Hurra, die Karte wird`s richten
Transcrição
Hurra, die Karte wird`s richten
Hurra, die Karte wird’s richten- oder doch alles Schwindel ? 28.08.10 Selbstverständlich muß und darf es erlaubt sein, sämtliche neuen Vorschläge aus dem Bundesarbeitsministerium der Ursula von der Leyen gründlich zu überprüfen. Insbesondere wenn es um Menschenrechte für Hartz IV Empfänger geht. Nachdem ein Auslandskorrespondent der Frankfurter Rundschau nach vergeblicher Suche die „erfolgreich eingeführte“ Chipkarte für Sozialhilfeempfänger in Schweden nicht entdecken konnte, überschlagen sich die kritischen Meldungen nach dieser Schwedenlüge mit dem Vorschlag zur Familienkarte, die in Stuttgart ins Leben gerufen wurde von der Albrechttochter. So erläuterte der schwedische Kommunalverband, dass es zwar in einzelnen Kommunen ein solches Modell geben würde, diese Regelung aber nur „ganz marginal“ eingesetzt wird. Die soziale Versorgungshilfe, „Försörjningsstöd“, wird in Bar ausgezahlt und die zusätzlichen Kosten in der Bemessung der Versorgungshilfe individuell für Kinder berechnet. Auch die schwedische Botschaft war verwundert über die Eingebung von Frau Leyen. Spätestens als der französische Privatisierungsmulti Sodexo ins perfide Spiel kommt, der diese Chipkarten vertreibt, darf erst recht hinterfragt werden. Diese Firma betreibt weltweit mit seinen Tochterfirmen profitorientierte Haftanstalten und hat sich bereits auch in Europa ausgebreitet und das, obwohl das Unternehmen nach heftiger Kritik an den Zuständen in seinen US-Haftanstalten und Verbindungen zur rechten Lobby American Legislative Exchange Council vom Markt sich zurückziehen musste. Es ist allein schon deshalb äußerst verwunderlich, warum die Bundesarbeitsministerin sich nicht die Mühe macht, Erfahrungswerte aus der Vergangenheit zu bemühen. Bereits 2003 hatte doch die Berliner Sozialsenatorin Heidi Kanke-Werner unmissverständlich die 1998 eingeführte Chipkarte für rund 2700 Asylbewerber, mit der sie in 86 speziellen Läden einkaufen konnten, wieder abgeschafft. Die jährliche Provision von 60.000 Euro an das Unternehmen Sodexo wurde mit der Vertragskündigung hinfällig. Auch zeigte sich damals die menschenverachtende Haltung, insbesondere durch zwei CDUPolitiker, zum einen den Sozialstadtrat (TempelhofSchöenberg), Bernd Krömer, der befürchtete, dass in Bargeld ausgezahlte Sozialhilfe zu einer „Einwanderung in die Sozialsysteme“ führen würde und zum anderen der Sozialstadtrat (Reinickendorf), Frank Balzer, der die „abschreckende Wirkung“ der Karte für Asylbewerber lobte. Erneut eine Haltung, die wahrlich unchristlicher kaum sein konnte! Ab 2004 bekamen die Asylbewerber wieder Bargeld. Ich mag nicht daran glauben, dass diese Berliner Ereignisse dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales unbekannt waren. Und dennoch ging das Ministerium unbeirrt seinen Weg, in dem es ein Pilotprojekt in Stuttgart als Vorbild startete, um prompt die Schwachpunkte der Kartenlösung aufzuzeigen. Anstatt das Geld für Nachhilfe- oder Musikunterricht auszugeben, wurde es lieber für den Besuch des Zoos und von Schwimmbädern eingesetzt. Die „Stuttgarter Kinderkarte“, wie sie mit dem Projekt benannt wurde, kostet die Kommune jährlich stattliche 3,7 Millionen Euro für Sachleistungen und noch mal 150.000 Euro für die Verwaltungskosten. Die Nachbargemeinde Böblingen hatte ursprünglich vor, dass Stuttgarter Modell ebenso zu verwenden, verwarf jedoch nach Bekanntgabe der zu erwartenden Kosten diese Idee. Die Stigmatisierung bei der Anwendung dieser Familienkarte ist doch zweifellos vorprogrammiert, auch wenn das Ministerium die Hartz-IV-Karte mal eben als „Bildungs-Chip“ bezeichnet. Diese Karte bleibt diskriminierend, unnötig komplex, zu teuer und nicht realisierbar. Es bleibt die berechtigte Frage im Raume stehen, warum das Geld den Menschen nicht direkt zur Verfügung gestellt wird, anstatt ein solch kostenintensives Karten-Monstrum zu erschaffen? Oder steckt etwa eine hintersinnige Absicht dahinter, sie könne eben nicht angenommen werden? Eine direkte Auszahlung in Höhe von 20 Euro für jedes Kind eines Langzeitarbeitslosen würde natürlich nicht zweckgebunden in kulturelle oder schulische Aktivitäten investiert werden angesichts der Tatsache, dass die Hartz-IV-Beiträge ohnehin viel zu niedrig sind. Es bleibt daher der fade Beigeschmack einer Politik, die weiterhin bevormundet und gängelt, anstatt tatsächlich sozial zu sein. Ihr Lotar Martin Kamm