BSC sehr guter Artikel
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Die BSC-Methode - Anwendung durch Unternehmen TBS NRW/Aktion 202 1 Die BSC als Controllinginstrument Um ein Unternehmen zu führen, bedarf es i.d.R. eines betrieblichen Controllings. Controlling bedeutet so viel wie Steuern oder Lenken, um Ziele zu erreichen. Dabei sind folgende Fragen von zentraler Bedeutung: Was ist Controlling? Wo sind wir gerade auf dem Weg zum Ziel? Schaffen wir es, zielerfüllend zu wirken? Sind Korrekturen notwendig? Die Arbeit eines betrieblichen Controllers mündet also in Zielsetzungs- und Korrekturentscheidungen, um das Unternehmen (”das System”) permanent auf Kurs zu halten. Dafür braucht der Controller Steuerungsgrößen, die es ihm ermöglichen, Soll– Ist–Vergleiche durchzuführen, um Zielabweichungen festzustellen. Als Steuerungsgrößen werden hierzu traditionell finanzielle Kennzahlen verwendet. Solche finanziellen Kennzahlen sind beispielsweise Umsatzrentabilität, Kapitalumschlag, Gewinn, Return on Investment (ROI), Cash Flow etc.. Ein wesentlicher Nachteil solcher finanziellen Kennzahlen ist ihre Vergangenheitsorientierung. Damit ist gemeint, dass mit diesen Kennzahlen Sachverhalte beschrieben werden, die längst geschehen sind. Wenn ein Unternehmen z.B. Verluste oder Umsatzeinbußen macht, hat es schon vorher z.B. Kunden verloren, die Produkte nicht optimal weiterentwickelt oder präsentiert, die Mitarbeiter nicht angemessen qualifiziert. Reichen finanzielle Kennzahlen für das Controlling aus? Mit einer Sammlung finanzieller Kennzahlen kann folglich nicht die zukunftsorientierte, strategische Ausrichtung eines Unternehmens bewertet werden. Auch frühzeitige Warnungen, nicht auf dem richtigen Weg zu sein, lassen sich kaum damit erkennen. Vor dem Hintergrund immer lauter werdender Kritik an der Vergangenheitsorientierung und an der Eindimensionalität solcher finanziellen Kennzahlen- bzw. Controllingsysteme wurde zu Beginn der neunziger Jahre ein Forschungsprojekt unter der Leitung von S. Kaplan und D. P. Norton in den USA durchgeführt. Ziel war es, ein Controllingsystem zu entwickeln, welches die gestiegenen Anforderungen der Unternehmen berücksichtigt. 2 TBS NRW/Aktion 202 Stellen Sie sich vor, Sie kommen in das Cockpit eines Flugzeuges und sehen nur ein einziges Instrument. Wie würden Sie sich wohl nach dem folgenden Gespräch mit dem Kapitän fühlen? Frage: „Es überrascht mich zu sehen, dass Sie in Ihrem Flugzeug mit nur einem Instrument zurecht kommen. Wozu dient es?“ Antwort: „Fluggeschwindigkeit. Heute konzentriere ich mich auf die Fluggeschwindigkeit.“ Frage: „Das ist gut. Die Fluggeschwindigkeit ist bestimmt wichtig. Aber was ist mit der Höhe? Wäre ein Höhenmesser nicht auch nützlich?“ Antwort: „Auf die Höhe habe ich mich während der letzten Flüge konzentriert und bin schon ziemlich gut darin. Jetzt muss ich an der optimalen Fluggeschwindigkeit arbeiten.“ Frage: „Mir ist aufgefallen, dass Sie gar keine Kraftstoffanzeige haben. Stört Sie das nicht?“ Antwort: „Sie haben recht. Nützlich wäre so ein Ding schon. Aber ich kann mich einfach nicht auf mehrere Geräte gleichzeitig konzentrieren. Wenn ich das mit der Geschwindigkeit und der richtigen Höhe im Griff habe, werde ich mich nächstes Mal auf den Kraftstoffverbrauch konzentrieren.“ Wahrscheinlich würden Sie nach dieser Diskussion nicht mehr an Bord dieses Flugzeugs gehen.” ☛ /L 3/ Kaplan und Norton wollen damit sagen, dass kein Pilot mit nur einem Instrument ein Flugzeug steuern würde und dass dies auch für die Steuerung eines Unternehmens gilt. Die alleinige Ausrichtung z.B. auf finanzielle Kennzahlen reicht nicht aus. Hinzu kommt, dass insbesondere in den USA viele Unternehmen als Aktiengesellschaften organisiert sind und damit viele Aktienbesitzer (Anteilseigner/Investoren/ Shareholder) ein Interesse daran haben, dass die Steuerung (das Controlling) des Unternehmens öffentlich und transparent ist. Eine Darstellung finanzieller, also vergangenheitsorientierter Steuerungsgrößen kann allein nicht die Zukunftserfolge und die strategische Ausrichtung des Unternehmens zeigen. Diese Tatsache hat insgesamt in den USA auch zu einer Erweiterung des betrieblichen Reportings geführt, dass nicht mehr nur an der klassischen Unternehmenszielsetzung der Gewinnmaximierung, sondern an der Steigerung des Unternehmenswertes orientiert ist. Zur Beurteilung des Unternehmenswertes gehören auch (nicht monetäre bzw. finanzielle) Aussagen über die erreichte Qualität, die Innovations- und insbesondere die Potenzialbewertung (auch der Humanressourcen, ☛/ L 5/). TBS NRW/Aktion 202 3 Die zunehmende Orientierung am Humankapital als primären Leistungsträger zeigt auch eine Äußerung von Ferdinand Piech, dem ehemaligen Vorstandsvorsitzenden von VW. Interview in der Zeitung „DIE ZEIT“, Sept. 2000 DIE ZEIT: „Was unterscheidet in Ihren Augen ein gutes Unternehmen von einem schlechten?“ PIECH: „Viele gute Mitarbeiter mit Begeisterung für ihr Unternehmen. Das bewerten Analysten kaum. Für mich wäre das aber ein Barometer, wie demnächst der Aktienkurs bei uns oder bei anderen aussieht.” Die vier Perspektiven der Balanced Scorecard Im Konzept der Balanced Scorecard werden dementsprechend die traditionellen Kennzahlen durch eine Kunden-, eine interne Prozess- und eine Potenzialperspektive erweitert. Die Ergebniskennzahlen werden um vorlaufende Indikatoren bzw. Frühindikatoren ergänzt (☛ Abb. 1). Was steckt hinter den 4 Perspektiven der BSC? Abb. 1: Die vier Perspektiven der Balanced Scorecard mit den grundsätzlichen Fragestellungen aus Sicht des Managements Die finanzielle Perspektive zeigt auf, ob die im Unternehmen umgesetzte Strategie auch zur Verbesserung der Geschäftsergebnisse geführt hat. Kennzahlen dieser Perspektive sind z.B. Umsatz, Gewinn etc.. Die finanziellen Kennzahlen haben dabei eine Doppelfunktion: Zum einen stellen sie die finanzielle Leistung dar, zum anderen gelten sie in der Planung als Endziel der anderen Perspektiven der Balanced Scorecard. Dabei sollen die Kennzahlen der Kunden-, der internen Prozess- und der Potenzialperspektive über plausible UrsacheWirkungsbeziehungen mit den finanziellen Zielen verbunden sein. 4 TBS NRW/Aktion 202 Die Kundenperspektive stellt die strategischen Ziele, die Zielvorgaben, die Kennzahlen und die Maßnahmen im Hinblick auf die Kunden und den Markt dar, für den das Unternehmen Produkte bzw. Dienstleistungen anbietet. Strategische Ziele könnten hier z.B. sein: Preisführerschaft, mit einem Produkt zuerst am Markt zu sein, ein geeignetes Produktsortiment zu entwickeln, ein neues Marktsegment zu erschließen. Typische Kennzahlen sind Marktanteil, Stamm- und Neukundenanteil, Kundenzufriedenheit, Time to Market etc.. Die interne Prozessperspektive beinhaltet die Geschäftsprozesse, die vornehmlich zur Erreichung der Kunden- und Finanzziele notwendig sind. Diese Prozesse sollen besonders leistungsstark sein. Es ist hilfreich, hier die gesamte Wertschöpfungskette zu betrachten. Klassische Beurteilungskriterien von Geschäftsprozessen sind Qualität (z.B. Ausschuss), Kosten (z.B. Produktivität), Zeit (z.B. Durchlaufzeit). Die Potenzialperspektive wird oftmals auch als Entwicklungs-, Lern- oder Mitarbeiterperspektive bezeichnet. Hier werden im wesentlichen die Bedingungen und Voraussetzungen beschrieben, die notwendig sind, um die Ziele der anderen Perspektiven zu erreichen, d.h. die das Unternehmen dazu befähigen, eine lernende Organisation zu sein. Schwerpunkt der Potenzialperspektive ist die Qualifizierung der MitarbeiterInnen, die Motivation und Zielausrichtung der MitarbeiterInnen sowie die im Unternehmen benötigte Infrastruktur (z. B: Informationssystem). Indikatoren der Potenzialperspektive sind z.B. Betriebsklima, Mitarbeiterzufriedenheit, Mitarbeiterproduktivität, Krankenstand, Fluktuation. Die verschiedenen Interpretationen von ”balanced” (= ausbalanciert, ausgewogen): 1. Die gleichgewichtete Nutzung von vier Perspektiven. 2. Die Mischung von Ergebniskennzahlen und Leistungstreibern. 3. Vergangenheitsbezug und Zukunftsorientierung. Was versteht BSC unter „balanced“? 4. Kurzfristige und langfristige Ausrichtung. Abbildung 10 zeigt eine schematische Darstellung des Verhältnisses von Früh- und Spätindikatoren zu den vier Perspektiven der Balanced Scorecard. TBS NRW/Aktion 202 5 Mischung aus Ergebniskennzahlen und Leistungstreibern Durch die Ergänzung der finanziellen Kennzahlen um weitere nicht monetäre Kennzahlen wie Durchlaufzeit oder Fehlerquote werden traditionelle Ergebniskennzahlen um vorlaufende (Früh-) Indikatoren erweitert. Die Kennzahlen der Frühindikatoren werden auch als „Leistungstreiber“ bezeichnet. Abb. 2: Schematische Darstellung des Verhältnisses von Früh- und Spätindikatoren Ergebniszahlen ohne Leistungstreiber können nicht vermitteln, wie die Ergebnisse erreicht werden sollen. Auch erhält man dadurch keine frühzeitige Information darüber, ob eine Strategie erfolgreich umgesetzt werden kann. Umgekehrt ermöglichen Leistungstreiber wie Taktzeiten oder Fehlerquoten ohne Ergebniskennzahlen lediglich eine Bewertung kurzfristiger, lokaler operativer Verbesserungen bspw. für eine Geschäftseinheit. Sie lassen aber nicht erkennen, ob die Verbesserungen auch zu einem höheren Geschäftsvolumen bei alten/neuen Kunden oder zu einer besseren Finanzleistung des Unternehmens geführt haben bzw. führen werden. Die Darstellung der 4 Perspektiven, quasi als 4 Instrumente eines Flugzeugcockpits (siehe 201, Abb. 6), lassen sich als Scorecards (= Berichtsbögen) auf jeweils einer Seite anschaulich darstellen. Wie in Abb. 1 bereits angedeutet, beinhaltet eine Scorecard die Unternehmensziele in Bezug auf die jeweilige Perspektive, die hierfür geeigneten Kennzahlen mit den Ist-Messungen, die geplanten Vorgaben mit den Soll-Werten und die hierfür festgelegten Maßnahmen zur Zielerreichung. Zusammengefasst ergeben die Scorecards bei den vier Perspektiven erfahrungsgemäß insgesamt 15-20 Kennzahlen zum Unternehmenscontrolling. Es soll aber auch betont werden, dass das Cockpit mit den vier Perspektiven lediglich eine Vorgabe und keine Zwangsjacke darstellt. Es gibt keinen Beweis dafür, dass diese vier Perspektiven notwendig und hinreichend zum Controlling des Unternehmens Was sind Scorecards? 6 TBS NRW/Aktion 202 sind. Die vier Perspektiven sind allerdings in hohem Maße intuitiv verständlich. Viele Erfahrungswerte aus den Betrieben sprechen für ihren Nutzen. Je nach Betrieb ist eventuell noch eine Perspektive hinzuzufügen oder anders zu interpretieren. Die inzwischen weit verbreitete Nutzung der von Kaplan und Norton vorgeschlagenen vier Perspektiven lassen bereits Vergleiche zwischen verschiedenen Unternehmen einer Branche zu. Es stellen sich auch typische Kennzahlen der einzelnen Perspektiven heraus, die von vielen Unternehmen nutzbringend eingesetzt werden. Ursache-Wirkungsketten von Leistungen Bilden die Kennzahlen der Jede für eine Scorecard gewählte Kennzahl soll vier Perspektiven (Scorecards) auch Teil einer Ursache-Wirkungskette sein, die einen ursächlichen Zusameinerseits einen Beitrag zur Erreichung finanzieller menhang? Ziele des Unternehmens darstellt und für die so wiederum die Ursachen sichtbar werden. Wenn man so vorgeht, ist eine Balanced Scorecard nicht nur einfach eine Sammlung isolierter Kennzahlen, die irgendwelche lokalen operativen Verbesserungen messen, sondern sämtliche betrieblichen Funktionen und alle Aktivitäten im Unternehmen stellen einen Kausalzusammenhang her, der auf das finanzielle Gesamtoptimum des Unternehmens ausgerichtet ist, z.B. auf Erlössteigerung bzw. Gesamtkostensenkung. Durch diese Ursache-Wirkungsketten kann eine umfassende, radikale Zielorientierung umgesetzt werden, die sich deutlich von herkömmlichen KVP-Programmen u.ä. unterscheiden. Abb. 3 zeigt ein einfaches Beispiel eines solchen Ursache-Wirkungszusammenhangs zwischen Indikatoren der vier BSC-Perspektiven. Abb. 3: Einfaches Beispiel eines Ursache-Wirkungszusammenhangs im Betrieb (Wirkungskette) Die Grundfrage lautet: Wie können wir die für das Betriebscontrolling wichtigen Ursache-Wirkungsketten erfassen? Eine wissenschaftlich-analytische Ableitung der ”richtigen” Ursache-Wirkungsketten ist allein mit dem Modell der BSC nicht möglich. Es wird empfohlen, im Rahmen betrieblicher Workshops mit Führungskräften, Betriebsräten, fachlichen Experten/Funktionsträgern und Controllern einen Konsens über plausible Wirkungsketten herzustellen. TBS NRW/Aktion 202 7 Praxisbeispiel Ein Unternehmen der Automobilzulieferindustrie mit annähernd 1000 Mitarbeitern montiert ausschließlich Zulieferteile für die Automobilindustrie, u.a. Zentralverriegelungen und Kraftstoffpumpen für Kunden auf internationalen Märkten. Die Qualitätsstandards QS 9000 und VDA 6.1, die in dieser Branche von den Automobilherstellern gefordert werden, sind im Betrieb umgesetzt. Dadurch ist eine externe Verpflichtung zu umfassender, kontinuierlicher Verbesserung im Unternehmen vorgegeben – auch in Bezug auf Maßnahmen zur Verbesserung der Prozessbeherrschung und zur Erhöhung der Mitarbeiterzufriedenheit (nur in der VDA 6.1., siehe auch /L 2/). Wie sieht das in der Praxis aus? Das Bemühen um Erhöhung des Kundennutzens ist entscheidend für die Marktstellung und damit für die Sicherung des Standortes und der Arbeitsplätze. Die Ergebnisorientierung in dem Unternehmen konzentriert sich auf eine störungsfreie, an höchsten Qualitätsanforderungen orientierte Produktion. Schwerpunkt im Bereich der Gestaltung der Arbeitsbedingungen ist dabei die Minimierung beeinflussbarer, d.h. krankheits- und motivationsbedingter Fehlzeiten, deren Bedeutsamkeit anhand einer Kette negativer Wirkungen dargestellt wird (☛ Abb. 4). Als „negative Wirkung“ gilt die interne Service-Qualität (Prozessperspektive) und die externe Service-Qualität (Kundenperspektive). „Gesündere Arbeit“ und „besseres Betriebsklima“ wären in der Potenzial- oder Entwicklungsperspektive denkbar, wenn sie die Service-Qualität verbessern. Abb. 4: 8 ”Negative” Wirkungskette krankheits- und motivationsbedingter Fehlzeiten TBS NRW/Aktion 202 Die ergebnisorientierten Aktivitäten wurden zunächst mittels Ursache-Wirkungs-Ketten erfasst (☛ Abb. 5) und anschließend im Rahmenkonzept der Balanced Scorecard dargestellt (☛ Abb. 6). Abb. 5: Wie sah die Strategie aus? Ursache-Wirkungs-Ketten in einem Automobilzulieferunternehmen Über drei Jahre durchgeführte Aktivitäten im Rahmen Was wurde getan? des Maßnahmeprogramms zur Arbeitsgestaltung und zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen: ➫ Vollständige Produktschulungen der Mitarbeiter (Jeder Mitarbeiter weiß, was er fertigt, welche Funktion das Produkt hat, in welche Automarke es eingebaut wird, etc.) ➫ Aufklärung über betriebliche und kollegiale Folgen hoher Fehlzeiten ➫ Motivation zur Ideenproduktion im Rahmen des BVW ➫ Produktionstraining von Beschäftigten indirekter Bereiche (2 Tage/Jahr arbeiten Beschäftigte aus indirekten Bereichen an Arbeitsplätzen in der Produktion) ➫ Engagierte betriebsärztliche und soziale Betreuung (überdurchschnittliche Einsatzzeit, genaue Kenntnis der Arbeitsbedingungen, besonderes Vertrauensverhältnis, engagierte Beratung und Aktionen, 2 Betriebskrankenschwestern) ➫ Schulung von Vorgesetzten (z.B. Führungsverhalten, Moderationstechniken) ➫ Sichtbare Aushängung standardisierter, verständlicher Arbeitsanweisungen an allen Montagearbeitsplätzen Flankiert wurden diese Maßnahmen u.a. durch die Einführung bzw. Erweiterung der Anwendung neuer Arbeitszeitmodelle (Jahresarbeitszeit), durch die Entwicklung/Einführung von alternativen Lohnformen sowie durch Zielvereinbarungen. TBS NRW/Aktion 202 9 Das Gesamtpaket hat dazu geführt, dass der Krankenstand innerhalb von zwei Jahren von nahezu 8% auf ca. 4% gesenkt werden konnte. Unter den gegebenen Rahmenbedingungen von ca. 75% weiblichen Beschäftigten (Belastung durch Doppelfunktion Beruf/Familie) und relativ monotonen Montagetätigkeiten ist dies beachtlich. Was wurde erreicht? Beispielsweise konnte erreicht werden, dass durch die Maßnahmen ”Angebot familienfreundlicher Arbeitszeitmodelle” und ”Aufklärung über die betrieblichen Folgen zu hoher Fehlzeiten” weniger Überstunden gemacht wurden und dass weniger Ersatzund Aushilfskräfte eingestellt werden mussten. Dadurch konnte zum einen das hohe Niveau des Gruppenakkords gehalten werden und zum anderen kam es kaum noch zu Änderungen in den Arbeitsabläufen. Dadurch konnten wiederum die Durchlaufzeiten niedrig und die Mitarbeiterproduktivität hoch gehalten werden. Außerdem sank die Fehlzeitenquote. Insgesamt wirkte sich dies mittelfristig auf die Kundenbeziehung aus. Von Altkunden konnten zusätzliche Aufträge akquiriert werden. Auch konnten bereits verlorene Kunden wiedergewonnen werden, so dass wieder solide Geschäftsergebnisse erzielt werden konnten. Das Maßnahmeprogramm hat also insgesamt einen Beitrag zum Geschäftsergebnis geliefert. Abb. 6: Auslösende Wirkungskette des Maßnahmeprogramms und mögliche Zuordnung geeigneter Kennzahlen In Abbildung 6 sind die Aktivitäten des Maßnahmeprogramms der Mitarbeiter- und Entwicklungsperspektive (Potenzialperspektive) zugeordnet. Diese löst Wirkungsketten bis hin zur Finanzperspektive aus. Neben den Wirkungen ist die Entwicklung der Kennzahlen angegeben, mit denen die Wirkungen gemessen werden können. Dadurch ist ein visualisiertes Reporting und eine Unternehmenssteuerung gegeben (Unternehmenscontrolling). 10 TBS NRW/Aktion 202 In dem Fallbeispiel konnte lediglich ein zeitlicher Was kann man aus dem Ausschnitt gezeigt werden (hier: drei Jahre). Nach Beispiel lernen? diesem Zeitabschnitt wurde weiter an der Einführung von familienfreundlichen Arbeitszeitmodellen gearbeitet, die im Kern auch mehr Selbstorganisation der ArbeitnehmerInnen voraussetzen und fördern. Die angebotenen Modelle wurden anfänglich nur ansatzweise von den MontagemitarbeiterInnen verstanden und angenommen. Auch an der Ausweitung von Zielvereinbarungen (bisher nur auf Führungskräfte bezogen) wurde gearbeitet. Darüber hinaus wird durch das Fallbeispiel auch die Reichweite von Maßnahmen der Arbeitsgestaltung und Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen deutlich, was insbesondere für Betriebsräte wichtig ist. Viele Initiativen der Betriebsratsarbeit sind der Potenzialperspektive zuzuordnen und stellen somit Leistungstreiber dar, die Wirkungen mit langer Reichweite auch auf die Verbesserung von Kundenzufriedenheit und Finanzkennzahlen auslösen. Bis die Wirkungsketten ihren ökonomischen Erfolg zeitigen, vergehen nicht Wochen oder Monate sondern u.U. Jahre wie das Fallbeispiel zeigen konnte. Letztlich wurde in dem Automobilzulieferunternehmen mit diesem mittelfristig angelegten Maßnahmeprogramm der drohende Standortverlust abgewendet, die Situation am Markt stabilisiert und das Unternehmen wieder zu einem zuverlässigen Partner der Automobilhersteller. Die BSC als strategisches Führungs- und Managementinstrument Am Anfang dieses Kapitels ist die BSC schwerKann die BSC auch die punktmäßig als Kennzahlensystem bzw. als strategische Führung des Controllinginstrument beschrieben worden. Die Unternehmens unterstützen? Nutzungsmöglichkeiten der BSC gehen aber darüber hinaus. Ihre umfassende und konsequente Orientierung und Ausrichtung an Unternehmenszielen macht die BSC insbesondere für die Umsetzung der Unternehmensstrategie interessant. Dies ist um so bedeutender, da hier bei vielen Unternehmen Probleme und Defizite zu verzeichnen sind und praxisfreundliche Instrumente und Vorgehensweisen rar sind. Probleme und Defizite bei der Umsetzung der Unternehmensstrategie • • Das Mittlere Management hat keine klare Vorstellung, welche Beiträge es zur Umsetzung der Strategie leisten soll. Die Mitarbeiter wissen nicht, wie man besser als die Konkurrenz werden soll, wel- TBS NRW/Aktion 202 11 ches die wirklichen Erfolgsfaktoren sind oder sein sollen. Die Strategie ist für den Mitarbeiter wenig ”greifbar”. Die zur Strategie passenden konkreten Zielvorgaben sind z.T. unklar, nicht messbar, passen nicht zur Strategie oder es sind zu viele. Es gibt keine Verknüpfung der Strategie mit der Ressourcenbereitstellung und – verwendung im Unternehmen; dazu zählt auch die Verknüpfung der Zielausrichtung mit Anreizsystemen wie Leistungsprämien. Die Unternehmensstrategie ist den Mitarbeitern überhaupt nicht bekannt. Es gibt keine Kommunikation über die Strategie und über strategische Ziele. Vision, Mission und Strategie des Unternehmens – so sie dann überhaupt explizit vorliegen – sind nicht mit den Abteilungen, Teams, Mitarbeitern diskutiert. • • • • Die BSC stellt für die dargestellte Problematik idealerweise ein Bindeglied zwischen der Entwicklung einer Unternehmensstrategie und ihrer Umsetzung dar. Allerdings muss die Formulierung einer Unternehmensvision und einer Unternehmensmission der BSC vorausgehen. Aber sie kann schon bei der Formulierung und der Prüfung auf Realisierbarkeit einer Strategie helfen. Die Erstellung einer BSC kann zur Klärung und zum Konsens im Hinblick auf strategische Ziele führen. Der Einsatz einer BSC führt zu einer einheitlichen Zielausrichtung der Handlungsträger im Unternehmen und zu einem darauf ausgerichteten Einsatz personeller, materieller und finanzieller Ressourcen. Die Balanced Scorecard unterstützt also den strategischen Führungsprozess im Unternehmen (☛ Kasten). Sie dient diesem Prozess quasi als Handlungsrahmen. Dabei ist insbesondere die gemeinsame Kommunikationsbasis einer der wesentlichen Vorteile: Die BSC fördert die Kommunikation und die Kooperation zwischen den Hierarchieebenen und zwischen den Abteilungen und Teams und bietet gleichzeitig eine gemeinsame Sprachebene. Hierfür fehlten bislang geeignete Instrumente in der Praxis und dies ist mit einer der Gründe für die hohe Akzeptanz des Instruments BSC bei allen Interessengruppen. Die wichtigsten Begriffe und Grundfragen im Zusammenhang mit dem strategischen Führungsprozess: Unternehmensmission: Wie will sich das Unternehmen dem Kunden gegenüber darstellen? Unternehmensvision: Was will das Unternehmen in den nächsten 5-10 Jahren erreichen? Unternehmensstrategie: Wie will das Unternehmen dies erreichen? Unternehmensziele und Maßnahmen: Was will das Unternehmen mit welchen strategischen Zielen hierfür tun? Geeignete Kennzahlen: Wie kann dies gemessen werden? Ergebnisorientierung: Welchen Beitrag können die betrieblichen Funktionen dazu beitragen und was ist es dem Unternehmen wert? 12 TBS NRW/Aktion 202 Im Rahmen des strategischen Führungsprozesses können für die einzelnen ausgewogenen Perspektiven strategische Unternehmensziele formuliert, Maßnahmenpakete ”festgeschnürt”, Zielvorgaben gesetzt und geeignete Kennzahlen zur Messung und zur Steuerung der Zielerreichung festgelegt werden. Die BSC dient zur Unterstützung der StrategieentWie kann die BSC die wicklung. Die Entwicklung von UnternehmensStrategieentwicklung im Unterstrategien ist immer mit hoher (Planehmen unterstützen? nungs-)Unsicherheit verbunden. Welche Marktposition ist die ”Richtige”? Welche Technologieposition soll erreicht werden? Hierzu kann viel empirisches Wissen herangezogen werden (z.B. Marktuntersuchungen, Kunden- und Verbraucherbefragungen). Letztlich dominiert bei der Entscheidung zur Unternehmensstrategie aber immer so etwas wie ”unternehmerisches Gespür”. In der Arbeitswissenschaft nennt man das ”implizites Wissen”, d.h. nicht ausgesprochenes und formuliertes berufliches Erfahrungswissen. Genau hier setzt die Unterstützungsfunktion der BSC an. Durch die Beschäftigung mit den Fragen ”Welches sind die strategischen Ziele im Rahmen der Kundenperspektive, der Potenzialperspektive etc.? Welche Maßnahmen liefern den höchsten Beitrag zur Zielerreichung? Über welche Ursache-Wirkungszusammenhänge wird ein Beitrag zur Erhöhung der Geschäftsergebnisse (finanzielle Zielerreichung) geleistet?” etc. werden die beteiligten betrieblichen Akteure dazu gebracht, ihr implizites Wissen anderen zugänglich zu machen. Dieser Prozess wird maßgeblich durch den Einsatz der BSC gefördert und rückt das Instrument in die Nähe von Ansätzen, wie sie im Rahmen der ”lernenden Organisation” schon länger vorliegen (☛ /L 6/und /L 7). Schon Kaplan und Norton als die Erfinder der BSC haben gesagt, dass der Prozess der Erarbeitung einer Balanced Scorecard mindestens so wertvoll ist, wie die resultierenden Scorecards selbst. Das kann durch die Erfahrungen aus der Praxis bestätigt werden. Alle Beteiligten entwerfen für sich und gemeinsam ein Bild von der Zukunft des Unternehmens. So entwickeln sie eine gemeinsame Sprache und lernen, sensitiver mit Zielverfolgung und Zielkonflikten umzugehen: Je mehr Beteiligte, desto vorteilhafter. Die BSC ist ein Instrument zur operativen UmsetWarum dient die BSC zung von Strategien. ”Strategien erfolgreich uminsbesondere der operativen setzen” heißt der Untertitel des Buches der ErfinUmsetzung von Strategien? der der BSC und kennzeichnet gleichsam die Hauptfunktion der BSC. Dabei hat sich nach den Erfahrungen in den Unternehmen die gemeinsame Sprache als entscheidender Erfolgsfaktor herausgestellt. Die BSC stellt ein Kommunikationsmedium zwischen der Führung und den einzelnen Organisationsbereichen, zwischen Controllern und Linienverantwortlichen dar. In dem Ausmaß, wie MitarbeiterInnen des Unternehmens sich mit der BSC auseinandersetzen, kann schrittweise ein Verständnis und ein Wortschatz aufgebaut werden, der eine Kommunikation über Abteilungs- und Hierar- TBS NRW/Aktion 202 13 chiegrenzen hinweg erlaubt. Auch der Konsens über plausible und nachvollziehbare Ursache-Wirkungsketten und Kennzahlen erlaubt eine konsensorientierte Beurteilung für die Leistungen von Bereichen, Gruppen und Einzelnen. Durch den Kommunikationsprozess soll der/die Einzelne erkennen, dass seine/ihre Leistungen zur Zielerreichung und zum Gesamtergebnis beitragen. Einsatzbereiche der BSC Es gibt nicht die Balanced Scorecard: Es wurde bereits betont, dass die BSC keine Zwangsjacke darstellt, in die sich Unternehmen hineinzwängen müssen. Beispielsweise ist die Wahl und die Anzahl der Scorecards abhängig von der Art und dem Zweck der jeweiligen Unternehmung. Der Nutzen der BSC als Instrument liegt im Controlling und im strategischen Management. Ausgehend von diesem Nutzen gibt es verschiedenste Möglichkeiten der Anwendung. Eine BSC kann für das Projektcontrolling eingesetzt werden. Eine BSC kann auf ein Unternehmen als Ganzes ausgerichtet sein, auf einzelne Abteilungen bzw. strategische Geschäftseinheiten wie auch auf Gruppen und einzelne Mitarbeiter. Wie die BSC in Deutschland verstanden und umgesetzt wird, zeigen im folgenden Ergebnisse einer Umfrage. Welche Möglichkeiten der Anwendung gibt es für die BSC? Wie verbreitet ist eigentlich die Anwendung der BSCMethode in deutschen Unternehmen? Die Balanced Scorecard ist in der Unternehmenspraxis in Deutschland inzwischen weithin bekannt und wird in zunehmendem Maße auch eingesetzt. Dies konnte in einer wiederholten Befragung der Jahre 1999 und 2000 der DAX-100-Unternehmen gezeigt werden (☛ /L 3/). Abbildung 7 zeigt den Stand des BSC-Konzeptes in den Unternehmen im Jahr 2000. Dabei stieg die Anzahl der Unternehmen, die eine BSC implementiert haben, von 1999 bis 2000 von 19% auf 27%. Umgekehrt sank der Anteil der Unternehmen, die sich bisher überhaupt noch Abb. 7: 14 Stand des BSC-Konzepts in den DAX-100 Unternehmen im Jahr 2000 TBS NRW/Aktion 202 nicht mit BSC beschäftigt hatten von 26% auf 18% im Jahre 2000. Vieles spricht dafür, dass der Trend bis heute anhält und auch zunehmend auf KMU überspringt. Dafür sind aber keine Untersuchungen bekannt. Bei der Frage, auf welchen Hierarchieebenen die BSC in den Unternehmen eingeführt ist, zeigt sich bei den befragten deutschen Unternehmen folgendes Bild, ☛ Abbildung 8. Abb. 8: Einsatzformen der BSC im Unternehmen Quelle ☛ /L 3/ Vorwiegend wird die BSC auf der Ebene GesamtWie verteilen sich die Anunternehmen und strategische Geschäftseinheiten wendungen der BSC in deutschen eingesetzt. Auf der Ebene Betriebe, Abteilungen, Unternehmen? Teams, Mitarbeiter wird deutlich weniger mit Scorecards gearbeitet. Das heißt, dass bisher in deut- Was kann man daraus schließen? schen Unternehmen die BSC als Instrument des strategischen Controllings durch das Top-Management genutzt wird. Ihr Potenzial bei der Verknüpfung von Unternehmenszielen mit Zielen der Teams und MitarbeiterInnen bleibt unausgeschöpft. Die BSC wird also nicht in dem Maße als Kommunikationsmedium benutzt, wie es eigentlich vorgesehen ist. Diese Tatsache wird durch ein weiteres Defizit unterstrichen: die Hälfte der DAX-100Unternehmen, die eine BSC besitzen, verzichtet auf die Formulierung von UrsacheWirkungsketten. Dadurch wird in diesen Unternehmen kein kritischer Diskurs angeregt und die Funktion der BSC zur Strategieentwicklung und –vermittlung wird nur eingeschränkt genutzt. Auf die Frage, welchen Nutzen sich die Unternehmen von der BSC erwarten, erhielt von 17 möglichen Antworten ”Stärkere Berücksichtigung der Stakeholder” die wenigsten Nennungen. Dies zeigt, dass die Potenziale und Möglichkeiten der BSC von den Geschäftsführungen/Vorstände der DAX-100-Unternehmen in Deutschland kaum genutzt werden und dass hier erheblicher Verbesserungsbedarf besteht. Dies ist auch ein Ansatzpunkt für die Arbeit des Betriebsrats in Unternehmen, welche bereits eine BSC eingeführt haben. TBS NRW/Aktion 202 15 BSC für ein Unternehmen Ein BSC-Beispiel, das auf das Unternehmen als Ganzes ausgerichtet ist, zeigt Abb. 9. Abb. 9: Beispiel für eine Unternehmens-BSC Das Beispiel in Abb. 9 zeigt den Stand einer Unternehmens-BSC in der Entwicklungsphase. In Ausrichtung auf die vier Perspektiven werden zunächst strategische Ziele formuliert. Geeignete Ausprägungen/Kennzahlen/Messgrößen zu deren Erfassung werden gesucht. Auch die einzelnen Vorgaben, die man sich in Orientierung auf die strategischen Ziele setzt, sind formuliert. Unklar in dieser Phase sind noch die festzulegenden Maßnahmebündel zur Erreichung der Ziele. Hierfür sind weitere betriebliche Workshops durchzuführen, in denen verschiedene Maßnahmen und deren Wirkungsketten diskutiert werden. Wie sieht eine Unternehmens-BSC „ausgefüllt“ aus? Kann das einmal beispielhaft gezeigt werden? Nicht in der Abbildung enthalten ist die Spalte für die später vorzunehmenden IstMessungen der Kennzahlen. Erst damit kann man Aussagen über den Grad der Zielerreichung und die Wirksamkeit der Unternehmensstrategie machen. BSC für einen Organisationsbereich (Personalabteilung) Welchen Nutzen hat die Bereichs-BSC? Kann auch hierfür einmal ein Beispiel dargestellt werden? 16 Hat man für das Unternehmen eine BSC entwickelt, bietet es sich an, für einzelne Organisationsbereiche bzw. strategische Geschäftseinheiten ebenfalls eine BSC zu entwerfen, welche die Unternehmensstrategie für den einzelnen Bereich ”über- TBS NRW/Aktion 202 setzt”. Aber auch wenn keine Unternehmens-BSC vorliegt, kann eine Bereichs-BSC durchaus Sinn machen, da die Funktionalität und der Nutzen der BSC auch so gegeben ist. An dieser Stelle soll ein Beispiel für eine BSC für den Personalbereich gezeigt werden. Da das Personalmanagement bzw. Humanressourcenmanagement zunehmend als wichtiger Teil der Wertschöpfungskette angesehen und damit für den Erfolg des Unternehmens erkannt wird, ist es sinnvoll, die Aktivitäten des Personalbereichs an die Unternehmensaktivitäten zu knüpfen. Auch die Orientierung individueller Zielvereinbarungen an der Zielsetzung des Personalbereichs sowie des Gesamtunternehmens kann sinnvoll sein. In Abb. 10 wird beispielhaft dargestellt, wie die Unternehmensstrategie auf den Personalbereich und (in diesem Fall) auf den Leiter der Abteilung Personalentwicklung verfeinert werden kann. Abb. 10: Strategie im betrieblichen Kontext: Unternehmensbeispiel für den Personalbereich Um für den Personalbereich eine BSC zu entwickeln, müssen bereichbezogene Ziele für die vier Perspektiven aus der Unternehmensstrategie abgeleitet werden. Ein Beispiel mit Zielfeldern für den Personalbereich zeigt Abb. 11. Abb. 11: Zielfelder der BSC-Perspektiven des Personalbereichs, ☛ /L 4/ TBS NRW/Aktion 202 17 Im weiteren müssen dann nach der üblichen Vorgehensweise konkrete Ziele für die Bereichsperspektiven formuliert, dafür geeignete Kennzahlen festgelegt, Vorgaben gesetzt und Maßnahmen festgelegt werden. Ein Unternehmensbeispiel für eine Personalbereichs-BSC zeigt Abbildung 12. Finanzen Kunden Prozess Ziele (eher operativ) Kennzahlen Vorgaben Maßnahmen Weiterbildungskosten von externen Anbietern reduzieren Externe Seminarkosten Max. 150.000 DM § Effizientere Verhandlungen mit externen Beratungsanbietern § Stringente Selektion der Seminare § Pflegen der Seminaranbieter-Datenbank Kosten für die Traineeprogramme Max. 100.000 DM pro Trainee § Benchmarking durchführen § Interne Trainerkapazitäten nutzen Ausrichtung des Seminarangebots an den Kunden Kundenzufriedenheit Um 10% erhöhen § Kundenbefragungen zu den Seminarwünschen § Seminarangebot an den Ergebnissen ausrichten Dauer der Seminarkonzepterstellung reduzieren Tage der Seminarkonzepterstellung Max 3 Wochen § Themendatenbank aktualisieren § EDV-gestützter Seminarprozess (Anmeldung etc.) Verbesserung der Seminarqualität Zufriedenheit der Teilnehmer Um 20% erhöhen § Feedback-Prozess für Seminarteilnehmer einführen Leistungsverbesserung am Arbeitsplatz Um 10% erhöhen § Review-Prozess bei den Führungskräften acht Wochen nach dem Seminar einführen Qualifikation der Trainer Kompetenzlevel der Trainer erhöhen § EDV-Schulung interner Trainer Lernen und EDV-Training selbst Innovation anbieten Abb. 12: Praxisbeispiel einer BSC für den Personalbereich, ☛ /L 4/ Durch die Entwicklung und Pflege einer Personalbereichs-BSC kann der Personalbereich eng an den Unternehmenszielen ausgerichtet werden. Sie erfordert eine differenzierte Auseinandersetzung mit der Strategie, der Zielsetzung und den daraus abzuleitenden Maßnahmen des Personalbereichs im Interesse des Unternehmens. Durch die Anbindung an die Wertschöpfungsprozesse des Unternehmens und durch die Verknüpfung von Interessen der Unternehmensleitung mit den Interessen des Personalbereichs führt dies auch insgesamt zu einer Aufwertung des Personalbereichs. Ähnliches gilt auch für die Transparenz der Wertschöpfung des Personalbereichs selbst. Im weiteren wird durch die BSC ein systematisches Personalcontrolling gefördert, welches Produktivitätspotenziale und – defizite aufdeckt und damit letztlich Wirkungszusammenhänge mit Prozessen des Gesamtunternehmens aufzeigt. Eine Personalbereichs-BSC stellt auch idealerweise den Motor für die Einführung der BSC für andere Unternehmensbereiche dar, insbesondere in Bezug auf Lernen und Innovation. Für den Betriebsrat können die Maßnahmen natürlich problematisch sein: Im Beispiel wird vorgeschlagen, die Lohn- und Gehaltsabrechnung out zu sourcen (Abb. 13). 18 TBS NRW/Aktion 202 BSC für ein Individuum (Personalleiter) Setzt man eine Balanced Scorecard als Zielvereinbarungsinstrument ein, kann man erreichen, dass Mitarbeiter ein besseres Verständnis für ihre Ziele entwickeln und diese dem Bereich und dem Unternehmen besser zuordnen können. Wie sieht eine personenbezogene BSC aus? (Wofür) ist das sinnvoll? Der Beitrag des einzelnen Mitarbeiters zum Unternehmenserfolg kann damit deutlicher herausgestellt werden. Zur Entwicklung einer individuellen BSC werden Maßnahmen der zugehörigen Bereichs-BSC genommen und zu Zielsetzungen für den/die einzelneN MitarbeiterIn gemacht. Entsprechend werden hierzu dann Kennzahlen, Zielvorgaben und Maßnahmen formuliert. Damit ist eine Verbindung von Zielen und Aktivitäten der Mitarbeiter mit den Zielen des Bereichs und des Unternehmens gesichert. Ein Beispiel einer Individual-BSC für den Personalentwicklungsleiter zeigt Abbildung 13. Finanze n Ziele (eher operativ) Kennzahlen Vorgaben Maßnahmen V erbesserung der K osten-/Nutzen-Relation des Personalb ereichs Gesamtkosten des Personalbereichs pro Mitarbeiter Um 10% senken § L eistungspo rtfolio de s Personalb ereichs von internen Kunden bewerten lassen § V erträge mit Zulieferern (freie Tra iner) ü berprüfen § K ostensen kungspote nziale realisieren Kunden Mitarbeitermotivation e rhöhen Payroll-Ko sten Um 20% senken § O utsourcing des Payroll-Prozesses Mitarbeiterbefragungswerte 85% In dexwerte § Mitspracherechte der Kunden be i der Auswahl der Tätigkeitsfelder § Feedbacksysteme überarbeiten Austritte von Key Employees Kleine r als 5% § Mitarbeiterb eteiligungsmodelle b is zum E nde des G eschäftsja hres einfüh ren § Mitarbeiterb efragungsmodelle ein führen Prozes s Time to h ire S ynergien nutzen Personal kosten in 8,5% % vom Umsatz § S ynergieleitfaden era rbeiten Assessmentwerte 80 Ind expunkte § Rekrutierun gsoffensive Lernen und E ntwicklungskompeInnovation tenz steigern V erbesserung der S eminarqua lität Weniger als 3 Monate § Rekrutierun gsmodul S AP/HR installieren S chnellere r Rekrutieru ngsprozess f. Nach wuchsführungskräfte § S ynergiezirkel initiieren § P artnerschaft mit Uni Köln Zufriedenheit der Teilnehmer und der Führungskräfte Um 20% erhöhen § Feedback-P rozess fü r Seminarte ilnehmer u nd Führungskräfte einführung Payroll = Lohn-/Gehaltsabrechnung Abb. 13: Praxisbeispiel einer BSC für den Personalentwicklungsleiter, ☛ /L 4/ Durch die Formulierung individueller BSC‘s ist ein hoher Informations- und Kommunikationsgrad bezüglich der Bereichs- und Unternehmensziele gewährleistet. Es wer- TBS NRW/Aktion 202 19 den einheitliche Zielableitungs- und Zielvereinbarungsprozesse für das ganze Unternehmen geschaffen, was auch zu einer Gleichbehandlung von MitarbeiterInnen unterschiedlicher Unternehmensbereiche führt. Eine individuelle BSC kann, wenn sie beteiligungsorientiert erarbeitet wird, eine Orientierung für den/die MitarbeiterIn darstellen und eine zusätzliche Motivationswirkung erzielen. Die Orientierung zielt aber ausschließlich auf den Unternehmenserfolg; ggf. Leistungsprämien, freizügigere Gleittage etc. müssen ausgehandelt werden, - in der Regel über den Betriebsrat. Aufbau, Entwicklung und Pflege einer BSC im Unternehmen Eine Balanced Scorecard nützt dem Unternehmen nur wenig, wenn sie nicht gut umgesetzt werden kann. Will man eine BSC einführen, muss man sich über die Zielstellung und den Einsatzzweck klar sein. Davon ist der zeitliche, materielle und personelle Aufwand abhängig. Eine BSC, die gleichzeitig die Gestaltungsfunktion von Entwicklung, Umsetzung und Kontrolle der Unternehmensstrategie übernimmt, verlangt sicherlich eine umfangreichere Beschäftigung als die Verwendung einer BSC ausschließlich zum Projektcontrolling. Im folgenden sollen lediglich einige wichtige Anregungen zu Aufbau, Entwicklung und Pflege einer BSC gegeben werden. Als Voraussetzung wird angenommen, dass die Vision für das Unternehmen bereits formuliert ist. Wie wird eine BSC eingeführt? Worauf muss dabei geachtet werden? 1. Pionierbereich oder Referenzprojekt auswählen Es macht Sinn, bevor eine unternehmensweit angelegte BSC entwickelt wird, zunächst einen Pionierbereich oder ein intern aufgelegtes Betriebsvorhaben/Projekt auszuwählen. Wichtig dabei ist, das es sich um ein überschaubares ”Ganzes” handelt mit einem für die Aufgabe verbindlich agierenden Bereichs- oder Projektleiter und einem Klima der offenen Kommunikation. Gelingt die Einführung in diesem Bereich, hat dies auch treibenden Charakter für die flächendeckende Einführung einer BSC. Misslingt sie, ist die Idee erst mal „verbrannt“. 2. Top-Management und Bereichsleitung in die Pflicht nehmen Es muss klar der Wille formuliert werden, eine BSC zu entwickeln, selbst mitzumachen und alle anderen auch dazu aufzufordern. Selbst mitmachen heißt auch, eine klare Vorstellung von Vision, Mission und grundlegender Unternehmensstrategie zu haben und diese auch im Unternehmen transparent zu machen. 20 TBS NRW/Aktion 202 3. Betriebsworkshop I durchführen Im Rahmen eines Betriebsworkshops mit Führungskräften, Controllern sowie Funktionsträgern und ausgewählten Mitarbeitern aus dem Bereich sollen drei bis vier Ziele und eine Liste möglicher geeigneter Kennzahlen zu den vier Perspektiven erarbeitet werden. 4. Bildung von Arbeitsgruppen In Arbeitsgruppen sollen die strategischen Ziele präzisiert und die dafür am besten geeignete(n) Kennzahl(en) identifiziert werden. Hauptaufgabe der Arbeitsgruppen ist es, Hypothesen über die Ursache-Wirkungszusammenhänge zwischen den Kennzahlen der vier Perspektiven zu machen (Treiberindikatoren – Ergebnisindikatoren) und sich geeignete Maßnahmen zu überlegen, die einen Beitrag zur Zielerreichung liefern. 5. Betriebsworkshop II durchführen Im 2. Betriebsworkshop sollen die Ergebnisse der Arbeitsgruppen noch einmal diskutiert und zu einer ”ersten” BSC zusammengeführt werden. Diese BSC soll im Bereich jedem/jeder MitarbeiterIn verständlich vorgestellt und diskutiert werden. Bei Bedarf sind Nachbesserungen möglich. 6. Erarbeitung eines Umsetzungsplans Mit dem Umsetzungsplan wird ein Aktionsprogramm realisiert (Wer macht was bis wann?). Ferner muss überlegt werden, welche Zielvorgaben gesetzt werden und wer in welcher Form und wann den Zielerreichungsfortschritt misst. 7. Betriebsworkshop III durchführen Abschließend wird über das bisher Erarbeitete insgesamt entschieden, die ersten Messzeitpunkte festgelegt und ein weiteres Treffen terminiert, um die ersten Erfahrungen mit der BSC zu diskutieren und eventuelle Nachbesserungen vorzunehmen. Es ist davon auszugehen, dass die Einführung einer Bereichs-BSC, wenn sie als vordringliche Aktion behandelt wird, ungefähr mit 3-4 Monaten einzuplanen ist. Die anschließende Einführung einer Unternehmens-BSC kann zwischen 6 und 12 Monaten dauern. Wichtig ist, zunächst „spielerisch“ mit der Suche nach geeigneten Kennzahlen und Maßnahmen umzugehen. Auch ist nicht der Interpretationsgehalt der einzelnen Kennzahl oder der einzelnen Maßnahme wichtig, sondern alle vier Felder der Scorecard mit den gemessenen Daten ergeben zusammen erst die Möglichkeit der Interpretation. Dies muss unbedingt verstanden werden. Oft wird im Rahmen der Diskussion der einzelne Wert von Kennzahlen oder Maßnahmen zu gering geschätzt (z.B. Was bedeutet schon die Zahl von Weiterbildungsstunden pro Mitarbeiter? Das sagt doch nichts aus!). TBS NRW/Aktion 202 21 Aus den in „Einsatzbereiche der BSC“ dargestellten Ergebnissen der Umfrage zu BSC ging hervor, dass nur wenige Unternehmen Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge zwischen den Kennzahlen der vier Perspektiven erfassen. Es ist anzuraten, darauf nicht zu verzichten und ansonsten einen erheblichen Nutzen zu verschenken. Zunächst liegt auf der Hand, dass die Diskussion um die Zusammenhänge der Indikatoren erst die Sinnhaftigkeit der BSC allgemein verständlich werden lässt. Auch stellt sich in den Diskussionen oftmals heraus, dass einzelne Kennzahlen doch nicht so brauchbar sind und andere wiederum durch die Erarbeitung des Wirkungsgeflechts neu hinzukommen, an die man vorher nicht gedacht hat. Unternehmen, die diese Diskussion nicht führen, stellen u.U. erst ein halbes Jahr nach Einführung ihrer BSC fest, dass entsprechend nachgebessert werden muss. Anforderungen und Chancen aus Betriebsratssicht Zunächst ist festzuhalten, dass das Instrument Balanced Scorecard ein sinnvolles ”Werkzeug” zur Steuerung und zur strategieorientierten Führung sein kann, wenn Vision und Ziele stimmen. Betriebsräte sollten sich damit beschäftigen und, wenn es vom Arbeitgeber eingeführt wird, sich an der Entwicklung der BSC beteiligen. Die größte Chance liegt darin, mitarbeiterorientierte Zielsetzungen und Maßnahmen in die Unternehmenssteuerung einzubringen. Im Rahmen der BSC-Entwicklung kann gezeigt werden, dass die Wirkungen dieser mitarbeiterorientierten Maßnahmen bis hin zu den Geschäftsergebnissen reichen, also einen Beitrag zu den Ergebnissen leisten. So kann der Stellenwert einer Arbeits- und Mitarbeiterorientierung im Unternehmen erhöht werden. Was kann ich als BR tun bei der Einführung einer BSC? Im folgenden soll anhand wesentlicher Schritte der Einführung einer BSC die Beteiligung des Betriebsrates verdeutlicht werden. • 22 Mitwirkung bei der Formulierung und Vermittlung von Vision, Leitbild im Unternehmen Viele Arbeitgeber wollen eine BSC einführen, ohne sich genau darüber im klaren zu sein, dass hierzu als Voraussetzung eine klare Formulierung der Unternehmensvision bzw. eines Leitbildes notwendig ist. Dieser Sachverhalt soll auch im ganzen Unternehmen transparent und jedem/jeder MitarbeiterIn vermittelt werden. Dies sind grundlegende Aktivitäten des Arbeitgebers, die vor Einführung einer BSC durchgeführt werden müssen. Inhaltlich sollten Punkte wie „attraktive Arbeitsbedingungen“, „gesundheitsförderliche Arbeitsgestaltung“, „Sicherung der Arbeitsplätze“ o. ä. vorkommen. Wo immer möglich sollte der BR sich und die Belegschaft in die Formulierung mit einbringen. TBS NRW/Aktion 202 • Mitwirkung und Teilnahme bei der Einrichtung der Projektgruppe zur Einführung von BSC Bei einer Unternehmens-BSC ist mit einer Einführungszeit von 3-12 Monaten zu rechnen. Schlägt man dann noch 1 Jahr d’rauf, in dem die BSC bei regelmäßigen Messzeitpunkten auf Gültigkeit und Wirksamkeit geprüft und entsprechend nachgebessert wird, so ist insgesamt von einer Einführungslaufzeit von 2 Jahren auszugehen, in der eine hierfür eingerichtete Projektgruppe tätig ist. Der Betriebsrat sollte Mitglied dieser Projektgruppe sein und darauf achten, dass ein Einführungsprozess im Unternehmen durchgeführt wird. • Mitwirkung beim Erarbeiten der Scorecards mit Schwerpunkt auf der Potenzialperspektive ( = Mitarbeiter-, Lern- oder Entwicklungsperspektive) Bei der inhaltlichen Füllung der Scorecards sollte der Betriebsrat die eingebrachten Zielsetzungen, Kennzahlen und Maßnahmen sorgfältig prüfen und auch selbst eigene Ziele, Maßnahmen und Kennzahlen einbringen. Dies bietet sich insbesondere bei der Entwicklung der Potenzialperspektive an, weil hier der Schwerpunkt auf mitarbeiterorientierten Zielsetzungen liegt. Orientierungsbeispiele für den Betriebsrat sind in der Tabelle (Seite 24) aufgezeigt. Dies ist eine Chance, die unbedingt ergriffen werden sollte. Außerdem ist ja auch z.B. eine“Reduzierung der Stellenzahl” ein denkbares Ziel der Prozess-Perspektive, welches an dieser Stelle verhindert oder bekannt gemacht werden kann! • Mitwirkung bei der Erfassung und Beurteilung von Ursache-Wirkungsketten zwischen den Kennzahlen der vier Ebenen Oftmals wird in den Unternehmen, die eine BSC einführen, auf die Erarbeitung von Ursache-Wirkungsketten verzichtet. Dies ist aber eine der spannendsten Situationen im Unternehmen, da hier von allen beteiligten Akteuren (Führungskräften, Fachkräften, Betriebsräten) unterschiedliche Meinungen aufeinander treffen und gemeinsam eine Einigung über Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge erzielt werden muss. In der Diskussion wird auch allen Beteiligten deutlich, welchen Beitrag mitarbeiterorientierte Maßnahmen (über Wirkungsketten) zur Prozessbeherrschung, zur Produktqualität, zur Kundenbeziehung etc. haben. Hierbei sollte der Betriebsrat aktiv mitarbeiten. • Mitwirkung bei der Wirksamkeitskontrolle nach den festgelegten Messzeitpunkten Nach einer festgelegten Periodik wird die BSC zur Steuerung herangezogen. Bei einer Unternehmens-BSC ist dies i.d.R. quartalsweise, dies kann aber auch monatlich oder wöchentlich erfolgen (z.B. bei einer Projekt-BSC). Entscheidend ist, dass die Offenlegung der ”gemessenen” Daten gewährleistet ist, und dass der Betriebsrat die Scorecards mit interpretiert. So kann es z.B. sein, dass eine hohe Zahl von Kundenreklamationen für ein neues Produkt vorliegt (Kundenperspektive), umgekehrt aber auf die geplante Schulung der Mitarbeiter verzichtet wur- TBS NRW/Aktion 202 23 de (Potenzialperspektive). Dies ist ein Beispiel zur Verdeutlichung der Interpretationsmöglichkeiten, die sich im Zusammenhang aller vier Perspektiven ergeben. Der Betriebsrat sollte die Interpretation und die daraus abgeleitete Maßnahmeplanung nicht allein dem Arbeitgeber überlassen, hier: Schulung statt Abstufung! In dem Zusammenhang sei noch erwähnt, dass man bei der Wirksamkeitskontrolle bzw. bei der Interpretation der BSC ggf. eingeleitete Maßnahmen verwirft, weil sich keine erwarteten Wirkungen einstellen. Dabei ist es wichtig zu wissen, dass Wirkungen, die sich aufgrund von Maßnahmen der Potenzialperspektive ergeben, oftmals einen Wirkungshorizont von bis zu 3 Jahren haben. Dies ist die Erfahrung größerer Unternehmen. Erst dann kann man sehen, ob die Maßnahmen zielführend waren. Der Betriebsrat sollte bei mitarbeiterorientierten Maßnahmen darauf achten, dass diese nicht gleich wieder eingestellt werden, wenn nicht schnelle Wirkungen auftreten. Tabelle: 24 Beispiele für Zielsetzungen und Kennzahlen, die aus Sicht des Betriebsrates in die Potenzialperspektive eingebracht werden können. TBS NRW/Aktion 202 Rechtliche Möglichkeiten nach BetrVG Eine Übersicht über die Rechte nach Betriebsverfassungsgesetz zeigt Abb. 14. Geändert haben sich seit der Neufassung des Betriebsverfassungsgesetzes 2001 insbesondere folgende Regelungstatbestände im Zusammenhang mit der Beteiligung des Betriebsrates an der Gestaltung von Organisations- und Personalentwicklung: • • • • • Welche rechtl. Möglichkeiten (BetrVG) ergeben sich für den BR bei der Einführung einer BSC? neu: das Mitbestimmungsrecht zu den Grundsätzen über die Durchführung von Gruppenarbeit (§ 87, Abs. 1, Ziffer 13) Nun mehr ist es auch offiziell, dass der BR bestimmte Rechte an Arbeitsgruppen per Rahmenbetriebsvereinbarung delegieren kann (§ 28a BetrVG). Die Zuständigkeit des BR für Leiharbeitskräfte ist erweitert worden (☛ /L 1/). Bislang konnte der Betriebsrat bei Fortbildungsmaßnahmen nur mitbestimmen, wenn der Arbeitgeber überhaupt Maßnahmen durchführen wollte (§ 98 BetrVG). Nun hat der BR ein Mitbestimmungsrecht, wenn der Arbeitgeber Umstrukturierungsmaßnahmen durchführt (§ 97 BetrVG). Noch ein Initiativrecht ist hinzu gekommen: Der BR kann nun Vorschläge zur Personalplanung (§ 92 BetrVG) sowie zur Sicherung und Förderung der Beschäftigung machen (§ 92a BetrVG). Abb. 14: Betriebsratsrechte nach BetrVG in Umstrukturierungsprojekten Da mit der Aufstellung der BSC und deren Verfolgung noch keine automatischen Umsetzungsentscheidungen verbunden sind, ist es auch nicht ganz einfach, mitbestimmungspflichtige Regelungstatbestände geltend zu machen. Dennoch sind einige denkbar: TBS NRW/Aktion 202 25 • Erfassung von Daten zur Ermittlung der Kennzahlen in der Scorecard: Wenn Daten ermittelt werden, welche Aufschluss über Leistung und Verhalten der ArbeitnehmerInnen erlauben, kann der BR ein Mitbestimmungsrecht nach § 87, Abs. 1, Ziffer 6 BetrVG geltend machen. • Sollten MitarbeiterInnen systematisch befragt werden in Form von strukturierten Interviews, Audits oder Mitarbeiterbefragungen, gilt dies betriebsverfassungsrechtlich als Personalfragebogen, der ebenfalls mitbestimmungspflichtig ist: § 94 BetrVG. • Sollten Schulungen für die an der Erstellung der BSC beteiligten ArbeitnehmerInnen geplant werden, ist die Durchführung hinsichtlich TeilnehmerInnen-Auswahl, Referenten, Ort und Inhalt mitbestimmungspflichtig: § 98 BetrVG. Einen Fortbildungsanteil kann man häufig schon bei Arbeitsgruppen unterstellen, insbesondere, wenn sie extern moderiert werden. Wenn keine Fortbildung geplant wird, kann sie evtl. über § 97 erzwungen werden. • Schließlich kann die Steuerung des Unternehmens mit Hilfe dieser grundsätzlich anderen Methode unter Umständen eine Betriebsänderung darstellen, welche den Anspruch auf einen Interessenausgleich begründet: § 111 BetrVG, Satz 3; Nr. 5. • Dann stehen dem BR auch im Vorgriff Sachverständige zu, ansonsten muss er vorher die Zustimmung des Arbeitgebers einholen oder ersetzen lassen: § 80, Abs. 3 BetrVG. Die eigentlichen Mitbestimmungsrechte greifen erst mit der Entscheidung, bestimmte Maßnahmen zur Zielerreichung als Projekt durchzuführen, beispielsweise: Zielvereinbarungen, Leistungs-Entgelt, Erfolgsprämien. Insbesondere in diesem Zusammenhang kann der Abschluss einer Betriebsvereinbarung Sinn machen. Regelungsinhalte werden im folgenden beschrieben. 26 TBS NRW/Aktion 202 Inhalte einer Betriebsvereinbarung Balanced Scorecard: 1. Welche Regelungsinhalte können Bestandteil einer Betriebsvereinbarung zu BSC sein? Projekt Beteiligung des BR und der ArbeitnehmerInnen am Projekt • Bei der Formulierung der Vision; breite Beteiligung der Belegschaft • Bei der Festlegung der Entscheidungsverfahren und -gremien inkl. Besetzung - beispielsweise Lenkungsausschuss, Projektgruppe/n • An der Beauftragung d. ProjektleiterIn und ggf. einer Beratungsorganisation • An der Festlegung der vier (oder mehr) Perspektiven • An der Formulierung von Wirkungsketten • Beim Beschluss über Umsetzungsmaßnahmen und -projekte wie Zielvereinbarungen, Prozessteams, Mitarbeitergespräche Eigene BR-Aktivitäten • Hinzuziehung eines Sachverständigen nach § 80, Abs. 3 und § 40 BetrVG • Durchführung eines eigenen BR-Workshops, Schulung der BR-Mitglieder 2. Inhalte der BSC • • Hohe Bedeutung von Mitarbeiterförderung und -zufriedenheit, attraktiver Arbeitsplätze, vorbildlicher Gesundheitsförderung im Leitbild/Vision Angemessene Bedeutung der Perspektive 4: Entwicklung (1 von 4) • Angemessene Bedeutung von Qualifizierung innerhalb der Perspektive 4: Entwicklung • Mitarbeiterbefragung zu Zufriedenheit, Entwicklungsmöglichkeiten der ArbeitnehmerInnen, Betriebskultur mit ‚Zensuren‘ als Zielgröße • Motivation, Nutzung und Förderung der Arbeitnehmer-Potenziale und Beteiligung als wichtige Erfolgsfaktoren • Zielgrößen wie Aufwand für Qualifizierungs- bzw. Personalentwicklungsmaßnahmen (PE-Maßnahmen) oder sogar ‘vorausschauende Qualifizierungsmaßnahmen’ (% der Arbeitzeit, Tage/AN/Jahr, Euro/Jahr): TBS NRW/Aktion 202 27 • • 3. Datenhaltung • • 4. Arbeitsplatz Einkommen Aufgaben, Kompetenz Einigungsverfahren • • 28 vorbereitende Schulungen: TeilnehmerInnen, Inhalte, ReferentIn, Ort, Zeit (Arbeitszeit), BR-Teilnahmemöglichkeit; Budget für Fortbildung Rationalisierungsschutz • • • 6. Zugang zu den Ist-Daten, ggf. Extraauswertungen für den BR Keine bzw. geregelte personenbeziehbare Leistungsdaten BSC-Qualifizierung • 5. Information und Beteiligung des BR und der ArbeitnehmerInnen als durchgängiges Ziel für alle Prozesse in Perspektive 3: Prozesse • Prozess ‚Personalentwicklung‘ und ‚Information‘ in Ebene 3 mit Beteiligung des BR • Prozess-, Organisations- und Technikentwicklung und der Beitrag der MitarbeiterInnen und Gruppen Angemessene Bedeutung von Qualifikation, Motivation und Beteiligung in den Wirkungsketten. paritätische Kommission und / oder Mediationsverfahren, jedenfalls in der Regel nicht der Lenkungsausschuss; Einigungsstelle, ggf. Anwendung § 111 BetrVG: Interessenausgleich TBS NRW/Aktion 202