als PDF - Katharina von der Leyen

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zu gast bei Carol Perkins
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Hppy
End
fotos: brie williams
text: katharina von der leyen
„Vogue“-Model Carol Perkins
kam durch einen Zufall auf den
Hund: Als sie an einem Tumor
im Gehirn erkrankte, nähte sie
hinreißende Accessoires für die
Hunde der Nachbarn. Heute
ist sie Inhaberin des millionenschweren Unternehmens Harry
Barker – und wieder gesund
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harleston im Bundesstaat South
Carolina ist Amerikas älteste und eine
der schönsten Städte. Sie liegt am
atlantischen Ozean und ist unsagbar
grün: prächtige Magnolienbäume,
Bougainvilleen, Palmen und Orchideen gedeihen
wunderbar in dem heißen, schwülen Klima neben
mächtigen Eichen, Pinien und Zypressen. Hier
begann der Bürgerkrieg 1861. Heute ist die Stadt
reich und hat ihre herrliche Kolonialstilarchitektur gut gepflegt. Auf den Veranden, deren Decken
blau getüncht sind, um die Illusion von Kühle entstehen zu lassen, sitzen ältere Leute im Schaukelstuhl und beobachten die Straße, Pferdekutschen
fahren langsam durch die Stadt. Irgendwie scheint
hier das Tempo anders zu sein, weniger hektisch,
weniger hysterisch. Kein Wunder, dass Carol
Perkins hier so gern lebt. Das frühere Ford-Model
zog mit sechzehn von Florida nach New York
und dachte eigentlich, sie würde New York nie verlassen. Und dann kam es ganz anders, vehement
und ohne Möglichkeit der freien Wahl.
Groß, schmal, dunkelhaarig, mit großen
blauen Augen und großem Lachen, wurde die klassische Schönheit sofort von der legendären Model­
agentin Eileen Ford unter Vertrag genommen,
kaum dass sie ihren Fuß auf New Yorker Boden
gesetzt hatte. Sie arbeitete für „Vogue“, „Harper’s
Bazaar“ und Victoria’s Secret, reiste um die Welt
und führte ein sehr glamouröses Leben in New
York und Paris. 1990 trat sie in der Broadwayshow
des Komikerduos Penn & Teller auf und betätigte
sich als Feuerschluckerin. Eine mutige Idee für
jemanden, dessen Einkommen auf Schönheit und
einem makellosen Gesicht beruhte. Aber es war
nicht das Feuerschlucken, was ihre Karriere im
Alter von knapp dreißig Jahren beendete.
Praktisch über Nacht nahm Carol Perkins dreißig Kilo zu. Sie bekam seltsame Flecken auf der
Haut, ihr wuchsen ein Bart und ein Buckel. „Niemand hatte eine Erklärung dafür“, sagt sie. „Ich lief
von Spezialist zu Spezialist. Keiner hatte eine Antwort für mich. Nichts half.“ Sie zog sich von allen
zurück. „Bis dahin war mein Job gewesen, schön
zu sein, ich wurde dafür bezahlt, ein bestimmtes
Schönheitsideal zu erfüllen. Und plötzlich war alles
das einfach weg. Ich sah sehr merkwürdig aus. Ich
wollte nicht mehr unter Leute. Ich war unglaublich
einsam.“ Sie begann, die Hunde aus ihrem Wohnhaus zu sitten. „Ich war froh, dass ich sie um mich
haben konnte. Ihnen war es egal, dass ich dick war,
einen Bart und einen Buckel hatte.“ Wo waren ihre
Freunde geblieben? „Eine Menge Menschen wissen
einfach nicht, wie sie damit umgehen sollen, wenn
jemand krank wird. Ich mache ihnen keinen Vorwurf. Es ist einfach zu schmerzhaft für sie.“
Perkins kaufte eine Nähmaschine und Stoffe
und begann, für die Nachbarhunde zu nähen. Als
Erstes einen Bademantel für Puggy, den Mops aus
dem dritten Stock. „Der sprang eines Tages zu mir
in die Badewanne. Und da saß ich mit einem sehr
nassen Hund. Also nähte ich ihm einen Frottee­
bademantel aus einem meiner Handtücher.“ Puggys Bademantel folgten Decken, Kissen, Betten,
Spielsachen, Anoraks – Carol Perkins nähte ununterbrochen, eine Art Beschäftigungstherapie. „Die
Hunde haben mir wirklich das Leben gerettet“, sagt
sie. „Na ja, letztlich war es ein Hirnchirurg, der
mein Leben rettete, aber ohne die Hunde wäre ich
wohl gar nicht so weit gekommen.“
N
achdem sie jeden Spezialisten an der Fifth
Avenue konsultiert hatte, ging Carol Perkins
nach eineinhalb Jahren zu einer chinesischen Akupunkteurin, weil ihr Buckel ihr starke Schmerzen
bereitete. „Sie behandelte mich zwei Stunden lang,
schrieb sich alle Symptome auf, sah sie in ihren
chinesischen Büchern nach und übersetzte sie in
westliche Medizin. Sie gab mir einen kleinen Zettel
und sagte: Gehen Sie in die Notaufnahme eines
Krankenhauses und geben Sie denen diesen Zettel.
Haben Sie einen Allgemeinarzt? Hatte ich nicht,
ich kannte aber einen.“ Als dieser Arzt sie sah,
Das Leben in Charleston
ist
warm und bunt. Carol Perkins nimmt Briardhündin Josephine
mit, wann immer es geht. Die Sommer verbringt das
Exmodel mit Mann und Hund in ihrem Haus am Strand, daher
auch die häufig maritim inspirierten Hundespielsachen.
Alle Produkte von Harry Barker werden in den USA hergestellt,
aus recycelten oder recycelbaren Materialien. Übersicht
der Produkte und Bestellungen aus Deutschland über den Internetshop www.harrybarker.com.
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erkannte er sofort, was ihr fehlte: Carol Perkins
litt am Cushing-Syndrom, einer Krankheit, bei der
die Nebennierenrinde zu viel Cortisol produziert,
in Perkins’ Fall hervorgerufen durch einen Gehirntumor, der die Hirnnerven schädigte. „Wäre ich
statt zu den Spezialisten zum Tierarzt gegangen,
hätte der die Diagnose wahrscheinlich gleich gestellt“, scherzt sie. „Bei Hunden und Pferden ist die
Erkrankung viel häufiger als beim Menschen.“ Am
nächsten Tag wurde der Tumor entfernt.
Nun passierte alles gleichzeitig. Carol Perkins
ging es langsam, langsam besser, und zur gleichen
Zeit entdeckte eine Redakteurin der Zeitschrift
„Instyle“ in der Wohnung von Puggys Besitzerin
elegante Accessoires, die Carol Perkins für den
Hund genäht hatte. Ob sie die im Magazin abbilden dürfe? Klar, wieso nicht. Perkins hatte keine
Ahnung, was nun auf sie zukam: Hunderte von
Anrufen von Einkäufern aus aller Welt, sogar aus
Japan. „Ich war darauf nicht vorbereitet. Wer sind
Sie? Der Einkäufer von Bloomingsdale’s? Moment,
ich schreibe Ihre Nummer auf meine Serviette …“,
erinnert sie sich. Die schönen Betten und Decken,
die hübschen Accessoires waren genau das, worauf
die Hundwelt sich Ende der Neunzigerjahre stürzte. Hunde hatten einen anderen Status bekommen,
waren längst aus dem Flur oder Vorraum mit Sack
und Pack in die Wohn- und Schlafzimmer ihrer
Besitzer eingezogen – nur die Hundsachen, die es
damals auf dem Markt gab, hatten sich diesem veränderten Lebensstil noch nicht angepasst.
P
erkins hatte keinen Businessplan, kein Konzept und beschäftigte plötzlich irische Näherinnen in ihrem Loft in Chelsea, mehrfach am Tag
hielten riesige UPS-Laster vor ihrem Gebäude.
Irgendwann begriff sie, dass sie das Ganze in geregelte Bahnen lenken musste: Dies würde von nun
an ihre Karriere sein. „Aber ich fand keinen Investor“, erzählt sie. „Niemand glaubte, dass man
Geld verdienen könnte mit Hundeaccessoires. Also
verkaufte ich mein Loft und alles, was ich
hatte, und zog dorthin, wo meine Stoffe, Taue und
Kurzwaren herkamen und außerdem Leben und
Arbeitskräfte bezahlbarer waren als in New York.“
Perkins eröffnete ihr Unternehmen erst in Savannah, später, nachdem sie ihren Mann David kennengelernt hatte, in Charleston. Ihre Firma nannte
sie „Harry Barker“ nach ihrem Sheltie aus dem
Tierschutz. Mit ihrer Liebe zu schönen Dingen
und der Hingabe zu kleinen Details stellt sie seit-
dem Produkte aus recycelten oder recycelbaren
Materialien her, die ihr Umfeld widerspiegeln. Sie
sammelt alte Hundebücher, alte Keks­dosen, Vin­
tagestoffe, alte Schilder und Plakate, außergewöhnliche Stofftiere und Behälter aus den Dreißiger-,
Vierziger- und Fünfzigerjahren. An den Wänden
ihres Büros hängen Bilder aus alten Strickmagazinen
mit Dackeln in Ringelpullovern, Ausrisse aus ur­
alten Jagd- und Gesellschaftsmagazinen. Charleston
ist ein inspirierender Ort, keine Frage, ein Meer
aus Farben, Gerüchen und Materialien, wunderbaren Restaurants, Märkten, auf denen Korbflechterinnen und Weberinnen ihre Waren anbieten, und
unglaublich freundlichen Menschen (es wurde
zweimal zur höflichsten Stadt Amerikas gewählt).
S
ie ist ganz offensichtlich glücklich hier. Sie ist
sehr schön, sehr offen und voller Wärme, jemand, der einen ganz selbstverständlich und voller
Großzügigkeit in sein Leben lässt. Zwischen ihr
und ihrem Mann David Rawle spürt man eine tiefe
Freundschaft, sie sind einander echte Partner. Harry Barker, der Sheltie, ist mittlerweile in hohem
Alter gestorben, stattdessen teilt Josephine, eine
sehr fröhliche Briardhündin, das Haus von Carol
Perkins und David Rawle mitten in Charleston.
Die Firma Harry Barker ist noch immer genau das,
was Carol Perkins machen möchte. „Ich hatte unglaubliches Glück“, sagt sie. „Meine Krankheit hat
mich gezwungen, meinen Lebensweg in eine vollkommen andere Richtung zu orientieren. Eine bessere Richtung hätte es nicht geben können.“
Als Inspiration
dienen Carol Perkins
alte Illustrationen. Designerin aller Harry-Barker-Produkte ist
Carol Perkins selbst. Ihr Büro ist voller alter Dosen, alter
bemalter Futternäpfe, Stofftiere, alter Hundebücher, Tapeten,
Plakate, Metallschilder und anderer Dinge, die sie auf
Flohmärkten, in Antikshops und auf Trödelmärkten findet. Foto
unten: Josephine in einem vergrößerten Modell des ersten
Produkts, dem Bademantel von Mops Puggy.
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