Fristablauf ausgedrückt hat. Zweifel sollten hier also nicht zu Diskussionen über Fristversäumnis führen. Ist also zu diesem Zeitpunkt noch nicht klar, ob er Widerspruch einlegen will oder nicht und man fragt nach, tritt ggf. durch die Nachfrage die Fristversäumnis ein. Dies sollte vermieden werden. Der zweite Vorteil ist eine gewisse Arbeitserleichterung. Will ein Bürger nicht nur einen Widerspruch, sondern auch noch eine Dienstaufsichtsbeschwerde einlegen, dann wird er dies auf jeden Fall tun. Eine Zeitverzögerung ist hier nicht hilfreich, weil dies meist den Ärger des Bürgers nur noch erhöht. Man erleichtert sich also Arbeit, wenn man das Schreiben, das - bei ein wenig Auslegung - als eine Koppelung von zwei Rechtsbehelfen gesehen werden kann, fotokopiert und ein Schreiben als Widerspruch bearbeitet und eines als Dienstaufsichtsbeschwerde. Im Zweifel sollte man lieber einen Rechtsbehelf zuviel als einen zuwenig annehmen. Beispiel aus einem Schreiben eines Bürgers: Ausreichend ist z.B. folgende Formulierung einer Widerspruchseinlegung: "Hiermit fühle ich mich mit allen mir zustehenden Rechtsmitteln, unbeschadet der Benennung dieser form- und fristgerecht beschwert.“ Wird jetzt hier noch ergänzt:” Außerdem war die Beamtin Mayer geradezu unverschämt, was Wortwahl und Ton anging. Ich verlange Konsequenzen gegen diese Person”, sollte man hierin – neben dem Widerspruch gegen einen Bescheid auch noch - eine Dienstaufsichtsbeschwerde erkennen und diese weiterleiten. StOVR Christina Mayer Skript zum Verwaltungsrecht - Allgemeiner Teil 75 Eine Begründung des Widerspruchs ist nicht erforderlich, da die entscheidungserhebliche Sach- und Rechtslage im Widerspruchsverfahren von Amts wegen zu erforschen ist (erinnern Sie sich an die obigen Ausführungen zum Verwaltungsverfahren – der Amtsermittlungsgrundsatz!). Die Widerspruchsbehörde verstößt auch nicht gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs, wenn sie - nach angemessener Zeit - auch ohne das Vorliegen einer Widerspruchsbegründung entscheidet. Der Widerspruchsführer ist laut Gesetz nicht zur Abgabe einer Begründung verpflichtet, also kann die Behörde sie auch nicht von ihm verlangen. Die Behörde wird zwar zu einer solchen Begründung auffordern, aber erzwingen kann sie diese nicht. Diese nicht erfolgte Widerspruchsbegründung birgt für die Mitarbeiter der Ausgangsbehörde oft größere Probleme. Diese wissen dann nicht so recht, was der Bürger will, können nicht Stellung zu seiner Kritik nehmen und sich auch nicht angemessen auf die Sitzung des Rechtsausschusses vorbereiten. Da aber die Begründung des Widerspruchs nicht verpflichtend ist, kann man den Widerspruchsführer auch nicht zur Abgabe der Begründung zwingen. Sollte er/sie dann in der Sitzung des Rechtsausschusses etwas völlig Überraschendes vortragen, dann muss ggf. schnell reagiert und das Verfahren ausgesetzt werden bis nach der Überprüfung der neuen Tatsachen wird die Verhandlung fortgesetzt werden kann. 3. Weiterer Verfahrensablauf Nach der Einlegung des Widerspruchs bei der Ausgangsbehörde und dem Prüfungsverfahren durch diese, kommt der Widerspruch zur Geschäftsstelle des Rechtsausschusses. Wurde er direkt dort – also beim Rechtsausschuss eingelegt, hat die Ausgangsbehörde den Widerspruch vom Rechtsausschuss zur Kenntnis und zur Stellungnahme erhalten. Zwischen dem Widerspruchsführer und der Widerspruchsgegnerin werden Stellungnahmen ausgetauscht und manchmal kann ein Verfahren auch durch ein beim Rechtsausschuss geführtes gemeinsames Gespräch beendet werden. Manche Bürger wollen auch einfach nur „Dampf ablassen“ oder sind nach einer Darstellung der rechtlichen Situation durch die Geschäftsstelle des Rechtsausschusses bereits zufriedengestellt. (Bitte bedenken Sie, dass ein solches Ausgleichsgespräch weder vorgeschrieben noch irgendwie im Gesetz geregelt ist. Es wird nach dem Gedanken des § 10 VwVfG durchgeführt, um ein schnelles, einfaches und zweckmäßiges Verfahren mit einem für Bürger und Behörde gleichermaßen akzeptablen Ergebnis zu erlangen.) Ist aber eine solche Einigung nicht der Fall, wird die Widerspruchssache terminiert, d.h. es wird ein Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt. StOVR Christina Mayer Skript zum Verwaltungsrecht - Allgemeiner Teil 76 Was zur Vorbereitung dieses Termins alles erfolgen muss, lässt sich (fast alles) aus dem AGVwGO ablesen: a. Vorsitzenden bestimmen b. Beisitzer bestimmen und laden c. Widerspruchsführer und Widerspruchsgegnerin laden (d. Saal reservieren, Protokollführer bestimmen etc – wird hier nicht vertieft und steht auch in dieser Deutlichkeit nicht im AGVwGO – das ist auch nicht erforderlich, weil es sich hierbei um reine Verwaltungstätigkeiten handelt.) Um eine mündliche Verhandlung durchführen zu können, benötigt der Vorsitzende die entsprechenden Akten. Die Behörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat – bzw. die den vom Bürger begehrten Bescheid nicht erlassen will – muss dem Rechtsausschuss die Sachakten vorlegen. Dies hat sich in der Vergangenheit teilweise als schwierig herausgestellt. Häufig dauerte es sehr lange bis der Rechtsausschuss die Akten erhielt. Auch wenn sich dieses Problem eher bei den Kreisrechtsausschüssen (mit den jeweiligen Verbandsgemeinden) zeigte, hat der Landesgesetzgeber mit Gesetz vom 21. Juli 2003 (GVBl. S. 212) den § 6a in das AGVwGO eingeführt. Dieser lautet: „§ 6a Vorlagepflicht Hilft die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, dem Widerspruch nicht ab, ist er mit den einschlägigen Verwaltungsvorgängen innerhalb von 6 Wochen nach dem Eingang bei der Behörde dem nach § 6 Abs. 1 zuständigen Rechtsausschuss vorzulegen. Der Vorsitzende (§ 8) kann die Frist aus wichtigem grund verlängern.“ zu a. Vorsitzender §8 Vorsitzender Der Landrat (Oberbürgermeister) führt den Vorsitz im Rechtsausschuss. Er kann Beamten mit der Befähigung zum Richteramt oder höheren Verwaltungsdienst (§ 174 VwGO) den Vorsitz im Rechtsausschuss übertragen; Ausnahmen sind nur mit Genehmigung der ADD zulässig. Nach dieser Vorschrift führt in Kaiserslautern der Oberbürgermeister den Vorsitz. Er ist der geboren Vorsitzende. Da er aber drei Juristen mit der Befähigung zum Richteramt hat, hat er diese bevollmächtigt, diese Funktion zu übernehmen - so werden aus diesen Beamten die "gekorenen" Vorsitzenden. StOVR Christina Mayer Skript zum Verwaltungsrecht - Allgemeiner Teil 77 zu b. Beisitzer §9 Beisitzer 1) Der Kreistag (Stadtrat) wählt für die Dauer seiner Wahlzeit mindestens sechs Beisitzer. Sie müssen wählbar nach den Vorschriften des Kommunalwahlgesetzes sein. 2) Die Beisitzer bleiben bis zur Neuwahl ihrer Nachfolger im Amt, jedoch nicht länger als sechs Monate nach Ablauf der Wahlzeit des Kreistages (Stadtrates). 3) Das Amt des Beisitzers ist ein Ehrenamt im Sinne der §§ 12 bis 15 der Landkreisordnung (§§ 18 bis der Gemeindeordnung). § 10 Ausschluss vom Beisitzeramt 1. Vom Amt eines Beisitzers sind ausgeschlossen Personen, die wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten verurteilt worden sind, 2. Personen, gegen die öffentliche Klage wegen einer Straftat erhoben ist, die Aberkennung der Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter oder zur Erlangung von Rechten aus öffentlichen Wahlen zur Folge haben kann, 3. Personen, die durch gerichtliche Anordnung in der Verfügung über ihr Vermögen beschränkt sind. § 11 Abberufung von Beisitzern (1) Ein Beisitzer ist von seinem Amt abzuberufen, 1. wenn seine Wahl nach § 9 Abs. 1 Satz 2 und § 10 nicht zulässig war oder nicht mehr zulässig wäre, oder 2. wenn er seine Amtspflichten gröblich verletzt hat, oder 3. wenn er die zur Ausübung seines Amtes erforderlichen geistigen oder körperlichen Fähigkeiten nicht mehr besitzt, oder 4. wenn er einen wichtigen Grund im Sinne des § 13 Abs. 1 und 2 der Landkreisordnung (§ 19 Abs. 1 und 2 der Gemeindeordnung geltend macht. (2) Die Entscheidung trifft der Kreistag (Stadtrat) nach Anhörung des Beisitzers. In dringenden Fällen kann der Landrat (Oberbürgermeister) dem Beisitzer vorläufig die Ausübung seines Amtes untersagen (Absatz 1 Nr. 1 bis 3) oder ihn vorläufig von seinen Amtspflichten entbinden (Absatz 1 Nr. 4). (3) War die öffentliche Klage erhoben, so ist die Entscheidung vom Kreistag (Stadtrat) auf Antrag des Beisitzers aufzuheben, wenn dieser rechtskräftig außer Verfolgung gesetzt oder freigesprochen worden ist. § 12 Ausschluss von der Mitwirkung im Verfahren (1) Hält sich ein Mitglied des Rechtsausschusses nach § 1 Abs. 1 LVwVfG in Verbindung mit § 20 Abs. 1 VwVfG für ausgeschlossen oder bestehen Zweifel, ob die Voraussetzungen für einen Ausschluss gegeben sind, so entscheidet über den Ausschluss 1. des Vorsitzenden im Falle des § 8 Satz 1 die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion, in den Fällen des § 8 Satz 2 der Landrat (Oberbürgermeister), 2. eines Beisitzers der Vorsitzende. (2) In den Fällen des § 1 Abs. 1 LVwVfG in Verbindung mit § 21 Abs. 1 Satz 1 VwVfG gilt Absatz 1 entsprechend. (3) Ein Mitglied des Rechtsausschusses ist nicht nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 VwVfG ausgeschlossen, wenn es die Gebietskörperschaft, bei der Rechtsausschuss gebildet ist, Kraft Gesetzes vertritt. § 13 Reihenfolge der Mitwirkung (1) Die Beisitzer sind zu den Sitzungen des Rechtsausschusses gleichmäßig heranzuziehen; die Reihenfolge wird vom Landrat (Oberbürgermeister) vor Beginn des Ka- StOVR Christina Mayer Skript zum Verwaltungsrecht - Allgemeiner Teil 78 lenderjahres bestimmt. (2) Bei unvorhergesehener Verhinderung eines Beisitzers kann der Landrat (Oberbürgermeister) von der Reihenfolge (Absatz 1) abweichen. § 14 Verpflichtung Der Beisitzer ist bei Antritt seines Amtes in öffentlicher Sitzung von dem Vorsitzenden des Rechtsausschusses durch Handschlag zur gewissenhaften und gerechten Ausübung seines Amtes zu verpflichten. Über die Verpflichtung wird eine Niederschrift aufgenommen. Die Beisitzer sind also in der Regel Stadtratsmitglieder bzw. Kreistagsmitglieder, können aber auch Bürgervertreter sein, denn das Gesetz sagt ja nicht, dass die Beisitzer “aus der Mitte des Stadtrates (Kreistages)" zu wählen sind. Sie müssen lediglich vom Stadtrat (Kreistag) gewählt werden. Da aber in aller Regel Vorschläge nur von den Parteien gemacht werden, die auch im Stadtrat (Kreistag) vertreten sind, bzw. nur deren vorgeschlagene Kandidaten auch gewählt werden, sind die meisten Beisitzer Ratsmitglieder. Die Beisitzer werden alle in einer Liste aufgenommen und die Geschäftsstelle des Rechtsausschusses überwacht die Anzahl der Einsätze und auch das “Zusammenspiel” der Beisitzer; es wird darauf geachtet, dass nach Möglichkeit nicht zwei Vertreter der gleichen Partei an einer Sitzung teilnehmen. Allerdings gibt es – wie Sie dem Gesetzestext entnehmen können – keine Vorgaben oder gar ein Verbot, dass die beiden Beisitzer nicht der gleichen Partei angehören dürfen. Wichtig ist noch, dass die Beisitzer in aller Regel keine juristischen Kenntnisse haben und auch nicht haben müssen. Das ist vom Gesetzgeber so gewünscht, denn die Beisitzer sollen nicht juristischen Sachverstand, sondern gesunden Menschenverstand einbringen; wäre es anders gewollt, dann hätte der Gesetzgeber andere Voraussetzungen an das Amt der Beisitzer gestellt. Auch die Akten der zur Verhandlung anstehenden Widersprüche sehen die Beisitzer vor der Sitzung nicht. Sie erhalten aber eine Tagesordnung aus der sie Name, Anschrift und Rechtsgebiet des Widerspruchs erkennen können (z.B. Fritz Mayer, Katzileinweg 11, Kaiserslautern, wegen Hundesteuer). Anhand dieser Angaben können die Beisitzer überprüfen, ob sie ggf. den Widerspruchsführer kennen und deshalb nicht über den Widerspruch mitentscheiden sollten (können – dürfen). Ganz wichtig ist Folgendes: Beide Beisitzer und der Vorsitzende haben bei der Beratung bzw. der Abstimmung das gleiche Stimmrecht wie der Vorsitzende. Hier wird nicht etwa die Stimme des juristisch geschulten Vorsitzenden schwerer gewichtet, sondern die Beisitzer, die ja gerade nicht juristisch ausgebildet sein müssen, haben „die gleiche Stimmgewalt“ wie der Vorsitzende. StOVR Christina Mayer Skript zum Verwaltungsrecht - Allgemeiner Teil 79 §7 Bildung der Rechtsausschüsse Absatz 1 – Wortlaut siehe oben – hier nicht entscheidend (2) Der Rechtsausschuss entscheidet in der Besetzung von einem Vorsitzenden und zwei Beisitzern. Alle Mitglieder haben gleiches Stimmrecht. § 1 Abs. 1 des Landesverwaltungsverfahrensgesetzes (LVwVfG) in Verbindung mit den §§ 90 und 91 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) findet keine Anwendung. Es kann also durchaus passieren, dass der Vorsitzende überstimmt wird. Wie in einem solchen Fall mit der Entscheidung verfahren werden muss, wird später unter dem Schlagwort “Beanstandungsklage” behandelt werden. Nach dem Ausführungsgesetz zur Verwaltungsgerichtsordnung (AGVwGO) ist es möglich die mündliche Verhandlung und Entscheidung allein durch den Vorsitzende – teilweise sogar ohne mündliche Verhandlung, also im schriftlichen Verfahren entscheiden. Dies ist allerdings nur in ganz genau vorgegebenen Fällen möglich. Der Gesetzestext lautet wie folgt: „§ 16 Abs. 1 Der Vorsitzende trifft, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, alle zur Vorbereitung der Entscheidung erforderlichen Maßnahmen. § 16 Abs. 5 Der Rechtsausschuss entscheidet durch den Vorsitzenden, 1. wenn der Widerspruchsführer das Verfahren trotz schriftlicher Aufforderung durch den Vorsitzenden länger als drei Monate nicht betreibt, 2. über die Anordnung und die Aussetzung der sofortigen Vollziehung in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 und Abs. 4 des § 80a Abs. 1 und 2 VwGO, 3. über den Antrag nach § 19 Abs. 1 Satz 5, sofern der Widerspruch beim Rechtsausschuss anhängig war. Der Rechtsausschuss kann auch durch den Vorsitzenden entscheiden, wenn der Widerspruch offensichtlich unzulässig ist oder alle Beteiligten damit einverstanden sind. In den Fällen der Sätze 1 und 2 bedarf es keiner mündlichen Erörterung mit den Beteiligten. § 16 Abs. 6 Wird ein Beteiligter durch einen Rechtsanwalt vertreten, können die Akten dem bevollmächtigten Rechtsanwalt vorübergehend zur Einsicht in seiner Wohnung oder seinen Geschäfträumen übergeben werden. Im Übrigen bleibt § 1 Abs. 1 LVwVfG in Verbindung mit § 29 VwVfG unberührt.“ zu c. Widerspruchsführer und Widerspruchsgegnerin Die Ladung der Parteien versteht sich quasi von selbst, da nach § 16 Abs. 1 AGVwGO einer Erörterung des Sachverhalts mit den Parteien erfolgen soll und dies nur möglich ist, wenn beide Seiten anwesen sind. Beachtlich ist hier noch, dass es nicht wie in anderen Prozessordnungen Ladungsfristen gibt. Man versucht aber, die Ladungen ca. 4 Wochen vorher zuzustellen, so dass sich die Parteien auf den Termin einrichten können. StOVR Christina Mayer Skript zum Verwaltungsrecht - Allgemeiner Teil 80 4. Der Termin der mündlichen Verhandlung Die wichtigste Vorschrift in diesem Zusammenhang ist § 16 AGVwGO : § 16 Verfahren (1) Vor Erlass des Widerspruchsbescheides ist der Widerspruch mit den Beteiligten mündlich zu erörtern. Wenn bei der Ladung darauf hingewiesen wurde, kann beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden. Die Verhandlung ist öffentlich; der Rechtsausschuss kann die Öffentlichkeit aus wichtigem Grund ausschließen. Mit Einverständnis aller Beteiligten kann von der mündlichen Erörterung abgesehen werden. 2) Bei der Beratung und Abstimmung dürfen außer den Mitgliedern des Rechtsausschusses nur die bei der Kreisverwaltung (der Stadtverwaltung) zu Ihrer Ausbildung beschäftigten Personen zugegen sein, soweit der Vorsitzende ihre Anwesenheit gestattet. Das gleiche gilt für die Anwesenheit des Schriftführers. Die Teilnehmer sind verpflichtet, über die Beratung und Abstimmung Stillschweigen zu bewahren. 3) Die Beteiligten können zur Erledigung des Vorverfahrens einen Vergleich auch zur Aufnahme in die über die Sitzung zu fertigende Niederschrift schließen. Der Text des Vergleiches ist den Beteiligten vorzulesen oder zur Durchsicht vorzulegen. Ist der Inhalt der Niederschrift auf einem Tonträger vorläufig aufgezeichnet worden, so genügt es, wenn der Wortlaut des Vergleiches abgespielt wird. Die Zustimmung der Beteiligten zu dem Vergleich ist in der Niederschrift zu vermerken. (4) Wird durch den Widerspruchsbescheid ein Verwaltungsakt ganz oder teilweise aufgehoben oder die Behörde zum Erlass eines abgelehnten Verwaltungsaktes verpflichtet, so ist der Widerspruchsbescheid außer den Beteiligten unverzüglich auch der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion zuzustellen. StOVR Christina Mayer Skript zum Verwaltungsrecht - Allgemeiner Teil 81 Der erste Absatz beinhaltet eigentlich alles, was das AGVwGO an Verfahrensvorschriften vorgibt. Hier ist zum einen auf das Verwaltungsverfahrensgesetz und auch analog auf die VwGO zurückzugreifen. Gerade was das Verwaltungsverfahrensgesetz angeht, ist auf die Vorschrift des § 10 hinzuweisen: "§ 10 VwVfG Das Verwaltungsverfahren ist an bestimmte Formen nicht gebunden, soweit keine besonderen Rechtsvorschriften für die Form des Verfahrens bestehen. Es ist einfach, zweckmäßig und zügig durchzuführen." Der Vorsitzende übt das Hausrecht aus und bestimmt den Ablauf des Verfahrens. Dabei gilt immer die Maxime, dass das Verfahren vor dem Rechtsausschuss eine Lösung aufzeigen soll, die Rechtsfrieden herstellt - mit der also beide Parteien leben können – und die rechtlich korrekt sein muss. Der Rechtsausschuss hat ja die Aufgabe, einen Bescheid auf seine Recht- und Zweckmäßigkeit hin zu überprüfen. Vor dem Einstieg in die eigentliche Sitzung, die mündliche Verhandlung und nach dem “Aufruf der Sache” wird jeweils geprüft, ob die Sitzung öffentlich ist oder nicht. Gem. § 16 Abs. 1 AGVwGO ist die Verhandlung zwar grundsätzlich öffentlich, ein wichtiger Grund zum Ausschluss der Öffentlichkeit ist aber z.B. der Schutz von Personendaten in Sozialhilfefällen (interessanterweise wird beim Verwaltungsgericht in Sozialhilfesachen öffentlich verhandelt) oder in Gewerbeuntersagungsfällen, wegen nicht bezahlter Gewerbsteuer. Zunächst wird vom Vorsitzenden ein kurzer Sachbericht abgegeben über den zu verhandelnden Sachverhalt, wie er sich aus der Akte ergibt. Dies ist deshalb erforderlich, weil ja die beiden Beisitzer die Akten nicht kennen. Der Rechtsausschuss muss vor seiner Entscheidung genau klären, welche Tatsachen er seiner Entscheidung zugrunde legen wird. Diese Aufgabe folgt aus § 24 des Verwaltungsverfahrensgesetzes; der Untersuchungsgrundsatz verpflichtet die Behörde (und das ist hier der Rechtsausschuss) von Amts wegen genau den Sachverhalt zu ermitteln. Man kann also nicht – wie etwa das Zivilgericht – seine Entscheidung lediglich auf die Dinge abstellen, die die Parteien (Widerspruchsführer und Widerspruchsgegner) vortragen. Der Ausschuss muss aus eigenem Antrieb heraus alles ermitteln, was zur Entscheidung erforderlich ist. Dies ist vor allem deshalb wichtig und auch einleuchtend, wenn man sich vor Augen führt, dass an die Widerspruchsbegründung keinerlei Anforderungen gestellt werden; man also einen Widerspruch einlegen kann ganz ohne Begründung. Dies ist deshalb möglich, weil die Behörde gerade zur Aufklärung verpflichtet ist. Dies Aufklärungspflicht gilt auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren; also auch das Verwaltungsgericht muss von Amts wegen aufklären. Außerdem ist noch ganz entscheidend, dass in § 39 VwVfG vorgeschrieben ist, aus der Begründung des Verwaltungsaktes der zugrunde Sachverhalt und die Gründe widerzugeben sind. Der Widerspruchsbescheid ist ein Verwaltungsakt, der diesen Anforderungen entsprechen muss. StOVR Christina Mayer Skript zum Verwaltungsrecht - Allgemeiner Teil 82 Nach dem Vortrag des Sachverhaltes durch den Vorsitzenden erhalten beide Parteien, die Möglichkeit sich zu äußern und ihren bereits schriftlich erfolgten Sachvortrag (soweit dieser erfolgt ist) zu ergänzen. Es können Fragen gestellt werden - dies gilt ausdrücklich auch für die Beisitzer, die ja mit gleichem Stimmrecht mitentscheiden sollen. Wichtig bei der Sachverhaltsaufklärung im Rahmen der mündlichen Verhandlung ist die Auslegung des Vortrages der Parteien zur Feststellung des Antrages. Zwar besteht keine Verpflichtung, einen konkreten Antrag zu stellen; da der Rechtsausschuss ja wissen muss, worüber er entscheidet und was er letztendlich prüfen soll, muss dies geklärt werden. Schließlich steckt auch eine Kostenfrage hinter diesem Problem, da sich die Verfahrenskosten an der Höhe dessen, worum gestritten wird, orientiert. Ist der Sachverhalt soweit aufgeklärt, erfolgt die Entscheidung. Diese kann wie folgt aussehen: a. Der Widerspruch wird zurückgenommen. b. Der Bescheid wird abgeändert/aufgehoben. c. Ein Vergleich wird geschlossen. d. Es erfolgt eine Erledigungserklärung. e. Es wird ein Widerspruchsbescheid erlassen mit dem entweder der Widerspruch (ganz oder teilweise) zurückgewiesen wird oder aber dem Widerspruch (ganz oder teilweise) stattgegeben wird. Zu a. Rücknahme des Widerspruchs Der Widerspruchsführer kann den Widerspruch bis zum Erlass des Bescheides zurücknehmen. Dies wird im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Rechtsausschuss im Protokoll aufgenommen, dem Widerspruchsführer vorgelesen und er muss es genehmigen. Außerhalb des Termins wird die Rücknahme auch schriftlich fixiert – dann natürlich nicht im Sitzungsprotokoll, sondern in einem normalen Schreiben. Das Verfahren ist damit beendet. Wenn das Verfahren nicht kostenfrei ist – dies ist z.B. im Rahmen der Sozialhilfe der Fall – muss der Widerspruchführer noch die Kosten des Widerspruchsverfahrens tragen. Zu b. Abhilfe Auch noch in der Sitzung – soweit nicht schon vorher geschehen – kann die Widerspruchsgegnerin den Bescheid abändern und einen sogenannten Abhilfebescheid erlassen. Damit wird (ganz oder teilweise) dem Begehren des Widerspruchsführers entsprochen. StOVR Christina Mayer Skript zum Verwaltungsrecht - Allgemeiner Teil 83 Exkurs : Der Ablauf des Abhilfeverfahrens Das Widerspruchsverfahren ist ein Verfahren der verwaltungsbehördlichen Selbstkontrolle. Durch die Möglichkeit der Abhilfe (§ 72 VwGO) soll zunächst die Ausgangsbehörde nochmals Gelegenheit erhalten, ihre Entscheidung, zu überprüfen und gegebenenfalls zu korrigieren. Das Abhilfeverfahren wird in der Regel dadurch eingeleitet, dass der Widerspruch bei der Ausgangsbehörde eingeht (vgl. § 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Wird der Widerspruch ausnahmsweise nicht bei der Ausgangsbehörde, sondern bei der Widerspruchsbehörde eingelegt (vgl. § 70 Abs. 1 Satz 2 VwGO), die im Regelfall die nächsthöhere Behörde ist, so muss die Widerspruchsbehörde den Vorgang zunächst zur Durchführung des Abhilfeverfahrens an die Ausgangsbehörde zurückreichen. Im Rahmen des Abhilfeverfahrens prüft die Ausgangsbehörde Zulässigkeit und Begründetheit des Widerspruchs. Hält sie ihn für zulässig und begründet (z.B. weil es einer dieser typischen „Montagsbescheide“ war), hilft sie dem Widerspruch ab. Beim Anfechtungswiderspruch besteht die Abhilfe in der Aufhebung oder entsprechenden Abminderung des ursprünglichen Verwaltungsakt (Ausgangsbescheids). Musste der Widerspruchsführer gemäß dem Ausgangsbescheid 200,- € zahlen, aber es bestand nur eine rechtliche Verpflichtung zur Zahlung von 100,€, dann wird mit dem Abhilfebescheid der ursprüngliche Bescheid insoweit reduziert. Bestand überhaupt keine Pflicht zur Zahlung, dann wird der Ursprungsbescheid ganz aufgehoben. Die Abhilfe des Verpflichtungswiderspruchs führt zum Erlass des beantragten, aber zunächst abgelehnt Verwaltungsakt. Der Widerspruchsführer hat Sozialhilfe beantragt, diese wurde aber abgelehnt. Die nochmalige Überprüfung hat ergeben, dass doch ein Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt besteht, weshalb diese Hilfe gewährt wird. Auch die Teilabhilfe ist denkbar, wenn die Ausgangsbehörde den Widerspruch nur für teilweise begründet erachtet. Die (Teil-)Abhilfe erfolgt durch einen Abhilfebescheid, der einen Verwaltungsakt (§ 35 VwVfG) darstellt. Die inhaltlichen Anforderungen an einen Abhilfebescheid entsprechen deshalb denen eines Ausgangsbescheids (Kopf, Tenor, Gründe, Rechtsbehelfsbelehrung, Unterschrift, ggf. Dienstsiegel). Durch den Abhilfebescheid wird auch über die Kosten des Abhilfeverfahrens entschieden (§ 72 VwGO); diese trägt in aller Regel die Ausgangsbehörde, denn sie hat diese ja auch verursacht. Beispiel eines Abhilfebescheides: Die Stadt X hat einen Bescheid wegen Sondernutzungsgebühren erlassen. Der Betroffene hat hiergegen durch einen Rechtsanwalt Widerspruch einlegen lassen. Die Stadt will dem Widerspruch nach Überprüfung des Bescheides voll abhelfen. „1. Der Bescheid der Widerspruchsgegnerin vom 5. 6. 1996, AZ.: III/SN 4711/96 wird aufgehoben. 2. Die Widerspruchsgegnerin hat die Kosten des Widerspruchsverfahrens zu tragen. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten durch den Widerspruchsführer war notwendig. 3. Dieser Bescheid ergeht kostenfrei.“ StOVR Christina Mayer Skript zum Verwaltungsrecht - Allgemeiner Teil 84 Hält die Ausgangsbehörde im Rahmen des Abhilfeverfahrens den Widerspruch für unzulässig oder für zwar zulässige aber unbegründet, wird sie ihm nicht abhelfen. Für diesen Fall verlangt § 72 VwGO weder eine förmliche Entscheidung über die Nichtabhilfe noch eine entsprechende Mitteilung, an den Widerspruchsführer (wobei eine solche Mitteilung in der Praxis gelegentlich üblich und bisweilen auch sinnvoll ist – siehe hierzu die obigen Ausführungen zum Abgabeschreiben). Im Falle der Nichtabhilfe wird das Abhilfeverfahren dadurch abgeschlossen, dass die Ausgangsbehörde den Widerspruch (samt Verfahrensakten) mittels eines sogenannten Vorlageschreibens oder Abgabeschreibens der Widerspruchsbehörde zum Erlass des Widerspruchsbescheids vorlegt. Das Vorlageschreiben sollte - auch ohne dass eine entsprechende gesetzliche Verpflichtung besteht - die Gründe der Nichtabhilfe darlegen. Bitte beachten Sie, dass Sie als Ausgangsbehörde nicht einen Widerspruch nur deshalb nicht bearbeiten dürfen/müssen, weil er nach ihrer Einschätzung verfristet ist. Die Entscheidung über eine Verfristung oder zu einem anderen Prüfungspunkt der Zulässigkeit obliegt genau wie die Prüfung der Begründetheit dem Rechtsausschuss und nur diesem. Die Ausgangsbehörde hat die Entscheidungskompetenz nur soweit sie abhilft. Tut sie dies nicht, dann fällt die alleinige Entscheidungsbefugnis an den Rechtsausschuss (was natürlich nicht bedeutet, dass Sie in Ihrer Stellungnahme an den Rechtsausschuss nicht auf – nach Ihrer Ansicht vorliegende – formale Fehler hinweisen dürfen.). Im Falle der Teilabhilfe wird der Widerspruch lediglich insoweit der Widerspruchsbehörde vorgelegt, als ihm nicht abgeholfen wurde. Beispiel: Eine Gemeinde erlässt einen Erschließungsbeitragsbescheid in Höhe von 10.000,- €. Der Beitragsschuldner erhebt hiergegen in vollem Umfang Widerspruch. Im Abhilfeverfahren kommt die Gemeinde zu der Auffassung, dass die Beitragsschuld richtigerweise nur 8.000,00 € beträgt. Durch Teilabhilfebescheid wird die Gemeinde den Ausgangsbescheid teilweise (hinsichtlich einer Summe von 2.000,00 €) aufheben. Im Übrigen (hinsichtlich einer Summe von 8.000,00 €) wird sie den Widerspruch der Widerspruchsbehörde zur Entscheidung vorlegen. Zu c. Vergleich Hier ist auf die Vorschrift des § 16 Abs. III AGVwGO zu verweisen. Der Vergleich ist verfahrensbeendend. Er wird schriftlich abgefasst und muss genau bestimmen, was zwischen den Parteien vereinbart wird. Er muss auch eine Regelung über die Kosten enthalten. Beide Parteien StOVR Christina Mayer Skript zum Verwaltungsrecht - Allgemeiner Teil 85 müssen dem Vergleich zustimmen nachdem er vorgelesen wurde. Im Protokoll steht dann, "vorgelesen und genehmigt". Der Vorsitzende des Rechtsausschusses kann auch (bereits bei der Vorbereitung der Sitzung als auch aufgrund der Beratung mit seinen Beisitzern - dann also nach einer Sitzung des Rechtsausschusses -) den Parteien einen Vergleich schriftlich vorschlagen. Diesen müssen beide Parteien unterzeichnen - wie einen Vertrag. Das Widerspruchsverfahren ist mit dem Abschluss des Vergleiches beendet. Zu d. Erledigungserklärung Dies betrifft Fälle, in denen sich der streitige Sachverhalt etwa durch Zeitablauf erledigt hat. Wird z.B. Widerspruch gegen die Baugenehmigung für einen Carport erhoben und der Carport wird noch vor der Entscheidung des SRA beseitigt, dann hat sich dieser Widerspruch erledigt. Ähnlich liegt der Fall einer Bewerbung zum Oktobermarkt 2001 eines Fahrgeschäftbetreibers, der eine ablehnende Entscheidung (also keine Zulassung zu dem Markt) erhalten hat und hiergegen Widerspruch eingelegt hat. Findet die Sitzung des Rechtsausschusses und damit die Entscheidung nach dem Oktobermarkt 2001 statt, dann ist die Frage der Zulassung zu diesem Markt durch Zeitablauf erledigt. Egal wie der Rechtsausschuss entscheidet würde, der Bewerber kann sein Fahrgeschäft nicht mehr zum Oktobermarkt 2001 aufstellen, weil dieser vorbei ist. Der Rechtsausschuss darf auch nicht mehr über die Sachfrage entscheiden. Es würde sich insoweit um einen sogenannten Fortsetzungsfeststellungswiderspruch handeln, der unzulässig ist. Nur die Verwaltungsgerichte können feststellen, ob dieser erledigte Verwaltungsakt rechtmäßig gewesen ist oder nicht. Allerdings ist beachtlich, dass auch im Falle des Widerspruchsbescheides bei einer Erledigung auf die Sachlage eingegangen werden muss. § 19 Abs. 1 Satz 5, 2. HS AGVwGO besagt nämlich, dass man bezüglich der Kostenentscheidung auf die bisherige Sachlage des Prozesses zurückgreifen soll. Zu e. Widerspruchsbescheid Die Entscheidung, ob dem Widerspruch stattgegeben wird oder nicht ergeht nach einer geheimen Beratung am Ende der Sitzung (Abs. 2) und den Parteien wird die schriftliche Entscheidung zugestellt. Diese Entscheidung ist ein Verwaltungsakt. Der Widerspruchsbescheid wird zwar aufgrund der gemeinsamen Entscheidung des gesamten Rechtsausschusses erstellt, aber nur vom Vorsitzenden alleine - ohne Beisitzer – angefertigt (also ausformuliert) und unterzeichnet. Der Vorsitzende berücksichtigt bei der Anfertigung die Zulässigkeit des Widerspruchs und auch die Begründetheit. Im Einzelnen bedeutet dies folgende Prüfungspunkte: StOVR Christina Mayer Skript zum Verwaltungsrecht - Allgemeiner Teil 86 Zulässigkeit - Ist der Verwaltungsrechtsweg gegeben? (Weil das Widerspruchsverfahren ein verwaltungsgerichtliches Vorverfahren ist, muss man hier prüfen, ob der Verwaltungsrechtsweg gegeben ist.) Dazu wird § 40 VwGO geprüft. Dieser hat drei Voraussetzungen, nämlich a. öffentlich-rechtliche Streitigkeit b. nicht verfassungsrechtliche Art, die c. keinem anderen Rechtsweg durch Bundesgesetz zugewiesen ist - Die Statthaftigkeit des Widerspruchs (Ist der Widerspruch auch der richtige Rechtsbehelf? – nur gegen einen Verwaltungsakt kann man sich mit einem Widerspruch wehren.) Hier werden also § 68 i.V.m. § 42 VwGO geprüft – und zwar ob hier ein Verwaltungsakt § 35 VwVfG angefochten wird. - Die Widerspruchsbefugnis Die Widerspruchsbefugnis wird anhand von § 42 Abs. 2 VwGO analog geprüft. Hier wendet man die Möglichkeitstheorie und die Adressatentheorie an. Die Möglichkeitstheorie besagt, dass die Möglichkeit der Verletzung von Rechten des Widerspruchsführers gegeben ist – sie ist möglich. Die Adressatentheorie beruht auf der Überlegung, dass der Adressat eines Verwaltungsaktes befugt ist, sich mit einem Rechtsbehelf gegen diesen Verwaltungsakt zu wehren. - Form des Widerspruchs § 70 VwGO – schriftlich oder zur Niederschrift. Diese Vorschrift enthält die einzige Formvorschrift für das Widerspruchsverfahren. Nach § 70 Abs. 1 VwGO muss der Widerspruch schriftlich eingelegt werden oder er erfolgt zur Niederschrift bei der Ausgangsbehörde (also der Behörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat) oder bei der Widerspruchsbehörde. Diese Niederschrift muss das enthalten, was der Widerspruchsführer vorgetragen hat; sie muss auch das Datum der Widerspruchseinlegung und die Unterschriften des Widerspruchsführers und des aufnehmenden Mitarbeiters der Behörde enthalten. - Frist § 70 Abs. 1 VwGO ein Monat ab der Bekanntgabe, wenn eine ordnungsgemäße Rechtsbehelfsbelehrung vorgelegen hat. Die Anforderungen an eine Rechtsbehelfsbelehrung sind Begründetheit Hier werden Rechtswidrigkeit oder Unzweckmäßigkeit des angegriffenen VA und dadurch Verletzung des Widerspruchsführers in seinen Rechten, §§ 68 I 1, 113 I 1 analog VwGO geprüft. Der Widerspruch ist dann begründet, wenn der angefochtene VA rechtswidrig ist und den Widerspruchsführer in seinen Rechten verletzt. StOVR Christina Mayer Skript zum Verwaltungsrecht - Allgemeiner Teil 87 Hierzu ist zunächst die formelle Rechtmäßigkeit des Bescheides zu prüfen. Diese ist gegeben, wenn Zuständigkeit, Form und Verfahren des angefochtenen VAs korrekt sind; also die richtige = zuständige Behörde gehandelt hat, keine formellen Fehler aufgetreten sind (wie z.B. eine nicht durchgeführte Anhörung oder ähnliches) und die Anforderungen an die Form eines VA erfüllt sind. Die materielle Rechtmäßigkeit des Bescheides richtet sich nach Spezialvorschriften, die sich meist aus dem Sachverhalt ergeben; die Voraussetzungen dieser Spezialvorschrift (der Ermächtigungsgrundlage) müssen hier geprüft werden. Gegen den Widerspruchsbescheid kann Klage zum Verwaltungsgericht erhoben werden. Mit der Zustellung des Widerspruchsbescheides ist das Widerspruchsverfahren oder Vorverfahren beendet. XII. Allgemeine Anmerkungen zur Wirksamkeit und Bestandskraft von Verwaltungsakten Der Verwaltungsakt ist der zentrale Begriff des Verwaltungsverfahrens. Er ist das Mittel der Verwaltung, um einen bestimmten Einzelfall rechtsverbindlich zu regeln. Damit ist der Verwaltungsakt zugleich das wichtigste Instrument zur Konkretisierung der Rechtssicherheit, bzw. der Verwirklichung des verfassungsrechtlichen Rechtsstaatsgedankens innerhalb des Verwaltungsverfahrens. Diese Tatsache wird noch durch den Titel des zweiten Abschnitts des VwVfG »Bestandskraft des Verwaltungsaktes« untermauert. In diesem Abschnitt werden die Voraussetzungen für die Bestandskraft von Verwaltungsakten ebenso definiert wie die Frage der Wirkung bestimmter Fehler und die Möglichkeit der Aufhebung von Verwaltungsakten, die bereits bestandskräftig geworden sind. Dabei sind die folgenden Begriffe zu unterscheiden: 1. Die Wirksamkeit von Verwaltungsakten a. Allgemeines In § 43 VwVfG wird bestimmt, dass ein Verwaltungsakt gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen ist, zu dem Zeitpunkt wirksam wird, in dem er bekannt gegeben worden ist. Ferner wird der Verwaltungsakt mit dem Inhalt wirksam, mit dem er bekannt gegeben wird. Er bleibt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf bzw. andere Art und Weise erledigt ist. Nur ein nichtiger Verwaltungsakt ist von vornherein unwirksam. StOVR Christina Mayer Skript zum Verwaltungsrecht - Allgemeiner Teil 88 b. Zur Bekanntgabe Der § 43 VwVfG nimmt noch einmal eine Klarstellung zur Wirksamkeit des Verwaltungsaktes vor, die sich bereits den Vorschriften zum Verwaltungsakt - hier insbesondere § 37 VwVfG- ergeben. In § 37 VwVfG ist die formelle Voraussetzung für die Wirksamkeit Verwaltungsaktes geregelt. Aus Gründen der Rechtssicherheit kann ein Verwaltungsakt erst dann wirksam werden, wenn er vom Rechtskreis der erlassenden Behörde in den Rechtskreis des Adressaten zu dessen Kenntnisnahme gelangt ist. Der Zeitpunkt der Bekanntgabe ist darüber hinaus für den Beginn der Rechtsbehelfsfrist (Klage, Widerspruch) entscheidend. Dabei gibt es folgendes zu beachten: Ein bekannt gegebener Verwaltungsakt ist grundsätzlich wirksam und muss im Rechtsverkehr beachtet werden. Ein wirksamer Verwaltungsakt ist die Voraussetzung für eine Anfechtung durch einen Rechtsbehelf (vgl. hierzu Widerspruch nach §§ 68 ff VwGO und Klage nach §§ 42 ff VwGO). Eine erfolgte Anfechtung verändert alleine noch nicht die Wirksamkeit des Verwaltungsaktes, da dieser weiterhin zu beachten ist. Die Anfechtung hat grundsätzlich – bis zur abschließenden Klärung des Sachverhaltes lediglich aufschiebende Wirkung. Die Wirksamkeit eines Verwaltungsaktes sagt nichts darüber aus, ob der Verwaltungsakt rechtmäßig oder rechtswidrig ist. Auch ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann zunächst wirksam sein, es sei denn die vorliegenden Gründe sind so offensichtlich und gravierend, dass sie zur sofortigen Nichtigkeit führen. Dieses wird aber eher die Ausnahme sein. c. Die Bestandskraft eines Verwaltungsaktes Ein Verwaltungsakt ist dann bestandskräftig, wenn er nicht mehr angefochten werden kann. Die Gründe für eine solche Unanfechtbarkeit können Fristablauf, Ausschöpfung der Rechtsbehelfsmöglichkeiten oder der Verzicht auf Rechtsbehelfsmöglichkeiten sein. Die Bestandskraft darf hier nicht mit der Wirksamkeit verwechselt werden, weil ein bestandskräftiger Verwaltungsakt zunächst immer einen wirksam gewordenen Verwaltungsakt voraussetzt. Bestandskraft bedeutet allerdings auch nicht, dass ein entsprechender Verwaltungsakt nicht unter bestimmten Voraussetzungen von der erlassenden Behörde wieder aufgehoben werden kann (vgl. hierzu § 44 VwVfG). d. Die Unanfechtbarkeit eines Verwaltungsaktes Ein Verwaltungsakt wird nach Ablauf der Rechtsbehelfsfrist oder nach einem – aus der Sicht des Adressaten - erfolglos durchgeführten Rechtsbehelf (Widerspruch, Klage) unanfechtbar. Ein weiterer Rechtsbehelf gegen den unmittelbaren Verwaltungsakt ist StOVR Christina Mayer Skript zum Verwaltungsrecht - Allgemeiner Teil 89 dann von der Verwaltung ohne weiteres zurückzuweisen. Ein unanfechtbar gewordener Verwaltungsakt ist für den Adressaten gleichzeitig auch immer bestandskräftig. 2. Die Vorschriften im Einzelnen a. § 43 VwVfG Absatz 1 - Grundsatz zur Wirksamkeit des VA Absatz 2 - Zeitraum, in welchem der VA wirksam bleibt Absatz 3 - Rechtsfolge der Nichtigkeit b. § 44 VwVfG Absatz 1 - Definition der Nichtigkeit des VA Absatz 2 - VA ist auch nichtig, ohne unter die Definition des Abs. 1 zu fallen, wenn - erlassende Behörde nicht erkennbar - Formfehler - Zuständigkeitsverletzung - von niemandem ausgeführt werden kann (Bsp.: Errichtung eines Hauses auf dem Mars) - Verlangen einer Straftat - Verstoß gegen die guten Sitten (§ 138 BGB) Absatz 3 - Nichtigkeit des VA liegt nicht schon vor, weil Verletzung der örtlichen Zuständigkeit vorliegt ein vorgeschriebener Beschluss nicht gefasst wurde vorgeschriebene Mitwirkungen einer anderen Behörde fehlt Absatz 4 - Teilnichtigkeit (siehe hierzu § 139 BGB) Absatz 5 - Feststellung der Nichtigkeit In § 43 Abs. 3 VwVfG sagt der Gesetzgeber ganz lapidar, dass ein nichtiger Verwaltungsakt unwirksam ist. Ein nichtiger Verwaltungsakt entfaltet von Anfang an keine Rechtswirkung, weshalb es von ganz erheblicher Bedeutung einen solchen Verwaltungsakt als nichtigen im Sinne des Gesetzes zu erkennen. Der Begriff »Nichtigkeit« wird dann ausführlich in § 44 VwVfG (»Nichtigkeit des Verwaltungsaktes«) definiert. Danach ist ein Verwaltungsakt nichtig, wenn er an einem besonders schweren Fehler leidet und dieses bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist, nichtig. Ganz allgemein kann man sagen, dass diese relative Nichtigkeit immer dann gegeben ist, wenn einem Durchschnittsbürger auf dem ersten Blick klar ist, dass die angestrebte Entscheidung auf keinen Fall rechtlich und tatsächlich nachzuvollziehen ist. StOVR Christina Mayer Skript zum Verwaltungsrecht - Allgemeiner Teil 90 Wegen der schwerwiegenden Folgen, die sich durch Nichtigkeit für die Rechtssicherheit ergeben können, müssen zwingend die beiden Voraussetzungen: • besonders schwerer Fehler und • Offensichtlichkeit der Fehlerhaftigkeit vorliegen. Was hierunter zu verstehen ist, lässt sich aus dem vom Gesetzgeber in § 44 Abs. 2 VwVfG aufgestellten Katalog ablesen. Der zur Nichtigkeit führende Verstoß gegen die guten Sitten, lehnt sich eng an die diesem Begriff zugrunde liegende Definition aus dem Bürgerlichen Recht an und bezieht sich auf einen allgemeingültigen Rechts- und Sozialkodex. § 138 BGB - Sittenwidriges Rechtsgeschäft; Wucher (1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig. (2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zur der Leistung stehen. Fehler, die nicht so erheblich sind, dass sie grundsätzlich zur Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes führen könnten, sind vielmehr Verfahrens- oder Formfehler, die in der Regel gem. § 45 VwVfG unerheblich und damit heilbar sind. Unerhebliche Fehler führen damit nicht zur Unwirksamkeit des Verwaltungsaktes. Weiter gibt es zu berücksichtigen, dass die Nichtigkeit zu einem Teil des Verwaltungsaktes immer nur dann zur vollständigen Nichtigkeit des gesamten Verwaltungsaktes führt, wenn der nichtige Teil so wichtig für den Verwaltungsakt ist, dass der Verwaltungsakt ohne diesen Teil nicht erlassen worden wäre. Fazit: Nichtigkeit liegt bei äußerst schwerwiegenden Fehlern eines Verwaltungsakts vor. Die Nichtigkeit führt dazu, dass die angestrebte Regelung von Beginn an unwirksam ist und diese nicht zu einem rechtlichen Ergebnis führen kann. Die Systematik der Vorschrift des § 44 VwVfG lässt sich wie folgt zusammenfassen: Abs. 1: Nichtigkeit – wann ist sie gegeben Abs. 2: ohne Rücksicht auf Abs. 1, liegt Nichtigkeit vor, wenn..... Positivkatalog Abs. 3: Nichtigkeit ist nicht schon deshalb gegeben, weil.... Negativkatalog Abs. 4: Teilnichtigkeit – was passiert? Abs. 5: Feststellung der Nichtigkeit – beachte: Satz 1 „kann“ - Vorschrift und Satz 2 „muss“ - Vorschrift StOVR Christina Mayer Skript zum Verwaltungsrecht - Allgemeiner Teil 91 c. § 45 VwVfG Allgemeines : Nur nichtige Verwaltungsakte, d.h. solche die unter schweren Formfehlern leiden sind nicht heilbar. Das Vorliegen eines einfachen Form- oder Verfahrensfehlers betrifft nicht die Wirksamkeit eines Verwaltungsaktes, weil eine so schwerwiegende Folge für das Verfahren in der Regel nicht in einem vernünftigen Verhältnis zur Bedeutung des einfachen Fehlers und seiner Heilbarkeit stehen würde. § 45 VwVfG enthält daher einen Katalog von Verfahrens- und Formfehlern, die unbeachtlich sind bzw. die ohne weitere Folgen nachträglich »heilbar« sind. Danach ist es für die Wirksamkeit unerheblich, - wenn der für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderliche Antrag nachträglich gestellt wird, - wenn die erforderliche Begründung nachträglich gegeben wird - wenn die erforderliche Anhörung eines Beteiligten nachgeholt wird, - wenn der Beschluss eines Ausschusses, dessen Mitwirkung für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderlich ist, nachträglich gefasst wird, - wenn die erforderliche Mitwirkung einer anderen Behörde nachgeholt wird. Versäumt ein Betroffener die für die Anfechtung geltende Rechtsbehelfsfrist deshalb, weil der Verwaltungsakt nicht die erforderlich Begründung besitzt oder weil eine erforderliche Anhörung Beteiligter durch die handelnde Behörde versäumt worden ist, hat er das Recht zur Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand. Das Versäumen der Rechtsbehelfsfrist ist in diesem Fall unverschuldet und damit unschädlich. Der Verwaltungsakt, der wegen der in Abs. 1 Nr. 1-5 abschließend aufgeführten Mängel fehlerhaft ist, wird durch die Nachholung der unterlassenen Handlung rechtmäßig, falls die Frist des Abs. 2 eingehalten wurde. Abs. 3 gibt dem Betroffenen in den Fällen des Abs. 1 Nr. 2 und 3 Anspruch auf Wiedereinsetzung, wenn er wegen fehlender Begründung oder unterlassener Anhörung den Verwaltungsakt nicht rechtzeitig angefochten hat, was der Betroffene glaubhaft zu machen hat. d. § 46 VwVfG Voraussetzung für die Anwendung dieser Bestimmung ist, dass ein Verstoß gegen eine formell-rechtlich Vorschrift vorliegt, die keine Nichtigkeit (44 Abs. 1 und 2) ausgelöst hat und auch nicht nach § 45 geheilt worden ist. Weiter darf auch bei Vermeidung des Fehlers keine andere Sachentscheidung möglich sein. (sog. gebundener VA). Zu den in Satz 1 genannten Vorschriften gehören nicht nur die im StOVR Christina Mayer Skript zum Verwaltungsrecht - Allgemeiner Teil 92 VwVfG enthaltenen, sondern auch Bestimmungen über das Verfahren, die Form und die örtliche Zuständigkeit in anderen Rechtsvorschriften. Aus der besonderen Erwähnung der Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit ergibt sich im Umkehrschluss, dass die Regelung nicht auch für Verstöße gegen die Vorschrift betreffend die sachliche Zuständigkeit gilt. Die Frage, ob keine andere Entscheidung in der Sache hätte getroffen werden können, ist nach objektiven Kriterien zu beurteilen. Unerheblich ist ein Verstoß, wenn er seiner Art nach jedenfalls im konkreten Fall nicht kausal für die Entscheidung sein, d.h. keinen Einfluss darauf haben konnte, außerdem auch dann, wenn aus anderen Gründen die Entscheidung im Ergebnis rechtlich nicht zu beanstanden ist. e. § 47 VwVfG Absatz 1 - Grundsatz der Umdeutung, Voraussetzung Absatz 2 - Ausnahme, wann darf die Umdeutung nicht erfolgen ? Absatz 3 - Ermessensentscheidung kann nicht zu einer gebundenen Entscheidung werden Absatz 4 - Anhörung § 28 VwVfG, also vor der Umdeutung anhören, wenn in Rechte eingegriffen wird Hier kann der Gedanke des § 140 BGB herangezogen werden. Voraussetzungen für die Umdeutung sind: - - gleiches Ziel die erlassende Behörde den Verwaltungsakt hätte erlassen können (wenn rechtmäßiger Verwaltungsakt möglich ist und keine ungünstigen Rechtsfolgen eintreten) und die Voraussetzungen für den Erlass des Verwaltungsaktes vorliegen f. § 48 VwVfG Rücknahme eines RECHTSWIDRIGEN Verwaltungsaktes Absatz 1 Satz 1 - Grundsatz der Rücknahmemöglichkeit auch nach Unanfechtbarkeit Satz 2 - Sonderregelungen für begünstigende Verwaltungsakte Absatz 2 Satz 1 - rechtswidrige begünstigende Verwaltungsakte, die eine einmalige Geldleistung o.ä. gewähren, dürfen nicht zurückgenommen werden, wenn auf die Leistung vertraut wurde und dieses Vertrauen im öffentlichen Interesse schutzwürdig ist. Satz 2 - wann liegt die Schutzwürdigkeit vor? StOVR Christina Mayer Skript zum Verwaltungsrecht - Allgemeiner Teil 93 Satz 3 - wann darf der Begünstigte nicht vertrauen? - Täuschung - unrichtige Angaben - die Rechtswidrigkeit war bekannt oder hätte bekannt sein müssen Absatz 3 Satz 1 - Ausgleich des Vermögensnachteils, soweit das Vertrauen schutzwürdig Satz 2 - Absatz 2 Satz 3 findet auch hier Anwendung = wann darf der Begünstigte nicht vertrauen? (Täuschung, unrichtige Angaben, die Rechtswidrigkeit war bekannt oder hätte bekannt sein müssen) Satz 3 - Beschränkung des Ausgleichs der Höhe nach Satz 4 - Behörde setzt den Betrag fest Satz 5 - Befristung Absatz 4 Satz 1 - Rücknahme innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme Satz 2 - gilt nicht bei Täuschung Absatz 5 - Zuständigkeit für die Rücknahme g. § 49 VwVfG Widerruf eines rechtmäßigen Verwaltungsaktes Absatz 1 - Grundsatz des Widerrufs bei rechtmäßigen, nicht begünstigenden Verwaltungsakten Absatz 2 Satz 1 - ein begünstigender Verwaltungsakt darf für die Zukunft zurückgenommen werden, wenn - durch Rechtsvorschrift zugelassen - Verwaltungsakt mit einer Auflage verbunden war und diese nicht eingehalten wurde - nachträglich Tatsachen eintreten, bei deren Kenntnis der Verwaltungsakt nicht erlassen worden wäre - Rechtsvorschriften sich geändert haben - schwere Nachteile für das Gemeinwohl zu verhindern sind Satz 2 - Hinweis auf § 48 Absatz 4 - Zeitpunkt der Kenntnis Absatz 3 Satz 1 - Widerruf eines Verwaltungsaktes für die Vergangenheit, der eine einmalige Geldleistung (o.ä.) gewährt hat, ist möglich wenn die Leistung nicht zu dem bestimmten Zweck verwendet worden ist StOVR Christina Mayer Skript zum Verwaltungsrecht - Allgemeiner Teil 94 der Verwaltungsakt mit Auflagen verbunden war und diese nicht eingehalten wurden Satz 2 - Hinweis auf § 48 Absatz 4 - Zeitpunkt der Kenntnis Absatz 4 - Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Widerrufs Absatz 5 - Zuständigkeit XIII. Der Öffentlich-rechtliche Vertrag 1. Der Begriff des öffentlich-rechtlichen Vertrags - Einführung Während im 19. Jahrhundert die Vorstellung, der Staat könne per Vertrag mit den Bürgern „paktieren“, noch undenkbar erschien, ist der Verwaltungsvertrag mittlerweile eine voll etablierte Handlungsform der Verwaltung, die zunehmend an Bedeutung gewinnt. Der Vorteil des Verwaltungsvertrags besteht darin, dass er ein flexibles, auf einen bestimmten Sachverhalt zugeschnittenes Handeln der Verwaltung ermöglicht. Der Stellenwert des Verwaltungsvertrags für das Verwaltungshandeln sei an folgendem Beispiel verdeutlicht: Der Verwaltungsvertrag spielt mittlerweile im Umweltrecht eine herausragende Rolle. In einigen Umweltgesetzen der Länder wurde zwischenzeitlich sogar der Vorrang verwaltungsvertraglichen Handelns vor dem Handeln durch Verwaltungsakt festgeschrieben. Der Vorteil eines Handelns durch Verwaltungsvertrag besteht darin, dass durch die vertragliche Einbeziehung des Bürgers eine größere Akzeptanz für umweltpolitische Zielsetzungen erreicht werden kann und damit insgesamt der Vollzug des Umweltrechts verbessert wird. Aus der Sicht eines Landwirts etwa ist es von psychologischer Bedeutung, ob er bloß Adressat einer einseitigen hoheitlichen Verfügung (Verwaltungsakt) wird, die ihm aufgibt, eine bestimmte, in einem Naturschutzgebiet liegende Wiese statt viermal nur noch zweimal im Jahr zu mähen (damit sich dort bestimmte Insektenpopulationen in Ruhe entwickeln können) oder ob er diese Entscheidung durch Vertrag mit der Umweltschutzbehörde freiwillig ausgehandelt und akzeptiert hat. Der Vorteil eines Vertrags bestünde zugleich darin, dass in diesem eventuelle Entschädigungsleistungen (wenn der Landwirt weniger mäht, muss er ggf. Futter für seine Tiere zukaufen) und sonstige Nebenleistungen (z.B. Installation von Bruteinrichtungen, das Anlegen von Tümpeln etc.) geregelt werden könnte. Die nach wie vor wichtigste Handlungsform für Hoheitsträger zur Gestaltung öffentlich-rechtlicher Rechtsverhältnisse ist der Verwaltungsakt. In zunehmendem Maße also führen Behörden jedoch verwaltungsrechtliche Rechtsfolgen nicht mehr einseitig herbei, sondern legen diese einvernehmlich und auf partnerschaftlicher Ebene mit den Beteiligten fest. StOVR Christina Mayer Skript zum Verwaltungsrecht - Allgemeiner Teil 95 Als weiteres Beispiel sie hier die Festsetzung der Abluftwerte und Schutzvorkehrungen eines chemischen Betriebs genannt, die nicht durch immissionsschutzrechtliche Auflagen festgesetzt werden, sondern zwischen Genehmigungsbehörde und Betreiber einvernehmlich besprochen und festgelegt. Die Beteiligten handeln dann zwar auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts, regeln ihre Rechtsbeziehungen aber vertraulich, nämlich durch öffentlich-rechtlichen Vertrag. So verstanden, bedeutet der öffentlichrechtliche Vertrag die Setzung von Rechtsfolgen des öffentlichen Rechts durch Einigung von mindestens zwei Rechtssubjekten. Vom zivilrechtlichen Vertrag unterscheidet sich der öffentlich-rechtliche Vertrag dadurch, dass sein Gegenstand dem öffentlichen Recht angehört. Beispiel: Die Gemeinde kauft von einem Bürger ein Grundstück zum Neubau einer Ortsumgehungsstraße Der Kaufpreis wird durch zivilrechtlichen Vertrag vereinbart (§ 433 Abs. 2 BGB). Bei Veränderung des Falles: Gemeinde und Bürger können sich zunächst nicht einigen, die Gemeinde beantragt die Enteignung des Grundstücks. Im Zuge des Enteignungsverfahrens (förmliches Verwaltungsverfahren) einigen sich die Verfahrensbeteiligten über die Höhe der Enteignungsentschädigung. Die Einigung über diese öffentlich-rechtlich geregelte Entschädigung (d. h. über einen Gegenstand des öffentlichen Rechts) ist ein öffentlich-rechtlicher Vertrag. Während die Zulässigkeit öffentlich-rechtlicher Verträge vor Erlass der Verwaltungsverfahrensgesetze durchaus umstritten war, normieren heute die §§ 54 ff VwVfG den öffentlich-rechtlichen Vertrag als eine mögliche Form des Verwaltungshandelns. Er ist neben dem Verwaltungsakt zulässiges Endprodukt eines Verwaltungsverfahrens, § 9 VwVfG. Damit gelten auch die allgemeinen Grundsätze des Verwaltungsverfahrens für den öffentlich-rechtlichen Vertrag. Beispiel: Auch für den öffentlich-rechtlichen Vertrag ist die Amtssprache deutsch (§ 23 VwVfG); beim Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrags kann sich der Bürger durch einen Bevollmächtigten vertreten lassen (§ 14 VwVfG) etc. Allerdings regelt das Verwaltungsverfahrengesetz den öffentlich-rechtlichen Vertrag nicht vollständig und abschließend. Es setzt vielmehr den Begriff des Vertrags als aus dem Zivilrecht her bekannt voraus und verweist auch im Hinblick auf das allgemeine Vertragsrecht ergänzend auf die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches. Beispiel: Das Zustandekommen eines öffentlich-rechtlichen Vertrags setzt Angebot und Annahme voraus (§§ 145 ff. BGB); grundsätzlich anwendbar sind ferner die Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Erfüllung, Unmöglichkeit, Verzug und sonstige Leistungsstörungen sowie die Re- StOVR Christina Mayer Skript zum Verwaltungsrecht - Allgemeiner Teil 96 geln über Schadenersatzansprüche aus Verschulden bei Vertragsschluss und positiver Vertragsverletzung. 2. Begriffsmerkmale des Verwaltungsvertrags Die Begriffsmerkmale des Verwaltungsvertrags ergeben sich aus § 54 VwVfG. Im Wesentlichen sind dies: a. Vertragliche Regelung Die Parteien müssen eine vertragliche Regelung anstreben, d.h. sie müssen aufeinander bezogene Willenserklärungen abgeben, die auf die Setzung einer Rechtsfolge gerichtet sind. Entscheidend für den vertraglichen Charakter ist dabei, dass die Vertragsparteien auf den Inhalt des Vertrags Einfluss nehmen können. In diesem Merkmal unterschiedet sich der Verwaltungsvertrag vom sog. „mitwirkungsbedürftigen Verwaltungsakt“: Hierbei handelt es sich um eine einseitige Regelung, die lediglich von bestimmten Mitwirkungshandlungen des Betroffenen (z.B. einer Antragstellung) abhängt, ohne dass der Betroffene auf den Inhalt des Verwaltungsakts Einfluss nehmen könnte. b. Auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts Hierbei handelt es sich um ein Merkmal, das uns bereits im Rahmen des § 35 VwVfG (Begriff des Verwaltungsakts) begegnet ist. Der Gegenstand des Verwaltungsvertrags muss sich folglich auf einen Sachverhalt beziehen, der einem öffentlich-rechtlichen Bereich zu zuordnen ist. Ob sich ein Verwaltungsvertrag auf einen öffentlich-rechtlich geregelten Sachverhalt bezieht, kann mitunter schwierig zu bestimmen sein. Probleme bereiten in diesem Kontext vor allem die sog. „gemischten Verträge“. 3. Die Arten öffentlich-rechtlicher Vertragsbeziehungen – Die öffentlich-rechtlichen Vertragstypen Vertragsfreiheit und Rechtsstaatsprinzip Der tragende Grundsatz des zivilen Vertragsrechts ist die Vertragsfreiheit. Zivilrechtspartner können grundsätzlich frei entscheiden. ob sie Verträge abschließen (Abschlussfreiheit) und welchen Inhalt die Verträge haben (Inhaltsfreiheit). Für den Hoheitsträger wird dieser allgemeine vertragsrechtliche Grundsatz durch das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG), insbesondere den Gesetzmäßigkeitsgrundsatz beschränkt. Daher sind gemäß § 54 Satz 1 VwVfG öffentlich-rechtliche Verträge nur zulässig soweit Rechtsvorschriften nicht entgegenstehen. Der Vorbehalt des Gesetzes verbietet öffentlich-rechtliche Verträge, die wegen ihrer Form oder ihres Inhalts der Rechtsordnung (einfache Gesetze, Verordnungen, Satzungen) zuwiderlaufen. StOVR Christina Mayer Skript zum Verwaltungsrecht - Allgemeiner Teil 97 Bespiel: Beamtenrechtliche Ernennungen und Einbürgerungen können nicht durch öffentlich-rechtlichen Vertrag geregelt werden, da in beiden Fällen gesetzlich zwingend als Handlungsform die Aushändigung einer Urkunde vorgeschrieben ist. Die Gemeinde darf sich nicht durch öffentlich-rechtlichen Vertrag verpflichten, einen Bebauungsplan mit einem bestimmten Inhalt zu erlassen, da § 2 Abs. 3 BauGB ausdrücklich Ansprüche einzelner auf Bauleitplanung ausschließt. Das Rechtsstaatsprinzip bedeutet ferner, dass auch die sonstigen allgemeinen Grundsätze des Verwaltungshandelns beim Abschluss öffentlich-rechtlicher Verträge beachtet werden müssen (z.B. Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, Übermaßverbot, Gleichbehandlungsgrundsatz, Willkürverbot). Beispiel: Die Gemeinde darf für ihr Einvernehmen zu einem Bauvorhaben vom Bauherrn im Rahmen eines auch ansonsten zulässigen Nachfolgelastenvertrags keine höheren Leistungen verlangen, als ihr an Folgekosten für Infrastrukturmaßnahmen entstehen. Innerhalb der genannten Grenzen steht es jedoch im pflichtgemäßen Ermessen (§ 40 VwVfG – siehe insoweit auch die Ausführungen zum Ermessen) der Behörde, ob, mit wem und mit welchem Inhalt sie einen öffentlich-rechtlichen Vertrag schließt. In den Grenzen des Rechtsstaatsprinzips gilt auch für den öffentlich-rechtlichen Vertrag der Grundsatz der Typenfreiheit. Anders als das Bürgerliche Gesetzbuch, das in seinem schuldrechtlichen Teil einige wesentliche Vertragstypen nach dem jeweiligen Vertragsinhalt unterscheidet (Kauf, Miete, Pacht, Dienst- oder Werkvertrag etc.), differenziert das VwVfG keine öffentlich-rechtlich Vertragstypen nach ihrem Inhalt. In der verwaltungsrechtlichen Literatur werden die öffentlich-rechtlichen Verträge zumeist nach dem Verhältnis eingeteilt, in dem die Beteiligten zueinander stehen. In diesem Sinne unterscheidet man den koordinationsrechtlichen Vertrag und den subordinationsrechtlichen Vertrag. Zum koordinationsrechtlichen Vertrag : Dies ist derjenige öffentlich-rechtliche Vertrag, bei dem die Beteiligten gleichgeordnet sind. In der Regel handelt es sich dabei um öffentlich-rechtliche Vereinbarungen unter Verwaltungsträgern. Beispiel: Die Stadt KL und die Stadt Otterberg schließen eine Zweckvereinbarung nach dem Zweckverbandsgesetz über die Mitbenutzung des städtischen Klärwerks. b. Zum subordinationsrechtlichen Vertrag : Dieser liegt vor, wenn sich die Vertragspartner normalerweise im Verhältnis der Über-/Unterordnung gegenüberstehen. In der Regel handelt StOVR Christina Mayer Skript zum Verwaltungsrecht - Allgemeiner Teil 98 es sich dabei um öffentlich-rechtliche Verträge zwischen Verwaltungsträger und Bürger. Beispiel: Vertrag zwischen Staat und Privatunternehmer über Subventionen zur Betriebsansiedlung; Vereinbarung über die Vorauszahlung von Erschließungskosten. § 54 Satz 2 VwVfG umschreibt diesen Vertrag wie folgt: „Insbesondere kann die Behörde, anstatt einen Verwaltungsakt zu erlassen, einen öffentlich-rechtlichen Vertrag mit demjenigen schließen, an den sie sonst den Verwaltungsakt richten würde.“ Unterfälle des subordinationsrechtlichen Vertrags sind der Vergleichsvertrag (§ 55 VwVfG) und der Austauschvertrag (§ 56 VwVfG). Aus der möglichen Fülle subordinationsrechtlicher Verträge regeln die §§ 55 und 56 VwVfG also zwei besonders häufte Fallkonstellationen: Die typische Situation des Austauschvertrags (§ 56 VwVfG) besteht darin, dass die Verwaltung auf die Leistung eines Bürgers hin eine Gegenleistung erbringt. Um in diesen Fällen ungerechtfertigte Begünstigungen des Bürgers auszuschließen (»Gefahr des Ausverkaufs von Hoheitsrechten«, amtliche Begründung zu § 56 VwVfG), aber auch um den Bürger davor zu schützen, dass ihm Leistungen abverlangt werden, zu denen er rechtlich nicht verpflichtet ist, gelten für subordinationsrechtliche Austauschverträge gemäß § 56 VwVfG folgende einschränkende Regelungen: Die Leistung des Bürgers muss im Vertrag ausdrücklich benannt sein, zur Erfüllung der öffentlichen Aufgaben der Behörde dienen, angemessen sein und im sachlichen Zusammenhang mit der Behördenleistung stehen; im Vollzug zwingender Normen müsste die Behörde auch berechtigt sein, die Leistung des Bürgers durch Nebenbestimmung zu einem entsprechenden Verwaltungsakt zu fordern. Beim Vergleichsvertrag (§ 55 VwVfG) legen Verwaltung und Bürger tatsächliche oder rechtliche Ungewissheiten dadurch bei, dass sie im Wege gegenseitigen Nachgebens eine Kompromisslösung erzielen. Dies kann dem Rechtsfrieden dienen und langwierige Rechtsbehelfsverfahren vermeiden. Beispiel: Zwischen der Gemeinde und dem Bürger ist streitig, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe eine öffentlich-rechtliche Geldforderung der Gemeinde fällig geworden ist. Zur Vermeidung eines Widerspruchsverfahrens einigen sich die Beteiligten auf einen Betrag, der in vergleichbaren Fällen gefordert und bezahlt worden war. Der Prozessvergleich vor dem Verwaltungsgericht (§ 106 VwGO) ist in materiell-rechtlicher Hinsicht ein öffentlich-rechtlicher Vertrag. Über den Abschluss eines Vergleichsvertrags kann die Behörde nach pflichtgemäßem Ermessen (§ 40 VwVfG) entscheiden. Dabei muss sie einerseits den Verfahrensaufwand und das mögliche Prozessrisiko, anderer- StOVR Christina Mayer Skript zum Verwaltungsrecht - Allgemeiner Teil 99 seits aber auch den Gleichbehandlungsgrundsatz und das Willkürverbot beachten. 4. Der Abschluss – das Zustandekommen des öffentlich rechtlichen Vertrags Zusammenfassend lässt sich sagen, dass ein Verwaltungsvertrag zustande kommt, wenn dem Abschluss des Vertrags keine sog. Handlungsformverbote entgegenstehen und der Vertrag bestimmte formelle und materielle Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen beachtet. In analoger Anwendung der §§ 145 ff BGB kommt auch der öffentliche Vertrag durch Angebot und Annahme zustande. Dabei ist es gleichgültig, ob sich die Behörde in der Rolle des Anbietenden oder des Annehmenden befindet. Handlungsformverbote sind im § 54 Satz 1 VwVfG normiert, nämlich dass ein Rechtsverhältnis auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts durch Vertrag begründet, geändert oder aufgehoben werden kann, soweit Rechtsvorschriften nicht entgegenstehen. Hierbei handelt es sich um eine Ausprägung des Grundsatzes vom Vorrang des Gesetzes (Art. 20 Abs. 3 GG). Selbstverständlich muss die Verwaltung bei Vertragsabschluß Rechtsvorschriften, die einem Vertrag entgegenstehen könnten, beachten. Hierzu gehören insbesondere Handlungsformverbote, die es der Verwaltung untersagen, eine Verwaltungshandlung durch die Handlungsform „Verwaltungsvertrag“ umzusetzen. Gesetzlich explizit geregelte Handlungsformverbote ergeben sich etwa aus dem Beamtenrecht: Dieses sieht vor, dass Ernennungen, Beförderungen, Gehaltserhöhungen oder sonstige Zusagen nicht durch Vertrag festgelegt werden dürfen. Das Beamtenrecht ist insofern formstreng und sieht in der Regel ein Handeln durch Verwaltungsakt vor (der Beamte wird durch Verwaltungsakt ernannt bzw. befördert; Fragen des Gehalts bzw. der Gehaltserhöhung sind abschließend durch Gesetz geregelt). In zahlreichen Rechtsgebieten sind solche Handlungsformverbote allerdings nicht ausdrücklich geregelt, sondern ergeben sich aus dem gesetzlichen Gesamtzusammenhang. Dies gilt insbesondere für das Steuer- und Abgabenrecht: Es dürfte einleuchten, dass die Steuer- und Abgabenlast gesetzlich für jedermann in gleicher Weise festgesetzt werden muss und nicht zwischen der Abgabenverwaltung und dem Abgabenschuldner individuell vertraglich ausgehandelt werden kann. Dies würde potente Steuerschuldner über Gebühr begünstigen. Der Grundsatz der Steuergleichheit wäre durch eine solche Handlungsform gefährdet. Auch im Staatsangehörigkeits- und Einbürgerungsrecht kann nur durch Verwaltungsakt, nicht hingegen durch Verwaltungsvertrag gehandelt werden. Ob jemand Bürger dieser Republik ist oder wird, ist kein tauglicher Gegenstand einer vertraglichen Abrede. Die Behörde muss für den Gegenstand des öffentlich-rechtlichen Vertrags sachlich und örtlich zuständig sein. Die sachliche Zuständigkeit StOVR Christina Mayer Skript zum Verwaltungsrecht - Allgemeiner Teil 100 ergibt sich dabei in der Regel aus den betreffenden Bestimmungen des besonderen Verwaltungsrechts, die örtliche Zuständigkeit aus § 3 VwVfG, soweit nicht spezialgesetzliche Regelungen vorgehen. Der zivilrechtliche Vertrag ist grundsätzlich formfrei. Für den öffentlich-rechtlichen Vertrag ist gemäß § 57 VwVfG jedoch die Schriftform erforderlich. Für den Abschluss öffentlich-rechtlicher Verträge gelten neben den analog anzuwendenden Vorschriften des Zivilrechts die allgemeinen Verfahrensgrundsätze des VwVfG. Wenn ein öffentlich-rechtlicher Vertrag allerdings in Rechte Dritter eingreift, wird er erst wirksam, wenn der Dritte schriftlich zustimmt (§ 58 Abs. 1 VwVfG). Beispiel: Mit öffentlich-rechtlichem Vertrag kann eine Baugenehmigung, die nachbarschützende Rechte berührt, erst wirksam vereinbart werden, wenn die schriftliche Zustimmung des Nachbarn vorliegt. Dasselbe gilt, wenn im Verwaltungsverfahren vor Vertragsabschluß die Mitwirkung einer weiteren Behörde erforderlich ist (§ 58 Abs. 2 VwVfG). Formelle Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen: Diese werden in den §§ 57, 58 VwVfG geregelt und sind aus sich selbst heraus verständlich. Materielle Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen: Zunächst einmal muss ein wirksamer Vertragsschluss zwischen den Parteien vorliegen. Dies regelt sich gem. § 62 Satz 2 VwVfG nach den Bestimmungen des BGB (s. oben). Darüber hinaus statuieren der § 55 VwVfG (Vergleichsvertrag) und der § 56 VwVfG (Austauschvertrag) weitere Rechtmäßigkeitsanforderungen für die dort geregelten Vertragstypen. 5. Rechtsfolgen bei Fehlerhaftigkeit des Verwaltungsvertrags Wie sich aus § 54 Satz 1 VwVfG ergibt, muss die Behörde den Vorrang des Gesetzes beachten. Dementsprechend stellt sich die Frage, welches rechtliche Schicksal dem Verwaltungsvertrag zuteil wird, wenn gegen diesen Grundsatz verstoßen wird. Wie wir bereits gesehen haben, ist ein rechtswidriger Verwaltungsakt grundsätzlich wirksam, kann allerdings unter bestimmten Voraussetzungen (z.B. in einem Widerspruchs- oder Klageverfahren) aufgehoben werden. Lediglich der nichtige Verwaltungsakt ist gem. § 43 Abs. 3 i.V.m. § 44 VwVfG unwirksam. Ähnlich wie beim Verwaltungsakt sind formelle und materielle Fehler denkbar. Beispiel: Der öffentlich-rechtliche Vertrag wird nicht schriftlich geschlossen (formeller Fehler); die Behörde lässt sich eine unzulässige Gegenleistung versprechen (§ 56 VwVfG, materieller Fehler). Während jedoch beim Verwaltungsakt der Rechtsfehler verschiedene Folgen nach sich ziehen kann (Anfechtbarkeit oder Nichtigkeit), hat der StOVR Christina Mayer Skript zum Verwaltungsrecht - Allgemeiner Teil 101 Rechtsfehler beim öffentlich-rechtlichen Vertrag entweder überhaupt keine Folge (der Vertrag ist trotzdem voll wirksam) oder er führt zur Nichtigkeit des Vertrags (der Vertrag ist unwirksam). Wann ein Rechtsfehler zur Nichtigkeit des öffentlich-rechtlichen Vertrags führt, regelt § 59 VwVfG. Aus dieser Regelung lässt sich entnehmen, dass ein Verwaltungsvertrag unter den dort genannten Voraussetzungen nichtig (unwirksam) und damit für die Vertragspartner unbeachtlich ist. Ein Verwaltungsvertrag, der gegen eine gesetzliche Bestimmung verstößt, ohne nichtig im Sinne des § 59 VwVfG zu sein, ist damit wirksam. Im Gegensatz zum Verwaltungsakt fehlt es allerdings an einer gesetzlich vorgesehenen Möglichkeit, einen rechtswidrigen (aber nicht nichtigen) Verwaltungsvertrag aufzuheben. Die Vertragspartner müssten sich deshalb einvernehmlich auf eine Aufhebung einigen; ggf. haben sie für diesen Fall einen Kündigungsgrund zum Vertragsinhalt erhoben. Nichtig ist also ein öffentlich-rechtlicher Vertrag in denjenigen Fällen, in denen auch ein zivilrechtlicher Vertrag nichtig wäre, § 59 Abs. 1 VwVfG. Beispiel: Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot (§ 134 BGB) oder die guten Sitten (§ 138 BGB); Vertrag auf eine objektiv unmögliche Leistung (§ 306 BGB); angefochtener Vertrag (§§ 119 ff. BGB); Vertrag, der nicht in der gesetzlich vorgeschriebenen Schriftform geschlossen ist (§ 125 BGB, § 57 VwVfG). Typischerweise sind dies die oben bereits beschriebenen Handlungsformverbote. Beispiel: Der Behördenleiter einigt sich mit einem seiner Beamten darauf, diesem ab dem 1.1. mehr Gehalt zu zahlen. Da dieser Vertrag gegen ein gesetzlich normiertes Handlungsformverbot des Beamtenrechts verstieße, wäre er gem. § 59 Abs. 1 i.V.m. § 134 BGB nichtig. Der subordinationsrechtliche Vertrag ist darüber hinaus nichtig, wenn einer der in § 59 Abs. 2 VwVfG abschließend genannten Nichtigkeitsgründe vorliegt. Öffentlich-rechtliche Verträge sind nur zum Teil nichtig, wenn der wirksame Teil des Vertrags noch dem Willen der Beteiligten entspricht (§ 59 Abs. 3 VwVfG). Weitere Nichtigkeitsgründe normiert § 59 Abs. 2 VwVfG. Von Interesse ist hier etwa § 59 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG: Die Behörde lässt sich eine nach § 56 VwVfG unzulässige Gegenleistung versprechen (Koppelungsverbot!). Beispiel: In einem Vertrag einigen sich die Baugenehmigungsbehörde und der Bauherr darauf, dass die Baugenehmigungsbehörde eine Baugenehmigung erteilen wird und der Bauherr der Behörde dafür einen Teil seines Grundstücks abtritt. Die Gegenleistung, die der Bauherr versprechen muss, ist gem. § 56 Satz 2 den gesamten Umständen StOVR Christina Mayer Skript zum Verwaltungsrecht - Allgemeiner Teil 102 nach unangemessen und steht in keinem sachlichen Zusammenhang zur Leistung der Baugenehmigungsbehörde (Erteilung der Baugenehmigung). Ein solcher Vertrag wäre folglich gem. § 59 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG nichtig und damit unbeachtlich. 6. Anpassung und Kündigung öffentlich-rechtlicher Verträge Auch für den öffentlich-rechtlichen Vertrag gilt der Grundsatz der Vertragstreue; die Beteiligten sind an den einmal geschlossenen Vertrag zunächst gebunden (»pacta sunt servanda«, lateinisch, d. h. »Verträge sind einzuhalten«). Gerade bei langfristigen Vertragsbeziehungen oder Verträgen auf unbestimmte Zeit können sich aber die tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so weitgehend verändern, dass einer Vertragspartei das Festhalten an der ursprünglichen Regelung nicht mehr zuzumuten ist. Beispiel: Eine Stadt regelt mit einer Nachbargemeinde durch Zweckvereinbarung die Übernahme des gemeindlichen Abwassers zur Behandlung im städtischen Klärwerk. Nach 20 Betriebs- und Vertragsjahren ist das Klärwerk hoffnungslos überaltert und kann auch die zwischenzeitlich gestiegenen abwasserrechtlichen Anforderungen nicht mehr erfüllen. Es ist eine kostenintensive Generalsanierung erforderlich. Die in der seinerzeitigen Zweckvereinbarung festgelegten Betriebskostenzuschüsse der Gemeinde decken nur einen verschwindenden Bruchteil der Sanierungskosten. Gemäß § 60 Abs. 1 VwVfG kann der Grundsatz der Vertragstreue bei wesentlicher Veränderung der vertraglichen Grundlagen durchbrochen werden, um untragbare, mit Recht und Gerechtigkeit unvereinbare Ergebnisse im öffentlichen Interesse zu vermeiden. Dabei ist zunächst nach Möglichkeiten zu suchen, den Vertrag an die geänderten Verhältnisse anzupassen. Ist eine Anpassung des Vertrags rechtlich oder tatsächlich nicht möglich oder einem der Beteiligten nicht zuzumuten, kann der betreffende Beteiligte den Vertrag kündigen. Über § 60 Abs. 1 VwVfG hinaus können im öffentlich-rechtlichen Vertrag Anpassungs- und Kündigungsregelungen vereinbart werden. Beispiele: Preisgleitklauseln; Festlegung von Kündigungsgründen und -fristen. Die Kündigung des öffentlich-rechtlichen Vertrags bedarf der Schriftform, sie soll ferner begründet werden (§ 60 Abs. 2 VwVfG). Die Kündigung ist eine öffentlich-rechtliche Willenserklärung. Sie besitzt nicht den Charakter eines Verwaltungsakts. StOVR Christina Mayer Skript zum Verwaltungsrecht - Allgemeiner Teil 103 7. Die Durchsetzung öffentlich - rechtlicher Vertragspflichten Im Regelfall erfüllen die Beteiligten ihre öffentlich-rechtlichen Vertragspflichten freiwillig. Damit erlöschen die gegenseitigen Verpflichtungen in entsprechender Anwendung der §§ 362 ff. BGB. Will ein Beteiligter erforderlichenfalls seine Rechte aus dem öffentlich-rechtlichen Vertrag zwangsweise durchsetzen, muss er Klage erheben, um sich durch das Urteil einen Vollstreckungstitel zu verschaffen; insbesondere steht der Behörde in diesem Kontext kein Vollstreckungsprivileg per Verwaltungsakt zu. Für die Klage (allgemeine Leistungsklage) ist der Verwaltungsrechtsweg gegeben (§ 40 VwGO). Insbesondere ist es der Behörde nicht möglich, öffentlich-rechtliche Vertragspflichten durch Verwaltungsakt (Leistungsbescheid) geltend zu machen. Urteile, die zu einer Leistung aus öffentlich-rechtlichem Vertrag verpflichten, können nach den normalen Vollstreckungsregeln der Verwaltungsgerichtsordnung (§§ 167 ff. VwGO) vollstreckt werden. Bei subordinationsrechtlichen Verträgen können sich die Beteiligten gemäß § 61 VwVfG im Vertrag auch der sofortigen Vollstreckung unterwerfen. XIV. Vollstreckung von Verwaltungsakten 1. Überblick Die Verwaltung genießt ein sog. „Vollstreckungsprivileg“: Steht der Verwaltung gegen einen Bürger ein Geldzahlungsanspruch zu oder kann sie vom Bürger ein Handeln, Dulden oder Unterlassen fordern, so darf sie im Falle der Nichtbefolgung diese Verpflichtungen im Wege der Verwaltungsvollstreckung zwangsweise durchsetzen. Das Finanzamt etwa könnte eine Steuerschuld, die dem Bürger durch einen Steuerbescheid auferlegt wurde, zwangsweise beitreiben; die für die Gewerbeaufsicht zuständige Behörde (die nicht mit dem Gewerbeaufsichtsamt zu verwechseln ist) könnte eine Gewerbeuntersagung nach § 35 GewO zwangsweise durchsetzen. Da die zwangsweise Durchsetzung eines Verwaltungsakts zu einem belastenden Eingriff in die Rechtssphäre des Bürgers führt, bedarf sie einer gesetzlichen Grundlage. Wird ein Verwaltungsakt durch eine Behörde des Bundes vollstreckt, so gilt das Bundesverwaltungsvollstreckungsgesetz (VwVG), wird der Verwaltungsakt durch Landebehörden vollstreckt, gilt das jeweilige Landesverwaltungsvollstreckungsgesetz. Die Vollstreckung von Polizeiverfügungen, insbesondere der „finale Todesschuss“, ist teilweise in den Polizeigesetzen der Länder geregelt. Die Verwaltungsvollstreckungsgesetze der Länder und des Bundes haben im Wesentlichen den gleichen Inhalt. Insbesondere unterscheiden alle Vollstreckungsgesetze zwischen der Vollstreckung öffentlich- StOVR Christina Mayer Skript zum Verwaltungsrecht - Allgemeiner Teil 104 rechtlicher Geldforderungen und der Erzwingung von Handlungen, Duldungen oder Unterlassungen. Auf den letztgenannten Vollstreckungstypus soll nachfolgen näher eingegangen werden: 2. Erzwingung von Handlungen, Duldungen oder Unterlassungen Verwaltungsakte, die ein Handeln, Dulden oder Unterlassen vorschreiben, gibt es in nahezu allen Lebensbereichen. Dem Eigentümer eines baufälligen Hauses wird der Abriss befohlen (Handeln). Dem Grundstückseigentümer wird aufgegeben, Messungen seitens des Umweltamts auf seinem Grundstück zu dulden, da dort Altlasten vermutet werden. Dem Betreiber einer Spielhalle ohne die erforderliche Konzession (s. § 33c GewO) wird aufgegeben, seinen Betrieb einzustellen (Unterlassung). Feststellende Verwaltungsakte sind demgegenüber kraft ihrer Natur nicht vollstreckbar; es mangelt ihnen an einem vollstreckungsfähigen Inhalt. Vollstreckungsmaßnahmen sind erst zulässig, wenn der „Titel“, also der Verwaltungsakt, vollstreckbar geworden ist. Dies ist dann der Fall, wenn er unanfechtbar ist, seine sofortige Vollziehung angeordnet wurde (§ 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) oder wenn einem Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung zukommt (§ 80 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 VwGO). Ob der zu vollstreckende Verwaltungsakt dabei rechtmäßig oder rechtswidrig ist, spielt im Vollstreckungsverfahren grundsätzlich keine Rolle. Siehe hierzu auch die Ausführungen oben zur Wirksamkeit des Verwaltungsaktes. Das Vollstreckungsverfahren selbst ist dreistufig: Zunächst muss dem Bürger, der dem vollstreckbaren Verwaltungsakt keine Folge leistet, ein bestimmtes Zwangsmittel angedroht werden (man zeigt ihm quasi die „gelbe Karte“). Wenn der Betroffene auch danach der Rechtsfolgenanordnung des Verwaltungsakts keine Folge leistet, muss die Vollzugsbehörde in einem zweiten Schritt das angedrohte Zwangsmittel festsetzen („rote Karte“). Sowohl bei der Androhung als auch bei der Festsetzung handelt es sich um selbständige Verwaltungsakte. Nach der Festsetzung wird das angedrohte Zwangsmittel sodann angewendet (= Realakt). Es gibt allerdings auch Fälle, in denen die Verwaltung ein Zwangsmittel anwenden kann, ohne zuvor eine vollstreckbare Gebots- oder Verbotsverfügung erlassen zu müssen. Dieser sog. „sofortige Vollzug“ ist dann zulässig, wenn dies zur Abwendung einer drohenden Gefahr notwendig ist und die Behörde hierbei innerhalb ihrer gesetzlichen Befugnisse handelt. Beispiele: Der PKW des A, der unbekannten Aufenthalts ist, versperrt die Feuerwehreinfahrt zu einem brennenden Haus. Die Polizei lässt seinen PKW daraufhin umsetzen. Die Bauaufsichtsbehörde beauftragt einen Unternehmer mit dem sofortigen Abriss eines Schornsteins auf dem Hause des E, da dieser jeder- StOVR Christina Mayer Skript zum Verwaltungsrecht - Allgemeiner Teil 105 zeit einzustürzen droht. Der Verwaltung steht dabei ein numerus clausus an Zwangsmitteln zur Verfügung, die sie unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten auszuwählen hat : Handelt es sich um eine vertretbare Handlung (= Handlung, deren Vornahme durch einen anderen möglich ist), so kann die Vollzugsbehörde einen Dritten mit der Vornahme der Handlung auf Kosten des Pflichtigen beauftragen (sog. Ersatzvornahme – vgl. hierzu das „Schornstein“-Beispiel). Sie kann gegen den Betroffenen aber auch ein Zwangsgeld verhängen; zum Beispiel gegen den Spielhallenbetreiber S, weil dieser sich nicht an die Gewerbeuntersagung hält. Die Behörde kann nun – Unanfechtbarkeit der Untersagungsverfügung vorausgesetzt – gegen den Gewerbetreibenden ein Zwangsgeld androhen, festsetzen und beitreiben. Diese Zwangsgeldandrohung und Zwangsgeldfestsetzung wird solange wiederholt, bis S den Betrieb endlich aufgibt. Handelt es sich um eine unvertretbare Handlung (z.B. die Abgabe einer Willenserklärung), so kann die Vollzugsbehörde nur das Zwangsmittel des Zwangsgeldes zum Einsatz bringen. Das schärfste Zwangsmittel, das den Vollzugsbehörden zu Gebote steht, ist der sog. Unmittelbare Zwang. Führt die Ersatzvornahme oder das Zwangsgeld nicht zum Ziel oder sind sie „untunlich“, so kann die Behörde den Pflichtigen zur Handlung, Duldung oder Unterlassung auch durch unmittelbaren Zwang zwingen. Beispiele: 1. Die Polizei erteilt dem am Holocaust-Denkmal in Berlin „pöbelnden Glatzkopf“ G einen Platzverweis, da er die Würde und Andächtigkeit des Denkmals stört. Leistet G dieser Anordnung keine Folge, so kann er von der Polizei mit physischer Gewalt (= unmittelbarer Zwang) aus dem Denkmalsbereich entfernt werden. 2. Der Geiselnehmer G wird nach mehrfacher polizeilicher Aufforderung, seine Geisel freizulassen und sich zu ergeben, durch einen „finalen Todesschuss unschädlich gemacht“, da die Einsatzkräfte befürchten müssen, dass er eine ernsthafte Bedrohung für das Leben der Geisel darstellt. - Achtung – Text nicht vollständig – wird fortgesetzt – bei Gelegenheit!!!