Brief unserer ehemaligen Kirchenvorsteherin Denise Kothe

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Brief unserer ehemaligen Kirchenvorsteherin Denise Kothe
Brief unserer ehemaligen Kirchenvorsteherin
Denise Kothe-Haack aus Texas.
Nord Texas ist nicht El Paso
Das stimmt definitiv. Aus meinen Erfahrungen der
letzten 6 Monate hier in Wichita Falls kann ich dem
nur zustimmen. Das liegt an vielen Dingen. Aber
liebe Gemeindemitglieder und Bekannte, lest selbst
und habt hoffentlich jede Menge Spass und Freude
dabei. Meine Eindruecke fasste ich nun zusammen
und moechte diese euch/ihnen allen mitteilen.
Schliesslich, wie ich allerdings erst in der
Abschiedsphase bemerkte, kannte man mich bzw.
uns Familie Haack ein wenig mehr und sicherlich
fragte sich der eine oder andere bereits, was denn
die 4 Karlshulder dort in den USA so machen. Hier
nun folgen einige Antworten…
Gern denke ich an meine Verabschiedung von
der evangelischen Kirchengemeinde Karlshuld
Anfang Juli 2011 zurueck. Das war schon ein toller
Moment, viele Menschen verabschiedeten sich im
Anschluss noch persoenlich von mir/uns. Das ging
unter die Haut, denn ich bemerkte erst zu diesem
Zeitpunkt, eine Spur in Karlshuld gezogen zu haben.
Die Spur namens Denise Kothe-Haack mit den
beiden blonden Jungs Emil und Paul sowie dem
hochgewachsenen schlanken Ehemann Stephan als
Anhang. Das erfuellt mich mit Stolz. Damals, 2005,
war fuer uns hier in Karlshuld alles fremd- Sprache,
Umgebung sowie Wohn-und Arbeitssituation. Aber
wir gaben Vollgas. Etwas anderes blieb uns auch gar
nicht uebrig. Schliesslich wusste man ja nie, wann
die naechste Versetzung erfolgen wird. Mit den
Jahren bissen wir uns fest. Kontakte entstanden
und blieben.
Eine fuer unsere Verhaeltnisse
beachtliche Leistung innerhalb von nur 6 ½ Jahren.
Allerdings war uns bekannt, dass irgendwann ein
Abschied folgen wuerde. Am Sonntag, den 10.Juli
2011, gingen wir. Im Gepaeck befanden sich eine
Menge Abschiedsgeschenke und Erinnerungen an
die aktive und lebendige Zeit in Karlshuld. Es
flossen Traenen.
Nach einer extrem langen Flugzeit kamen wir bei
42 Grad C in Dallas, Tx an. Unser grosser Junge Paul
wollte zu diesem Zeitpunkt nur noch schlafen.
Hingegen hatte der kleine Emil nur Durst. Unserer
Katze Paula ging es zu diesem Zeitpunkt ueberhaupt
nicht gut. Sie war zwar in ihrer alten Heimat
angekommen, hatte aber ganz andere Sorgen. Sie
wollte nach fuer sie wahrscheinlich gefuehlten 100
Jahren endlich aus diesem Kaefig raus. Das arme
Tier flog die gesamte Zeit mit uns und hatte eine
leicht verfearbte Nase.
Ich denke sie war
dehydriert. Also duerfte sie mal kurz im Mietwagen
umherstromern und etwas saufen. Vor uns lag
noch eine 2 stuendige Autofahrt nach Wichita Falls.
Es war schon spaet am Abend. Gegen 22:00 Uhr
fuhren wir los. In der Dunkelheit verblasste alles
und man fuehlte sich fast wie bei einer ganz
normalen Nachtfahrt auf deutschen Strassen. Najaes ging auf Mitternacht zu. Nach wenigen Minuten
verfolgte uns ein Auto. Ein echt freundlicher Polizist
fragte nach den Papieren und bemerkte, dass mein
Mann zu schnell unterwegs gewesen war. Er hatte
wohl Mitleid und es gab nur eine Verwahrnung.
Glueck gehabt.
In den folgenden Tagen ging es um administrative
Dinge. Von vielem hatten wir bis dato nicht
gehoert. Das machte
die Sache teils richtig
spannend. Die Hitze hielt noch ganze 3 Monate an.
Erst
Ende
Oktober
blieben
die
Tageshoechsttemperaturen unter 30 Grad C. Das
hoert sich aus heutiger Sicht, Ende Januar, 2012, gar
nicht so schlimm an. Denn seit ungefaehr Ende
November 2011 muessen wir unerwarteterweise
auch hin und wieder Tagestemperaturen um die 5
Grad C aushalten. Es kann morgens mal 18 Grad C
haben und zum Nachmittag desselben Tages auf 3
Grad C abkuehlen. Ab Anfang November war das
Poolwetter definitiv vorbei und seither geht es mit
den Temperaturen staendig auf und ab. Das Wetter
aendert sich hier binnen weniger Stunden. Das
kannten wir nicht von El Paso in Westtexas.
Morgens 3 Grad C, nachmittag 26 Grad C- im
Januar. Irgendwie komisch und ungesund. Die erste
Schnupfen-und Hustenphase erwischte uns im
Dezember.
Ende Juli, nach wiederum 2 Wochen im neuen
leeren Miethaus, brachten uns die Moebelpacker
aus EL Paso unsere Sachen. Auch die 2 Autos, das
Motorrad und der Anhaenger ueberstanden die 6
woechige Ueberfahrt gut. Dann versuchten wir uns
einzurichten. Leider versuchten wir parallel dem
Vermieter, auf Hawaii lebend, mitzuteilen, dass in
seinem Haus einige wichtige Reparaturen
notwendig waeren. Einige Geraete funktionierten
auch nicht. Das brachte alles keinen Erfolg. Ich
persoenlich verbrachte etliche Stunden mit Wartenauf Dan- the Handyman. Er rief fast nie an, kam nur
selten zu den vereinbarten Zeiten. Das erinnerte
mich stark an unsere Zeit in El Paso. Nur da war es
ein Mexikaner, welcher bereits seit den fruehen
Morgenstunden an der Grenze bei Ciudad Juarez
auf seine Erlaubnis zur Grenzueberschreitung
gewartet hatte und etwas muede und geschafft
war. Dan war ein weisser junger US Amerikaner, der
einfach nicht das Arbeiten erfunden hatte und sich
einen Vergleich mit einem Mexikaner verboten
haette.
Unsere vielen Emails mochte der Vermieter
irgendwann wohl nicht mehr lesen und so erhielten
wir Ende August die Erlaubnis, das Haus
aufzugeben und erneut umzuziehen. Ganz allein
meisterten wir mit unserem deutschen Anhaenger
den Umzug. Das Teil hatte sich schon vorher bezahlt
gemacht, aber das nun toppte alles.
Zu diesem Zeitpunkt besuchte Paul schon einige
Tage die Deutsche Grundschule vor Ort.
Emil
wurde gerade nach langem Hin und Her im
Kindergarten Stepping Stones aufgenommen. Diese
Einrichtung akzeptierte ein bestimmtes durch mich
zuvor beim Gesundheitsamt beantragtes Papier,
dass Emil trotz -nach Texas Standard- fehlender
Impfungen den Besuch der Einrichtung ohne
Einschraenkungen gestattet. Das war mein
Siegeszug. Mein Kind sollte nicht todgeimpft
werden. Ich lehne nicht alles kategorisch ab, aber
bestimmte Impfungen muessen nicht sein.
Paul durchlebte harte 3
Monate, bis es in der
Schule wieder recht normal ablief.
Er wird
zusammen mit drei weiteren 3 Klaesslern und zwei
4 Klaesslern unterrichtet. Das ist ja gar nichts fuer
unseren Paul. Er steht permanent unter
Beobachtung. Leistungsueberpruefungen erfolgen
staendig. Eine Mutter meinte erst kuerzlich, dass
man diese kleine Schule hier mit einer Privatschule
vergleichen koennte. Da hat sie vielleicht sogar
Recht. Auf jeden Fall strengt Schule an und die
Kinder geniessen es im Sommer sehr, in den Pool
huepfen zu koennen. Ja- unser angemietetes Haus
beeinhaltet auch einen grossen Salzwasserpool im
Garten. Das darf man zu Recht Luxus nennen.
Leider verliert dieser Pool von Zeit zu Zeit Wasser.
Also nicht so toll.
Emil feierte gerade seinen 4. Geburtstag und ist hier
angekommen. Er versteht die Kinder und Erzieher
im Kindergarten und ist nun nicht mehr auf Ms.
Tina fixiert. Sie half ihm in der Eingewoehungsphase
ein wenig mit ihren Deutschkenntnissen.
Zunmindest verstand sie Emil, antwortete aber
immer auf Englisch. Ihr Vater war bei der US Air
Force und sie lebte als Kind 2 Jahre in Deutschland.
Sie unterrichtet immer donnerstags Spanisch. Auch
das bemerken wir bei Emil. Allerdings spricht er
recht wahllos drauf los. Mit der englischen Sprache
laeuft das schon geordneter ab. Emil bildet nun
schon selbstaendig Saetze und wiederholt oft so
lange, bis er meint es richtig und fehlerfrei
ausgesprochen zu haben. Spielt er allein und fuehlt
sich unbeobachtet, spricht er oft Englisch. Dabei
werden durch ihn wohl Szenen aus dem
Kindergartenalltag
nachempfunden,
Kommunikation und Interaktion mit den anderen
12 Kindern in seiner Gruppe. Tezia und Alexa sind
seine Freundinnen. Tezia wiederholt gern Emils
deutsche Saetze. Die Kinder lernen also prima
voneinander.
Paul spielt seit Mitte September 2011 auch hier
Fussball. Und viele staunen ueber sein Koennen.
Nach fast 4 Jahren Trainingserfahrung beim SV
Karlshuld wurde er nicht nur ein sehr guter rechter
Verteidiger,
nein auch als Stuermer und
Mittelfeldspieler macht er eine gute Figur. Denn es
gibt hier in seiner Altersklasse noch keine feste
Einteilung wo wer spielen darf und soll. Es wird hier
noch experimentiert. Fuer Paul war das zunaechst
sehr ungewohnt, aber so konnte er sein volles
Talent zeigen und viele Positionen ausprobieren.
Und natuerlich fuehrt jene Nicht-Einteilung auch
dazu, dass unser Paul seither in fast jedem Spiel 1- 3
Tore schiesst. Darauf ist in diesem Alter jedes Kind
stolz. Bemerkt wurde von Anfang an, dass Paul
keine Angst vor dem Ball haette und sehr
selbstbewusst an andere Spieler herantritt. Kurz- er
laesst sich den Ball nicht wegnehmen und kaempft
bis zum Abpfiff. Egal wie gross oder schwer der
Gegenspieler
auch
ist,
unser
schmaler
hochgewachsener Paul erspielt sich den Ball und
bewegt sich immer an der Grenze des fairen Spiels.
Das gehoert dazu und unterscheidet ihn noch
immer von anderen Jungen seiner Mannschaft.
Spielen sie draussen sind es die Rowdies, drinnen in
der Halle die Steamers.
Mein Mann meistert jeden Tag tapfer die Strecke
nach Lawton, Oklahoma und zurueck. Es sind
insgesamt 230 Km. Taeglich gehen dadurch 2
Stunden Familienleben verloren. Das gleichen wir
mit ruhigen Wochenenden aus. Nur das
Ausschlafen, was natuerlich dazugehoert, gelingt
nicht immer. Unser Emil ist leider ein
Fruehaufsteher. Es wird hoffentlich bald besser. Ist
das Wetter angenehm, lieben wir Ausfluege in die
Umgebung. Das kann dann aber auch schon mal
eine lange Fahrt von 4 Stunden ausmachen, bevor
man am Ziel ankommt. Aber so bereist man
Amerika
und
erlebt
atemberaubende
Naturschauspiele wie im Yellowstone, sieht weites
totes Land im Death Valley, rutscht in den
Gipsduenen von White Sands. Im August fuhren wir
in die Wichita Mountains, noerdlich von Lawton.
Leider war es damals sehr heiss und viele
Wanderwege
waren
wegen
hoher
Buschfeuergefahr gesperrt. Im Oktober verbrachten
wir einen Grossteil der Herbstferien am Golf von
Mexiko. South Padre Island suedlich von Corpus
Christi kannten wir noch aus unserer Zeit als
kinderloses Paar. Nach 10 Jahren hatten sich doch
einige Dinge veraendert. Das schoenste Erlebnis
war wohl fuer alle die Sichtung einer seltenen
Wasserschildkroete im Sand. Leider war Paul zu laut
und sie verschwand sehr schnell im Wasser. Im
November fuehrte uns ein Kurztrip Richting
Amarillo in den Caprock Canyon. Leider war es da
schon recht frisch und diese interessante
Landschaft liegt sehr abseits. Wir waren auf dem
Rueckweg sehr hungrig und fanden kaum
Restaurants. Da war die naechste Reise schon
angenehmer. Eine 8 stuendige Fahrt brachte uns
nach San Antonio. Bei 23 Grad C besuchten wir mit
tausenden anderen Touristen Alamo, den Riverwalk
und SeaWorld. Ein atemberaubendes Feuerwerk
auf einer VIP Wiese im Erlebnispark SeaWorld
rundete den Silvesterabend ab.
Nun ist schon wieder der Januar 2012 vorbei und
ich plane nun den Einstieg in meine
Spanischausbildung. Nur die Universitaet bietet
hier vor Ort Kurse an. Am College verwies man mich
lediglich auf die Moeglichkeit, online Spanisch –
Kurse absolvieren zu koennen. Das ist doch recht
enttaeuschend. Anders als in El Paso sieht man hier
wohl nicht die Chancen und Moeglichkeiten, die
mit dieser Sprache verbunden sind. Man ist hier
weit weg von den problematischen Grenzregionen
des
Bundesstaates
Texas.
Die
mexikanische/suedamerikanische
Bevoelkerung
lebt hier in der Minderheit. Man muss sich, anders
als in El Paso, in Wichita Falls nicht dem
spanischsprechenden Umfeld anpassen. Darueber
sind, so mein Eindruck, viele recht gluecklich.
Leider bleiben mir am Morgen nur ca.3 ½ Stunden
fuer derartige Projekte und Vorhaben. Das ist nicht
viel Zeit, aber ich moechte es wenigstens
versuchen. Die Kurse sind nicht teuer und dauern
meist nur ca. 2 Monate. Also keine lange Bindung.
Es aergert mich schon manchmal, dass die Deutsche
Schule keine Mittags-bzw. Nachmittagsbetreuung
anbietet. Dies wuerde auch meinen Alltag
erleichtern und Emil wuerde dann auch laenger im
Kindergarten bleiben. Aber die Betreuung von nur
wenigen Kindern wuerde sich nicht lohnen. Eine
Kooperation mit einer amerikanischen Grundschule
ist nicht gegeben, da sich die Deutsche Schule nur
in einem Gebaeudekomplex einer High School
eingemietet hat. Die Altersdifferenz ist zu gross um
hier sinnvoll zusammenzuarbeiten.
Wir freuen uns alle auf unseren Besuch aus
Deutschland in weniger als 4 Wochen. Meine Eltern
moechten 14 Tage bleiben. Nach dann 9 Monaten
wird es bestimmt ein herzliches Wiedersehen. Die
Jungs vermissen ihre Grosseltern, auch wenn wir
uns in Deutschland auch nur 3-4 x pro Jahr sahen.
Mit besten Gruessen
Denise Kothe-Haack