Interview: Nachhaltigkeit und US-Baumwolle
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Interview: Nachhaltigkeit und US-Baumwolle
Für mehr Lebensqualität TM No. 6 / Mai 2013 Der Baumwollanbau in den USA zeichnet sich durch erfolgreiche Bemühungen aus, die Qualität und den Anbau der Baumwollfasern stetig zu verbessern. Investitionen in eine von Nachhaltigkeit geprägte Produktion sorgen seit vielen Jahren für nicht nachlassende Dynamik. TM ließ sich von Allen A. Terhaar, Senior Advisor Cotton Council International (CCI) und President Terhaar Global Advisors, sowie von Edelgard Baumann, International Marketing Manager CCI (Deutschland, Österreich, Schweiz & Benelux), über die Innovationsführerschaft von US-Baumwolle informieren. Interview Rainer Schlatmann // Fotos Cotton Council International (CCI) Welche Bedeutung hat US-amerikanische Baumwolle auf dem Weltmarkt? Wofür ist sie bekannt? Allen A. Terhaar: Die USA sind bekannt als drittgrößter Produzent von Baumwolle nach China und Indien und garantieren als Exporteur ein Höchstmaß an Verfügbarkeit. Spinnereien weltweit vertrauen auf eine zuverlässige Belieferung mit Baumwolle durch die USA. Zudem haben die USA eine exzellente Reputation in Sachen Vertragstreue – ein bedeutsamer Faktor für die Einkaufsentscheidung, da Anbauländer wie Indien wiederholt Maßnahmen zur Beschränkung ihrer Baumwollexporte durchführten, die massive Auswirkungen auf die globale Baumwolllieferkette hatten. Zudem setzen die USA die Standards für Qualität über ein unabhängiges Klassifizierungssystem, das jeden in den USA geernteten Ballen Baumwolle nach Farbe, Stapellänge, Faserfeinheit, Stärke und anderen wichtigen Kriterien bewertet. Und nicht zuletzt sind die USA führend im Entwickeln und Durchsetzen von Bestimmungen und Praktiken, die den ökologischen Fußabdruck der Baumwollproduktion stetig weiter minimieren. In Europa wird viel über Organic Cotton, Fairtrade -Cotton, -Cotton made in Africa sowie die Mitglieder der Better -Cotton Initiative gesprochen. Welche Baumwollmengen stehen dahinter im Vergleich zur globalen Gesamtproduktion? AAT: Das gesamte Volumen an zertifizierter Baumwolle ist nicht bekannt, da es in den letzten Jahren einigen Wildwuchs an vermeintlich ‚identifizierten Baumwollen‘ gab und leider ein gutes Nachverfolgungssystem fehlt. Was wir sicher wissen, ist, dass echte zertifizierte organische Baumwolle weniger als ein Prozent der globalen Baumwollproduktion ausmacht. Wenn man alle Identifizierungsprogramme zusammenfasst, wobei es auch Überlagerungen gibt, landen wir immer noch unter fünf Prozent Weltmarktproduktion. Eine signifikante Volumensteigerung ist für diesen Bereich künftig nicht zu erwarten. Alle diese Programme haben sicher lobenswerte Ziele, aber jedes hat auch seine Nachteile. Gibt es mit Blick auf das Endprodukt Unterschiede zwischen traditionell angebauter Baumwolle und Organic Cotton? AAT: Nein, es gibt keinen Unterschied im Endprodukt. Die Baumwollfaser als solche ist immer gleich, unabhängig von der Anbaumethode. Die Naturfaser Baumwolle ist die reinste Form natürlicher Zellulose, und man kann weder im Garn noch im Stoff oder im fertigen Bekleidungsteil einen Unterschied feststellen, ganz gleich, ob die Baumwolle organisch, kontrolliert biologisch oder konventionell angebaut wurde. Wie definiert die US-Baumwollindustrie Nachhaltigkeit? Gibt es darauf eine eindeutige Antwort? AAT: Die US-Baumwollindustrie orientiert sich an der Nachhaltigkeitsdefinition der Vereinten Nationen: „Nachhaltige Entwicklung ist eine Entwicklung, die den Bedürfnissen heutiger Generationen Rechnung trägt, ohne die Möglichkeiten zukünftiger Generationen zu gefährden, ihren eigenen Bedürfnissen nachzukommen.” Eine solide und weltweit akzeptierte Definition. Heute ist Nachhaltigkeit ein Gesamtkonzept. Die UN sagt dazu, dass ökonomische, ökologische und soziale Entwicklungen nicht voneinander zu trennen oder gegeneinander auszuspielen sind: „Kein dauerhafter wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Fortschritt ohne intakte Umwelt – keine intakte Umwelt ohne wirtschaftliche und gesellschaftliche Prosperität.” Es ist das Ziel der USBaumwollindustrie, diese Aufgabenstellung so optimal wie möglich im Baumwollanbau umzusetzen und kontinuierlich die gesamte Supply Chain zu optimieren, von der Farm über die Weiterverarbeitungsstufen und das Endprodukt im Handel bis hin zur Haushaltswäsche, der Entsorgung oder dem Recycling am Ende der Kette. Allen A. Terhaar Edelgard Baumann Was sind die großen Forschungsprojekte der US-amerikanischen Baumwollindustrie? AAT: Die USA haben diverse wichtige Nachhaltigkeitsinitiativen für Baumwolle ins Leben gerufen. Einige dieser Projekte werden an Universitäten vorangetrieben, andere von privaten Unternehmen, die sich um die Erforschung und Implementierung bestmöglicher Nachhaltigkeitspraktiken kümmern. Wieder andere Initiativen laufen auf nationaler Ebene im Rahmen öffentlich geförderter Agrar- und Industrieforschungsprojekte. Eines der jüngsten, von der US-Baumwollindustrie finanzierten Projekte ist die Erstellung einer Baumwoll-Life-Cycle--Studie, inklusive Life Cycle Inventory und Life Cycle -Analysis (LCI/LCA). Die Studie wurde von einem Konsortium von US-Industrieorganisationen wie Cotton Incorporated, National Cotton Council of America, Cotton Council International und der Cotton Foundation getragen. Untersucht wurden die Umwelteinflüsse der Baumwollproduktion unter Berücksichtigung jeglicher Aspekte, vom Anbau über die gesamte Weiterverarbeitung, Transport, Handel- und Endverbraucherstufe bis hin zur finalen Entsorgung. Gibt es neue Verwendungsrichtungen für Baumwolle im Bereich von Textil und Bekleidung? AAT: Neben der Erforschung und Kontrolle des Umwelteinflusses von Baumwolle steht die Suche nach neuen und optimierten Einsatzbereichen des Rohstoffs ganz oben auf der Agenda der USBaumwollindustrie. Zu den wesentlichen Performance-Verbesserungen der letzten Jahre zählt ‚Moisture Management‘, wodurch Baumwolle auch im Sportbekleidungsbereich an Wettbewerbsfähigkeit gewinnen konnte. Dank neuer, wasserabweisender Ausrüstungen findet Baumwolle außerdem nun auch im Outdoor-Segment Verwendung. Eine der bahnbrechendsten Entwicklungen, bekannt als ‚Ultra-Low Gossypol Cotton‘, könnte die Geschichte der Baumwolle vollkommen revolutionieren: Baumwolle ist in den USA bereits heute ein bedeutender Nahrungsmittelrohstoff, da aus den Baumwollsamen sowohl Tierfutter als auch hochwertigste Kochund Salatöle hergestellt werden. Aus diesem Grund unterliegt der Baumwollanbau in den USA auch den strengsten Vorschriften der Welt, da Baumwolle hier als Nahrungsmittel eingestuft wird. UltraLow Gossypol Cotton könnte Baumwollsamen für den direkten menschlichen Verzehr geeignet machen, und damit würde Baumwolle zu einer bedeutenden Proteinquelle für den Menschen, da Baumwollsamen sehr proteinreich sind. Das könnte global große Auswirkungen haben, insbesondere für die kleinen Farmer in Entwicklungsländern. Welche Marketing-Aktionen organisieren Sie in Deutschland und Europa zur Steigerung der Bekanntheit von Cotton USA? Edelgard Baumann: Die Cotton USA Marketingaktionen in Europa zielen sowohl auf Industrie und Handel als auch auf den Endverbraucher ab. Unseren Partnern aus Industrie und Handel liefern wir umfangreiche Informationen zu Markt und Konsumverhalten, kooperieren bei der Abverkaufspromotion und bieten aktive Beschaffungsunterstützung. Unsere Cotton USA SourcingVeranstaltungen in wichtigen Beschaffungsregionen und unsere internationalen SourcingKonferenzen leisten jedes Jahr umfangreiche und aktive Hilfestellung in Beschaffungsfragen, die ihresgleichen sucht. Hinzu kommt eine informative Sourcing-Unterstützung. Möglich ist dies, da Cotton USA in den bedeutenden Beschaffungsländern mit lokalen Repräsentanten langjährig vor Ort ist. In Deutschland, England und Italien stellen unsere Fach- und Verbraucheranzeigen ein wichtiges Instrument zur Steigerung des Markenbekanntheitsgrades und zur Vermittlung der Cotton USA Botschaft, sich für die Naturfaser Baumwolle zu entscheiden. Die deutsche Konsumenten-PROffensive basiert auf einer Multimedia-Strategie, wobei Online-Kommunikation durch Social Media zunehmend an Bedeutung gewinnt. Nach zwei Jahren zählt unsere deutsche Cotton USA Facebook Fangemeinde bereits mehr als 10.000 Mitglieder. Die gesamte PR-Kampagne erzielte im letzten Jahr mehr als eine Milliarde Konsumentenkontakte. Unter welchen Voraussetzungen kann sich Baumwolle im Wettbewerb mit anderen Fasern auf dem Weltmarkt behaupten? AAT: Die Nachfrage nach Fasern aller Art wächst rapide und wird sich weiter erhöhen als Resultat des fortschreitenden Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum. Künftig wird der wirtschaftliche Faktor sogar eine wichtigere Rolle spielen als der Anstieg der Bevölkerung. Aus unseren langjährigen globalen Verbraucherstudien wissen wir, dass Baumwolle nicht nur die bei Weitem bevorzugte Faser der Verbraucher ist, sondern auch weltweit als sicherste Faser in Umweltfragen angesehen wird. Baumwolle und US-Baumwolle sind in der beneidenswerten Position, dass der Verbraucher sie liebt und an sie glaubt. Gleichzeitig werden die synthetischen und Man-made-Fasern teils aggressiv beworben, und auf diese Weise wird Druck auf die Hersteller, Marken und Verbraucher ausgeübt. Die Baumwollindustrie muss sich dem Wettbewerb stellen und dafür Sorge tragen, auch weiterhin Qualitätsprodukte zu liefern, die in Sachen Umwelt und Performance höchste Standards erfüllen und die den Verbraucher überzeugen. Am Point of Sale stehen Baumwollprodukte in Konkurrenz mit immer neuen, begehrenswerten Produkten. Baumwollprodukte müssen herausstechen, müssen glaubwürdig sein und aufregend, um gegen alternative Produkte und Fasern im Wettstreit um den Geldbeutel des Verbrauchers zu bestehen. Wenn uns das gelingt, liegt eine leuchtende Zukunft vor dieser einzigartigen und immer modernen Naturfaser. Vielen Dank für das Gespräch. Noch mehr Informationen über Cotton USA auf www.tm-digital.de