Rede der Niedersächsischen Kultusministerin Frauke Heiligenstadt
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Rede der Niedersächsischen Kultusministerin Frauke Heiligenstadt
Rede der Niedersächsischen Kultusministerin Frauke Heiligenstadt anlässlich des 25. EDR-Studientags für LehrerInnen „Umgang mit Vielfalt – eine Herausforderung für Europa“ IGS Waldschule Egels, Aurich: 19.11.2015 Es gilt das gesprochene Wort Anrede, sehr gerne bin ich der Einladung gefolgt, Sie hier anlässlich des EDRStudientages zu begrüßen. Dass er sich zum 25zigsten Mal wiederholt und hier in der IGS Waldschule Egels stattfindet, deutet darauf hin, dass am heutigen Tage zusammentrifft, was sich bereits langjährig bewährt hat: - der Zweckverband Ems-Dollart-Region (EDR) - der EDR-Studientag für Lehrkräfte - die IGS Walschule Egels Hier, im Grenzraum Niedersachsens zu den Niederlanden, der einzigen Grenze Niedersachsens zu einem europäischen Nachbarland, konnte sich eine vielfältige grenzübergreifende Zusammenarbeit entwickeln, die in anderen Regionen nur schwer vorstellbar und realisierbar ist. Wir erleben hier in der Ems-Dollart-Region hautnah das Zusammenwachsen Europas, gefördert durch die Freizügigkeit, die diese Gemeinschaft bietet. Grenze ist dabei nichts Trennendes sondern verbindet Menschen und Regionen beider Seiten. Nicht Zwang sondern wechselseitige Interessen haben dazu geführt, dass es schon fast selbstverständlich ist, dass niederländische Familien in Niedersachsen wohnen und Niedersachsen auf niederländischer Seite arbeiten. Auch Wirtschaft und Handel profitieren von dieser Situation, die es erlaubt, die jeweils günstigsten Standortbedingungen und Warenangebote zu nutzen. Der wohlbekannte kleine Grenzverkehr macht das sehr deutlich. Mit der Gründung des Zweckverbandes Ems-Dollart-Region wurde bereits 1977 sehr früh auf diese Situation reagiert. Ziel war und ist, die regionale grenzüberschreitende Zusammenarbeit ihrer inzwischen 100 Mitglieder zu fördern, zu unterstützen und zu koordinieren. Dies geschieht inzwischen in allen maßgeblichen Bereichen: neben beispielsweise wirtschaftlicher Entwicklung, Verkehr, Tourismus Naturschutz, Gesundheit und Soziales auch, und dies sehr intensiv, im Bereich Ausbildung und Unterricht. Zu dem gut sichtbaren Erfolg spreche ich allen beteiligten Akteuren meine große Anerkennung aus. Die Ziele der EDR entsprechen in nahezu allen Aspekten den Zielen, die die niedersächsische Landesregierung mit der Einrichtung von 1 Bildungsregionen verfolgt. Wie in den Bildungsregionen kommt dem Bereich der allgemein bildenden und berufsbildenden Schulen eine zentrale Bedeutung zu. Zur Unterstützung schulischer Projekte zählt auch der EDR-Studientag, der in jährlichem Wechsel an einer niederländischen oder deutschen Schule durchgeführt wird. Er richtet sich an Lehrkräfte beider Staaten und behandelt aktuelle pädagogische Fragen. Zusätzlich dient er der Pflege und Vertiefung schulischer Kontakte zwischen den Niederlanden und Niedersachsen. Wie intensiv diese sind, zeigt die Vielzahl der Kooperationen von Kindergärten bis zu Gymnasien. Auch berufsbildende Schulen haben bemerkenswerte Aktivitäten vorzuweisen: zu nennen sind hier die gegenseitige Organisation von Betriebspraktika aber auch die Entwicklung einer grenzübergreifenden Berufs-ausbildung in einzelnen Berufsfeldern; zum Beispiel die BBS Leer im Bereich Einzelhandel. Meine Damen und Herren, die Ziele und deren Umsetzungen durch die EDR im Bildungsbereich sind meines Erachtens beispielhaft. Einerseits ist Bildung ein gutes Mittel, um strukturschwache Gebiete zu fördern, indem interkulturelle, fremdsprachliche sowie berufliche Kompetenzen den spezifischen regionalen Bedürfnissen angepasst werden können. Sie ist auch sehr gut geeignet, europäische Werte auszubilden. All das steht in vollem Einklang mit der „Gemeinsamen Erklärung zur Zusammenarbeit“, die im Jahre 2000 zwischen dem Niedersächsischen Kultusministerium und dem Niederländischen Ministerium für Bildung, Kultur und Wissenschaft für den Bereich der allgemeinen und beruflichen Bildung abgeschlossen wurde. Die besten Ideen und Projekte lassen sich allerdings immer nur dann realisieren, wenn auch Finanzierungsmöglichkeiten vorhanden sind. Das europäische Programm zur Förderung von Regionen „INTERREG“ ist hier eine Quelle. Die „Gemeinsame Erklärung“ ermöglicht darüber hinaus einzelne Projekte bzw. Maßnahmen im Bildungsbereich aus niedersächsischen Landesmitteln und Mitteln der Niederländischen Taalunie zu unterstützen. Dies trifft beispielsweise zu auf den EDRStudientag aber auch auf Maßnahmen zur Fortbildung von Lehrkräften in der jeweiligen Nachbarsprache sowie auf die Kommunikationsplattform Niederländisch zu, die auf dem Niedersächsischen Bildungsserver eingerichtet wurde. Meine Damen und Herren, wir alle wissen, dass die besten Absichten kaum umgesetzt werden können, wenn uns die Sprache fehlt. Seit Jahren ist die Popularität des Unterrichtsfaches Niederländisch auf deutscher Seite sehr groß. Allein im Schuljahr 2015/16 wird Niederländisch an ca. 100 Schulen unterrichtet, davon gehören 58 Schulen zum Gebiet der Ems-DollartRegion. Bedingt durch den Zuzug niederländischer Familien in das deutsche Grenzgebiet besteht Bedarf, niederländischen Schülerinnen und Schülern Niederländisch als muttersprachlichen Unterricht 2 anzubieten. Dies findet inzwischen an neun Grundschulen mit Unterstützung der „Vereinigung Nederlandse Taal en Cultur“ statt. Ein solches Unterrichtsangebot ist nur möglich, wenn Lehrkräfte entsprechend aus- und fortgebildet werden. Um dem Bedarf gerecht zu werden, wurden an den Studienseminaren in Nordhorn, Leer, Meppen und Oldenburg bisher 44 Lehrkräfte mit dem Fach Niederländisch ausgebildet. Diese Ausbildung beinhaltet auch Hospitationsaufenthalte an niederländischen Schulen. Auch das Landesinstitut für Schulische Qualitätsentwicklung (NLQ) hat bisher in drei Maßnahmen Lehrkräfte für das Fach Niederländisch weitergebildet. An diesen jeweils drei- bis vierjährigen Maßnahmen haben bisher 88 Lehrkräfte teilgenommen. Darüber hinaus finden, mit Unterstützung durch die niederländische Taalunie, pro Jahr drei bis sechs Fortbildungskurse für Niederländisch Lehrkräfte statt, organisiert durch das Kompetenzzentrum für Lehrerfortbildung in Lingen sowie das Regionale Pädagogische Zentrum der ostfriesischen Landschaft in Aurich. Sie sehen, hier geschieht eine ganze Menge zur Förderung der niedersächsisch – niederländischen Nachbarschaft. Die Förderung der Nachbarsprache ist immer die Grundlage für eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit. Mit dem Angebot, Niederländisch als 2. Fremdsprache ab Klasse 6 zu wählen, geht die IGS Waldschule Egels, deren Gäste wir heute sein dürfen, einen vorbildlichen Weg. Die Schulpartnerschaft mit Appingedam sowie die Schüleraustausche und Projekte wie „Aurich und Appingedam - neu gesehen“ unterstützen das Fremdsprachenlernen, steigern die interkulturelle Kompetenz aller Beteiligten und tragen entscheidend zur Entwicklung eines europäischen Bewusstseins bei. Das Thema des diesjährigen EDR-Studientages „Umgang mit Vielfalt…“ ist in der Tat nicht nur eine Herausforderung für Niedersachsen sondern für Europa. Sprachliche Vielfalt im Zusammenhang mit dem Erlernen der Nachbarsprache ist ein Aspekt; ein weiterer besteht sehr aktuell darin, all denjenigen Jugendlichen mit Flüchtlingshintergrund die Sprache des aufnehmenden Landes so zu vermitteln, dass Barrieren, die eine Integration erschweren, abgebaut werden. Hier gilt es, durch geeignete Maßnahmen ein Potential zu nutzen, das nach dem Durchlaufen allgemein bildender und berufsbildender Ausbildungsgänge einen Beitrag zur Reduzierung des Arbeitskräfte- bzw. Fachkräftemangels leisten kann. 3 Das Niedersächsische Kultusministerium unterstützt dieses Ziel durch die Einrichtung von Sprachförderklassen sowie das SPRINT-Projekt speziell für den Bereich der berufsbildenden Schulen. Auch in diesem Fall kann ein grenzübergreifender Erfahrungsaustausch sicherlich hilfreich sein und neue Möglichkeiten eröffnen. Vielfalt bedeutet aber auch, Konzepte im Umgang mit Kindern bzw. Jugendlichen mit besonderem Förderbedarf bereitzustellen. Hier ist das weite Feld der Inklusion angesprochen. Die IGS Waldschule Egels kann dabei durchaus als Vorreiter auf diesem Gebiet angesehen werden. Bereits seit Gründung der Schule im Jahr 1995 wurden mit der Einrichtung von sogenannten Integrationsklassen Ideen entwickelt und Maßnahmen eingeführt, die erst später auch dem Thema Inklusion zugeordnet werden konnten. Seit 2013 wurde die inklusive Beschulung aufsteigend ab Jahrgang 5 eingeführt. Kinder mit Förderbedarf werden aufgenommen, wenn deren Eltern dies wünschen. Zurzeit sind dies 74 Schülerinnen und Schüler. Ich möchte an dieser Stelle der EDR mein Kompliment zur Auswahl des diesjährigen Tagungsortes aussprechen. Die IGS Egels kann das Motto der Tagung in hervorragender Weise mit Inhalten bereichern. Erlauben Sie mir anzumerken, dass der Begriff Inklusion auf europäischer Ebene noch viel weiter definiert ist und zum Beispiel auch Migrationshintergrund als besonderen Förderbedarf mit einbezieht. Mit dem Programm „Inklusion durch Enkulturation“ abgekürzt „IDE“ ermöglicht das Niedersächsische Kultusministerium unterschiedlichsten Trägern die Durchführung von Projekten, die über den direkten schulischen Bereich hinausgehen. Die Förderung erfolgt aus Mitteln des Europäischen Strukturfonds „EFS“. Meine Damen und Herren, Europa ist ein Bündnis von Staaten. Am Beispiel der aktuellen Flüchtlingsproblematik erleben wir, wie viele unterschiedliche und teilweise kontroverse Lösungsansätze es gibt. Die Ems-Dollart-Region ist Beispiel für ein Europa der Regionen, in den Menschen diesseits und jenseits von Grenzen gemeinsame Lösungen finden, die sich an ihren Wünschen, Bedürfnissen und Möglichkeiten orientieren. Hier ist Europa bereits zusammengewachsen und die Menschen sind in gleichem Maße Bürger ihres Staates und Bürger Europas. Nutzen Sie bitte weiterhin die Chance, grenzübergreifend vielfältige innovative Ideen zu entwickeln und umzusetzen. Ich diesem Sinne wünsche ich dem 25. EDR-Studientag ein gutes Gelingen. 4