Steampunk: Welten unter Dampf

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Steampunk: Welten unter Dampf
www.zunftblatt.de
Nr. 9 (1/2011)
ISSN: 1868-629x
3,50 €
DEIN Phantastik - und Rollenspielmagazin
Space 1889:
Werkstattbericht & Abenteuer
Steam Noir: Erste Bilder
Im Interview:
Kultband Abney Park
Mord & Totschlag:
Kriminalistik im Wandel der Zeiten
Steampunk:
Welten unter Dampf
Inhaltsangabe
Steampunk
Der Griff nach den Sternen.................................................................Seite 4
Steampunk im Film..............................................................................Seite 6
Musikalische Luftschiffpiraten..........................................................Seite 8
Aethertraum...........................................................................................Seite 9
Plothooks für Steampunk-Abenteuer............................................ Seite 10
Die Spitze Feder...................................................................................Seite 11
Steam Noir........................................................................................... Seite 12
Die Reise zum Abgrund.................................................................... Seite 13
Space 1889............................................................................................ Seite 14
Der Traum vom Fliegen................................................................... Seite 15
Heilige Blumen.................................................................................... Seite 19
Die Magie der Bilder - Bernd Perplies.......................................... Seite 22
Jenseits des Karussells...................................................................... Seite 25
Das Mechanische Herz..................................................................... Seite 25
Die Frauen von Nell Gwynne‘s...................................................... Seite 26
Der Kristallpalast............................................................................... Seite 26
Pandemonia.......................................................................................... Seite 26
Wo Drachen sind................................................................................ Seite 27
Mittelalter
Saisonauftakt in Biebelsheim.......................................................... Seite 27
„...wie ein Monarch mitten in seinem Hofstaate thront“.......... Seite 28
Schinderhannes................................................................................... Seite 28
Troyes.................................................................................................... Seite 29
Abenteuerliches
Abenteuermodule die keiner kennt................................................ Seite 30
Mord und Totschlag.......................................................................... Seite 30
LL Werkstattbericht.......................................................................... Seite 34
Expeditionn ins Unbekannte........................................................... Seite 36
Editorial
Verdampfte Zeiten!
Ich weiß nicht genau zu sagen, warum gerade in diesen Tagen
das Genre des Steam Punk einen so hohen Grad der Popularität
erreicht hat. Ist es, weil immer mehr Menschen angesichts der Zustände in unserer Zeit verstärkt den Wunsch verspüren, in andere
Epochen einzutauchen und dort Dampf abzulassen?
Wie dem auch sei: Ich darf sagen, dass, bevor ich die Arbeit an
diesem Heft begonnen habe, ich mich wohl als sehr unerfahren in
diesem Genre bezeichnen konnte. Für mich war es sehr schwer,
in einigen Fällen die Unterscheidung zwischen Steampunk und
Pulp zu treffen. Und das viktorianische England gehört für mich
ganz fest zu den Elementen des Steampunk dazu. Während der
Arbeit an diesem Heft erweiterte sich mein Horizont sehr. Ich fand
Dampfzeichen im Wilden Westen, sah Dampfschwaden aus den
Schornsteinen des alten Österreich aufsteigen und erlebte sogar
Dampf im Weltraum. Ich bin sehr froh, dem geneigten Leser all
diese sublimen Eindrücke nun auch erfahrbar zu machen. Denn in
diesem Heft verschwinden die Autoren hinter dichten Wolken und
lassen dem Zeitalter der Dampfmaschinen die Bühne!
Und auch ich werde jetzt besser abdampfen!
Applaus, Applaus, Applaus!
Euer
Western
Des Teufels Herde.............................................................................. Seite 40
Canyion der Verdammten................................................................ Seite 40
American Vampire............................................................................. Seite 41
Fantasy
2. großer Aktionstag......................................................................... Seite 41
Fantasy macht Schule........................................................................ Seite 42
Thalassa und der Bettlerkönig....................................................... Seite 43
Das Lied der Banshee........................................................................ Seite 43
Das Werk des C. S. Lewis................................................................ Seite 43
Dungeonslayers.................................................................................. Seite 44
System Matters................................................................................... Seite 47
DSO........................................................................................ Seite 49
Mystery
Heidi und die Monster...................................................................... Seite 48
Stolz und Vorurteil und Zombies....................................................Seite 51
Cthulhu Wien.......................................................................................Seite 51
Cthulhu Berge des Wahnsinns....................................................... Seite 52
Master Survival Pack........................................................................ Seite 53
Private eye............................................................................................ Seite 53
Midnight Syndicate............................................................................ Seite 54
Cyberpunk
Shadowrun Almanach....................................................................... Seite 55
Miscellaneous
Digital Dice......................................................................................... Seite 55
Die Philosophie bei Harry Potter.................................................. Seite 57
Junta....................................................................................................... Seite 57
Impressum............................................................................ Seite 58
Das Zu nftb latt
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Der Griff nach den Sternen
Das Weltbild, das Steampunk
und Pulp hervorbrachte
Meine allerneuste Erfindung
„Alles Denkbare wird einmal gedacht. Jetzt oder in Zukunft.“
- Friedrich Dürrenmatt, die Physiker
„What piece of work is a man! How noble in reason! How infinite in faculty! In form and moving how express and admirable! In action how like an angel! In apprehension how like
a god! The beauty of the world! The paragon of animals!“
- William Shakespeare, Hamlet
Auch wenn Hamlet diese Worte ursprünglich mit ironischem Unterton formulierte, fassen sie sehr gut jene Einstellung zusammen,
die die Menschheit 250 Jahre später hatte. Ab etwa der Mitte des
neunzehnten Jahrhunderts bis in die Dreißiger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts war die Menschheit zumindest in der Westlichen Welt von ihrer eigenen Hybris fest ergriffen. Während sie
sich nach wie vor in biblischer Tradition
als brillante Herrscher und Gestalter
der Erde sah, hatte Charles Darwin
sie eigentlich als Produkt der Evolution erkannt. Doch obwohl auch viele
Biologen jener Zeit bereits verstanden
hatten, dass das Überleben des Tüchtigsten von Herdentieren wie Menschen
vor allem durch Kooperation erreicht
wird und auch mit einigem Zufall behaftet ist, war der damalige Konsens
dennoch, dass der Mensch sich seinen
Rang als Krone der Schöpfung als tapferer, strahlender Sieger eines Kampfes
erobert hatte.
Diese beiden Vorstellungen vermischten sich zu einem sehr positiven Menschenbild. Der Mensch war (je nach
persönlichem Glauben) entweder als
Teil des göttlichen Schöpfungsplans
zum Herren der Welt geworden oder
hatte sich diesen Rang aus eigener Kraft
verdient. Dem Menschen konnte alles
gelingen, was überhaupt möglich ist.
Dieses Weltbild ermöglichte es, dass 1899 der Leiter des Patentamtes von New York um die Schließung seiner Behörde bat. Alles, was erfunden werden könnte, sei schließlich bereits erfunden
worden. Im klarer Widerspruch dazu scheint Jules Vernes briefliche Botschaft an dessen Vater zu stehen: „Alles, was ein Mensch
sich vorzustellen vermag, werden andere Menschen verwirklichen
können.“ Tatsächlich steckt hinter beiden Ansichten die gleiche
Annahme: die klare Vorstellung von der menschlichen Überlegenheit. Verne schloss daraus, dass der menschliche Intellekt jedes
Ziel erreichen könne, was er sich auch nur setzen könnte. Andere
waren eher der Ansicht, dass, da der menschliche Verstand eben
genial ist, alles, was er bis zum Jahr 1900 noch nicht ergründet
hatte, bloß kleinere Details darstellen konnte. Man denke an die
Überzeugung, die Physik sei eigentlich so gut wie vollständig –
lange bevor Relativitätstheorie oder Quantenmechanik auch nur
im Ansatz bekannt waren.
Für Steampunk und Pulp ist aber eben jene vernesche Weltsicht
von zentraler Bedeutung. Sie ist Dreh- und Angelpunkt beider
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Genres und soll hier in ihren verschiedenen Facetten näher beleuchtet werden.
In der Zeit von Jules Vernes, H. G. Wells und ihren vielen, weniger bekannten Kollegen entstand eine Vorstellung, die sich bis in
die heutige Zeit gehalten hat: die des genialen Forschers, der ganz
allein eine bahnbrechende Erfindung baut und die Welt verändert
– zum Guten oder zum Bösen. Auch wenn im neunzehnten Jahrhundert bereits die meisten Erfindungen in vielen kleinen Schritten von großen Menschenzahlen erbracht wurden, war es damals
(im Gegensatz zur heutigen Zeit) tatsächlich noch möglich, dass
ein einzelnes kreatives Genie eine nie da gewesene Maschine konstruiert. Da eine Einzelperson sehr viel einfacher zu beschreiben
ist und auch dramaturgisch besser eingesetzt werden kann, wimmelt es in der
Literatur der damaligen Zeit nur so von
brillanten Problemlösern. Ein Klischee,
das sich bis heute gehalten hat.
Was die Erfindungen angeht, sind der
Kreativität keine Grenzen gesetzt. Alles, was erreichbar erscheinen mag,
wird sich irgendwie bewerkstelligen
lassen. Je nachdem, wie spekulativ man
werden möchte, kann eine Maschine
auch gegen die bekannten Naturgesetze
verstoßen (zum Beispiel ein Perpetuum
Mobile). Dann hat der Wissenschaftler
eben entdeckt, dass es noch weitere Regeln im Universum gibt. Bis zur Entdeckung der Kernfusion im zwanzigsten
Jahrhundert war beispielsweise völlig
unklar, wie die Sonne so alt sein konnte,
wie die Geologie erforderte, ohne gegen
die bekannte Naturgesetze zu verstoßen. Ein (mehr oder minder verrücktes) Genie könnte unter anderem eine
der folgenden Maschinen erfinden: Der
Ätherpropeller, die Blitzkanone, die Dampfspinne, die Dampfprothese, die Goldwünschelrute, das kalte Feuer, die tödliche Mondlichtlinse, den Uhrwerksmenschen, die Unterwassereisenbahn
und viele weitere…
Dazu kommen natürlich Erfindungen der modernen Zeit, die mit
den Mitteln des Dampfzeitalters erreicht wurden. Man denke an
Vernes Mondkanone oder die vielen Versuche, ein Flugzeug oder
einen Helikopter zu ermöglichen.
Jenseits des Horizonts
„You see, I have made a great discovery. I no longer believe in
anything. “- Georges Braque
Schauen wir uns heute einen Globus aus dem neunzehnten Jahrhundert an, sei es ein echter oder eine Rekonstruktion, wir sehen keine großen Unterschiede zu einem modernen Erdmodell.
Die Kontinente mögen etwas verzerrt und die Küstenlinien nicht
Das Zu nftb latt
ganz passend sein, aber sie sehen dem Abbild auf einem aktuellen
Globus doch sehr ähnlich. Hier und da fehlt vielleicht eine kleine
Insel, aber im Großen und Ganzen ist alles da.
Tatsächlich hatte die Seefahrt und mit ihr die Entdeckung der
Welt bereits im achtzehnten Jahrhundert einen großen Sprung
nach vorne gemacht. Bereits 1714 hatte das englische Parlament
die gigantische Summe von 20.000 £ (umgerechnet und inflationsbereinigt ca. 3,5 Millionen €) demjenigen in Aussicht gestellt,
dem es gelänge, den Längengrat auf See bestimmen zu können.
Nachdem John Harrison 1753 ein so exaktes Uhrwerk bauen
konnte, dass er das Problem damit lösen konnte, war die britische
Seehoheit über Jahr hinweg gesichert.
Innerhalb der Jahre zogen die anderen Seemächte nach und rasch
waren die meisten Küstenlinien des Planeten kartografiert. Dennoch waren große Teile des Planeten unbekannt. Niemand wusste,
wie viele kleine Inseln noch in den Weiten des Ozeans ihrer Entdeckung harrten. Das Festland war noch viel schlechter erforscht,
da dies mit größerem Aufwand und auch viel größeren Gefahren
verbunden war. Viele der angesprochenen Inseln waren nur durch
ein Fernrohr gesehen und nie betreten
worden. In den Urwäldern Süd- und
Mittelamerikas waren noch viele Orte
ungesehen, obwohl die Portugiesen
und Spanier schon seit Jahrhunderten
dort siedelten. Heute so weltbekannte
Orte wie die Inkapyramiden waren der
Westlichen Welt kein Begriff.
wirklichen, körperlichen Reise zu tun, war lange Zeit nicht einmal
spekuliert worden. In der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts wurde dann die Weltraumfiktion entwickelt. Während
Jules Verne seine Protagonisten bloß den Mond umrunden ließ,
flogen die Helden der Literatur immer häufiger zu anderen Planeten des Sonnensystems. Vor allem der Mars und die Venus waren
dabei die typischen Reiseziele. Die roten Sandwüsten des Mars boten sterbenden Zivilisationen und fremdartigen Pyramiden Platz.
Die Venus war damals kaum erforscht, da ihre Oberfläche ständig
von Wolken verhangen ist. In der Annahme, es handle sich bei diesen Wolken um Wasser, wurde die Venus oft als tropischer Planet
voller Dinosaurier geschildert. (Tatsächlich bestehen die Wolken
aus konzentrierter Schwefelsäure und die Oberflächentemperatur
der Venus beträgt milde 450 °C.)
Man muss natürlich nicht zu den Außerirdischen reisen, wenn diese auch zur Erde kommen können. Häufig genug mit feindlicher
Intention, schließlich war es die Einstellung der Staaten des Imperialismus, dass man schwächere Völker unterwerfen sollte. Und
wer von anderen Himmelskörpern zu uns kommen kann, der muss
über überlegene Technologie verfügen.
Erschwerend kam hinzu, dass in Zeiten des Imperialismus die europäischen
Mächte einander nicht unbedingt erzählten, was sie entdeckt hatten. Niemand wusste, von welchem Nutzen eine
Ruine auf Dauer sein konnte. Vielleicht
enthält sie ja Pflanzen, mit denen man
Wunden ideal heilen kann. Man behält
die Information besser erstmal für sich,
bis man sich sicher ist, dass sie einem
keinen Vorteil verschafft. Entsprechend
wenig wusste eine Einzelperson über
die entlegenen Gebiete des Planeten.
Daher ist Entdeckung eines der zentralen Themen von Steampunk und Pulp.
Niemand weiß genau, was hinter dem
Horizont liegen mag. Für die damalige Weltsicht bedeutete das,
dass sich dort alles finden könnte, was man sich nur auszumalen
vermag. Viele Wunder der Welt warten nur darauf, von einem tapferen Helden aufgespürt zu werden.
Begeisternde Orte wie diese könnte man erforschen:
Atlantis, die Diamanteninsel, der Eingang in die Unterwelt, die
Lichtruine, die Pyramide des vergessenen Pharaos, die Sirenenfelsen, das Tal des Friedens, der Weg zum Mittelpunkt der Erde
und viele andere…
In einer Welt, in der der wissenschaftliche Fortschritt allgegenwärtig ist und
dabei trotzdem so neu und bejubelt,
kann die richtige Entdeckung alles verändern, was man zuvor für richtig gehalten hatte. Dementsprechend zögert
man in Steampunk und Pulp nicht mit
der Spekulation. Vor allem Anfang des
zwanzigsten Jahrhunderts zogen übernatürliche Phänomene wieder in die Literatur ein: seien Magie, Psi, die Mächte
fremder Geister und Wesenheiten oder
einfach göttliche Wunder.
Diese Magie war jedoch eine andere
als jene aus der Folklore oder Fantasy.
Sie war keine lebendige Macht, die die
Welt durchzieht, sondern eher eine noch nicht verstandene Form
von Wissenschaft. Nicht umsonst rückte in dieser Zeit die Parapsychologie in die Aufmerksamkeit der Bevölkerung, jene Lehre,
die wissenschaftliche Belege für solche Phänomene liefern wollte.
Heute wissen wir, dass es ihr (zumindest bis ins dritte Jahrtausend) nicht gelingen sollte, aber in der damaligen Epoche rechneten viele Leute jeden Tag mit der fundiert wissenschaftlichen
Erklärung für Telepathie und Wahrsagerei.
Entsprechend wilde Artefakte, vorzugsweise von untergegangenen Hochkulturen, können in einem solchen Abenteuer auftauchen. Einige Beispiele wären:
Das Allsehende Auge, die Büchse der Pandora, die Dunkelkristall,
Excalibur, der Geisterdetektor, die Geisterkanone, der Heilige
Gral, der Jungbrunnen, das verfluchte Aztekenamulett, der Zeitreisesand und so weiter…
Über dem Regenbogen
„Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein.“
- Reinhard May
Mehr zwischen Himmel und Erde
„There are more things in heaven and
earth, Horatio, than are dreamt of in
your philosophy. “- William Shakespeare, Hamlet
Die Entdeckung der Welt muss nicht auf die Erde beschränkt sein.
Schon Kepler hatte Fiktion darüber verfasst, wie es wäre, im Traume die anderen Planeten zu bereisen. Doch es tatsächlich in einer
Das Zu nftb latt
Lars-Hendrik Schilling
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Steampunk im Film
„With magic, you can turn a frog into a prince. With science, you
can turn a frog into a PhD and you still have the frog you started
with.“ – Terry Prachett, „The Science of Discworld“
Der Begriff „Steampunk“, wie wir ihn heute benutzen, ist erst seit
den späten 80er Jahren in Gebrauch. Die Einflüsse, die dieses Subgenre der Science-Fiction, aber überhaupt erst hervorgebracht haben, sind hingegen viel älter: Autoren wie H. G. Wells („The Time
Machine“), Jules Verne („Twenty Thousand Leagues Under the Sea“
bzw. „Vingt mille lieues sous les mers“) und Mary Shelley („Frankenstein: Or, the Modern Prometheus“), die zu ihren Lebzeiten noch
unmöglich scheinende Technologien wie Raumschiffe oder Unterwasserfahrten in ihren Romanen thematisierten. Steampunk
richtet also sein Augenmerk auf die Vorstellungen, die Menschen
des 19. Jahrhunderts von den wissenschaftlichen Errungenschaften und gesellschaftlichen Strukturen der Zukunft hatten – und
ist damit dem Genre Cyberpunk nicht unähnlich, das hinsichtlich
der Fortschritte in Computertechnik und Robotik in den 80ern
eine dystopische Welt von morgen malte. Ab den späten 60ern
erschienen mit Romanen wie „Queen Victoria’s Bomb“ von Ronald
W. Clark, „A Transatlantic Tunnel, Hurrah!“ von Harry Harrison und dem äußerst prägenden „Morlock Night“ von dem Autor
K. W. Jeter paradigmatische Steampunkromane, die das Genre
mitbegründeten.
Was das Medium Film angeht, stellt sich die Situation weniger
übersichtlich dar. Weil vor den 80ern der Begriff „Steampunk“
als Genrebezeichnung gar nicht benutzt wurde, gibt es natürlich
auch kein „Steampunkkino“ – besonders, da das Genre bis heute
eher ein Nischendasein führt und daher nur wenige Filme auf die
Steampunkästhetik als alleiniges Aushängeschild setzen. Kurz gesagt: Es gibt einige filmische Machwerke mit Steampunkelementen, aber eher wenige, die purer Steampunk im Sinne von Rollenspielen wie „Space 1889“ oder „Castle Falkenstein“ sind. Auf den
zweiten Blick lassen sich jedoch durchaus Verwandtschaftbeziehungen entdecken.
So kann der Einfluss von Fritz Langs
Science-Fiction-Klassiker „Metropolis“ von 1927 nicht genug betont werden – ohne dass eindeutig „Steampunk“ draufsteht, nimmt der Film
viele der fixen Ideen des Genres vorweg und setzt sie in einem mehr als
zweistündigen Epos um. „Metropolis“
handelt von einer gleichnamigen,
futuristischen Stadt, in der die Arbeiterschicht unter der Erde riesige
Maschinen bedienen muss, während
die Stadtführung in den „Ewigen
Gärten“ im Luxus schwelgt. Die Situation eskaliert, als Freder, der Sohn des Despoten von Metropolis, sich in Maria, eine Prophetin der Arbeiterklasse verliebt. Indes
arbeitet der verrückte Erfinder Rotwang fieberhaft am Bau eines
perfekt menschenähnlichen Roboters, mit dem er den Herrscher
von Metropolis stürzen will. Der Film hat eine sehr eindrucksvolle Bildersprache – die Arbeiterstadt, besonders in der Szene, in
der Freder eine riesige Maschine als menschenfressendes Monster
vor seinem geistigen Auge sieht, berührt das Genre Steampunk
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wirklich sehr stark. Bis heute ist von „Metropolis“ nicht das gesamte Filmmaterial überliefert, obwohl seit 2010 eine weitgehend
vollständige Version erwerbbar ist. Wer mit Stummfilmen keine
Schwierigkeiten hat, sollte ein Blick darauf werfen. Alle anderen
können einen Blick auf die japanische Zeichentrickadaption „Robotic Angel“ (2001) nach dem Manga von Osamu Tezuka werfen
– die Story basiert hier relativ lose auf den Geschehnissen von
Metropolis, ist aber doch sehenswert.
Vision Verne
„You know, it was the writings of Jules Verne that had a profound
effect on my life. It was when I was 11 that I first read 20,000
Leagues Under the Sea. It was then that I realized that I must devote my life to science.“ – Doc Brown, „Zurück in die Zukunft III“
Wer an Steampunk denkt, denkt an
Jules Verne. Daher ist es kein Wunder, dass die Rezeption des Werkes
des französischen Schriftstellers
durch die Filmschaffenden dieser
Welt, einige wirklich großartige Filme hervorgebracht hat. Schon 1907
verfilmte Georges Méliès, einer der
Pioniere des Kinos, Vernes Roman
„20 000 Meilen unter dem Meer“. Die
wohl bekannteste Adaption dieses
Stoffes stammt allerdings von den
Walt Disney Studios und kam im
Jahr 1954 in sattem Technicolor in
die Kinos. Regisseur Richard Fleischer holte sich hier mit James
Mason und Kirk Douglas populäre Schauspieler ins Boot und
ließ sich die oscarprämierten Spezialeffekte einiges kosten – der
Kampf mit dem Riesentintenfisch hat Filmgeschichte geschrieben. Auch andere Erzählungen Vernes sind verfilmt worden. So erzählt
der tschechische Film „Die Erfindung
des Verderbens“ (1958), basierend auf
dem Roman „Facing the Flag“, die
Geschichte um die Erfindung eines
Supersprengstoffes gekonnt und unterhaltsam. In „Die Reise zum Mittelpunkt der Erde“ von 1959 hingegen
begleitet der Zuschauer ein Team
von Entdeckern auf ihrem Weg in
das Innere des Erdballs, wo neben
faustgroßen Diamanten auch haushohe Urzeitreptilien auf sie warten.
Selbst abseits der konkreten Romane Jules Vernes haben seine
Motive Aufnahme in viele Filme gefunden. So erzählt die 39-teilige Anime-Serie „Die Macht des Zaubersteins“ (1990) die Geschichte um den erfinderischen Teenager Jean, der auf der Weltausstellung 1889 eine Zirkusakrobatin namens Nadia kennenlernt
und sich in sie verliebt. Der magische blaue Stein, den sie besitzt,
wird dabei zum Dreh- und Angelpunkt der Serie, denn eine gefährliche Geheimloge will ihn an sich bringen. Nadia und Jean
finden allerdings in Kapitän Nemo und der Besatzung seines UBoots Nautilus Verbündete gegen ihre Häscher. Die Serie stammt
von Studio Gainax (u. a. „Neon Genesis Evangelion“) und ist sehr
empfehlenswert.
Das Zu nftb latt
Einen anderen Weg geht die britisch-kanadische Realserie „The Secret Adventures of Jules Verne“ (2000).
Ihre Prämisse ist, dass Jules Verne
die Abenteuer, über die er in seinen
Romanen schrieb, nicht erfand, sondern selbst erlebt hat. So gerät Verne
in der Serie als mittelloser Student
an den englischen Agenten Phileas
Fogg (arrogant-sympathisch gespielt
von Michael Praed), seine Cousine
Rebecca und seinen technikaffinen
Diener Passepartout. Gemeinsam
arbeiten sie von Bord ihres Luftschiffes Aurora aus für den britischen Secret Service und pfuschen nebenbei noch dem finsteren Steampunkcyborg Count Gregory ins
Handwerk. „The Secret Adventures of Jules Verne“ war die erste Serie, die in HDTV ausgestrahlt wurde, kam aber leider nicht über
Staffel 1 hinaus.
Mehr als achtzig Tage
„You‘re familiar with the phrase ‚man‘s reach exceeds his grasp?’
It‘s a lie: man‘s grasp exceeds his nerve.“ Nikola Tesla, „Prestige –
Meister der Magie“
Das Steampunkgenre ist aber nicht nur auf die Werke Jules Vernes zu reduzieren. Herbert George (H.G.) Wells hat mit seinen
Romanen das Genre ebenso geprägt, wie sein französischer Kollege. Mit „Die Zeitmaschine“ hat eine seiner Geschichten 1960 eine
Verfilmung erhalten, die noch heute ein Klassiker des ScienceFiction-Kinos ist. In ihm entwickelt der Wissenschaftler George
eine Zeitmaschine, mit der er ins Jahr 802.701 reist und feststellen
muss, dass sich die menschliche Rasse in die attraktiven aber naivapathischen Eloi und die missgebildeten, listigen Morlocks gespalten hat. George ist gezwungen, gegen die Morlocks vorzugehen,
als diese seine Zeitmaschine stehlen. Der Film reflektiert auch auf
Ereignisse des Kalten Krieges, da George bei seinen Zeitreisen
live die Detonation einer Atombombe in seiner Heimat miterlebt
– der Oscar für die besten visuellen Effekte ist zweifellos verdient.
2002 wurde mit „The Time Machine“ ein Remake versucht, das den
Schwerpunkt eher auf actionreiche Unterhaltung setzt, als Ausrede zu maßlosem Popcornfuttern aber noch passabel ist.
Die von 1965-1969 laufende CBS-Serie „The Wild Wild West“ verbindet Steampunk mit Western. Sie dreht sich um den Revolverhelden James West (Robert Conrad) und seinen Kumpanen, den
Erfinder Artemus Gordon (Ross Martin), die in Diensten des
amerikanischen Präsident Ulysses S. Grant stehen – zu ihren Einsätzen bringt sie dabei ihr ureigener Zug „Wanderer“, der mit allen
luxuriösen Spielereien ausgestattet ist, die man sich nur denken
kann – ein eigener Billardtisch und ein Labor voller abgedrehter
Gadgets fehlen natürlich nicht. 1999 wurde eine Kinoversion des
Sujets mit Will Smith und Kevin Kline versucht, das aber an den
Kinokassen eher durchfiel – auch wenn die dampfbetriebene Riesenspinne aus dem Showdown ein Bild ist, das inzwischen wohl
jedem bekannt ist.
Eine andere erwähnenswerte Produktion ist die 10-teilige Miniserie „Riese: Kingdom Falling“: In der Steamfantasywelt Eleysia
muss sich die Prinzessin Riese (Christine Chatelain) vor einer
fanatischen Sekte verbergen, die der unrechtmäßigen Kaiserin
Amara gehorcht. Allein ihr treuer Wolf Fenris steht ihr bei. Die
Serie zitiert an vielen Stellen nordische und keltische Mythologie
und ist mit einer Episodenlaufzeit von nur 10 Minuten nette Serienkost für zwischendurch.
Steampunk... oder nicht?
„No passion in the world is equal to the passion to alter someone
else‘s draft.“ – H.G. Wells
Das Genre Steampunk existiert an
der Schnittstelle zu vielen anderen
Genres und häufig sind die Grenzen
nicht klar zu ziehen. Bezeichnungen
wie „Teslapunk“, „Clockpunk“ oder
„Dieselpunk“ durchziehen Diskussionen unter Fans – und wirken sich
auch auf die Darstellung von Retrofuturismus im Film aus. So ist Terry
Gilliams Meisterwerk „Brazil“ (1985)
sicherlich kein Steampunk-Film im
eigentlichen Sinne, doch die Kombination aus kafkaesker Bürokratie und
den phantastischen Traumsequenzen
von Protagonist Sam Lowry (Jonathan Pryce) fügen sich ausnehmend gut in dieses Genre ein. Auch der ist das der französische
Film „Vidocq“ mit Gérard Depardieu ist empfehlenswert – er inszeniert Wirken und Tod des historischen Detektivs Eugène Vidocq, der es im Paris der 1830er Jahre mit einem unsterblichen Mörder
zu tun bekommt und eher düster ist.
Auch Jean-Pierre Jeunets surrealer
Film „Die Stadt der verlorenen Kinder“
(1995) lässt die Utopie des Genres
vermissen: Trostlos, verstörend und
hinsichtlich des Humors doch sehr
französisch baut Jeunet eine dystopische Realität auf. Denn wenn der
irre Wissenschaftler Krank Kinder
entführt, um ihnen ihre Träume
zu stehlen, bleibt nicht viel von den
Steampunkutopien eines Jules Verne übrig. Dass es aber auch in diese
Richtung gehen kann beweisen Filme wie „Sky Captain and the
World of Tomorrow“ (2004) mit Jude Law und Gwyneth Paltrow:
Ein dieselpunkiger Pulp-Streifen, bei dem Doppeldeckerromantik
und bombastisch in Szene gesetzte Luftschlachten einen hohen
Unterhaltungswert garantieren.
Die Faszination Fliegen ist es auch,
die die Phantasie der reichhaltigen
Animationsfilmkultur Japans beflügelt. So sind unter der Regie Hayao
Miyazakis zahlreiche Zeichentrickfilme entstanden, in denen es um
dieselpunkige Flugmaschinen geht.
Allen voran wäre hier sicher „Nausicaä aus dem Tal der Winde“ von 1984
zu nennen, ein Öko-Plädoyer für den
Schutz der Umwelt, gekleidet in eine
Das Zu nftb latt
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actionreiche Handlung voller obskurer Dieselpunkmaschinen. In dieselbe Kerbe schlug zwei Jahre später
der Anime „Laputa – Das Schloss im
Himmel“, in dem die beiden Halbwüchsigen Pazu und Sheeta einen
schwebenden Palast in den Wolken
finden – vom Feinsten! In der Fliegertradition steht schließlich auch
die steampunkigen Animeserie „Last
Exile“ von Studio Gonzo, die 2003
über die japanischen Bildschirme
flimmerte. Geschliffen scharfe Animation, ein interessanter Plot und
natürlich ein Haufen dampfbetriebener Technologie macht diese
Serie quasi zur Steampunkreferenz im Animationssektor. Selbst
der genretypischere Trickfilm „Steamboy“ (2004) reicht nicht hier
heran, obgleich er sicherlich einen ganz eigenen Reiz hat – die mobile Dampfkraftburg kann sich wirklich sehen lassen. Schließlich
darf aber auch der australische Animationsfilm „The Mysterious
Geographic Explorations of Jasper Morello“ nicht unerwähnt bleiben. Im Stil von silhouettenhaften Scherenschnittfilmen gehalten
ist der animierte Kurzfilm ein faszinierendes kleines Meisterwerk,
das mit fliegenden Städten, die zum größten Teil aus Zahnrädern
und Keilriemen zu bestehen scheinen, echte Steampunkatmosphäre aufkommen lässt – auf keinen Fall entgehen lassen!
Alles in allem weist das Genre Steampunk, wie man sehen konnte,
unzählige Berührungspunkte mit anderen Genres auf – und das
ist gut, denn so ist beim nächsten Filmabend bestimmt für jeden
etwas dabei.
Jiba
M
Musikalische Luftschiffpiraten
Die Steampunk – Band Abney Park im Porträt
Steampunk ist populärer denn je: in der Literatur schon seit Jules Verne, im Comic, im Kino, im Rollenspiel, im Larp – und in
der Musik. Die amerikanische Band „Abney Park”, benannt nach
einem Londoner Friedhof, macht bereits seit zehn Jahren Steampunk – Musik, und ein Ende ist noch lange nicht in Sicht.
In ihrer Anfangszeit bezeichnete die 1997 von Robert Brown in
Seattle gegründete Band ihre Musik noch nicht als Steampunk,
auch wenn sie bereits Lieder in diesem Stil machten: “Wir nannten
es „Vintage Sci-Fi”, aber eigentlich war es Steampunk,” “so Robert
Brown.
Robert Brown definiert den Begriff wie folgt: “Steampunk bedeutete ursprünglich „Viktorianische Science – Fiction”, und Abney
Park leben in ihren Bühnenshows und auf ihren Alben danach.
Seit 2006 ist die Band nach einigen Umbesetzungen als Crew ihres selbst erdachten Luftschiffes unterwegs. Diese Hintergrundgeschichte spielt auch in die Musik, der Titel des ersten Tracks
des Albums „Lost Horizons” lautet daher „Airship Pirates”. Natürlich ist dies nicht die einzige Geschichte, die Stoff für Abney
Park – Songs liefert. Robert Brown dazu: „Jedes Album hat einige
Themen. Das Letzte (End of Days, Anm. d. Verf.) handelt davon,
die Form, in die man sein Leben gebracht hat, aufzubrechen, und
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deinen Träumen zu folgen. Aber die Lieder spielen natürlich auch
in die größere Geschichte der Crew der HMS Ophelia, und ihren
Versuch, Helden zu sein und wie es schließlich die Welt zerstört
hat.. auf eine gute Weise.”
Davon kann man sich in den dreizehn Tracks des im Oktober
2010 erschienen Albums ein eigenes Bild machen. Genau wie beim
Vorgänger “Aether Shanties” finden sich wieder Blechbläser und
Swingmelodien gepaart mit Weltmusik, gespielt auf Darabuka
und Geige und ergeben so den ganz eigenen Abney Park – Sound.
Unbedingt anhören: das folkige “Neobedouin” und das im Swing
der 20er Jahre gehaltene “Victorian Vigilante”.
Wer Abney Park einmal live sehen will, muss übrigens nicht bis
nach Seattle fliegen: Laut Robert Brown wird die Band nächstes
Jahr in London und Lissabon auftreten, und auch einem Auftritt in
Deutschland sind sie nicht abgeneigt. Bis es soweit ist, können die
Fans sich mit dem Abney Park – Rollenspiel und der Geschichte
der “Ophelia” trösten, die beide nächstes Jahr erscheinen sollen.
Mehr Infos zu Abney Park: http://www.abneypark.com
Niniane
Das Zu nftb latt
Æthertraum
Ein Steampunk-LARP
www.Æthertraum.de
Das neue LARP-Projekt von Mirko Schröder, der einigen vielleicht durch sein Vampir-Liverollenspiel „Theater der Vampire“
bekannt ist, lässt Spieler in eine viktorianische Steampunkwelt
eintauchen. Mit dem Genre hatte sich Schröder schon im Rahmen privater Pen&Paper-Runden und Mini-LARPs befasst, bevor er den Entschluss fasste, „Æthertraum“ ins Leben zu rufen:
„Nach vielen langen Jahren als Orga, Entwickler und Spielleiter
im Vampire Live - Bereich wollte ich auch einfach mal etwas Anderes ausprobieren. So ähnlich ging es auch meinen Mitstreitern,
die sich dann schnell fanden. Der konkrete finale Anstoß und die
Inspiration war letztendlich der Steampunk-LARP-Con ‚Reise
nach Tunguska’, über den ich zahlreiche Berichte gelesen hatte,
die mich sehr faszinierten.“
Darüber hinaus eignet sich gerade das Steampunkgenre aus verschiedenen Gründen für eine Umsetzung im Live-Rollenspiel. Die
Mischung aus Spekulationen, was hätte sein können, und der Romantisierung der Verhältnisse des 19. Jahrhunderts generiert eine
spannende Parallelwelt. In ihr kann nahezu jedes Thema bespielt
werden: „Von der politischen Intrige, über Kriminalistisches, okkulte Geheimgesellschaften, wahnsinnige Erfinder
und verrückte Erfindungen und verborgene uralte Geheimnisse.“ Dabei ist
Steampunk aber eben nicht gleich
Steampunk und bei Liebhabern
dieses Genres herrschen mitunter große Differenzen darüber,
welche Elemente sich darin
finden sollten: Von stark
historischer Darstellung
bis zu entgrenzter Science
Fiction reichen die Vorstellungen. Das macht es nicht
leicht, einen einvernehmlichen Hintergrund zum Spielen zu schaffen. Mirko Schröder und sein Team setzen daher
gerade an diesem Punkt vor allem auf den Erfindungsreichtum
ihrer Spieler – ein sehr sympathisches Vorgehen: „Wir haben uns
entschieden, eine Art ‚Spielrahmen’, als offenen Hintergrund zu
setzen, der dann individuell durch
die Spieler mit Leben gefüllt werden kann. Dieses Konzept hat sich
beim ‚Theater der Vampire’ bereits
gut bewährt.“
viele seiner Liebhaber zu eigenen Schöpfungen – elementarer Bestandteil des Genres ist ja die Suche nach neuen Entdeckungen
und Erfindungen zum Wohl der Menschheit. „Gleichzeitig ist der
‚Geist des Steampunks’ ungemein schöpferisch, schier überschäumend vor Ideen – Steampunker sind äußerst kreativ und dementsprechend bieten sich hier unglaubliche Möglichkeiten für phantastisches Rollenspiel.“
Spielbar gemacht wird das „Æthertraum“-Setting durch ein eigenes entwickeltes Regelwerk. Im Zentrum des eher minimalistischen Systems stehen fünf Professionsklassen, die individuelle
Schwerpunkte in der Dynamik der Spielwelt setzen. Sonst stützt
sich das System aber, wie zuvor auch das „Theater der Vampire“,
auf den simplen Grundsatz „Du kannst, was du kannst“. Statt abstraktem Telling ist also das präzise Ausspielen der eigenen Rolle gefragt – das Regelsystem soll dem Schauspiel nicht im Wege
stehen. Jeder Spielabend wird ferner von einem Gastgeber ausgerichtet, der dem Spielgeschehen ein Thema vorgibt. In diesem
Rahmen können sich dann einzelne Handlungsstränge entwickeln
und persönliche Agenden der Charaktere verfolgt werden.
Dadurch will Schröder ein Spiel kreieren, das nicht den Happening-Charakter anderer großer LARP-Veranstaltungen hat: Ihm
schweben keine hermetisch geschlossenen Einzelveranstaltungen
vor, sondern vielmehr ein selbstständig wachsendes Netzwerk an
Geschichten, die zusammen ein großes Ganzes ergeben – eine
Steampunk-Story also, die sich von Veranstaltung zu Veranstaltung forterzählt und Charakterentwicklung fördert. Die Webpräsenz von „Æthertraum“ nimmt dabei eine entscheidende Rolle
ein: „Es wird eine ‚historische’ und zeitliche Entwicklung geben,
flankiert zum Beispiel von Nachrichten und Gerüchten, die über die Webseite im Vorfeld eines
Treffens unter die Spieler gebracht werden.“
Ein lebendiges Universum ist also zugleich
Fernziel als auch Alleinstellungsmerkmal des
„Æthertraum“-Rollenspiels. Bislang fiel das
Feedback der Steampunk-Community positiv aus.
Auf entsprechenden Input müssen Schröder und sein Team
nicht lange warten. Denn
die Rahmenbedingungen
des Steampunks beflügeln
Das Zu nftb latt
Auch wenn der regeltechnische Rahmen somit abgesteckt ist, steckt das
„Æthertraum“-Projekt selbst noch in
den Kinderschuhen. Der Bedarf an zusätzlichen helfenden Händen ist da:
„Unser Wunsch wäre in dieser Hinsicht weitere Mitstreiter zu gewinnen,
die bereit sind sich aktiv einzubringen
und die mithelfen und das Spiel mit
gestalten wollen. Unser Team könnte
noch Unterstützung und auch Verstärkung gebrauchen!“ Bis es für das
Projekt „Volldampf voraus!“ heißt, wird
also noch ein wenig Zeit vergehen müssen. Erste Feldversuche im kleineren
Rahmen werden bereits unternommen – die ersten größeren Veranstaltungen für Ende 2011 bzw. Anfang
2012 geplant. Wer sich die Wartezeit versüßen will, kann auf www.
Æthertraum.de
Informationen
zum Projekt beziehen.
Jiba
9
Blankoschecks und Bomben
Plothooks für
Steampunk-Abenteuer
Das Steampunkgenre ist sehr ergiebig – besonders wenn es um
pseudo-historische Settings geht, gibt es viele Möglichkeiten
Steampunkelemente in tatsächliche historische Kontexte einzubinden. Dabei geht es aber nicht nur um Dampfkessel und Zahnräder
sondern um die richtige Steampunk-Mentalität: Technikgläubigkeit, Erfindergeist und eine gewisse Ignoranz der Problemen, die
damit einhergehen. Denn im Zeichen des Fortschritts zeigt sich
der Mensch von seiner besten, aber auch von seiner teuflischsten
Seite.
Ein Platz an der Sonne
1870 gilt als Beginn des Zeitalters des Imperialismus. Die europäischen Großmächte
wie Frankreich, Russland und Deutschland
begannen ihren Wettlauf um die rohstoffreichen Gebiete der Welt – von Shanghai bis
Kapstadt besetzten sie fremde Länder, um
wertvolle Ressourcen zu erbeuten und dort
eigene Industrien aufzubauen. In einer Steampunkrealität hätten die Nationen Europas natürlich zahlreiche Mittel zur Verfügung, um
ihre Vormachtsstellung zu erhalten – Kanonenboote sorgen für Sicherheit auf dem Wasser, riesige Zeppeline kreuzen die Wolken
und dampfbetriebene, bemannte Kampfautomaten patrouillieren die Kolonien. Doch das
Gleichgewicht der Mächte in Europa gerät
ins Wanken und entlädt sich in gewalttätigen Konflikten, als in Afrika ein Brennstoff
entdeckt wird, der mehr Dampfkraft erzeugen kann als jeder andere. Doch während
Preußen und Briten auf dem schwarzen Kontinent aneinandergeraten und im Herzen Europas die Großmächte
Bündnisse schmieden, beschließen die unterdrückten Naturvölker
uralte Naturgeister hinaufzubeschwören und Pakte mit dunklen
Göttern einzugehen, um die Besatzer ein für alle Mal aus ihrem
Land zu werfen. Und mit einem Schamanen, der eine Horde Löwen und Hyänen kontrollieren kann, ist auch mit Dampfgewehr
unterm Arm ein ernstzunehmender Gegner.
Tipp: Dieses Szenario kann leicht variiert werden. Vielleicht muss
sich die britische Delegation in Neu-Delhi mit den Kultisten der
blutrünstigen Hindugöttin Kali auseinandersetzen, die mehr und
mehr an Macht gewinnen. Oder einer der acht daoistischen Unsterblichen aus der chinesischen Mythologie kehrt auf Bitten der
Mönche eines alten Klosters auf die Erde zurück und beschließt,
die Europäer aus Hongkong hinauszuwerfen (eine Terracotta-Armee im Kampf gegen britische Soldaten macht sicher etwas her).
Und im Herzen des fast noch unerkundeten Australien warten
vielleicht Monstrositäten aus der Kreidezeit darauf von den Aborigines auf unliebsame Eindringlinge gehetzt zu werden.
10
Am 28. Juli 1914 begann mit der Kriegserklärung Österreich-Ungarns an Serbien der 1. Weltkrieg und läutete einen militärischen
Konflikt von bislang nie da gewesenen Ausmaßen ein. Deutschland, Österreich-Ungarn und Italien standen als Dreibund der
Triple Entente aus Russland, Großbritannien und Frankreich gegenüber. Zum ersten Mal wurden massiv Flieger, Artillerie und
mit Giftgas auch erste Massenvernichtungswaffen eingesetzt.
Doch wie hätte der 1. Weltkrieg ausgesehen, wenn man sich nicht
auf Benzin und Elektrizität, sondern auf die pure Kraft des Dampfes verlassen hätte. Doppeldecker, die statt Kondensstreifen dicke
Wasserdampfwolken an den Himmel gemalt hätten wären die
Herren der Lüfte gewesen, während auf der Erde turmhohe Kessel
errichtet werden müssten, um die massiven Geschütze zu betreiben. Kohle wäre der wohl begehrteste Rohstoff des Krieges gewesen und heiß umkämpft. Nach den zermürbenden Grabenkämpfen
bei Verdun hätte Frankreich womöglich den
Plan gefasst, gigantische Bohrmaschinen zu
bauen, die sich unter dem Schlachtfeld direkt in die Lager des Feindes graben sollten.
Dummerweise hat der Feind aber die gleiche
Idee, und so entbrennt ein erbarmungsloser
Kampf in den engen, unterirdischen Tunneln,
in denen man nur schwer Freund von Feind
unterscheiden kann.
Tipp: Die Spielercharaktere können für jede
der beiden Seiten kämpfen und sogar unterschiedlichen Nationen angehören, die durch
Bündnisse miteinander verbunden sind. Vielleicht gehören sie aber auch verfeindeten Parteien an und müssen sich gegen unterirdische
Schrecken wehren, die die Pioniere versehentlich freigelegt haben. Der 24. Dezember
wäre ein ideales Datum für eine solche Verbrüderung, denn hier kamen die Feindseligkeiten an der Westfront auch schon einmal
zum Erliegen und Engländer und Deutsche
haben gemeinsam das Weihnachtsfest gefeiert.
Dark Steampunk
Die Industrialisierung des 19. Jahrhunderts brachte nicht nur Innovation mit sich. Die immer stärkere Landflucht führte zu einem
enormen Wachstum der Städte – Unterbeschäftigung und das
Fehlen von Sozialleistungen und angemessenen Löhnen führte
zu Massenarmut. Die Slums der Städte wurden Tag größer und
auch Kinderarbeit war an der Tagesordnung. In einer Steampunkwelt könnten die Verhältnisse ähnlich sein, da die riesigen
Dampfmaschinen konstanter Wartung bedürfen, aber niemand
die Arbeiter richtig bezahlen will. Die unterdrückten Proletarier
ertränken nach der Arbeit ihren Kummer in billigem Absinth oder
ersticken jeden Funken Selbstwertgefühl in gestrecktem Opium.
Eine Gruppe Idealisten ist nun bereit die sozialen Verhältnisse zu
verbessern – vielleicht stammen sie sogar selbst aus der Arbeiterklasse, sind aber zu Ruhm und Würden bekommen. In ihrem
Kreuzzug gegen die Kapitaleigner, werden sie zu Leitfiguren der
Arbeiterbewegung. Doch als der Personenkult um sie plötzlich
religiöse Züge annimmt und sie als Erlöser der Proletarier gefeiert werden, beginnt die Sache außer Kontrolle zu geraten. Und
Das Zu nftb latt
als radikale Splittergruppen die ersten Häretiker aufknüpfen und
Dampfbomben legen, entscheidet sich die Regierung des Landes
den selbsterklärten Göttern mit Meuchelmord und Zahnradsoldaten zuleibe zu rücken.
Tipp: Die Werke von Charles Dickens und Edgar Alan Poe und
„Das Kommunistische Manifest“ von Karl Marx und Friedrich
Engels bilden eine gute Inspiration für eine düsterere und trostlosere Steampunkwelt – und natürlich auch Fritz Langs Film
„Metropolis“. Hüllt man die ärmeren Viertel der Städte noch in
Wolken aus Abgasen und Kohlestaub ein, wird klar, wie dreckig
eine Steampunkstadt sein kann.
Steampunk Meets Cyberpunk
Der Philosoph Rousseau soll angeblich den Gedanken gefasst haben, dass die gesellschaftlichen Verhältnisse alle 10 bis 15 Jahre
umgekehrt werden sollten, um einen Idealstaat zu ermöglichen:
Die Armen sollten reich werden und die Reichen arm und die
Regierung sollte ebenfalls ausgetauscht werden. Ein Jahrhundert lang bestand der Stadtstaat Dynamia nach diesem Modell,
aber dann übernahmen die „Brüder und Schwestern des Ersten
Prinzips“ die Macht – einstige Arbeiter, die mit militärischer
Überlegenheit die sogenannten „10 Weisungen“ durchsetzten, die
einen Machtwechsel für alle Zeit verhindern. Die Stadt Dynamia
erhebt sich inmitten einer grauen Einöde wie ein riesiger Turm in
die Wolken. Die Arbeiter leben, Gefangenen gleich, in den unteren Stockwerken im Dreck der Wohlhabenden weiter oben – viele
haben die Sonne noch nie gesehen. Die Spitze des Turms bildet
den Regierungssitz der Brüder und Schwestern. Mit einem totalitären Spionageapparat überwachen sie ihre Untertanen, doch in
den Stockwerken, wo arm und reich sich treffen, brodelt die Korruption – es herrscht das Faustrecht. Die Spielercharaktere sind
dabei sogenannte Häscher, Söldner, die für wohlhabende Gruppen
(regierungstreu oder regierungsfeindlich) Aufträge erledigen. Sie
brechen in Gebäude ein, entführen Leute, schmuggeln illegale
Waren oder führen Meuchelmorde aus – ein Glück, dass es dampfbetriebene Prothesen und Implantate gibt, die diese Arbeit stark
erleichtern.
Tipp: Wer es richtig cyberpunkig will, kann auch dampfbetriebene Computer einbauen – Analogrechner mit Lochkarten bieten
eine gute Vorlage – oder sogar Uhrwerkroboter mit perfektem,
menschlichem Aussehen einbauen. So trifft „Blade Runner“ auf E.
T. A. Hoffmanns „Der Sandmann“.
Jiba
Die spitze Feder
Was piepst denn da?
Ich bin durchaus ein Befürworter des Fortschritts und der modernen Technik, ich mag den Wohlstand und die Bequemlichkeiten,
die uns unsere Zeit bietet und ich wollte ohne das Internet nicht
mehr leben. Aber manchmal erwische ich mich bei dem Gedanken, dass es früher doch irgendwie besser war. Das ist natürlich
Quatsch. Allein die moderne Medizin, die hygienischen Standards
und die Wasserversorgung sprechen für sich. Aber ihr kennt solche Situationen, in denen man am liebsten die ganze Technik auf
den Mond schießen möchte.
Böse Zungen behaupten ja, dass Rollenspielrunden vor der Einführung des Handys nicht so oft abgesagt wurden, jedenfalls nicht
spontan. Da musste man zumindest zum Hörer greifen und dem
anderen eine gute Erklärung präsentieren. Heute geht das meist
per SMS. Und wenn die Leute schon unterwegs waren, konnte
man sie auch nicht mehr zurückrufen. Ob das stimmt, kann ich
weder bestätigen, noch dementieren, aber ein paar Erlebnisse
machen mich durchaus nachdenklich. Es ist mir mehr als einmal
passiert, dass ich auf dem Weg in ein 30 km entferntes Kaff im
Westerwald wieder zurückgepfiffen wurde. Das ist sehr ärgerlich.
Viel schlimmer sind dagegen die Mitspieler, die auch während der
Spielrunde nicht die Finger von dem Ding lassen können. Es ist
schon ein Stimmungskiller, wenn mitten in einer epischen Szene
Schni-Schna-Schnappi durch den Raum hüpft oder der Spielleiter von seiner Freundin telefonisch nach Hause zitiert wird. Die
Dauer-SMS-Schreiber oder ICQ-Benutzer tragen auch nicht unbedingt zur Atmosphäre am Spieltisch bei. Das kann man sich für
die wenigen Stunden mal verkneifen, glaube ich jedenfalls. Vielleicht liege ich da aber falsch und sollte die Dauererreichbarkeit
mit etwas mehr Dankbarkeit bedenken.
Technik und Erreichbarkeit sind in jedem Fall etwas für die Kunden der Deutschen Bahn. Auf meinem Schreibtisch liegen noch
immer die Formulare für die Fahrpreisrückerstattung. Dabei mag
ich Papierkram überhaupt nicht. Aber das hat man davon, wenn
man mitten im Dezember von Koblenz nach Kiel fahren will. Neben der Eigenverschuldung durch Unfähigkeit und Planungsmangel des bundesdeutschen Dienstleisters haben auch hier wieder die
Tücken der Technik zugeschlagen. Der Winter war so kalt, dass
die hochmoderne Elektrik einfach versagte. Mit einer guten, alten Dampflok wäre das nicht passiert. Die verrußt so schön die
Gegend und frisst sich auch durch metertiefen Schnee. An diesem
Tag musste nicht nur eine gehörige Verspätung hinnehmen, nein,
der Zug legte in Münster noch eine halbe Stunde Pinkelpause ein,
weil fast alle Toiletten außer Betrieb waren. Beinahe hätte ich gelacht. Das Lachen wäre mir einige Kilometer weiter aber gehörig
vergangen. Da teilte man mir auf Nachfrage mit, dass der Zug
überhaupt nicht bis nach Kiel weiterführe. Doch diese Information
stünde schon seit 2 Stunden im Internet. Hallo?!! Ich saß zu der
Zeit bereits knappe 5 Stunden im Zug. Vielleicht hätte ich doch
ein Handy mit moderner Technik gebraucht. Das hätte mir diese
Information sicher verraten.
Manchmal ist die Technik nicht nur im Rollenspiel, sondern auch
für das Rollenspiel nützlich. Es mögen Spielereien sein, aber da
wäre das lustige Würfelgadget fürs Handy. Ein besseres Beispiel
ist das Kostenberechnungsprogramm zum Wertesteigern, das ein
Mitspieler meiner damaligen DSA-Runde geschrieben hatte. Es
hat uns allen viel Zeit und Haareraufen erspart. Aber der schönste
technische Beitrag waren die selbst zusammengestellten Soundtracks als Begleitmusik. Da konnte auch die Technik mal zur Atmosphäre am Spieltisch beitragen.
Das Zu nftb latt
CS
11
Die Reise zum Abgrund
Steam Noir
Die Macher von Steam Noir über ihr Projekt:
Die Arbeit an unserem Comicdebüt „Jakob“ haben wir sehr genossen - und auch alles
was nach der Veröffentlichung kam: Ausstellung während des Erlanger Comic Salons, Stand
auf der Frankfurter Buchmesse (inklusive Sondermann-Preisgewinn), mehrere MultimediaLesungen, viele neue Bekanntschaften, Erfahrungen mit der Pressewelt ...
Danach war es Zeit für uns, eine neue Herausforderung zu suchen:
Die surreale Atmosphäre, die verschrobenen Figuren und den skurilen Humor von „Jakob“
wollten wir in ein erwachseneres Genre überführen und alles in einem düsteren und sehr filmischen Universum spielen lassen. Felix und ich sind fasziniert von Jules Verne-Welten, Sherlock Holmes-Kriminalfällen und der abgründigen Atmosphäre von Film Noir-Streifen. Felix
hat diese Elemente in seinem Rollenspiel(buch) „Opus Anima“ bereits großartig verschmolzen
und dabei ein sehr komplexes Steam Punk-Universum geschaffen. Dessen Seele wollten wir erhalten,
die Welt aber insgesamt zugänglicher und comictauglicher machen. Daraus wurde das „Steam Noir“-Universum - kurzum: Ein zerbrochener Planet. Im Äther schwebende Schollen. Dampfkraft. Maschinen mit Seele. Und eine geheimnisvolle Totenscholle.
„Das Kupferherz“ wird der Titel des ersten von insgesamt vier Stear Noir-Comics. Hier etablieren wir den Kriminalfall, der unseren Ermittler Heinrich „Der grüne Heinrich“ Lerchenwald immer weiter in den Grenzbereich zwischen den Lebenden und den mysteriösen „Wiedergekehrten“ führt. Seine Suche nach dem Kupferherz wird die verschiedensten Lebenswege ebenso unheilsvoll wie
glücksvereheissend zusammenbringen, denn es verspricht das Ewige Leben.
Wenn alles gut läuft, wird „Das Kupferherz“ schon im Herbst (zur Frankfurter Buchmesse) bei Cross Cult veröffentlicht.
Und bis dahin behaltet immer schön im Kopf:
„Am Ende ist jeder Tag ein guter Tag, an dem dein Kopf keinem Teekessel gleicht.“ (Zitat, Mann mit dem Teekesselkopf)
Felix Mertikat und Benjamin Schreuder
12
Das Zu nftb latt
Die Nereide war mein ganzer Stolz. Zehn lange Jahre hatten ihr
Bau und ihre Entwicklung gedauert und nun endlich lag sie vor
mir. Kraftvoll und kupfern glänzend hob sich ihr Körper aus dem
Wasser. Der Bug wippte auf und ab, als ich meinen Platz in ihrem
geräumigen Bauch aufsuchte. Schließlich begann sich der Propeller am Heck zu drehen und langsam fuhren wir aus dem Hafen
hinaus. Carl, unser Steuermann lenkte seelenruhig die Nereide
auf das offene Meer, betätigte hier und da einen
Hebel und überwachte die Anzeigen. Matteo, der Navigator prüfte die Karten und
verglich sie hin und wieder mit einem
Blick durch das Periskop.
Endlich gingen wir auf Tauchkurs.
Luftblasen trieben zur Oberfläche und
Wasser schoss in die Füllkammern.
Carl legte einen Schalter um und ließ mit
lautem Dröhnen die Seitenruder ausklappen.
Die Nereide begann zu sinken. Unter uns war das endlose
Tief des Meeres, eine unbekannte Welt, die zuvor noch kein
Mensch erforscht hatte. Unser Vorhaben war gewagt: Seit Jahren
vermutete ich an dieser Stelle des Ozeans die versunkene Stadt
Atlantis. Alle Indizien sprachen dafür und mit der Finanzierung
einiger Großindustrieller durfte ich meinem Verdacht nachgehen.
Mein Name würde so unsterblich werden, unsterblich wie der
Mythos Atlantis selbst.
Ein Krachen riss mich aus meinen Gedanken, irgendetwas Großes hatte die Nereide gerammt. Ein beinahe wütendes, metallisches Kreischen lief durch den ganzen Rumpf. Hilflos klammerte
ich mich an einem Rohr fest. Matteo hatte es in den hinteren Teil
des Raumes geschleudert. Er blutete aus einer Platzwunde am
Kopf. Carl hielt sich am Steuer fest und fluchte.
„Kapitän, ich glaube, das war ein Wal. Aber ich kann nichts
erkennen.“
Tatsächlich gab der Blick in das trübe Blau den unbekannten Täter nicht preis. Die Nereide hatte es indes böse erwischt. Das Ruder war verzogen und klemmte. Der Propeller verweigerte seinen
Dienst. Und wir sanken noch immer.
Draußen vor dem Kabinenfenster verschwanden die wagen Umrisse der Meereslandschaft in der Schwärze. Ich schaltete die
Scheinwerfer an. Um uns herum funkelten fluoreszierende Pünktchen, bildeten ganze Schwärme und vereinten sich zu Skulpturen.
Noch nie zuvor hatte ich eine solche unwirkliche Schönheit gesehen. Ein bizarres Wesen schwamm direkt vor unserem Fenster
vorbei. Sein Körper schien nur aus einem riesigen Maul mit nadelgleichen Zähnen zu bestehen. Seine milchigen Augen starrten uns
an, dann verschwand es, so schnell es gekommen war.
Wir trieben in einem Meer von Lichtern. Glühende Quallen, Tiefseekrebse und flimmernde Aale mit zuckenden Körpern ließen
mich für einen Moment unsere missliche Lage vergessen. Dann
holte mich ein grässliches Rucken wieder in die Realität zurück.
Ein gigantischer Fangarm verdeckte das Fenster, ein Knacken
ging durch den Körper der Nereide und wir wurden durch die
Schwärze geschleudert. Mein Kopf prallte gegen eine harte Kante
und ich verlor das Bewusstsein.
Wie lange ich weggetreten war, kann ich nicht genau sagen. Irgendwann rüttelte mich Carl an der Schulter. Statt ein Wort zu
sagen, deutete er nach draußen. Vor uns, inmitten der schwarzen Tiefsee, hob sich ein sanftes, blaues Leuchten vom Grund ab.
Mir schien es, als könnte ich Türme und Mauern erkennen. Ein
beruhigendes Gefühl breitete sich in meiner Brust aus.
„Wie tief sind wir, Carl?“
Der Steuermann warf einen Blick auf die Messinstrumente.
„Schwer zu sagen, Kapitän. Der Tiefenmesser ist bei unserem Zusammenstoß beschädigt worden. Dafür geht uns allmählich der
Sauerstoff aus.“
Nervös betätigte er einige
Knöpfe und Hebel.
„Da tut sich nichts, wir
sitzen in der Falle.“
S e lt s a m e r we i s e
wollte die diese
Hiobsbotschaft
nicht bis in
mein Innerstes
vordr i ngen.
Viel zu sehr
hielt mich das
Leuchten am
Meeresg rund
gefangen.
Wir
hatten es gefunden. Wir hatten
Atlantis
gefunden.
Entrückt starrte ich weiter in die wagen Umrisse. Das
Leuchten schien intensiver zu werden.
Es fühlte sich warm und freundlich an. Aus seiner Mitte löste sich
ein Strahl, ich glaubte eine Gestalt zu sehen und eine Stimme zu
hören. Ich verstand nicht, was sie sagte. Das Leuchten umschloss
die Nereide und ich hielt mir die Augen zu, um nicht geblendet zu
werden.
Langsam schaukelte die Nereide im hellen Blau des Ozeans. Carl
lenkte sie geistesabwesend zur Oberfläche, während sich Matteo
stöhnend den Kopf hielt. Die Wunde an seiner Schläfe hatte sich
geschlossen. Nur eine zarte, helle Hautstelle bezeugte den Unfall.
„Wir haben Atlantis gesehen“, murmelte ich vor mich hin.
Carl blickte mich verständnislos an.
„Kapitän, wir hatten einen Zusammenstoß mit einem Wal. Deshalb mussten wir unsere Mission abbrechen.“
„Ja“, sagte ich. „Dieses Geheimnis wird wohl immer verborgen
bleiben.“
Das Zu nftb latt
CS
13
Ein Werkstattbericht
Mitte bis Ende 2011 soll endlich
das neue deutsche Regelwerk für
Space: 1889 erscheinen.
Der Weg bis dahin hat ca. 20 Jahre
gedauert und begann damit, dass ich
Anfang der 90er Jahre in einem Rollenspielladen in Köln das englische Regelwerk von Game Designers Workshop
gekauft habe und das Setting für mich eine
Offenbarung war (die Regeln nicht so sehr ;) )
Wenige Jahre später habe ich mich das erste Mal
um die Lizenz bemüht. Da ich aber zu diesem Zeitpunkt weder Ahnung von Verlagswesen noch von den Kosten,
die ein solches Projekt mit sich bringt, hatte, ist damals nichts
draus geworden.
Jetzt – wieder einige Jahre später – ist es nun fast so weit und der
Rollenspielhintergrund, der mich in meiner Rollenspielerei maßgeblich beeinflusst hat, kommt endlich in einer Version heraus, die
er verdient hat. Dass zurzeit Steampunk auch noch hip ist, ist ein
schöner Nebeneffekt, aber tatsächlich eher Zufall.
Die Stärke von Space: 1889 war schon immer das Setting und
nicht das Regelwerk. Deshalb haben wir uns entschlossen, in der
deutschen Version ein anderes System zu benutzen als in der alten klassischen Version. Da ich bereits die Lizenz für das Hollow
Earth Expedition Rollenspiel hatte, war die Entscheidung naheliegend, das gleiche Regelsystem zu verwenden. Das sogenannte
„Ubiquity System“ ist einfach zu erlernen und zu spielen. Außerdem lässt es sich gut für Space: 1889 adaptieren.
Doch nun zum Hintergrund des Spiels:
Was wäre, wenn alles, was die Autoren phantastischer viktorianischer Literatur sich ausgedacht haben, wirklich stimmen würde?
Was wäre, wenn der Mars wirklich von einer uralten Zivilisation
bewohnt wäre und die Venus von Dschungeln bedeckt wäre, durch
die auf der Erde längst ausgestorbene Donnerechsen stampfen?
Was wäre, wenn in diesem Universum Raumfahrt mit Hilfe einfacherer Mittel möglich wäre und die Menschen der viktorianischen Zeit bereits Mars und Venus besuchen könnten?
Das ist der Hintergrund von Space: 1889, in dem das britische
Empire seinen Einflussbereich auf dem Mars ausgedehnt hat,
um dessen Rohstoffe auszubeuten, während die Deutschen
das gleiche auf der Venus tun.
Exotische Orte, edle fremdartige
Wilde, schreckliche Bestien und
das Sonnensystem umspannende Verschwörungen erwarten die
Spieler. Das Regelwerk wird eine
Mischung aus übersetzen Hintergrundtexten des alten Regelwerks
und der Quellenbücher sowie neu
geschriebener Texte enthalten, die
gewisse Aspekte des Hintergrundes
ausbauen, die in der Originalversion
etwas vernachlässigt wurden. So war das
Original z.B. sehr auf die Briten zentriert,
während sich das neue Regelwerk auch mit
den anderen irdischen Mächten befassen wird.
Ein Team fähiger Autoren ist fast Tag und Nacht dabei, englische Texte zu übersetzen und neue zu schreiben, damit
das neue Space: 1889 das beste Space: 1889 aller Zeiten wird ;)
Ein Abenteuer zur Verwendung mit
Ubiquity-Regeln
New York an einem Abend im Herbst, 1869. Der Wind drückt die Äste
des alten Lindenbaums an die Fensterscheiben. Draußen auf dem East
River holen die Seeleute die Segel ein. Die Nachtwächter entzünden
die Gaslaternen und allmählich senkt sich das dunkle Tuch der Nacht
über die laute Stadt. Thomas reibt sich müde die Augen. Erst als die
Turmuhr die späte Stunde verkündet, streckt er sich zufrieden. Heute
ist er seinem Durchbruch schon ein Stückchen näher gekommen. Die
Apparatur läuft beinahe einwandfrei. Mit ihr wird es ihm gelingen, seinen Traum zu verwirklichen. Er wirft einen sehnsüchtigen Blick zum
Himmel empor. Dort funkeln die Sterne und versprechen ihm eine neue
und aufregende Welt. Thomas lächelt, dann löscht er die Lampen und
geht zu Bett.
Der Wind drückt noch immer gegen die Fenster. Im Haus ist alles
still geworden. Dann klirrt eine Scheibe…
Ein paar Worte zu Anfang
Dieses Abenteuer ist zur Verwendung mit Systemen wie Space
1889 geeignet und kann mit den dort beschriebenen UbiquityRegeln gespielt werden. Im Abenteuer selbst sind nur an wenigen Stellen Proben gefordert. Der Spielleiter kann weitere Proben
nach eigenem Ermessen an gegebener Stelle verlangen.
Illustrationen
Für das Buch werden fast ausnahmslos alle Illustrationen neu angefertigt. Weder Cover noch
Innenillustrationen des Originals sind noch als Film oder Datei
vorhanden, so dass wir, wenn wir das gewollt hätten, diese Bilder
hätten einscannen müssen.
Doch wir haben uns dazu entschlossen, Nägel mit Köpfen zu machen und neben den Regeln auch den Look von Space: 1889 zu
verändern bzw. unserer Meinung nach wesentlich zu verbessern.
Vom Cover über die Weltkarten der Planeten bis hin zu den „normalen“ Innenillustrationen wird gerade alles neu erstellt bzw. ist
bereits fertig (das Cover ziert z.B. diese Ausgabe des Zunftblatts).
Für einen Großteil der Innenillustrationen konnten wir einen sehr
begabten finnischen Illustrator (Juha Makkonen) gewinnen, der es
großartig schafft, den Look der Kupferstiche aus den Originalausgaben der ersten Jules Verne-Bände auf die von uns gewünschten
Bilder zu übertragen. Die in diesem Artikel gezeigten Bilder sind
noch nicht die fertige Version,
sondern lediglich die Bleistiftskizzen, die aber bereits zeigen,
welches Talent der gute Mann
hat.
So – das war es erst einmal an
Informationen zu Space: 1889.
Demnächst wird es an dieser
Stelle sicherlich einiges mehr zu
erzählen geben.
Patric Götz
14
Der Traum vom Fliegen
Das Zu nftb latt
Die Handlung
Die Charaktere werden von dem jungen Erfinder Thomas Alva
Edison um Hilfe gebeten. Jemand ist in sein Labor eingebrochen
und hat sich dort einer wichtigen Apparatur bemächtigt, ohne diese Edison seine bedeutendste Erfindung nicht abschließen kann.
Einem Hinweis folgend, machen sich die Charaktere auf die Jagd
nach dem ehemaligen Angestellten Nikola Tesla, der nun für Edisons Konkurrenten George Westinghouse arbeitet. Dabei stoßen
sie auf eine mysteriöse Frau, die eigentlich eine Maschine ist, und
begeben sich auf eine heiße Verfolgungsjagd quer durch die Stadt.
Am Ende stehen sie im Labor des Konkurrenten und müssen sich
im Kampf gegen eine mechanische Streitmacht behaupten. Dabei
erfahren sie einige interessante Tatsachen. Die Charaktere können
aber auch den gefährlichen Abstieg in die Unterstadt wagen, um
einen Prototypen zu bergen, für den sie unter anderem knifflige
Rätsel lösen müssen.
Der Einstieg
New York ist eine quirlige Stadt, deren zentrale Punkte die Insel
Manhattan, der Hudson River und natürlich der Broadway sind.
Ein rasterförmiges Netz von Straßen durchzieht diese schnell
wachsende Stadt, deren Häuser vor allem aus Backstein bestehen
und als „Brownstone Houses“ bezeichnet werden. Auf dem Hudson und dem East River fahren Dampfschiffe und über der Stadt
kreisen hin und wieder Heißluftballons. New York zieht eine Menge bunter Vögel an. Sänger, Schauspieler und andere kleine Sternchen versuchen hier ihr Glück, Gentlemen in schicken Gehröcken,
mit hohen Zylindern flanieren durch die Straßen, aber auch Wissenschaftler nutzen die Hafenanlagen, um in den weitläufigen
Hallen ihren Erfindungen nachzugehen.
Vielleicht lernen die Charaktere Edison bei einer Gesellschaft
kennen, zu der sie eingeladen wurden. Möglicherweise ist einer
der Charaktere selbst ein Wissenschaftler und damit ein Kollege
oder sie lesen in der Presse von dem Einbruch und einem Hilferuf
Edisons, der eine Belohnung verspricht. Der Spielleiter sollte den
Einstieg an die Charaktere anpassen, ohne dass diese sich genötigt fühlen.
Archetyp: Geschäftsmann
Edison stammt aus Ohio, was man an seinem Akzent hören kann.
Thomas ist ein junger, schlanker Mann Anfang Zwanzig, mit
dunklem Haar und ernsten Augen. Manchmal huscht ein spitzbübisches Lächeln über sein Gesicht, doch wenn es um seine Erfindung geht, wirkt er sehr geschäftstüchtig und ernst. Er ist der
geborene Unternehmer und schreckt auch nicht vor zweifelhaften
Methoden zurück. Leider macht er gelegentlich Versprechungen,
an die er sich nicht hält.
Nachdem einmal der Kontakt zu dem Wissenschaftler hergestellt
ist, lädt dieser die Charaktere auf eine Tasse Tee in sein Labor
ein. Neben einer gemütlichen Sitzecke füllen hohe Regale mit allerlei Büchern den Raum. Die Mitte des Raumes nimmt ein großer Tisch mit Zeichnungen und Notizen ein, daneben stehen eine
Werkbank und Kisten voller Arbeitsmaterial. Überall dazwischen
tummeln sich die verschiedensten Gerätschaften, die leise vor sich
hin ticken und rasseln, winzige Rauchfahnen ausstoßen und deren
feine Zahnrädchen sich scheinbar unaufhörlich drehen.
Der Blick aus dem Fenster, dessen Scheibe zerschlagen wurde,
zeigt auf den Hafen des East Rivers. Edison berichtet eifrig von
seiner Vision, mit Hilfe eines speziellen Propellers die Lüfte zu
erobern und die Weiten des Alls zu erkunden. Er erzählt, dass er
bis vor wenigen Wochen einen Mitarbeiter namens Nikola Tesla
hatte, der mit ihm die Grundlagen der Apparatur entwickelt hat.
Doch nach einem Streit war man auseinander gegangen und Tesla
arbeite nun für George Westinghouse, einen Konkurrenten Edisons. Ihm, so betont Edison, würde er einen Diebstahl zutrauen.
Edison erwähnt des Weiteren einen unvollständigen Prototyp
seiner Erfindung, der in einem alten Labor in der Unterstadt zu
finden sei. Den würde er jedoch nur im Notfall benutzen wollen.
Die Suche nach dem Dieb
Sollten die Charaktere beschließen, Tesla zu suchen, so erfahren
sie von dessen Vorliebe für Raucherclubs und Esoterik und erhalten eine Personenbeschreibung. Edison gibt ihnen keine bestimmte Vorgehensweise vor: Sie können in eine der beiden Richtungen
ermitteln und sollten so in beiden Fällen zum Labor des Konkurrenten gelangen. Entweder suchen die Charaktere den Raucherclub „Smokin‘ Moon“ auf oder sie nehmen an einer okkulten Vorführung im „Haus der Erleuchtung“ teil. Andernfalls besteht noch
die Möglichkeit, den Prototyp zu beschaffen. Bei diesem Plotpfad
erhalten die Charaktere von Edison eine Wegbeschreibung, die
sie quer durch die Unterstadt bis hinein in die Kanalisation führt.
Das Zu nftb latt
15
Archetyp: Wissenschaftler
Auf erleuchteten Wegen
Tesla ist ein junger Mann mit dunklem Haar, einem Schnauzbart
und einem osteuropäischem Akzent. Der gebürtige Serbe wirkt
etwas melancholisch und verträumt. Er steckt voller Ideale und
träumt davon, allen Menschen den Weg zu den Sternen zu ermöglichen. Leider fällt er immer wieder auf geschäftstüchtigere
Kollegen herein, die aus seinem Genie Kapital schlagen, ohne ihn
angemessen zu beteiligen. Sein genialer Geist fordert auch seinen
Tribut: Tesla neigt zu Zwangshandlungen, ist besessen von der
Zahl Drei und ekelt sich vor den Haaren anderer Menschen. Außerdem glaubt er an okkulte Phänomene.
Eine verrauchte Nacht
Im „Smokin‘ Moon“ erregen die Charaktere die Aufmerksamkeit der
Barsängerin und erfahren von ihr den Aufenthaltsort Teslas. Dort treffen sie auf den Gesuchten, der, sollten die Charaktere ihn an der Flucht
hindern, seine Beteiligung gesteht. Er führt die Charaktere zu dem
Labor.
Edison kennt zwar nicht Teslas derzeitigen Wohnort, doch er
erzählt den Charakteren vom „Smokin‘ Moon“, einem exklusiven
Raucherclub am Broadway. Der Club ist leicht zu finden, hineinzukommen ist jedoch nicht so leicht. Nur wer das Auftreten eines
Gentlemans besitzt, erlangt den Zutritt. Schicke Anzüge kann
man sich jedoch zwei Straßen weiter leihen, sollten die Charaktere
auf diese Idee kommen. An der Bar des „Smokin‘ Moon“ sitzen
mehrere feine Herren, die neben edlem Cognac die besten Zigarren konsumieren und über jene ausschweifende Debatten führen.
Die Szenerie wird von einer Sängerin namens Betty musikalisch
untermalt und durch einen Pianisten begleitet. Auf den ersten
Blick ist der Gesuchte nicht zu erkennen. Fragen sie zu direkt nach
Tesla, ernten sie verächtliche Blicke und können sogar des Clubs
verwiesen werden. In diesem Fall müssen sie nach einer anderen
Lösung suchen. Wenn die Charaktere geschickt sind, beteiligen
sie sich an den Gesprächen und können nach und nach einige spärliche Informationen erhalten. Man teilt ihnen mit, dass Tesla diese
Bar mehrfach in der Woche aufsucht, für heute jedoch angekündigt habe, sehr beschäftigt zu sein. Beim Verlassen der Bar folgt
ihnen die Sängerin und fängt sie in einer dunklen Ecke ab. Sie
beschreibt den Charakteren die Adresse Teslas, der ein Freund
von ihr sei. Sie bezeichnet ihn als einen guten Menschen, der bisher viel Pech im Leben hatte und bittet die Charaktere, ihm einen
schönen Gruß zu bestellen. Die genannte Adresse führt sie zu einem Hotel an der oberen Upper West Side.
Das Hotel ist von der noblen Sorte. In der Eingangshalle hängen
Kronleuchter und ein Portier erkundigt sich nach dem Anliegen.
Auf höfliches Nachfragen wird er den Charakteren die Zimmernummer nennen. Andernfalls wird er sie freundlich, aber bestimmt des Hotels verweisen.
Das Apartment mit der Nummer 123 liegt im 1. Stock. Tesla wird
auf ein Klopfen herein bitten, dann argwöhnisch nach dem Anliegen des Besuches fragen. Sobald er sich bedroht fühlt, ergreift
er die Flucht und schlägt den Weg zu seinem Labor ein. Wird er
jedoch gefangen gesetzt, gesteht er sehr schnell, in die Tat verwickelt zu sein und berichtet von seinem Auftraggeber, George
Westinghouse. Er führt die Charaktere auf Verlagen zum Labor.
(Bei „Das Labor“ weiterlesen)
16
Im „Haus der Erleuchtung“ werden die Charaktere von einer mechanischen Spionin beobachtet, die sich ihnen später in den Weg stellt. Nach
einem kurzen Kampf kommt es zu einer Verfolgungsjagd, die beim Labor endet.
Teslas Vorliebe für spirituelle und esoterische Dinge führt die
Charaktere schnell zum „Haus der Erleuchtung“, einem umfunktionierten Theater, in dem sich allabendlich Damen und Herren
mit zuviel Zeit einfinden, um Vorträgen über übernatürliche Begegnungen oder Theorien zu lauschen. Hier lässt man jeden ein,
selbst wenn er direkt aus der Gosse zu kommen scheint. Hauptsache, er teilt die Begeisterung der anderen. An diesem Abend
werden die Anwesenden Zeugen der Vorführung einer mit Dampf
betriebenen Maschine, welche die wagen Umrisse eines Wesens
an die Wand projiziert und aus deren Brummen und Rauschen die
Zuhörer mystische Nachrichten empfangen können, wenn sie es
denn wollen. Von Tesla können die Charaktere nichts erblicken.
Sie werden jedoch von einer mysteriösen Frau in dunkler Kleidung und mit streng geschnittenem, schwarzem Haar beobachtet.
Diese Frau wird die Charaktere verfolgen und Abstand halten, so
lange andere Menschen in der Nähe sind. In einem ruhigeren Teil
der Stadt, einer einsameren Straße oder einem weniger belebten
Abschnitt des Broadways, wird sich die Frau ihnen in den Weg
stellen. Sie fordert die Charaktere auf, nicht weiter nach Tesla zu
suchen und zieht dabei eine Klinge. Sie provoziert in jedem Fall
einen Kampf. Schießt man auf die Frau, erklingt bei einem Treffer
ein seltsam metallisches Geräusch und statt Blut, tritt Rauch aus
dem Einschussloch. Wird sie mindestens dreimal getroffen, so ergreift sie die Flucht und kann verfolgt werden.
Archetyp: Mysteriöse Frau
Der Spielleiter sollte die Werte an die Charaktere anpassen. Nach
Möglichkeit sollte die Frau körperlich überlegen sein, da es sich
bei ihr um einen Uhrwerkhybriden (menschenähnliche Maschine)
handelt.
Fertigkeiten: Messer, Waffenlos und Sportlichkeit (alles hoch)
Schwächen: große Mengen Wasser; das Wort „Dampfturbine“
ist ein Passwort, bei dem die Frau in der Bewegung einfriert
Die Verfolgung geht quer durch die Stadt. Dabei legt die Frau ein
heftiges Tempo vor, das den Charakteren wenig Zeit lässt.
Ideen für Zwischensequenzen:
Über die Dächer: Die Frau wird an einer Regenrinne hochklettern
und von Dach zu Dach springen. Hausvorsprünge und Schornsteine bieten Deckung und Absprunghilfen. Verlangen Sie hin und
wieder Proben auf Geschicklichkeit!
Strangers on a Train: Die Frau springt hinten auf einen Zug,
der gerade losfährt. Springen die Charaktere hinterher, so können
sie die Frau quer durch den Zug verfolgen. Dabei werden auch
einige Personen umgerannt. Dem Schaffner passt das gar nicht
und er versucht, die Unruhestifter aufzuhalten. Ein paar Damen
kreischen empört auf, wenn die Charaktere in das Abteil platzen.
Das Zu nftb latt
sehr ähnlich, allerdings weniger ausgereift. Ihre Werte
liegen im Durchschnitt der Helden, so dass diese nach
einigen Runden mit ihnen fertig werden können, ohne
das der Kampf deshalb langweilig sein sollte. Ideen für
die Maschinen:
Die Frau wird bis nach vorn zum Kohlewagen laufen. Nach einer wilden Kletterpartie
springt sie am Rande der Stadt ab.
In die Lüfte: Die Charaktere können
sich auch eines Heißluftballons bemächtigen. Bei der Dunkelheit ist die Sicht
jedoch sehr eingeschränkt. Auf diese
Weise sind die Charak-
• Ein etwa drei Meter hohes, metallenes Geschöpf, dessen Hydraulikschläuche unaufhaltsam pumpen und das sich auf zehn Beinen vorwärts bewegt.
• Ein rollender Koloss, der über mehrere
Greifzangen verfügt.
• Eine große Kugel mit rauchenden Öffnungen, die die Charaktere platt zu walzen versucht.
• Kleine, klickernde Roboter, die zwar nicht viel Schaden anrichten, jedoch sehr nervig sind.
tere schneller als
die Frau und können ihr den
Weg abschneiden.
Auf heißen Rädern: Auf ihrer Verfolgung biegen die Charaktere in eine belebtere Straße ein. Die Frau hat bereits einen kräftigen Vorsprung und ohne Hilfe scheint sie nicht mehr einholbar.
Da parkt ein Mann gerade sein dampfbetriebenes Laufrad vor
einem Haus. Das wäre eine gute Gelegenheit, vorausgesetzt, man
weiß es zu bedienen.
Das Labor
Egal, ob die Charakter dem fliehenden Tesla folgten, sich von ihm
führen ließen oder in einer abenteuerlichen Odyssee quer durch
die Stadt Jagd auf die mysteriöse Frau machten, sie werden irgendwann vor einem riesigen, scheinbar verlassenem Fabrikgebäude stehen. Wenn sie Tesla oder der Frau gefolgt sind, sehen sie
diese Person durch eine Stahltür in dem Gebäude verschwinden.
Gehen sie hinterher, so kommen sie durch einige große und kleine
Hallen, in denen alte Maschinen lagern. Nur das spärliche Mondlicht bescheint die Metallkolosse und lässt sie wie schlafende Riesen wirken. Am Ende der letzten Halle befindet sich eine schwere
Tür, unter der ein Lichtschein hervortritt. In diesem Raum treffen
die Charaktere auf Tesla, außerdem steht die mysteriöse Frau dort
und ein weiterer Mann, mit blondem Haar und einem Geschäftsanzug, der in einige Schriftstücken vertieft ist.
Sollten die Charaktere in Begleitung von Tesla dort auftauchen,
so wird dieser die beiden anderen Personen als George Westinghouse und Lora vorstellen. In jedem Fall begreift Westinghouse
die Situation sehr schnell. Er bietet den Charakteren an, ihnen
seine bahnbrechende Erfindung vorzuführen und betätigt einige
Hebel. Sollte er daran gehindert werden, so wird Lora dieses tun
und danach die Charaktere angreifen.
In den Hallen ertönt ein fürchterliches Getöse und Lichter flammen auf. Das, was die Charaktere zunächst für ausrangierte
Maschinen hielten, scheint zum Leben zu erwachen. Uhrwerkhybriden in verschiedensten Formen attackieren die Charaktere. Einige versuchen sie festzuhalten, andere produzieren so viel
Rauch, dass man kaum noch etwas sehen kann. Manche sind Lora
Westinghouse ergreift die Flucht, sobald er sich im Nachteil sieht und lässt die Apparatur zurück. Tesla, der sich irgendwann von seinem Schreck erholt hat, stoppt die übrigen Maschinen
und auch Lora, in dem er laut „Dampfturbine“ ruft. Augenblicklich gefrieren diese in der Bewegung. Der junge Wissenschaftler
bricht darauf hin erschöpft zusammen und erzählt den Charakteren seine Geschichte: „Thomas und ich haben diese Apparatur
zusammen entwickelt. Ich wollte, dass unsere Erfindung allen
Menschen helfen soll, doch Thomas ging es nur um den Gewinn.
Wir haben uns gestritten und er warf mich aus dem Labor. Danach nahm er die Apparatur mit nach Hause und arbeitete dort
weiter. Ohne eine Anstellung und ohne das nötige Geld konnte ich
allein nicht weitermachen, bis ich irgendwann Mr. Westinghouse
kennenlernte. Er versprach mir zu helfen und schließlich brachen
dieses Ding Lora und ich bei Thomas ein. Es war nicht richtig, das
zu tun. Ich bereue es zutiefst.“ Was nun mit Tesla geschieht, bleibt
ihren Spielern überlassen.
Alternative Möglichkeit - der Prototyp
Wenn sich die Charaktere für den Prototypen entschieden haben
oder beim Versuch Tesla zu finden gescheitert sind, findet der
Spielleiter im folgenden Text den alternativen Plotpfad.
Nachdem sich die Charaktere in der Unterstadt der einen oder anderen
Widrigkeit stellen mussten, erreichen sie die Kanalisation. Dort versteckt liegt das Labor, zu dem man durch die Lösung eines Rätsels Zutritt erhält. Edison nennt ihnen einen Zahlencode: 382. Alternativ hilft
auch Gewalt. Im Labor befindet sich der Prototyp, gesichert durch ein
weiteres Rätsel, das man notfalls auch weglassen kann. Die Lösungen
sind beschrieben.
Um den Prototypen zu bergen, sollten sich die Charaktere auf den
Weg in die Unterstadt machen. Der Spielleiter kann den Weg ansprechend gestalten, indem die Charaktere z.B. auf einem Schaufelraddampfer ein Stück den Fluss hinauf fahren müssen.
Die Unterstadt selbst ist eine heruntergekommene Gegend, in der
es nach Abfall und Kot stinkt. Im schummrigen Licht der wenigen
Gaslaternen streifen verlumpte Gestalten umher, die nicht unbedingt freundlich auf Fremde reagieren.
Das Zu nftb latt
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Ideen für Zwischensequenzen:
Heilige Blumen
Mit Abfall beworfen: Einige Obdachlose haben eine ziemliche
Wut auf die Besucher, die offensichtlich nicht aus der Gosse stammen. Sie werfen mit Abfall und Dingen, die wir hier lieber nicht
beim Namen nennen. Gehen die Charaktere auf diese Provokation
ein, kann es zu einer ausgewachsenen Prügelei kommen.
Von Gebell verfolgt: Auch streunende Hunde mögen die Fremden
nicht. Außerdem sind sie hungrig und wittern in ihnen Nahrungskonkurrenten. Sie werden alles tun, um die Eindringlinge wieder
loszuwerden.
In der Sackgasse gelandet: Scheinbar haben die Charaktere die
falsche Abzweigung genommen. Immer wieder landen sie in einer
Sackgasse. Orientierungsproben könnten sie wieder auf den richtigen Weg bringen.
Nach einer beschwerlichen Reise quer durch die Unterstadt stehen die Charaktere vor dem Eingang zur Kanalisation. Mit lautem
Quietschen lässt sich das verrostete Tor öffnen. An dieser Stelle
wäre ein Wurf auf Stärke gefragt. Steinerne Stufen reichen in die
feuchte Dunkelheit hinab. Hier ist der Gestank noch schlimmer,
als an der Oberfläche. Ohne Gaslaternen oder Fackeln werden
die Charaktere nicht weit kommen. Am Fuß der Treppe quieken
ein paar Ratten erschrocken auf und suchen das Weite. Der Weg
führt durch einen engen Gang bis hinunter zu einem unterirdischen Fluss, der Kloake New Yorks. Nach einigen Biegungen und
noch mehr Ratten kommen die Charaktere an eine schmale Brücke ohne Geländer, die quer über den ca. vier Meter breiten Fluss
führt. Wem eine erschwerte Geschicklichkeitsprobe misslingt,
wird sich schnell in einer schlammigen Brühe wiederfinden, die
ihm bis zum Hals reicht.
Doch irgendwann stehen sie vor einer kleinen Stahltür. Das Edison und sein ehemaliger Kollege etwas neurotisch in ihren Vorkehrungen waren, macht nicht nur die absonderliche Lage des Labors, sondern auch das ausgeklügelte Türschloss klar. Dort ist ein
Code von 3 Zahlen einzugeben.
Lösung: Der richtige Code lautet 291.
Leider stimmt etwas mit dem Code, den Edison ihnen nannte,
nicht. Die Kombination 382 erweist sich als falsch. (Das Rätsel
funktioniert ähnlich wie das Spiel Mastermind: Für die richtige
Zahl gibt es ein Signal und für die richtige Zahl am richtigen
Platz ein anderes Signal. Bei 382 gibt es ein Signal für die richtige
Zahl am falschen Platz.) Edison wies die Charaktere darauf hin,
dass jede Zahl nur einmal vorkommen kann und man nur 10 Versuche habe, dann verschließe sich die Tür endgültig. (Der Spielleiter sollte die Anzahl der Versuche an die Gewitztheit der Spieler
anpassen oder notfalls auch Intelligenzproben verlangen, um das
Rätsel zu lösen. Vielleicht ist unter den Charakteren ebenfalls ein
Wissenschaftler. Dieser könnte den Mechanismus zurücksetzen,
um weitere 10 Versuche freizuschalten.) Sollten die Charaktere das
Rätsel nicht lösen können, müssen sie Stärkeproben ablegen, um
die Tür mit Gewalt zu öffnen.
Dieses Abenteuer führt die Charaktere an einen geheimnisvollen
Ort im Himalaja. Es kann für jeden Steampunk- und Pulp-Hintergrund genutzt werden, lässt sich aber auch leicht auf andere
Genres wie Fantasy umschreiben. Am besten eignet es sich für
eine Spielgruppe, deren Spieler Freude an investigativen Abenteuern haben und deren Spielleiter gerne mit einigen NSC von einer
Ausgangssituation aus improvisiert.
erwähnen. Sie steht in einem Glaskasten, der vier Schlösser besitzt. Vier Schlüssel liegen auf dem Tisch daneben. Sie haben unterschiedliche Formen: Ein Quadrat, ein Halbkreis, ein Dreieck
und ein Kreis. Die Öffnungen passen zu jeweils einer Form und
sind in dieser Reihenfolge angeordnet. Über jedem Schlüsselloch
befindet sich ein Loch, aus dem Dampf austritt, wenn der Schlüssel auf die richtige Art gedreht wird. Den Glaskasten zu zerschlagen wäre eine blöde Idee, da dann die empfindliche Apparatur
Schaden nähme.
Die Lösung: Jeder Schlüssel wird eine Vierteldrehung weiter
gedreht, als der vorhergehende. Das Quadrat wird eine Vierteldrehung, der Halbkreis eine halbe Drehung, das Dreieck eine
Dreivierteldrehung und der Kreis eine ganze Drehung gedreht.
Erst wenn alle vier Schlüssel richtig gedreht wurden, ertönt ein
Klicken und der Glaskasten öffnet sich.
Den Rückweg kennen die Charaktere bereits. Auch hier kann man
eine der oben vorgeschlagenen Widrigkeiten einbauen. Edison ist
jedenfalls froh darüber, dass seiner Erfindung nun nichts mehr im
Weg steht, auch wenn der Prototyp einer deutlichen Bearbeitung
bedarf.
Das Ende
Wie auch immer die Charaktere vorgegangen sind, sobald sie das
Original oder den Prototypen zu Edison bringen, wird dieser sehr
erfreut reagieren. Er schüttelt allen Beteiligten überschwänglich
die Hände und verspricht, sie in seinen Memoiren zu erwähnen.
Die finanzielle Belohnung fällt hingegen mehr als dürftig aus.
Spricht einer der Charaktere Edison darauf an, so wird dieser
lachend entgegnen: „Mein Freund, Sie verstehen den amerikanischen Humor nicht.“
CS
Anmerkung der Autorin: Dies ist kein offizielles Abenteuer zu
Space: 1889. Außerdem sei darauf hingewiesen, dass Nikola Tesla
in diesem Abenteuer älter dargestellt wird, als er in Wirklichkeit
war.
Ist diese Hürde genommen, so können die Charaktere das alte
Labor betreten. Die Apparatur wird jedoch von einer Vorrichtung geschützt. Leider hat Edison vergessen, diese Kleinigkeit zu
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Das Zu nftb latt
Hintergrund:
Zwischen den Gipfeln des Himalajas, in hohen Tälern voller Abgeschiedenheit gibt es viele buddhistische Klöster und Orden, bei
denen das spirituelle Leben pulsiert und auch das Weltliche im
Schutze der Berge floriert. In einem dieser Täler lebt die Lichtgarde. Dieser Orden ist gleichzeitig so geheimnisumwoben und
so verehrt, dass die meisten Nepalesen nur von ihm zu flüstern
wagen. Die Westliche Welt hat erst vor wenigen Jahren von seiner
Existenz erfahren und weiß fast nichts von ihm.
Die Lichtgarde wurde erst vor etwas mehr als zweihundert Jahren
als reiner Kämpferorden gegründet. Bis heute hat sie sich jedoch
zu einer Art Kriegerkaste der Umgebung entwickelt. In fast jeder
Stadt Nepals gibt es einige Dutzend Lichtgardisten, die im Verborgenen Recht und Ordnung verteidigen. Aufgrund ihrer guten
Ausbildung stellen sie auch oft Elitetruppen und militärischen
Anführer. Ihr Ruf ist derart legendär, dass allen Bewohnern der
Lichtfestung großer Respekt entgegen gebracht wird, auch wenn
sie nach ihrer obligatorischen Kampfausbildung bloß Äcker bewirtschaftet haben.
Für den großen Einfluss der Lichtgardisten gibt es aber neben
ihren Fähigkeiten noch einen anderen guten Grund. Und das ist
ihre große Zahl. Nicht nur, dass viele Tibeter und Nepalesen bei
der Lichtgarde vorstellig werden, um in die Ausbildung aufgenommen zu werden, vor allem pflanzen sich die Bewohner der
Lichtfestung sehr schnell fort. Die Frauen in der Lichtfestung
sind außergewöhnlich fruchtbar, werden sehr häufig schwanger
und bringen die Kinder fast immer lebendig und gesund zu Welt.
Nach zweihundert Jahren exponentiellen Wachstums sind aus den
wenigen hundert Gardisten und Gardistinnen, die die Lichtgarde
gründeten, tausende geworden. Niemand kennt den Grund dafür,
nicht einmal die Lichtgardisten selbst. Die meisten vermuten, dass
das Gebirgstal, in dem die Lichtfestung liegt, in irgendeiner Weise heilig ist. Schließlich ist es auch der einzige bekannte Ort, an
dem die Heiligen Blumen wachsen.
Nach längerer Analyse durch einen fähigen Alchimisten, erfuhr
Lichtstreiter weiterhin, dass diese Substanz die Fruchtbarkeit von
Frauen stark steigern könnte. So gründete er die Lichtgarde und
errichtete die Lichtfestung in jenem Tal. Um das Geheimnis der
Pflanzen zu waren, verbarg Lichtstreiter sie dort, wo alle sie sehen
konnten. Er erklärte sie zu den Heiligen Blumen, die ein Symbol
der Erleuchtung darstellten und als Lobpreisung Buddhas ständig
gepflegt und geschützt werden müssten. So wurden die Pflanzen
gut geschützt, ohne dass jemand einen praktischen Grund dafür
erfahren musste.
Die Jahre gingen ins Land und die Lichtgarde wuchs zu einer
Macht heran. Regelmäßig streute der Großmeister heimlich zerriebene Samen der Heiligen Blumen in den Fluss, der durch die
Lichtfestung fließt, so dass alle seine Anhänger etwas davon mit
dem Trinkwasser aufnahmen. So stieg ihre Kampfkraft etwas, vor
allem aber ihre Zahl gewaltig.
Lichtstreiter starb und gab sein Amt mit seinem Geheimnis weiter. Generationen gingen ins Land, bis der neue Großmeister des
Ordens zufällig wieder Lichtstreiter hieß. Dieser ist bereits alt und
er weiß, dass er bald sterben wird. Deshalb hat er einen schweren Entschluss gefasst: Die Heiligen Blumen müssen vor ihm das
Zeitliche segnen. Er ist alt und weise genug, um zu wissen, welche Folgen das starke Bevölkerungswachstum der Lichtgarde auf
Dauer haben würde. Er kann das Risiko nicht eingehen, dass nach
seinem Tode jemand die Wirkung der Pflanzensamen herausfindet. Das rasche Bevölkerungswachstum muss aufhören. Dass die
Lichtgardisten dabei auch etwas von ihrer Kampfkraft einbüßen
werden, stellt für Lichtstreiter ein notwendiges Übel dar, zumal
ihre Kampftechniken mittlerweile so ausgefeilt sind, dass ihre rein
körperlichen Fähigkeiten nicht das einzig Wichtige sind.
Doch auch der Großmeister der Lichtgarde kann deren Heilige
Blumen nicht einfach so verschwinden lassen. Deshalb vergiftet
er sie langsam mit Kupfer, so dass es aussieht, als stürben sie an
einer Krankheit. In der Öffentlichkeit spielt Lichtstreiter sehr
überzeugend den Betroffenen und sucht nach Leuten, die in der
Notlage helfen können. Dabei kommen ihm die Charaktere ganz
recht. Sie kommen von außerhalb, so dass niemand sie als Täter
verdächtigen könnte. Sie sind entbehrlich, falls sie etwas herausfinden sollten. Und vor allem sprechen die meisten Bewohner der
Lichtfestung keine europäischen Sprachen, so dass die Charaktere
trotz ihres Übersetzers auf geringe Kooperationsbereitschaft stoßen werden.
Ablauf des Abenteuers:
Damit liegen sie nicht ganz falsch. Der Einzige, der das Geheimnis
seit dem Gründer des Ordens kennt, ist der jeweilige Großmeister
der Lichtgarde, der seinen Nachfolger in dieses Geheimnis einweiht. Der momentane Großmeister trägt den Namen Lichtstreiter und ist damit nach dem Gründer des Ordens benannt, der die
Garde vor zweihundert Jahren erschuf.
Der Ablauf des Abenteuers kann sehr kurz gefasst werden, denn
der Spielleiter wird vieles davon improvisieren müssen. Die meiste Zeit des Abenteuers suchen die Charaktere in alle Richtungen
nach Spuren. Wie sie sich dabei verhalten, hängt ganz von den
Spielern ab und kann somit in diesem Text nicht abgehandelt
werden. Welche Personen sie dabei verdächtigen und vernehmen
können, wird dafür entsprechend ausführlich aufgeführt werden.
Doch bevor er Anhänger um sich scharrte und die Lichtgarde
gründete, bereiste er die Welt und entdeckte in einem abgelegenen Tal im hohen Gebirge eine wunderschöne Blume. Ihre Samen
enthielten eine Substanz, die schon in winzigen Mengen das Muskelwachstum und die Reflexe eines Menschen steigern konnte.
Die Charaktere werden bei Lichtstreiter, dem Großmeister der
Lichtgarde, vorstellig. Entweder sind sie in einer Stadt außerhalb
der Lichtfestung angeworben worden, oder sie wollen irgendetwas Wichtiges bekommen, was sich im Besitz der Lichtgarde
befindet. So oder so stellt ihnen Lichtstreiter eine entsprechende
Das Zu nftb latt
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Belohnung in Aussicht, wenn sie die kranken Heiligen Blumen
retten können. Er gibt ihnen eine bereits tote Blume, mit der sie
einen kundigen Pflanzenheiler aufsuchen sollen. Die Lichtfestung
verfügt über niemanden, der sich damit auskennen könnte. Aber
vielleicht wissen die Charaktere, wohin sie gehen müssen, oder
einer von ihnen ist bewandert genug in dieser Wissenschaft.
In beiden Fällen erfahren sie, dass die Blumen vergiftet werden.
Als sie mit dieser Nachricht zum Großmeister zurückkehren, beauftragt er die Charaktere, den Täter ausfindig zu machen und
herauszufinden, wie es ihm gelingt, die ständig bewachten Blumen zu vergiften. Des Rätsels Lösung ist recht einfach, aber nur
schwer zu sehen. Während der Nacht wird der Blumenschrein verriegelt und bewacht. Der Großmeister hat jedoch einen geheimen
Zugang zu dem Schrein und nutzt ihn, um die Blumen zu vergiften. Diesen Fall aufzuklären, wird den Charakteren schwer fallen,
weil ihr Auftraggeber gegen sie arbeitet. Vor allem lässt er nicht
zu, dass sich die Charaktere sich nachts innerhalb des Schreins auf
die Lauer legen. Er begründet das damit, dass es das Heiligtum
entweihen würde und den zu rettenden Blumen den Sinn nähme.
Es gibt zwei mögliche Ausgänge des Abenteuers: Entweder gelingt es den Charakteren nicht, den Täter zu fassen, und die Blumen sterben. Obwohl er nach außen etwas Anderes vortäuschen
wird, wäre Lichtstreiter mit diesem Ausgang sehr zufrieden und
würde den Charakteren für ihre Mühen die Belohnung dennoch
geben. Wenn es die Charaktere doch schaffen, des Nachts innerhalb des Schreins zu sein und Lichtstreiter erwischen, dann erklärt er ihnen die Lage und versucht, sie mit der versprochenen
Belohnung zum Schweigen zu bringen. Dabei macht er ihnen klar,
dass er ihren Tod anordnen wird, sollten sie ihn verpetzen oder
ihn zu erpressen versuchen. Da fast niemand in der Lichtfestung
ihre Sprache spricht, sollte den Charakteren klar sein, dass sie gegen den Großmeister nicht ankommen. So verschwinden sie mit
der Belohnung und Lichtstreiter kann seinen Plan zu Ende durchführen und die Zukunft der Lichtgarde ist dauerhaft gesichert.
Die Lichtfestung:
Der Ort des Geschehens ist die Lichtfestung. Abgesehen davon,
dass es sich um eine Stadt und keine Burg handelt, ist der Name
Lichtfestung vollkommen gerechtfertigt. Die Stadt liegt in einem
Tal im zerklüfteten Gebirge. Von zwei Seiten aus könnte sie nicht
einmal von Bergziegen angegriffen werden, so steil sind die Abhänge. Die anderen Seiten werden von einer massiven Mauer geschützt, die selbst an der niedrigsten Stelle noch mindestens sechs
Schritte weit in die Höhe ragt. Schon aufgrund der Architektur
müsste man lebensmüde sein, um die Lichtfestung anzugreifen.
Erschwerend kommt hinzu, dass der Ort von den Kämpfern der
Lichtgarde gewacht wird. Umgeben ist die Stadt von einer Vielzahl von Gehöften, die einen Teil der Nahrung herstellen, die die
Bewohner der Lichtfestung so konsumieren. Diese reichen für die
inzwischen fast fünftausend Seelen fassende Stadt bei Weitem
nicht aus. Doch die Lichtfestung ist durch ihre hohen Einkünfte aus Söldnerbesoldung und Anderem reich genug, um einen
großen Teil ihrer Nahrung selbst aus dem fernen Flachland zu
importieren.
Folgende wichtige Gebäude gibt es in der Lichtfestung zu
besuchen:
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Die Wohngebäude:
Durch ihr asketisches Selbstverständnis geprägt, bewohnen die
Einwohner der Lichtfestung wenig luxuriöse, aber dafür hohe
Steintürme, die bis zu vier Stockwerke haben und mit vielen Fresken und Skulpturen verschönert sind. Die Türme unterscheiden
sich in ihrer Größe nur, um größere Familien aufzunehmen. Eine
reiche Oberschicht mit besonders großen Häusern gibt es bei der
Lichtgarde nicht.
Das Gasthaus:
Das Gasthaus hat keinen speziellen Namen, denn es ist das einzige
der Stadt. Es handelt sich um ein großes, fast kubisches Steingebäude, das Jadeglanz gehört. Es kann bis zu zwanzig Gäste aufnehmen, doch Jadeglanz vermietet nur an Buddhisten und weigert
sich je nach Laune sogar, Fremdlinge auch nur zu bewirten.
Der Landeplatz:
Obwohl sie asketischen leben, lehnen die Lichtgardisten den Fortschritt nicht ab, wenn er der gesamten Garde hilft. Daher hat die
Lichtfestung einen Landeplatz für Flugschiffe, auf dem auch mehrere täglich landen, Handel treiben und Reisende transportieren.
Die Lager:
In den Felswänden, die die hintere Grenze der Stadt bilden, wurden viele natürliche Höhlen ausgebaut. Hier werden Bedarfsgüter und Nahrungsmittel im großen Stile eingelagert. Weiterhin
wurde ein Fluss, der eigentlich nur innerhalb der Berges floss,
so umgeleitet, dass er nun einen Schlenker durch die halbe Stadt
macht, bevor er in sein eigentliches Bett zurückfindet. So ist die
Lichtfestung für lange Zeit mit Essen und unbegrenzt mit Wasser
versorgt.
Das Haus des Großmeisters:
Hier wohnt Lichtstreiter, Großmeister der Lichtgarde. In dem
großen Turm lebt und arbeitet er nicht nur, hier trifft sich auch
der Rat der Meister mit seinen siebzehn Mitgliedern. Der Turm
hat einen prunkvollen Anbau, in welchem bedeutende Gäste und
Gesandte vom Großmeister und seinen Beratern empfangen werden. Von dem Haus führt ein geheimer Gang in den Schrein der
Heiligen Blumen.
Der Tempel:
Der Tempel ist das mit Abstand größte Gebäude der Lichtfestung.
Hier vereinigt sich praktisch das gesamte kulturelle Leben der
Lichtgarde. Hier befinden sich der Schrein der Heiligen Blumen,
ein Meditationsraum, eine Vielzahl von Gemeinschaftsräumen,
das Hospital und das Dojo. Die Charaktere dürfen sich im Tempel
nur in Begleitung aufhalten und auch dann nur den Blumenschrein,
weil es zu ihrem Auftrag gehört, und das Dojo besuchen, weil die
Lichtgarde sehr stolz auf ihr Dojo ist. Der Blumenschrein ist wenig mehr als ein sehr gut gesichertes Atrium mit Blumenbeet, das
Das Zu nftb latt
des Nachts abgeschlossen ist und bewacht wird. Im Dojo werden
die Schüler der Lichtgarde in einer Vielzahl von bewaffneten und
unbewaffneten Kampftechniken unterrichtet und so zu mächtigen
Kämpfern gemacht. Eine Besonderheit im Dojo stellt das in großen Buchstaben an die Wand geschriebene Motto der Lichtgarde
dar: „Glück ist besser als Können.“ Damit ist nicht gemeint, man
solle sich auf sein Glück verlassen. Die Bewohner glauben nicht,
dass sich irgendwer auf sein Glück verlassen kann. Im Gegenteil:
Die Lektion lautet, man sollte niemals einen Kampf suchen, egal
wie gut man ist. Denn wenn der Gegner Glück hat, wird einem
das eigene Können unter Umständen nicht weiterhelfen.
Nennenswerte Einwohner der Lichtfestung
Die Lichtfestung hat sehr viele Einwohner, die allesamt Asiaten
sind und wovon die meisten für das Abenteuer keine Rolle spielen. Hier sollen einige aufgeführt werden, die den Charakteren
bei ihren Nachforschungen helfen können oder die die Charaktere
verdächtigen könnten. Es ist zu bemerken, dass die allermeisten
Bewohner keinerlei europäische Sprachen sprechen. Daher stellt
Lichtstreiter den Charakteren einen Begleiter zur Seite, der ihnen
helfen und für die übersetzen kann.
Die Namen der Lichtgardisten sind wörtlich übersetzt, denn all
ihre Namen haben eine Bedeutung.
Lichtstreiter:
Der Großmeister der Lichtgarde ist nicht nur der Auftraggeber
der Charaktere, sondern auch der Drahtzieher des Schlamassels.
Augenscheinlich wird er die Charaktere unterstützen, aber im
Hintergrund unauffällig gegen sie arbeiten.
Graublick:
selben Zeit in den Dienst des Großmeisters trat, als die Blumen
erkrankten, verdächtigen ihn viele der Lichtgardisten, schon weil
nicht wenige ihm seinen Rang neiden.
Sonnenlied:
Sonnenlied ist die Frau von Lichtstreiter. Obwohl es keine Scheidung in der Lichtfestung gibt, wohnt sie absichtlich am anderen
Ende der Festung und hat praktisch keinen Kontakt mehr zu
ihrem Ehemann. Viele verdächtigen sie als Drahtzieherin, auch
wenn niemand weiß, wie sie es anstellen sollte, die Blumen zu vergiften. Aber jeder weiß von ihrer Eifersucht und dass sie ihrem
Ehemann vorwirft, sie mehrfach betrogen zu haben. In Wahrheit
ist ihre Eifersucht gespielt, um davon abzulenken, dass sie es ist,
die ihren fast dreißig Jahre älteren Ehemann schon häufig mit einem jüngeren Mann hinterging.
Sonnenlied und Lichtstreiter haben drei Kinder, die allesamt als
Krieger der Lichtgarde in anderen Städten des Himalajas die
Macht des Großmeisters repräsentieren.
Jadeglanz:
Der Wirt des einzigen Gasthauses der Lichtfestung heißt Jadeglanz. Er ist gegenüber Fremdlingen sehr misstrauisch, und es
wird die Charaktere viel Mühe kosten, seine Hilfe zu gewinnen.
Geld nimmt er von Ungläubigen nicht an. Drohungen nimmt
er nicht ernst, weil er sich wie alle anderen in der Stadt auf den
Schutz der Lichtgarde verlassen kann, und andere Argumente
müssen schon sehr gut sein, um ihn zu überzeugen. Sollte er den
Charakteren helfen, kann er sich aber als sehr nützlich herausstellen. Er hört viele Gerüchte und hat jede Menge Informanten. Er
kann die Charaktere auf jede Menge echter und falscher Fährten
ansetzen.
Lars-Hendrik Schilling
Ein altere Veteran und erfahrener Kämpfer ist Graublick. Seine
Ahnen gehörten zu den Gründungsmitgliedern der Lichtgarde
und er ist ein altes Mitglied des Rates der Meister. Auf seinen langen Reisen durch die Welt lernte er viele Sprachen und wird den
Charakteren von Lichtstreiter daher als Begleiter und Übersetzer
zur Seite gestellt, während diese in der Lichtfestung weilen.
Kristallsplitter:
Das jüngste Mitglied des Rates der Meister ist Kristallsplitter. Sie
steht den Wachen der Stadt vor und stellt die oberste Polizeigewalt der Lichtfeste dar. Kristallsplitter hat einen enormen analytischen Verstand und ist eine fähige Kämpferin. Als Wachmeisterin
kann sie den Charakteren den nächtlichen Zugang zum Schrein
der Heiligen Blumen ermöglichen. Wenn es den Charakteren gelingt, diese schweigsame und nachdenkliche Frau auf ihre Seite zu
bringen, sind sie sehr viel weiter gekommen.
Wassersohn:
Wassersohn ist ein junger Lichtgardist, der dem alternden Großmeister bei allerlei Tätigkeiten zur Hand geht. Da er etwa zur
Das Zu nftb latt
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Die Magie der Bilder
Ein Interview mit Bernd Perplies
Bernd Perplies ist ein aufgehender Stern am Himmel der
deutschen
Fantasyliteratur.
Sein Debütwerk „Tarean – Sohn
des Fluchbringers“ erreichte den
3. Platz beim Deutschen Phantastik Preis 2009. Sein neuster
Roman
„Magierdämmerung“
steht seit Ende letzten Jahres
in den Buchläden. Neben seiner
literarischen Tätigkeit widmet
Perplies sich Übersetzungsarbeiten für Pegasus Spiele,
Cross Cult und andere Verlage
oder wirkt als Redakteur am
TV- und Kinomagazin „Space View“ mit. Zu seinem neuen Roman,
aber auch zum Autorendasein diesseits und jenseits der neuen Medien stand der sympathische Wiesbadener uns Rede und Antwort.
1. Ihr neuster Roman „Magierdämmerung“ dreht sich um Zauberer
im London des 19. Jahrhunderts. Was hat sie dazu bewogen, ihren
Roman im viktorianischen Zeitalter anzusiedeln?
Drei Dinge. Zum ersten hatte ich kein Interesse daran, nach der
Tarean-Trilogie erneut eine Geschichte in einer High-FantasyWelt zu schreiben, denn ich wollte und will mich nicht in bestimmten Bahnen festschreiben. Ich liebe die Abwechslung. Als es
dann daran ging, ein Konzept auszuarbeiten, entschied ich mich
recht schnell für die viktorianische Epoche als Setting, weil ich
zum zweiten die Geschichten des ausgehenden 19. Jahrhunderts –
von „Dracula“ über „Sherlock Holmes“ bis „20.000 Meilen unter
dem Meer“ – sehr mag. Darüber hinaus wollte ich zum dritten
unbedingt mal mit diesen literarischen Stoffen spielen, etwa in der
Art, wie es auch Alan Moore in „The League of Extraordinary
Gentlemen“ gemacht hat. Das schlägt sich im Roman beispielsweise in der Figur des Jupiter Holmes nieder, die eine ganz eigene
Verbindung zu Arthur Conan Doyles Sherlock Holmes hat.
2. Auch frühere Werke wie „Tarean“ drehen sich um Hexerei und
Magie. Was fasziniert Sie so an diesem Thema?
Die Fantasy und die Magie gehören für mich einfach zusammen.
Ich mag es, Konzepte übernatürlichen Wirkens zu entwickeln,
die dann auch nicht einfach „da“ sind, sondern in sich möglichst
schlüssig ein Ganzes ergeben. Für „Tarean“ schuf ich die mit den
Kristalldrachen verknüpfte „Alte Macht“, deren Kraft sehr intuitiv wirkte. Tarean murmelt beispielsweise keine Zaubersprüche.
Für die „Magierdämmerung“ ersann ich mit der Fadenmagie
dagegen ein extrem naturwissenschaftliches und für Leser gut
nachvollziehbares Magiekonzept, dessen klare Regeln es mir
leicht machten, festzulegen, was magisch möglich ist und was
nicht. Da es sich an dieser Stelle anbietet, möchte ich das gerne
ein bisschen genauer erklären: Das Magiesystem in „Magierdämmerung“ basiert auf zwei Prämissen. Zum einen ist da die Magie
selbst. Sie ist eine Art Naturgewalt, wie Feuer oder Wasser, etwas,
das, wie der alte Magier Giles McKellen seiner Enkelin im Roman erklärt, weder gut noch böse, sondern schlicht gleichgültig
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ist. Sie hat Eigenschaften einer hochenergetischen Strahlung – ich
habe sie mir als eine Art Radioaktivität vorgestellt –, denn sie
vermag Körper und Dinge zu durchdringen und zu sättigen, die
dann mehr oder minder magisch aufgeladen werden. Das hat bis
zu einem gewissen Grad seine Vorteile, denn ein Mensch entwickelt seine außergewöhnlichen Gaben nur dadurch, dass sich die
Magie in seinem Körper anlagert. In einer zu hohen Dosis wird
sie jedoch schädlich, hat bizarre Mutationen zur Folge und kann
in den Wahnsinn treiben. Es heißt, die Magie besitzt chaotische
Schöpfungskraft. Und tatsächlich tötet sie auch in höchsten Dosen
nicht, sondern verwandelt das Leben nur auf wundersame Weise.
Ursprünglich stammt die Magie aus einer chaotischen Dimension, die unserer normalen Welt mit seinen Naturgesetzen völlig
fremd ist. Durch Risse und Spalten zwischen beiden Wirklichkeiten sickert sie jedoch auf die Erde und führt zu lokalen magischen
Phänomenen. Wer damit in Berührung kommt verändert sich im
oben genannten Sinne. Die vielleicht elementarste Gabe, die ein
Magiekundiger erhält – und das ist die zweite Prämisse meines
Magiesystems – ist die so genannte Wahrsicht. Sie erlaubt ihm,
die Verbindungen, die zwischen allen Dingen bestehen, zu sehen.
Eine Erinnerung an meinen Physikunterricht in der Schule hat
mich dazu inspiriert. Es ging damals um Optik, und ich fand den
Gedanken faszinierend, dass wir nicht sehen können, weil unsere Augen aktiv etwas dazu beitragen würden, sondern weil Licht
von der Sonne oder einer Lampe von Oberflächen reflektiert wird
und in unsere Augen fällt. Es existiert also eine Verbindung zwischen den Dingen um mich herum und meinen Augen: in Form
von Lichtstrahlen. Weitergedacht gibt es natürlich auch noch
„Verbindungen“ in Form von Schallwellen, Infrarotstrahlen und
mehr. Fantastisch vereinfacht wurde daraus in „Magierdämmerung“ das so genannte Fadenwerk, die Gesamtheit aller Verbindungen – oder Fäden – zwischen den Dingen. Ein Magier vermag
dieses glitzernde Durcheinander zu sehen, wenn er in die Wahrsicht überwechselt, und er kann die Fäden, je nach Erfahrung und
Talent, mehr oder minder gut manipulieren. Dadurch vermag er
beispielsweise Gegenstände telekinetisch zu sich zu holen – indem
er die Fäden zwischen sich selbst und, sagen wir mal einem Buch,
zusammenzieht. Er kann sich auch an Fäden von Dächern abseilen
oder an ihnen hochziehen, ein wenig wie Spider-Man.
3. Ihrer Vita entnommen haben Sie Germanistik und Filmwissenschaft studiert. Gibt es Autoren, Werke und Filme, die Sie besonders
beeinflusst haben – besonders in Hinblick auf Ihren neusten Roman?
Ja und nein. Ich habe früher gerne Wolfgang Hohlbein, Terry
Pratchett und H.P. Lovecraft gelesen und weiß heutzutage beispielsweise Tad Williams und Timothy Zahn sehr zu schätzen.
Filmisch bin ich, nicht zuletzt durch mein Studium, mit einer großen Bandbreite aufgewachsen, von John Ford und Howard Hawks
über Steven Spielberg und George Lucas bis Woody Allen oder
Robert Altman – um nur einige wenige zu nennen, wobei ich nicht
verhehlen kann, eine Affinität zum amerikanischen Film zu hegen.
Die Art, wie Hollywood-Filme erzählen, lässt sich sicher auch in
meinen Romanen wiederfinden. Im Wesentlich ist all deren Einfluss jedoch eher ein spielerischer: Ich spicke meine Romane gerne mit kleinen Zitaten aus Büchern und Filmen, die mir gefallen
haben. Es ist ein sehr bewusstes Spiel, das ich hier zwischen mir
und dem kundigen Leser betreibe. So stand „Tarean“ für mich in
der Tradition der Unterhaltungs-Blockbuster der 1980er Jahre,
„Magierdämmerung“ erinnert an die Klassiker der Abenteuerliteratur des ausgehenden 19. Jahrhunderts. So werden aufmerksame
Leser mehr oder weniger augenfällige Momente in der Handlung
Das Zu nftb latt
vorfinden, die an „20.000 Meilen unter dem Meer“, „Der Unsichtbare“, „Dracula“, „Sherlock Holmes“ oder „Die ersten Menschen
auf dem Mond“ erinnern.
4. Sie schreiben auf ihrer Homepage, dass Sie schon Erfahrungen
mit „Storytelling-Rollenspiel“ gemacht haben. Würden Sie sagen,
dass diese Erfahrungen Ihnen bei Ihrer Tätigkeit als Autor geholfen
haben?
Rollenspiel ist zweifellos ein höchst kreatives Hobby, das einen
geradezu fordert, sich außergewöhnliche und möglichst stimmige
Welten und Figuren und Geschichten auszudenken. Daher ist es
zweifelsohne eine gute Vorstufe, um sich im Freundeskreis im Geschichtenerzählen zu üben, bevor man sich dann an den Schreibtisch setzt und erste Fantasy-Romane verfasst. Nicht ohne Grund
kommen viele Fantasy-Autoren aus der Rollenspielecke. Und die
Jahre, in denen ich mit Freunden fantastische Welten aller Art
entwarf und bereiste, haben meine Fantasie ohne Frage beflügelt.
Wobei man auch andersherum argumentieren könnte, dass das
Rollenspiel – und so war es bei mir eigentlich
auch – nur eine andere Art von Ventil für das
grundsätzliche Bedürfnis ist, Geschichten
zu erzählen. Ich habe schon Kurzgeschichten geschrieben, bevor ich mit Rollenspiel
begann. Und das Erfinden von Abenteuern,
die ich dann meinen Freunden als Spielleiter
erzählte, war nur eine Variante davon, wenngleich um das spannende Zufallselement der
Spieler-Interaktionen bereichert.
5. Sie sind in ihrer Arbeit als Autor und Übersetzer mit vielen phantastischen Werken unterschiedlicher Medien in Kontakt gekommen.
Auch in Kino und Literatur sind phantastische
Sujets in den letzten Jahren sehr präsent. Woher glauben Sie rührt die anhaltende Faszination für Phantastik?
Ich glaube, dass diese Faszination schon immer existierte, mal etwas schwächer, mal etwas stärker ausgeprägt. Ich will jetzt nicht
mit Homer anfangen, aber gerade im Heftroman- und Magazinbereich ist die Phantastik doch schon das ganze 20. Jahrhundert extrem lebendig,
wenn auch nicht so massenkompatibel und im Mainstream angekommen, wie das heute der Fall ist. Der Boom, den wir im Moment erleben, ist meines Erachtens zu großen Teilen der grenzenlosen Verfügbarkeit der Bilder dank CGI zu verdanken. Dadurch,
dass man das Fantastische mittlerweile mit vertretbarem Budget
zeigen kann, haben fantastische Eventfilme in den letzten Jahren
deutlich zugenommen. Das wiederum hat den fantastischen Buchmarkt befeuert, der ja gerade nach den „Herr der Ringe“-Filmen
in Deutschland einen enormen Schub durchgemacht hat. Dazu
kommt sicher auch der ewige Wunsch, aus dem oft tristen und
sehr gewöhnlichen Alltag für eine Weile in eine Welt zu entfliehen, die wundersam, bunt und abenteuerlich ist. Manche nennen
dieses Schmökern in Fantasy-Romanen Eskapismus. Ich nenne es
die preisgünstige Variante zum Sommerurlaub in Australien oder
Südafrika.
6. Sie haben unter dem Titel „Das schleichende Grauen“ für
Pegasus-Spiele ein Abenteuerspielbuch für die Cthulhu-Reihe
geschrieben. War dies eine grundlegend andere Erfahrung als das
Verfassen eines Romans – gerade, weil Sie mit H.P. Lovecraft und
Wolfgang Hohlbein gleich zwei Autoren hatten, auf deren Vorarbeit
Sie sich beziehen mussten?
Eigentlich nicht. Natürlich stand zu Beginn die Recherche der
beiden literarischen Universen des „Cthulhu“-Mythos und der
„Hexer“-Romane, denn natürlich war es für das Spielbuch wichtig, möglichst viele Bezüge hierzu herzustellen. Aber auch für
andere Romane recherchiert man. Auch die Planung der Geschichte verlief erst einmal wie bei einem gewöhnlichen Roman,
denn ein Abenteuerspielbuch lebt ja nicht nur vom spielerischen
Aspekt, sondern ebenso von einer interessanten Handlung. Erst
in der Umsetzung traten dann deutliche Unterschiede auf, denn
während man einen normalen Roman meist linear von vorne
nach hinten schreibt, muss man ein Spielbuch ja in 300 oder mehr
Abschnitte einteilen, die eine sich aufspaltende und zum Teil in
Schleifen und auf Abwegen verlaufende Handlung erzählen. Das
ist eine ziemlich komplexe Form des Erzählens und bedarf guter
Organisation, um den Überblick zu behalten.
Mein Co-Autor Christian Humberg und ich
hatten beispielsweise ein riesiges Schaubild
auf mehrere Posterseiten gemalt, das den
Handlungsverlauf in all seinen Abzweigungen zeigte. Darüber hinaus unterhielten wir
eine lange Tabelle, die für alle Abschnitte die
korrekten „Anschlüsse“ auflistete.
7. „Filmisches Schreiben“ ist in der Literaturszene der letzten Dekade ein Modebegriff. Ihr
Stil in „Magierdämmerung“ ist sehr bildhaft
und dynamisch. Würden Sie sagen, dass Sie
„filmisch“ schreiben?
Ich denke schon. Ich komme – durch mein
Studium und meine Leidenschaft – aus der
Filmecke und habe meine Romane immer
so geschrieben, dass ich beim Schreiben vor
meinem inneren Auge „sehen“ konnte, was
auf dem Papier in Worten niedergelegt wird.
Tatsächlich brauche ich diese Bilder sogar im
Kopf, sonst wird das Erzählen zur trockenen
Pflicht. Je tiefer ich in eine Szene eintauchen
kann, desto plastischer wirkt sie nachher im Buch. Dass mir dieses
plastische Beschreiben oft genug gelingt, bestätigen mir erfreulicherweise die Leser, die meinen Romanen immer wieder die berühmten Kopfkino-Momente bescheinigt haben. Über den Inhalt
hinaus schreibe ich auch strukturell tatsächlich filmisch, denn ich
plane meine Romane zunächst wie ein Filmdrehbuch von entsprechender Länge, also grob dem Paradigma von Drehbuchguru Syd
Field folgend: ein Viertel Exposition, zwei Viertel Mittelteil, ein
Viertel Finale und dazwischen zwei inhaltliche Wendepunkte.
Dieses Konzept verwässert natürlich im Laufe der Romanentwicklung, aber es gibt eine gute Orientierung zu Beginn und hilft
dabei, einem Roman Geschlossenheit und ein rundes Ganzes zu
verleihen, statt irgendwie ziellos von Kapitel zu Kapitel zu mäandern, wie man es in manchen Büchern erlebt.
8. Sie unterhalten eine ausführliche Webpräsenz, auf der Sie auch
Bonusmaterial wie Karten und Making-Ofs zu ihren Romanen
ausstellen. Glauben Sie, dass es in Zukunft für Romanautoren oder
auch Schaffende in anderen Medien wichtig sein wird, sich auch
Das Zu nftb latt
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online zu präsentieren? Erwachsen vielleicht auch neue Möglichkeiten für Literaten daraus?
Ich bin mir sicher, dass es für Autoren in einem gewissen Bereich
wichtig ist, sich online zu präsentieren. Gerade die Fantasy-Community ist sehr internetaffin und dort in Foren, Blog-Zirkeln und
Social Networks organisiert. Und während sich „gehobene Literatur“ nach wie vor sicher am Besten über den Buchhandel verkauft,
dürften Genre-Autoren mittlerweile keinen unbeträchtlichen Teil
ihrer Bücher übers Internet absetzen. Natürlich gibt es Autoren,
die von den Verlagen dermaßen effektiv und zielgerichtet im Buchmarkt etabliert wurden, dass sie ihre Romane auch verkaufen würden, wenn sie keinen Schritt in die virtuelle Welt machen würden.
Aber jenseits der Handvoll weithin bekannter Namen der Phantastik, wie beispielsweise Wolfgang Hohlbein, Frank Schätzing oder
Markus Heitz, existiert eben auch eine unglaubliche Vielfalt „kleinerer“ Autoren, die allein auf sich gestellt im Buchhandel sang- und
klanglos untergehen würden, weil es einfach nicht genug Budget
bei den Verlagen gibt, um jeden Autor zum Star zu machen. Diesen Autoren gibt das Internet die Chance, bei überschaubarem finanziellem Einsatz – eine Website kostet wahrlich nicht die Welt
– und variablem persönlichen Einsatz die Leser dort draußen auf
sich aufmerksam zu machen. Ich unterhalte beispielsweise nicht
nur eine Website, auf der ich Leseproben, Rezensionen, Interviews,
Illustrationen und Hintergrundinformationen zu meinem Schaffen
anbiete, sondern auch eine Facebook-Seite. Ich twittere, zugegeben
unregelmäßig, betreue mit großem Vergnügen Leserunden und
bin auf MySpace, Lovelybooks und anderen Seiten mit Literaturbezug präsent. Wie viele Bücher ich durch dieses Investment mehr
verkaufe, vermag ich nicht zu sagen. Aber ich glaube, dass diese
Nähe, die man dadurch zur Leserschaft aufbauen kann, durchaus
hilfreich ist – ganz zu schweigen von erfreulich und bereichernd!
Denn das Internet erlaubt es mir als Autor ja nicht nur, Informationen über mich und mein Werk zu streuen, sondern es ermöglicht
mir auch, direktes Feedback von den Lesern zu erhalten, das sich
ansonsten nur in abstrakten Verkaufszahlen abbilden würde. Und
es gibt wenig, das einen Autor so motiviert, wie positive Rezensionen oder die Aussage von Lesern, dass sie sich schon wie verrückt
auf das neue Buch freuen.
9. Sie haben „Magierdämmerung“ als Mehrteiler angelegt. Wie lange werden die Fans in etwa noch auf das Sequel warten müssen und
worauf können wir uns freuen?
Band 2 „Gegen die Zeit“ erscheint jetzt im Februar. Band 3 „In
den Abgrund“ wird dann im September kurz vor der Frankfurter Buchmesse herauskommen. Worauf man sich freuen darf? Ein
riesiges Luftschiff taucht auf. Protagonist Jonathan Kentham bekommt ein ungewöhnliches Haustier. Das Geheimnis, was genau
beim Ausbruch der Wahren Quelle der Magie zu Beginn von Band
1 aus der Nautilus wurde, wird gelüftet. Ein Totgeglaubter nimmt
Rache. Die schottische Hexe Kendra und Jonathan halten Händchen, auch wenn sie das gar nicht wollen. Der Orden des Silbernen
Kreises durchlebt einige seiner dunkelsten Stunden, an deren Ende
er praktisch alles verloren hat. Und an der Wahren Quelle der Magie mitten im Atlantik kommt es zu einer spektakulären, finalen
Konfrontation aller Beteiligten.
10. Sie sind auch als Journalist und Übersetzer tätig. Gibt es Projekte, denen Sie sich in näherer Zukunft noch widmen möchten?
Je nachdem, was Sie mit dieser Frage meinen. Meine frühen Studienträume, Astrophysiker oder Meeresbiologe zu werden, habe ich
mittlerweile ad acta gelegt und werde sie wohl auch nicht wiederbeleben. Ich bin mit dem gegenwärtigen Verlauf meines Lebens
sehr zufrieden. Als Übersetzer hoffe ich natürlich, dem augenblicklichen Projekt des Cross-Cult-Verlags, „Star Trek“ in Buchform
konsequent nach Deutschland zu bringen, weiterhin treu bleiben
zu dürfen. Ich habe jüngst die Federführung über die „Enterprise“Romane rund um Captain Archer und Co. übernommen und werde
mit den gegenwärtig fünf Romanen, die hier ins Deutsche übertragen werden wollen, zweifellos noch eine Weile beschäftigt sein.
Als Autor verfolge ich derzeit zwei Wege: Zum einen ist eine Kinderbuchreihe in der Planung, die in einer großen Fantasy-Stadt
angesiedelt ist und unglaubliches Potenzial bietet, das sich hoffentlich auch ausschöpfen lässt. Zum anderen entwickle ich gerade mit
Egmont-LYX das Projekt, das ich nach der „Magierdämmerung“
angehen werde und das mich wieder in eine gänzlich andere Richtung führt. Sehr viel darf ich zum gegenwärtigen Zeitpunkt leider über Beides nicht sagen. Über die Kinderbuchreihe dürfte im
März mehr bekannt werden, das andere Projekt wird vermutlich
ab Herbst in die Produktion gehen. Sehr gerne würde ich mal in
die Science-Fiction abtauchen, doch im Moment existiert hierzu
bei den großen Publikumsverlagen leider kaum bis gar kein Bedarf.
Doch als Autor muss man manchmal einfach einen langen Atem
haben. Wer weiß, was die nächsten Jahre bringen!
Jiba
Jenseits des Karussells
Das mechanische Herz
Ju Honisch
Feder & Schwert
831 Seiten
16,95 Euro
Dru Pagliassotti
Feder & Schwert
510 Seiten
14,95 Euro
In der Aroria-Loge werden
die arkanen Meister reihenweise Opfer eines magieinduzierten Komas, ohne
dass ein Angreifer zu sehen
wäre. Thorolfs angenehmes
Leben wandelt sich plötzlich in Grauen. Die Muse
des Künstlers, ein unbekanntes Mädchen, dessen
Bild er schon seit Jahren
immer wieder malt, schwebt
in Lebensgefahr. Die junge
Catty wird von Alpträumen heimgesucht und ihre
unbarmherzige Stiefmutter quält sie zudem mit Regeln und Verboten. Die Gouvernante, die Catty mit lästigen und unsinnigen
Aufgaben von der Gesellschaft abschneidet, scheint ihre Augen
überall zu haben. Im München des ausgehenden 19. Jahrhunderts
gehen dunkle Wesen um. Ein Vampir treibt sein böses Spiel, in
den Schatten lauert eine riesige Spinne und eine düstere Macht erlangt ihre Stärke zurück. Und welches Geheimnis hat der schöne
junge Adelige, der alle vereint?
Das mechanische Herz wird
als Steampunk-Roman angepriesen, genauer gesagt
sogar als Steampunk-Romanze. Das erzeugt eine gewisse Erwartungshaltung,
die jedoch leider nicht völlig befriedigt wurde. Aber
beginnen wir mit den guten Seiten des Buches. Im
Mittelpunkt der Handlung
steht die Ikarierin – eine mit
mechanischen Flügeln ausgestattete Botin – Taya, die
gleich zu Beginn durch beherztes Eingreifen einer Hohen - einem Mitglied der Herrscherkaste - bei einem Unfall das Leben rettet. Recht bald stellt sich
jedoch heraus, dass der Zwischenfall alles andere als ein Unfall
war, und so wird Taya in einen Strudel aus Verschwörungen und
Intrigen hineingerissen. Und diese Handlung ist durchaus gut gelungen. Auch wenn sie stellenweise ein wenig vorhersehbar ist,
schafft es die Autorin dennoch, einen gut gelungenen Spannungsbogen aufzubauen. Nicht so gelungen ist jedoch das Drumherum.
So ist die Romanze, die sich zwischen Taya und Christof (einem
Uhrmacher) entwickelt, nicht wirklich als solche zu bezeichnen.
Zu sehr sind die Protagonisten von der eigentlichen Handlung eingenommen, um wirklich Zeit füreinander zu haben – was für mich
persönlich jetzt nicht so störend ist. Wer jedoch nach diesem Buch
greift, weil es ja eine Steampunk-Romanze sein soll, der könnte
etwas enttäuscht sein. Weitaus störender gestaltet sich jedoch der
Sprach- und Schreibstil der Autorin. So tauchen immer wieder Begriffe auf, die Fachwörter der von der Autorin geschaffenen Welt
sind. Erklärt werden diese aber nur spärlich, und da viele durchaus
ähnlich klingen, ist man als Leser des Öfteren verwirrt, wovon
denn nun die Rede ist. Ein Glossar wäre hier sinnvoll gewesen,
mehr als bei manch anderem Roman, der einen solchen aufweist.
Auch in anderen Punkten ist der Sprachstil etwas kompliziert,
auch wenn man zuweilen nicht ganz sicher sagen kann, ob dies
nun an der Autorin oder dem Übersetzer liegt. Wenn zum Beispiel
über verschieden Möglichkeiten diskutiert wird, den Buchstaben
„G“ auszusprechen (was in der englischen Sprache durchaus Sinn
macht, nicht aber in der deutschen), so ist dies vielleicht eher dem
Übersetzer anzukreiden. Auch die Charaktere sind nicht in allen
Punkten überzeugend. Stellenweise handeln sie ein wenig zu klischeehaft oder auf eine nicht wirklich nachvollziehbare Weise.
Wie paranoid (oder xenophob?) muss man sein, wenn man sofort
einen Hinterhalt vermutet, wenn man von zwei Fremden auf offener Straße nach dem Weg gefragt wird? So sind es diese Details,
wie z.B. jenes Mysteriöse Ondium, ein Metall, das „leichter als
Luft“ ist (was physikalisch nun mal einfach unmöglich ist), die das
Buch trotz der eigentlich gelungenen Handlung wieder ins Mittelmaß zurückziehen.
Die einzelnen Geschichten verknüpfen sich zu einem großen Ganzen und halten den Leser gefangen. Schon mit Obsidianherz und
Salzträumen bewies die Autorin ihr Geschick für feinsinnige Erzählungen und überzeugende Charaktere. Gefühlsregungen und
Gedankengänge der einzelnen Figuren sind plastisch dargestellt.
Die phantastische Handlung wirkt durch den fundiert recherchierten Rahmen authentisch und hat einen angenehmen historischen Einschlag. Sprachlich ist der Roman einwandfrei und stilsicher geschrieben.
Der einzige Wehmutstropfen ist der für eine Taschenbuchausgabe
stolze Preis, den man aber angesichts des Umfangs und der Hochwertigkeit des Romans gut verschmerzen kann.
CS
MG
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Das Zu nftb latt
Das Zu nftb latt
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unterschiedlichen Motivationen. Alles in allem ein Roman, der
James Bond Feeling aufkommen lässt – für das 19. Jahrhundert
überfortschrittliche Waffen, feindliche Agenten, die Königin in
Gefahr. Leider ist die Bildgewalt, mit der Paschke aufwartet, für
meinen Geschmack etwas zu bombastisch, wodurch sich der Lesefluss etwas zieht. Nichtsdestotrotz ist das Werk dieser 3 Literaten
lesenswert und bietet viele schöne Szenen und eine interessante
Story.
Die Frauen von
Nell Gwynne`s
Kage Baker
Feder & Schwert Steampunk
160 Seiten
9,95 Euro
RZ
„Die Frauen von Nell
Gwynne’s“ ist eine alte
Geschichte in einem sehr
kultigen Gewand. In einer
etwas abgehobenen, viktorianisch anmutenden Erzählweise schildert Kage Baker
die Geschehnisse im „Nell
Gwynne’s“, einem diskreten Haus der fleischlichen
Gelüste. Und wofür waren
die Damen des horizontalen Gewerbes schon immer bekannt? Richtig, für
Informationsbeschaffung.
Pandaemonia
Der letzte Traumwanderer
Christoph Lode
Goldmann Verlag
382 Seiten
12,00 Euro
So sind auch die Ladys im
„Nell Gwynne’s“ als gebzw. verdeckte Ermittler
tätig und werden dazu von
den Geheimdiensten mit allen Spielereien ausgestattet, die sich
die Steampunk-Welt so vorstellen kann.
Eine kurze, unterhaltsame Geschichte mit Niveau.
K.
Der Kristallpalast
Oliver Plaschka, Matthias Mösch, Alexander Flory
Feder & Schwert
402 Seiten
12,95
Wir schreiben das Jahr 1851 und in London steht die erste Weltausstellung an. Zu diesem denkwürdigen Anlass wurde der sogenannte Kristallpalast gebaut, ein Gebäude aus 300.000 Glasscheiben und vielen Eisenträgern. Als am Vorabend ein Mitglied der
königlichen Kommission ermordet wird, beginnt die Geschichte
ins Rollen zu geraten. Das mysteriöse Artefakt, welches der Tote
besaß, wird das Ziel feindlicher Agenten, und alle Spuren führen
zum Kristallpalast.
Im Steampunk Roman „Der Kristallplanet“ scheut Plaschka nicht,
seine bereits bekannten bildmalerischen Fähigkeiten unter Beweis
zu stellen. Doch wer denkt, dieser Roman sei mit einer Kaffeefahrt zu vergleichen, täuscht sich. Wilde Verfolgungsjagden durch
London des 19. Jahrhunderts, Raufereien und eine zwischen 3
Charakteren wechselnde Erzählperspektive versuchen den Leser gefangen zu halten. Durch das Zusammenspiel des Wechsels
der Sicht, aus der die Geschichte erzählt wird, erkennt man die
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Es ist nicht direkt Steampunk, was Christoph Lode
mit seiner Romantrilogie
„Pandaemonia“ liefert. In
einem düsteren Setting, dessen Flair zwischen Feengeschichte, Charles Dickens
und Dark Fantasy angesiedelt ist, spinnt er eine faszinierende Erzählung mit
Tiefgang.
Der erste Band dieser Romanreihe verlangt dem Leser einiges ab. Sicher, Lode
versteht es sehr gut, seine
Leser an die vielschichtigen
und sehr unterschiedlichen
Charaktere seiner Geschichte heranzuführen und diese
sind auch in sich sehr schlüssig. So fällt es leicht, Sympathien und
Antipathien aufzubauen und sich in die Erzählung fallen zu lassen.
Aber schnell bemerkt der Leser, dass Lodes Erzählungen nicht
nur durchdacht, sondern philosophisch tiefgründig konstruiert
sind. Denn die Geschichte spielt auf drei mit einander verwobenen
Realitätsebenen. Das kann schon mal zu etwas Verwirrung führen, und dennoch gelingt es Lode immer wieder, den Leser rasch
und mit Leichtigkeit auf den rechten Weg zurück zu führen.
Besonders interessant sind die Figuren, die diese Welt bevölkern.
Da gibt es Nachtalben, die die Schatten der Albträume kontrollieren, Traumwanderer, die in die Träume Schlafender eindringen können, und Menschen, die die Ätherblitze der Gewitter
einfangen.
Lodes Federführung ist deutlich seine Begeisterung für die Werke
Pullmans (Der goldene Kompass) anzumerken, aber auch Einflüsse von Neill Gaiman und ähnlichen Autoren sind zu spüren. Und
dennoch bleibt Christoph Lode eigenständig, frisch und neu. Er
braucht sich sicher nicht vor einem Vergleich mit den eben genannten Größen zu scheuen.
Eine Leseempfehlung!
Das Zu nftb latt
K.
Wo Drachen sind
James A. Owen
cjb Fantasy
390 Seiten
7,95 Euro
London während des Ersten Weltkriegs: Nach dem
rätselhaften Mord an einem
Professor müssen John,
Charles und Jack erfahren,
dass sie die neuen Hüter der
Imaginarium Geographica,
dem Atlas über die Länder
der Legenden und Geschichten, sind, einer Parallelwelt
neben der unseren. Von Anfang an werden sie von den
Schergen des Winterkönigs gejagt, der mit Hilfe des mystischen
Atlasses die Macht über das Fantasiereich erlangen will und die
Länder in den Schatten reißt. Auf ihrem gefährlichen Weg über die
Inseln begegnen sie immer wieder Figuren, die sie bereits aus Büchern und Geschichten kennen, und versuchen, das Geheimnis des
magischen Buches zu lösen. Dabei wird ihre Freundschaft auf eine
schwere Probe gestellt, denn der Winterkönig versteht es zu manipulieren. Nur der wahre König kann der Welt die Rettung bringen.
James A. Owen mischt in seinem Roman Steampunk-Elemente
mit Fantasy und bedient sich an bekannten literarischen Figuren
und deren Autoren, wie Kapitän Nemo, Charles Dickens oder einer
Figur, die an Noah erinnert. Dabei kommt eine ungewohnte und
„pulpig“ wirkende Mischung heraus, welche der spannend erzählten Geschichte eine interessante Farbe verleiht. Manche Ideen sind
nicht ganz neu, erheben aber auch nicht diesen Anspruch. Der Stil
ist flüssig und angenehm gehalten und lässt den Leser in das Abenteuer eintauchen.
CS
Saisonauftakt in Biebelsheim
Sonne, Sang und Lautenklang
Biebesheim am Rhein – dieser Name ist in der Mittelalterszene
sicherlich noch unter den Geheimtipps angesiedelt. Angesiedelt in
einem unscheinbaren Industriegebiet findet sich hier jedoch ein
liebevoller Hallenmarkt, der in naher Zukunft einen festen Namen
als Saisonauftakt erwerben könnte.
Als wir uns der eher unauffällig und ein wenig schäbig wirkenden
Halle annäherten, hatten wir noch Zweifel, ob wir finden würden,
was wir uns nach langen Monaten der Mittelalter-Abstinenz erhofft hatten. Denn schon seit Wochen war uns klar: ohne Markt
würden wir es nicht mehr lange aushalten.
Schon beim Betreten des Marktes jedoch war uns klar, das wir
hier etwas ganz Besonderes entdeckt hatten. Denn am Eingang
prangten ein Schild, das uns darauf hinwies, dass der Gewandeten-Rabatt nur wirklich liebevoll gewandeten Marktgängern gewährt würde.
Auf dem Markt fanden sich dann auch sehr schöne, kleine und
weitestgehend stimmige Stände abseits des Markt-Mainstreams.
Beratungen und Gespräche waren liebenswert und qualifiziert.
leichtherzigen Erlebnis zu
machen, das Lust auf eine
lebendige Saison mit jeder
Menge Markttreiben und
Lagerleben macht. Wer
also eine gute Einstimmung abseits des touristischen Mainstream suchte,
der wurde on diesem kombinierten Hallen- und Außenmarkt hervorragend belohnt. Ein kleines Glanzlicht, dem ich
ganz viel Erfolg für die Zukunft wünsche. Wir werden wieder
hingehen!
K.
Auch für Kinder war das Angebot hervorragend. Es konnte auf
dem handgetriebenen Kettenkarussell gefahren werden (wobei
hier der Preis von 2 Euro erschreckend hoch war und weit über
dem durchgängig guten Preisniveau lag), Schmieden konnte bei
der Arbeit zugeschaut und ein Museumshaus begangen werden.
Und auch die Kaltblüter, auf denen man eine kleine Runde drehen
konnte, beeindruckten mächtig.
Musikalisch wurde von typischer Marktmusik bis gekonntem
Folk auch einiges geboten. Leider fand sich jedoch etwas wenig
Platz zum Tanzen.
Die Sonne tat ihr Übriges, um den Markt des Veranstalters
„Heimdalls Erben“ zu einem großen, stimmungsvollen und
Das Zu nftb latt
27
„…wie ein Monarch mitten
in seinem Hofstaate thront“
Burgen am unteren Mittelrhein
Alexander Thon und Stefan Ulrich
Schnell & Steiner
176 Seiten
12,90 Euro
Wenn man „…wie ein Monarch mitten in seinem
Hofstaate thront“ zur Hand
nimmt, so schießen einem
gleich zwei Gedanken in den
Kopf; der erste ist die Frage, ob man sich mit einem
etwas kürzeren Titel nicht
einen Gefallen getan hätte.
Der zweite Gedanke jedoch
ist: wow, das hätte ich gerne
schon früher gehabt!
Denn Alexander Thon und
Stefan Ulrich haben hier ein
kleines Bändchen geschaffen, das unter einem recht unscheinbaren
Cover ein Kleinod für Mittelalter-Fans am Rhein bereit hält.
28 Portraits von Burgen, Schlössern und Festungen am Mittelrhein werden hier geboten. Darunter finden sich eher unbekannte Schätze wie die Isenburg bei Maischeid, aber natürlich auch
touristische Attraktionen wie Burg Drachenfels. Das Schöne an
diesen Portraits ist die Sorgfalt, mit der neueste historische Erkenntnisse zur Anwendung kommen, ohne dass die Lesbarkeit für
den Leser geschmälert wird.
Wer sich für die Geschichte der Burgen im Mittelrheintal interessiert, wird an diesem Buch nicht vorbei kommen. Unterhaltsam
und informativ ist dieses Bändchen nämlich eine Wissensquelle
höchster Güte, die auch dem Reenactor vielleicht noch einiges
über die Umgebung verraten kann, in der er sich befindet. Denn
die Quellenrecherche wurde mit großer Umsicht durchgeführt
und liefert einige auch überraschende Erkenntnisse.
Besonders wichtig ist sicherlich auch der touristische Anhang.
Denn es ist schon von großem Interesse, zu wissen, ob es sich bei
einer Burg um ein stark rennoviertes Ausflugslokal, ein Museum
oder gar (für mich der beste Teil) um eine frei zugängliche Ruine
mit Möglichkeiten zum Picknick handelt, an die man sich auch
mal mit seiner Fantasy-Rollenspielrunde setzen kann und zünftig
eine sommerliche Outdoor-Runde zocken.
Der Preis des Bändchens ist sicher angemessen. Ich möchte dieses
schöne Buch nicht mehr missen.
K.
Schinderhannes
Troyes
Stephan Riedel
Clicker Spiele
20,98 Euro
Pearl Games / Heidelberger Spieleverlag
37,95 Euro
Johannes Bückler – das
war der bürgerliche
Name eines Räubers
und Schurken, den man
hierzulande als eine Art
deutschen Robin Hood
verehrt. Bekannt war er
aber unter dem Namen
„Der Schinderhannes“.
Dieser Name setzt sich
aus der Kurzform seines
Namens und seinem gelernten Handwerk, der
„Schinderei“, also der
Abdeckerei, zusammen.
Seine kriminelle Laufbahn begann er mit fünfzehn Jahren, und bereits vor seiner Exekution durch das Gericht
zu Limburg an der Lahn bildeten sich zahllose Legenden um den
Räuber und Strauchdieb. Unsterblichkeit erlangte er durch einen
Roman von Carl Zuckmayer, der 1958 mit Curd Jürgens sehr erfolgreich verfilmt wurde.
Mittelalterfreunde können
sich jetzt die Zeit bis zum
nächsten Markt mit einem
strategischen Schmankerl
versüßen. Denn mit dem
Spiel „Troyes“ aus der belgischen Spieleschmiede Pearl
Games ist nun auch deutschen Spielefans zugänglich
gemacht.
Die Handlung ist recht
schnell erzählt. Im Jahre
1200 nach Christus wird in
Troyes der Bau einer Kathedrale begonnen. Spätestens
seit den „Säulen der Erde“
von Ken Follet weiß jeder,
wie schwierig und ehrgeizig ein solches Unterfangen zu dieser
Zeit gewesen ist. Die Kathedrale von Troyes hat sogar noch einigermaßen Glück, denn im Gegenzug zum Kölner Dom, den die
Preussen erst fertig stellten und der bis heute eine ewige Baustelle
bleibt, wurde diese Kathedrale bereits 400 Jahre nach Baubeginn
fertig. Ein halbes Jahrtausend Bauzeit! Das gibt einer Stadt natürlich viel Zeit, um sich zu entwickeln, und genau um diese Entwicklung geht es bei „Troyes“. Die Spieler haben die Möglichkeit, als
Mitglied einer Adelsfamilie die Stadtgeschichte zu beeinflussen
und die Fäden der Macht zu ziehen. Dabei wollen die drei Säulen
der mittelalterlichen Gesellschaft genutzt werden: Adel, Klerus
und Bürgertum. Natürlich hat jede dieser Säulen ihre Stärken und
Schwächen und wirken sich ihrerseits wieder auf die Möglichkeiten der Spieler aus.
Spielbrett und Spielmaterial sind einfach aber durchaus stimmig
in Farbgebung und Gestaltung, um eine mittelalterliche Atmosphäre zu erschaffen. Eine Vielzahl von farbigen Würfel und
Holzmännchen wird genutzt, um Status und Macht sichtbar zu
machen. Nebenbei lernt man ein wenig französisch, denn die
Hauptüberschriften der Karten sind in französischer Sprache.
Doch keine Sorge: eine kleine Übersetzung findet sich auch im
Kopf der Karten.
Das Spiel punktet vor allem durch seinen Variantenreichtum und
seine taktischen Möglichkeiten. Eine Partie kann schon einmal bis
zu zwei Stunden dauern, was bei einem guten Strategiespiel nichts
Schlechtes ist.
Ein solides Spiel mit gelungener Optik, das auch einige Langzeitmotivation mitbringt. Jedoch nichts für Spieler, die ein schnelles
Game für zwischendurch suchen.
K.
Stephan Riedel hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Legende des
Schinderhannes nun auch für Brettspieler erlebbar zu machen.
Wir schreiben das Jahr 1802, also kurz vor dem Ende der Laufbahn und des Lebens von Johannes Bückler. Die Spieler schlüpfen
in die Rollen von Bewohnern des Soonwaldes, in dem der „Robin
Hood vom Hunsrück“ sein Unwesen treibt. Dort sitzen sie in einem Wirtshaus vor einer Karte und versuchen, die Taten des Verbrechers nachzuvollziehen und diesen zur Strecke zu bringen…
Das Spielkonzept ist einfach und basiert im Wesentlichen auf
Kombinationskarten, die den Spielern Informationen zu den Vergehen des Schinderhannes geben. In akribischer Recherche bauen
sie nun nach und nach die Strecke des Schurken nach.
Das Spielmaterial ist recht ansprechend gestaltet, wirkt aber etwas altmodisch und kann mit der Optik der Produkte von Großverlagen nicht mithalten. Das muss es aber auch nicht, denn es
passt zu der „Old School“ – Atmosphäre, die sich beim Spielen
schnell einstellt.
Wer sich auf dieses Spiel einstellt, wird es nicht bereuen. Denn
Schinderhannes ist ein sehr dichtes, ausgereiftes Spiel, das durch
kluge Spielmechanismen und Liebe zum Detail zu bestechen weiß.
Besonders die lokale Atmosphäre ist ausgezeichnet gelungen.
Dazu trägt auch der gut recherchierte kleine historische Anhang
des Spiels bei. Einzig nachteilig hat sich die Dicke des Spielkarten herausgestellt. Hier hätte man sich etwas festere Pappe gewünscht, denn so ist die Knickgefahr leider recht hoch.
Wir empfehlen übrigens echten Fans, das Spiel auf einem der Mittelaltermärkte zu erwerben, auf denen Stephan Riedel gerne damit
unterwegs ist. Und als Soundtrack eignet sich hervorragend das
„Schinderhannes“ – Album des Thelonius Dillpapp.
K.
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Das Zu nftb latt
Das Zu nftb latt
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Abenteuer-Module, die keiner kennt:
In Search of the Unknown
Mordmethoden und Kriminalistik
durch die Jahrtausende
Teil 1 meiner Serie um lange vergessene Schätzchen macht das
D&D-Modul IN SEARCH OF
THE UNKNOWN von Mike
Carr aus dem Jahr 1979. Mit
dem Produktcode B1 war es das
erste offizielle D&D-Abenteuer
von TSR. (Ein wenig Klugscheißerwissen für den nächsten Rollenspiel-Stammtisch: Das erste
AD&D-Modul G1 STEADING
OF THE HILL GIANT CHIEF
ist ein Jahr älter.)
Ein Hauptgrund dafür, dass dieses wirklich interessante Abenteuer in Deutschland niemand
kennt, dürfte sein, dass es niemals in deutscher Sprache erschienen ist. In Deutschland wurde die amerikanische Zählweise leicht
abgewandelt und das englische B5 Horror on the Hill wurde zum
deutschen B1 Hügel des Grauens.
Herrschaftszeiten - haben diese monochromen Cover nicht
Charme? Vor diesen Pilzen auf dem Cover habe ich heute noch
eine Heidenangst!
Als Einführungsabenteuer konzipiert gehen dem Abenteuer wirklich gute Spielleiter-Tipps voran:
Mord und Totschlag...
Notes for the Dungeon Master,
Time,
Computing Experience und
How to be an effective Dungeon Master.
Wie bei den klassischen Modulen üblich, haben die Abenteurer
vor Beginn des Abenteuers Zugang zu einer ganzen Reihe von Legenden, die sie über die CAVERNS OF QUASQUETON gehört
haben könnten. Zusätzlich haben die Spieler eine komplette Seite
mit der ihnen bekannten Hintergrundgeschichte.
Jetzt aber kommt das Interessante an diesem Modul. Die Räume
werden kurz beschrieben, aber die Bewohner, wie auch eventuelle
Schätze, können vom Spielleiter aus Tabellen ausgewählt (oder sogar ausgewürfelt) und in den Räumen platziert werden.
Im Anschluss an das Abenteuer finden sich dann noch vorgefertigte Charaktere wie auch sinnvolle Spielleitertipps zum Umgang,
zur Verfügbarkeit und zur Persönlichkeit von Gefolgsleuten. Für
hoffnungslos überforderte Neulinge werden sogar vernünftige
Gruppenzusammenstellungen aus den fertigen Charakteren vorgeschlagen. Abgerundet wird das Modul durch 10 Überlebenstipps für Spieler, deren letzten ich mal zitieren möchte:
„D&D is a roleplaying game, and the fun of the game comes in
playing your character‘s role. Take on your character‘s persona
and immerse yourself in the game setting, enjoying the fantasy
element and the interaction with your fellow players and the Dungeon Master.“ Solltet ihr bei eBay mal für einige Euros an das
Ding kommen können, greift zu! Das braune Cover ist meist deutlich preiswerter als das hier abgebildete Monochrom-Cover.
Die Kunst, zu töten
...sind zwei verschiedene Tatbestände. Eine gute Freundin von
mir ist Juristin und kann nur darüber lachen, wenn die Zeitungen wieder einmal davon berichten, jemand sei für einen Mord
zwölf Jahre hinter Gitter gekommen. Es muss sich um Totschlag
gehandelt haben. Für Totschlag kann man mit etwas Glück nur
zwölf Jahre bekommen, bei Mord geht das nicht. Mord wird in
Deutschland immer mit lebenslanger Haft bestraft.
Warum geht jemand in einem Rollenspielmagazin auf solche juristischen Haarspaltereien ein? Weil diese Unterscheidung auch im
Rollenspiel von zentraler Bedeutung ist. Während Totschlag die
schlichte Tötung eines anderen Menschen (in Rollenspielwelten
oft auch Humanoiden) ist, bedeutet Mord, dass man aus niederen
Beweggründen oder mit besonderer Heimtücke getötet hat.
Stark vereinfacht formuliert: für Totschlag haben die meisten Rollenspiele ein Kampfsystem, Mord hingegen bietet den Aufhänger
für Abenteuer um Intrige, Verschwörung und Kriminalistik.
Mit Kriminalgeschichten werden wir von Fernsehen, Büchern
und dem realen Leben heute ständig konfrontiert. Sie erfreuen
sich in jedem Medium großer Beliebtheit und bringen immer wieder neue Subgenres heraus. So hat sich die Zahl der Studenten,
die an amerikanischen Universitäten forensische Wissenschaften
erlernen wollen, innerhalb der letzten Jahre mehr als verzehnfacht
– C.S.I. sei dankt. Bei der enormen Beliebtheit von Krimis, was
läge näher als solche Abenteuer auch zumindest ab und an im Rollenspiel zu verwenden?
Geschichten um Mordfälle sind wohl so alt wie die Menschheit,
denn eine der weniger erfreulichen Tatsachen über unsere Spezies
ist, dass viele ihrer Mitglieder wenige Hemmungen haben, unliebsame Konkurrenz ins Jenseits zu befördern. Für mittelalterliche
Welten wie die meisten Fantasyszenarien gilt das umso mehr,
denn die Mordraten sind seit Jahren rückläufig.
Mit den Aufklärungsmethoden haben sich auch die Mordmethoden weiterentwickelt. Im Mittelalter gab es keine Fingerabdruckkarteien, aber auch die Vergiftung mit Zyankali war noch
unbekannt.
Genau darum soll sich dieser Artikel drehen. Welche Möglichkeiten haben Menschen entwickelt, sich gegenseitig umzubringen,
und wie ist diesen von der polizeilichen Seite beizukommen? Dabei
wird die Entwicklung bis ins viktorianische Zeitalter nachvollzogen werden, das dem Titelthema des Steampunks gegenüber steht.
Bevor besorgte Eltern auf die Gefahren des satanistischen Rollenspiels hinzuweisen sei an dieser Stelle auf drei Punkte hingewiesen:
• Offenbar wurden schon viele Mörder, die die hier beschriebenen Methoden gewählt haben, ertappt. Sonst könnte ich schließlich nicht davon berichten.
• Hätte dieses Wissen nicht existiert, hätte man die Täter nicht
überführen können. Das Wissen selbst ist also nichts Schlimmes.
Wissen an und für sich ist sowieso weder gut noch schlecht, sondern einfach nur tatsächlich.
• Gerade dieses Wissen ist dafür verantwortlich, dass die Aufklärungsrate für Mord und Totschlag im Jahr 2008 den Rekordstand von 97,0 % laut Bundeskriminalamt erreichte.
Nachdem das nun geklärt wäre, steigen wir hinab, in die Abgründe der Menschheitsgeschichte...
Arsen und Spitzenwaffen
„Man tötet einen Menschen, und man ist ein Mörder. Man tötet
Millionen, und man ist ein Eroberer. Man töte sie alle, und man ist
Gott.“- Jean Rostand
Wenn ein Mensch einen oder mehrere andere Menschen
umbringen möchte und dabei halbwegs geplant vorgeht,
dann bieten sich ihm im Allgemeinen zwei Möglichkeiten: Wenn er nicht erwischt werden möchte, kann
er entweder ein unauffälliges Mittel wählen, damit
der Tod des Opfers möglichst nicht als Mordfall
erkannt wird, oder einen Weg wählen, der nicht
auf ihn speziell zurückgeführt werden kann. Auf
dem einen Wege beseitigt man seine reiche Erbtante, auf dem anderen jemanden, von dem dessen Tod man weniger offenkundig profitiert.
Es gibt noch eine, glücklicherweise recht seltene, dritte Möglichkeit: Der Mord soll offenkundig sein und es soll ein offenes Geheimnis sein, wer ihn verschuldet hat. Das kommt
manchmal bei geistig Gestörten vor, die sich
durch das Kapitalverbrechen in Szene setzen
wollen. Sehr viel häufiger ist es aber als Exempel, um politische Gegner abzuschrecken oder
um eine Verbrecherorganisation zu etablieren. Ein
Beispiel hierfür wäre die Vergiftung von Alexander
Walterowitsch Litwinenko mittels Polonium-210,
eine für Privatleute nur schwer zu beschaffende Substanz, an die ein Staatsapparat dagegen sehr einfach gelangen kann.
Je nachdem, welche der drei Möglichkeiten zutrifft, wird der Täter anders an die Planung eines Mords herangehen und die Spielercharaktere werden sie anders aufklären müssen.
„You don‘t need strength as much as speed. We‘re fragile creatures.
It takes less than a pound of pressure to cut skin.“- Inara, Firefly,
Shinding
Die älteste Möglichkeit, jemanden umzubringen, besteht im reinen körperlichen Angriff. Der menschliche Körper ist zerbrechlich und kann leicht tödlich verletzt werden, wenn es jemand
absichtlich darauf anlegt. Auch heute noch werden die meisten
Morde auf diese Weise verübt. So kann man jemanden erwürgen
oder ihm das Genick brechen. Die meisten Morde durch körperliche Angriffe werden jedoch mit Waffen durchgeführt.
Die Evolution der Mordwaffen verlief dabei von Keulen über
Speere und Schwerter bis zu modernen Feuerwaffen. Bögen und
Armbürste waren als Mordwaffen nie sonderlich bedeutend. Sie
sind einfach zu unpräzise. Selbst Olympioniken schießen über
eine Distanz von dreißig Metern auf eine achtzig Zentimeter
durchmessende Zielscheibe. Und moderne Sportbögen und -pfeile sind technisch sehr viel ausgefeilter und genauer als das, was
Robin Hood zur Verfügung stand. Einen Pfeil mit einem anderen
zu halbieren, ist kein Zeichen von Können, sondern reines Glück.
Das Problem mit einem körperlichen Angriff, das ein Mörder hat,
ist natürlich, dass es nicht gerade eine unauffällige Mordmethode
darstellt. Selbst die meisten Laien erkennen, dass jemand, der in
einer Blutlache liegt und ein Messer im Rücken hat, vermutlich
nicht an natürlichen Umständen gestorben ist. Früher bedeutete
das nur, dass man jemanden schnell töten sollte, wenn man nicht
erwischt werden möchte. Wenn das Opfer verstarb, bevor es um
Hilfe schreien und Zeugen anlocken konnte, war die Sache gelaufen. In Zeiten von Fingerabdrücken, reicht das jedoch nicht wirklich aus. Deshalb werden heute so viele Morde mit Feuerwaffen
durchgeführt, weil der Mörder dann keinen Körperkontakt
zum Opfer haben muss.
„’Oh, that was easy,’ says Man, and for an encore goes
on to prove that black is white and gets himself killed
on the next zebra crossing.”- Douglas Adams, The
Hitchhiker’s Guide to the Galaxy
Dieser tragische Unfall ereilt den oben beschriebenen Menschen zufälligerweise direkt
nachdem er mit dem Babelfisch die Existenz
Gottes widerlegt hat. Solche (un)passenden
Katastrophen haben auch in der Geschichte
der Mordfälle ihre Tradition. Man braucht
keine Waffen oder Toxine, um einen Feind auf
dem Weg zu räumen. Oft reicht ein tragischer
Unfall, bei dem das bedauernswerte Unglückslamm zu passenden Zeitpunkt stürzt oder
überfahren wird. Auch entlaufende, giftige
Tiere und nächtliche Feuersbrünste sind wahre
Klassiker des nützlichen Zwischenfalls. Gerade
in der Zeit des Gaslichtes und der Dampfmaschine bieten sich auch giftige Gase oder Verbrennungsprodukte an, die durch scheinbar tragische
Fehlfunktionen das Opfer versterben ließen.
Einen solchen Unfall in die Wege zu leiten, erfordert einige
Raffinesse, umsichtige Planung und auch Glück bei der Umsetzung. Dennoch haben sie einen gewissen Charme, schließlich besteht eher die Gefahr, dass das Ziel überlebt, als dass der Drahtzieher überführt wird. In diesem Gebiet toben sich die bösen Genies
aus. Die Leute, die denn Fall aufklären sollen, stehen daher vor
einer besonderen Herausforderung.
„Allein die Dosis macht das Gift.“- Philippus Theophrastus Aureolus Bombast von Hohenheim, genannt Paracelsus
Sehr viel subtiler aber auch aufwendiger ist der Giftmord. Eigentlich ist es kein Wunder, dass man menschliche Körper vergiften
kann. Lebewesen sind Kohlenstoffchemie, wenn auch sehr komplexe. Also kann man diese Chemie stören. Tatsächlich sind viele
Substanzen nur deshalb nicht giftig für unseren Organismus, weil
wir während unserer Evolution ständig mit solchen Giften konfrontiert wurden und diejenigen, die sich dagegen immunisieren
konnten, hatten bessere Fortpflanzungschancen. Deshalb sind besonders Stoffe, mit denen unsere Vorfahren nicht in Kontakt kamen, häufig sehr giftig.
Die Gifte, die verwendet wurden, haben sich in den Jahrhunderten sehr verändert. Über lange Zeit war Arsen ein beliebtes Gift,
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weil man Arsenvergiftungen nicht nachweisen konnte. Der Tod
durch Arsen war damals nicht vom verfrühten, natürlichen Tode
zu unterscheiden. Erst im Jahre 1836 entwickelte der englische
Chemiker James Marsh einen Arsennachweis, der die Zahl der Arsenmorde rasch fallen ließ.
Trotzdem ist der Fall nicht immer so einfach. Über lange Zeit
wurde Arsen für viele Zwecke genutzt: als Pigment zum Beispiel,
als Konservierungsmittel für ausgestopfte Tier oder als Pflanzenschutzmittel. Auch heute noch wird es als Härtungsmittel in Legierungen verwendet. Nicht jeder, der an einer Arsenvergiftung
stirbt, wurde ermordet. Er könnte es auch aus Versehen aufgenommen haben. Oder gar mit voller Absicht, ohne sich umbringen zu wollen. In geringer Dosis verursachen Arsenverbindungen
Rauschzustände und wurden lange Zeit als Drogen verwendet.
So kann sich ein vermeintlicher Mordfall als bloße Überdosis
herausstellen.
Um dem immer weiter laufenden Fortschritt der forensischen
Analytik einen Schritt voraus zu sein, bieten sich dem gut informierten Mörder zwei Optionen: Er kann entweder auf Gifte setzen, die so exotisch und selten sind, dass für sie noch kein
Nachweis entwickelt wurde; oder er verwendet Substanzen, die
bereits in so winzigen Mengen tödlich wirken, dass die analytischen Methoden nicht empfindlich genug zu dessen Messung sind.
Exotische Quallen-, Spinnen- und Froschgifte gehören ebenso zur
ersteren Kategorie wie die unzähligen Giftstoffe aus Urwäldern
und fernen Ländern, die in einem imperialen Weltreich erworben
werden können.
Viele von ihnen fallen dabei praktischer Weise auch in die Kategorie der Substanzen, die derart giftig sind, dass nicht mehr nachweisbar kleine Mengen bereits zum Exitus führen. Auch spezielle
Bakteriengifte reihen sich in diese Riege ein, von denen die Botulinumtoxine, die sich manche Leute unter dem Handelsnamen Botox unter die Haut spritzen lassen, am bekanntesten sein dürften.
Tatsächlich handelt es sich bei den Botulinumtoxinen um einige
der potentesten Gifte, die die Wissenschaft je entdeckt hat. Deshalb halten Botoxbehandlungen auch einige Monate, wogegen übliche Nervenvergiftungen (beispielsweise Betrunken sein) schon
nach wenigen Tagen verstoffwechselt sind.
Wegen ihrer leichten Nachweisbarkeit sind Giftmorde heutzutage sehr selten geworden. Es bietet sich höchstens die Möglichkeit, ein Gift zu verwenden, das leicht zu bekommen ist, so dass
der Fall nicht sofort auf den Täter zurückgeführt werden kann.
Substanzen wie Glykol sind in Frostschutzmitteln enthalten und
schmecken auch noch angenehm süß. Und das Nervengift, das im
zwanzigsten Jahrhundert mehr Menschen langsam versterben
ließ als beide Weltkriege zusammen, kann nach wie vor in jedem
Supermarkt gekauft werden und war auch ihm viktorianischen
Zeitalter leicht zu bekommen: Nikotin.
Das Nikotin liefert ein schönes Beispiel dafür, wie sehr die Giftwirkung von der Verabreichung abhängt. Tabak zu rauchen verursacht nur einen langsamen, schleichenden Tod, der überhaupt nur
von Bedeutung ist, weil der Tabakkonsum extrem suchtfördernd
ist und der Tabak deshalb selbst dafür sorgt, dass er regelmäßig
konsumiert wird. Wenn man jedoch den Fehler macht, Tabak zu
essen, oder ein paar Tropfen aus der Pflanze extrahiertem Nikotin verschluckt oder gespritzt bekommt, dann tritt der übrigens
sehr unangenehme Tod sehr bald ein. (Wenn er nicht bald eintritt,
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dann ist die Gefahr ausgestanden, denn Nikotin wird vom Körper
sehr schnell abgebaut. Deshalb fallen Raucher nicht sofort tot um.
So schnell kann man gar nicht rauchen, dass das Nikotin sich im
Körper aufkonzentrieren würde.)
Es kommt bei einem Giftmord also sehr darauf an, wie dem Opfer
das Gift verabreicht wurde. Dabei ist der orale Konsum definitiv
der Klassiker. Er ist nicht immer leicht durchzuführen (Früher
hatten Adelige nicht umsonst persönliche Köche und Vorkoster. Auf diese Weise kann man die Aufnahmeweg kontrollieren,
ohne dass Gift nachweisen können zu müssen.), aber dafür für den
Mörder ungefährlich. Alle anderen Aufnahmewege sind nämlich
umso gefährlicher für den Mörder, je leichter es ist, das Ziel des
Anschlags damit zu erwischen. Giftige Gase kann man auch aus
Versehen selbst einatmen und Kontaktgifte sollte man besser
nicht auf die eigene Hand bekommen. Toxine, die ins Blut gelangen müssen, sind dagegen sehr sicher zu handhaben, aber es ist
nicht gerade einfach, jemandem unauffällig eine Spritze oder einen
Schnitt zu verpassen.
Unschuldig, bis die Schuld bewiesen ist…
„When you have excluded the impossible, whatever remains, however improbable, must be the truth.“ - Arthur Conan Doyle, Sherlock Holmes, The Adventure of the Beryl Coronet
Kommen wir zum Kern der Sache. Dem geneigten Kommissar
oder Detektiv steht eine ganze Reihe von Methoden zur Verfügung, einen Mord aufzuklären. Manche dieser Ansätze sind schon
seit Jahrzehnten bekannt, andere wurden erst durch die moderne
Technik ermöglicht. Es würde den Rahmen dieser Abhandlung
bei weitem sprengen, auf alle analytischen Methoden einzugehen,
die die Forschung hervorgebracht hat. Deshalb wird sich dieser
Text auf die wichtigsten Mittel beschränken.
Außerdem werden nur Prinzipien behandelt werden, deren Erfolg
wissenschaftlich belegt ist. Folter und Gottesurteile sind nachweislich keine sinnvollen Ermittlungsmethoden und die Leute, die
sie anwenden wollen, sind unwissende Barbaren.
„Einer seiner Sprüche war: Bleibt nie zu lange am Tatort.“
- Herbert Reinecker, Der Kommissar und die Tänzerin
Der erste Schritt der Untersuchungen besteht für gewöhnlich darin, den Tatort zu inspizieren. Dazu muss man ihn natürlich erst
einmal kennen. Die Leichen von Mordopfern werden leider allzu
häufig nicht am Ort des Verbrechens aufgefunden.
Über lange Zeit blieb einem da nur die Suche nach Schleif-, Fuß
oder Radspuren. Manchmal konnte auch ein Polizeihund die richtige Nase habe, doch wenn das Opfer über lange Strecken mit einem Wagen transportiert wurde oder der Weg der Leiche über
einen Fluss führt, dann können auch Hunde nicht helfen.
Erst in der Neuzeit wurde bekannt, dass Luminol in basischer
Lösung mit Wasserstoffperoxid eine Leuchtreaktion durchlaufen
kann, wenn ein Katalysator vorliegt. Da das Eisen im Hämoglobin
als ein solcher Katalysator dienen kann, kann man mit Luminol
auch geringe Blutspuren sichtbar machen, die dann blau schimmern. Auf diese Weise kann der Tatort eines blutigen Mordes gefunden werden. Vor allem, wenn man bereits einen Verdacht hat,
Das Zu nftb latt
dass an einem Ort vielleicht gemordet wurde.
Es besteht die Gefahr einer falsch positiven Spur, weil auch andere Metallverbindungen eine Leuchtreaktion erzeugen. Außerdem
kann damit nicht zwischen menschlichem und tierischem Blut unterschieden werden, was ebenfalls eine falsche Fährte verursachen
kann. Zum Glück kann ein erfahrener Kriminologe auch an der
Form der Flecken abschätzen, ob die Blutspuren von einem gewaltsamen Mord herrühren könnten.
Luminol ist eine relativ neue Entwicklung, aber prinzipiell ist
sie einfach genug, dass ein schlauer Chemiker oder Detektiv des
Dampfzeitalters sie hätte entwickeln können.
Einmal am Tatort angekommen, kann die reine Szenerie bereits
wichtige Hinweise liefern, wie und von wem die Tat begangen
wurde. Ist das Opfer beispielsweise gegen eine Wand geschleudert worden, kommen als Täter nur Personen mit der richtigen
Körperkraft in Frage. Oft hinterlassen Täter am Tatort auch unabsichtlich Spuren, anhand derer sie identifiziert werden können.
Auf die berühmten Fingerabdrücke wird im weiteren Verlauf des
Textes noch eingegangen werden.
Die Idee, einen Tatort möglichst unberührt zu lassen, bis alle Spuren gesichert werden konnten, ist übrigens nicht annähernd so offensichtlich, wie der Mensch der Neuzeit durch die Prägung durch
Krimis vielleicht denken mag. Erst in den letzten Jahrzehnten des
neunzehnten Jahrhunderts faste die Idee Fuß, man könne Verbrechen durch wissenschaftliche Mittel aufklären. Über den größten
Teil der Menschheitsgeschichte war es völlig normal, den Ort des
Geschehens nach einem grausigen Mord möglichst schnell aufzuräumen und zu putzen.
„Einem einzigen Zeugen glaubt man nicht, selbst wenn es Cato
wäre.“ - Hieronymus
Den Ort des Tatgeschehens zu kennen, kann tatsächlich noch aus
einem weiteren Grunde sehr nützlich sein: Man weiß, wo man sich
nach Zeugen umsehen muss. Zeugen spielen in der Kriminalgeschichte (sowohl der fiktiven als auch der realen) eine sehr große
Rolle. Man könnte sogar soweit gehen, von einer viel zu großen
Rolle zu sprechen. Denn kriminalistische Studien zeigen eindeutig, dass Zeugenaussagen nur eingeschränkt zuverlässig sind.
Zunächst einmal neigen die Leute dazu, zu lügen. Manchmal weil
sie jemanden decken wollen oder weil sie unter Druck gesetzt werden. Oft genug lügen Zeugen aber aus viel banaleren Gründen.
Manche wollen beispielsweise die Aufmerksamkeit genießen und
erfinden irgendetwas. Es kommt aber auch vor, dass der Zeuge
behauptet, vom Mord nichts mitbekommen zu haben, weil er gerade ganz wo anders gewesen sei. Wer sich in einer dunklen Gasse
zum Seitensprung mit seiner Zofe trifft, von dem sollte man nicht
erwarten, dass er wahrheitsgemäß davon berichtet, was er in der
Querstraße für Lärm gehört hat. Man kann versuchen, solchen
Problemen mit Lügendetektoren entgegen zu wirken. Leider sind
diese nicht nur unzuverlässig, viele Falschaussagen kommen eher
dadurch zustande, dass der Zeuge sich einfach irrt.
Erstrecht, wenn die Befragung lange nach dem Tatzeitpunkt geschieht, sind Zeugenaussagen mit Vorsicht zu genießen. Nicht nur
sind menschliche Sinne keine objektiven Aufzeichnungsgeräte, das
menschliche Erinnerungsvermögen ist sehr viel unzuverlässiger,
als den meisten Leuten klar ist. Es gibt interessante Studien, die
Leute dazu befragten, ob sie noch genau wüssten, was sie gerade
taten, als sie von einer Katastrophe erfuhren. Die Befragten waren
sich meistens sehr sicher, wann sie die schlimme Nachricht bekamen, denn so was brennt sich ins Gedächtnis ein. Oder etwa doch
nicht? Fünf Jahre später zur gleichen Katastrophe befragt, gaben
die Probanden im gleichen Brustton der Überzeugung vollkommen andere Antworten.
Unsere Erinnerungen verändern sich im Nachhinein ständig.
Wir rücken uns in ein besseres Licht, indem wir sie umschreiben
oder Unerfreuliches für weiter zurückliegend halten als positive
Erinnerungen. Wir füllen Gedächtnislücken mit für uns plausiblen Geschehnissen und Szenarien auf. Je mehr Zeit vergeht, desto
mehr Gelegenheiten für einen solchen Erinnerungsfehler gibt es.
Daher sind weit zurück liegende Tatbestände nur schwer durch
Zeugenaussagen zu ergründen.
„Cui bono?“ - Grundsatz der römischen Kriminalistik
Nach solchen recht offensichtlichen Vorgehensweisen wird es Zeit
sich mit den wahren Sternstunden der Kriminalistik zu beschäftigen. Wie kann man durch Nachforschung und Überlegung den
Täter überführen?
Der älteste und auch erfolgreichste Ansatz findet sich bereits in
der Antike: Cui bono? – Wem nützt es?
Auch heute noch ist der einfachste Weg, einen Mordfall aufzuklären, sich an das Motiv des Mörders zu halten. Die allermeisten Morde werden wegen eines bestimmten Motivs verübt. Eifersucht, Geldgier und Befriedigung sexueller Triebe stehen
hier ganz oben auf der Liste. Der motivlose Mord, der sehr viel
schwerer aufzuklären ist, stellt dagegen eine wahre Seltenheit dar.
Außerdem eignet er sich für Literatur, Film und Rollenspiel nur
wenig, da motivlose Mörder willkürlich handeln und daher keine
guten Handlungsbögen liefern.
Um sich nicht bloß auf die Intuition des Kommissars verlassen zu
müssen, gibt es das Fach der Kriminalpsychologie, das sich mit
der Mentalität eines Täters beschäftigt. Fachleute in diesem Gebiet können auch aus kleinen Hinweisen Täterprofile, die oft akkurat genug sind, den Kreis der Verdächtigen deutlich eingrenzen
zu können.
„ “ - ohne Worte
Dieser Abschnitt benötigt keine Worte, um ihn einzuführen.
Wenn es irgendein Bild gibt, das wir mit Kriminalistik verbinden,
dann ist es wohl das des Fingerabdrucks. Verständlich, schließlich verspricht der Fingerabdruck die zweifelsfreie Identifizierung
eines Täters mittels der Spuren, die seine wichtigsten Greifwerkzeuge hinterlassen. Selbst eineiige Zwillinge haben unterschiedliche Fingerabdrücke.
Als Gründer der modernen Daktyloskopie, der Lehre vom menschlichen Fingerabdruck, gilt der britische Forscher Francis Galton
– ein Cousin Charles Darwins, der sich auch durch die Formulierung der Eugenik hervortat. Bereits 1858 hatte William James
Herschel die Einzigartigkeit des menschlichen Fingerabdrucks
erkannt und zu Identifizierung von Personen im Amtsgeschäft
Das Zu nftb latt
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eingeführt. Doch erst Galton entwickelte eine brauchbare Klassifizierung von Fingerabdrücken und machte sie bekannt.
Auf dieser Klassifizierung konnte die Kriminalistik aufbauen. Man
sollte sich vor Augen führen, dass vor der Erfindung des Faxgerätes das Bild des Fingerabdrucks nicht verschickt werden konnte.
Und erst moderne Rechner und Programme ermöglichen die rein
optische Archivierung. Will man dagegen die Charakteristika eines Fingerabdrucks nutzen, um nach Vergleichsproben im Archiv
zu suchen oder bei der Polizei einer anderen Stadt nachzufragen,
so benötigt man ein System, einen Fingerabdruck mittels Worten
und Zahlen zu beschreiben.
Das über Jahrzehnte verwendete System wurde Ende des neunzehnten Jahrhunderts von Edward Richard Henry ausgehend
von Galtons Vorarbeit entwickelt und mit großem Erfolg in der
Kriminalistik eingesetzt. Ihm zu Ehren wird es auch heute noch
als Henry-System bezeichnet. Es war so erfolgreich, dass es erst
mit der Einführung modernen Programme abgelöst wurde, die
einen Fingerabdruck sehr viel schneller und präziser in Daten aufschlüsseln können, als ein Mensch dazu jemals in der Lage wäre.
Dennoch kamen Fälle der falsch positiven Identifizierung vor.
Besonders wenn der Fingerabdruck verwischt oder unvollständig
ist, ist das Verfahren mit einem nicht auszuschließenden Fehler
behaftet und es besteht die Gefahr, einen Unschuldigen hinter Gitter zu bringen.
An einem Tatort oder einer Mordwaffe müssen die Fingerabdrücke erst einmal sichtbar gemacht werden, schließlich verüben
die wenigsten Täter ihr Verbrechen, kurz nachdem sie auf ein
Stempelkissen gefasst haben. Dazu wird seit der Einführung der
Daktyloskopie ein feines, schwarzes Spurensicherungspulver vorsichtig auf die verdächtige Fläche aufgebracht, das dann an den
Fettstreifen des Fingerabdrucks haften bleibt. Moderne Verfahren, die mittels Metallaufdampfung oder chemischer Anfärbung
des Abdrucks arbeiten, setzten sich zunehmend durch, da damit
auch sehr schwache Fingerabdrücke sichtbar gemacht werden
können. Auch dies wieder Techniken, die zwar modern sind, aber
in eine Steampunkrunde für die richtige, fortschrittsgläubige
Stimmung sorgen können.
Tatsächlich sind schon seit Jahrzehnten Fingerabdrücke nur noch
bei Fällen von Mord im Affekt als Beweismittel von großer Bedeutung. Jeder weiß um ihre Beweiskraft. Das gilt auch für Mörder,
die deshalb einfach Handschuhe anziehen. Dennoch ist der Fingerabdruck als Archetyp der Spur im Mordfall in das kollektive
Gedächtnis eingebrannt und kommt daher in Detektivgeschichten
ständig vor.
Fazit und weiterführende Literatur
Über die Jahrtausende haben sich viele verschiedene Mordmethoden und Aufklärungstechniken entwickelt. Wie dem geneigten
Leser vielleicht aufgefallen ist, hat der größte Teil dieser Entwicklung in den letzten beiden Jahrhunderten stattgefunden. Deshalb
sind Kriminalabenteuer in einer Zivilisation der Wissenschaft
etwas vollkommen Anderes als Detektivgeschichten in einer mittelalterlichen Welt. Kann eine Gruppe von Spielercharakteren
im ersten Falle auf eine ganze Bandbreite von Hilfsmittel setzen,
stehen ihr im zweiten Fall nur die Tatortbetrachtung, die Zeugenbefragung und der scharfe Verstand (vor allem im Bezuge auf
das Motiv) zur Verfügung. Der Spielleiter sollte sich also etwas
Zeit nehmen, sich über die zur Verfügung stehenden Techniken
zu informieren, bevor er ein Detektivabenteuer für seine Gruppe schreibt. Dann kann ihm ein spannendes und glaubwürdiges
Abenteuer gelingen.
Ich hoffe, mit diesem Artikel etwas Einblick in die Kunst des Mordens und deren Gegenstück in der polizeilichen Aufklärung gewährt zu haben. Wer sich noch genauer damit beschäftigen möchte, dem sei hier das Detektivrollenspiel Private Eye Empfohlen.
Dieses beschreibt mit großer Detailverliebtheit die detektivischen
Methoden der viktorianischen Zeit.
Des Weiteren wird in der kommenden Ausgabe der Anduin eine
erweiterte Variante dieses Artikels erscheinen, die auch die DNSAnalytik mit abdeckt, die für Steampunk nun wirklich zu unglaubwürdig ist.
Lars-Hendrik Schilling ([email protected])
Labyrinth Lord Werkstattbericht
Drachen über Larm
Ich habe ja schon in meinem Blog http://glgnfz.blogspot.com ein
paarmal kurz über das zur RPC beim Mantikore-Verlag erscheinende LL-Abenteuer Drachen über Larm berichtet...
...und will nun mit einem kurzen Werkstattbericht die Vorfreude
noch etwas weiter schüren:
Die Grundidee zu dem Abenteuer nicht mehr ganz taufrisch, die
grobe Linie hatte ich schon zur RPC 2010 im Kopf.
Ich hatte zwar zwischenzeitlich an einem höherstufigen Abenteuer gebastelt, das so etwa mit Stufe 6 an die Larm-Chroniken anschließen sollte, aber Nic, der Kopf hinter dem Mantikore-Verlag
wünschte sich noch ein weiteres Einsteigerabenteuer von mir.
Gut, das sollte er bekommen, also kramte ich meine Idee mit der
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Drachenbedrohung wieder hervor und überlegte, wie man das für
Anfängercharaktere umsetzen könnte. Ich verrate nicht, wie es
jetzt endgültig gelöst ist, aber das Abenteuer ist für Charaktere der
Stufe 1 durchaus schaffbar, es gehört aber viel Geschick von Seiten
der Spieler dazu - „Drachen über Larm“ richtet sich also an Anfängercharaktere, aber nicht unbedingt an Anfänger-Spieler. Allerdings haben auch diese eine Chance, wenn sie sich bewusst sind,
dass LL ein absolut tödliches System ist und sich auf ihre Tugenden
besinnen.
man Fleisch an die Knochen bekommen kann und das Ausformulieren ist ann normalerweise das kleinste Problem. Auch nicht zu
unterschätzen ist in dieser Phase der Austausch mit Leuten, deren
Meinung einem wichtig ist, in diesem Fall seien da Michael „Scorpio“ Mingers, Horst „Helmut“ Adams, Michael „Stargazer“ Wolf
und Hauke „Cyric“ Stammer genannt, die alle sowohl kleine Teile,
als auch Ideen zum Abenteuer beigetragen haben. Danke euch!
Horst beispielsweise hat mich noch einen Tag, bevor der Text ins
Layout gehen sollte, souverän davon überzeugt, dass sich kein
Drache der Welt freiwillig von seinem Hort trennen würde, käme
doch das Wort „horten“ daher. Zwingend logisch und das Abenteuer musste minimal erweitert werden.
Scorp hat sich besondere Verdienste um das Echsenmenschendorf
erworben, hat er mich doch intensiv gelöchert wie welches Element des Dorfes beschaffen sei, damit die Spieler bei einem eventuellen Angriff auf das Dorf auch wirklich alles machen können,
da der Spielleiter bestens darauf vorbereitet ist.
Zurück in den August - das Gerüst stand und ich hing in den letzten Zügen von zwei anderen wichtigen Projekten, wusste aber,
dass das Abenteuer zur RPC im Mai fertig sein musste, sprich:
Spätestens Ende Februar/Mitte März muss es in den Druck, sonst
wird die Sache knapp.
In der Zwischenzeit hatte ich in der D&D4-Encounters-Runde
Dominik Krischer kennen- und seine Illustrationen schätzen gelernt und ihn damit beauftragt, Illus für das Abenteuer anzufertigen. Die kamen dann auch fristgerecht und haben mich wirklich begeistert. Sie werden teilweise dazu beitragen, dass Drachen
über Larm etwas frischer und moderner wirkt und etwas vom
verstaubten LL-Image weggeht - auch wen wir da ja den ersten
Schritt schon mit dem Cover der Larm-Chroniken gemacht hatten
wie ich finde.
Im November und Dezember
kam dann noch ein kleines
DS-Projekt dazwischen - das
mittlerweile
erschienene
DIE MINEN VON CRIMLAK - und ich war mit den
Texten der Drachen noch
immr nicht viel weiter Einleitung und Grundzüge standen, dazu
waren die Karten in
der Zwischenzeit von
Andreas „Sir Clarence“ Claren erstellt worden.
Mitte Januar begann ich dann
endlich damit, mich
konzentriert an das LL-Projekt zu machen und innerhalb von nur
zwei Wochen standen die meisten Texte, die dann
bis etwa Mitte Februar immer weiter ausgefeilt wurden und
zwei Spieltests zu überstehen hatten. Auch zwei Lektoratsdurchgänge von Hauke Stammer und Florian Findeiss dienten dazu, die
Abteilung „Text“ zu optimieren.
Eine tolle Geschichte, die nur das Leben schreiben kann, begann
am 3. Februar. Im DnD-Gate gab User in einem Thread Tipps,
wo man am besten an kostenlose Dungeontiles oder Battlemaps
kommen könne und erwähnte in einem Nebensatz, dass im Dezember alle seine Tiles im Keller „ersoffen“ seien. So etwas kann
ich natürlich nicht gut lesen und bot ihm an, ihm eines der beiden
Sets, die ich doppelt habe, zu schicken. Er bedankte sich freundlich
und erkundigte sich nach dem Preis. Ich wollte die Teile allerdings
verschenken und er bot als „Gegenleistung an“, mir eine Illu zu
zeichnen, die ich nur eine Woche später schon erhielt und die ihr
auf dem Backcover (Link oben) bewundern könnt. An dieser Stelle
nochmal herzlichen Dank an Welf Mattern.
Ich glaube am 17.2. waren dann die Texte fertig und ich hatte Dominik dazu gebracht, neben den Illus auch noch das Layout zu
erledigen. Er ist zwar Layout-Neuling, hat sich aber souverän geschlagen und wie die Zufälle immer so spielen, saßen an dem Tag,
als er mir die gelayoutete Version auf CD gab, zwei neue Spieler in
der Encounters-Reihe, von denen einer, Matthias Lück, natürlich
(wie sollte es anders sein) Layouter war und uns mit letzten Tipps
half, die Druckvorlage zu perfektionieren. Klar - solche Zufälle
gibt es glücklicherweise immer wieder!
Am 26.2. wurden dann die Druckvorlagen hochgeladen und ich
hoffe Nic Bonczyk hat sie mittlerweile der Druckerei übergeben
und die Jungs sind fleißig bei der Arbeit - eigentlich dürfte einem
Erscheinungstermin auf der RPC nichts mehr im Weg stehen...
Anmerkung: Die beiden Illustrationen stellen übrigens 2 der 3
neuen Monster des Abenteuers dar - mir gefällt besonders der
Donnerbaum ausgezeichnet...
Moritz Mehlem
Ungefähr im August 2010 stand dann das grobe Konzept des Abenteuers und wenn das Gerüst erst einmal steht, weiß ich, dass das
Schreiben immer recht zügig von der Hand geht. Auf dem Fahrrad,
im Zug oder vor der Glotze habe ich dan immer mehr Ideen, wie
Das Zu nftb latt
Das Zu nftb latt
35
Expedition ins Unbekannte
Auf den Spuren des Dr. Ephraim Langbloms
Ein paar Worte vorweg: Dieses Szenario im Erzählstil ist systemunabhängig und eignet sich, mit ggf. einigen kleinen Anpassungen, für beinahe alle Rollenspielsysteme, die ohne moderne Technologie und viel Magie auskommen. Die Werte einzelner NSC
und Kreaturen können vom Spielleiter modifiziert werden.
Auszug aus Dr. Ephraim Langbloms Tagebuch: „Die See ist trügerisch.
Am Horizont hat der Kapitän dunkle Wolken erspäht. Wir werden in
einen Sturm geraten, dem wir nur mit Hilfe der Götter lebendig entrinnen können. Die Seeleute werfen ein Lamm über Bord, um Poseidon
gnädig zu stimmen. Ich sichere lieber meine Aufzeichnungen und binde
mich am Mast fest, wie der Kapitän mir geraten hat.
Zum Inhalt:
Die Helden fahren an Bord eines Expeditionsschiffes, der Seeschwalbe, auf Entdeckungstour. Nach einigen Widrigkeiten, gelangen sie auf eine kleine, scheinbar unberührte Insel. Louis Langblom, der Enkel eines bekannten Wissenschaftlers erkennt die
Insel aus den Aufzeichnungen des Tagebuchs seines Großvaters
wieder. Doch kaum auf der Insel angekommen, wird Louis von
einem giftigen Insekt gestochen. Die Besatzung macht sich auf
die Suche nach einem Heilmittel, zu dem ihnen die Beobachtung
einiger verrückt gewordener Affen hilft. Leider stimmt etwas mit
der Insel nicht. Der Kompass spielt verrückt und der Sextant des
Navigators ist verschwunden. Aberglaube und Furcht lassen die
Gefühle aufkochen. Das Geheimnis liegt tief im Inneren der Insel
in einem seltsamen Berg, dessen Gestein magnetische Eigenschaften hat. Am Ende bleibt die Insel für immer ein Geheimnis, denn
der junge Louis setzt alles daran, ihre Kartographierung zu verhindern, um die Insel vor Ausbeutung zu beschützen.
Der Einstieg ins Abenteuer
Die Motivationen für eine Schiffsreise in unbekannte Gewässer
können verschieden sein. Hier sind einige Vorschläge, die der
Spielleiter als Auftakt einbauen kann:
- neue Ressourcen für den Gewürzhandel: Gewürze sind teuer und
in der westlichen Welt heiß begehrt. Daher sucht ein Auftraggeber nach einer Mannschaft, die neue Inseln mit Gewürzvorkommen finden soll. Schiff und Besatzung werden zur Verfügung
gestellt, es bedarf nur noch einiger tapferer Leute, die die Inseln
erschließen.
- Missionsarbeit: Der Held/die Helden möchten die frohe Kunde ihres Glaubens auch in abgeschiedene Gegenden bringen. Die
Kirche stellt das Schiff zur Verfügung oder der Held heuert auf
einem an.
- Abenteuerlust: Warum nicht alles hinter sich lassen und auf einem Schiff anheuern?
- Shanghait: Der Held hat zu viel getrunken oder wurde im
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Hafenviertel niedergeschlagen. Wieder zu sich gekommen, befindet er sich an Bord des Schiffes. Hier sollte der SL darauf achten,
die Motivation des Helden zu gewinnen, damit dieser nicht gegen
die Besatzung arbeitet.
- Auf Dr. Langbloms Spuren: Die Helden treffen auf Louis Langblom, den Enkel des bekannten Naturwissenschaftlers Dr. Ephraim Langblom. Er zeigt ihnen dessen Tagebuch, in dem der
Doktor von einer kleinen tropischen Insel berichtet, die seltsame
Wunder und eine unvergleichliche Artenvielfalt bergen soll. Er
bittet die Helden ihn zu begleiten. Vielleicht befindet sich unter
ihnen auch ein Wissenschaftler. Ansonsten könnten eine stattliche Summe Geld oder die Aussichten auf einen Schatz die Helden
motivieren.
Auf hoher See
Auszug aus dem Tagebuch: Seit Tagen hat es nicht mehr geregnet. Die
See liegt still und spiegelglatt vor uns. Kein Lufthauch regt sich. Und
langsam gehen uns die Vorräte aus. Nur noch Trockenfleisch und einige
gammelige Brotreste stillen unseren Hunger. Wenn sich nicht bald etwas
tut, werden wir hier elendig krepieren.
Das Schiff ist nun schon einige Wochen unterwegs. Bisher war
die Fahrt sehr unterhaltsam und lehrreich. Mit an Bord befindet
sich auch der junge Louis Langblom, der Enkel des bekannten
Naturwissenschaftlers Dr. Ephraim Langblom. Er liest einigen
interessierten Zuhören allabendlich nach dem Essen aus dem Tagebuch vor. Der Rest der Schiffmannschaft hingegen schüttelt nur
verständnislos den Kopf und manch einer beschwert sich über die
Ausrüstung des Wissenschaftlers, die dauernd im Weg rumsteht.
Das Tagebuch des Doktors handelt von dessen Expedition zu einigen tropischen Inseln, um deren unberührte Natur zu erforschen.
Dabei liegt sein Hauptaugenmerk auf einer kleinen Insel, die die
Crew durch einen Zufall fand, als sie in einen schweren Sturm
geriet. Leider weiß niemand mehr die genauen Koordinaten, daher
richtet sich die Navigation nach Vermutungen, die Louis aus dem
Tagebuch entnimmt.
Louis Langblom
Louis Langblom ist ein schlanker, blonder Mann Anfang 30. Er
hat Philosophie und Naturkunde studiert und ist regelrecht besessen von der Idee, es seinem geliebten Großvater gleichzutun. Seine
körperlichen Werte liegen eher im unteren Durchschnitt. Dafür
ist er recht intelligent und sprachgewandt.
Die See ist grausam und tückisch
Der Spielleiter kann aus den folgenden Möglichkeiten auswählen,
um die Seeschwalbe vom Kurs abzubringen. Grundsätzlich wird
es einige in der Crew geben, die die jeweiligen Zwischenfälle als
schlechtes Omen deuten und Louis für verflucht halten:
Das Zu nftb latt
- Piraten: Die Seeschwalbe wird von der Zackenbarsch, einem berüchtigtem Freibeuterschiff aufgebracht. Mit knapper Not und einigen unkonventionellen Manövern, bei denen die Fähigkeiten der
Helden zum Einsatz kommen dürfen, schafft es die Seeschwalbe,
den Freibeutern zu entkommen. Der Spielleiter kann einen eventuellen Kampf nach eigenem Ermessen ausbauen.
Tipp: Die Freibeuter könnten die Seeschwalbe noch einige Zeit
verfolgen oder immer wieder auftauchen. Ein charismatischer,
furchteinflößender Piratenkapitän bleibt im Gedächtnis. Arrr!
- Tropensturm: Wie auch im Tagebuch des Doktors wird die
Schiffscrew von einem Sturm überrascht. Dabei gehen Teile der
Besatzung und der Ausrüstung verloren oder werden zerstört.
Wenn sich der Sturm gelegt hat, ist die Seeschwalbe zwar noch
einigermaßen seetauglich, aber auch recht orientierungslos.
- Mahlstrom: Das Schiff gerät in einen großen Strudel, als es sich
in der Nähe eines vielversprechenden Atolls befindet. Mit vereinten Kräften können Crew und Helden das Schiff wieder aus dem
eiserenen Griff des Meeres befreien. Das Atoll bleibt unerreichbar.
Allerdings glaubt Louis auch nicht mehr, dass sie hier richtig sind.
Im Tagebuch steht nichts von einem Mahlstrom.
- Seeungeheuer: Hier kann der Spielleiter seiner Kreativität und
(bösen) Fantasie freien Lauf lassen. Eine Herde Pottwale, die sich
in ihrem Paarungsgebiet gestört fühlen, riesige Seeschlangen,
Riesenkalmare, Sirenen, sogar die Hydra aus der griechischen
Herakles-Sage könnten die Besatzung in Angst uns Schrecken
versetzen.
Was auch immer die Seeschwalbe von ihrem Kurs abbringt, sie
gerät bald eine Flaute, begleitet von sengender Hitze. Wie schon
im Tagebuch erzählt, gehen auch der Seeschwalbe bald die Vorräte aus. Das Wasser wird brackig und stinkt fürchterlich. Einige
Besatzungsmitglieder leiden an Skorbut (eine Vitaminmangelkrankheit, die zu Zahnfleischbluten, Erschöpfung, Immunschwäche und Hautproblemen, bis hin zu Muskelschwund, Entzündungen, Fieber und Durchfall führen kann). Der Spielleiter kann
Proben verlangen, ob die Helden ebenfalls befallen sind. In dieser
Zeit muss die Crew eng zusammenrücken und Streitereien sind
vorprogrammiert.
Vardo Kendral
Vardo Kendral ist die rechte Hand des Kapitäns. Seine dominante
Art lässt keinen Widerspruch zu. Befehle zu brüllen ist er gewohnt
und die Mannschaft hört auf ihn. In nautischen Angelegenheiten
ist er kompetent und weiß in der Regel, was er tut. Kendral ist
bullig und groß, er trägt sein dunkles Haar zu einem Zopf und
einen kurzen Kinnbart. Körperlich ist er den meisten überlegen.
Abgesehen von seinen nautischen Kenntnissen und einigen Erfahrungen mit tropischen Inseln ist er eher mittelmäßig intelligent
und gibt auch nicht viel auf Bücher und Wissenschaft.
Auszug aus dem Tagebuch: Der Sturm hat sich gelegt. Vor uns liegt
eine kleine Insel, die wir nun ansteuern. Sie misst etwa 5 Meilen an
ihrer breitesten Stelle und aus ihrer Mitte erhebt sich ein kuppelartiger Berg, offensichtlich ein erloschener Vulkan, umgeben von einem
dichten Dschungel. Wir steuern eine seichte Bucht an und lassen die
Beiboote aus, um Frischwasser und Nahrung zu suchen. Ich bin ganz
nervös, vielleicht finde ich hier neue Spezies. Wo habe ich nur mein
Schmetterlingsnetz?
Land in Sicht
Es vergehen lange Tage, bevor eines Nachts der Wind auffrischt.
Sollte einer der Helden eine karmale oder magische Fähigkeit besitzen, die dazu förderlich wäre, wird sie ihm in dieser Nacht endlich gelingen. Am Tag darauf entdeckt der Matrose im Ausguck
eine Insel, die bei Näherkommen sehr gut auf die Beschreibung
im Tagebuch passt. Der Jubel ist groß und die Besatzung feiert,
soweit sie körperlich noch in der Lage dazu ist. Dann werden
Beiboote zu Wasser gelassen und die Erkundung der Insel kann
beginnen.
Tipp: Von den Dschungeln Borneos oder dem Amazonasregenwald inspirieren lassen!
Auszug aus dem Tagebuch: Lianen schlagen uns ins Gesicht. Äste reißen
an unseren Kleidern. Über uns kreischen die buntesten Vögel, die ich je
gesehen habe. Der weiche Boden ist übersät mit frischen Trittsiegeln.
Vielleicht sind es kleine Antilopen oder Wildschweine? An den Bäumen
hängen schaumige Nester von Amphibien gefüllt mir Gallerteiern, dicke Spinnen krabbeln über die Rinde. Inmitten dieses endlos wirkenden
Urwaldes wollen wir einen Platz finden, an dem wir ein Lager aufschlagen können. Durch das dichte Summen des Waldes nimmt unser
Anführer ein Plätschern wahr. Nahe eines kleinen Bachlaufs lassen wir
uns nieder. Ich stecke beide Hände in das klare Wasser und tauche mein
Gesicht hinein, um mich zu erfrischen.
1. Tag auf der Insel
Auch die Expeditionsgruppe findet einen guten Lagerplatz. Es
werden Zelte aufgeschlagen, die Kranken werden mit Wasser versorgt und auf Decken gelagert. Der Anführer der Mission, Vardo
Kendral, teilt die halbwegs gesunden Mitglieder in drei Gruppen
ein. Eine soll Holz suchen, die zweite Nahrung und die dritte die
Umgebung erkunden. Holz gibt es hier jede Menge und diese
Gruppe wird schnell zurückkehren. Die einzigen Widrigkeiten,
abgesehen von Moskitos, sind einige angriffslustige Ameisen, die
in einer alten Baumwurzel wohnen. Die zweite Gruppe findet nach
einigem Suchen mehrere Zitrusbäume und Bananenstauden. Ein
Held mit Jagderfahrungen kann sogar ein kleines Warzenschwein
erlegen, welches über dem offenen Feuer gebraten wird.
Der dritten Gruppe schließt sich auch Louis Langblom an, der
ganz gespannt auf die Erkundung ist. Er bewaffnet sich nach Vorbild seines Großvaters mit Notizblock, Schmetterlingsnetz und
einigen kleinen Holzkäfigen. Während des Marsches über die
Insel bleibt er immer wieder stehen, kritzelt hektisch in seinem
Block und versucht Käfer und Eidechsen zu fangen. Während der
ganzen Zeit gibt er entzückte und erstaunte Laute von sich. Die
Gruppe lässt ihn bald zurückfallen, da sie sich aufgehalten fühlt
und Hunger sich breit macht. Irgendwann scheint Louis ganz
verschwunden. Wenn keiner der Helden darauf besteht, ihn zu
suchen, wird der Anführer nach einigen Aufrufen der NSC, den
verfluchten Louis doch seinen Käfern zu überlassen, genervt die
Suche befehlen.
Nach einigem Suchen finden die Helden den benommen wirkenden Louis. Er hat eine üble Stichwunde am Bein und kann nur mit
Das Zu nftb latt
37
Hilfe gehen. Den Stecher hat er noch geistesgegenwärtig in ein
Einmachglas mit Luftlöchern gesperrt. Darin zappelt jetzt ein wütend brummendes, feuerrotes Insekt, das die Helden böse anstarrt.
Während ein Teil der Gruppe den verletzten Louis zurück zum
Lager führt, stellt der andere Teil in der Nähe des Berges einige Seltsamkeiten fest. Die Kompassnadel spielt verrückt und die
Schuhnägel bleiben am Boden haften. Wieder murmeln manche
Besatzungsmitglieder etwas über böse Omen und behaupten, die
Insel sei verflucht. Nachdem sie den Berg umrundet und keinerlei
Hinweise auf menschliche Einwohner gefunden haben, kehren alle
zurück zum Lager. Dort warten schon ein lecker gebratenes Warzenschwein und Berge voll frischem Obst.
Auszug aus dem Tagebuch: Nachts hören wir seltsame Schreie und berstende Äste. Der Vollmond wirft sein fahles Licht auf das Blätterdach
und erzeugt groteske Schatten. Es ist unheimlich, denn die Dunkelheit
erzählt uns Schauermärchen und viel reden von Dämonen und möchten
die Insel schnell wieder verlassen. Ich starre an meine Zeltwand und lösche das Licht. Die Moskitostiche jucken fürchterlich und ich unterdrück
den Drang zu kratzen. Nun drückt auch noch meine Blase. Ich schließe
fest die Augen versuche den ersehnten Schlaf zu finden.
Kreaturen und Pflanzen der Insel
Natürlich kann der Spielleiter Fauna und Flora nach eigenen Wünschen gestalten, dennoch stehen ein paar Ideen zur Verfügung:
Blaue-grüne Paradiesvögel, mit ungewöhnlich grellen Schnäbeln
machen sich über die Beerenfrüchte in den Baumwipfeln her.
Kleine Äffchen, ähnlich einer bekannteren Art, huschen frech durch
die Bäume und werfen auch gern mit Borkenstücken und unreifen
Früchten. Mit etwas Geschick kann man diese neugierigen Wesen
in eine Falle locken. Sie kreischen los, sobald sie sich nicht mehr
befreien können.
Verschiedene Phasmiden tarnen sich im Blätterwerk. Ein geübtes
Auge erkennt die bizarren Gespenstschrecken und Käfer mit Dornenattrappen auf ihrem Panzer. Selbst eine Spinnenart, die vorgibt
eine weiß-gelbe Blüte zu sein, liegt auf der Lauer.
Am Flusslauf sitzen verschiedene Pfeilgiftfrösche in bunten Farben.
Louis hält die Besatzung davon ab, die Frösche mit bloßen Fingern
zu berühren.
Eine größere Affenart scheint sich vorwiegend zurückzuhalten.
Ihr Fell ist kupferfarben und wird zu den Extremitäten hin immer
dunkler. Sie leben in Bodennähe, sind aber bei Bedarf flinke Kletterer. Sie fressen neben Obst auch Insekten, Pflanzentriebe und
Vogeleier.
Giftige Tausendfüßler krabbeln durch das Laub. Ihre Chitinkörper
glänzen im Sonnenlicht, das durch die Baumwipfel fällt.
In der Bucht liegen die schönsten Muscheln und dicke grüne Krabben laufen seitwärts über den Strand. Wer ein geschickter Fischer
ist oder ein Netz auslegt, kann Buntbarsche fangen. Viele sind zu
klein zum Essen und eignen sich nur für die Suppe, größere eignen
sich zum Braten.
Mit ihnen kommen die Skorbutkranken recht schnell wieder auf die
Beine. Nach zwei, drei Tagen ist eine deutliche Besserung sichtbar.
Bananen finden sich nicht nur in der bekannten gelben Variante,
sondern auch in einer süßen roten und einer säuerlichen, leicht minzigen grünen.
Ein Strauch trägt leuchtend rote Blüten und zieht alle Arten von
Schmetterlingen an.
Zimtbäume, deren Schale getrocknet und zerrieben das bekannte
Gewürz ergeben, und Pfeffersträucher, wachsen weiter im Inneren
der Insel.
Am Strand stehen Kokospalmen und die Büsche in Ufernähe tragen
leckere Nüsse mit einer sehr harten Schale.
2. bis 4. Tag auf der Insel
Mit Hilfe der Zitrusfrüchte haben sie die Kranken schnell wieder erholt und können bereits in der Nähe des Lagers umherlaufen. Louis
indes geht es immer schlechter. Sein Bein ist dick angeschwollen,
die Wunde nässt und eitert. An seinem ganzen Körper haben sich
Blasen gebildet und dazu hat sich noch hohes Fieber gesellt. Die
meisten der Schiffsbesatzung gehen auf Abstand und der eine oder
andere, der bereits von einem Fluch sprach, unkt über die Strafe der
Götter. Geflüster, man solle den Unglückseeligen doch erlösen, ist
zu hören, eine gespaltene Stimmung macht sich breit. Ein Held mit
medizinischer Kenntnis stellt eine schwere Vergiftung fest, für die
es auf der Insel eine Heilpflanze geben könnte. Er kann dem Kranken mit kalten Umschlägen etwas Linderung verschaffen.
Der Anführer unternimmt weitere Touren zum Berg, um dessen
Phänomen zu ergründen. Jedesmal schlägt die Kompassnadel wild
aus. Als einem Mannschaftsmitglied das Gewehr runterfällt, spürt
er einen deutlichen Widerstand, bei dem Versuch es aufzuheben.
Wenn die Helden den Berg näher in Augenschein nehmen wollen,
finden sie eine versteckte Höhle, die in das Innere des Berges führt.
Hier sind die Effekte noch stärker als draußen und die Helden haben
Mühe vorwärts zu kommen. Bei genauem Hinsehen finden Sie ein
silbrig glänzendes Metall, das die Felswände durchzieht. Sie können mit Spitzhaken ein paar Brocken herausschlagen, obwohl das
Werkzeug nur mit viel Kraftaufwand zu bewegen ist und immer
wieder an Wänden und Boden hängenbleibt. Helden mit Ahnung
von Gestein, werden schnell erkennen, womit man es zu tun hat. Bei
Tageslicht betrachtet, handelt es sich um ein großes Vorkommen
an Magnetit. Dieses Gestein ist recht selten und wertvoll. Ein paar
Männer der Besatzung wollen direkt mit dem Abbau beginnen.
Am Abend bemerkt der Anführer oder alternativ einer der Helden,
dass es allmählich Vollmond wird. Als die Dunkelheit hereinbricht
legen sich alle zur Ruhe. Der arme Louis befindet sich mittlerweile
in wilden Fieberträumen, es steht schlecht um ihn. Kaum ist Stille
im Lager eingekehrt, ertönen wilde Schreie und Krachen der Äste.
Ein panisches Kreischen schallt durch den Wald und erstirbt kurz
darauf. Es ist schauerlich. Wenn einer der Helden mutig genug ist,
das Zelt zu verlassen und dem Spuk auf den Grund zu gehen, wird
er einen großen Schatten im Gebüsch verschwinden sehen. Danach
kehrt wieder Ruhe ein.
Die Zitrusfrüchte ähneln Limetten, sind aber größer und süßlicher.
38
Das Zu nftb latt
5. Tag auf der Insel
Am nächsten Morgen findet sich Blut auf den Blättern nahe am
Fluss. Die Mannschaft ist jedoch vollzählig. Mit einigen Proben
auf Naturkunde, Wildnisleben, Forschung oder einem anderen
passenden Talent fällt den Helden Seltsames an den Affen auf.
Sie wirken lethargisch und benommen. Außerdem tragen manche der Bäume hoch oben in ihren Ästen seltsame purpurfarbene
Blüten, die einen benebelnden Duft verströmen. Das bösartige
Insekt, das Louis gestochen hat, scheint plötzlich ganz leblos.
Gestern schwirrte es noch wild und angriffslustig im Glas umher.
Mit gelungenen Wahrnehmungsproben finden die Helden einige
Artgenossen dieses Insekts auf dem Waldboden liegen. Sie scheinen nicht tot zu sein, doch viel trennt sie nicht mehr von diesem
Zustand. Mit dem richtigen Geistesblitz und etwas Hirnschmalz
können die Helden daraus einen Zusammenhang kombinieren.
Notfalls kann der Spielleiter für gelungene Klugheitsproben Hinweise geben. Bei den purpurnen Blüten, die auch die Affen zu sich
nehmen, handelt es sich um das gesuchte Heilmittel für den kranken Louis. Es erfordert allerdings einige Mühe und viel Sportlichkeit, um auf die Bäume zu klettern. Am Ende halten die Helden
einen Zweig mit den Wunderblüten in der Hand, die sie dem Kranken nach und nach einflößen. Nach wenigen Minuten hört dieser
auf vor Schmerzen zu stöhnen. Ein paar Blüten auf der Stichwunde
lassen die Entzündung schnell abschwellen. Bereits am Abend ist
Louis wieder bei Bewusstsein, wenn auch noch sehr matt.
Während des Tages wurde eine Wache für die Nacht organisiert,
die dem unheimlichen Geschrei auf die Spur gehen will. Die Anregung dazu könnte von den Helden gekommen sein. Als der Vollmond wieder hoch am Himmel steht, geschieht in den Bäumen
Seltsames. Die Affen, die den ganzen Tag benommen vor sich hin
gedöst haben, erheben sich wie in Trance. Sie stoßen schaurige
Gesänge und wildes Gebrüll aus. Auch aus Louis Zelt kann man
seltsam wimmernde Laute vernehmen. Louis geht es jedoch gut
und fest an der Schulter gerüttelt, kommt er auch bald zur Ruhe.
Plötzlich löst sich aus dem Dunkel ein großer Schatten. Er
schleicht auf leisen Pfoten über dicke Äste auf die Affen zu. Diese bemerken ihn nicht und setzen ihren Gesang fort. Mit einem
Sprung erreicht der Schatten einer der Affen und im Licht des
Vollmondes schimmert dunkles Fell. Zwei Augen glühen auf. Der
Affe schreit in Panik und auch die anderen Affen setzen zu einem
wilden Gekreische an, so wie es in den letzten Nächten zu hören war. Sollten die Helden das Feuer eröffnen, verfehlen sie den
Schatten nur knapp, können aber ein kräftiges Fauchen vernehmen. Im Fackelschein sehen sie, wie eine große, dunkle Raubkatze
den toten Körper eines Affen ins Gebüsch zerrt und darin verschwindet. Danach kehrt Ruhe im Lager und in den Bäumen ein.
6. Tag auf der Insel
Louis fühlt sich am nächsten Morgen deutlich ausgeruhter und
auch sein Bein sieht bei Weitem nicht mehr so geschwollen aus.
Er nimmt noch ein paar von den Blüten zu sich und trinkt etwas
Tee. Während dessen erzählt Kendral, er wolle die Insel kartographieren lassen, um mit größeren Schiffen wieder zu kehren.
Dann könnte man die Gewürze ernten, das Magnetit abbauen und
eine Safari auf die Großkatze von letzter Nacht veranstalten. Louis Gegenargumente, diese Insel würde so völlig ihrer Schönheit
beraubt werden, ignoriert der Anführer völlig. Der Navigator und
ein fähiger Zeichner der Besatzung haben bereits mit der Arbeit
begonnen und vermessen die Insel. Die Helden werden ebenfalls
dazu eingespannt oder können alternativ das Schiff mit Vorräten
beladen. In den nächsten Tagen soll die Seeschwalbe ablegen. Wer
eine gute Ausrede findet, kann stattdessen auf der Insel umherwandern. Louis wirkt den ganzen Tag brummelig, bewegt sich
aber kaum von seinem Krankenlager fort.
In der letzten Vollmondnacht geht das Geschrei der Affen wieder
los. Diesmal ist man vorbereitet und legt sich auf die Lauer, doch
die Katze lässt sich nicht wieder blicken. Offensichtlich ist sie satt
von ihrer erfolgreichen Jagd der letzten Nacht.
7. Tag auf der Insel
Am nächsten Morgen beginnt man zu packen und das Lager allmählich abzubauen. Die Helden werden Zeugen eines Streites zwischen dem Kendral und dem Kartographen. Die Aufzeichnungen
über die Insel sind verschwunden. Alle gesammelten Koordinaten
sind entweder nicht mehr aufzufinden oder liegen zertrampelt im
Matsch. Drum herum sind Spuren wie die eines Affen zu sehen.
Als der Navigator gerufen wird, stellt sich heraus, dass dessen
Sextant verschwunden ist. Panik macht sich breit. Wie soll man
nun die Koordinaten der Insel bestimmen, ganz zu schweigen von
dem Weg in heimatliche Gewässer? Doch alles Suchen und alle
Verdächtigungen helfen nichts. Die Besatzung muss unverrichteter Dinge die Insel verlassen.
Die Abfahrt läuft ansonsten reibungslos. Einer der Helden kann
für Louis noch einige der Blüten besorgen, die sich mit dem abnehmenden Mond wieder verschließen. Auch das eine oder andere
exotische Tier und genügend Forschungsmaterial werden auf dem
Schiff untergebracht. Wenn einer der Helden möchte, kann er zum
Abschluss noch Warzenschweine jagen, deren Fleisch ein leckeres
Abendessen auf Deck abgeben wird.
Wieder an Bord der Seeschwalbe
Während der nächsten Tage wirkt der junge Louis ruhig und irgendwie zufrieden. Er liest wieder viel im Tagebuch seines Großvaters. Nach dem die Insel am dritten Tag schon lang nicht mehr
zu sehen ist, vertraut sich Louis einem oder mehreren der Helden,
die er für verschwiegen hält, an. Er sei sehr froh, dass die Insel
auch weiterhin von Menschen nicht so leicht gefunden werden
könne. Es wäre zu schade um dieses einzigartige Stückchen Natur
gewesen, sagt er leise. Dann lächelt er und zwinkert den Helden
zu. Während dessen bemerkt eines der Crewmitglieder unter der
Ladung von Magnetitgestein einen seltsamen Gegenstand, der in
einen Lumpen gewickelt ist. Er zieht ihn heraus und findet erstaunt den vermissten Sextanten.
Auszug aus dem Tagebuch: Wir verlassen dieses wundervolle Fleckchen
Erde, das vielleicht letzte Paradies. Mögen die Götter es beschützen.
Auf in die Heimat!
Das Zu nftb latt
CS
39
Dieses Buch ist cool! Es hat Flair und Stil, ist eine echte Bereicherung für den Spieltisch. Es bietet zu einem fairen Preis
Material für etliche Spielsitzungen.
K.
Canyon der Verdammnis
Deadlands Quellenbuch
Uhrwerk
128 Seiten
26 Euro
Dampf im Westen
Stadt der Finsternis
Deadlands Quellenbuch
Uhrwerk
170 Seiten
30 Euro
Salt Lake City – hört man
diesen Namen, so schießen einem gleich eine ganze Menge
Begriffe in den Kopf: Mormonen, Vielehe und Zurückgezogenheit sind nur einige von
ihnen. Doch das Salt Lake
City des Unheimlichen Westen ist anders. Es ist die Stadt
der Schlote und Fabriken, die
Stadt des Fortschritts und der
Forschung und die Stadt des elektrischen Lichts. Aber es ist
auch die Stadt der Finsternis, gequält von den Fabriken und
gebeutelt vom Abfall der Errungenschaften. Freier Himmel
und sauberes Wasser sind nur Mythen für die Bewohner dieses
Landstriches, dessen Geschichte tatsächlich mit der Bewegung
der Mormonen angefangen hat.
„Stadt der Finsternis“ ist ein Deadlands – Quellenband, der das
Spiel wieder um einige wichtige Komponenten bereichert. Natürlich ist das Mormonentum ein uramerikanisches Phänomen
und darf daher im Unheimlichen Westen nicht fehlen. Welche
Wege diese Religion in der Realität dieses Spiels eingeschlagen hat, und wie die Stadt, die für ihre Anhänger ein Paradies
werden sollte, zu einem düsteren Ort voller Rauch und Dampf
wurde, das alles lässt sich in dem Quellenband finden.
Kaufabenteuer sind eine Kunst
für sich. Meistens läuft es auf die
Formel hinaus: „Entweder man
mag sie, oder man lässt die Finger davon.“ Mit dieser Haltung
bin ich auch an „Canyon der Verdammnis“ herangegangen, denn
ich gehöre für gewöhnlich nicht
zu den großen Freunden von
Kaufabenteuern.
Ich wurde positiv überrascht, denn dieses Mammut-Abenteuer
ist wirklich schön gemacht. Alles beginnt mit einer abenteuerlichen Expedition für die Explorer’s Society und natürlich geht es
zunächst um die Suche nach einem verschollenen Forscher. Doch
was sich dann entwickelt, ist eine Saga über Verschwörungen,
Rätsel und mystische Geheimnisse, die es in sich hat und auch
tiefe Einblicke sowohl in die Natur der Deadlands als auch in die
Seele der Indianervölker gewährt.
Das Abenteuer beginnt sehr einsteigerfreundlich und ermöglicht
eine schnelle und leichte Orientierung. Zügig gewinnt es an Fahrt
und erinnert in seinem Fluss tatsächlich an den Canyon mit seinen
rasanten Bewegungen und plötzlichen Biegungen.
Lebensbedrohliche Begegnungen mit skurriler Flora und Fauna
bleiben natürlich auch nicht aus, wenngleich das Abenteuer bei
weitem nicht als kampflastig bezeichnet werden kann.
Insgesamt erhält der Spielleiter ein Rundum-Paket, das Einsteigern wie Veteranen mächtig Spaß machen wird und mit Atmosphäre nicht geizt. Das Preis-Leistungs-Verhältnis ist sehr gut,
wenngleich Grundrisspläne und Karten in der Optik vielleicht
etwas altertümeln. Kaufen und spielen!
American Vampire
2. Großer Aktionstag zur
Fantasy in Koblenz
Man sollte meinen, das Thema
„Vampire“ würde keine Überraschungen mehr bereithalten
können. Sollte man, aber dann
läge man falsch. Denn mit der
Graphic Novel „American Vampire“ feiert Altmeister Stephen
King – mal wieder – ein Comeback. So oft totgesagt und dann
doch wiedergekehrt, könnte
King vielleicht eine gewisse Verwandtschaft zu den Vampiren
empfinden. Und so wundert es
nicht, dass „American Vampire“
tatsächlich eine gelungene Erzählung ist. Das liegt natürlich
unter anderem daran, dass
Kings Worte von den eigenwilligen und fesselnden Zeichnungen
eines Rafael Albuquerque untermalt werden.
Von Narnia bis ins Auenland
Stephen King mal anders
Eigenwillig ist auch die Erzählung, die sich in zwei Handlungsstränge teilt. Der eine erzählt die Geschichte eines Showsternchens in den 1920er Jahren, das in die Fänge einer HollywoodGesellschaft gerät, die angetrieben wird von der stetigen Gier
nach Geld, Ruhm und frischem Blut. Schockierend sind die Entwicklungen hier, melancholisch und ernst der Ton.
Anders im zweiten Handlungsstrang, in dem die Geschichte eine
Draufgängers und Banditen des Wilden Westens erzählt wird,
dem es immer wieder gelingt, seinen Verfolgern zu entgehen, und
der seinen Widersachen wie ein Dämon erscheinen muss. Doch
weit gefehlt, denn er ist ein Vampir. Und während die Vampire der
Alten Welt in Machtgier und Dekadenz schwelgen, ist dieser ein
Freigeist mit ungewöhnlichen Fähigkeiten.
Geschickt werden beide Handlungsfäden im Verlaufe der Geschichte miteinander verwoben und lassen am Ende nur ein Fazit
zu: Die Ära des klassischen Vampirs ist vorbei, der nächste Evolutionsschritt ist der American Vampire.
Leicht zugänglich ist die Geschichte nicht immer, manche Fragen
bleiben offen. Ein runder Abschluss ist auch nicht gefunden, sodass wohl eine Fortsetzung zu erwarten ist.
K.
Dabei ist die Stadt auch das Hauptquartier von Hellstromme
und damit ist die Richtung des Buches schon recht klar vorgegeben. Denn wo so ein wichtiger Charakter beheimatet ist,
da darf eine gehörige Priese Metaplot nicht fehlen. Und wo es
um Hellstromme geht, da geht es um Steampunk. Nicht der
Horror in Form von Monstern oder Geistern steht hier im
Mittelpunkt, sondern der Albtraum des menschlichen Geistes
und der Maschinen, die er hervorbringt. Das geht so weit, dass
sogar ein Abschnitt über die Verschmelzung von Mensch und
Maschine nicht fehlt. „Augmentation“ heißt diese Kunst, und
dahinter versteckt sich nichts anderes als eine sehr coole, zeitgemäße und steampunkgerechte Variante der Cyberware.
40
Das Zu nftb latt
Unter dem Motto „Von Narnia bis ins Auenland“ fand am 13. November der 2. Große Aktionstag zur Fantasy in Koblenz statt.
Wieder lud die Zunft der Lahnsteiner Rollenspieler e. V. Kinder
und Jugendliche in die Stadtbibliothek Koblenz. Hier konnten
Brett- und Rollenspiele ausprobiert, Gewandungen, Rüstungen
und Waffen bestaunt und Fragen gestellt werden.
Durch Lokalpresse und Radio war der Termin in den Tagen vor
der Veranstaltung sehr gut beworben worden, und so drängten
sich die ersten Besucher gleich bei Öffnung der blauen Sicherheitstür der Bibliothek in die gemütlichen Räumlichkeiten. Umweht
vom Geruch der Bücher, der jede gute Bibliothek zu einem magischen Ort macht, und angereichert mit den Erwartungen, die
man in den Kinderaugen lesen kann, entstand eine zauberhafte
Atmosphäre. Schnell entwickelten sich lebendige Gespräche und
ein aktiver Austausch zwischen Kindern, Eltern und den Mitgliedern des Gastgebervereins.
Vor allem das Thema „Narnia“ war diesmal ein Publikumsmagnet, wahrscheinlich in Erwartung des Kinofilms „Die Reise auf
der Morgenröte“. Viele der Besucher gaben an, vor allem wegen
diesem Thema gekommen zu sein. Sie wurden sehr positiv überrascht, denn es wurde zu diesem Film auch ein Quizz mit anschließender Geschenkaktion ausgerichtet. Verschenkt wurden großzügige Sachpreise aus dem Brendow-Verlag, die das Herz eines
jeden, der einmal einen Blick durch den Wandschrank gewagt hat,
höher schlagen ließen.
Unter den Brettspielen erfreute sich „Der Hobbit“ größter Beliebtheit. Der Spieltisch war stets bestens besetzt und es war eine
Freude, die jungen Abenteurer dabei zu beobachten, wie sie Gollums Rätsel lösten.
Der Tag war ein großer Erfolg für die Stadtbibliothek und für die
ZLR gleichermaßen. Mit wenig Aufwand, aber viel Tatendrang
gelang eine Aktion, die für viele der Besucher wohl einen ersten
Schritt in die Welt des Rollenspiels darstellen dürfte.
Die Gewinner des Narnia-Rollenspiels setzten sich übrigens
gleich zusammen und beschlossen, eine gemeinsame Spielrunde
zu gründen.
Insgesamt aber beeindruckt dieses Stück Comic-Kunst, das vor
allem für Leser geeignet ist, die ein gewisses Grundverständnis
für den amerikanischen Geist und das Konzept der „manifest destiny“ mitbringen.
K.
K.
Das Zu nftb latt
41
Fantasy macht Schule
Wer hätte sich zu Schulzeiten
nicht gewünscht, statt Rechnen, Rechtschreibung oder
Zeichnen wenigstens ein
Mal zu lernen, wie man das
Schwert schwingt, gefährliche Drachenreiter überlistet
oder klug seine magischen
Kräfte einsetzt?
Übrigens: Die Schule bietet, wenn sich ein geeigneter Leiter findet, auch Rollenspiel-AGs im Nachmittagsunterricht an. Man hat
verstanden, dass Rollenspiel eine ernsthafte und sinnvolle Freizeitbeschäftigung ist. Bleibt nur die Frage: Wo war diese Schule,
als ich Schüler war?
Für 21 Realschüler von der
Mosel wurde dieser Wunsch
Realität, denn im Rahmen eines Projektes für den Kunstunterricht wurde statt des
Pinsels lieber der Würfel
geschwungen. Zwei Unterrichtsstunden lang durften die Schüler
sich gemeinsam an dem „Einsamer Wolf“-Abenteuer „Banedons
Auftrag“ versuchen. Dieser kurze Titel ist eine sehr gute Einführung in die Welt der Abenteuerspielbücher und kann darüber hinaus Lust auf mehr machen. Und so war es auch: Kaum hatten die
jungen Helden ihre Mission erfüllt, verlangten sie nach mehr und
erkundigten sich ausgiebig über Pen & Paper und LARP.
Natürlich wurde niemand zur Teilnahme am Abenteuer verdonnert. Das wäre sicher dem Spaß abträglich gewesen. Wer sich lieber nicht aktiv beteiligen wollte, hatte die Möglichkeit, sich vom
Spiel der anderen Schüler inspirieren zu lassen und seine eigenen
Fantasy-Illustrationen zu zeichnen. Als Belohnung für beste Arbeiten winkte eine Veröffentlichung im Zunftblatt. Das Ergebnis
ist unten zu sehen.
Man kann sagen, dass dieses Projekt die Neugier und die Abenteuerlust der Schüler voll ansprach und die Erwartungen sprengte. Eine gelungene Art, auf unser Hobby aufmerksam zu machen.
K.
Mythologien nimmt sie nun den Kampf gegen ihre finsteren Widersacher auf. Die Geschichte ist frech und lebhaft erzählt, auch
wenn die romantischen Irrungen und Wirrungen der Hauptfigur
wohl doch eher auf junge Leser abzielen, die sich in einer ähnlichen Phase romantischer Orientierung befinden.
Thalassa und der
Bettlerkönig
Midgard Quellenbuch
Verlag für F&SF Spiele
200 Seiten
29,95 Euro
Was das Buch aber nun so einzigartig macht, sind die kunst- und
liebevollen Illustrationen. Hier wurde viel Herzblut investiert, um
der an sich schon pfiffigen Erzählung ein angemessenes Gewand
zu liefern.
Ich brauche eigentlich nicht zu
sagen, dass die Midgard-Gemeinschaft zu den treuesten und
kreativsten Vertretern der deutschen Rollenspielszene zählt.
Das merkt man auch wieder bei
dem sehr fundierten und atmosphärischen Quellenbuch „Thalassa und der Bettlerkönig“.
Auf genau 200 Seiten werden
hier dem Leser die Stadt Thalassa und die umliegende Region nähergebracht. Das Flair ist griechisch angehaucht, jedoch mit deutlichen Mittelalter-Einflüssen. Einst, vor langer Zeit, war Thalassa einmal eine blühende Stadt, eine Perle unter dem Himmel. Doch
im Krieg der Magier erfuhr sie viel Leid und Elend und fiel in die
Finsternis.
„Thalassa“ bietet eine so stimmige Stadtbeschreibung mit so schönen Elementen (man siehe den Kinderkreuzzug, eines meiner persönlichen Highlights), dass man sicherlich etliche Spielsitzungen
an diesem Ort verbringen kann. Das Layout ist vielleicht ein wenig altbacken und man hätte sich mehr Illustrationen wünschen
können. Alles in allem ist dieses Werk aber absolut erstklassig
und viele andere Systeme könnten sich von dieser Stimmigkeit ein
Scheibchen abschneiden!
Das Lied der Banshee
Janika Nowak
PAN Verlag
479 Seiten
14,99 Euro
Selten findet man auf dem Jugendbuch-Markt solche Kleinode wie
„Das Lied der Banshee“. Denn bei
diesem Werk hat sich der Verlag
richtig ins Zeug gelegt. Erzählt
wird eine ungewöhnliche Geschichte um ein Mädchen, das erfährt,
dass sie eine Todesfee ist, eine Banshee. Gemeinsam mit einer Schar anderer Gestalten aus verschiedenen
42
K.
Das Werk des C. S. Lewis
Geliebt und verschrien
In der deutschen Rollenspielszene ist er kontrovers diskutiert; von den einen wird er als
„christlicher Fundamentalist“
verschrien, von den anderen als
einfühlsamer Geschichtenerzähler geliebt. Es scheint fast,
als könne man sich Jack (denn
diesen Namen zog Clive Staples
Lewis seinem eigenen Namen
vor) nicht annähern, ohne zu
polarisieren.
Heute ist die Stadt wieder belebt. In den Gassen der vier Stadtviertel treibt sich zwielichtiges Volk herum, geführt vom geheimnisvollen Bettlerkönig. Auch das fahrende Volk hat hier eine Heimat gefunden.
K.
Das Zu nftb latt
„Das Lied der Banshee“ ist ein tolles Jugendbuch, das Leser zwischen 14 und 16 Jahren fesseln wird. Für ältere Leser ist es bedingt ebenfalls geeignet.
Zugegeben, Lewis Oeuvre ist
durchzogen von den Symbolen
und der Bildsprache des Christentums, doch geht es ihm gar nicht um Bekehrungsversuche.
Es ist durchaus möglich, die Narnia-Romane vollkommen ohne
Kenntnisse dieser Symbolik zu lesen und zu genießen. Zudem
mag es mir ein wenig eigenartig erscheinen, dass hier das Gespräch stets auf dieses Thema gelenkt wird, während ich den
Vorwurf „Das ist ja nur christliche Propaganda“ bei Tolkien,
einem Freund und Schreibgenossen von Lewis, oder gar bei J.
K. Rowling, die ihre Harry Potter Reihe als von Lewis inspiriert betrachtet und sich selbst als „Inkling“, als Mitglied jener
Schreibwerkstatt, der er und Tolkien angehörten, sieht, nur
recht selten höre.
Die wohl bekanntesten Romane, die Lewis veröffentlicht hat,
sind wohl eben jene sieben Bände der Chroniken von Narnia.
Lewis entwickelt hier eine Erzählung über eine Fantasywelt, die
parallel zu der unseren existiert (etwa vergleichbar mit Changeling: The Dreaming), von deren Anbeginn bis zu ihrem Untergang. Dabei spielt der Autor, der von Einstein und dessen
Theorien über die Zeit sehr beeindruckt war, mit eben jenem
Zeitfaktor. In Narnia können Jahrtausende vergehen, während
auf der Erde nur Augenblicke verstreichen. So können ein und
dieselben Erdenkinder immer wieder nach Narnia zurückkehren
und finden sich an unterschiedlichen Wendepunkten der Geschichte dieser Welt wieder.
Das Zu nftb latt
43
Die Welt von Narnia mag dem einen oder anderen Leser ein wenig naiv erscheinen in ihren Motiven von sprechenden Tieren,
Fabelwesen der griechischen Mythologie und Märchengestalten
(die Weiße Hexe weist deutliche Ähnlichkeiten mit der Schneekönigin auf und auch der Weihnachtsmann fehlt im zweiten Buch
des Zyklus nicht). Auch der Erzählstil richtet sich eher an junge
Leser. Doch Jack war der Überzeugung, dass ein gutes Buch sowohl Kinder als auch Erwachsene unterhalten können muss. Und
so gelingt ihm, was auch J. K. Rowling gelungen ist: seine NarniaErzählungen sind so Vielschichtig, dass sie Lesern und Hörern
aller Altersgruppen etwas zu sagen haben. Da wundert es nicht,
dass sich im Brendow-Verlag auch sehr schöne und kindgerecht
gekürzte Kinderbilderbücher zu Narnia finden lassen, die nicht
nur durch Bildgewalt zu bestechen wissen.
Filmisch sind die Narnia-Bücher von Disney eigenwillig aber unterhaltsam interpretiert worden. Wer jedoch nach den Filmen zu
den Büchern greift, dürfte leichte Schwierigkeiten bei der Orientierung erhalten. Denn viele Dinge sind im Film sehr in die Länge
gezogen, die Lewis nur kurz anreißt. Das ist nicht unbedingt eine
Schwäche der Filmversionen, zwingt mich aber zu dem dringenden Rat, sich die Bücher zu Gemüte zu führen, zumal hier auch
einige zusätzliche Geschichten zu finden sind, die wohl nicht verfilmt werden, da sie ausschließlich in Narnia spielen oder bisher
im Film nicht verwendete Protagonisten aufweisen. Wer lesefaul
ist, dem sei die sehr stimmungsvolle Hörbuchversion mit Philip
Schepmann sehr empfohlen. Schepmann versteht es gekonnt, den
Geschöpfen Narnias seine Stimme zu leihen und den Hörer mit
sanftem Ton in Traumwelten von Faunen und Dryaden zu locken.
Wer aber meint, die Narnia-Bücher seien die einzigen nennenswerten Veröffentlichungen, die Lewis herausgebracht hat, der
irrt sich. Ich will seine theologischen Schriften hier nicht nennen, denn sein Stil, der die Klarheit und Überzeugungskraft eines
Mannes, der erst in fortgeschrittenem Alter zum Glauben gefunden hat, aufweist, erscheint hier schnell belehrend und streng und
ist sicherlich nicht die Kost, die sich ein Fantasy-Enthusiast zu
Gemüte führen würde. Dennoch möchte ich die „Dienstanweisungen an einen Unterteufel“ nicht unerwähnt lassen. In diesem
satirisch-komischen Band ist der fiktive Briefwechsel eines Teufels an einen Unterteufel wiedergegeben, in dem der Teufel seinen Untergebenen händeringend und kopfschüttelnd in der Kunst
der Verführung des Menschen zu unterweisen versucht. Komisch,
nachdenklich und tiefgründig ist dieser Band und für den theologisch interessierten Leser mal etwas Anderes.
Damit ist der Vielseitigkeit Jacks aber noch nicht genug. Denn
auch im Bereich der Science Fiction hat er sich einen Namen gemacht. Seine „Perelandra“ – Trilogie um einen Universitätsprofessor, der gegen seinen Willen zu einem Weltraumreisenden wird,
um festzustellen, dass wahre Menschlichkeit zwischen den Sternen zu finden ist und die Menschen Raubbau an den anderen Völkern und an sich selbst betreiben, ist ein Meisterwerk an sprachlicher Schönheit und inhaltlicher Tiefe. Angeblich soll sie sogar den
Erfolgsfilm „Avatar“ beeinflusst haben.
Der Stil dieser Bücher ist wieder deutlich anders als das, was
wir aus Narnia gewohnt sind. Jack zeigt sich hier von einer sehr
erwachsenen, sehr offenen und freien Seite und schreibt humorvoll, gefühlvoll und packend zugleich. Besonders charmant sind
seine Überlegungen zu Biologie und Physik des Weltraums (der
Roman entstand um 1938, weit vor der ersten Mondlandung der
44
Amerikaner), die teilweise köstlich naiv und absurd, in anderen
Momenten wieder irgendwie lovecraftsch wirken. Insgesamt fällt
es aber sehr schwer, diese Bücher wieder aus der Hand zu legen.
Erfreulich ist, dass auch die Perelandra-Trilogie in einer Neuauflage erscheinen wird, dann als Sammelband. Sobald uns dieser
vorliegt, werden wir ausführlich berichten.Es ist also nicht so sehr
die Suche nach dem Göttlichen, die den Reiz von Jacks Schriften
ausmacht. Es ist die Suche nach der Wärme, der Herzlichkeit und
der großen Güte, die seine Weltsicht durchziehen. Es ist die Suche
nach dem Menschlichen.
K.
Dungeonslayers
Uhrwerk Verlag
160 Seiten
17,95 Euro
Erster Eindruck:
Ein Cover, das in mystischem
Grün gehalten eine Abenteurergruppe zeigt, die sich ihrer Haut
gegen eine Gruppe Skelette erwehren muss und ein schickes
A5-Format, das einen bei 160
Seiten Stärke schon „ordentlich
was in der Hand halten lässt“.
Gefällt mir gut. Kann man sich
auch mal in den Rucksack stecken, um unterwegs etwas zu lesen. Das Buch liegt super in der
Hand und die Bindung scheint mir ordentlich was auszuhalten.
Da ich aber Sammler bin und auf einen perfekten Zustand Wert
lege, habe ich glaube ich schon ein minimales Problem aufgedeckt
- die äußerste Folienschicht sieht an den Buchrändern schnell angeschlagen aus. Das ist aber wirklich kleinliches Rumgejammer,
schlimm ist das beileibe nicht, wir reden hier von Bruchteilen von
Millimetern.
Layout, Illus und Co:
Selbst wenn Frank meckert, dass der Bogenschütze den Pfeil
falsch herum angelegt hat und so ganz sicher nichts treffen wird,
muss ich sagen, dass ich das Cover von Alan Lathwell ausgesprochen gerne mag. Wie (wie wir später sehen werden) das ganze
Spiel schafft die Cover-Illu den Spagat zwischen einem OldSchool-Look und einer modernen Grafik, die auch DSA- oder
D&D 3/3.5/4-Spieler und die unvermeidbaren Savages anzusprechen vermag.
Die Innen-Illus von Thomas Trapp gehen dann eher in die Richtung „grob und klassisch“, was aber auch im Gesamtkontext passt.
Teilweise sind sie mir zu comic-artig, wie beispielsweise die beiden flüchtenden Skelette auf S. 73, die einzeln betrachtet durchaus
ihren Charme haben, aber mit dem Rest des Buches nicht so gut
harmonieren. Das ist aber schon Gemecker auf hohem Niveau,
denn insgesamt ist das Buch-Innere absolut durchdacht und das
klar gegliederte Layout macht es dem Neuling sehr leicht, sich zurechtzufinden. Ein wirklich ganz großes Lob dafür. Strukturierte
Das Zu nftb latt
Dinge wie Zaubersprüche, Monster und Ähnliches in kleinen
Kästchen mit immer wieder kehrenden Symbolen zu präsentieren
ist wirklich absolut sinnvoll und gelungen. Hier sind wir wieder
bei dem Problem „alt gegen neu“ - denn kurze Informationen (für
mich oft einhergehend mit einem Old-School-Spielgefühl) treffen
auf eine moderne, aufgeräumte Präsentation. Ihr werdet sehen,
dass diese Verschmelzung old-schooliger und moderner Elemente
im Laufe der Rezi immer wieder auftauchen wird.
Ob gewollt oder nicht, erfüllen die Reiter am Seitenrand, auf denen
die Kapitel angezeigt werden, einen weiteren Zweck. Das Kapitel,
in dem man sich gerade befindet, ist weiß anstatt grau markiert,
was dazu führt, dass man schon, wenn man von der Seite auf das
Buch blickt, einen guten Überblick darüber hat, was wo zu finden
ist - hervorragend und gut für schnelles Nachblättern.
Inhalt:
Ich sage es ja nur sehr ungern, aber schon mit dem Inhaltsverzeichnis hat Dungeonslayers bei mir gewonnen, denn die einzelnen Kapitel sind in die Räume eines Dungeons hinein geschrieben und an solchen kleinen Gimmicks gibt es noch so einige.
Prima. Solche netten kleinen Effekte will ich doch in mehr Rollenspielprodukten sehen. Da startet man gut gelaunt in die
Lektüre.
Da verschmerze ich auch die 3 Fehler im Vorwort und die Tatsache, dass alle Anführungszeichen englisch - sprich: oben - sind.
Das war auch der letzte Satz zum Lektorat, denn abgesehen vom
Vorwort (das bestimmt in letzter Minute nachgeliefert und nicht
mehr überprüft wurde) sind Fehler wirklich sehr rar gesät.
Nach einem Vorwort und einer kurzen Beispielszene, um zu demonstrieren, was Rollenspiel überhaupt ist, gehen wir direkt „in
medias res“:
CHARAKTERE
Auf nur 16 Seiten werden alle Regeln geklärt, die man zur Charaktererschaffung benötigt. Ich persönlich finde es in Rezis immer
langweilig zu lesen, aber der Vollständigkeit halber schildere ich
kurz die Werte, die einen Charakter ausmachen, damit wir flott
zum Kernmechanismus kommen.
3 Attribute:
Körper, Agilität, Geist
6 Eigenschaften:
Stärke und Härte, Körper, Bewegung und Geschick, Agiliät, Verstand und Aura, Geist
Aus diesen errechnen sich folgende Kampfwerte:
Lebenskraft, Abwehr, Initiative, Laufen, Schlagen, Schießen, Zaubern, Zielzauber
Alle diese Werte sind noch mit Abkürzungen (mit je 3 Buchstaben) versehen, damit spielrelevante Angaben kurz und knapp gemacht werden können.
Kommen wir wieder zurück zu meiner alt/neu-Problematik. Die
schnell bestimmten Werte sind absolut Old-School, aber die Tatsache, dass nicht gewürfelt wird, sondern Punkte verteilt werden, sowie das schicke Layout sind doch eher modern.
Immer mehr muss ich feststellen, dass Dungeonslayers zwar
mit „Ein altmodisches Rollenspiel“ kokettiert, aber eigenlich ein
sehr aufgeräumtes, einheitliches Regelsystem besitzt. Es dürfen
sich also nicht nur „alte Säcke“ (TM) angesprochen fühlen, sondern auch Freunde modernerer Systeme.
Nun hat man die Wahl zwischen einem Volk (Elf, Mensch,
Zwerg) und einer Klasse (Krieger, Späher, Zauberwirker -->
Heiler, Zauberer, Schwarzmagier). Ab Stufe 10 (klassisch mit
einem Erfahrungspunktesystem zu erreichen) hat der Charakter die Wahl einer „Heldenklasse“, die dann noch deutlich mehr
rockt als die drei Grundklassen.
Krieger
Berserker, Paladin, Waffenmeister
Späher
Attentäter, Meisterdieb, Waldläufer
Heiler
Druide, Kampfmönch, Kleriker
Zauberer
Elementarist, Erzmagier, Kriegszauberer
Schwarzmagier
Blutmagier, Dämonologe, Nekromant
TALENTE
Auf den nächsten 20 Seiten gibt es jede Menge an Talenten, die
man sich bei Charaktererschaffung und Stufenaufstieg mit Talentpunkten kaufen kann. Diese Talente stehen nur für bestimmte Klassen und ab einer bestimmten Stufe zur Verfügung. Kleines Manko: Schick wäre hier eine Art Talentbaum nach Klassen
sortiert gewesen, aber ich bin sicher, dass sich so etwas in der
äußerst rührigen Szene auf der Dungeonslayers-Seite schon findet oder demnächst zu finden sein wird ...
Kommando zurück: Diese Auflistung findet sich im vorhergehenden Kapitel bei den jeweiligen Heldenklassen. Ich lasse den
Absatz dennoch in der Rezi, denn die hervorragende Community müsste ich sonst an anderer Stelle erwähnen, hiermit ist das
erledigt.
REGELN
Kommen wir zum Kern des Ganzen - gleichzeitig auch die simpelste Sache am System - dem Regelmechanismus.
Das Zu nftb latt
45
Man würfelt mit einem W20 und muss möglichst niedrig (unter
einem Zielwert oder niedriger als der Gegner) würfeln. Das Ergebnis des Wurfes gibt dann beim Angriffswurf gleichzeitig auch
den Schaden an.
Werte machen die Kreaturen aus und werden übersichtlich und
modern dargestellt.
ABENTEUER
Fertig!
Mit Caera wird in diesem Kapitel ein kurzes Setting vorgestellt, in
dem die abgedruckten Abenteuer platziert wurden:
Einfach und gut!
Wie schon bei älteren Versionen von Dungeonslayers sehe ich
aber auf höheren Stufen ein Problem - und zwar, wenn man Werte
jenseits der 20 hat. Hier kann ich als Mathe-Versager kaum sagen,
ob die Trefferwahrscheinlichkeit auch tatsächlich steigt – sehr
mysteriös, aber die DS-Crew wird das schon komplett durchgerechnet haben.
Auch auffällig ist, dass sämtliche Regeln Kampfregeln sind - aber
das sei verziehen, denn es wird wohl niemand mit Dungeonslayers eine Kampagne mit Bäckergesellen spielen, die morgens in die
Backstube gehen ...
• - Herr der Ratten (für Charaktere der Stufe 1)
• - Reise des Verrats (für Charaktere der Stufen 2-3)
• - Festung des Unheils (für Charaktere der Stufen 3-5)
Hier zeigt sich schon der große Vorteil von Dungeonslayers, dem
es gelingt, auf wenig Raum viel Abenteuer unterzubringen. Es
lohnt sich also, knappe Regeln mit übersichtlichen Symbolen und
Werten zu versehen.
Auf kleinstem Raum gibt es hier etliche Zaubersprüche mit allen
nötigen Angaben. Neben den alphabetisch sortierten Sprüchen
mit Beschreibung und Werten, finden sich hier Listen für die drei
Magierklassen, in denen alle Sprüche nach Stufen sortiert sind.
AUSRÜSTUNG
Unterstützt durch eine freundliche und sehr produktive Community wird DS noch mehr zum absoluten Geheimtipp.
Moritz Mehlem
System Matters
Unabhängiges, Besonderes, Einzigartiges
aus der Welt der Rollenspiele
Fiasco
Bully Pulpit Games
130 Seiten
19,95 Euro
in der schon das Lesen des Almanachs Lust auf‘s Spielen macht
und einem bei jeder Dorf-Beschreibung ein paar Abenteuerideen
einfallen. Genau so muss eine Welt vorgestellt werden - kurz und
knapp mit inspirierenden Beschreibungen, die die Lust wecken,
damit zu arbeiten.
„Ich habe alles perfekt
durchdacht!“
„Mein Plan ist idiotensicher!“
ANHÄNGE
Noch kürzer und knapper sind die Ausrüstungslisten. Es gibt keine Beschreibung der Gegenstände, aber in den Tabellen sind neben den Preisen wenn nötig auch die spielrelevanten Wirkungen
der Gegenstände aufgeführt. Sehr effektiv.
• Anhang A: Beutetabellen
• Anhang B: Miniaturen, Bodenpläne & Co.
• Anhang C: Völkerbaukasten
Es gibt ja nur Elfen, Menschen und Zwerge - wer aber lieber einen
Halbling, Minotaurus oder Ork spielen will, kann sich hier sein
Wunschvolk zusammenstellen.
SPIELLEITUNG
Der mit Abstand längste Abschnitt des Buches befasst sich mit der
Spielleitung. Der potentielle Spielleiter erhält Tipps, wie er seinen
Dungeon entwerfen kann, wie er EPs vergibt, wie er erweiterte
Proben abwickelt, was für Schätze die Charaktere finden können
und wie sie eigene magische Gegenstände erschaffen können. Interessant sind auch die einstürzenden Dungeons. Da wurde eine
schicke Idee gut umgesetzt.
Michael Wolf öffnet das Fass der Pandora und gibt Regeln für
Feuerwaffen. (Glücklicherweise nur als Optionalregeln.) Nicht,
dass die Regeln schlecht wären, aber Feuerwaffen in Fantasy-Settings sind immer so eine Sache ...
KREATUREN
Index
Der Hauptteil des Kapitels Spielleitung wird von den Beschreibungen und Werten der potentiellen Gegner der Charaktere
eingenommen. Ich hätte hier ein eigenes Kapitel draus gemacht,
das wäre auch der Übersichtlichkeit zugutegekommen, denn man
hätte sich durch die Kapitelreiter an der Buchseite noch schneller
zurechtgefunden.
Wie die Sprüche sind auch die Kreaturen in übersichtlichen Boxen aufgeführt. Ich muss hier zugeben - die Boxen erinnern mich
sehr an D&D 4 (nur vom Layout und der Übersichtlichkeit her).
Wieder ein klassischer Fall für mein Leitmotiv alt/neu. Wenige
46
Kurz und knackig: Ein absolut liebenswertes „kleines“ System,
das man eigentlich jedem „klassischen“ Rollenspieler empfehlen
kann. Moderne, aber einfache Mechanismen und schickes Layout
erfüllen gemeinsam mit einer old-schooligen Aufmachung und
der „Idee der Einfachheit“ hervorragend und ich finde, dass das
Regelwerk diesen Spagat souverän meistert.
DIE WELT CAERA
Auf wenigen Seiten und mit vielen Karten wird eine absolut klassische Fantasy-Welt präsentiert,
ZAUBERSPRÜCHE
Fazit:
• Anhang D: Feuerwaffen
Charakterbogen
Um erneut auf die geniale Community hinzuweisen - Auf der
Homepage findet ihr unfassbar viele Downloads wie Abenteuer,
Charakterbögen, Erweiterungsregeln...
Das Forum, in dem euch bei jedem noch so kleinen Problem
schnell und freundlich geholfen werden wird, findet ihr hier:
http://s176520660.online.de/dungeonslayers/forum/index.php
Das Zu nftb latt
„Es kann gar nichts
schiefgehen!“
Wer solche Sätze schon einmal
gehört hat, weiß,
was als nächstes
folgt: Stümperhafte
Durchführung, unvorhergesehene Probleme, nicht aufzuhaltende Katastrophen. Auch Rollenspielautor Jason
Morningstar erkannte das – und setzte 2009 diese Prämisse in einem Rollenspiel um. Fiasco ist das schlanke
Büchlein betitelt.
Und was drauf steht, ist auch drin, denn das Spiel hält, was es
verspricht und bringt explosive Situationen an den Spieltisch, bei
denen selbst die Coen-Brüder neidisch würden. Bei Fiasco entwerfen drei bis fünf Spieler sich Rollenspielcharaktere, die miteinander nicht besonders kompatibel sind. Und da es ihnen außerdem
an Harmoniebedürfnis und Impulskontrolle fehlt, wird aus einer
heiklen Ausgangssituation ganz schnell ein Desaster – ein echtes
Fiasko eben.
Der Spielverlauf von Fiasco ist in fünf klare
Phasen unterteilt,
die dem Geschehen
eine klare Struktur
geben. Zu Beginn
einer Fiasco-Runde
steht ein Setup. Dabei handelt es sich um eine ausführliche Liste
mit Figuren, Schau- plätzen, Klischees und Konventionen des
Genrekinos: Ein Koffer mit wertvollem Inhalt,
ein heruntergekommenes Motel an einer Landstraße, eine unglückliche Ehe
oder der Wille, schnell reich zu werden – all das und noch mehr macht ein
Set-up aus. Mit ausgewählten Bausteinen aus
dem Set-up erstellen die
Spieler ihre Charaktere –
diese bestehen aus Beziehungen
untereinander, die noch
durch weitere Details wie
Orte oder Bedürfnisse weiter definiert werden. Je mehr Konfliktpotential sich dadurch ergibt, umso besser.
Ist also ein möglichst instabiles Beziehungsnetz geschaffen, beginnt Akt 1, in dem es mit dem eigentlichen Rollenspiel losgeht.
Reihum spielt jeder Spieler mit seinem Charakter Szenen aus, die
die Handlung vorantreiben. Dabei wird bestimmt, ob sie gut oder
schlecht für den Charakter im Fokus ausgegangen ist. Dies wird
durch verschiedenfarbige Würfel symbolisiert, die nach der Szene
verteilt werden – schwarz steht für schlechten, weiß für guten Ausgang. Der Spieler an der Reihe hat nun die Wahl: Will er die Szene
selbst aufbauen, also über Dinge wie Schauplatz, beteiligte Personen und Ausgangssituation entscheiden – in diesem Fall wählen
seine Mitspieler die Würfelfarbe für den Ausgang der Szene. Oder
will er lieber einem anderen Spieler die Beschreibung der Szene
überlassen – und sich dann die Würfelfarbe selbst aussuchen.
Mit Ende des ersten Aktes schöpft Fiasco dann sein ganzes chaotisches Potential aus. In der folgenden Spielphase, dem Tilt, werden
nämlich anhand einer Liste unerwartete Wendungen
festgelegt, die den Status
Q u o
aus Akt 1 komplett zum Kippen
bringen. Und wer am Tisch wählen darf, was genau im Argen liegt, wird per Zufall mithilfe der bislang gesammelten Würfel der Spieler bestimmt. Mit dem Tilt ist eine Pause verbunden,
während der die Spieler angehalten sind, munter über das bisherige Spiel zu tratschen, Lieblingsszenen zu benennen und sich in
Vorfreude auf den zweiten Akt die Hände zu reiben.
Da geht es dann nämlich erst recht zur Sache, denn das Ergebnis des Tilts färbt alle weiteren gespielten Szenen. Wurde eine
bestimmte Anzahl an Szenen gespielt, ist das Spiel vorbei und
es folgt der Aftermath. Dazu würfeln die Spieler alle gesammelten Würfel, wobei die Differenz zwischen dem Ergebnis der schwarzen und der weißen Aufschluss über das
weitere Schicksal des Charakters gibt – und das sieht
meistens nicht gerade rosig aus. Abschließend erzählt jeder Spieler in
kurzen Ausschnitten, wie es seinem
Charakter
also
Das Zu nftb latt
47
nach den Geschehnissen in den beiden Akten ergangen ist und die
Geschichte fügt sich zu einem Schluss.
Fiasco lässt sich problemlos ohne Vorbereitung spielen, da alle
wichtigen Planungsschritte vom Kollektiv der Mitspieler am
Tisch unternommen werden. Da das Spiel aber ohnehin auf OneShots ausgelegt ist, muss nicht viel ausgearbeitet werden – jedes
Fiasko ist direkt, einmalig und endgültig. Ideal also spontane
Con-Runden oder kurzfristig unterbesetzte Spielabende.
In besonderem Maße eignet sich Fiasco als Ersteinstieg in die
Welt der „Storygames“. Anfänger, die mit dieser Art des Rollenspiels noch keine Erfahrung gemacht haben, können sich durch
die leicht zugänglichen Mechaniken und den intuitiven Spielablauf
schnell ein Bild von kooperativem Erzählspiel machen. Auf www.
bullypulpitgames.com können Interessierte nicht nur eine kostenlose Preview des Regelwerks beziehen, sondern auch einen ganzen Haufen interessante Setups: Von Verschwörungen um John
F. Kennedys Ermordung bis zu den alltäglichen Exzessen einer
tourenden Rockband dürften
für jeden etwas
Interessantes
dabei sein. Und
wenn nicht: Im
Monatsrhythmus kommen
neue hinzu.
Das
nenn’
ich
guten
Support!
Wir erinnern uns: Dunkle Tannen. Grüne Wiesen. Sonnenschein.
Und jetzt Zombies, Pardon, Niänenüütli dazwischen? Geht das
denn zusammen? Das tut es. Und sogar außerordentlich gut, denn
der Autor versteht es dem „Heidi“-Stoff einen ganz persönlichen
Stempel aufzudrücken – nicht zuletzt durch die schrillen graubünderischen Dialektbegriffe, die das Buch durchsetzen. Denn wenn
im Dörfli der Vampir umgeht und der Alm-Öhi mit dem Pflöckli
auf die Hatz geht, ist es eine wahre Freude. Am stärksten wirkt
„Heidi und die Monster“ aber tatsächlich an den Stellen, an denen
die neuen Elemente, die der Autor dem Original hinzufügt, subtil
und hintergründig sind. Peter H. Geißen versteht es hervorragend, den Sprachstil des Originalromans zu imitieren – oftmals
mit solcher Sicherheit, dass man sich des Gefühls nicht erwehren
kann, „Heidi“ sei eigentlich schon immer so gewesen. Wenn der
Geißenpeter auf dem Weg zur Alm noch nebenbei ein paar Untoten den Garaus macht, dann wirkt das nicht unpassend, sondern
so natürlich, als habe man wirklich Spyris Original vor sich. Zum
Ende hin verlässt der Roman zwar stark die eingetretenen Pfade
von „Heidis Lehr- und Wanderjahre“, findet auf den letzten Seiten jedoch wieder zum idyllischen Schluss des Kinderbuches zurück – wenn auch mit einer dunklen Bedrohung am Horizont. Die
Weichen für eine mögliche Fortsetzung auf Basis von „Heidi kann
brauchen, was es gelernt hat“ sind also gestellt. Und sollte es dabei
so zünftig zugehen wie im Vorgänger, dann folge ich der kleinen
Schweizerin auch gern in ein weiteres Abenteuer.
Jiba
Fiasco ist ohne Zweifel eines der intelligentesten Independent-Produkte der letzten Jahre und auf eine
derart erfrischende Weise modern, dass ich jedem nur empfehlen
kann, sich selbst ein Bild zu machen.
Jiba
Heidi und die Monster
Ein Alpendrama
Peter H. Geißen, Johanna Spyri
Goldmann
288 Seiten
12,99 Euro
Untote sind in der Populärkultur gerade in Mode. Das dürfte
auch Peter H. Geißen nicht entgangen sein. Nach dem Motto
„Everything is better with zombies!“ hat sich der Frankfurter
Autor also einfach ein Kinderbuch vorgenommen und es kurzerhand mit Fantasy, Splatter
und einer Spur Erotik angereichert. Aber nicht irgendeines.
Denn seine Vorlage ist wohl ein
Klassiker der Kinderliteratur
und weltweit bekannt: Die Rede ist von Johanna Spyris Roman
„Heidis Lehr- und Wanderjahre“.
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Das Zu nftb latt
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Stolz und Vorurteil und
Zombies
Panini Comics
176 Seiten
16,95 €
Vor knapp zwei Jahren erlebte
Jane Austens Entwicklungsroman „Stolz und Vorurteil“ eine
ungewöhnliche Wiederauferstehung – passenderweise als eine
Geschichte um wandelnde Leichen. Denn der Autor Seth Grahame-Smith schuf mit „Stolz
und Vorurteil und Zombies“
einen echten Bestseller – und
blieb der kunstreichen Sprache
Austens dabei doch treu. Seit
einigen Monaten steht nun auch
eine Graphic Novel-Adaption von „Stolz und Vorurteil und Zombies“ in den Läden. Verantwortlich für die Übertragung ist dabei
Tony Lee, welcher schon andere Klassiker der Weltliteratur wie
„Dracula“ oder „Oliver Twist“ erfolgreich ins Comicformat brachte. Die Zeichnungen von Cliff Richards, bekannt durch seine Arbeit an der „Buffy“-Comicreihe, illustrieren Lees Arbeit.
Unter dem ansprechenden Coverbild einer untoten Edeldame
wartet die Geschichte der jungen englischen Debütantin Elizabeth Bennet. Ihr Leben verändert sich, als sie auf einem Ball den
unnahbaren und von der Gesellschaft geschmähten Gentleman
Fitzwilliam Darcy kennenlernt. Was als anfängliche Abneigung
beginnt und in glühendem Hass zu enden droht, entwickelt sich
letztlich zu leidenschaftlicher Liebe. Und auch sonst säumen mit
Zombies, Intrigen und den tödlichen Ninjas der alten Lady Catherine allerlei Hindernisse Elizabeths Weg – gut, dass sie besser als
jede andere in den asiatischen Kampfkünsten geschult ist.
Gekleidet hat Richards diesen Plot in Schwarzweißzeichnungen,
die eigentlich mehr mit Skizzen gemein haben, als mit den Hochglanzillustrationen anderer amerikanischer Comics. Krude und
zum Teil nicht mit Tinte nachgezeichnet, steckt Richards Artwork irgendwo zwischen Zeichenblock und Einfallsreichtum. Die
detailarmen Gesichter der Figuren machen es zum Teil schwer, sie
auseinander zu halten und das Geschehen damit undurchschaubar. Markantere Charakterdesigns wären für eine derart personenreiche Geschichte ein Muss gewesen. Andererseits ist gerade
Richards Skizzenstil stellenweise unglaublich ausdrucksstark und
entschärft die expliziten Splatterszenen sogar ein stückweit. Die
monochromen Illustrationen sind ein Augenschmaus aber der
Vermittlung der Story leider unzuträglich.
Dass diese sich in der Graphic Novel zudem unglaublich schleppend erzählt, ist ein weiteres Minus. So passt Austens ausufernde
Sprache natürlich nicht in die engen Sprechblasen und musste daher gekürzt werden – damit geht jedoch der eigentliche Witz an
Seth Grahame-Smiths Parodie flöten. Und auch die Story muss
man mögen, denn die kratzbürstige Elizabeth aus der Vorlage ist
bei „Stolz und Vorurteil und Zombies“ eine echte Soziopathin, mit
der man sich nur schwer identifizieren kann.
Als Graphic Novel ist „Stolz und Vorurteil und Zombies“ folglich
weder herausragend noch unterirdisch und stolpert leider gerade
so ins Mittelmaß.
Jiba
Cthulhu - Wien
Dekadenz & Verfall
Pegasus Press
234 Seiten
34,95 Euro
Die Weltreise in den 20er Jahren der Welt von Cthulhu geht
weiter. Nachdem wir in der letzten Ausgabe durch New York
streifen durften, führt uns Pegasus mit dem neuesten Quellenband an einen wahrhaft exotischen Ort, nämlich ins im fernen
Österreich gelegene Wien. Ein
Kulturschock ist da wohl garantiert - denn zuweilen können unsere südlichen Nachbarn durchaus ein seltsames Volk sein. Aber genug der Vorrede, betrachten
wir uns das Schmankerl einmal im Detail. Wie gewohnt ist der
Inhalt des Quellenbandes recht übersichtlich strukturiert. Zunächst einmal bietet das erste Kapitel einen recht kommoden (der
Deutsche würde sagen: angenehmen) Überblick über die Stadt,
beginnend mit der Stadtgeschichte über eine Beschreibung der
einzelnen Stadtviertel. Doch die Beschreibungen der Lokalitäten der Stadt sind verständlicherweise nicht das Einzige. Damit
man als Spieler in Wien nicht als Funse (Trottel) abgestempelt
wird, bringen die weiteren Kapitel dem Leser das Leben in Wien
näher. Vom Gesundheitswesen über Recht und Gesetz bis hin
zum Nachtleben wird jedes Thema angeschnitten. Selbst ein kleines Lexikon mit Austrizismen ist enthalten, damit der geneigte
Nicht-Österreicher nicht ganz so deppert daher kommt. Auch die
kulinarischen Spezialitäten Wiens werden in einem eigenen Kapitel vorgestellt. Insgesamt 153 Seiten verschaffen dem Leser so
einen guten Überblick über die Stadt. Damit die Spieler sich in der
großen österreichischen Stadt nicht zu sehr fadisieren (langweilen, für die Nicht-Wiener), werden auf den restlichen Seiten zwei
Abenteuer präsentiert, die die Spieler auf gute Cthulhu-Manier
auf Trab halten sollen. In „Der Vogelmann“ gilt es eine Mordserie
aufzuklären, hinter der deutlich mehr steckt, als man eingangs
erwartet, und im Laufe der Ermittlungen erfahren die Ermittler nicht nur mehr über die Vergangenheit Wiens; mit Sigmund
Freud als eine der Informationsquellen lernen sie auch eine der
großen historischen Persönlichkeiten der Stadt kennen. Im „Blutwalzer“ geht es anfangs nur darum, ein gestohlenes Musikinstrument wieder zu beschaffen. Aber schon bald kommen dunkle Riten
und schwarze Magie ins Spiel und der Horror läst nicht mehr lange auf sich warten.
Dass Wien eine ganz eigene, düstere Atmosphäre bieten kann,
weiß der geneigte Cineast ja spätestens seit „Der dritte Mann“.
Mit den Bildern dieses Filmklassikers im Hinterkopf kann ich
mir einige interessante Szenarien in dieser Stadt vorstellen. Das
Das Zu nftb latt
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vorliegende Quellenbuch bietet ausreichend Informationen, um
diese Szenarien am Spieltisch umzusetzen - und bietet darüber hinaus noch genügend Ideen für interesante Abenteuer. In diesem
Sinne: Servus. Ich werd mir jetzt erstmal ein paar faschierte Laberln gönnen, und dann noch am nächsten Artikel hackeln...
MG
Cthulhu - Berge des
Wahnsinns
Kampagnenband I: Aufbruch in die
Antarktis
Pegasus Press
278 Seiten
34,95 Euro
Eine Forschungsreise an bisher unerforschte Gebiete der Erde, weitab
der Zivilisation, abgeschnitten von
der Außenwelt und ganz auf sich
alleine gestellt - eine ideale Grundlage für ein Cthulhu-Abenteuer. So
dachten es sich die Autoren wohl,
als sie diese Kampagne ersonnen. Und sie hatten recht. Älteren
Spielern dürfte die Kampagne eventuell bereits bekannt sein, handelt es sich doch hierbei um eine in großen Teilen überarbeitete
Neuauflage einer älteren Kampagne - die allerdings nun auch zum
ersten Mal in deutscher Sprache erscheint. Aber dies nur am Rande. Im Mittelpunkt der Kampagne steht eine Expedition in die
Antarktis. Für diese werden die verschiedensten Wissenschaftler,
Techniker und sonstigen Hilfskräfte gesucht, unter denen sich
dann auch die Spielercharaktere wiederfinden. Diese treffen also
zusammen mit den anderen Expeditionsteilnehmern in New York
ein, von wo aus die Expedition unter der Leitung der Wissenschaftler Starkweather und Moore per Schiff zum Südpol aufbrechen wird. Aber bereits in New York gibt es erste Probleme, und
auch die Reise zum eigentlichen Ziel geht nicht ganz ereignislos
vonstatten...
Dieser erste Band der dreiteiligen Kampagne befasst sich mit den
Vorbereitungen der Expedition, dem Aufbruch und der Reise zur
Antarktis sowie der Ankunft. Erst im zweiten und dritten Band
wird es sich um die eigentlichen Forschungsarbeiten drehen. So
kann man diesen ersten Band also eher als eine Art Prolog verstehen – was jedoch in keiner Weise abwertend gemeint ist. Denn so
ist es möglich, den Spielern die unzähligen NSC näherzubringen,
denn insgesamt nehmen an der Expedition, die Schiffsbesatzung
eingeschlossen, weit über 50 Personen teil. So bieten sich den
Spielern, oder vielmehr deren Charakteren, während dieses ersten
Bandes also jede Menge Möglichkeiten, die wichtigsten oder interessantesten dieser Charaktere eingehend kennenzulernen. Über
diese große Anzahl an Charakteren kommen wir auch gleich auf
den gesamten Umfang des Bandes. Nur etwas mehr als die Hälfte
der Seiten befasst sich mit dem eigentlichen Plot des Abenteuers.
Die andere Hälfte sind diverse hilfreiche Anhänge. Beginnend mit
der Beschreibung der diversen NSC über Handouts und Karten
neben Wissenswertem über die Antarktis und Regelergänzungen,
das Spiel im ewigen Eis betreffend, ist alles vorhanden, was man
benötigt; in gewohnter Weise gut strukturiert und sortiert. Die
Handlungsstränge, die sich im ersten Band bieten, sind noch recht
alltäglich: der Medienrummel im Vorfeld der Expedition, ein Unfall und der
Verdacht auf Sabotage durch eine
konkurrierende Expedition... alles
ist noch recht normal, der „Wahnsinn“ lässt noch auf sich warten.
So kann also, vorbereitend auf
den zweiten Band, im ersten Band
noch gut die „schöne heile Welt“
präsentiert werden. Und gerade
das erhöht die Spannung und
macht Lust auf den nächsten
Band.
Zusätzlich zu dem Kampagnenband ist auch eine
begleitende Musik-CD von Erdenstern erschienen, sozusagen der
Soundtrack zum Spiel. Die 24 Titel auf diesem Tonträger bilden
einen sehr gelungenen, atmosphärischen Rahmen. Die Instrumentalmusik erinnert dabei durchaus an Filmmusik, so dass man
leicht das Gefühl erzeugen kann, man befinde sich in einem der
großen Abenteuerfilme der 20er, 30er oder 40er Jahre. Für jede
Stimmungslage finden sich dabei mehrere passende Stücke, und
die Auswahl des für die jeweilige Szene passenden Tracks wird
einem dadurch erleichtert, dass das Booklet zu jedem Titel eine
kleine Charakterisierung (z.B. unheimlich, schleichend, dunkel,
oder jazzig, geschäftlich, lebendig) gibt und dabei auch erwähnt,
zu welchem Kapitel dieses Stück ursprünglich gedacht war, oder
durch welches das Stück inspiriert wurde. Wer also diese zusätzliche Investition nicht scheut, der erhält eine CD mit einer Auswahl
an sehr schönen Stücken, die der Kampagne einen gelungenen
musikalischen Rahmen bieten, und zudem auch sicherlich noch bei
anderen Gelegenheiten Verwendung finden können.
MG
Master’s Survival
Pack VII
mitunter recht exotisch: Neben Stadthaus und Landschloss erhält der
Leser auch Einsicht in einen victorianischen Kopfbahnhof und eine
Ziegelfabrik. Die Grundrisse sind dabei zum Teil handgezeichnet,
zum Teil digital erstellt worden, was optisch nicht immer eine ideale
Kombination ist, aber auch nicht groß stört. Die Abkürzungen hingegen, die immer wieder auf den Karten zu finden sind, machen das Material mitunter schwierig zu benutzen – ständig muss im Verzeichnis
vorn im Buch nachgeschlagen werden, wenn man sich die überschaubare Liste nicht merken will. Eine Legende auf den Rückseiten der
Karten, die in der Regel auch unbedruckt gelassen wurden, wäre hier
eleganter gewesen. Ein riesiges Plus ist hingegen, dass die Redaktion
Phantastik es nicht bei einer simplen Aneinanderreihung von Kartenmaterial belässt, sondern zu jedem Grundriss auch noch einen mehrseitigen Abenteuervorschlag liefert. Die Vorschläge stammen dabei
aus der Feder der sieben „Private Eye“-Autoren und sind sämtlich
Detektivgeschichten. Die Abenteuer sind von der Textstruktur her
unterschiedlich aufgebaut – was ich persönlich in Abenteuersammlungen nicht so gern mag – aber darüber hinaus alle wirklich sehr
gelungen und abwechslungsreich.
Abschrecken lassen dürfte sich der ein oder andere Leser jedoch
vielleicht von der Optik der Sammlung. Statt einem gebundenen
Buch erwirbt man mit dem „Master’s Survival Pack“ nämlich eine
Ringmappe mit einem Schwarzweißcover auf gelber Pappe. Auch die
Druckqualität im Inneren ist nicht immer die Beste. Letztlich ist der
Preis gerechtfertigt, doch schon die Abenteuer sind unterhaltsam genug ausgearbeitet, dass sie eine Bindung sicherlich wert wären. Auch
enthält das Buch bei der Beschreibung der Funktionsweise einer Ziegelei eine einzelne Farbseite, die man vielleicht besser für das Cover
aufgehoben hätte. Rein inhaltlich ist „Master’s Survival Pack VII“ allerdings wirklich sehr gut gelungen und eine Empfehlung für jeden,
der rollenspielerisch mit der Gaslight-Epoche zu tun hat. Ich hoffe
auch, dass, wie in den früheren Auskopplungen der Reihe, in Zukunft
auch eine CD-ROM mit dem Inhalt erwerbbar sein wird.
Jiba
Privat Eye
Der Millionencoup
Redaktion Phantasik
80 Seiten
14,95 Euro
Grundrisse für Gaslight
Seit der „Spiel 2010“ ist der
vierte Abenteuerband für das
Detektiv-Rollenspiel der Redaktion Phantastik zu haben. In der
komplett überarbeiteten Neuauflage des bereits früher veröffentlichten Abenteuers erwartet den
Spieler nicht nur das Abenteuer
„Der Millionencoup“, sondern
zudem auch einiges an Quellenmaterial zum Hyde Park, samt
passendem Abenteuervorschlag.
Redaktion Phantastik
63 Seiten
11, 00 Euro
Kartenmaterial für die eigene Rollenspielrunde zu finden, ist nicht
immer einfach: Das Internet bietet zwar eine gute Starthilfe, aber ungünstige Formate und Auflösung können den guten Willen schnell
zunichte machen. Wer dann nicht selbst zum Stift greifen will, kann
in den „Master’s Survival Packs“ der Redaktion Phantastik eine
Alternative finden. Kürzlich brachte der Verlag (bekannt vor allem
durch das Rollenspiel „Private Eye“) die siebte Auskopplung dieser
Reihe auf den Markt. Hinter dem Titel „Grundrisse für Gaslight“
verbergen sich seitenweise Karten, die für Settings im Stil des 19.
Jahrhunderts geeignet sind. Dabei sind die dargestellten Lokalitäten
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Das Zu nftb latt
„Der Millionencoup“ beginnt mit dem Tod eines Lokführers, für
dessen Ermordung gleich mehrere Personen ein Motiv hätten.
Doch mit der Ermittlung in diesem Fall wird den Detektiven
Das Zu nftb latt
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allmählich klar, dass sie es hier mit einer ganzen Verbrecherorganisation zu tun haben, die das britische Empire bedroht. Zum
Abenteuer gibt es wieder zahlreiche Handouts wie Kartenmaterial, Briefe und dergleichen. Die Bilder und Zeichnungen unterstützen dabei das viktorianische Flair. Das Abenteuer eignet sich
aufgrund seines relativ linearen Aufbaus auch für unerfahrene
Spieler.
Im hinteren Teil des Buches findet sich das Quellenmaterial „Der
Hyde Park“. Neben Informationen über den Park selbst erfährt
man auch einiges über die Hyde-Park-Polizei, die Informationsbörse am Speaker’s Corner, die Royal Humane Society und
die Druiden. Dazu gibt es den Abenteuervorschlag „Irrwege einer Leiche“, der die zuvor beschriebenen Orte und Personen mit
einbindet.
Besonders gut gefallen mir die historischen Hinweise, die immer
wieder im Buch zu finden sind. Auch die Grundrisse typisch viktorianischer Gebäude unterstützen das Spiel und zeigen die Liebe
zum Detail. Alles in allem haben sich die Autoren Thilo Bayer,
Frank Bezner und Jan Christoph Steines viel Mühe gemacht und
ermöglichen dadurch ein schönes und spannendes Spielerlebnis.
CS
Midnight Syndicate
Neue Klänge aus der Gruft
2010 war ein produktives Jahr für Midnight Syndicate. Die Musiker
Edward Douglas und Gavin Goszka, die unter diesem Label schon
seit über einem Jahrzehnt Horror-Ambiente-Musik produzieren,
haben zahlreiche Projekte verfolgt. So wurde mit „The Dead Matter“ ein erster eigener Film realisiert, der inzwischen auch auf
DVD erschienen ist. Darüber hinaus haben die Amerikaner auch
musikalisch die eine oder andere Neuheit in die Läden bringen
können.
Da wäre zum einen die
„Halloween
Music
Collection“, die anlässlich des dreizehnjährigen Bestehens von
Midnight Syndicate produziert wurde. Hier
sind ausgewählte Musikstücke aus früheren
Publikationen gesammelt und unter das
Motto „Halloween“ gestellt – wer im Oktober
also eine gruselige Kostümparty schmeißen möchte, findet hier die passende musikalische Untermalung für das Ambiente. Dabei hält sich der Abwechslungsreichtum der Einzeltracks aber erwartungsgemäß
in Grenzen, um die Genregrenzen nicht zu überschreiten. Hier
und da findet sich jedoch die ein oder andere musikalische Perle
zwischen dröhnender Orgel und den für Midnight Syndicate fast
schon typischen Hintergrundchorälen. Eine nette Kompilation
also, die wenig Überraschungen bietet – schließlich stammen eigentlich sämtliche Tracks von vergangenen Veröffentlichungen.
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Und wer die schon hat, braucht die „Halloween Music Collection“ nicht unbedingt.
Interessanter dürfte da „The
Dead Matter“ sein, der Soundtrack zum gleichnamigen Film
– nicht zu verwechseln mit
„The Dead Matter – Cemetery
Gates“, ein Midnight-Syndicate-Album, das vom Film inspirierte Musik enthält und 2008
veröffentlicht worden ist. Thematisch haben beide Scheiben
also einige Gemeinsamkeiten,
wenn auch die Themenvielfalt
beim Soundtrack nicht ganz so
groß ausfällt – besonders die
an Insektenschwärme erinnernden Stücke von „Cemetery
Gates“ vermisse ich auf dem
Soundtrack schmerzlich. Andererseits ist das filminspirierte Album auch vor Veröffentlichung des Films entstanden,
während der Soundtrack natürlich die Stimmung des Films wiedergibt. Und die ist eher
reißerisch und dramatisch. Der Soundtrack „The Dead Matter“
enthält daher viele kurze Stücke, die zum Teil mittendrin einen
anderen Grundtenor anschlagen oder auch mal von Filmzitaten
durchsetzt sind. Daneben sorgt ein wiederkehrendes Thema
für den roten Faden. Piano und synthetisch-dissonante Streicher sind die musikalischen Bausteine des Soundtracks. Trotzdem reiht sich „The Dead Matter“ gut in die eigene Midnight
Syndicate-Sammlung ein: Viele Stücke sind schnell, donnernd
und dramatisch und daher solide Hintergrunduntermalung für
Actionszenen in Horrorrollenspielen. Außerdem bietet der
zweite Teil des Albums von Gastmusikern eingespielte Musikstücke, die auch mit dem Film im Zusammenhang stehen und
sehr abwechslungsreich sind. Interpretiert Gavin Goszka das
Stück „Lost“ noch selbst in bester New Wave-Manier, steuert
die Gothicformation Lazy Lane mit den beiden Tracks „The
Girl Upstairs“ und „The Graveyard“ kanervalesken Indie-Rock
ein. Der Remix des Stückes „Shadows“ legt E-Gitarre und
Drums zwischen Glocken und Piano, während „The Dead Matter“ von Eternal Legacy eine härtere Richtung einschlägt und
ein wenig an Metallica erinnert. Gelungen ist auch „Ritual“,
das klassischen Hardrock der Band „Hipnostic“ ins Gehör hämmert. Ein gekonnter Durchmarsch durch verschiedene Musikgenres also.
Das dritte Projekt von Midnight Syndicate ist zugleich das wohl
exotischste: So haben Gavin Goszka und Edward Douglas bei
der Realisation die Sopransängerin Destini Beard bei der Realisation eines Debütalbum unterstützt. Unter dem Titel „Dark
Masquerade“ präsentiert die Solokünstlerin eigene Interpretationen bereits bekannter Midnight Syndicate-Stücke. Der
Gesang geht dabei in Richtung klassischer Oper, harmoniert
aber insgesamt sehr gut mit den Gothic-Klängen von Midnight
Syndicate. Stellenweise erinnert diese Kombination an Musikformationen wie Within Temptation oder Evanescence. Die hinzugefügten Liedtexte fallen ebenfalls nicht sonderlich aus dem
Rahmen, sondern behandeln Themen, die in der Gothic-Musik
Das Zu nftb latt
hinreichend bekannt sind. Interessant sind sicher das lateinisch
gesungene Stück in „Farewell Forever“ und das elektronische
„Dark Masquerade“, sowie das komplexe „Internal Struggle“.
Fazit: Meinen Geschmack trifft „Dark Masquerade“ nicht, ist
rein musikalisch aber sauber ausgeführt – Destini Beard bemüht
sich auf ihrer ersten Scheibe um Abwechslung innerhalb ihres
Genres und hat in Midnight Syndicate auch einen guten Partner
gefunden. Ich glaube aber, dass sie ihr Potential hier nicht voll
ausschöpft.
Jiba
Rollenspiel im digitalen Zeitalter
Obsidian Portal
www.obsidianportal.com
Shadowrun
Almanach der Sechsten Welt
Pegasus Press
218 Seiten
34,95 Euro
Die Welt von Shadowrun blickt
ja bereits auf eine lange Geschichte zurück. Und genau
diese wird nun im „Almanach
der Sechsten Welt“ für den geneigten Leser zusammengefasst.
Der Almanach sieht sich dabei
als eine Mischung aus Atlas und
Geschichtsbuch. So teilt sich das
Werk auch in zwei gleichgroße
Abschnitte. Auf den ersten 108
Seiten ist die Geschichte der
Sechsten Welt von 1999 bis ins Jahr 2072 niedergeschrieben, und
das recht übersichtlich mit kleinen Zeitleisten und kurzen Fließtexten, teilweise in Form von IT-Texten. Aufgrund des großen
Zeitraums, der hier behandelt wird, bleibt jedoch bedauerlicherweise wenig Platz für Details. So werden manche Ereignisse nur
mit kurzen Zweizeilern bedacht, und manche fehlen tatsächlich.
Dennoch bietet dieser erste Teil einen guten Überblick. Bedauerlicherweise fehlen hier jedoch Referenzen. Viele der Ereignisse
wurden ja durchaus in dem ein oder anderen Quellenbuch, Abenteuerband oder Roman aufbereitet. Eine Referenz auf diese hätte
dem Produkt sicherlich gut getan und wäre für interessierte Spieler und Spielleiter sicherlich hilfreich gewesen.
Der zweite Abschnitt, der Atlas, bietet einen Überblick über etwa
40 Nationen, und wie sie sich in der sechsten Welt präsentieren.
Von Ägypten bis zum Vereinten Königreich wird eine interessante
Auswahl von Ländern auf jedem Kontinent geboten. Zu jedem dieser Länder gibt es eine kleine Karte und einen 2-3 Seiten langen
Text, der das Wichtigste über dieses Land enthält. Abgerundet
wird das Ganze mit einer beidseitig bedruckten Weltkarte. Aber
wie im ersten Teil gibt es auch hier Lücken - verständlich, wenn
man bedenkt, wie viel man theoretisch allein über ein einzelnes Land an rollenspielerisch interessantem Material schreiben
könnte! So bietet der Almanach nur einen groben, allgemeinen
Überblick, liefert dabei aber immerhin jede Menge Plothooks und
sonstige Ideen. Im Ergebnis haben wir ein passables, aber nicht
überragendes Produkt, das eine recht nützliche Informationsquelle abgibt, aber definitiv kein Muss ist.
Seit einigen Jahren bietet die Web-Plattform Obsidian Portal Rollenspielern die Möglichkeit, ihre Spielrunden online zu präsentieren und zu organisieren. Die Idee dahinter: Rollenspieler, auch
solche ohne Programmier- oder Designkenntnisse, sollten in die
Lage versetzt werden, eine funktionelle und elegante Homepage
für die eigene Kampagne aufzubauen. Zu diesem Zweck stellt das
Obsidian Portal eine vorgefertigte Benutzeroberfläche zur Verfügung, die von den Mitgliedern direkt mit Inhalten gefüllt werden
kann. Wie bei einschlägigen Social Network-Seiten hat jedes Mitglied einen Account, in dem Kampagnen, Charaktere und andere
im Portal erschaffene Inhalte aufgeführt werden. Ist man erst einmal angemeldet, erhält man Zugang zum eigenen Webspace. Die
Funktionen, die zur Gestaltung der eigenen Kampagnenhomepage bereitstehen, sind zahlreich: Das Komplettpaket besteht aus
einem Wiki, einem Blog und nicht zuletzt einer Kartengallerie
sowie einem interaktiven NSC-Tracker – besonders letzterer.
Die Kosten für die Erhaltung des Portals tragen zum Großteil die
Ascendant Members. Obgleich die grundsätzliche Nutzung des
Portals kostenlos ist, zahlen sie jeden Monat einen festen Betrag,
um im Gegenzug in den Genuss erweiterter Funktionen zu kommen: So ist die Anzahl der Kampagnen, die sie anlegen dürfen,
nicht beschränkt und es gibt mehr Webspace. Auch ein eigenes
Kampagnenforum steht Ascendant Members zur Verfügung. Der
Preis für einen Monat Mitgliedschaft beim Obsidian Portal beläuft sich auf 5,00 US-Dollar (umgerechnet etwas über 3,00 Euro).
Damit das Portal weiter bestehen kann, sind diese Einnahmen nötig, denn anders als vergleichbare Seiten präsentiert sich das Portal angenehm wenig werbebelastet – eine Rechnung, die letztlich
für alle aufgeht, wie Micah Wedemeyer, einer der Begründer des
Obsidian Portal, versichert: „Das Geld, das wir damit machen, erlaubt uns, mehr Zeit in die Seite zu investieren, was allen zu Gute
kommt, auch den freien Benutzern.“
MG
Das Zu nftb latt
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Die Anfänge des Projektes waren bescheiden. Die Arbeit am
ersten Konzept für die Webpräsenz begann Wedemeyer im August 2006, um schon im Februar 2007 mit dem Projekt an die
Öffentlichkeit zu gehen. Viel Programmierarbeit war zu leisten,
doch Wedemeyer fand bereits vor der Veröffentlichung in Ryan
Felton eine engagierte Verstärkung für seinen ursprünglichen
Ein-Mann-Betrieb. Bis heute leisten Wedemeyer und Felton die
Programmierarbeit am Obsidian Portal, doch es gibt noch weitere
Baustellen: „Wir sind beide Programmierer, aber wir machen so
ziemlich alles und jedes, was gemacht werden muss, vom Drucken
von Flyern über Emailkontakt mit Bloggern bis hin zum Beantworten von Supportanfragen.“ Mit Dan Albright war ab 2009
noch ein Dritter im Bunde, der sich als Content Director um ein
gutes Klima unter den Mitgliedern bemühte. 2011 übernahm Jerry LeNeave die Betreuung der Community.
Und diese Community ist nicht die kleinste: „Das letzte Mal, als
ich nachgesehen habe, waren wir bei über 22.000 Kampagnen und
es kommen jeden Tag mehr hinzu. Rollenspiele sterben so bald
nicht aus, egal was Sie auch hören mögen.“ Bei einer derart enormen Fülle an online verfügbarem Rollenspielmaterial erhält der
Begriff „User-Generated Content“ eine ganz neue Dimension. Das
beeindruckt. Die ständige Versorgung der Website mit neuen Inhalten ist unbestreitbar einer der Gründe für den Erfolg des Projektes. 2009 und 2010 erhielt das Obsidian Portal auf dem GenCon
in Indianapolis den ENnie Award für die Beste Rollenspiel-Website. Und auch für 2011 und die Folgejahre gibt Micah Wedemeyer
sich zuversichtlich, was die Nominierungen angeht: „Warum?
Weil wir uns die ganze Zeit verbessern und nie stillsitzen.“
In der Tat kommen in regelmäßigen Abständen neue Funktionen
hinzu. „Wir sind der Endphase der Veröffentlichung eines ‚API’
oder ‚Application Programming Interface’. Grundsätzlich wird
dies anderen Webseiten und Anwendungen erlauben, sich mit dem
Obsidian Portal zu verbinden und Daten auszutauschen.“ So können User in Zukunft eigene Programme zu schreiben, die auf das
Obsidian Portal zugreifen können. Der Verbindung des Obsidian
Portal mit Social Networks wie Facebook sind damit keine Grenzen mehr gesetzt. Doch auch außerhalb solcher Plattformen ist ein
reger Austausch auf dem Portal spürbar. Fremde Besucher auf der
eigenen Kampagnenseite können diese über ein Rating-System
bewerten, über Kommentare Feedback geben oder die Entwicklungen in besonders interessanten Runden als „Fans“ verfolgen.
zukommen lassen“, verrät uns Wedemeyer zum Hintergrund dieser Aktion. „Was mich angeht, mache ich nur das reine Minimum,
um mein Spiel zu führen. Aber anderen, die Stunde um Stunde
an Arbeit hineinstecken, wollen wir ein bisschen Spotlight geben,
damit sie sich präsentieren können. Das haben sie sich verdient.“
Diese Aussicht hat schon so manchen Weltenbauer zu Höchstleistungen angetrieben – mit „Donner und Sturm“ wurde sogar
bereits eine deutschsprachige DSA-Kampagne Preisträger. Eine
feste Liste an Kriterien, nach denen eine Bewertung stattfindet,
existiert indes nicht: „Normalerweise suchen wir nach auffälligen
Grafiken und einem guten Layout. Manchmal jedoch werfen wir
auch einen Blick auf Dinge wie ein Video, das der SL erstellt hat,
oder ein tolles Banner.“
Als Webplattform sucht das Obsidian Portal ohne Zweifel seinesgleichen. Wiki, Blog und viele weitere Features locken kreative
Rollenspieler aus der ganzen Welt. Und selbst wer nur ein wenig
stöbern will, kann stundenlang interessanten Kampagnen im Internet nachjagen. Die größte Stärke des Obsidian Portal ist für
mich jedoch, dass SL und Spieler gleichermaßen Zugriff auf die
Wiki-Seiten erhalten. So können Spieler auf Augenhöhe mit dem
SL die Homepage bequem mit eigenen Überlegungen füllen, NSCs
schaffen und ihre Gedanken mitteilen – so entsteht eine vielfältige
Kampagnenwelt, die neben der eigenen Gruppe womöglich auch
andere Rollenspieler inspiriert. Gerade die Schaffung von Inhalten, die Außenstehende auf dem Portal leicht finden und nutzen
können, trägt zu einer produktiven Atmosphäre bei. Wie alles in
der flüchtigen Welt des World Wide Web verlangt allerdings auch
das Obsidian Portal eine gewisse Einarbeitungszeit, bis man aus
den Funktionen alles herausholen kann. Glücklicherweise erweist
sich das Community-Forum als äußerst ergiebig und hilft Ratlosen mit einer Fülle an Tutorials.
Die Philosophie bei
Harry Potter
Junta
Viva El Presidente
Gregory Bassham (Hrsg.)
Wiley VCH
293 Seiten
16,95 Euro
Pegasus Spiele
Ca. 20 Euro
Die Welt von Harry Potter ist
eine Welt mit Tiefgang. Das
weiß jeder, der schon einmal das
angenehme Gefühl empfunden
hat, von J. K. Rowlings charakteristischem Stil in die magische
Welt der Zauberei gezogen zu
werden.
Gregory Bassham geht diesem
Tiefgang in einer hervorragenden Sammlung von philosophischen Essays nach. Was er aus
den Universitäten der USA zusammengetragen hat, ist nicht nur
spannend, es kann die Erfahrung des Potter-Phänomens wahrhaft
bereichern.
„Die Philosophie bei Harry Potter“ richtet sich dabei an einen Leserkreis, der einige Bedingungen erfüllen sollte. Der Leser sollte
mit dem Gesamtwerk der Potter-Saga vertraut sein. Denn die Essays gehen durchweg davon aus, dass die Auflösung der Geschichte, aber auch Randdetails, dem Leser bekannt und präsent sind.
Zudem sollte der Leser sich Zeit für die Lektüre nehmen, denn die
Sprachebene ist hoch, was in ruhigen Stunden ein Genuss ist, bei
mangelnder Zeit aber zu Frustration führen kann.
Wer leichte Fan-Kost erwartet, dem sei von diesem Buch ganz abgeraten. Dies ist ein Buch, das sich problemlos auch im universitären Rahmen einsetzen ließe. Dabei sind die diskutierten Themen
spannend und vielfältig: Warum ist Liebe die größte Macht in der
Zaubererwelt? Wie ist die Seele in Rowlings Werk definiert? Und
sind die Erziehungsmethoden von Hogwarts wirklich gut?
Dass die digitale Rollenspielkampagne im virtuellen Cyberspace
das gemütliche Beisammensein am Tisch irgendwann verdrängen
wird, stellt jedoch auch der Obsidian Portal-Gründer in Frage:
„Ich denke nicht, dass ein virtueller Spieltisch oder etwas Ähnliches jemals dem Spaß nahekommen kann, den es macht, mit deinen Freunden im Keller oder auf dem Speicher zusammenzusitzen.“ Dito, Mr. Wedemeyer.
Als Pegasus Spiele das Spiel
“Junta – Viva El Presidente”
auf den Markt brachte, ahnte man wohl nicht, dass dieses
Spiel bereits Anfang 2011 eine
internationale Live-RollenspielCommunity im Nahen Osten
(Ägypten, Lybien) finden würde.
Man verzeihe mir diesen politisch inkorrekten Sarkasmus,
aber wer politische Korrektheit
sucht, sollte die Fortsetzung des
Klassikers „Junta“ direkt wieder
ins Regal stellen.
Dieses Spiel mit Sucht- und Streit-Faktor lässt die Spieler in die
Rolle altgedienter Mitglieder der Junta einer Bananenrepublik
eintauchen. Es gilt, Milizen anzuwerben, Konkurrenten auszustechen und den senilen Präsidenten aus seinem Amt zu stürzen. Die
Spielmechanik ist dabei sehr einfach und eingänig. Mit durchweg
witzig-satirisch illustriertem Spielmaterial bleiben sowohl Übersichtlichkeit als auch Spaß erhalten.
Besonderes Kultobjekt des Spiels ist die schwarze Präsidentenbrille, denn wer die Sonnenbrille erobert, ist cool und mächtig.
„Viva El Presidente“ ist mit einer Spieldauer von ca. 60 Minuten
ein nettes Spiel für zwischendurch. Aber vorsichtig! Wie bei „Junta“ gilt: dieses Spiel sollte von stabilen Spielern gespielt werden,
die auch bei Monopoly nicht gleich das Spielbrett zerfetzen, wenn
sie mal Pech haben. Hier würgt man seinem Gegner mit Genuss
die härtesten Dinger rein, und das ist nichts für zart Besaitete.
K.
Wer sich auf das Buch einlässt, dem wird durch das Beispiel der
Zaubererwelt noch einmal der Blick auf die eigene Wirklichkeit
geschärft, der kann sich auf knifflige Gedankenexperimente und
tiefgründige Einblicke freuen. Ganz nebenbei erfährt er viel über
die Autorin der Potter-Bücher und ihre Weltsicht. Und er wird die
Bände gerne erneut zur Hand nehmen, um sie noch einmal unter
neuen Gesichtspunkten zu lesen.
Ja, wer wirklich bereit ist, den Argumentationen zu folgen und
das Werk in Ruhe und Geduld zu lesen, der wird sich fühlen, als
habe er tatsächlich einige Unterrichtsstunden in Hogwarts erlebt.
K.
Jiba
Jeden Monat wird außerdem die „Campaign of the Month“ gekürt – hier erhalten besonders ansprechende und originelle Kampagnen ein ausführliches Feature auf der Webseite. „Wir wollten
den wirklich tollen Kampagnen, die wir finden, Aufmerksamkeit
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Das Zu nftb latt
Das Zu nftb latt
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Impressum
Herausgeber:
Zunft der Lahnsteiner Rollenspieler e.V.
Anzeigenredaktion:
Martin Ruhl ([email protected])
ISSN: 1868-629x
Druck:
Görres-Druckerei und Verlag GmbH
Carl-Spaeter-Str. 1
56070 Koblenz
www.goerres-druckerei.de
Chefredakteur: Leander Linnhoff
Layout & Satz: Zoe Linnhoff, Thorsten Breidbach
Mitarbeitende Redakteure & Autoren:
Christoph „Jiba“ Laurer, Marc Grossa, Moritz Mehlem,
Leander Linnhoff, Christiane Schäfer, Niniane,
Lars-Hendrik Schilling, Patric Götz, Felix Mertikat,
Benjamin Schreuder
Illustrationen: Andreas Widmann, Bernd Bocklage,
Markus Bocklage, Zoe Linnhoff, Christiane Schäfer,
Felix Mertikat, Juha Makkonen, Markus Heinen
Coverbild: Titel „Space 1889“ mit freundlicher
Genehmigung des Uhrwerk Verlages
Fotos: Zoe Linnhoff
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