Skulpturen von Paul Moore: Bis in alle Ewigkeit

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Skulpturen von Paul Moore: Bis in alle Ewigkeit
FREIZEIT & LIFESTYLE
Skulpturen von Paul Moore:
Bis in alle
Ewigkeit...
„An jenem Montag existierte um 12 Uhr die Ortschaft noch gar nicht;
bei Sonnenuntergang lebten hier mehrere Tausend Menschen, waren Straßen
und Grundstücke vermessen und ein Stadtrat gewählt.“
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S
teht man zwischen den einzelnen
Figuren des von Paul Moore geschaffenen „Centennial Land Run
Monument“, bekommt man beinahe
Angst, von Wagen überrollt oder von Pferden zertrampelt zu werden. Nun versteht
man auch das Staunen, mit dem ein Reporter von „Harper’s Weekly“ vom legendären Oklahoma Land Run am 22. April
1889 berichtet hat. Damals hatten sich
rund 50.000 Menschen quasi an einer
Startlinie zu Fuß, auf Pferden und mit
Wagen aufgestellt und waren nach dem
Startschuss in alle Himmelsrichtungen
ausgeströmt um sich in den Weiten des
ehemaligen Indian Territory ein Stück
Land zu sichern und eine neue Existenz
aufzubauen. Auf diese Weise war Oklahoma City, die heutige Hauptstadt des
gleichnamigen US-Bundesstaats, wie
Phoenix aus der Asche, entstanden.
Lebensecht
bis ins kleinste Detail
Der Bildhauer Paul Moore schuf dieses
eindrucksvolle Land Run Monument im
Auftrag von Stadt, Staat und U.S. Regierung. Aufgestellt wurde es mitten im Grünen, am Bricktown Canal nahe Oklahoma
Citys liebevoll restaurierter Altstadt Bricktown. Die Lebendigkeit, der Realismus
und die Detailtreue lassen den Betrachter
durch die Gruppe aus Menschen und Pferden, unterschiedlichen Wagen, einem
Hund, einem Hasen und einer Kanone
hindurchlaufen und staunend und atemlos zurück. Im Laufe der letzten zwölf Jahre hat der Künstler 27 Teile der Komposition fertiggestellt, die insgesamt über 110
Meter Länge, elf Meter Breite und fast fünf
Meter Höhe erreicht. Bei Fertigstellung –
geplant für das Jahr 2015 – soll das Denkmal aus 46 Bronzefiguren in eineinhalbfacher Lebensgröße bestehen und dann die
weltgrößte Bronzeskulptur sein.
1957 in Oklahoma City (OKC) geboren,
ist Paul Moore als Bildhauer und Porträtist
längst berühmt und vielfach ausgezeichnet.
Moore ist Indianer, ein Muskogee vom
Sweet Potato Clan. Auch als „Creek“ bekannt, wurde dieser Stamm wie die anderen vier sogenannten „Zivilisierten Stämme“ – Cherokee, Chickasaw, Choctaw und
Seminoles – in den 1830er-Jahren aus ihrer
Heimat im Südosten der USA ins damalige
Indian Territory zwangsumgesiedelt. Das
war lange vor Moores Karriere als Künstler.
Er lebte zwölf Jahre in Santa Fe/New Mexico und machte sich als Bildhauer einen Namen. Dann kehrte er 1997 in seine alte Heimat Oklahoma zurück und ist hier nun unter anderem „Artist-in-Residence“ mit
Lehrauftrag an der School of Art and Art
History der University of Oklahoma in
Norman, nahe Oklahoma City.
Porträts, Viehtriebe
und Indianer
Über 130 öffentliche und private Aufträge – renommierte, wie für die U.S. Capitol Collection und die National Portrait
Gallery in der Haupstadt Washington D.C.,
für die Hall of the Governors im OKC State Capitol oder für die Kennedy Presidential Library in Boston – haben den Künstler
weltberühmt gemacht. Sogar im deutschen
Giebelstadt gibt es eine Skulptur aus seiner
Werkstatt: das Blackhawk Memorial für die
5th Battalion – 158th Aviation Regiment.
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Bei der Künstlervereinigung Cowboy Artists of America
(CAA) stellen anlässlich von „Cowboy Crossings“ im
National Cowboy & Western Heritage Museum in OKC
nicht nur Paul Moore aus, sondern auch Kollegen wie
Tim Cox („A lot like Heaven“)
Foto: National Cowboy &
Western Heritage Museum
Zu den bedeutendsten und – nach dem
Land Run Monument – größten Werken,
teils freiplastisch, teils im Relief, zählt „On the
Chisholm Trail“ von 1998 vor dem Chisholm
Trail Heritage Center in Duncan/Oklahoma.
Über zehn Meter lang, erinnert das eindrucksvolle Bronzekunstwerk aus lebensgroßen Longhorn-Rindern, Pferden und
Cowboys an die Jahre der legendären Viehtriebe von Texas Richtung Norden. Gerade
der Chisholm Trail, mit dem sich das Museum befasst, spielte dabei eine wichtige Rolle:
Dieser Pfad querte Ende 19. Jahrhundert den
späteren Bundesstaat Oklahoma.
Eigentlich waren es jedoch die Porträts, die Moore weit über seine Heimat
hinaus bekannt machten, z.B. 1995 das
Bronzeporträt von Chuck Jones, dem
Schöpfer von Bugs Bunny u.a. Cartoon-
Frederic Remington zählt zu den großen frühen WesternArt-Vertretern und ist mehrfach im National Cowboy &
Western Heritage Museum zu sehen. Diese Skulptur mit
dem Titel „Coming Through the Rye“ steht vor dem Museum. Foto: M. Brinke
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Figuren. Dieses wurde von der National
Portrait Gallery in Washington, DC, angekauft. Gleichzeitig schuf Moore Porträts von Persönlichkeiten unterschiedlichster Genres überall in den USA, z.B.
Winston Churchill, John F. Kennedy, dem
Politiker Carl Albert oder Senator Henry
Bellmon. In Bricktown, vor dem Baseballstadion, steht noch eine andere von Moores Skulpturen: das überlebensgroße Porträt des Baseballstar Johnny Bench.
Dass Moore selbst indianische Wurzeln hat, zeigt sich an den indianischen
Themen, die er wählt. Bronzestatuen und
-statuetten wie „The Buffalo Jump“, „At
The Pow Wow“ – ein Indianer mit Sonnenbrille und Pappbecher in der Hand –
oder „The Stickball Game“ erfreuen sich
nicht nur in Museen, sondern auch in Galerien großer Beliebtheit.
Kunsthandwerk in unterschiedlichsten Materialien, aus Leder, Ton oder Edelmetallen.
Die Künstler der CAA stellen seit 1966
jedes Jahr öffentlich aus – mit dem Ziel,
die Kultur und den Alltag des Westens am
Leben zu erhalten. Ihr gehören neben
Moore einige weitere bekannte „CowboyKünstler“ an, z.B. Tim Cox, Dave Powell,
Bill Owen oder John Coleman. In der
TCAA haben sich hingegen traditionell
(Kunst)Handwerker wie Sattler oder Silberschmiede zusammengeschlossen. Diese „Cowboy Craftsmen“ zeigen während
der Ausstellung jeweils um die 50 Beispiele besonders kunstvoll gefertigter Exemplare von Sätteln, Gürteln, Sporen, Zaumzeug und ähnlichen Gebrauchsobjekten.
Cowboy Artists in OKC
Wer Oklahoma besucht, sollte – nicht
nur wegen der Kunstwerke Moores und
anderer Western Artists – das National
Cowboy & Western Heritage Museum
nicht versäumen. Dieses 1965 gegrundete
Museum am nördlichen Stadtrand von
Oklahoma City beschäftigt sich nicht nur
exklusiv mit Western Art. In mehreren verschiedenen Abteilungen lassen sich nicht
nur Werke von Russell, Remington und
Bierstadt sowie moderne Western Art bewundern (Art of the American West Gallery), sondern geht es z.B. in der Western
Performers Gallery um große Westernfilme
und John Wayne, die „American Rodeo
Gallery“ gibt Einblick in Rodeos und Ran-
Als Mitglied der Künstlervereinigung
Cowboy Artists of America (CAA) stellt
Paul Moore regelmäßig im Oktober im National Cowboy & Western Heritage Museum in OKC während der großen WesternArt-Show „Cowboy Crossings“ im Umkreis
von Kollegen aus. Da gleichzeitig die Mitglieder der Traditional Cowboy Arts Association (TCAA) hier ihre Werke der Öffentlichkeit präsentieren, ist diese Show einzigartig. Cowboy Crossings bietet die wohl beste Zusammenstellung hochklassiger
Western Art und zwar nicht nur von Gemälden und Skulpturen, sondern auch von
National Cowboy &
Western Heritage Mus
ches und die „American Cowboy Gallery“
zeigt anschaulich das Leben von Cowboys
und Cowgirls. Das Museum of the Frontier
West zeigt jene Menschen, die im 19. Jh. den
amerikanischen Westen besiedelten: Trapper, Militärs, Jäger und Indianer. Die „Native American Gallery“ ist ein Highlight des
Museums und stellt grandiose indianischen
Artifakte aus, von Kleidung über Kopfschmuck bis hin zu Leder- und Textilartikeln. Es gibt außerdem eine Firearms Gallery, die in Originalgröße nachgebaute
Westernstadt „Prosperity Junction“ und ein
hochinteressantes Research Center.
Das Museum wird gemeinsam von den
17 Staaten westlich des Mississippi (ohne
Alaska und Hawaii) betrieben, sein Wahrzeichen sind die im Foyer aufgestellten
Skulpturen „End of the Trail“ und „John
Wayne“. „End of the Trail“ stellt einen in
sich zusammengesunkenen Indianer auf
einem Pferd dar. Die Skulptur war 1915
während der Panama-Pacific International Exposition erstmals ausgestellt. Sie
stammt von James Earle Fraser (1876–
1953), einem der bedeutendsten Bildhauer der USA des fruhen 20. Jahrhunderts.
Wegen damaliger Metallknappheit war
das lebensgroße Gipsmodell nie in Bronze gegossen worden, dafur erwarb es 1968
das Museum und ließ es restaurieren und
in seinen Räumen aufstellen. Ebenfalls
von Fraser stammt ein Gipsabguss von
Abraham Lincoln, ebenfalls im Museumsfoyer – die Vorlage für das berühmte Monument in Washington, D.C.
Text: Dr. Margit Brinke - Dr. Peter Kränzle