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Unimog-Spezial
Letzte Minute
Ein U 30, bei dem der Zug
fast abgefahren war
Beruflich, familiär und auch sonst
ist alles in trockenen Tüchern – eine
gefährliche Zeit! Denn jetzt kommen
Männer auf die wildesten Ideen.
Manche besinnen sich gar auf ihre
Jugend zurück. Gut, wenn sie dabei
vor allem an die Autos, Motorräder
oder Traktoren denken, die sie als
Kind schon immer fahren wollten.
So auch Jürgen Kuntz – bei ihm
war es Vaters Unimog...
D
er Pfälzer Wald ist ein ideales Revier
für den Unimog, hier kann der Allradler aus dem Hause Mercedes all seine Stärken auspielen. Gerhard Kuntz interessierte
sich vor über 30 Jahren aber weniger für
die Geländegängigkeit des Gaggenauer Alleskönners, sondern für dessen Geschwindigkeit. Der Mann gründete 1973 in Lemberg eine freie Kfz-Werkstatt und nutzte in
der Anfangszeit einen kleinen Traktor als
Abschleppfahrzeug. Aber maximal 20 km/h
reichten auf Dauer nicht, deshalb kaufte er
einen 401. „50 Sachen, das war damals
schon was hier in der Region“, erzählt der
Vater von Jürgen Kuntz. Über einen Kranbalken haben sie das Seil der Heckwinde
umgeleitet und so die Autos angehoben.
Wenn Jürgen Kuntz seinen U 30 heute aus
der Garage holt, sitzt, eh er sich versieht,
Sohn Maximilian auf dem Beifahrersitz
Wird die Haube geöffnet, kommen
30 sauber verpackte PS zum Vorschein.
Der Motor ist komplett überholt
Aber auch Holz machen stand immer wie- mit. Was fehlte, war eigentlich nur ein Erder an. Jürgen Kuntz, Jahrgang 1970, ist satzteilspender. „Ich erzählte allen Leuten,
praktisch mit dem Abschlepp-Unimog dass ich einen alten Unimog suchte, auch
groß geworden – das prägt.
einem ehemaligen Kollegen aus der MeisZudem blieb der 401 in Familienbesitz, terschule“, sagt Jürgen Kuntz. „Und der erund Sohn Jürgen fasste 2005 den Ent- innerte sich, dass bei ihm im Ort schon
schluss, das Fahrzeug wieder auf Vorder- seit Jahren ein 411er ungenutzt rumstand.
mann zu bringen – auch was die Originali- Das war Ende 2005.“
tät anging. Als Kfz-Mechaniker-Meister – Ein Kontakt ließ sich schnell herstellen,
er hat auf Mercedes-Pkw und -Lkw gelernt und nur eine Woche später standen Vater
– brachte er dazu beste Voraussetzungen und Sohn vor einem augenscheinlichen
76
Wrack. „Lass das Ding bloß stehen“, war alles, was Kuntz senior beim Anblick des
rostig-grünen Waldschrats einfiel. Aber
Sohn Jürgen unterzog den mit seiner Umgebung „verwachsenen“ Mog einer genaueren Untersuchung. „Klar, er sah katastrophal aus, aber es fehlte absolut nichts,
sogar der Schlüssel steckte, allerdings war
der Griff abgerostet – und außerdem stand
er unverbastelt da, alles original“, erzählt
Jürgen Kuntz.
www.oldtimer-traktor.com 11-12/2009
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Unimog-Spezial
Doch der frischgebackene Unimog-Eigner
ließ sich nicht beirren, er hatte sich die Sache genau überlegt, nahm eine Ecke der
Werkstatt in Beschlag und ging an die Arbeit. „Anfangs war es etwas deprimierend,
wo man hinfasste, bröselte es, überall nur
Gammel“, erzählt Jürgen Kuntz. Dafür entschädigte allerdings die Mechanik: Das
Getriebe schaltete sauber, der Motor lief
ordentlich. „Der hat nicht viel Gelände gesehen, dazu war die Technik einfach noch
zu gut“, meint der Restaurierer. Kuntz ist
der fünfte Besitzer, zu den Vorgängern
zählten Landwirte, aber auch ein Winzer
von der Mosel. „Ein Binger-Seilzug war
beim Kauf auch dabei.“
Bei Jürgen Kuntz heißt Restaurieren in
erster Linie, die Originalteile, wo’s geht,
Zwischen dem roten
Sandstein des Pfälzer
Waldes hebt sich der Unimog
besonders gut hervor. Schweres
Gelände bringt Jürgen Kuntz
aber heute nicht mehr übers Herz
Der gesamte Pritschenrahmen mit seiner
Ausparung am Heck entstand in Eigenregie.
Die Aufarbeitung des Krafthebers war die Kür
Es handelte sich um einen U 30, Baujahr
1957, mit aufgesetztem Zweiseiten-Luftkipper auf der Pritsche. Der Besitzer, ein
ehemaliger Pferdehalter, hatte keine Verwendung mehr für den „Schrotthaufen“
und gab ihn nach kurzem Verhandeln für
250 Euro her. Da sage noch einer, es gäbe
keine Schnäppchen mehr!
Aber selbst dieser Spottpreis änderte
nichts an Vater Gerhards Meinung. Als Jürgen Kuntz durchblicken ließ, dass er den
411 nicht ausschlachten, sondern restaurieren wolle: „An meinem Wagen wird
nichts für den 401 abgemacht“, sagte Gerhard Kuntz nur: „Du spinnst, verkauf ihn
so, wie er da steht.“ Das wäre damals sicherlich problemlos möglich gewesen –
und zwar mit einem satten Gewinn.
Motor:
Typ OM 636, Viertakt-VorkammerReihendiesel; im Kopf hängende
Ventile, über Stoßstangen und
Kipphebel von untenliegender
zahnradgetriebener Nockenwelle
betätigt; dreifach gleitgelagerte
Kurbelwelle; Druckumlaufschmierung;
Wasserkühlung; Bosch-Einspritzung
Bohrung x Hub: 75 x 100 mm
Hubraum: 1767 ccm
Verdichtung: 21:1
Bauart:
Rechteckrahmen aus U-Profilen;
offenes Fahrerhaus mit Faltverdeck
Radstand: 1720 mm
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aufzuarbeiten: „Der Unimog ist zum Reparieren konstruiert, du brauchst kein Spezialwerkzeug. Die Technik ist überschaubar
– zumindest gegenüber moderneren Fahrzeugen.“ Als wir zum Armaturenbrett kommen, wird Kuntz noch einmal konkreter:
„Beim Tacho hatte sich nur das Fett im Messinggetriebe verhärtet. Säubern und neu
schmieren reichte. Bei modernen Schaltern hast du bestenfalls eine Hand voll
Plastik. Hier kannst du aber das meiste mit
etwas Zeit und Sachverstand aufarbeiten,
das finde ich schön. So sind nur die
Chromringe der Instrumente neu, alles
Modell
Baujahr
Unimog
Note 2
9.000 €
Note 3
6.000 €
Note 4
3.000 €
Note 5
1.300 €
Stückzahl: 8.977 (Baumuster 411.110)
Batteriekasten habe ich neu gekauft“, erzählt Jürgen Kuntz. Alle anderen Blecharbeiten, besonders im Bodenbereich, hat er
selbst erledigt. Dazu schweißte er Moniereisen ein, damit die offene Kabine sich
nicht verziehen konnte. Den Rahmen gab
er zum Tauchbadentlacken, anschließend
folgten entrosten, lackieren und eine Hohlraumversiegelung. Der Pritschenrahmen
musste komplett neu angefertigt werden.
1956 bis 1961
Spurweite: 1290 mm
Baujahr: 1957 (dieses Unimogs)
andere ist original Baujahr 1957. Ach ja,
der Vorglühkopf ist jüngeren Datums.“ Ein
Baumaschinenführer, der in Lemberg zu
tun hatte, fand die Restaurierung so klasse,
dass er spontan das ordentliche Chromteil
seiner Maschine abschraubte und gegen
das vernarbte aus dem 411er tauschte.
Ansonsten ist außer Verschleißteilen
und Dichtungen nicht viel ersetzt worden.
„Einige Blechteile wie die Türen oder den
Marktwert nach dem System des
TRAKTOR OLDTIMER KATALOGS*
12.000 €
Leergewicht: 1795 kg
www.oldtimer-traktor.com 11-12/2009
...hat der Vorbesitzer den U 30 einfach auf
seinem Grundstück abgestellt und sich selbst
überlassen. Auch das „Cockpit“ war komplett
Jahre im Freien hatten ihren Tribut gefordert:
Die typischen Roststellen am Fahrerhaus waren
alle da – so gesehen keine böse Überraschung
Note 1
Länge x Breite x Höhe:
3460 x 1630 x 2035 mm
78
Sah man von Rost und Gammel ab, war die
Technik gar nicht so schlecht. Der Motor lief,
nichts fehlte, das Getriebe ließ sich schalten
Bereifung: serienmäßig 7.50-18
Höchstgeschwindigkeit: 53 km/h
Ideenreichtum zahlt sich bei einer Restaurierung
aus. Die Radläufe entstanden zum Beispiel
mit Hilfe einer Geländer-Biegemaschine
Man sollte meinen, so etwas restauriert
doch niemand. Aber Gott sei Dank sah
die Realität für diesen Mog anders aus
Zylinder: 4
Kraftübertragung:
Einscheiben Trockenkupplung;
Sechsganggetriebe mit zwei Rückwärtsgängen, optional zwei Kriechgänge;
unsynchronisiert; Verteilergetriebe;
Allradantrieb und Differentialsperren
zuschaltbar; starre Portalachsen (an
Schraubenfedern und hydr. Stoßdämpfern) mit Vorgelege in den Radnaben
Die Instrumente sind die alten, Jürgen Kuntz
hat sie lediglich gereinigt und hergerichtet.
„Nur die Chromringe sind neu“, berichtet er
Druckluftanlage, Kraftheber – alles ein
Chaos, aber alles vorhanden. Als die ersten
kleinen technischen Probleme auftraten...
Technische Daten:
Unimog U 30 (411.110)
Leistung: 30 PS bei 2550 U/min
Die Luftgeber-Zylinder am Heck brauchten
nur gesäubert und neu abgedichtet werden.
Frischer Lack sorgte für das rechte Finish
Eine Kabine, die es ab Werk nie gab: Der
411er hatte einen Teil eines VW-Bulli-Dachs
als Hardtop. Es war sauber eingearbeitet
*Der TRAKTOR OLDTIMER KATALOG erscheint im Heel Verlag,
Königswinter, Tel.: 02223-92300 (Bestell-Tel.: 01805-708709)
Gerhard, Jürgen und Maximilian Kuntz (v.l.):
Der Senior der Familie setzte bereits vor über
30 Jahren einen Unimog als Abschleppwagen ein
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04.10.2009 13:10:22
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Die originale Hilfskipppritsche wanderte erst
einmal zur Seite. Jetzt hat der 411er eine
normale Pritsche, die ist aber neu aufgebaut
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Restaurieren heißt für Jürgen Kuntz vor
allen Dingen reparieren. „Neu kaufen ist
einfach“, sagt der gelernte Kfz-Meister
Im Bodenbereich hat der Lemberger alle
Blecharbeiten selbst erledigt, einige Teile
wie etwa die Türen hat er dazu gekauft
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Überholung noch einige Jahre seinen Dienst
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Die Zylinder wuden geschliffen, die
Kurbelwelle neu gelagert. Anbauten wie
Lichtmaschine oder Anlasser hat Kuntz...
...auseindergebaut, gereinigt und ebenfalls
überholt – also neue Kohlen und Lager
eingesetzt. Düsen und Glühkerzen sind neu
Werkstattpott
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„Die Kipp-Pritsche liegt ja über der norma- merringe ersetzen und neu abschmieren.
len, zwischen beiden hatte sich über die Ähnliches galt für Achsen und Getriebe.
Jahre allerlei Sand und Dreck abgelagert.
Der Motor überstieg dann die MöglichFeuchtigkeit und Rost bleiben da nicht keiten der eigenen Werkstatt. „Er lief ja,
aus“, erzählt Kuntz. Beim Fahrwerk selbst aber wenn ich schon einmal dran war,
stand wieder Fleißarbeit an erster Stelle: wollte ich es auch richtig machen“, sagt
zum Beispiel die Vorgelege säubern, Sim- Jürgen Kuntz. Er gab den Vorkammerdie-
Da fahren sie, Vater und Sohn.
In einigen Jahren werden die Rollen
vielleicht vertauscht sein, aber
beide werden immer noch im
selben Unimog sitzen
sel zum „Schleifen“ weg. Die Kurbelwelle
wurde neu gelagert, Kolben mit Übermaß
kamen rein. „Im Nachhinein bin ich froh,
dass ich hier nicht am falschen Ende gespart habe“, sagt der Lemberger.
Für den selbstgefertigten Kabelbaum
schnitt sich Kuntz einfach ein Armaturenbrett aus Pappe zurecht, setzte die Instrumente ein und begann mit der Verkabelung. Hört sich einfach an. Als er nebenbei
einfließen lässt, dass er auch Energieanlagen-Elektroniker ist, wird klar warum.
Gut zwei Jahre gingen ins Land, bis der
U 30 fertig war. „Wieviel Stunden Arbeit
drinstecken? Keine Ahnung, ich hab ein
bisschen den Überblick verloren“, sagt der
Restaurierer, der heute ab und an Treffen
ansteuert – bis etwa 50 Kilometer Entfernung auf eigener Achse. Geht’s weiter weg,
fährt der 411 auf dem Hänger mit. „Dort
bekomm ich dann oft zu hören, was ich
hätte besser oder anders machen sollen“
berichtet Jürgen Kuntz. Aber damit kann
er gut leben.
Text: Fritz Knebel
Fotos: Knebel/Kuntz
Die Kontaktadresse
Jürgen Kuntz
Glashütter Straße 21, 66969 Lemberg
E-Mail: [email protected]
80
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