Elmar A. Dworski Rolling Forecasts

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Elmar A. Dworski Rolling Forecasts
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Elmar A. Dworski
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AKTUELLER BEGRIFF
Rolling Forecasts
Insbesondere in F&E-Bereichen von Industrieunternehmen sowie wissenschaftlichen Einrichtungen findet derzeit eine grundlegende Umorientierung in der Finanzierungs- und Steuerungsphilosophie statt – weg von zentralen Etats, hin zu einer dezentraleren Finanzierung
und Steuerung (Gerybadze 2004, S. 294ff.). Eine flexiblere Handhabung von Budgets ist hierbei in der Lage, die Effizienz von Innovationsprozessen zu steigern (Hauschildt 2004, S. 472).
Flexible Budgets, also zeitlich und inhaltlich an unternehmensexterne und -interne Rahmenbedingungen anpassungsfähigere Budgets, sind besonders gut geeignet, die Prognose- und
Koordinationsfunktion der Budgetierung in einer zunehmend turbulenten Umwelt zu erfüllen.
Im Rahmen dieser aktuellen Diskussion werden immer häufiger Rolling Forecasts genannt,
denen ein großes Potenzial zur schnellen Bereitstellung relevanter Prognosen über die finanzielle Situation beigemessen wird.
Der Rolling Forecast dient der Vorhersage finanzieller
„Großwetterlagen“ in Organisationen.
Foto: Rainer F. Steussloff/JOKER
Rolling Forecast kann wohl am treffendsten mit „Rollierende Prognose“ übersetzt werden. Im Rahmen der Budgetierung lässt sich hierunter die zumeist quartalsweise auf rollierender Basis aktualisierte Prognose finanzieller Größen verstehen (Hope/Fraser 2003, S. 195). Es ist zu beachten, dass es
sich hierbei nicht um eine rein statistische Hochrechnung, sondern um eine realistische Einschätzung der zukünftigen Entwicklung handelt.
Der Rolling Forecast hat somit die Aufgabe, Zukunftsinformationen bereitzustellen. Verknüpft man
den Forecast mit gestalterischen Elementen der Planung wie dem Setzen von Zielen für Verantwortliche und der Entwicklung von Maßnahmen für die Zielerreichung, so gelangt man vom Rolling Forecast
zu einer Rollierenden Planung, die eine geschäftsjahresbezogene Planung und Budgetierung ersetzen
kann (Brenner/Leyk 2004, S. 108ff.). Die Notwendigkeit des Forecasting selbst liegt darin begründet,
dass das Management regelmäßig aktuelle Feedbacks über die finanzielle Performance benötigt.
Ausprägungsformen und Gestaltungsmerkmale
Grundsätzlich gibt es zwei Formen des Forecasting: den traditionellen geschäftsjahresbezogenen
Year End Forecast und den Rolling Forecast mit stets gleichbleibendem Prognosehorizont. Year End
Forecasts werden vorwiegend eingesetzt, um die Einhaltung von Planzielen zu prüfen. Ziel ist es
somit, kurzfristige Maßnahmen zur Zielerreichung des Geschäftsjahres einzuleiten. Im Gegensatz
hierzu liegt der Fokus des Rolling Forecast auf der über das Geschäftsjahr hinausreichenden Beurteilung der zukünftigen finanziellen Situation (Jenßen/Klatt 2004, S. 263).
Die beiden wesentlichen Gestaltungsmerkmale des Rolling Forecast sind die Frequenz beziehungsweise der Zeithorizont sowie die Detaillierung. Rolling Forecasts werden zumeist quartalsweise für
fünf bis sechs Quartale durchgeführt. Die Anzahl beplanter Quartale hängt vom spezifischen Verwendungszweck des Forecast (abhängig von dessen Nutzern) sowie der Dynamik und Komplexität des
Umfeldes ab. So sollten die Forecasts in einem turbulenten Umfeld häufiger und für einen kürzeren
Zeithorizont erstellt werden (Pflägling 2003, S. 188). Der Detaillierungsgrad kann zwischen den prognostizierten Perioden stark variieren. Um eine sinnvolle Verknüpfung mit dem Cash Management
und der Produktionsplanung herzustellen, bietet es sich jedoch an, zumindest zwei Quartale relativ
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weiterbildung
Literatur:
Brenner, M./Leyk, J., Rollierender Forecast und
rollierende Planung, in: Horváth & Partners (Hrsg.),
Beyond Budgeting umsetzen, Stuttgart 2004,
S. 101-121.
Gerybadze, A., Technologie- und Innovationsmanagement, München 2004.
Hauschildt, J., Innovationsmanagement,
3. Aufl., München 2004.
Hope, J./Fraser, R., Beyond Budgeting: Wie sich
Manager aus der jährlichen Budgetierungsfalle
befreien, Stuttgart 2003.
Jenßen, A./Klatt, M., Der Forecast, in: Controller
Magazin 3 (2004), S. 262-266.
Pflägling, N. (2003), Beyond Budgeting, Better
Budgeting: Ohne feste Budgets zielorientiert führen
und erfolgreich steuern, Freiburg u.a. 2003.
akkurat zu prognostizieren. Für darüber hinausgehende Quartale sollte jedoch eine gröbere Detaillierung erwogen werden. Unterschiede im Detaillierungsgrad spielen für eine Ressourcen schonende
Prognose eine entscheidende Rolle.
Vor- und Nachteile gegenüber Year End Forecasts
Traditionell werden F&E-Gesamtbudgets zumeist in Prozent vom Umsatz festgelegt. Die einzelnen
Teilbudgets der Projekte und Kostenstellen werden vergangenheitsorientiert bottom-up von den Verantwortlichen festgelegt. Es herrscht häufig ein Etatdenken vor, wonach möglichst das vorgegebene
Gesamtbudget innerhalb eines Geschäftsjahresvoll auszuschöpfen ist. Daher werden nicht selten
Projekte aufgeschoben, abgebrochen oder vorverlegt, obwohl dies inhaltlich nicht sinnvoll ist, und es
findet keine Optimierung der Ressourcenallokation zwischen den einzelnen Bereichen statt. Diese
Problematik lässt sich durch Rolling Forecasts deutlich abschwächen. Im Vergleich zum traditionellen
Year End Forecast ergeben sich folgende Vorteile (Pflägling 2003, S. 189ff.; Brenner/Leyk 2004,
S. 102f.; Jenßen/Klatt 2004, S. 262ff.):
◆ budgetperiodenübergreifende Optimierung der Ressourcenallokation,
◆ aktuellere Integration von Umfeldänderungen in die Planung,
◆ bessere Strategieorientierung und -umsetzung durch das engere Einbinden der finanzierenden
Organisationseinheiten (z.B. Sparte, Division) bei der Auswahl, Durchführung und dem Review
der Projekte,
◆ Aufmerksamkeit des Managements wird vom Geschäftsjahreserfolg auf den Unternehmenswert
gelenkt,
◆ Abkehr vom Etatdenken und unnötigen Ausgaben am Geschäftsjahresende,
◆ kontinuierliche Auseinandersetzung mit der Zukunft statt einmal im Jahr,
◆ geringerer Fokus auf unnötige Details,
◆ Früherkennung zukünftiger Chancen und Risiken sowie frühzeitige Einbindung von
Informationen über technologische Veränderungen in die Planung,
◆ verbesserte Planungsintegration und weniger Widersprüche zwischen kurzfristiger und
langfristiger Budgetplanung,
◆ Kapazitätseinsatz für die Prognosen ist über das gesamte Jahr gleichmäßig verteilt.
Andererseits stehen dem auch Nachteile gegenüber:
◆ häufigere Durchführung der Prognosen,
◆ mehr Prognosequartale,
◆ Umstellung des Budgetierungsprozesses,
◆ vielfach unzureichende IT-Unterstützung,
◆ Gefahr, dass der Forecast-Prozess zu einem quartalsweisen Budgetierungsprozess wird.
Fazit
Dipl.-Kfm. techn. Elmar A. Dworski, M.B.A. ist Doktorand der IPRI gGmbH in Stuttgart. Seine Forschungsschwerpunkte sind u.a. Controlling-Benchmarking und
Budgetierung ([email protected]).
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Es ist zu erwarten, dass immer mehr Unternehmen ihren F&E-Bereich von traditionellen Year End Forecasts auf Rolling Forecasts umstellen. Es gibt jedoch noch einige nicht hinreichend geklärte Fragen
bei der Integration der Rolling Forecasts in den gesamten Planungs- und Führungsprozess. Hierbei
ist insbesondere die Frage erwähnenswert, ob Rolling Forecasts von individuellen Leistungsbeurteilungen entkoppelt werden sollten. In stabileren Umfeldern wie etwa bei öffentlichen Forschungseinrichtungen bleibt außerdem zu klären, ob der zusätzliche Ressourcenaufwand gegenüber traditionellen
Forecasts durch den Zusatznutzen ausgeglichen werden kann.

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