UPDATE - NRW

Transcrição

UPDATE - NRW
E
G
O
UPDATE
19.09.15 – 17.01.16
DIE ZUKUNFT
DER DIGITALEN
IDENTITÄT
LATURBO AVEDON
„Selfie“ wurde 2013 zum englischen Wort des Jahres gekürt, 25
Millionen Deutsche machen Selfies. 2014 ergab eine Erhebung
des „Time“-Magazins, dass Düsseldorf die Selfie-Metropole
Deutschlands ist: Im internationalen Vergleich landete die Stadt
auf Platz 136, weit vor Berlin oder Hamburg.
Nichts hat die Fotografie so sehr verändert und beeinflusst wie
die digitale Revolution: Aus dem „Ich denke, also bin ich“ ist ein
„Ich fotografiere, ich dokumentiere, also bin ich“ geworden.
Die Frage nach der eigenen Identität ist eine Grundfrage der
Menschheit, die sich immer schon in gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Ausdrucksformen materialisiert hat. Auch
die sich daraus ableitende Frage „Wer will oder soll ich sein?“
gehört zum Grundrepertoire von Kultur, Philosophie, Wirtschaft,
Theologie und Politik, ebenso wie die kollektive Version dieser
Frage: „Wer sind wir?“ – als gesellschaftliche Gruppe oder auch
als Nation, als Europäer.
Das Ausstellungsprojekt „Ego Update. Die Zukunft der digitalen
Identität“ möchte erkunden, wie sich diese Fragen unter dem
Einfluss digitaler Medien verändern und weiterentwickeln. Wie
greift das digitale und technologische Weltgeschehen in die
menschliche Identität ein, und was für eine Gesellschaft wird am
Schluss dabei entstehen? Wie werden unsere Identitätsvorstellungen und Wünsche durch die digitale Kommunikation geprägt
oder erschaffen?
ALAIN BIEBER
KURATOR
Zur Ausstellung erscheint eine Publikation, die das Thema mit Essays von Autoren wie Jerry Saltz,
Douglas Coupland, Brooke Wendt, Adam Levin, David Rubinstein und Karen Ann Donnachie weiter vertieft.
2
1
MARTIN PARR
AUTOPORTRAITS, 1991–2012 &
PHOTOBOOTH, 2015
ROBBIE COOPER
ALTER EGO, 2002–2007 &
IMMERSION, 2008
* 1952 IN EPSOM,
LEBT IN LONDON UND BRISTOL
* 1969 IN LONDON,
LEBT IN BANGKOK
Der britische Magnum-Fotograf
Martin Parr gilt als Satiriker des
zeitgenössischen Lebens. Seine
Fotografien sind schonungslos
kritisch, sein unnachahmlicher Blick
entlarvt das Banale ebenso wie das
Groteske. Charakteristisch für die
Aufnahmen sind ihre grellen Farben,
die skurrilen Motive sowie die
ungewöhnlichen, verdich­teten
Perspektiven. Wenn Parr reist, lässt er
sich in lokalen Foto­studios porträtieren. Ganz bewusst überlässt er dem
Beauftragten die freie Wahl bei der
Inszenierung und Bildgestaltung.
Diese humorvollen Selbst-portraits
reflektieren eine globale Soziologie
des fotografischen Geschmacks und
demonstrieren die nahezu unendlichen Möglichkeiten der digitalen
Bildbe­arbeitung. Zur Ausstellung wird
der neue Magnum-Fotoautomat
präsentiert: Besucher haben die
Gelegenheit, sich im Stil Parrs
ablichten zu lassen.
Der britische Fotograf und Video­
künstler Robbie Cooper bildet in
seiner Serie Alter Ego Online-Spieler
und ihre Avatare ab. Avatare sind
selbst erstellte Grafikfiguren,
mit denen User in der virtuellen Welt
auftreten. Das Videoprojekt
Immersion zeigt in sich versunkene
Computerspieler und ihre Reaktionen
aus der Perspektive des Monitors.
ROBBIECOOPER.ORG
MARTINPARR.COM
ROBBIE COOPER: ALTER EGO, 2010
EGO UPDATE
4
FLÜGEL A
MARTIN PARR
MARTIN PARR: AUTOPORTRAIT, BENIDORM, SPAIN, 1997. © COLLECTION MARTIN PARR / MAGNUM PHOTOS
EGO UPDATE
5
FLÜGEL A
4
AMALIA ULMAN
EXCELLENCES &
PERFECTIONS, 2014
* 1989 IN BUENOS AIRES,
LEBT IN LONDON UND GIJÓN
Amalia Ulmans künstlerische Praxis
ist eine Mischung aus Malerei,
Skulptur, Fotografie und Netzkunst.
Sie beschäftigt sich mit weiblichen
Stereotypen, Macht, sozialen Ängsten
und der Selbstdarstellung im Zeitalter
von Social Media und Photoshop.
Ulman nutzte ihre Social-Media-Profile für eine detailliert ausgearbeitete
Online-Performance: Vier Monate
lang erzählte Ulman über Instagram
eine fiktive Bildergeschichte, sie
unterzog sich körperlichen Veränderungen, spielte mit Klischees und
wurde so schnell zu einer InternetBerühmtheit. Die virtuelle Performance hinterfragt die Authentizität
sozialer Medien und die Sucht nach
Selbstoptimierung. „Excelleces & Perfections ist ein Projekt über
unseren Leib als Objekt, über unseren
Körper als Investition“, sagt Ulman.
„Wie vermarkten wir unseren Leib,
wie setzen wir einen Preis für dieses
Fleisch fest, und wie lange bleibt es
frisch?“
ANDREAS SCHMIDT: ANDY WARHOL
AUS FAKE FAKE ART, 2012
3
ANDREAS SCHMIDT
FAKE FAKE ART, 2012 &
HUMAN RESOURCES I / II, 2014
* 1967 IN WERNECK
BEI SCHWEINFURT,
LEBT IN BERLIN UND LONDON
Der Künstler und Fotograf Andreas
Schmidt zeigt 19 Abbildungen, auf
denen berühmte Künstler wie Roy
Lichtenstein, Andy Warhol und
Gerhard Richter neben ihren Arbeiten
stehen. Doch der Schein trügt: Die
Serie Fake Fake Art zeigt nicht die
wahre Szenerie. Schmidt veränderte
die Originalaufnahmen der Serie
Real Fake Art des Fotografen Michael
Wolf, die weltbekannte Kunstwerke
und ihre Fälscher ablichtet. Außerdem werden zwei seiner Künstlerbücher gezeigt: In Human Resources I /
II sind Screen­shots aller FacebookFreunde Schmidts zu sehen, die sich
auf ihren Profil- und Titelbildern mit
einem Fotoapparat porträtieren.
AMALIAULMAN.EU
ANDREASSCHMIDT.CO.UK
EGO UPDATE
6
FLÜGEL A
5
6
OLIVER SIEBER
CHARACTER THIEVES,
2005–2007
DIRK WITEK
A.K.A. MC FITTI
#SELFIEGOTT, 2015
* 1966 IN DÜSSELDORF,
LEBT IN DÜSSELDORF
* 1976 IN GIFHORN,
LEBT IN BERLIN
Dem japanischen Verkleidungstrend
Cosplay (Kofferwort aus „costume“
und „play“) widmet sich der Foto­graf Oliver Sieber in seiner Serie
Character Thieves. Cosplayer tragen
die Kostüme von Figuren aus Mangas,
Animes, Computerspielen oder
Filmen und nehmen auch ihr Verhalten an. Sieber lichtete sie über
mehrere Jahre in ihrem zweiten Ich,
jedoch in ihrer gewohnten Umgebung
ab – und reiste dafür durch Japan, die
USA, Kanada und Deutschland.
MC Fitti kann zweifelsohne als
„lebendes Selfie“ bezeichnet werden.
Der deutsche Feel-Good-Rapper mit
dem stattlichen Vollbart, der verspiegelten Sonnenbrille und der Snapback knipst, was das Zeug hält und
montiert sein markantes Antlitz
regelmäßig in abgedrehte Collagen
oder Fotos. Für die Ausstellung
präsentiert MC Fitti sein erstes
museales Kunstwerk: eine Bronze-Büste mit Selfie-Arm, die zunächst
über Deutschlands Sommerfestivals
tingelte, um dann ihren finalen
Bestimmungsort zu erreichen – einen
Tempel im NRW-Forum Düsseldorf.
Hier fand auch das Performance-Konzert statt, dessen Aufzeichnung in der Installation gezeigt wird.
OS66.DE
MCFITTI.DE
OLIVER SIEBER: HOWL, LEVERKUSEN, 2007,
AUS DER SERIE CHARACTER THIEVES
EGO UPDATE
7
FLÜGEL A
8
DAFNA MAIMON
HUMAN COMMA BEING,
2015
* 1982 IN FINNLAND,
LEBT IN BERLIN
GUIDO SEGNI: THE MIDDLEFINGER RESPONSE, 2013
Dafna Maimons Video- und Performanceprojekt Human Comma
Being beschäftigt sich mit Identitäts-Konstruktionen, die die Definitionen des Selbst und des anderen
hinterfragen. Die Arbeit geht davon
aus, dass unsere Körper niemals
vollkommen sind, sondern verfolgt von
den Erinnerungen lebender oder
technischer Doppelgänger und
fehlender Gliedmaßen. Für das NRWForum Düsseldorf hat die finnischisraelische Künstlerin eine narrative
Zweikanal-Videoinstallation geschaffen, Footage von Performances mit
fiktiven und dokumentarischen
Aufnahmen kombiniert. Die Video­
arbeit folgt einer komplexen Handlungsabfolge, die das reale Wirken der
Mutter der Künstlerin, die sich ein
viktorianisches Alter Ego erschaffen
hat, das um 1860 lebt, auf das Wirken
ihres fiktionalen Sohnes bezieht,
eines Künstlers, der sich mit
Selbst-Repräsentation beschäftigt.
Beide schließen wiederum an die
spielerisch-kreative Manier an, in der
die Bonobo-Primaten ihre matriarchalische Lebensweise strukturieren.
7
GUIDO SEGNI
THE MIDDLE FINGER
RESPONSE, 2013
* 1988 IN ITALIEN,
LEBT IN INTERNET
Der Hacker, Netz- und Videokünstler
Guido Segni (alias Clemente Pestelli,
Dedalus, Guy McMusker, Angela
Merelli, Anna Adamolo, Umberto
Stanca, Silvie Inb, Fosco Loiti Celant,
Guru Miri Goro, Leslie Bleus, Luther
Blissett) arbeitet an der Schnittstelle
von Kunst, Pop, Netzkultur, Datenwahnsinn und multiplen Identitäten.
Das Zeigen des Mittelfingers gilt in
vielen Kulturen als beleidigende
Geste. Segni setzt sie in seiner Serie
in den Fokus: Er zahlte dem digitalen
Proletariat – sogenannten „Crowdworkern“, die auf Platt­formen wie
Amazon Mechanical Turk digitale
Kleinst­arbeiten erledigen, die von
Computern noch nicht selbst verrichtet werden können – jeweils einen
halben Dollar für ein fotografisches
Selbstportrait in persönlicher Umgebung – und mit eindeutiger Gebärde.
DAFNAMAIMON.COM
GUIDOSEGNI.COM
EGO UPDATE
8
FLÜGEL A
10
9
DAVID SLATER
MONKEY SELFIE, 2014
JONAS UNGER
AUTOPORTRAITS, 2010–HEUTE
* 1968 IN COLEFORD,
LEBT IN CHEPSTOW
* 1975 IN CUXHAVEN,
LEBT IN PARIS
Eine Urheberrechtsdebatte entfesselten die sogenannten Affen-Selfies
des britischen Tier-fotografen David
Slater, die bei ihrer Veröffentlichung
2011 weltweit für Schlagzeilen
sorgten. Als Wikipedia eines der
tierischen Selbstportraits in einen
englischen Artikel über Primaten
einband, legte Slater Beschwerde ein.
Die Online-Enzyklopädie weigert
sich, das Bild offline zu nehmen und
stützt sich auf die US­- CopyrightBehörde. In Großbritannien ist die
Rechtslage allerdings anders. Dort
können Fotografen das Recht auf ihr
Bild beanspruchen, auch wenn sie
nicht selbst den Auslöser gedrückt
haben. Der Ausgang des Verfahrens
ist noch offen.
In einer Zeit, als Selfies noch kein
popkulturelles Massenphänomen
waren, lud der Fotograf Jonas Unger
Prominente zum Foto-Shooting ein,
gab ihnen eine analoge QuickSnapKamera in die Hand und bat sie um
ein selbst ausgelöstes Portrait. In der
Ausstellung ist zum ersten Mal in
Deutschland die gesamte Serie zu
sehen, von Supermodel Karolína
Kurková bis hin zu Fußball-Bundestrainer „Jogi“ Löw.
JONASUNGER.COM
DJSPHOTOGRAPHY.CO.UK
JONAS UNGER: JOACHIM JOGI LÖW,
AUS DER SERIE AUTOPORTRAITS, 2010–HEUTE
COURTESY GALERIE DEROUILLON, PARIS
EGO UPDATE
9
FLÜGEL A
12 & 20
11
KIM ASENDORF & NETRO
SELFIE TEMPLATE, 2015 &
TEH LIFE, 2015
EVAN ROTH
INTERNET CACHE
PORTRAIT, 2015 & SELF PORTRAIT,
AUGUST 14, 2015 &
IDEAS WORTH SPREDING, 2013
* 1981 IN ACHIM,
LEBT IN BERLIN
* 1978 IN OKEMOS,
LEBT IN PARIS
Kim Asendorf studierte Neue Medien
an der Kunsthochschule Kassel. Als
Konzeptkünstler arbeitet er mit
digitalen Medien unter Einbeziehung
der Internet-Kultur und -Technik.
In seiner Freizeit ist er zudem Creative Director bei der Internetagentur
Netro, die er gemeinsam mit dem
Künstler Ole Fach und der Fotografin
Jana Lange betreibt. Für die Ausstellung produzierte das Trio eine neue
Arbeit: Teh Life, eine virtuelle Sitcom,
deren erste Episode auf der Website
des NRW-Forums Düsseldorf zu
sehen ist. Außer­dem ist in den
Toilettenräumen eine weitere Arbeit
zu sehen: Asendorfs Selfie Templates.
Als Vorlage dient ein Spiegel-Selfie,
aus dem er das Gesicht des Porträtierten herausgeschnitten hat.
Evan Roth, Mitbegründer des Graffiti
Research Lab und des Free Art &
Technology Lab, ist ein US-amerikanischer Künstler und Hacker, dessen
Werk das Verhältnis von subversivem Gebrauch und Selbstermächtigung untersucht. Roths Arbeiten
werden durch den Missbrauch
scheinbar starrer Strukturen und die
Anwendung von Philosophien der
Hacker-Community auf nicht-digitale
Systeme getragen. In der Rauminstallation Ideas Worth Spreading können
Besucher ihren eigenen TED-Vortrag
halten. Das Internet Cache Portrait
ist ein virtuelles Selbstportrait Roths,
quasi sein digitaler Fingerabdruck.
EVAN-ROTH.COM
KIMASENDORF.COM
NETRO.CC
EGO UPDATE
10
FLÜGEL B
13
KURT CAVIEZEL
THE USERS, 2011
* 1964 IN CHUR,
LEBT IN ZÜRICH
Exhibitionismus und Überwachung:
Kurt Caviezels Set ist das Internet,
seine Kamera die Webcam anderer.
Seit 15 Jahren besucht der Schweizer
Künstler im Netz allgemein zugängliche Webcams des öffentlichen
wie privaten Raums. Er sammelt diese
Bilder, bevor sie wieder überschrieben werden. Bereits über drei
Milliarden solcher Einblicke hat er
archiviert. „Den User gibt es nicht,
zumindest nicht als Bild“, sagt
Caviezel. „Ein Paradoxon, denn allgegenwärtig ist der Begriff. Als
Individuum zeigt er sich mittels
Webcam im Netz. Und dort lässt er
sich auch fotografieren. Man muss
durch das Medium hindurchschauen,
um zu ihnen zu gelangen. Je größer
die räumliche Distanz zwischen User
und Fotograf, desto näher (im Sinne
des Authentischen) ist der Fotograf
dem User. Die Arbeit stößt so in
Bereiche vor, die bislang fotografisch
unerforscht waren.“
ONTHEROOFS: HONG KONG
14
VITALIY RASKALOV &
VADIM MAKHOROV
A.K.A. ONTHEROOFS
HONG KONG, JAPAN, EUROPA,
USA, 2013–2015
* 1993 IN KIEW,
LEBT IN HONGKONG
* 1989 IN NOWOSIBIRSK,
LEBT IN NOWOSIBIRSK
Ob Kölner Dom, Shanghai Tower oder
Cheops-Pyramide: Ontheroofs
arbeiten seit fünf Jahren zusammen
und haben sich dem Thema der
urbanen Erforschung verschrieben,
die vor allem darin besteht, auf
die höchsten Gebäude der Welt zu
klettern und sich dort selbst zu
fotografieren.
KURTCAVIEZEL.CH
ONTHEROOFS.COM
EGO UPDATE
11
FLÜGEL B
16
15
ERIK KESSELS
MY FEET, 2015
CEDRIC KIEFER & JULIA LAUB
ONFORMATIVE
GOOGLE FACES, 2013
* 1966 IN ROERMOND,
LEBT IN AMSTERDAM
* 1982 IN HEIDELBERG
* 1980 IN BAYERN,
LEBEN IN BERLIN
Der niederländische Künstler, Kurator
und Gründer der Werbeagentur
Kessels­Kramer gestaltet aus gefundenen Fotos skurrile Bildergeschichten und Installationen. Für My Feet
hat Kessels tausende Fuß-Selfies im
Netz gesammelt. Zu sehen sind Füße
am Urlaubsstrand, mit neuen Schuhen, mit Blasen übersäte Füße und
auch Kessels’ eigene Füße. Er suchte
im Netz in mehreren Sprachen da­nach, gab auch „I’m bored“ ein und
fand heraus, dass Menschen auf
der ganzen Welt Bilder ihrer Füße
teilen. Stets geht es ihm auch um den
Stand der Foto­grafie in Zeiten
millionenfacher Bilder im Netz: Auch
für seine Installation 24 Hrs In Photos
druckte er 350.000 Bilder aus, die
innerhalb von 24 Stunden auf die
Fotosharing-Plattform Flickr geladen
wurden.
Bilder mittels Codes erzeugen: Mit
generativer Gestaltung beschäftigt
sich die Berliner Agentur Onformative.
Die Projekte reichen von künstlerischen Datenvisualisierungen über
gene­rative Skulpturen bis hin zu
Raum­installationen. Google Faces
sind durch einen Face-tracking-Algorithmus entstanden. Dieser entdeckte
über Google Maps verschiedenste
Gesichter in Landschaften. Das
Projekt entstand (in Kooperation mit
Christian Loclair), um die Pareidolie,
das psychologische Phänomen,
vermeintliche Gesichter in Dingen
und Mustern zu erkennen, maschinengeneriert hervorzurufen.
ONFORMATIVE.COM
KESSELSKRAMER.COM
EGO UPDATE
12
FLÜGEL B
18
17
LATURBO AVEDON
UNTEXTURED SELF–PORTRAITS,
2015 & STREAM, 2015
ARVIDA BYSTRÖM
MOST COMMENTED. MARCH 2015
&
UNTITLED, 2013–2015
* IM WWW,
LEBT IM WWW
* 1993 IN STOCKHOLM,
LEBT IN LOS ANGELES
Ohne das Netz gäbe es diese
Künstlerin nicht, denn sie existiert nur
als weiblicher Avatar. „Meine digitalen
Erfahrungen haben meine Identität
gebildet. Jedes Mal, wenn ich einen
neuen Online-Account anlege, durch­lebe ich einen Prozess der Charak­
tererstellung“, sagt Avedon. Ihre
digitalen Skulpturen, Fotografien und
Videos ignorieren das Fehlen der
Körperlichkeit und betonen stattdessen die Praxis virtueller Urheberschaft. Ihre neue Selbst-portrait-Serie
zitiert Jan Vermeer, imitiert das
Internet-Meme „Parked Domain Girl“
und huldigt ihrem Idol, der Professorin
und Autorin des Cyborg Manifesto,
Donna Haraway.
Die Themen Weiblichkeit, Sex,
Geschlechterrollen und Identitätsfindung finden sich in den Arbeiten der
schwedischen Künstlerin, Fotografin
und Bloggerin. Arvida Byström
foto-grafiert sich oftmals selbst,
Glitzer, Pastellfarben und das subversive Moment spielen eine wesentliche
Rolle. In der eigens für die Ausstellung produ­zierten Skulptur (in
Zusammenarbeit mit Lauren Mollica)
beschäftigt sich Byström mit ihrem
meistkommentierten Instagram-Bild.
ARVIDABYSTROM.SE
TURBOAVEDON.COM
ARVIDA BYSTRÖM: UNTITLED, 2013–2015
EGO UPDATE
13
FLÜGEL B
EVAN BADEN
EVAN BADEN: EMILY AUS DER SERIE TECHNICALLY INTIMATE, 2008–2011
EGO UPDATE
14
FLÜGEL B
19
21
EVAN BADEN
TECHNICALLY INTIMATE,
2008–2011
HEATHER DEWEY-HAGBORG
STRANGER VISIONS,
2010–2013
* 1980 IN SAUDI-ARABIEN,
LEBT IN CHICAGO
* 1982 IN PHILADELPHIA,
LEBT IN CHICAGO
Ein intimer Moment, das Selfie in
lasziver Pose ist über das Smartphone schnell an den Partner
geschickt. Und wie frivol ist Online-Sex vor der Webcam? Alles geht
von einem geschützten Ort zum
anderen. Richtig prickelnd wird es,
wenn dieses Material weitergeleitet
oder in sozialen Netzwerken öffentlich
gepostet und geteilt wird. Baden
zeigt mit seiner Fotoserie, dass das
Gefühl einer Privatsphäre im World
Wide Web bloße Illusion ist.
Die DNA trägt unsere Erbinformation
und definiert uns. Die US-Künstlerin
und Bio-Hackerin Heather DeweyHagborg stellt mittels gefundener
DNA,beis­pielsweiseverloreneHaare,ausgespuckte Kaugummis oder weg­
geworfene Zigarettenstummel,
computergenerierte, post-foto-grafi­
sche 3D-Portraits her. DeweyHagborg befasst sich mit Fragen der
genetischen Überwachung und
schlägt in einem Nachfolgeprojekt
vor, darauf mit einem strategischen
Verwischen von DNA-Spuren zu
reagieren. Ihre Arbeit stellt virulente
politische Fragen im Zusammenhang
mit der Anwendung von forensischer
DNA-Phänotypisierung und der
Verlässlichkeit ihrer physischen
Resultate.
EVANBADEN.COM
DEWEYHAGBORG.COM
EGO UPDATE
15
FLÜGEL B
22
Z U R E RÖF F N U NG
& FI N ISSAG E :
ALISON JACKSON
CONFIDENTIAL, 2010–2015
FLORIAN KUHLMANN
THE ARTIST IS PRESENT,
2008–2015
* 1970 IN SOUTHSEA,
LEBT IN LONDON
Bildern mit dem Celebrity-Kult und
wirft einen imaginierten Blick in die
Privatsphäre der Promis. Oft haben
die Bilder die Ästhetik erhaschter
Paparazzi-Aufnahmen, sie sind aber
aufwendig im Studio konstruierte
Fiktionen. „In meinen Arbeiten“, sagt
die Künstlerin, „geht es darum, dass
wir diese Menschen auf intime Weise
zu kennen meinen. In Wirklichkeit
aber kennen wir nur Bilder von ihnen
und Geschichten, die ausgedacht und
konstruiert sind: von Agenten, den
Medien oder den Prominenten selbst.“
* 1978 IN HO-CHI-MINH-STADT,
LEBT IN DÜSSELDORF
Im Herbst 2008 präsentierte Florian
Kuhlmann the artist is present
erstmals als meta­modernen Remix
aus Konzeptkunst, Videoinstallation,
Netzkunst und Live-Performance am
Worringer Platz in Düsseldorf. Das
Setting ist denkbar einfach: Kuhlmann
sitzt vor der Web­cam seines Laptops
und überträgt das Videosignal per
Livestream in den ansonsten völlig
leeren Aus­stellungsraum. the artist is
present ist zuerst einmal als ironischer Kommentar zu den Kodizes des
globalen Kunstsystems und der
Wahrnehmung des etablierten
Künstler­bildes entstanden. Die Arbeit
verfolgt allein dadurch bereits einen
anderen Ansatz als die gleich­namige
und rührselige Performance, mit der
Marina Abramovic im New Yorker
MoMA zwei Jahre später für weltweites Aufsehen sorgte. Kuhlmann
interessiert sich zwar für die Figur
des Künstlers selbst, in diesem Fall
aber nur sekundär – dafür umso mehr
für die Frage, was Anwesenheit und
Abwesenheit in einer zunehmend
medial und technovisuell vermittel­ten
Welt für uns bedeuten.
ALISONJACKSON.COM
FLORIANKUHLMANN.COM
THE-ARTIST-IS-PRESENT.NET
EGO UPDATE
16
FLÜGEL B
ALISON JACKSON
ALISON JACKSON: C´EST L´AMOUR, 2013 © COURTESY OF ALISON JACKSON STUDIO
EGO UPDATE
17
FLÜGEL B
FILMP
R
O
G
R
A
M
M
EGO UPDATE
18.9. – 11.10.2015
STÉPHANE DEGOUTIN &
GWENOLA WAGON
WORLD BRAIN,
F, 2015, 70MIN
Auf der Suche nach dem Weltgehirn:
World Brain ist ein essayistisches
Transmedia-Projekt der beiden
französischen Künstler Gwenola
Wagon und Stéphane Degoutin. Der
70-minütige Film und die interaktive
Website nehmen den Zuschauer mit
auf einen Tauchgang durch die
physischen Untiefen des Internets.
World Brain versucht eine Untersuchung der Utopien und Ideologien, die
mit der Entstehung einer kollektiven
Intelligenz und der Hypothese eines
weltweiten Netzwerks verbunden
sind. Der Film folgt einer Gruppe von
Forschern, die versuchen, mithilfe des
Internets im Wald zu überleben.
Ihr Ziel ist nichts Geringeres als die
Schaffung eines alternativen Projekts
für das Überleben der Menschheit.
18
FILMPROGRAMM
12.10. – 25.10.2015
26.10. – 8.11.2015
JANEZ JANŠA
NICOLAS RITTER
MY NAME IS JANEZ JANŠA,
SLO, 2012, 68MIN
THE CLOUD,
D, 2014, 29MIN
Im Jahr 2007 treten drei slowenische
Künstler in die konservative Partei
SDS ein. Alle drei Künstler ändern gleich­zeitig ihren Namen offiziell in Janez
Janša den Namen des umstrittenen
Partei­präsidenten und damaligen
Ministerpräsidenten. Die Aktionen
aller Janez Janšas stiften schnell
Verwirrung. Die Bedeutung des
eigenen Namens und die Möglichkeit
des Änderns der eigenen Identität
werden auf amüsante und informative
Weise auf lokaler und internationaler
Ebene hinterfragt. Janez Janša
(*1970) ist Konzeptkünstler und Leiter
des Instituts für Gegenwartskunst
Aksioma in Ljubljana.
Die Digitalisierung des Alltags ist un­auf­halt­sam. Was also tun, um
Digital Natives das Leben und Digital
Immi­grants die Inte­gra­tion zu erleichtern? Der Arthur McLuhan Digital
Web Campus schafft Ab­hilfe: Fingerfitness, Multitasking-Training und
praktische Hilfe für das reale Leben
für die junge Internet-Generation,
sachte Her­an­führung an die Herausforderungen des Informationszeitalters für die weniger Technikaffinen.
Das Debüt des Frankfurter Künstlers
Nicolas Ritter dokumentiert liebevoll
satirisch ein Trainingslager für die
digitale Gesellschaft.
EGO UPDATE
19
FILMPROGRAMM
9.11. – 22.11.2015
23.11. – 6.12.2015
STÉPHANE CARREL
DER BLICK ZURÜCK
NACH VORN.
VOM SELBSTPORTRÄT ZUM
SELFIE, F, 2015
VIDEOKUNST AUS DEM
ARCHIV DES IMAI
Die ARTE-Dokumentation erzählt die
Geschichte des Selbstportraits.
Zum Beispiel über den Fotoautomaten, der vor über 100 Jahren erfunden
wurde und heute wieder stark im Kommen ist, zum Teil sogar mit nostalgischer Ana­log­technik. Oder über den
Selfie-Boom, dem nicht einmal der
Papst widersteht. Ist dieser Trend
ein Zeichen für hem­mungs­losen
Narzissmus? Der Versuch, sich in
einer Gesellschaft zu behaupten, die
vom Starkult besessen ist? Ein neuer
Mode­zwang oder ein kreatives
Ausdrucksmittel der „Generation
Internet“? Die Doku beantwortet all
diese Fragen und hat sogar ein paar
praktische Tipps parat, wie man
Selfies macht, ohne sich vor seinen
Followern zu blamieren!
EGO UPDATE
Seit den 1970er Jahren ist Videotechnik eine optimale Möglichkeit für
Künstler, um sich selbst zur Schau zu
stellen: den eigenen Körper, die
eigene Handlung, die eigene Identität.
Das Screening, eine Zusammenstellung aus dem Archiv der MedienkunstStiftung imai, versammelt künstlerische Positionen dieser Art. Sie
befragen die Präsenz des Einzelnen
vor der Kamera und im virtuellen
Raum und stellen Videokunst als
Gedächtnis dieser performativen und
medialen Selbst­experimente und
-reflexionen vor.
20
FILMPROGRAMM
7.12.2015 – 3.1.2016
4.1. – 17.1.2016
CHARLIE BROOKER
LYNN HERSHMAN LEESON
BLACK MIRROR:
WHITE CHRISTMAS,
UK, 2014, 75MIN, FSK 16
TEKNOLUST,
USA, 2002, 79MIN, FSK 16
Teknolust ist einer der bedeutendsten
Filme der Künstlerin Lynn Hershman
Leeson und ein absurdes, amüsantes
und wissenschaftlich hochaktuelles
Science-Fiction-Drama über CyberIdentitäten, Biogenetik, Geschlechtskonstruktionen und sexuelle Selbst­
bestimmung im Zeitalter des Internets.
Der Plot kreist um die Wissenschaft­lerin Rosetta Stone (Tilda Swinton),
die illegal drei Klone von sich herstellt.
Da sie zum Überleben auf die
Aufnahme des männlichen Y-Chromo­soms angewiesen sind, geht Ruby,
die Femme Fatale unter den Klonen,
regel-mäßig auf Männersuche. Der sexuelle Kontakt mit Ruby führt bei ihren
Liebhabern zu Impotenz und einer
al­ler­gi­schen Reaktion, durch ein auf
Menschen übertragbares Computer­
virus aus­gelöst. Das FBI wird durch
die steigende Zahl an infizierten
Männern auf die Klon­­fa­milie aufmerksam und beginnt zu ermitteln.
Black Mirror ist eine preisgekrönte
bri­ti­sche Serie, die sich satirisch mit
der di­gi­ta­len Zukunft auseinandersetzt. In je­­der Episode setzt der Autor
Charlie Brooker auf neue Charaktere,
ein neues Szenario und neue Schauspieler. So erhält jede Folge eine
eigene Wirklichkeit, die in einer nicht
allzu fernen Realität an­­ge­­siedelt ist.
Soziale Medien, Casting-Shows,
Smartphone-Hype, Cybersex und
Cyborgs – jede Folge erweist sich als
Parabel auf die mediale Neuzeit und
zugleich als er­schreckende Dystopie.
White Christmas, die Sonderfolge zu
Weihnachten mit dem US-Schau­
spieler Jon Hamm, erzählt von
digitalen Klonen, Cyber-Crime und
erweitterter Realität.
EGO UPDATE
21
FILMPROGRAMM
PERFORMANCES
SCI E NCE + FICTION :
CYBORG - M ESS E
19.9.2015
#SELFIEGOTT:
PERFORMANCE MIT MC FITTI
6. – 8.11.2015
Die welterste Cyborg-Messe versammelt Aussteller aus den Bereichen
Wissenschaft, Kunst, Medien,
Körpermodifikation, Prothetik und IT.
Zusätzlich tragen Künstler, Philosophen, Wissenschaftler und Hacker
wie Tim Cannon, M. Darusha Wehm,
Anja Bagus, Stefanie Rembold, Enno
Park und Ellfriede Nerdinger ihre
Sicht auf die Zukunft des Menschen
vor. Organisiert von Cyborg e.V., der
Gesellschaft zur Förderung und
kritischen Begleitung der Verschmelzung von Mensch und Technik.
12.12.2015
HUMAN COMMA BEING:
SELFIE-BALLETT-PERFORMANCE
MIT DAFNA MAIMON
FÜHRUNGEN
Jeden Freitag um 20 Uhr findet eine
kostenlose deutschsprachige
Führung statt, jeden letzten Freitag
im Monat, 20 Uhr, eine kostenlose
englischsprachige Führung. Private
Führungen für Erwachsene, Jugend­
liche und Kinder sowie Familenführungen buchen unter:
+49 (0)211 – 89 266 84 oder
[email protected].
KONFERENZ
15. – 17.1.2016
STREAMING EGOS:
DIGITALE IDENTITÄTEN IN EUROPA
Streaming Egos ist ein Projekt der Goethe-Institute in Südwesteuropa in Kooperation
mit dem Slow Media Institut Bonn und dem NRW-Forum Düsseldorf. Es sollen
Diskurse und künstlerische Ausdrucksformen von digitaler Identität in Ländern wie
Deutschland, Frankreich, Italien, Portugal und Spanien angeregt, kreativ entwickelt,
untersucht und präsentiert werden. Nationale Diskurse gehen in transnationale
Themendiskurse über und ermöglichen eine europäische Perspektive auf individuelle
und kollektive Identitäten und wie sich diese in Zukunft mit den Potenzialen digitaler
Kultur weiter entfalten können.
EGO UPDATE
22
BEGLEITPROGRAMM
NRW-FORUM DÜSSELDORF
Ehrenhof 2
D - 40479 Düsseldorf
www.nrw-forum.de
+49 (0)211 – 89 266 90
TITELBILD
ARVIDA BYSTRÖM: UNTITLED, 2013–2015
Direktor: Alain Bieber
Kaufmännische Leiterin: Elke Menikheim
Assistenz: Nicola Funk
Kasse: Sabine Brenner,
Kornelia Linden
Haustechnik: Waldemar Maciossek,
Rüdiger Stramm, Jörg Thur (F)
AUSSTELLUNG:
Kurator: Alain Bieber
Ausstellungsdesign:
Louisa Georg & Sadrick Schmidt
Assistenz:
Nikolaj Tkatschenko
Publikation: Sina Michalskaja,
Thomas Artur Spallek, Shahin Zarinbal
Produktion: Nicola Funk
Presse: textpr+, Viviana Kleinert,
Christine Peters
Kooperationen: coomedia,
Henning Schnittcher
Art Direction: KesselsKramer
Web: V2A.net, Lars Wöhning
Druck & Rahmung: Grieger
AUSSTELLUNGSPARTNER:
Skateboard-Rampe: Donald Campbell, Tobias Springborn
(Pavel-Skates)
AUSSTELLUNGSBOOKLET
Herausgeber:
NRW-Forum Düsseldorf
Texte: Alain Bieber, Viviana Kleinert
Lektorat: Gian-Philip Andreas
Übersetzung: Jennifer Taylor
Art Direction: KesselsKramer
Gestaltung: Thomas Artur Spallek
MEDIENPARTNER:
GEFÖRDERT DURCH:
EGO UPDATE
23
IMPRESSUM
KIM ASENDORF
FLORIAN KUHLMANN
LATURBO AVEDON
LYNN HERSHMAN
EVAN BADEN
LEESON
CHARLIE BROOKER
DAFNA MAIMON
ARVIDA BYSTRÖM
NETRO
STÉPHANE CARREL
ONFORMATIVE
KURT CAVIEZEL
ONTHEROOFS
ROBBIE COOPER
MARTIN PARR
STÉPHANE
NICOLAS RITTER
DEGOUTIN
EVAN ROTH
HEATHER DEWEY-
ANDREAS SCHMIDT
HAGBORG
GUIDO SEGNI
MC FITTI
OLIVER SIEBER
IMAI
DAVID SLATER
ALISON JACKSON
AMALIA ULMAN
JANEZ JANŠA
JONAS UNGER
ERIK KESSELS
GWENOLA WAGON
EGO UPDATE
DIE ZUKUNFT DER
DIGITALEN IDENTITÄT

Documentos relacionados