BSC sehr guter Artikel

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BSC sehr guter Artikel
Die BSC-Methode
- Anwendung durch Unternehmen
TBS NRW/Aktion 202
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Die BSC als Controllinginstrument
Um ein Unternehmen zu führen, bedarf es i.d.R.
eines betrieblichen Controllings. Controlling bedeutet so viel wie Steuern oder Lenken, um Ziele
zu erreichen. Dabei sind folgende Fragen von zentraler Bedeutung:
Was ist Controlling?
Wo sind wir gerade auf dem Weg zum Ziel?
Schaffen wir es, zielerfüllend zu wirken?
Sind Korrekturen notwendig?
Die Arbeit eines betrieblichen Controllers mündet also in Zielsetzungs- und Korrekturentscheidungen, um das Unternehmen (”das System”) permanent auf Kurs zu
halten. Dafür braucht der Controller Steuerungsgrößen, die es ihm ermöglichen, Soll–
Ist–Vergleiche durchzuführen, um Zielabweichungen festzustellen.
Als Steuerungsgrößen werden hierzu traditionell
finanzielle Kennzahlen verwendet.
Solche finanziellen Kennzahlen sind beispielsweise Umsatzrentabilität, Kapitalumschlag, Gewinn,
Return on Investment (ROI), Cash Flow etc..
Ein wesentlicher Nachteil solcher finanziellen Kennzahlen ist ihre Vergangenheitsorientierung. Damit ist gemeint, dass mit diesen Kennzahlen Sachverhalte beschrieben werden, die längst geschehen sind. Wenn ein Unternehmen z.B. Verluste oder
Umsatzeinbußen macht, hat es schon vorher z.B. Kunden verloren, die Produkte
nicht optimal weiterentwickelt oder präsentiert, die Mitarbeiter nicht angemessen
qualifiziert.
Reichen finanzielle Kennzahlen für das Controlling
aus?
Mit einer Sammlung finanzieller Kennzahlen kann folglich nicht die zukunftsorientierte,
strategische Ausrichtung eines Unternehmens bewertet werden. Auch frühzeitige Warnungen, nicht auf dem richtigen Weg zu sein, lassen sich kaum damit erkennen.
Vor dem Hintergrund immer lauter werdender Kritik an der Vergangenheitsorientierung und an der Eindimensionalität solcher finanziellen Kennzahlen- bzw. Controllingsysteme wurde zu Beginn der neunziger Jahre ein Forschungsprojekt unter der
Leitung von S. Kaplan und D. P. Norton in den USA durchgeführt. Ziel war es, ein
Controllingsystem zu entwickeln, welches die gestiegenen Anforderungen der Unternehmen berücksichtigt.
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Stellen Sie sich vor, Sie kommen in das Cockpit eines Flugzeuges und sehen nur
ein einziges Instrument. Wie würden Sie sich wohl nach dem folgenden Gespräch mit dem Kapitän fühlen?
Frage:
„Es überrascht mich zu sehen, dass Sie in Ihrem Flugzeug mit nur einem Instrument zurecht kommen. Wozu dient es?“
Antwort:
„Fluggeschwindigkeit. Heute konzentriere ich mich auf die Fluggeschwindigkeit.“
Frage:
„Das ist gut. Die Fluggeschwindigkeit ist bestimmt wichtig. Aber was ist mit der
Höhe? Wäre ein Höhenmesser nicht auch nützlich?“
Antwort:
„Auf die Höhe habe ich mich während der letzten Flüge konzentriert und bin
schon ziemlich gut darin. Jetzt muss ich an der optimalen Fluggeschwindigkeit
arbeiten.“
Frage:
„Mir ist aufgefallen, dass Sie gar keine Kraftstoffanzeige haben. Stört Sie das
nicht?“
Antwort:
„Sie haben recht. Nützlich wäre so ein Ding schon. Aber ich kann mich einfach
nicht auf mehrere Geräte gleichzeitig konzentrieren. Wenn ich das mit der Geschwindigkeit und der richtigen Höhe im Griff habe, werde ich mich nächstes
Mal auf den Kraftstoffverbrauch konzentrieren.“
Wahrscheinlich würden Sie nach dieser Diskussion nicht mehr an Bord dieses
Flugzeugs gehen.”
☛ /L 3/
Kaplan und Norton wollen damit sagen, dass kein Pilot mit nur einem Instrument ein
Flugzeug steuern würde und dass dies auch für die Steuerung eines Unternehmens
gilt. Die alleinige Ausrichtung z.B. auf finanzielle Kennzahlen reicht nicht aus.
Hinzu kommt, dass insbesondere in den USA viele Unternehmen als Aktiengesellschaften organisiert sind und damit viele Aktienbesitzer (Anteilseigner/Investoren/
Shareholder) ein Interesse daran haben, dass die Steuerung (das Controlling) des
Unternehmens öffentlich und transparent ist. Eine Darstellung finanzieller, also
vergangenheitsorientierter Steuerungsgrößen kann allein nicht die Zukunftserfolge
und die strategische Ausrichtung des Unternehmens zeigen. Diese Tatsache hat insgesamt in den USA auch zu einer Erweiterung des betrieblichen Reportings geführt,
dass nicht mehr nur an der klassischen Unternehmenszielsetzung der Gewinnmaximierung, sondern an der Steigerung des Unternehmenswertes orientiert ist. Zur Beurteilung des Unternehmenswertes gehören auch (nicht monetäre bzw. finanzielle)
Aussagen über die erreichte Qualität, die Innovations- und insbesondere die Potenzialbewertung (auch der Humanressourcen, ☛/ L 5/).
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Die zunehmende Orientierung am Humankapital als primären Leistungsträger zeigt auch
eine Äußerung von Ferdinand Piech, dem ehemaligen Vorstandsvorsitzenden von VW.
Interview in der Zeitung „DIE ZEIT“, Sept. 2000
DIE ZEIT:
„Was unterscheidet in Ihren Augen ein gutes Unternehmen von einem schlechten?“
PIECH:
„Viele gute Mitarbeiter mit Begeisterung für ihr Unternehmen. Das bewerten Analysten kaum. Für mich wäre das aber ein Barometer, wie demnächst der Aktienkurs bei uns oder bei anderen aussieht.”
Die vier Perspektiven der Balanced Scorecard
Im Konzept der Balanced Scorecard werden dementsprechend die traditionellen Kennzahlen durch eine
Kunden-, eine interne Prozess- und eine
Potenzialperspektive erweitert. Die Ergebniskennzahlen werden um vorlaufende Indikatoren bzw. Frühindikatoren ergänzt (☛ Abb. 1).
Was steckt hinter den 4
Perspektiven der BSC?
Abb. 1:
Die vier Perspektiven
der Balanced Scorecard mit den
grundsätzlichen Fragestellungen aus
Sicht des Managements
Die finanzielle Perspektive
zeigt auf, ob die im Unternehmen umgesetzte Strategie auch zur Verbesserung der
Geschäftsergebnisse geführt hat. Kennzahlen dieser Perspektive sind z.B. Umsatz,
Gewinn etc..
Die finanziellen Kennzahlen haben dabei eine Doppelfunktion: Zum einen stellen sie
die finanzielle Leistung dar, zum anderen gelten sie in der Planung als Endziel der
anderen Perspektiven der Balanced Scorecard. Dabei sollen die Kennzahlen der Kunden-, der internen Prozess- und der Potenzialperspektive über plausible UrsacheWirkungsbeziehungen mit den finanziellen Zielen verbunden sein.
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Die Kundenperspektive
stellt die strategischen Ziele, die Zielvorgaben, die Kennzahlen und die Maßnahmen
im Hinblick auf die Kunden und den Markt dar, für den das Unternehmen Produkte
bzw. Dienstleistungen anbietet.
Strategische Ziele könnten hier z.B. sein: Preisführerschaft, mit einem Produkt zuerst
am Markt zu sein, ein geeignetes Produktsortiment zu entwickeln, ein neues Marktsegment zu erschließen.
Typische Kennzahlen sind Marktanteil, Stamm- und Neukundenanteil, Kundenzufriedenheit, Time to Market etc..
Die interne Prozessperspektive
beinhaltet die Geschäftsprozesse, die vornehmlich zur Erreichung der Kunden- und
Finanzziele notwendig sind. Diese Prozesse sollen besonders leistungsstark sein. Es
ist hilfreich, hier die gesamte Wertschöpfungskette zu betrachten.
Klassische Beurteilungskriterien von Geschäftsprozessen sind Qualität (z.B. Ausschuss), Kosten (z.B. Produktivität), Zeit (z.B. Durchlaufzeit).
Die Potenzialperspektive
wird oftmals auch als Entwicklungs-, Lern- oder Mitarbeiterperspektive bezeichnet.
Hier werden im wesentlichen die Bedingungen und Voraussetzungen beschrieben,
die notwendig sind, um die Ziele der anderen Perspektiven zu erreichen, d.h. die das
Unternehmen dazu befähigen, eine lernende Organisation zu sein. Schwerpunkt der
Potenzialperspektive ist die Qualifizierung der MitarbeiterInnen, die Motivation und
Zielausrichtung der MitarbeiterInnen sowie die im Unternehmen benötigte Infrastruktur (z. B: Informationssystem).
Indikatoren der Potenzialperspektive sind z.B. Betriebsklima, Mitarbeiterzufriedenheit,
Mitarbeiterproduktivität, Krankenstand, Fluktuation.
Die verschiedenen Interpretationen von ”balanced” (= ausbalanciert, ausgewogen):
1. Die gleichgewichtete Nutzung von vier Perspektiven.
2. Die Mischung von Ergebniskennzahlen und
Leistungstreibern.
3. Vergangenheitsbezug und Zukunftsorientierung.
Was versteht BSC unter
„balanced“?
4. Kurzfristige und langfristige Ausrichtung.
Abbildung 10 zeigt eine schematische Darstellung des Verhältnisses von Früh- und
Spätindikatoren zu den vier Perspektiven der Balanced Scorecard.
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Mischung aus Ergebniskennzahlen und Leistungstreibern
Durch die Ergänzung der finanziellen Kennzahlen um
weitere nicht monetäre
Kennzahlen wie Durchlaufzeit oder Fehlerquote werden
traditionelle Ergebniskennzahlen um vorlaufende
(Früh-) Indikatoren erweitert.
Die
Kennzahlen
der
Frühindikatoren werden
auch als „Leistungstreiber“
bezeichnet.
Abb. 2:
Schematische Darstellung des Verhältnisses von Früh- und Spätindikatoren
Ergebniszahlen ohne Leistungstreiber können nicht vermitteln, wie die Ergebnisse
erreicht werden sollen. Auch erhält man dadurch keine frühzeitige Information darüber, ob eine Strategie erfolgreich umgesetzt werden kann.
Umgekehrt ermöglichen Leistungstreiber wie Taktzeiten oder Fehlerquoten ohne Ergebniskennzahlen lediglich eine Bewertung kurzfristiger, lokaler operativer Verbesserungen bspw. für eine Geschäftseinheit. Sie lassen aber nicht erkennen, ob die Verbesserungen auch zu einem höheren Geschäftsvolumen bei alten/neuen Kunden
oder zu einer besseren Finanzleistung des Unternehmens geführt haben bzw. führen werden.
Die Darstellung der 4 Perspektiven, quasi als 4 Instrumente eines Flugzeugcockpits (siehe 201, Abb.
6), lassen sich als Scorecards (= Berichtsbögen) auf
jeweils einer Seite anschaulich darstellen. Wie in Abb. 1 bereits angedeutet, beinhaltet eine Scorecard die Unternehmensziele in Bezug auf die jeweilige Perspektive, die
hierfür geeigneten Kennzahlen mit den Ist-Messungen, die geplanten Vorgaben mit
den Soll-Werten und die hierfür festgelegten Maßnahmen zur Zielerreichung.
Zusammengefasst ergeben die Scorecards bei den vier Perspektiven erfahrungsgemäß
insgesamt 15-20 Kennzahlen zum Unternehmenscontrolling.
Es soll aber auch betont werden, dass das Cockpit mit den vier Perspektiven lediglich
eine Vorgabe und keine Zwangsjacke darstellt. Es gibt keinen Beweis dafür, dass diese vier Perspektiven notwendig und hinreichend zum Controlling des Unternehmens
Was sind Scorecards?
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sind. Die vier Perspektiven sind allerdings in hohem Maße intuitiv verständlich. Viele
Erfahrungswerte aus den Betrieben sprechen für ihren Nutzen. Je nach Betrieb ist
eventuell noch eine Perspektive hinzuzufügen oder anders zu interpretieren.
Die inzwischen weit verbreitete Nutzung der von Kaplan und Norton vorgeschlagenen vier Perspektiven lassen bereits Vergleiche zwischen verschiedenen Unternehmen einer Branche zu. Es stellen sich auch typische Kennzahlen der einzelnen Perspektiven heraus, die von vielen Unternehmen nutzbringend eingesetzt werden.
Ursache-Wirkungsketten von Leistungen
Bilden die Kennzahlen der
Jede für eine Scorecard gewählte Kennzahl soll
vier
Perspektiven (Scorecards)
auch Teil einer Ursache-Wirkungskette sein, die
einen
ursächlichen Zusameinerseits einen Beitrag zur Erreichung finanzieller
menhang?
Ziele des Unternehmens darstellt und für die so
wiederum die Ursachen sichtbar werden.
Wenn man so vorgeht, ist eine Balanced Scorecard nicht nur einfach eine Sammlung
isolierter Kennzahlen, die irgendwelche lokalen operativen Verbesserungen messen,
sondern sämtliche betrieblichen Funktionen und alle Aktivitäten im Unternehmen stellen einen Kausalzusammenhang her, der auf das finanzielle Gesamtoptimum des Unternehmens ausgerichtet ist, z.B. auf Erlössteigerung bzw. Gesamtkostensenkung.
Durch diese Ursache-Wirkungsketten kann eine umfassende, radikale Zielorientierung umgesetzt werden, die sich deutlich von herkömmlichen KVP-Programmen u.ä.
unterscheiden. Abb. 3 zeigt
ein einfaches Beispiel eines
solchen Ursache-Wirkungszusammenhangs zwischen
Indikatoren der vier BSC-Perspektiven.
Abb. 3:
Einfaches Beispiel eines
Ursache-Wirkungszusammenhangs im Betrieb
(Wirkungskette)
Die Grundfrage lautet: Wie können wir die für das Betriebscontrolling wichtigen
Ursache-Wirkungsketten erfassen? Eine wissenschaftlich-analytische Ableitung der
”richtigen” Ursache-Wirkungsketten ist allein mit dem Modell der BSC nicht möglich. Es wird empfohlen, im Rahmen betrieblicher Workshops mit Führungskräften,
Betriebsräten, fachlichen Experten/Funktionsträgern und Controllern einen Konsens
über plausible Wirkungsketten herzustellen.
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Praxisbeispiel
Ein Unternehmen der Automobilzulieferindustrie
mit annähernd 1000 Mitarbeitern montiert ausschließlich Zulieferteile für die Automobilindustrie,
u.a. Zentralverriegelungen und Kraftstoffpumpen
für Kunden auf internationalen Märkten.
Die Qualitätsstandards QS 9000 und VDA 6.1, die in dieser Branche von den Automobilherstellern gefordert werden, sind im Betrieb umgesetzt. Dadurch ist eine externe Verpflichtung zu umfassender, kontinuierlicher Verbesserung im Unternehmen
vorgegeben – auch in Bezug auf Maßnahmen zur Verbesserung der Prozessbeherrschung und zur Erhöhung der Mitarbeiterzufriedenheit (nur in der VDA 6.1.,
siehe auch /L 2/).
Wie sieht das in der Praxis
aus?
Das Bemühen um Erhöhung des Kundennutzens ist entscheidend für die Marktstellung und damit für die Sicherung des Standortes und der Arbeitsplätze. Die Ergebnisorientierung in dem Unternehmen konzentriert sich auf eine störungsfreie, an
höchsten Qualitätsanforderungen orientierte Produktion.
Schwerpunkt im Bereich der Gestaltung der Arbeitsbedingungen ist dabei die Minimierung beeinflussbarer, d.h. krankheits- und motivationsbedingter Fehlzeiten, deren Bedeutsamkeit anhand einer Kette negativer Wirkungen dargestellt wird (☛ Abb.
4). Als „negative Wirkung“ gilt die interne Service-Qualität (Prozessperspektive) und
die externe Service-Qualität (Kundenperspektive). „Gesündere Arbeit“ und „besseres Betriebsklima“ wären in der Potenzial- oder Entwicklungsperspektive denkbar,
wenn sie die Service-Qualität verbessern.
Abb. 4:
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”Negative” Wirkungskette krankheits- und motivationsbedingter Fehlzeiten
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Die ergebnisorientierten Aktivitäten wurden zunächst mittels Ursache-Wirkungs-Ketten erfasst
(☛ Abb. 5) und anschließend im Rahmenkonzept
der Balanced Scorecard dargestellt (☛ Abb. 6).
Abb. 5:
Wie sah die Strategie aus?
Ursache-Wirkungs-Ketten in einem Automobilzulieferunternehmen
Über drei Jahre durchgeführte Aktivitäten im Rahmen
Was wurde getan?
des Maßnahmeprogramms zur Arbeitsgestaltung
und zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen:
➫ Vollständige Produktschulungen der Mitarbeiter (Jeder Mitarbeiter weiß, was er fertigt, welche Funktion das Produkt hat, in welche Automarke es eingebaut wird, etc.)
➫ Aufklärung über betriebliche und kollegiale Folgen hoher Fehlzeiten
➫ Motivation zur Ideenproduktion im Rahmen des BVW
➫ Produktionstraining von Beschäftigten indirekter Bereiche (2 Tage/Jahr arbeiten
Beschäftigte aus indirekten Bereichen an Arbeitsplätzen in der Produktion)
➫ Engagierte betriebsärztliche und soziale Betreuung (überdurchschnittliche Einsatzzeit, genaue Kenntnis der Arbeitsbedingungen, besonderes Vertrauensverhältnis,
engagierte Beratung und Aktionen, 2 Betriebskrankenschwestern)
➫ Schulung von Vorgesetzten (z.B. Führungsverhalten, Moderationstechniken)
➫ Sichtbare Aushängung standardisierter, verständlicher Arbeitsanweisungen an allen Montagearbeitsplätzen
Flankiert wurden diese Maßnahmen u.a. durch die Einführung bzw. Erweiterung der
Anwendung neuer Arbeitszeitmodelle (Jahresarbeitszeit), durch die Entwicklung/Einführung von alternativen Lohnformen sowie durch Zielvereinbarungen.
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Das Gesamtpaket hat dazu geführt, dass der
Krankenstand innerhalb von zwei Jahren von nahezu 8% auf ca. 4% gesenkt werden konnte.
Unter den gegebenen Rahmenbedingungen von ca. 75% weiblichen Beschäftigten
(Belastung durch Doppelfunktion Beruf/Familie) und relativ monotonen Montagetätigkeiten ist dies beachtlich.
Was wurde erreicht?
Beispielsweise konnte erreicht werden, dass durch die Maßnahmen ”Angebot familienfreundlicher Arbeitszeitmodelle” und ”Aufklärung über die betrieblichen Folgen zu
hoher Fehlzeiten” weniger Überstunden gemacht wurden und dass weniger Ersatzund Aushilfskräfte eingestellt werden mussten. Dadurch konnte zum einen das hohe
Niveau des Gruppenakkords
gehalten werden und zum
anderen kam es kaum noch
zu Änderungen in den Arbeitsabläufen. Dadurch konnten wiederum die Durchlaufzeiten niedrig und die Mitarbeiterproduktivität hoch gehalten werden. Außerdem
sank die Fehlzeitenquote. Insgesamt wirkte sich dies mittelfristig auf die Kundenbeziehung aus. Von Altkunden
konnten zusätzliche Aufträge
akquiriert werden. Auch
konnten bereits verlorene
Kunden wiedergewonnen
werden, so dass wieder solide
Geschäftsergebnisse erzielt
werden konnten. Das Maßnahmeprogramm hat also
insgesamt einen Beitrag zum
Geschäftsergebnis geliefert.
Abb. 6:
Auslösende Wirkungskette des Maßnahmeprogramms und mögliche Zuordnung geeigneter
Kennzahlen
In Abbildung 6 sind die Aktivitäten des Maßnahmeprogramms der Mitarbeiter- und
Entwicklungsperspektive (Potenzialperspektive) zugeordnet. Diese löst Wirkungsketten bis hin zur Finanzperspektive aus.
Neben den Wirkungen ist die Entwicklung der Kennzahlen angegeben, mit denen
die Wirkungen gemessen werden können. Dadurch ist ein visualisiertes Reporting
und eine Unternehmenssteuerung gegeben (Unternehmenscontrolling).
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In dem Fallbeispiel konnte lediglich ein zeitlicher
Was kann man aus dem
Ausschnitt gezeigt werden (hier: drei Jahre). Nach
Beispiel lernen?
diesem Zeitabschnitt wurde weiter an der Einführung von familienfreundlichen Arbeitszeitmodellen
gearbeitet, die im Kern auch mehr Selbstorganisation der ArbeitnehmerInnen voraussetzen und fördern. Die angebotenen Modelle wurden anfänglich nur ansatzweise
von den MontagemitarbeiterInnen verstanden und angenommen. Auch an der
Ausweitung von Zielvereinbarungen (bisher nur auf Führungskräfte bezogen) wurde gearbeitet.
Darüber hinaus wird durch das Fallbeispiel auch die Reichweite von Maßnahmen der
Arbeitsgestaltung und Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen deutlich, was insbesondere für Betriebsräte wichtig ist. Viele Initiativen der Betriebsratsarbeit sind der Potenzialperspektive zuzuordnen und stellen somit Leistungstreiber
dar, die Wirkungen mit langer Reichweite auch auf die Verbesserung von Kundenzufriedenheit und Finanzkennzahlen auslösen. Bis die Wirkungsketten ihren ökonomischen Erfolg zeitigen, vergehen nicht Wochen oder Monate sondern u.U. Jahre wie das Fallbeispiel zeigen konnte.
Letztlich wurde in dem Automobilzulieferunternehmen mit diesem mittelfristig angelegten Maßnahmeprogramm der drohende Standortverlust abgewendet, die Situation am Markt stabilisiert und das Unternehmen wieder zu einem zuverlässigen Partner der Automobilhersteller.
Die BSC als strategisches Führungs- und
Managementinstrument
Am Anfang dieses Kapitels ist die BSC schwerKann die BSC auch die
punktmäßig als Kennzahlensystem bzw. als
strategische
Führung des
Controllinginstrument beschrieben worden. Die
Unternehmens unterstützen?
Nutzungsmöglichkeiten der BSC gehen aber darüber hinaus. Ihre umfassende und konsequente
Orientierung und Ausrichtung an Unternehmenszielen macht die BSC insbesondere für die Umsetzung der Unternehmensstrategie interessant. Dies ist um so bedeutender, da hier bei vielen Unternehmen Probleme und Defizite zu verzeichnen sind
und praxisfreundliche Instrumente und Vorgehensweisen rar sind.
Probleme und Defizite bei der Umsetzung der Unternehmensstrategie
•
•
Das Mittlere Management hat keine klare Vorstellung, welche Beiträge es zur
Umsetzung der Strategie leisten soll.
Die Mitarbeiter wissen nicht, wie man besser als die Konkurrenz werden soll, wel-
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ches die wirklichen Erfolgsfaktoren sind oder sein sollen. Die Strategie ist für den
Mitarbeiter wenig ”greifbar”.
Die zur Strategie passenden konkreten Zielvorgaben sind z.T. unklar, nicht
messbar, passen nicht zur Strategie oder es sind zu viele.
Es gibt keine Verknüpfung der Strategie mit der Ressourcenbereitstellung und –
verwendung im Unternehmen; dazu zählt auch die Verknüpfung der Zielausrichtung mit Anreizsystemen wie Leistungsprämien.
Die Unternehmensstrategie ist den Mitarbeitern überhaupt nicht bekannt. Es gibt
keine Kommunikation über die Strategie und über strategische Ziele.
Vision, Mission und Strategie des Unternehmens – so sie dann überhaupt explizit
vorliegen – sind nicht mit den Abteilungen, Teams, Mitarbeitern diskutiert.
•
•
•
•
Die BSC stellt für die dargestellte Problematik idealerweise ein Bindeglied zwischen der
Entwicklung einer Unternehmensstrategie und ihrer Umsetzung dar.
Allerdings muss die Formulierung einer Unternehmensvision und einer Unternehmensmission der BSC vorausgehen. Aber sie kann schon bei der Formulierung und der Prüfung
auf Realisierbarkeit einer Strategie helfen. Die Erstellung einer BSC kann zur Klärung und
zum Konsens im Hinblick auf strategische Ziele führen. Der Einsatz einer BSC führt zu einer einheitlichen Zielausrichtung der Handlungsträger im Unternehmen und zu einem
darauf ausgerichteten Einsatz personeller, materieller und finanzieller Ressourcen.
Die Balanced Scorecard unterstützt also den strategischen Führungsprozess im Unternehmen (☛ Kasten). Sie dient diesem Prozess quasi als Handlungsrahmen. Dabei ist insbesondere die gemeinsame Kommunikationsbasis einer der wesentlichen
Vorteile: Die BSC fördert die Kommunikation und die Kooperation zwischen den
Hierarchieebenen und zwischen den Abteilungen und Teams und bietet gleichzeitig eine gemeinsame Sprachebene. Hierfür fehlten bislang geeignete Instrumente in
der Praxis und dies ist mit einer der Gründe für die hohe Akzeptanz des Instruments
BSC bei allen Interessengruppen.
Die wichtigsten Begriffe und Grundfragen im Zusammenhang mit dem strategischen
Führungsprozess:
Unternehmensmission:
Wie will sich das Unternehmen dem Kunden gegenüber darstellen?
Unternehmensvision:
Was will das Unternehmen in den nächsten 5-10 Jahren erreichen?
Unternehmensstrategie: Wie will das Unternehmen dies erreichen?
Unternehmensziele und Maßnahmen:
Was will das Unternehmen mit welchen strategischen Zielen hierfür tun?
Geeignete Kennzahlen: Wie kann dies gemessen werden?
Ergebnisorientierung:
Welchen Beitrag können die betrieblichen Funktionen dazu beitragen und was
ist es dem Unternehmen wert?
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Im Rahmen des strategischen Führungsprozesses können für die einzelnen ausgewogenen Perspektiven strategische Unternehmensziele formuliert, Maßnahmenpakete ”festgeschnürt”, Zielvorgaben gesetzt und geeignete Kennzahlen zur Messung
und zur Steuerung der Zielerreichung festgelegt werden.
Die BSC dient zur Unterstützung der StrategieentWie kann die BSC die
wicklung. Die Entwicklung von UnternehmensStrategieentwicklung
im Unterstrategien ist immer mit hoher (Planehmen
unterstützen?
nungs-)Unsicherheit verbunden. Welche Marktposition ist die ”Richtige”? Welche Technologieposition soll erreicht werden? Hierzu kann viel empirisches Wissen herangezogen werden
(z.B. Marktuntersuchungen, Kunden- und Verbraucherbefragungen). Letztlich dominiert bei der Entscheidung zur Unternehmensstrategie aber immer so etwas wie ”unternehmerisches Gespür”. In der Arbeitswissenschaft nennt man das ”implizites Wissen”, d.h. nicht ausgesprochenes und formuliertes berufliches Erfahrungswissen. Genau hier setzt die Unterstützungsfunktion der BSC an.
Durch die Beschäftigung mit den Fragen ”Welches sind die strategischen Ziele im Rahmen der Kundenperspektive, der Potenzialperspektive etc.? Welche Maßnahmen liefern den höchsten Beitrag zur Zielerreichung? Über welche Ursache-Wirkungszusammenhänge wird ein Beitrag zur Erhöhung der Geschäftsergebnisse (finanzielle Zielerreichung) geleistet?” etc. werden die beteiligten betrieblichen Akteure dazu gebracht,
ihr implizites Wissen anderen zugänglich zu machen. Dieser Prozess wird maßgeblich
durch den Einsatz der BSC gefördert und rückt das Instrument in die Nähe von Ansätzen, wie sie im Rahmen der ”lernenden Organisation” schon länger vorliegen
(☛ /L 6/und /L 7).
Schon Kaplan und Norton als die Erfinder der BSC haben gesagt, dass der Prozess der
Erarbeitung einer Balanced Scorecard mindestens so wertvoll ist, wie die resultierenden
Scorecards selbst. Das kann durch die Erfahrungen aus der Praxis bestätigt werden. Alle
Beteiligten entwerfen für sich und gemeinsam ein Bild von der Zukunft des Unternehmens. So entwickeln sie eine gemeinsame Sprache und lernen, sensitiver mit Zielverfolgung und Zielkonflikten umzugehen: Je mehr Beteiligte, desto vorteilhafter.
Die BSC ist ein Instrument zur operativen UmsetWarum dient die BSC
zung von Strategien. ”Strategien erfolgreich uminsbesondere
der operativen
setzen” heißt der Untertitel des Buches der ErfinUmsetzung
von
Strategien?
der der BSC und kennzeichnet gleichsam die
Hauptfunktion der BSC. Dabei hat sich nach den
Erfahrungen in den Unternehmen die gemeinsame Sprache als entscheidender Erfolgsfaktor herausgestellt. Die BSC stellt ein Kommunikationsmedium zwischen der
Führung und den einzelnen Organisationsbereichen, zwischen Controllern und Linienverantwortlichen dar. In dem Ausmaß, wie MitarbeiterInnen des Unternehmens
sich mit der BSC auseinandersetzen, kann schrittweise ein Verständnis und ein Wortschatz aufgebaut werden, der eine Kommunikation über Abteilungs- und Hierar-
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chiegrenzen hinweg erlaubt. Auch der Konsens über plausible und nachvollziehbare Ursache-Wirkungsketten und Kennzahlen erlaubt eine konsensorientierte Beurteilung für die Leistungen von Bereichen, Gruppen und Einzelnen.
Durch den Kommunikationsprozess soll der/die Einzelne erkennen, dass seine/ihre
Leistungen zur Zielerreichung und zum Gesamtergebnis beitragen.
Einsatzbereiche der BSC
Es gibt nicht die Balanced Scorecard: Es wurde bereits betont, dass die BSC keine Zwangsjacke darstellt, in die sich Unternehmen hineinzwängen
müssen. Beispielsweise ist die Wahl und die Anzahl
der Scorecards abhängig von der Art und dem
Zweck der jeweiligen Unternehmung. Der Nutzen der BSC als Instrument liegt im
Controlling und im strategischen Management. Ausgehend von diesem Nutzen gibt
es verschiedenste Möglichkeiten der Anwendung. Eine BSC kann für das Projektcontrolling eingesetzt werden. Eine BSC kann auf ein Unternehmen als Ganzes ausgerichtet sein, auf einzelne Abteilungen bzw. strategische Geschäftseinheiten wie auch
auf Gruppen und einzelne Mitarbeiter.
Wie die BSC in Deutschland verstanden und umgesetzt wird, zeigen im folgenden
Ergebnisse einer Umfrage.
Welche Möglichkeiten der
Anwendung gibt es für die
BSC?
Wie verbreitet ist eigentlich die Anwendung der BSCMethode in deutschen Unternehmen?
Die Balanced Scorecard ist in der Unternehmenspraxis in Deutschland inzwischen weithin bekannt
und wird in zunehmendem Maße auch eingesetzt.
Dies konnte in einer wiederholten Befragung der
Jahre 1999 und 2000 der DAX-100-Unternehmen
gezeigt werden (☛ /L 3/).
Abbildung 7 zeigt den Stand
des BSC-Konzeptes in den
Unternehmen im Jahr 2000.
Dabei stieg die Anzahl der
Unternehmen, die eine BSC
implementiert haben, von
1999 bis 2000 von 19% auf
27%. Umgekehrt sank der
Anteil der Unternehmen, die
sich bisher überhaupt noch
Abb. 7:
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Stand des BSC-Konzepts in den DAX-100 Unternehmen im Jahr 2000
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nicht mit BSC beschäftigt hatten von 26% auf 18% im Jahre 2000. Vieles spricht
dafür, dass der Trend bis heute anhält und auch zunehmend auf KMU überspringt.
Dafür sind aber keine Untersuchungen bekannt.
Bei der Frage, auf welchen
Hierarchieebenen die BSC in
den Unternehmen eingeführt ist, zeigt sich bei den
befragten deutschen Unternehmen folgendes Bild, ☛
Abbildung 8.
Abb. 8:
Einsatzformen der BSC im
Unternehmen
Quelle ☛ /L 3/
Vorwiegend wird die BSC auf der Ebene GesamtWie verteilen sich die Anunternehmen und strategische Geschäftseinheiten
wendungen
der BSC in deutschen
eingesetzt. Auf der Ebene Betriebe, Abteilungen,
Unternehmen?
Teams, Mitarbeiter wird deutlich weniger mit Scorecards gearbeitet. Das heißt, dass bisher in deut- Was kann man daraus schließen?
schen Unternehmen die BSC als Instrument des
strategischen Controllings durch das Top-Management genutzt wird. Ihr Potenzial
bei der Verknüpfung von Unternehmenszielen mit Zielen der Teams und MitarbeiterInnen bleibt unausgeschöpft. Die BSC wird also nicht in dem Maße als Kommunikationsmedium benutzt, wie es eigentlich vorgesehen ist.
Diese Tatsache wird durch ein weiteres Defizit unterstrichen: die Hälfte der DAX-100Unternehmen, die eine BSC besitzen, verzichtet auf die Formulierung von UrsacheWirkungsketten. Dadurch wird in diesen Unternehmen kein kritischer Diskurs angeregt und die Funktion der BSC zur Strategieentwicklung und –vermittlung wird nur
eingeschränkt genutzt.
Auf die Frage, welchen Nutzen sich die Unternehmen von der BSC erwarten, erhielt
von 17 möglichen Antworten ”Stärkere Berücksichtigung der Stakeholder” die wenigsten Nennungen. Dies zeigt, dass die Potenziale und Möglichkeiten der BSC von
den Geschäftsführungen/Vorstände der DAX-100-Unternehmen in Deutschland
kaum genutzt werden und dass hier erheblicher Verbesserungsbedarf besteht. Dies
ist auch ein Ansatzpunkt für die Arbeit des Betriebsrats in Unternehmen, welche bereits eine BSC eingeführt haben.
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BSC für ein Unternehmen
Ein BSC-Beispiel, das auf das Unternehmen als Ganzes ausgerichtet ist, zeigt Abb. 9.
Abb. 9:
Beispiel für eine Unternehmens-BSC
Das Beispiel in Abb. 9 zeigt den Stand einer Unternehmens-BSC in der Entwicklungsphase. In
Ausrichtung auf die vier Perspektiven werden zunächst strategische Ziele formuliert. Geeignete
Ausprägungen/Kennzahlen/Messgrößen zu deren
Erfassung werden gesucht. Auch die einzelnen Vorgaben, die man sich in Orientierung auf die strategischen Ziele setzt, sind formuliert.
Unklar in dieser Phase sind noch die festzulegenden Maßnahmebündel zur Erreichung der Ziele. Hierfür sind weitere betriebliche Workshops durchzuführen, in denen verschiedene Maßnahmen und deren Wirkungsketten diskutiert werden.
Wie sieht eine Unternehmens-BSC „ausgefüllt“ aus?
Kann das einmal beispielhaft
gezeigt werden?
Nicht in der Abbildung enthalten ist die Spalte für die später vorzunehmenden IstMessungen der Kennzahlen. Erst damit kann man Aussagen über den Grad der Zielerreichung und die Wirksamkeit der Unternehmensstrategie machen.
BSC für einen Organisationsbereich (Personalabteilung)
Welchen Nutzen hat die
Bereichs-BSC? Kann auch
hierfür einmal ein Beispiel
dargestellt werden?
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Hat man für das Unternehmen eine BSC entwickelt, bietet es sich an, für einzelne Organisationsbereiche bzw. strategische Geschäftseinheiten
ebenfalls eine BSC zu entwerfen, welche die Unternehmensstrategie für den einzelnen Bereich ”über-
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setzt”. Aber auch wenn keine Unternehmens-BSC vorliegt, kann eine Bereichs-BSC
durchaus Sinn machen, da die Funktionalität und der Nutzen der BSC auch so gegeben ist. An dieser Stelle soll ein Beispiel für eine BSC für den Personalbereich gezeigt werden.
Da das Personalmanagement bzw. Humanressourcenmanagement zunehmend als
wichtiger Teil der Wertschöpfungskette angesehen und damit für den Erfolg des Unternehmens erkannt wird, ist es sinnvoll, die Aktivitäten des Personalbereichs an die
Unternehmensaktivitäten zu knüpfen.
Auch die Orientierung individueller Zielvereinbarungen
an der Zielsetzung des Personalbereichs sowie des Gesamtunternehmens kann
sinnvoll sein. In Abb. 10 wird
beispielhaft dargestellt, wie
die Unternehmensstrategie
auf den Personalbereich und
(in diesem Fall) auf den Leiter der Abteilung Personalentwicklung verfeinert werden kann.
Abb. 10: Strategie im betrieblichen Kontext: Unternehmensbeispiel für den Personalbereich
Um für den Personalbereich eine BSC zu entwickeln, müssen bereichbezogene Ziele
für die vier Perspektiven aus der Unternehmensstrategie abgeleitet werden. Ein Beispiel mit Zielfeldern für den Personalbereich zeigt Abb. 11.
Abb. 11: Zielfelder der BSC-Perspektiven des Personalbereichs, ☛ /L 4/
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Im weiteren müssen dann nach der üblichen Vorgehensweise konkrete Ziele für die
Bereichsperspektiven formuliert, dafür geeignete Kennzahlen festgelegt, Vorgaben
gesetzt und Maßnahmen festgelegt werden. Ein Unternehmensbeispiel für eine Personalbereichs-BSC zeigt Abbildung 12.
Finanzen
Kunden
Prozess
Ziele (eher operativ)
Kennzahlen
Vorgaben
Maßnahmen
Weiterbildungskosten
von externen Anbietern reduzieren
Externe Seminarkosten
Max. 150.000 DM
§
Effizientere Verhandlungen mit externen
Beratungsanbietern
§
Stringente Selektion der Seminare
§
Pflegen der Seminaranbieter-Datenbank
Kosten für die Traineeprogramme
Max. 100.000 DM
pro Trainee
§
Benchmarking durchführen
§
Interne Trainerkapazitäten nutzen
Ausrichtung des Seminarangebots an den
Kunden
Kundenzufriedenheit
Um 10% erhöhen
§
Kundenbefragungen zu den Seminarwünschen
§
Seminarangebot an den Ergebnissen ausrichten
Dauer der Seminarkonzepterstellung
reduzieren
Tage der Seminarkonzepterstellung
Max 3 Wochen
§
Themendatenbank aktualisieren
§
EDV-gestützter Seminarprozess
(Anmeldung etc.)
Verbesserung der
Seminarqualität
Zufriedenheit der
Teilnehmer
Um 20% erhöhen
§
Feedback-Prozess für Seminarteilnehmer
einführen
Leistungsverbesserung am Arbeitsplatz
Um 10% erhöhen
§
Review-Prozess bei den Führungskräften
acht Wochen nach dem Seminar einführen
Qualifikation der
Trainer
Kompetenzlevel der
Trainer erhöhen
§
EDV-Schulung interner Trainer
Lernen und EDV-Training selbst
Innovation anbieten
Abb. 12: Praxisbeispiel einer BSC für den Personalbereich, ☛ /L 4/
Durch die Entwicklung und Pflege einer Personalbereichs-BSC kann der Personalbereich eng an den Unternehmenszielen ausgerichtet werden. Sie erfordert eine differenzierte Auseinandersetzung mit der Strategie, der Zielsetzung und den daraus abzuleitenden Maßnahmen des Personalbereichs im Interesse des Unternehmens.
Durch die Anbindung an die Wertschöpfungsprozesse des Unternehmens und durch
die Verknüpfung von Interessen der Unternehmensleitung mit den Interessen des
Personalbereichs führt dies auch insgesamt zu einer Aufwertung des Personalbereichs. Ähnliches gilt auch für die Transparenz der Wertschöpfung des Personalbereichs selbst.
Im weiteren wird durch die BSC ein systematisches Personalcontrolling gefördert,
welches Produktivitätspotenziale und – defizite aufdeckt und damit letztlich
Wirkungszusammenhänge mit Prozessen des Gesamtunternehmens aufzeigt. Eine
Personalbereichs-BSC stellt auch idealerweise den Motor für die Einführung der BSC
für andere Unternehmensbereiche dar, insbesondere in Bezug auf Lernen und Innovation. Für den Betriebsrat können die Maßnahmen natürlich problematisch sein: Im
Beispiel wird vorgeschlagen, die Lohn- und Gehaltsabrechnung out zu sourcen (Abb.
13).
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BSC für ein Individuum (Personalleiter)
Setzt man eine Balanced Scorecard als Zielvereinbarungsinstrument ein, kann man erreichen, dass
Mitarbeiter ein besseres Verständnis für ihre Ziele
entwickeln und diese dem Bereich und dem Unternehmen besser zuordnen können.
Wie sieht eine personenbezogene BSC aus?
(Wofür) ist das sinnvoll?
Der Beitrag des einzelnen Mitarbeiters zum Unternehmenserfolg kann damit deutlicher herausgestellt werden.
Zur Entwicklung einer individuellen BSC werden Maßnahmen der zugehörigen Bereichs-BSC genommen und zu Zielsetzungen für den/die einzelneN MitarbeiterIn gemacht. Entsprechend werden hierzu dann Kennzahlen, Zielvorgaben und Maßnahmen formuliert. Damit ist eine Verbindung von Zielen und Aktivitäten der Mitarbeiter
mit den Zielen des Bereichs und des Unternehmens gesichert. Ein Beispiel einer Individual-BSC für den Personalentwicklungsleiter zeigt Abbildung 13.
Finanze n
Ziele (eher operativ)
Kennzahlen
Vorgaben
Maßnahmen
V erbesserung der
K osten-/Nutzen-Relation des Personalb ereichs
Gesamtkosten
des Personalbereichs pro Mitarbeiter
Um 10% senken
§ L eistungspo rtfolio de s Personalb ereichs
von internen Kunden bewerten lassen
§ V erträge mit Zulieferern (freie Tra iner)
ü berprüfen
§ K ostensen kungspote nziale realisieren
Kunden
Mitarbeitermotivation
e rhöhen
Payroll-Ko sten
Um 20% senken
§ O utsourcing des Payroll-Prozesses
Mitarbeiterbefragungswerte
85% In dexwerte
§ Mitspracherechte der Kunden be i der Auswahl der Tätigkeitsfelder
§ Feedbacksysteme überarbeiten
Austritte von Key
Employees
Kleine r als 5%
§ Mitarbeiterb eteiligungsmodelle b is zum
E nde des G eschäftsja hres einfüh ren
§ Mitarbeiterb efragungsmodelle ein führen
Prozes s
Time to h ire
S ynergien nutzen
Personal kosten in 8,5%
% vom Umsatz
§ S ynergieleitfaden era rbeiten
Assessmentwerte 80 Ind expunkte
§ Rekrutierun gsoffensive
Lernen und E ntwicklungskompeInnovation tenz steigern
V erbesserung der
S eminarqua lität
Weniger als 3 Monate
§ Rekrutierun gsmodul S AP/HR installieren
S chnellere r Rekrutieru ngsprozess f. Nach wuchsführungskräfte
§ S ynergiezirkel initiieren
§ P artnerschaft mit Uni Köln
Zufriedenheit der
Teilnehmer und
der Führungskräfte
Um 20% erhöhen
§ Feedback-P rozess fü r Seminarte ilnehmer
u nd Führungskräfte einführung
Payroll = Lohn-/Gehaltsabrechnung
Abb. 13: Praxisbeispiel einer BSC für den Personalentwicklungsleiter, ☛ /L 4/
Durch die Formulierung individueller BSC‘s ist ein hoher Informations- und Kommunikationsgrad bezüglich der Bereichs- und Unternehmensziele gewährleistet. Es wer-
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den einheitliche Zielableitungs- und Zielvereinbarungsprozesse für das ganze Unternehmen geschaffen, was auch zu einer Gleichbehandlung von MitarbeiterInnen unterschiedlicher Unternehmensbereiche führt.
Eine individuelle BSC kann, wenn sie beteiligungsorientiert erarbeitet wird, eine Orientierung für den/die MitarbeiterIn darstellen und eine zusätzliche Motivationswirkung
erzielen. Die Orientierung zielt aber ausschließlich auf den Unternehmenserfolg; ggf.
Leistungsprämien, freizügigere Gleittage etc. müssen ausgehandelt werden, - in der
Regel über den Betriebsrat.
Aufbau, Entwicklung und Pflege einer BSC im
Unternehmen
Eine Balanced Scorecard nützt dem Unternehmen
nur wenig, wenn sie nicht gut umgesetzt werden
kann. Will man eine BSC einführen, muss man sich
über die Zielstellung und den Einsatzzweck klar sein.
Davon ist der zeitliche, materielle und personelle Aufwand abhängig.
Eine BSC, die gleichzeitig die Gestaltungsfunktion von Entwicklung, Umsetzung und
Kontrolle der Unternehmensstrategie übernimmt, verlangt sicherlich eine umfangreichere
Beschäftigung als die Verwendung einer BSC ausschließlich zum Projektcontrolling.
Im folgenden sollen lediglich einige wichtige Anregungen zu Aufbau, Entwicklung und
Pflege einer BSC gegeben werden. Als Voraussetzung wird angenommen, dass die Vision für das Unternehmen bereits formuliert ist.
Wie wird eine BSC eingeführt?
Worauf muss dabei geachtet
werden?
1. Pionierbereich oder Referenzprojekt auswählen
Es macht Sinn, bevor eine unternehmensweit angelegte BSC entwickelt wird, zunächst einen Pionierbereich oder ein intern aufgelegtes Betriebsvorhaben/Projekt
auszuwählen. Wichtig dabei ist, das es sich um ein überschaubares ”Ganzes” handelt mit einem für die Aufgabe verbindlich agierenden Bereichs- oder Projektleiter
und einem Klima der offenen Kommunikation. Gelingt die Einführung in diesem Bereich, hat dies auch treibenden Charakter für die flächendeckende Einführung einer
BSC. Misslingt sie, ist die Idee erst mal „verbrannt“.
2. Top-Management und Bereichsleitung in die Pflicht nehmen
Es muss klar der Wille formuliert werden, eine BSC zu entwickeln, selbst mitzumachen und alle anderen auch dazu aufzufordern. Selbst mitmachen heißt auch, eine
klare Vorstellung von Vision, Mission und grundlegender Unternehmensstrategie zu
haben und diese auch im Unternehmen transparent zu machen.
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3. Betriebsworkshop I durchführen
Im Rahmen eines Betriebsworkshops mit Führungskräften, Controllern sowie Funktionsträgern und ausgewählten Mitarbeitern aus dem Bereich sollen drei bis vier Ziele
und eine Liste möglicher geeigneter Kennzahlen zu den vier Perspektiven erarbeitet
werden.
4. Bildung von Arbeitsgruppen
In Arbeitsgruppen sollen die strategischen Ziele präzisiert und die dafür am besten
geeignete(n) Kennzahl(en) identifiziert werden. Hauptaufgabe der Arbeitsgruppen
ist es, Hypothesen über die Ursache-Wirkungszusammenhänge zwischen den Kennzahlen der vier Perspektiven zu machen (Treiberindikatoren – Ergebnisindikatoren)
und sich geeignete Maßnahmen zu überlegen, die einen Beitrag zur Zielerreichung
liefern.
5. Betriebsworkshop II durchführen
Im 2. Betriebsworkshop sollen die Ergebnisse der Arbeitsgruppen noch einmal diskutiert und zu einer ”ersten” BSC zusammengeführt werden. Diese BSC soll im Bereich jedem/jeder MitarbeiterIn verständlich vorgestellt und diskutiert werden. Bei
Bedarf sind Nachbesserungen möglich.
6. Erarbeitung eines Umsetzungsplans
Mit dem Umsetzungsplan wird ein Aktionsprogramm realisiert (Wer macht was bis
wann?). Ferner muss überlegt werden, welche Zielvorgaben gesetzt werden und wer
in welcher Form und wann den Zielerreichungsfortschritt misst.
7. Betriebsworkshop III durchführen
Abschließend wird über das bisher Erarbeitete insgesamt entschieden, die ersten
Messzeitpunkte festgelegt und ein weiteres Treffen terminiert, um die ersten Erfahrungen mit der BSC zu diskutieren und eventuelle Nachbesserungen vorzunehmen.
Es ist davon auszugehen, dass die Einführung einer Bereichs-BSC, wenn sie als vordringliche Aktion behandelt wird, ungefähr mit 3-4 Monaten einzuplanen ist. Die
anschließende Einführung einer Unternehmens-BSC kann zwischen 6 und 12 Monaten dauern.
Wichtig ist, zunächst „spielerisch“ mit der Suche nach geeigneten Kennzahlen und
Maßnahmen umzugehen. Auch ist nicht der Interpretationsgehalt der einzelnen
Kennzahl oder der einzelnen Maßnahme wichtig, sondern alle vier Felder der Scorecard mit den gemessenen Daten ergeben zusammen erst die Möglichkeit der Interpretation. Dies muss unbedingt verstanden werden. Oft wird im Rahmen der Diskussion der einzelne Wert von Kennzahlen oder Maßnahmen zu gering geschätzt
(z.B. Was bedeutet schon die Zahl von Weiterbildungsstunden pro Mitarbeiter? Das
sagt doch nichts aus!).
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Aus den in „Einsatzbereiche der BSC“ dargestellten Ergebnissen der Umfrage zu BSC
ging hervor, dass nur wenige Unternehmen Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge
zwischen den Kennzahlen der vier Perspektiven erfassen. Es ist anzuraten, darauf
nicht zu verzichten und ansonsten einen erheblichen Nutzen zu verschenken. Zunächst liegt auf der Hand, dass die Diskussion um die Zusammenhänge der Indikatoren erst die Sinnhaftigkeit der BSC allgemein verständlich werden lässt. Auch stellt
sich in den Diskussionen oftmals heraus, dass einzelne Kennzahlen doch nicht so
brauchbar sind und andere wiederum durch die Erarbeitung des Wirkungsgeflechts
neu hinzukommen, an die man vorher nicht gedacht hat. Unternehmen, die diese
Diskussion nicht führen, stellen u.U. erst ein halbes Jahr nach Einführung ihrer BSC
fest, dass entsprechend nachgebessert werden muss.
Anforderungen und Chancen aus Betriebsratssicht
Zunächst ist festzuhalten, dass das Instrument Balanced Scorecard ein sinnvolles ”Werkzeug” zur
Steuerung und zur strategieorientierten Führung
sein kann, wenn Vision und Ziele stimmen. Betriebsräte sollten sich damit beschäftigen und, wenn es
vom Arbeitgeber eingeführt wird, sich an der Entwicklung der BSC beteiligen.
Die größte Chance liegt darin, mitarbeiterorientierte Zielsetzungen und Maßnahmen
in die Unternehmenssteuerung einzubringen. Im Rahmen der BSC-Entwicklung kann
gezeigt werden, dass die Wirkungen dieser mitarbeiterorientierten Maßnahmen bis
hin zu den Geschäftsergebnissen reichen, also einen Beitrag zu den Ergebnissen leisten. So kann der Stellenwert einer Arbeits- und Mitarbeiterorientierung im Unternehmen erhöht werden.
Was kann ich als BR tun
bei der Einführung einer BSC?
Im folgenden soll anhand wesentlicher Schritte der Einführung einer BSC die Beteiligung des Betriebsrates verdeutlicht werden.
•
22
Mitwirkung bei der Formulierung und Vermittlung von Vision, Leitbild im Unternehmen
Viele Arbeitgeber wollen eine BSC einführen, ohne sich genau darüber im klaren zu sein, dass hierzu als Voraussetzung eine klare Formulierung der Unternehmensvision bzw. eines Leitbildes notwendig ist. Dieser Sachverhalt soll auch im
ganzen Unternehmen transparent und jedem/jeder MitarbeiterIn vermittelt werden. Dies sind grundlegende Aktivitäten des Arbeitgebers, die vor Einführung
einer BSC durchgeführt werden müssen. Inhaltlich sollten Punkte wie „attraktive Arbeitsbedingungen“, „gesundheitsförderliche Arbeitsgestaltung“, „Sicherung der Arbeitsplätze“ o. ä. vorkommen. Wo immer möglich sollte der BR sich
und die Belegschaft in die Formulierung mit einbringen.
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•
Mitwirkung und Teilnahme bei der Einrichtung der Projektgruppe zur Einführung
von BSC
Bei einer Unternehmens-BSC ist mit einer Einführungszeit von 3-12 Monaten zu
rechnen. Schlägt man dann noch 1 Jahr d’rauf, in dem die BSC bei regelmäßigen
Messzeitpunkten auf Gültigkeit und Wirksamkeit geprüft und entsprechend nachgebessert wird, so ist insgesamt von einer Einführungslaufzeit von 2 Jahren auszugehen, in der eine hierfür eingerichtete Projektgruppe tätig ist. Der Betriebsrat sollte Mitglied dieser Projektgruppe sein und darauf achten, dass ein Einführungsprozess im Unternehmen durchgeführt wird.
•
Mitwirkung beim Erarbeiten der Scorecards mit Schwerpunkt auf der Potenzialperspektive ( = Mitarbeiter-, Lern- oder Entwicklungsperspektive)
Bei der inhaltlichen Füllung der Scorecards sollte der Betriebsrat die eingebrachten
Zielsetzungen, Kennzahlen und Maßnahmen sorgfältig prüfen und auch selbst
eigene Ziele, Maßnahmen und Kennzahlen einbringen. Dies bietet sich insbesondere bei der Entwicklung der Potenzialperspektive an, weil hier der Schwerpunkt auf mitarbeiterorientierten Zielsetzungen liegt. Orientierungsbeispiele für
den Betriebsrat sind in der Tabelle (Seite 24) aufgezeigt. Dies ist eine Chance, die
unbedingt ergriffen werden sollte. Außerdem ist ja auch z.B. eine“Reduzierung
der Stellenzahl” ein denkbares Ziel der Prozess-Perspektive, welches an dieser
Stelle verhindert oder bekannt gemacht werden kann!
•
Mitwirkung bei der Erfassung und Beurteilung von Ursache-Wirkungsketten zwischen den Kennzahlen der vier Ebenen
Oftmals wird in den Unternehmen, die eine BSC einführen, auf die Erarbeitung
von Ursache-Wirkungsketten verzichtet. Dies ist aber eine der spannendsten Situationen im Unternehmen, da hier von allen beteiligten Akteuren (Führungskräften, Fachkräften, Betriebsräten) unterschiedliche Meinungen aufeinander treffen und gemeinsam eine Einigung über Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge erzielt werden muss. In der Diskussion wird auch allen Beteiligten deutlich, welchen
Beitrag mitarbeiterorientierte Maßnahmen (über Wirkungsketten) zur Prozessbeherrschung, zur Produktqualität, zur Kundenbeziehung etc. haben. Hierbei sollte der Betriebsrat aktiv mitarbeiten.
•
Mitwirkung bei der Wirksamkeitskontrolle nach den festgelegten Messzeitpunkten
Nach einer festgelegten Periodik wird die BSC zur Steuerung herangezogen. Bei
einer Unternehmens-BSC ist dies i.d.R. quartalsweise, dies kann aber auch monatlich oder wöchentlich erfolgen (z.B. bei einer Projekt-BSC). Entscheidend ist,
dass die Offenlegung der ”gemessenen” Daten gewährleistet ist, und dass der
Betriebsrat die Scorecards mit interpretiert. So kann es z.B. sein, dass eine hohe
Zahl von Kundenreklamationen für ein neues Produkt vorliegt (Kundenperspektive), umgekehrt aber auf die geplante Schulung der Mitarbeiter verzichtet wur-
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de (Potenzialperspektive). Dies ist ein Beispiel zur Verdeutlichung der Interpretationsmöglichkeiten, die sich im Zusammenhang aller vier Perspektiven ergeben. Der
Betriebsrat sollte die Interpretation und die daraus abgeleitete Maßnahmeplanung
nicht allein dem Arbeitgeber überlassen, hier: Schulung statt Abstufung!
In dem Zusammenhang sei noch erwähnt, dass man bei der Wirksamkeitskontrolle bzw.
bei der Interpretation der BSC ggf. eingeleitete Maßnahmen verwirft, weil sich keine erwarteten Wirkungen einstellen. Dabei ist es wichtig zu wissen, dass Wirkungen, die sich
aufgrund von Maßnahmen der Potenzialperspektive ergeben, oftmals einen Wirkungshorizont von bis zu 3 Jahren haben. Dies ist die Erfahrung größerer Unternehmen. Erst
dann kann man sehen, ob die Maßnahmen zielführend waren. Der Betriebsrat sollte bei
mitarbeiterorientierten Maßnahmen darauf achten, dass diese nicht gleich wieder eingestellt werden, wenn nicht schnelle Wirkungen auftreten.
Tabelle:
24
Beispiele für Zielsetzungen und Kennzahlen, die aus Sicht des Betriebsrates in die Potenzialperspektive eingebracht werden können.
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Rechtliche Möglichkeiten nach BetrVG
Eine Übersicht über die Rechte nach Betriebsverfassungsgesetz zeigt Abb. 14. Geändert haben sich
seit der Neufassung des Betriebsverfassungsgesetzes 2001 insbesondere folgende Regelungstatbestände im Zusammenhang mit der Beteiligung des
Betriebsrates an der Gestaltung von Organisations- und Personalentwicklung:
•
•
•
•
•
Welche rechtl. Möglichkeiten (BetrVG) ergeben sich für
den BR bei der Einführung
einer BSC?
neu: das Mitbestimmungsrecht zu den Grundsätzen über die Durchführung von
Gruppenarbeit (§ 87, Abs. 1, Ziffer 13)
Nun mehr ist es auch offiziell, dass der BR bestimmte Rechte an Arbeitsgruppen
per Rahmenbetriebsvereinbarung delegieren kann (§ 28a BetrVG).
Die Zuständigkeit des BR für Leiharbeitskräfte ist erweitert worden (☛ /L 1/).
Bislang konnte der Betriebsrat bei Fortbildungsmaßnahmen nur mitbestimmen,
wenn der Arbeitgeber überhaupt Maßnahmen durchführen wollte (§ 98 BetrVG).
Nun hat der BR ein Mitbestimmungsrecht, wenn der Arbeitgeber Umstrukturierungsmaßnahmen durchführt (§ 97 BetrVG).
Noch ein Initiativrecht ist
hinzu gekommen: Der BR
kann nun Vorschläge zur
Personalplanung (§ 92
BetrVG) sowie zur Sicherung und Förderung der
Beschäftigung machen
(§ 92a BetrVG).
Abb. 14: Betriebsratsrechte nach
BetrVG in Umstrukturierungsprojekten
Da mit der Aufstellung der BSC und deren Verfolgung noch keine automatischen
Umsetzungsentscheidungen verbunden sind, ist es auch nicht ganz einfach, mitbestimmungspflichtige Regelungstatbestände geltend zu machen. Dennoch sind einige denkbar:
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25
•
Erfassung von Daten zur Ermittlung der Kennzahlen in der Scorecard: Wenn Daten ermittelt werden, welche Aufschluss über Leistung und Verhalten der ArbeitnehmerInnen erlauben, kann der BR ein Mitbestimmungsrecht nach § 87, Abs.
1, Ziffer 6 BetrVG geltend machen.
•
Sollten MitarbeiterInnen systematisch befragt werden in Form von strukturierten
Interviews, Audits oder Mitarbeiterbefragungen, gilt dies betriebsverfassungsrechtlich als Personalfragebogen, der ebenfalls mitbestimmungspflichtig ist:
§ 94 BetrVG.
•
Sollten Schulungen für die an der Erstellung der BSC beteiligten ArbeitnehmerInnen geplant werden, ist die Durchführung hinsichtlich TeilnehmerInnen-Auswahl, Referenten, Ort und Inhalt mitbestimmungspflichtig: § 98 BetrVG. Einen
Fortbildungsanteil kann man häufig schon bei Arbeitsgruppen unterstellen, insbesondere, wenn sie extern moderiert werden. Wenn keine Fortbildung geplant
wird, kann sie evtl. über § 97 erzwungen werden.
•
Schließlich kann die Steuerung des Unternehmens mit Hilfe dieser grundsätzlich
anderen Methode unter Umständen eine Betriebsänderung darstellen, welche
den Anspruch auf einen Interessenausgleich begründet: § 111 BetrVG, Satz 3; Nr.
5.
•
Dann stehen dem BR auch im Vorgriff Sachverständige zu, ansonsten muss er vorher die Zustimmung des Arbeitgebers einholen oder ersetzen lassen:
§ 80, Abs. 3 BetrVG.
Die eigentlichen Mitbestimmungsrechte greifen erst mit der Entscheidung, bestimmte
Maßnahmen zur Zielerreichung als Projekt durchzuführen, beispielsweise: Zielvereinbarungen, Leistungs-Entgelt, Erfolgsprämien. Insbesondere in diesem Zusammenhang kann der Abschluss einer Betriebsvereinbarung Sinn machen. Regelungsinhalte
werden im folgenden beschrieben.
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Inhalte einer Betriebsvereinbarung Balanced Scorecard:
1.
Welche Regelungsinhalte können Bestandteil einer Betriebsvereinbarung zu BSC sein?
Projekt
Beteiligung des BR und der ArbeitnehmerInnen am Projekt
•
Bei der Formulierung der Vision; breite Beteiligung der Belegschaft
•
Bei der Festlegung der Entscheidungsverfahren und -gremien inkl.
Besetzung - beispielsweise Lenkungsausschuss, Projektgruppe/n
•
An der Beauftragung d. ProjektleiterIn und ggf. einer
Beratungsorganisation
•
An der Festlegung der vier (oder mehr) Perspektiven
•
An der Formulierung von Wirkungsketten
•
Beim Beschluss über Umsetzungsmaßnahmen und -projekte wie
Zielvereinbarungen, Prozessteams, Mitarbeitergespräche
Eigene BR-Aktivitäten
•
Hinzuziehung eines Sachverständigen nach § 80, Abs. 3 und § 40 BetrVG
•
Durchführung eines eigenen BR-Workshops, Schulung der BR-Mitglieder
2.
Inhalte der BSC
•
•
Hohe Bedeutung von Mitarbeiterförderung und -zufriedenheit, attraktiver Arbeitsplätze, vorbildlicher Gesundheitsförderung im Leitbild/Vision
Angemessene Bedeutung der Perspektive 4: Entwicklung (1 von 4)
•
Angemessene Bedeutung von Qualifizierung innerhalb der
Perspektive 4: Entwicklung
•
Mitarbeiterbefragung zu Zufriedenheit, Entwicklungsmöglichkeiten
der ArbeitnehmerInnen, Betriebskultur mit ‚Zensuren‘ als Zielgröße
•
Motivation, Nutzung und Förderung der Arbeitnehmer-Potenziale
und Beteiligung als wichtige Erfolgsfaktoren
•
Zielgrößen wie Aufwand für Qualifizierungs- bzw. Personalentwicklungsmaßnahmen (PE-Maßnahmen) oder sogar ‘vorausschauende Qualifizierungsmaßnahmen’ (% der Arbeitzeit, Tage/AN/Jahr, Euro/Jahr):
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•
•
3.
Datenhaltung
•
•
4.
Arbeitsplatz
Einkommen
Aufgaben, Kompetenz
Einigungsverfahren
•
•
28
vorbereitende Schulungen:
TeilnehmerInnen, Inhalte, ReferentIn, Ort, Zeit (Arbeitszeit),
BR-Teilnahmemöglichkeit; Budget für Fortbildung
Rationalisierungsschutz
•
•
•
6.
Zugang zu den Ist-Daten, ggf. Extraauswertungen für den BR
Keine bzw. geregelte personenbeziehbare Leistungsdaten
BSC-Qualifizierung
•
5.
Information und Beteiligung des BR und der ArbeitnehmerInnen als
durchgängiges Ziel für alle Prozesse in Perspektive 3: Prozesse
•
Prozess ‚Personalentwicklung‘ und ‚Information‘ in Ebene 3 mit
Beteiligung des BR
•
Prozess-, Organisations- und Technikentwicklung und der Beitrag
der MitarbeiterInnen und Gruppen
Angemessene Bedeutung von Qualifikation, Motivation und Beteiligung
in den Wirkungsketten.
paritätische Kommission und / oder Mediationsverfahren,
jedenfalls in der Regel nicht der Lenkungsausschuss;
Einigungsstelle, ggf. Anwendung § 111 BetrVG: Interessenausgleich
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