Kindergedichte
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Kindergedichte
Prof. Dr. J. Eckhardt/Germanistik, Didaktik: Einführung in die Literaturwissenschaft/G Definitionsfragen zur Kinderliteratur Die Brabbelberta Berta Butz begann als Baby Bald schon mit der Brabbelei. Babbelnd, brabbelnd sagte Berta: Babba, Mamma, Baby Brei! Baby wollte Birnen haben, Baby babbelt: Bittebitt, Babba, Mamma, Baby Breilein, Baby Birne, Baby Eilein! Baby macht auch oft Geschreilein, und die Mutter macht was mit. Bribbel, brobbel, brubbel, brabbel, Brabbelberta, halt den Schnabel! Brabbelberta, gib doch Ruh! Mach den Brabbelschnabel zu! Berta Butz hieß in der Schule Brabbeline Babbelmann. Bei Beginn der Stunde fing die Berta schon zu brabbeln an. Berta muß den Buntstift spitzen, Bertas brauner Buntstift bricht. Bald befiehlt der Lehrer Britzen Berta täglich nachzusitzen. Berta muß beim Rechnen schwitzen; aber schweigen lernt sie nicht. Bribbel, brobbel, brubbel, brabbel, Brabbelberta, halt den Schnabel! Brabbelberta, gib doch Ruh! Mach den Brabbelschnabel zu! Berta Butz bekam als Mutter blonde Mädchen, sieben Stück. Bald gab's sieben Brabbelbertas. Brabbeln war ihr höchstes Glück. Bei den sieben war am Ende beinah nichts mehr zu verstehn: Bobby stöhnt und Bienchen weint und Betty heult und Blanda greint und Birgit brüllt und Bertel schreit und Brabbelberta findet's schön! Bribbel, brobbel, brubbel, brabbel, Brabbelberta, halt den Schnabel! Brabbelberta, gib doch Ruh! Mach den Brabbelschnabel zu! James Krüss Kindergedicht 5 Jahre alt, ich kenne keinen Wald, die Stadt ist meine Wiese, der Vater ist der Riese 6 Jahre alt, das Fernsehn spielt Gewalt, die Eltern sind nicht nett, ich will noch nicht ins Bett 7 Jahre alt, die Wohnung die ist kalt, der Vater trinkt sein Bier, ach spiel doch mal mit mir! 8 Jahre alt, die Faust die ist geballt, die Schule ist ein Dreck, ich will hier weg 9 Jahre alt, der Vater zählt Gehalt, die Mutter will sich scheiden lassen, weil sich meine Eltern hassen 10 Jahre alt, ich heiße Willibald, die Eltern tun mir leid sie haben keine Zeit Jürgen Spohn KINDERGEDICHT Ein Kind ist kein Rind Ein Kind ist geschwind wie der Wind Es hört was euch stört Es denkt was euch kränkt Es fragt was euch nicht behagt Es schreit was ihr wirklich seid Was es weiß macht euch heiß Und ihr sagt es sekkiert*, wenn es Euch irritiert. (*sekkieren = österr. Ausdruck für ,,auf die Nerven gehen") Erich Fried Was ein Kind gesagt bekommt Der liebe Gott sieht alles. Man spart für den Fall eines Falles. Die werden nichts, die nichts taugen. Schmökern ist schlecht für die Augen. Kohlentragen stärkt die Glieder. Die schöne Kinderzeit, die kommt nicht wieder. Man lacht nicht über ein Gebrechen. Du sollst Erwachsenen nicht widersprechen. Man greift nicht zuerst in die Schüssel bei Tisch. Sonntagsspaziergang macht frisch. Zum Alter ist man ehrerbötig. Süßigkeiten sind für den Körper nicht nötig. Kartoffeln sind gesund. Ein Kind hält den Mund. Bertolt Brecht Prof. Dr. J. Eckhardt/Germanistik, Didaktik: Einführung in die Literaturwissenschaft/G Definitionsfragen zur Kinderliteratur Wer will unter die Soldaten Puppendoktor "Ach, lieber Doktor Pillermann, sieh dir doch nur mein Püppchen an! Drei Tage hat es nichts gegessen, hat immer so stumm dagesessen. Die Arme hängen ihm wie tot, es will nicht einmal Zuckerbrot. Ach, lieber Doktor, sag mir ehrlich, ist diese Krankheit sehr gefährlich?" "Frau Krause, werden Sie nicht bang! Der Puls geht ruhig, Gottseidank. Doch darf sie nicht im Zimmer sitzen, sie muß zu Bett und tüchtig schwitzen. Drei Kiebitzeier gebt ihr ein, dann wird es morgen besser sein! Ich empfehle mich, ich muß jetzt gehn!" "Ich dank' auch schön, auf Wiedersehn." Unbekannter Verfasser Der Rauschebach Als mein Urgroßvater zur Schule ging, hat er noch das Trinkwasser für die ganze Familie im großen Tonkrug aus dem Rauschebach geholt. Als mein Großvater Schuljunge war, hat man das Reuschebachwasser nicht mehr trinken können. Aber Forellen hat er geangelt und Krebse gefangen. Als mein Vater Schuljunge war, gab´s keine Forellen und Krebse mehr im Reuschbach. Aber die Kinder haben da noch gebadet. Das Baden ist jetzt verboten im Reuschebach. Unser Lehrer sagt, man kriegt davon Ausschlag und Pusteln. Was wird mit dem Reuschebach sein, wenn meine Kinder in die Schule gehen, meine Enkel? Wer will unter die Soldaten, Der muß haben ein Gewehr, Das muß er mit Pulver laden Und mit einer Kugel schwer. Der muß an der linken Seiten Einen scharfen Säbel han, Daß er, wenn die Feinde streiten, schiessen und auch fechten kann. Einen Gaul zum galoppieren, Und von Silber auch zwei Sporn' Zaum und Zügel zum Regieren, Wenn er Sprünge macht im Zorn. Einen Schnurrbart an der Nasen Auf dem Kopfe einen HelmSonst, wenn die Trompeter blasen, Ist er nur ein armer Schelm. Doch vor allem muß Courage immer haben jeder Held sonst erreicht ihn die Blamage, zieht er ohne sie ins Feld. Kindsein ist süß? Tu dies! Tu das! Und dieses lass! Beeil dich doch! Heb die Füße hoch! Sitz nicht so krumm! Mein Gott, bist du dumm! Stopf`s nicht in dich rein! Lass das Singen sein! Du kannst dich nur mopsen! Hör auf zu hopsen! Du machst mich verrückt! Nie wird sich gebückt! Schon wieder ne vier! Hol doch endlich Bier! Sau dich nicht so ein! Das schaffst du allein! Mach dich nicht so breit! Hab jetzt keine Zeit! Lass das Geklecker! Fall mir nicht auf den Wecker! Mach die Tür leise zu! Lass mich in Ruh! Kindsein ist süß? Kindsein ist mies! Prof. Dr. J. Eckhardt/Germanistik, Didaktik: Einführung in die Literaturwissenschaft/G Definitionsfragen zur Kinderliteratur Überfluss und Hungersnot Dunkel war´s Morgens Milch mit Haferflocken, Mittags Fleisch in dicken Brocken, Abends Speck mit Spiegelei: Mancher von uns isst für drei. Dunkel war's, der Mond schien helle, schneebedeckt die grüne Flur, als ein Wagen blitzesschnelle langsam um die Ecke fuhr. Morgens nur die Luft zum Kauen, Mittags gar nichts zu verdauen, Abends wilder Traum vom Brot: Viele leiden Hungersnot. Drinnen saßen stehend Leute, schweigend ins Gespräch vertieft, als ein totgeschossener Hase auf der Wiese Schlittschuh lief. Hungersnot im Überfluß! Weißt du was man machen muß? Und auf einer roten Bank, die blau angestrichen war, saß ein blondgelockter Jüngling mit kohlrabenschwarzem Haar. Josef Reding Neben ihm 'ne alte Schachtel, zählte kaum erst sechzehn Jahr, und sie aß ein Butterbrot, das mit Schmalz bestrichen war. vater komm erzähl vom krieg vater komm erzähl vom Krieg vater komm erzähl wiest eingerückt bist vater komm erzähl wiest gschossen hast vater komm erzähl wiest verwundet wordn bist vater komm erzähl wiest gfallen bist vater komm erzähl vom krieg Ernst Jandl Droben auf dem Apfelbaume, der sehr süße Birnen trug, hing des Frühlings letzte Pflaume, und an Nüssen noch genug. Der verdrehte Schmetterling Ein Metterschling mit flauen Bügeln log durch die Fluft. Er wurde einem Computer entnommen, dem war was durcheinander gekommen: irgendein Rädchen, irgendein Drähtchen, und als man es merkte, da war´s schon zu spätchen. Da war der Metterschling schon feit wort... wanz geit... Mit lut er teid. Mira Lobe