Tortuga-Handbuch [D]
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Tortuga-Handbuch [D]
TORTUGATORTUGA-HANDBUCH Wie aus Ideen Drehbücher werden können STEVEN ULRICH Fassung 2.4 www.zp-filme.de/tortuga Inhalt 0. Achtung, Spoiler-Alarm! .................................................................................................................. 1 1. Prolog - „Nicht jeder Film ein Gladiator.“........................................................................................ 2 2. Bevor man schreibt…....................................................................................................................... 3 2.1. Schreiben mit Celtx....................................................................................................................... 3 2.1.1. Szene einrichten: Überschriften ............................................................................................ 3 2.1.2. Szene einrichten: Szenenbeschreibung ................................................................................. 3 2.1.3. Szene einrichten: Figuren sprechen lassen ........................................................................... 4 2.1.4. Navigation im Skript .............................................................................................................. 4 2.1.5. Das Deckblatt......................................................................................................................... 4 2.1.6. pdf-Export .............................................................................................................................. 4 2.2. Das Herz eines Autors................................................................................................................... 5 2.3. Das Herz des Films ........................................................................................................................ 6 2.4. Ein paar dramaturgische Begriffe ................................................................................................. 6 2.4.1. Der Protagonist...................................................................................................................... 6 2.4.2. Der Antagonist ....................................................................................................................... 6 2.4.3. Ziel einer Figur ....................................................................................................................... 7 2.4.4. Plot Point ............................................................................................................................... 7 2.4.5. Erzählzeit und erzählte Zeit ................................................................................................... 7 2.5. Das Säen-Ernte-Prinzip ................................................................................................................. 8 2.6. Adjektive sind was für Anfänger................................................................................................... 9 2.7. Alles ist motiviert........................................................................................................................ 11 2.8. Alles braucht seine Zeit. ............................................................................................................. 11 3. Die richtigen Charaktere.................................................................................................................... 12 3.1. „Erschaffe einen David und gib ihm einen Goliath.“ .................................................................. 12 3.2. Kleine Übung: Die 10 Seiten des eigenen Ichs ........................................................................... 13 3.2.1. In einem Menschen... .......................................................................................................... 13 3.2.2. ... stecken die verschiedensten Charaktere. ....................................................................... 13 3.3. Die Geschichte vor der Geschichte............................................................................................. 13 3.4. Archetypen ................................................................................................................................. 14 3.4.1. Der Held ............................................................................................................................... 14 3.4.2. Der Mentor .......................................................................................................................... 14 3.4.3. Der Herold ........................................................................................................................... 14 3.4.4. Der Verbündete ................................................................................................................... 14 3.4.5. Die Prinzessin/der Prinz....................................................................................................... 15 3.4.6. Die gute Fee ......................................................................................................................... 15 3.4.7. Der Schwellenhüter ............................................................................................................. 15 3.4.8. Der Gestaltwandler ............................................................................................................. 16 3.4.9. Der Schelm........................................................................................................................... 16 3.4.10. Der Schatten ...................................................................................................................... 16 3.5. Die Figuren bei Walt Disney ....................................................................................................... 16 3.5.1. Die Helden bei Disney.......................................................................................................... 16 3.5.2. Finstere Schurken aus dem Hause Disney ........................................................................... 17 3.5.3. Disney-Sidekicks in gut und böse ........................................................................................ 18 4. Aufbau eines Drehbuches ............................................................................................................. 19 4.1. Das 3-Akt-Modell ........................................................................................................................ 19 4.1.1. Der 1. Akt ............................................................................................................................. 19 4.1.2. Plot Point 1 .......................................................................................................................... 20 4.1.3. Der 2. Akt ............................................................................................................................. 20 4.1.4. Die Fallhöhe ......................................................................................................................... 20 4.1.5. Plot Point 2 .......................................................................................................................... 21 4.1.6. Der 3. Akt ............................................................................................................................. 21 4.2. Dramaturgie einer Szene ............................................................................................................ 22 4.3. Gib den Figuren was zu tun ........................................................................................................ 23 4.4. Wenn die Figuren sprechen lernen ............................................................................................ 23 4.4.1. Was man nicht sieht, das ist nicht da .................................................................................. 24 4.4.2. Einen Film kann man... sehen.............................................................................................. 24 4.4.3. Was man sagt, ist egal ......................................................................................................... 24 4.4.4. Keiner ist wie der Andere .................................................................................................... 24 4.4.5. Manchmal darf es auch episch werden............................................................................... 24 4.5. Texte durch Improvisation ......................................................................................................... 25 4.6. Drei ist filmisch ........................................................................................................................... 25 4.7. Filmische Zitate........................................................................................................................... 26 5. Songtexte verfassen ...................................................................................................................... 27 5.1. Wann setzt man Songs ein? ....................................................................................................... 27 5.2. Was ist wohl wichtiger?.............................................................................................................. 27 5.3. Der Reim ist tot - leider... ........................................................................................................... 27 5.4. Vorsicht beim Texten.................................................................................................................. 29 6. Adaption literarischer Vorlagen .................................................................................................... 31 6.1. Direkte Adaption ........................................................................................................................ 31 6.2. Indirekte Adaption...................................................................................................................... 31 6.3. Weitere Adaptionen ................................................................................................................... 32 6.3.1. Das Prequel.......................................................................................................................... 32 6.3.2. Das Sequel ........................................................................................................................... 32 6.3.3. Das Sidequel ........................................................................................................................ 32 6.3.4. Das Spin-off ......................................................................................................................... 32 6.3.5. Das Crossover ...................................................................................................................... 33 6.4. Entstehungs-Adaption ................................................................................................................ 33 7. Gott im Film ................................................................................................................................... 34 7.1. Was der Glaube bedeutet .......................................................................................................... 34 7.2. Religiöse Symbolik im Film ......................................................................................................... 34 7.3. Darf man eigentlich die Bibel verfilmen? ................................................................................... 34 7.4. Wenn schon Bibel, dann auch bitte richtig... ............................................................................. 35 7.5. Der christliche Film ..................................................................................................................... 35 7.5.1. Bibelfilme............................................................................................................................. 35 7.5.2. Missionsfilme....................................................................................................................... 36 7.5.3. Narnia und Superman ......................................................................................................... 36 7.5.4. Die richtigen Impulse........................................................................................................... 37 7.5.5. Drehbuch-schreiben als Christ ............................................................................................ 37 8. Das Drehbuch ist fertig… scheinbar............................................................................................... 39 8.1. Überprüfen des Buches .............................................................................................................. 39 8.2. Streichen von Szenen ................................................................................................................. 39 8.3. Fragen ans Drehbuch.................................................................................................................. 39 8.3.1. Fragen zu den Figuren ......................................................................................................... 39 8.3.2. Fragen zum Plot ................................................................................................................... 39 8.3.3. Fragen zur Handlung ........................................................................................................... 40 8.4. Testleser ..................................................................................................................................... 40 8.5. Das Buch wird zum Film ............................................................................................................. 40 Persönliche Widmung Ich hab noch nie ein Buch geschrieben... vermutlich wird man das beim Lesen auch vereinzelt merken. Und doch habe ich es getan, ich verrückter Kerl. Der Grund dafür ist ganz einfach: ich liebe meine Schüler und die Arbeit mit ihnen. Liam Neeson hat in einem Interview mal gesagt: „Suche dir einen Job, bei dem du dich morgens freust aufzustehen.“ (frei zitiert) Ich freue mich morgens aufzustehen, wenn ich mit Schülern arbeiten darf. Es ist ein wundervolles Geschenk. Und eben diesen, meinen, tollen und genialen Schülern widme ich diese Ausarbeitung. Sie ist für alle jungen Köpfe, die andere Menschen mit den Geschichten aus ihrem Herzen verzaubern wollen. Einen besonderen Gruß richte ich hiermit an meinen Jung-Regisseur Konrad, der mein erster Antrieb zu diesem Handbuch war. Und genauso mein Obstsalat aus Jüterbog sei hiermit ganz herzlich gegrüßt. Leute, saugt dieses kleine Handbuch in euch auf und lasst euch von meiner Faszination für gute Geschichten anstecken. Ich fühle mich sehr geehrt, euch etwas beibringen zu dürfen. Schreibt tolle Bücher, die das Publikum zum Lachen bringen, Sehnsüchte aufgreifen und womöglich sogar große Epen erzählen. Ihr wisst ja: Es liegt Macht in unsrer Hand Weil ein Film mehr bewegen kann Weil er Gefühle bringt, noch lauter singt Du merkst es irgendwann Gleich, ob heut, gestern, ob bald Für unsre Botschaft kommt die Zeit Durch alle Straßen schallt Das Leben bis in Ewigkeit (nach der Refrain-Melodie von „Do You Hear The People Sing“ aus LES MISÉRABLES) Euer verrückter Film-Lehrer Steven Ulrich 0. Achtung, Spoiler-Alarm! Ich sag’s lieber gleich zu Beginn, bevor Jemand sich am Ende noch ärgert, das er’s nicht vorher gewusst hat. Also im TORTUGA-HANDBUCH werden Handlungsauszüge aus verschiedenen Filmen wiedergeben. Für alle, die die betreffenden Filme noch unvoreingenommen sehen wollen, hier mal eine Auflistung dieser Filme: Pirates of the Caribbean - Fluch der Karibik 2 Harry Potter und der Gefangene von Askaban Harry Potter und der Feuerkelch Harry Potter und der Halbblutprinz Titanic Cast Away - Verschollen Aladdin Die Eiskönigin - Völlig unverfroren Der Glöckner von Notre Dame Klick Das Imperium schlägt zurück Kingsman - The Secret Service Seite 1 1. Prolog - „Nicht jeder Film ein Gladiator.“ Viele Menschen kommen irgendwann auf Idee, etwas zu schreiben. Ein Gedicht, eine Kurzgeschichte, ein Lied, ein Roman, ein Bühnenstück oder ein Film-Drehbuch. Wir Menschen lieben Geschichten und sind kreative Geschöpfe, manche mehr und andere… ein bisschen weniger. Scheinbar war sogar Jesus ein Fan von Geschichten. Na ja, zumindest hat er häufig in Gleichnissen gesprochen. Unvergesslich ist wohl sein Gleichnis vom verlorenen Sohn, welches Friedrich Schiller in seinem Werk DIE RÄUBER sogar adaptiert hat. Aber was eigentlich ist ein Drehbuch? Worin unterscheidet es sich beispielsweise von einem Roman? Nun, so viel ist schon mal klar: ein Drehbuch ist nicht zur Unterhaltung des Lesers geschrieben. Es ist ein Arbeitsbuch und bildet die Basis für einen Film. Die verschiedenen Departments (Aufgabenbereiche) beginnen ihre Arbeit am Film, indem sie zuerst das Drehbuch lesen. Demzufolge muss das Buch dem Leser nicht besonders aufregend schildern, in welchen Umständen sich die Figur befindet oder was sie gerade denkt. In der Regel zeigen Drehbücher auf, wo sich die Figur befindet, was sie dort macht und was sie sagt. Optional schreiben Autoren noch etwas über die Ziele der Figuren mit rein. In diesem Handbuch soll es nun darum gehen, ein Drehbuch zu entwickeln, das anschließend verfilmt werden kann. Doch ein gutgemeinter Rat gleich zu Beginn: NICHT JEDER FILM EIN GLADIATOR. Was bedeutet das? Nun, nicht jede Geschichte muss in einem großen epischen Film ausarten. Man muss keine STAR WARS-Saga, TITANIC-Großproduktion, BEN-HUR-Historien-Epos oder Kultfilm wie INCEPTION entwickeln, um einen guten Film zu machen, keineswegs. Insbesondre Komödien und Dramen zeigen uns, dass auch kleine Geschichten zu sehr großen Filmen werden können, Filme wie BENNY & JOON, LARRY CROWNE und CHOCOLAT - EIN KLEINER BISS GENÜGT. Und damit ist in erster Linie nicht das Budget gemeint, sondern die erzählte Geschichte. Es muss nicht immer gleich die ganze Welt gerettet werden. Es muss noch nicht mal die Prinzessin aus dem Turm gerettet werden. Es reicht schon, wenn der Held es schafft, sich selbst zu retten, durch die Herausforderung zu reifen und ein besserer Mensch zu werden. Ein Beispiel: SCHOOL OF LIFE handelt von einem Biologie-Lehrer, der auf den neuen und innovativen Geschichtslehrer Mr. D. eifersüchtig ist. SCHOOL OF LIFE ist ein netter, sehenswerter, kleiner Film für Schüler und Lehrer, durchaus gelungen. Und dabei zieht dort niemand aus, um mit gezogenem (Laser-)Schwert das Böse zu besiegen. Authentische Charaktere, die ihr eigenes Abenteuer im Alltag erleben, gemischt mit Witz und Charme, reichen vollkommen aus. Solche Filme sollten ein Vorbild für Drehbuch-Starter sein, und nicht BRAVEHEART, INDIANA JONES oder GLADIATOR. Seite 2 2. Bevor man schreibt… Wer es kaum mehr erwarten kann, seine Geschichte zu entwickeln, der sollte dieses Kapitel überspringen. Oder, noch besser, er legt dieses Handbuch gänzlich beiseite. Wer jedoch weise ist, saugt diesen Abschnitt sorgfältig in sich auf, denn es empfiehlt sich, ein paar Dinge zu bedenken, ehe man seine Story schreibt... 2.1. Schreiben mit Celtx Eigentlich kann man ja mit jedem Programm Drehbücher schreiben. Es ja geht ja nur darum, Texte zu tippen. Aber Celtx ist ein spezielles Skript-Programm, das darauf ausgelegt ist, schnell Drehbücher zu entwickeln. Man muss keine Zeit mit dem Formatieren und Anpassen von Textbausteinen verbringen, sondern kann sich voll und ganz auf die kreative Arbeit konzentrieren. Im Folgenden wird der Umgang mit Celtx beim Erstellen eines Film-Drehbuches erklärt. 2.1.1. Szene einrichten: Überschriften Nachdem man das Programm geöffnet und sich für „Film“ entschieden hat, sieht man in der Mitte eine weiße Seite mit einer grauen Zeile, ganz oben. Über Dieser ist eine Werkzeugleiste zu sehen, die ganz links ein Auswahlfenster hat, in dem ÜBERSCHRIFT steht. Die Überschriften einer Szene bestehen aus einer Ortsangabe, einer ungefähren Zeitangabe und dem Hinweis, ob die Kamera innerhalb oder außerhalb der Szene/des Ortes ist. Celtx erstellt eine neue Überschrift-Zeile, wenn man zweimal Enter drückt. Nachdem man die Zeile ausgefüllt hat, drückt man erneut Enter und Celtx springt in den nächsten Baustein des Buches: der Handlung. Bei den Zeitangaben geht es nicht darum, eine konkrete Uhrzeit anzugeben. Hier wird nur deutlich gemacht, bei welchen Lichtverhältnissen die Szene spielt. Man unterscheidet klassischerweise zwischen TAG und NACHT/ABEND. Man kann stattdessen aber auch MORGEN, DÄMMERUNG, SONNENAUFGANG oder SONNENUNTERGANG schreiben, wenn diese spezielle Lichtstimmung gewünscht ist. Spielt die konkrete Uhrzeit in der Szene eine Rolle, gehört das in die Szenenbeschreibung. Wo sich die Kamera in der Szene befindet, wird durch INNEN bzw. AUSSEN angegeben. Optional kann man die Szenen auch nummerieren. Das erleichtert die Arbeiten am Buch. Wenn eine Szene von einer anderen unterbrochen wird, danach aber direkt fortsetzt, zählt man nicht weiter, sondern gibt dieser Szene ein A hinter der Szenennummer. Danach ein B und so weiter. Immer, wenn sich Ort oder Zeit im Buch ändert, ist das eine neue Szene. Zusammengefasst könnten die Szenenüberschriften dann wie folgt aussehen: 02: DACH EINES HOCHHAUSES - AUSSEN – TAG 03: SEE - AUSSEN - TAG 02A: DACH EINES HOCHHAUSES - AUSSEN - TAG 04: BÜRO – INNEN - MORGEN 02B: DACH EINES HOCHHAUSES - AUSSEN - TAG 05: BÜRO – INNEN - SONNENUNTERGANG 06: DACH EINES HOCHHAUSES - AUSSEN - ABEND 2.1.2. Szene einrichten: Szenenbeschreibung Einmal Enter drücken und Celtx springt von der Überschrift in die HANDLUNG, erkennbar auch am veränderten Text im Auswahlfenster. Im Handlungs-Abschnitt kann man die Szene beschreiben. Es gilt: kurz fassen, ein Drehbuch ist kein Roman. Jede Figur, die im Buch das erste Seite 3 Mal auftaucht, wird komplett in Großbuchstaben geschrieben. Dadurch findet man beim Überfliegen schneller die neuen Figuren. Beispielsweise so: PETER steht auf dem Dach eines Hochhauses und schaut runter auf den Marktplatz der Stadt. Seine Freundin SOPHIA sitzt neben ihm. Sie spielt Flöte. Das macht sie oft, wenn sie mit Peter zusammen ist. 2.1.3. Szene einrichten: Figuren sprechen lassen Mit der Enter-Taste von der Szenenbeschreibung wieder eine Zeile weiter springen und mit der Tab-Taste wechselt Celtx in die ROLLE. Möchte man die Figur auch sprechen lassen, nochmals Enter drücken, dann landet man im DIALOG. Wenn man in der Dialog-Zeile, bevor man etwas schreibt, abermals die Tab-Taste betätigt, kann man eine ANMERKUNG hinzufügen - einen kurzen Hinweis, was die Figur bei diesem Satz tut. Jetzt kann man schnell ein Gespräch zwischen mehreren Figuren entwickeln. PETER (Schaut in die Ferne) Irgendwo dort ist es... Zweite rechts und dann immer gradeaus bis zum Morgen. Irgendwo hinter’m Horizont... Ich weiß es. SOPHIA ... VATER (Off) Du musst endlich mal erwachsen werden! 2.1.4. Navigation im Skript Links vom geschriebenen Text findet man eine Spalte, in der alle Szenen des Buches gelistet sind. Diese Liste erweitert sich automatisch, wenn eine Szenenüberschrift erstellt wird. Mit dieser Liste kann man sich schnell durchs Buch navigieren. Ein Doppelklick auf die entsprechende Szene springt sofort an die gewünschte Stelle. 2.1.5. Das Deckblatt Unterhalb des Drehbuchtextes sind einige Reiter zu sehen. Ziemlich weit rechts findet sich der Reiter TITELBLATT. Dort kann man, wie der Name schon erahnen lässt, das Deckblatt einrichten. Wenn das Buch an Produzenten o.ä. verschickt werden soll, ist es durchaus sinnvoll, im Kontaktdaten-Feld seine Adresse und Rufnummer(n) einzugeben. So haben die Empfänger immer ein Backup, falls der Briefumschlag, die Mail etc. verloren geht. Es werden außerdem alle Beteiligten sehr dankbar sein, wenn auf der Deckseite auch steht, um welche Drehbuch-Fassung es sich handelt. 2.1.6. pdf-Export Wenn nun alles fertig ist, kann man im Reiter FORMATIERUNG/PDF das Drehbuch als pdf-Datei abspeichern. Geschafft. Seite 4 Kleine Übung: 0-Dialog Schreibe einen 0-Dialog. Was ist das? Nun, ein 0-Dialog ist eine kleine Übung für Regisseure und Schauspieler. Der Dialog selbst hat dabei keinerlei Aussage oder tieferen Kern, noch nicht. Aus diesem Grund tauchen in so einem Text auch keine Namen, Orte oder sonstige konkrete Angaben auf. Meist sind diese Dialoge auch Zeit-ungebunden. Erst, wenn der 0Dialog inszeniert wird, erwacht er zum Leben. Der Regisseur überlegt sich, in welchem Kontext die Szene spielen könnte und kommuniziert das seinen Schauspielern. Unter Umständen können aus 0-Dialogen wundervolle Szenen werden, die man dann wiederum mit richtigen Texten füllen und in sein Buch einbauen kann. Und so könnte ein 0-Dialog aussehen: CHARAKTER A Ich hab alles gesehen. CHARAKTER B Soll mich das jetzt freuen? CHARAKTER A Das liegt ganz bei dir. CHARAKTER B Ja, ehm, und was machst du hier? CHARAKTER A Ich? Ich bin zufällig hier. CHARAKTER B Ist das so? CHARAKTER A Könnte man so sagen. CHARAKTER B Und was willst du jetzt tun? CHARAKTER A Das hängt ganz davon ab, wie dein nächster Schritt aussieht. CHARAKTER B Ich hab nichts geplant. CHARAKTER A Wir werden sehen. CHARAKTER B Das werden wir wohl. CHARAKTER A Ja, das werden wir. 2.2. Das Herz eines Autors Viele Jung-Autoren fangen schnell an zu schreiben. Und sie schreiben. Sie schreiben, schreiben und schreiben... einfach immer weiter. Mal abgesehen davon, dass blindes Schreiben naiv ist, möchte ich jetzt nochmal einen Schritt zurückgehen und auf das Herz schauen. Es ist wichtig, dass ein Drehbuch nicht einfach nur geschrieben wird, weil es cool wäre, das zu verfilmen. Jede Geschichte kann auch etwas transportieren, für etwas einstehen. Nachdem sie das Live-Programm von Dr. Eckart von Hirschhausen gesehen hat, kündigte eine Zuschauerin ihren Job. Sie hatte durch die Geschichte vom Pinguin erkannt, dass sie nicht in ihrem Element lebt.1 Ich selbst habe durch eine Geschichte zu meiner Berufung gefunden. Als ich ein Kind war, hat mich die Aufführung von Peter Maffays TABALUGA UND LILLIE so sehr verzaubert, dass mir klar wurde: das will ich auch! Diese Magie sollen Andere auch spüren können. Auf der anderen Seite 1 DVD: GLÜCK KOMMT SELTEN ALLEIN (Dr. med. Eckart von Hirschhausen). Seite 5 ist es mir wichtig, dass mein Glaube ein Teil meines Filmemachens ist, da er für mich elementar ist. Aus diesem Grund versuche ich mit meinen Filmen Geschichten zu erzählen, die unterhaltsam sind und ebenso Gottes Namen groß machen2. Ich will damit sagen, dass in der Kunst ein so enormes Potential steckt, welches Viele vergessen auszuschöpfen. Darum möchte ich an dieser dazu ermutigen, die Möglichkeiten voll auszukosten, das Publikum auf eine Reise zu schicken... und zu verzaubern. Womit? Mit dem, was den Künstler selbst bewegt: sein Herz. 2.3. Das Herz des Films Es ist kein Gesetz, aber Fahne hoch für Entertainment. Selbst der tragischste Film darf es auch mal wagen, seinen Zuschauer im geeigneten Moment ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern. Es muss nicht gleich immer ein alberner Lacher sein. Tatsache ist, dass sich manche Filme einfach zu ernst nehmen. Das tragische Schicksal der RMS Titanic hätte man in einem furchterregenden Katastrophenfilm inszenieren können, aber James Cameron lieferte uns stattdessen einen der berühmtesten Liebesfilme der Neuzeit. Und er tat das, ohne auch nur den geringsten Abstrich bezüglich der Tragödie zu machen. In der einen Szene spuckt Jack noch über die Reling und in der nächsten kämpft er mit Rose ums Überleben, TITANIC füllt beide Seiten voll aus. 2.4. Ein paar dramaturgische Begriffe Bevor es an den dramaturgischen Aufbau einer Geschichte geht, noch ein paar Begriffe, die in diesem Handbuch häufiger vorkommen werden und zum kleinen 1x1 der Dramaturgen gehören. Den einen oder anderen Begriff kennt man vielleicht schon längst aus dem allgemeinen Sprachgebrauch, doch was tatsächlich dahintersteckt soll hier kurz erläutert werden. 2.4.1. Der Protagonist Er ist jene Person, aus dessen Augen die Geschichte erzählt wird. Teilweise wird er sogar durch eine Erzählerstimme erweitert, um die Wahrnehmung verstärkt auf sich zu lenken. Er ist der Held der Geschichte, um ihn dreht sich die Handlung. Diese Figur soll dem Zuschauer als hauptsächliche Identifikationsfigur dienen. Sie ist es, die im Laufe der Erzählung eine Wandlung durchmacht und an Erkenntnis o.ä. gewinnt. Ein Protagonist muss keinesfalls immer eine positive Figur sein. Auch sogenannte Antihelden können die Helden ihrer eigenen Geschichte sein. Wichtig ist in solchen Fällen, dass sich das Publikum dennoch gewissermaßen in solch einer Figur selbst wiederfinden kann. Es ist eher die Seltenheit, dass der Protagonist eine böse Figur ist, aber es kommt vor. So zum Beispiel Andrew in CHRONICLE - WOZU BIST DU FÄHIG?, Ebenezer Scrooge in EINE WEIHNACHTSGESCHICHTE oder auch Frank W. Abagnale Jr. aus CATCH ME IF YOU CAN. In der Regel beginnt und endet die Handlung mit dem Protagonisten und es gibt in jeder Geschichte immer nur einen Protagonisten, nicht mehr. 2.4.2. Der Antagonist Entgegen der landläufigen Meinung ist ein Antagonist in erster Linie kein Bösewicht, sondern er ist der Gegenspieler oder der Schatten des Protagonisten. Dadurch, dass er andere Interessen verfolgt, oder genau die gleichen, wird er zu einem Gegner/einem Rivalen des Helden und stellt sich ihm in den Weg. Zuweilen kann es auch vorkommen, dass der Antagonist 2 Vgl. www.zp-filme.de/zpf (Stand: 16.07.2015). Seite 6 eigentlich der Gute in der Geschichte ist. Ein Beispiel dafür ist nicht nur Carl Hanratty aus CATCH ME IF YOU CAN, sondern auch Dylan Rhodes im Film DIE UNFASSBAREN - NOW YOU SEE ME und nicht zuletzt Prot in K-PAX - ALLES IST MÖGLICH. Antagonisten werden häufig genutzt, um Missstände in der Welt aufzuzeigen, indem sie besonders brutal, konservativ, eigensinnig etc. sind. Sie sollen den Menschen einen Spiegel vorhalten, können dabei aber auf das Mittel der Übertreibung zurückgreifen. Der Zuschauer muss sich nicht mit der Figur identifizieren, vielmehr soll er dem Protagonisten nacheifern und den Antagonisten bekämpfen bzw. entmachten. Obwohl es in jeder Geschichte immer nur einen Protagonisten gibt, ist die Zahl der Antagonisten nicht derart begrenzt. Es kommt auch vor, dass der Protagonist einen Gegenspieler in der alten und einen Gegenspieler in der neuen Welt hat. Durch die Erfahrungen im Kampf gegen den Gegner der neuen Welt, soll der Held nach seiner Rückkehr für den Kampf gegen den Rivalen der alten Welt gewaffnet sein. Im Gegensatz zum Protagonisten muss der Antagonist nicht immer eine klar definierte Figur sein. Ein Antagonist kann außerdem die Zeit oder das Schicksal/die Umstände sein. 2.4.3. Ziel einer Figur „Keine Frau wacht auf und sagt: Gott, ich hoffe, ich werde heute nicht im Sturm erobert!“3 Und ebenso wenig, wacht keine Figur morgens auf und denkt sich: „Ich möchte heute eigentlich nur den Tag durchleben, ins Bett gehen, morgen das Gleiche wieder machen und immer so weiter.“ So wie jeder von uns Ziele hat, haben auch die Figuren eines Films ihre Ziele. In DER KLANG DES HERZENS beispielsweise, möchte Evan, alias August Rush, seine Eltern finden. Wizard versucht Evan bei sich zu behalten, um mit ihm das große Geld zu machen. Und Louis sucht die Frau, in die er sich einst verliebt hat. Ziele geben den Figuren einen Punkt, auf den sie zusteuern. Sie geben der Geschichte gewissermaßen einen Sinn. Es ist also unerlässlich, den Figuren des Buches Ziele zu setzen, dadurch bekommen sie einen Motor, der sie antreibt. „Ich möchte den Tag gut überstehen“ ist kein Ziel, das sich für eine Figur eignet. Ziele sollen aktiv verfolgt werden können. Besser wäre sowas wie: „Heute werde ich das Mädchen aus der Nachbarklasse endlich mal ansprechen.“ 2.4.4. Plot Point Ein Plot Point ist ein Wendepunkt in der Geschichte. Klassischerweise gibt es in einem Drehbuch zwei Plot Points.4 Häufig hört man auch den Begriff Plot. Damit meint man die Herausforderung/das Problem des Protagonisten. 2.4.5. Erzählzeit und erzählte Zeit Es ist so einfach, wie es klingt. Die Erzählzeit beschreibt die Zeit, die aufgewendet wird, um eine Geschichte zu erzählen. Bei einem Film entspräche die Erzählzeit also der Spielfilmlänge. Der indische Film 3 IDIOTS braucht eine Erzählzeit von 164 Minuten, um seine Geschichte zu erzählen. 3 4 Zitat aus HITCH, DER DATE-DOKTOR. Vgl. 3.1. Das 3-Akt-Modell. Seite 7 Die erzählte Zeit bezieht sich auf die Zeit im Film. Damit drückt man aus, wie viel Zeit der Film bei seiner Erzählung umfasst. DIE PASSION CHRISTI zeigt, wenn man die Rückblenden außer Acht lässt, vier Tage aus dem Leben von Jesus: von Gründonnerstag bis Ostersonntag. 2.5. Das Säen-Ernte-Prinzip Denjenigen, die PIRATES OF THE CARIBBEAN - FLUCH DER KARIBIK 2 noch nicht gesehen haben, werde ich nun das Ende verraten: Captain Jack Sparrow stirbt. Wer das Säen-Ernte-Prinzip kennt und den Film aus dramaturgischer Sicht betrachtet hat, den sollte diese Wendung der Ereignisse aber eigentlich nicht sonderlich erschüttern. Es wurde ja oft genug, im Laufe des Films, angekündigt: - - - - - - - - Der Film beginnt mit der Verhaftung William Turners und seiner Verlobten Elizabeth. Doch eigentlich hat es Cutler Becket auf Jack abgesehen. Aus dieser Verhaftung sollte letztlich vermutlich auch dessen Tod durch den Strang folgen. Bei Jacks ersten Auftritt im Film taucht er aus einem Sarg auf, der ins Meer geworfen wurde. Mit den Knochen eines Toten, der mit ihm im Sarg lag, paddelt er sich den Weg zum Schiff. An Bord der Black Pearl erscheint ihm der totgeglaubte Pirat Stiefelriemen-Bill mit den Worten „Die Zeit läuft ab, Jack!“. Davy Jones hat den Piraten geschickt, um Jack darauf hinzuweisen, dass sein Tod nun unmittelbar bevorsteht. Als Stiefelriemen-Bill seinen ehemaligen Captain verlässt, zeichnet er ihn mit dem Schwarzen Mal. Jenes Zeichen, das seinem Träger den Tod ankündigt. Will Turner ist auf der Suche nach Jack. Er findet ihn schließlich auf einer Insel von Eingeborenen. Sie beten Jack als Gott an und wollen ihn töten, damit seine Seele wieder frei ist. Davy Jones wird als neuer Antagonist eingeführt. Er bietet Seeleuten, die dem Tode nahe sind, eine Alternative an. Sein Angebot beginnt er mit der Frage „Fürchtest du den Tod?“ Auf der Suche nach Männern, die er Davy Jones zum Tausch anbieten kann, trifft Jack in Tortuga den ehemaligen Commodore Norrington wieder. Dieser heuert bei ihm an. Doch nach einer kurzen Auseinandersetzung zielt Norrington auf den Piraten mit seiner Pistole: „Und? Bin ich es nun wert, meinen Dienst zu leisten unter Captain Jack Sparrow? Oder sollte ich Euch jetzt töten?“ Der Kraken, der Jack am Ende schließlich verschlingt, taucht im Laufe des Films bereits einmal auf und reißt ein Handelsschiff in die zermalmende Tiefe. Nachdem Jack versucht hat, Elizabeth eine Information zu entlocken, versucht sie nun den Kaperbrief von ihm zurück zu bekommen. Dabei ahnt sie voraus, dass der Tag kommen wird, an dem Jack zu einem guten Menschen wird. Zwar überspielt Jack ihre Vermutung mit „Ich liebe diese Momente. Ich winke ihnen gerne zu, wenn sie vorbeisegeln.“, jedoch spielt diese Szene bereits auf Jacks Opfer am Ende des Films an, bei dem er letztlich den Tod finden wird. Im Streit, um die Truhe von Davy Jones, kämpfen Will, Norrington und Jack gegeneinander. Norrington steht kurz davor, Jack zu töten: „Seid mir nicht böse, aber ich muss jetzt den Mann töten, der mein Leben ruiniert hat.“ „Gutes Gelingen.“ Bei seiner Flucht vor Norrington stolpert Jack und fällt in ein offenes, leeres Grab. Im Laufe einer Geschichte pflanzt/sät man also gewisse Informationen, die man zu einem späteren Zeitpunkt ernten kann. Meistens nimmt der Zuschauer das Pflanzen gar nicht als Solches wahr. Dennoch ist das Säen-Ernte-Prinzip ein wichtiges dramaturgisches Mittel, denn das Säen bereitet den Zuschauer unbewusst auf die Ernte vor. Dadurch wird verhindert, dass man von den Geschehnissen zu sehr überrascht wird. Oder besser formuliert: durch die Vorbereitung/unbewusste Ankündigung von Seite 8 Ereignissen, ist das Publikum beim Ernten williger, die dramaturgische Entwicklung zu akzeptieren. Es fühlt sich nicht völlig vor den Kopf gestoßen, obwohl es tatsächlich die Vorbereitung nicht als Solche wahrgenommen hat. Kriminalfilme, sowie Rätselgeschichten, spielen mit dem Säen-Ernte-Prinzip und verwenden es gegen ihr Publikum. Um den Zuschauer auf eine falsche Fährte zu bringen, schreiben diese Geschichten die Hinweise den falschen Figuren zu. Der Zuschauer meint zu wissen/zu erahnen, wer der Täter ist oder wie sich das Rätsel auflöst, doch am Ende kommt es völlig anders, als erwartet. Ein anderes Beispiel: Die Regisseure der HARRY POTTER-Filme haben eine ganz bewusste Entscheidung getroffen, welche Szenen aus dem Hogwarts-Unterricht vom Buch in den Film übernommen wurden. Jede Unterrichts-Szene der Filme war für den weiteren Verlauf der Geschichte wichtig. In HARRY POTTER UND DER STEIN DER WEISEN lernt Harry das Fliegen mit dem Besen, Ron versucht den Schwebezauber und Hermine offenbart sich als kleines Lexikon der Zauberei. Später müssen die Kinder eben diese Fähigkeiten anwenden, um den Troll zu besiegen und den Stein der Weisen zu finden. In HARRY POTTER UND DER FEUERKELCH stellt Professor Moody den Schülern die drei unverzeihlichen Flüche vor: der Imperius-Fluch, mit dem man andere Menschen kontrollieren kann, Cruciatus, der Folter-Fluch und Avada Kedavra, der tödliche Fluch. Auf dem Weg zum ersten Kampf zwischen Harry und dem auferstandenen Voldemort, begegnen Harry eben diese drei Flüche. Viktor Krum wird vom Imperius-Fluch beherrscht, Cedric Diggory stirbt durch den Avada Kedavra-Fluch und Voldemort foltert Harry mit dem Cruciatus-Fluch. Das Säen-Ernte-Prinzip hat also noch eine weitere Funktion: es hilft dem Autor. Spätestens, wenn vom Drehbuch die letzte Szene geschrieben ist, muss er sein Buch nochmal prüfen. Es kann passieren, dass man Szenen schreibt, die man eigentlich gar nicht wirklich braucht, um die Geschichte zu erzählen. Damit der Film nicht unnötig lang wird oder auch damit man Produktionskosten sparen kann, lohnt es sich manche Szenen wieder zu streichen. Doch es gibt Szenen, auf die man besser nicht verzichten sollte, da sie die Handlung vorbereiten. Im Beispiel von HARRY POTTER heißt das, dass auf den Vertretungs-Unterricht von Snape im dritten Film nicht verzichtet werden kann. In dieser Szene wird der Zuschauer darauf vorbereitet, dass Professor Lupin ein Werwolf ist. Das Thema wird eingeführt und der Zuschauer beginnt zu verstehen, was es bedeutet, ein Werwolf zu sein: „Bei Vollmond verwandelt er sich und weiß dann nicht mehr, wer er ist. In diesem Zustand würde er seinen besten Freund töten.“ Im Gegensatz dazu nun der Unterricht in HARRY POTTER UND DER HALBBLUTPRINZ: Jeder weiß, dass Snape immer Verteidigung gegen die dunklen Künste unterrichten wollte. Nun endlich tut er es. Wie gerne würde man doch jetzt mal in seiner Klasse sitzen und zusehen, wie der Mann sein Lieblingsfach unterrichtet. Doch die Filmemacher gönnen uns diesen Einblick nicht. Diese Szene würde vermutlich keine neuen Informationen enthalten, die der Zuschauer für den weiteren Verlauf des Films braucht. Der Zaubertrank-Unterricht seines Kollegen hingegen sorgt dafür, dass Harry schließlich die ersehnte Erinnerung seines Professors bekommt. So erfahren er und Dumbledore von den Horkruxen, die Voldemort geschaffen hat. 2.6. Adjektive sind was für Anfänger Man stelle sich mal James Cameron am Set von TITANIC vor. Er inszeniert gerade mit Leonardo DiCaprio und Kate Winslet die Szene, in der sich die Beiden das letzte Mal sehen. Kate Winslet treibt als Rose auf der Tür im eisigen Meer. Jack, Leonardo DiCaprio, hält sich mit letzten Kräften daran fest, während sein Körper im Wasser hängt. Es wird vermutlich nicht mehr lange dauern, bis er erfriert und stirbt. Das ist nun die letzte Chance für Jack, mit Rose zu sprechen. Der Text lautet, in der deutschen Fassung: „Ich liebe dich, Jack.“ „Hey, lass das sein. Fang nicht an, dich zu verabschieden, noch nicht. Hast du mich verstanden?“ „Mir ist so kalt.“ „Hör zu, Rose. Du wirst gerettet. Du wirst weiterleben. Du wirst später einen Haufen Babys kriegen. Du wirst sie aufwachsen sehen und du wirst als alte, als alte Frau friedlich in deinem Bett sterben, nicht hier, nicht heute Nacht, nicht so. Hast du mich Seite 9 verstanden?“ „Ich spür meinen Körper nicht mehr.“ „Diese Fahrkarte zu gewinnen war das Beste, das Allerbeste, was mir je passiert ist. Sie hat mich zu dir gebracht und dafür bin ich sehr dankbar, Rose, sehr dankbar. Du musst, du musst, du musst mir diese Ehre erweisen. Du musst mir versprechen, dass du überleben wirst, dass du nicht aufgeben wirst, ganz gleich, was passiert. Ganz gleich, wie hoffnungslos es ist. Versprich es mir, Rose, und vergiss dieses Versprechen niemals.“ „Ich versprech es.“ „Vergiss es nie.“ „Ich werd es nie vergessen, Jack. Ich werd es nie vergessen.“ Wenn nun DiCaprio die Szene etwas anders spielen soll. Was könnte Cameron ihm sagen? „Ehm, Leo, spiel mir die Szene bitte nochmal und jetzt noch trauriger.“ Hätte James Cameron das so gemacht, wäre der Film vermutlich ganz anders verlaufen. Aber wieso? Nun, solche Adjektive sind keine brauchbaren Hinweise für einen Schauspieler. Er bekommt ein Ergebnis präsentiert, das er abliefern muss, ohne einen Anhaltspunkt, wie er das schaffen soll. Außerdem kann „traurig“, um mal bei dem Beispiel zu bleiben, von Jedem anders verstanden werden. Soll Jack in der Szene anfangen zu weinen oder was soll damit gemeint sein? Nein, mit Adjektiven lässt man dem Schauspieler einen Spielraum, den er weder will, noch richtig ausfüllen kann. So kommt man nur mühsam ans Ziel und zieht einen Dreh unnötig in die Länge. James Cameron muss seinem Darsteller deutlich machen, warum die Figur jetzt tut, was sie tut. Es geht um das Ziel der Figur, und zwar immer, im Großen und im Kleinen. Eigentlich kann man Adjektive in der Schauspielführung fasst gänzlich aus seinem Wortschatz streichen. Die tatsächliche und bessere Anweisung an Leonardo DiCaprio könnte beispielsweise so gelautet haben: „Das war toll Leo, aber lass uns noch mehr in die Szene legen. Es ist das Finale des Films und dies sind die letzten Worte, die du deiner geliebten Rose noch sagen kannst, bevor du diese Welt für immer verlassen musst. Sei so gut und beton' mehr deine Angst vor dem Sterben und deine Trauer, weil du die Liebe deines Lebens verlassen musst. Und im Kontrast dazu willst du dieser Frau Mut machen, dass sie niemals aufgibt. Sie darf auf keinen Fall auf die bescheuerte Idee kommen, dass es unglaublich romantisch wäre, á la Romeo und Julia, mit dir zu sterben. Sie muss einfach überleben, das musst du ihr jetzt klar machen. Sie wird diesen Tag überleben und sie wird einen tollen Mann kennen lernen, Kinder kriegen und ein wundervolles Leben haben. Sie darf niemals aufgeben, niemals! Du musst noch ein allerletztes Mal ihr Leben retten. Tu das und sie wird dich auf ewig in Ehren halten. Nie wird sie den Mann vergessen, der sie gerettet hat und zwar auf jede nur erdenkliche Weise, auf die man einen Menschen retten kann. Nie vergisst sie dich, Jack Dawson.“... Wow! So wollen Schauspieler am Set behandelt werden. Damit kann man deutlich mehr anfangen, als mit „... und jetzt noch trauriger.“ Und ganz nebenbei kann der Regisseur auf diese Weise seine Darsteller nochmal neu motivieren. Sie fühlen sich ernst genommen und spüren das Feuer, das den Regisseur antreibt, diesen Film zu machen. In solchen Momenten wird die Arbeit am Set etwas Besonderes. Und das ist es auch letztlich, woran man sich erinnern wird. Aber wird ein Schauspieler dann die Szene so spielen, wie der Regisseur es sich vorstellt? Nein, vielleicht nicht. Aber darum geht auch gar nicht. Er muss sie nämlich so spielen, dass sie funktioniert und überzeugend ist. Und das wird er auch, wenn er das Ziel kennt. Gut... Das war jetzt eine sehr ausführliche Schilderung für Regisseure. Aber das Gleiche gilt auch für die Autoren, wenn sie das Drehbuch schreiben. Im Drehbuch schreibt man das natürlich nicht so ausführlich. Da könnte beispielsweise stehen: „Fürchtet zwar den Tod, will aber, dass Rose überlebt, statt mit ihm zu sterben.“ Auch die Autoren sollten vor Adjektiven zurückschrecken. Einzige Ausnahmen bilden dabei all jene Adjektive, die keine Gefühle beschreiben, sondern Zustände. Wenn jemand beispielsweise müde oder betrunken ist, kann man das auch so ins Buch schreiben. Es wäre unnötig einem Betrunkenen ein Ziel oder Motiv zu geben, warum er jetzt betrunken ist. Er hatte sicherlich ein Motiv, um sich zu betrinken, doch das hat hiermit nichts zu tun. Ebenso lächerlich wäre es, statt „betrunken“ sowas zu schreiben, Seite 10 wie „der Alkohol in seinem Körper betrübt seine Sinne“ oder Ähnliches. Er ist ganz einfach... betrunken. Man muss es auch nicht übertreiben. Ein weiteres Beispiel: Ein Junge und ein Mädchen sitzen im Park und unterhalten sich. Er findet sie ganz toll, aber ist total schüchtern. Er versucht ihr seine Zuneigung zu gestehen, aber bekommt keinen klarartikulierten Satz raus. Sie küsst ihn schließlich kurz auf den Mund und er freut sich. Eine süße kleine Szene für eine Teenager-Komödie. Aber warum küsst sie ihn? Schon klar, weil sie ihn auch mag, und ihm das zeigen will, logisch. Aber warum küsst sie ihn genau jetzt? Ihr Ziel ist, weil sie den Kerl mag, dass er sich nicht noch länger abmüht einen Satz zu sagen, von dem Beide schon längst wissen, wie er ausgeht. Er fühlt sich nämlich immer schlechter und schämt sich immer mehr, je länger er für den Satz braucht. Um ihn schließlich zu erlösen, küsst sie ihn und bestätigt damit gleich, dass sie ihn auch mag. Perfekt. Wenn er Humor hat, nutzt er sein neu gewonnenes Selbstbewusstsein und scherzt mit sowas wie: „Wow! ... Aber wenn du so weiter machst, dauert das heute noch den ganzen Tag.“ Wenn dem Mädchen nicht klar ist, warum sie ihn genau jetzt küsst, könnte das eine sehr seltsame Szene werden. Buch und Regie sollten diese Frage vorher geklärt. 2.7. Alles ist motiviert. Ein typischer Anfänger-Fehler ist, dass Dinge einfach passieren. Man will halt, dass dies oder jenes jetzt gemacht wird, also lässt man es die Figuren machen. Doch das ist naiv. In einem Film ist alles motiviert. Eine Figur tut nicht einfach aus einer Laune heraus etwas, sondern hat eine Grund, warum sie etwas tut. Und das gilt nicht nur bei wichtigen Entscheidungen, nein. Selbst das Wegstellen der Kaffeetasse, das Anschalten des Lichtes und das Ausziehen der Socken, alles ist motiviert. Man muss keinen tiefgründigen Sinn dahinter suchen, aber es muss eine Motivation hinter der Aktion geben. 2.8. Alles braucht seine Zeit. Es ist wichtig für Kamera, Regie und Buch: man sollte sich Zeit nehmen, um die Reaktionen der Figuren zu zeigen. Doch leider wird genau das am Häufigsten vergessen. Dabei ist es elementar wichtig. Eine Figur braucht ihre Zeit, um auf einen Gag, eine Wendung oder eine Aktion zu reagieren. Genauso wie der Zuschauer. Selbst, wenn es nur ein stummer Blick ist, darf er nicht ausgelassen werden. Und schon im Buch kann sowas vermerkt werden. Ebenso verhält es sich mit den sogenannten Establishing Shots. Diese Einführungsbilder zeigen den Ort oder Weg zur Szene und nicht immer wird dabei gesprochen. Dennoch sind diese Bilder wichtig für den Zuschauer, um ihm eine Orientierung zu geben. Man darf also auch mal etwas Tempo rausnehmen und dem Zuschauer etwas Zeit geben, den Film auf sich wirken zu lassen und das fängt schon beim Drehbuch an. Kleine Übung 1. CELTX Schreibe eine Szene aus einem deiner Lieblingsfilme in CeltX nach, um ein Gefühl für das Programm zu bekommen. Du wirst feststellen, dass es sehr einfach zu bedienen ist. 2. SÄEN-ERNTE-PRINZIP Finde in mindestens drei Filmen, die du gerne schaust, Momente, in denen etwas gepflanzt und später geerntet wird. 3. KEINE ADJEKTIVE Lass zwei deiner Freunde/-innen eine Szene spielen und leite sie an, ohne Adjektive zu verwenden. Seite 11 3. Die richtigen Charaktere „Charakter ist alles.“5 Die Charaktere sind das Kernstück eines Films und dürfen daher niemals zu kurz kommen. Es gibt den Film nur um der Geschichte willen und diese nur zugunsten der Charaktere. Bei allen Spezialeffekten, aller Action und Dramatik sollte man immer, immer, immer die Figuren im Fokus haben. Sie sind das Salz der Geschichte, das Licht des Films, sie sind der Dreh- und Angelpunkt. Nichts, einfach nichts, ist bei einem Film wichtiger als die Figuren. 3.1. „Erschaffe einen David und gib ihm einen Goliath.“ In Interviews oder im Making-of stößt man manchmal auf den Satz „Das Drehbuch hat ein Eigenleben entwickelt.“ (frei zitiert). Der Satz wird dabei aber nicht näher erläutert und in gewisser Hinsicht klingt er seltsam. Es ist ja schließlich nicht so, dass man sich vor sein unfertiges Buch setzt und eine mystische Kraft beginnt plötzlich von Zauberhand weiter zu schreiben. Es ist natürlich der Autor, der jede Zeile seines Buches eingibt. Aber was meint dieses Zitat dann? Wird die Souveränität des Autors damit wirklich infrage gestellt? ... Wie gerne möchte man sofort losschreiben und die Handlung entwickeln. Erst passiert das und dann das! Uih, jetzt könnte man ja noch das einbauen! Und das ist cool! ... Nein, das kann’s ja wohl nicht sein, Thema verfehlt. Denn in Wahrheit bestimmt nicht der Autor die Geschichte, sondern seine Charaktere geben die Impulse. 1. ERSCHAFFE EINEN DAVID UND GIB IHM EINEN GOLIATH. Will sagen: Jede Geschichte braucht zu allererst einen Helden/Protagonisten. Das sollte das Erste sein, was man sich bei einem Drehbuch überlegt. Und wenn man seinen David hat, dann muss man ihm eine Herausforderung geben, der er sich stellen muss. Also gibt man ihm einen Goliath. Damit steht der Plot der Geschichte. In seinem Kopf hat der Autor ein grobes Gerüst der Rahmenhandlung entwickelt. Der nächste Schritt ist aber noch nicht das Verfassen des Drehbuches, nein. 2. Der nächste Schritt beschäftigt sich mit den Figuren. Jetzt ist es die Aufgabe des Autors, seinem Protagonisten Leben einzuhauchen. Wer ist die Figur? Was macht sie aus? In was für einem Umfeld lebt sie und was sind ihre Ziele im Leben? Des Weiteren lebt der Protagonist vermutlich nicht allein in seiner Welt. Es gilt also, weitere Figuren zu erschaffen, gute und böse. Dann kann man sich überlegen, welche Ziele sie haben und welche Funktion sie in der Geschichte erfüllen. Daraus ergibt sich dann auch, an welchem Teil des Buches diese Charaktere dazu stoßen. Und natürlich will auch der Antagonist, sofern er eine definierte Person ist, sorgfältig ausgearbeitet werden. Auch zu dieser Figur gehört eine Geschichte hinter der Geschichte, die sein Leben geprägt hat. Schließlich ist die spannendste Frage beim Antagonisten immer: Warum ist der Böse eigentlich böse und ist er denn überhaupt wirklich böse? 3. Nachdem die Figuren entwickelt sind kann man sich ans Schreiben machen. Jetzt darf das erste Wort geschrieben werden. Szene für Szene gilt es nun die Geschichte des Davids zu erzählen, die im Kampf gegen seinen Goliath schließlich trumpft. Je genauer ein Autor seine Figuren kennt, bevor er das Buch schreibt, umso nachvollziehbarer wird die Handlung sein. Es kann nun der Punkt kommen, an dem man feststellt, dass die Figur einfach nicht so handeln würde, wie man es geneigt ist zu schreiben. Wer an dieser Stelle seine Idee über die Figur stellt, riskiert unauthentisch zu werden und damit das gesamte Buch zu gefährden. Wer hingegen die Bedürfnisse seiner Charaktere über seine eigenen stellt, der wird merken, wie „das Drehbuch ein Eigenleben entwickelt“. Und geht es letztlich nicht genau darum? Dass man eine Geschichte zum Leben erweckt… 5 Zitat aus WIE SCHREIBT MAN LIEBE? Seite 12 3.2. Kleine Übung: Die 10 Seiten des eigenen Ichs Figuren sind sehr vielschichtig. Im Film PATCH ADAMS ist der Held nicht einfach nur ein alberner Medizinstudent. Bevor er zu Patch Adams wurde, hat Hunter das Leben von einer ganz anderen Seite kennengelernt. Doch dann hat er erkannt, dass in ihm mehr steckt, als ein depressiver Mann, der seinen Platz in der Welt sucht. 3.2.1. In einem Menschen... In einem Menschen stecken viele verschiedene Charaktere, auch in dir. In dieser Übung sollst du die Figuren in dir zum Leben erwecken. Es sieht aus, wie ein Test beim Psychiater, aber mach ihn trotzdem mit. Nimm dir was zu Schreiben und notier dir deinen Namen. Jetzt schau in dich rein und schreibe zehn verschiedene Seiten auf, die dich in der Summe zu dem machen, was du jetzt bist. Vielleicht ist ein Teil von dir ein hoffnungsloser Romantiker und ein anderer Teil wird sehr schnell zornig, während wieder ein anderer gerne Koch sein möchte. Was immer du bist, schreib es auf. 3.2.2. ... stecken die verschiedensten Charaktere. Im Idealfall hast du jetzt ein vollgeschriebenes Blatt, mit zehn verschiedenen Versionen deiner Person. Jetzt kannst du diesen zehn Figuren Namen geben und ggf. das Geschlecht anpassen. Kreiere ein soziales Umfeld für die Zehn, gib ihnen eine Vorgeschichte und setze sie in eine, von dir erschaffene, Welt. Niemand wird jetzt noch erahnen, dass das alles Teile von dir sind. Es sind lebendige Figuren, die leben. Du hast nun zehn authentische und spannende Charaktere erschaffen, die nur drauf warten, dass du sie in dein Drehbuch einbaust. Trau dich auch zu übertreiben. Hilfst du gerne Anderen, lass die entsprechende Figur zum Superhelden werden. Bist du gern albern, mach ein kleines Kind draus. Und wenn mal Jemanden geschlagen hast, schreib daraus einen fiesen Kraftsportler oder, oder, oder... 3.3. Die Geschichte vor der Geschichte Spätestens in der Arbeit mit Schauspielern stößt man auf die Frage, was die Figur erlebt hat, bevor die eigentliche Handlung des Films beginnt. Hat der Autor gut gearbeitet, kennt er das Leben all seiner Charaktere. Man muss allerdings nicht jedes Detail der Biografie kennen. Doch je mehr Gedanken sich der Autor gemacht hat, um seiner Figur ein Leben zu geben, umso glaubwürdiger ist dieses dann im Film. Denn, was man erlebt hat, das prägt Einen. Aber Vorsicht. Es geht nicht darum, sich wilde Geschichten auszudenken. Es geht um eben die Teile des Lebens, die die Figur geprägt haben und zu dem gemacht haben, was sie jetzt ist. Was hat die Figur gelernt? Wo ist sie aufgewachsen? Wurde sie geliebt und hat sie selbst auch geliebt? War die Figur ein Einzelkämpfer oder Gruppenmensch? Welchen Hobbies ist sie nachgegangen? Welche Erfolge und Misserfolge kann sie vorweisen? Gab es Schicksalsschläge in ihrem Leben? ... Nicht alle Informationen, die die Charakterisierung hergibt, werden im Film tatsächlich verarbeitet und noch weniger nimmt der Zuschauer tatsächlich wahr. Doch eine gute Charakterisierung hilft Regie und Cast bei der Inszenierung der Figur und erweckt sie schließlich zum Leben. Hat sich schon mal Jemand gefragt, warum Sir Leigh Teabing eigentlich am Stock geht? Der Regisseur Ron Howard musste sich am Set von THE DA VINCI CODE - SAKRILEG dieser Frage stellen, als Ian McKellen ihn genau danach fragte. Für McKellen war es wichtig zu wissen, ob es eine Schwäche des Seite 13 Alters ist, eine Kriegsverletzung oder ganz andren Ursprungs ist.6 Schauspieler wollen so etwas wissen. Wohl Dem, der dann auf solche Fälle vorbereitet ist. Ein Autor legt dazu den Grundstein. 3.4. Archetypen Noah war voll der Archetyp... nein. Auch, wenn es nach dem Bibelhelden klingt, haben Archetypen erstmal nichts mit einem großen Boot voller Tiere zu tun. Mit Archetypen beschreibt man ein gewisses Schema von Figuren, welches man immer wieder in Geschichten finden kann. 3.4.1. Der Held Er ist der Protagonist der Geschichte. Er macht sich auf die Reise ins Abenteuer, um das Ziel zu erreichen, das er sich gesetzt hat.7 In DIE BERLIN-BIBEL - KÖNIG SAUL kann der Zuschauer mitverfolgen, wie aus einem guten Protagonisten eine so finstere Gestalt wird, dass sie ebenso gut der Antagonist des Films sein könnte. Solche Figuren sind bereit, ihre Helden und Retter zu töten. Und dennoch ist dieser Charakter noch immer der Protagonist der Geschichte. 3.4.2. Der Mentor Der Mentor ist eine Figur, die über Kenntnisse verfügt, die der Held nicht hat. Manchmal hat der Mentor in der Vergangenheit die gleiche Reise unternommen, die nun der Held antritt. Die Mentorfigur gibt dem Helden Ratschläge und Hinweise, damit dieser sein Ziel erreichen kann. Der Mentor zeigt den Weg, aber er geht ihn nicht mit. Sowas kommt nur selten vor, denn der Held muss sich selbst der Herausforderung stellen und das Gelernte anwenden. Ein klassischer Mentor ist Tims Nachbar Wilson in der 90’er-Jahre Sitcom HÖR MAL, WER DA HÄMMERT. „Nun ja, vielleicht können Sie Brad an den Spruch eines berühmten Hindustani erinnern: Wahrer Adel liegt nicht darin, einen Andern zu übertreffen, sondern darin, sein eignes früheres Selbst zu übertreffen.“ „Uh, ja, wow! Das gefällt mir. Wo haben Sie das nur immer wieder her?“ „Oh Nachbar, Nachbar, Nachbar, mein ganzes Leben lang hab ich die Weisheit der intelligentesten Denker und Philosophen studiert. ... Aber dieses Sprichwort hab ich in einem Glückskeks gefunden.“8 3.4.3. Der Herold Es ist genau das, wonach es klingt. Der Herold leitet dem Helden Aufträge, Nachrichten und Botschaften weiter. Er setzt dadurch neue Impulse für den Protagonisten. Klassischerweise tritt der Herold gegen Anfang oder Ende der Geschichte auf. Aber Regeln sind bekanntlich dazu da, um gebrochen zu werden. Der Herold kann auch dem Schatten dienen. Anstatt er im ersten Akt dem Helden Missstände aufzeigt, hilft er im zweiten Akt dem Antagonisten. Ein besonders außergewöhnlicher Herold ist der charismatische Zuse in TRON: LEGACY, der sich zuerst als Castor ausgibt. 3.4.4. Der Verbündete Manchmal scheint er nur der tollpatschige Weggefährte des Helden zu sein. Doch ebenso kann der Verbündete auch die Geliebte des Helden sein, die ihn begleitet, oder ein guter Freund. In jedem Fall ergänzt der Verbündete mit seinen Charaktereigenschaften und/oder Fertigkeiten 6 DVD: THE DA VINCI CODE - SAKRILEG (Special Edition) Vgl. 2.3.1. Der Protagonist. 8 Zitat aus HÖR MAL, WER DA HÄMMERT, Staffel 5, Folge 14: „Ein Bett für harte Männer“. 7 Seite 14 den Helden und begleitet ihn auf seinem Weg. Ohne ihn würde das Abenteuer vermutlich kein gutes Ende nehmen. In DRACULA UNTOLD nimmt Vlads Frau Mirena die Funktion der Verbündeten ein. Sie ist nicht die Prinzessin, die gerettet werden muss, sondern die starke Hand, die ihren Mann unterstützt. Mancher Verbündeter muss nicht mal ein Wort sagen und ist dabei trotzdem eine Hilfe für den Helden. Der Volleyball Wilson aus CAST AWAY - VERSCHOLLEN ist... ein Volleyball. Und doch wird er zum unverzichtbaren Begleiter für Chuck. Er taucht übrigens im erst im 2. Akt auf und schafft es nicht in den 3. Akt. 3.4.5. Die Prinzessin/der Prinz Klassischerweise zieht der edle Held aus, um die holde Prinzessin zu retten. So kennt man es aus den Märchen und findet es im Film wieder. Doch seit den Gebrüdern Grimm und der antiken Sagenwelt hat sich Einiges getan. Prinzessin Fiona aus dem Film SHREK ist nur eine der vielen modernen Prinzessinnen, die den Anschein erwecken, sich selbst retten zu können. Aber Anna in DIE EISKÖNIGIN - VÖLLIG UNVERFROREN weckt nicht nur den Anschein. Nein, sie ist eine so starke Prinzessin, dass sie nicht von Kristoff gerettet werden muss, sondern selbst ihre eigene Prinzessin retten kann, ihre Schwester Elsa. Und auch Natasha Romanoff aus THE AVENGERS bedarf keiner Rettung mehr. In TITANIC wird Rose, die Prinzessin, zur Protagonistin des Films und ihr Prinz Jack muss ihr mehrmals das Leben retten. Doch eines haben alle Prinzessinnen, in der Regel, gemeinsam: sie sind immer auf der Suche nach ihrer großen Liebe. 3.4.6. Die gute Fee Nicht selten kommt es vor, dass der Mentor und die gute Fee zu einer Person zusammengefasst werden. Allerdings unterscheiden sich die beiden Archetypen in gewissen Punkten auch voneinander. Klassischerweise gibt die gute Fee dem Helden unverhoffte Unterstützung, damit dieser sein Ziel erreichen kann. In Märchen- und Fantasyfilmen sind solche Charaktere in der Regel auch übernatürliche Wesen. Doch das Geschenk der guten Fee kann auch, wie beim Mentor, aus Weisheiten bestehen. Manchmal erinnern sie den Helden auch nur daran, welchen Weg er einschlagen muss, wenn er sein wahres Ziel aus den Augen verloren hat. Die Hexe in MERIDA - LEGENDE DER HIGHLANDS ist auf den ersten Blick diejenige, die Merida genau das gibt, was sie sich wünscht. Tatsächlich sorgt sie dafür, dass Merida erkennt, wo ihr Weg wirklich hinführt. Und im Film 127 HOURS wird eine gute Fee vorgestellt, die dem Helden nicht helfen kann, weil er ihre Hilfe nicht annehmen will. Arons Mutter nimmt hier die Funktion der Fee ein. Sie versucht, ihren Sohn etwas zu geben, das er sich schließlich im Verlauf des Films selbst geben kann. 3.4.7. Der Schwellenhüter Ein Schwellenhüter ist eine Figur, die zwischen der bekannten Welt des Helden und der unbekannten Welt steht, die den Helden noch erwartet. Demnach taucht der Schwellenhüter klassischerweise gegen Ende des ersten Akts bzw. am Anfang des zweiten Aktes auf. Doch Schwellenhüter können an vielen Stellen sichtbar werden. Es sind auch die Figuren, die Bedenken äußern, konservativ und stur sind oder andere, unerwartete Herausforderungen an den Helden stellen. Schwellenhüter stehen dem Ziel des Protagonisten zwar im Weg, müssen Seite 15 dies aber nicht zwingend aus bösen Motiven machen, sondern können auch aus Pflichtbewusstsein handeln. Zuweilen belohnen sie den Helden auch, wenn er ihre Schwelle überwunden hat. Ein Schwellenhüter wirkt hemmend, ist aber nicht unüberwindbar. Auch, wenn er sich schnell zum Verbündeten entwickelt, ist doch Lionel Logue in THE KING'S SPEECH für seinen Patienten Bertie zuerst eine Art Schwellenhüter, und zwar einer der ganz beharrlichen Sorte. Die offensichtlichen Schwellenhüter, denen sich Milo Thatch in ATLANTIS - DAS GEHEIMNIS DER VERLORENEN STADT stellen muss, sind die Leiter des Museums, in dessen Heizkeller er arbeitet. Er glaubt, diese Schwelle überschreiten zu müssen, um sein Ziel zu erreichen. Doch es zeigt sich schließlich, dass das sein wirkliches Vorstellungsgespräch später kommt. Demnach wird Mr. Whitmore zu seinem Schwellenhüter. 3.4.8. Der Gestaltwandler Er wird sich nicht in einen Kokon hüllen und mit einem neuen Körper auf der Bildfläche erscheinen, aber der Gestaltwandler ist dennoch schwer einzuschätzen. Man trifft ihn sowohl beim Helden, wie auch beim Schatten an. Er arbeitet mit Wünschen und Ängsten des Helden und wird dadurch zu einer großen Gefahr. In DER GLÖCKNER VON NOTRE DAME wird der Gaukler Clopin zu solch einem Gestaltwandler. Erst erscheint er als Geschichtenerzähler und Festtreiber, doch dann offenbart er sich als Anführer der Zigeuner am Hof der Wunder, dazu bereit, Quasimodo und Phoebus zu hängen. 3.4.9. Der Schelm Der Schelm ist oft eine sehr egoistische Figur, der jedes Mittel recht ist, ihr Ziel zu erreichen. Nicht selten steht er dabei scheinbar in Verbindung mit dem Schatten. Doch ebenso kann er sich dem Helden anschließen. Im Grunde ist ihm das egal, denn er denkt letztlich nur an sich. Ein typischer Vertreter des Schelms ist die Schlange Kaa in DAS DSCHUNGELBUCH. Während Mogli im Dschungel bleiben möchte und Shir Khan versucht, ihn zu töten, hat Kaa nur ein Ziel: das Menschenkind gehört auf seine Speisekarte. 3.4.10. Der Schatten Er ist Gegenstück zum Helden und damit sein Antagonist. Er entspricht oft einem verdrängten und dunklen Wesenszug des Helden, der im Verborgenen liegt.9 Eine ganz besondere Version des Antagonisten stellt Tyler Durden in FIGHT CLUB dar. 3.5. Die Figuren bei Walt Disney Es mögen Kinderfilme sein, aber sie gehören zu einen der besten Lehrmeister in Sachen Figuren: die (90’er Jahre-) Zeichentrickfilme von Walt Disney. Man kann von Disney halten, was man will. Doch sie schaffen es immer wieder, einzigartige und einfallsreiche Figuren zu erschaffen, die die Zeiten überdauern. Jeder Drehbuch-Starter tut klug daran, sich mit diesen Charakteren zu beschäftigen und sich von ihnen inspirieren zu lassen. 3.5.1. Die Helden bei Disney Schnell passiert ist es, dass der Protagonist der brave Held wird, der scheinbar alles richtig macht. Disney hat sich stets bemüht, dem entgegen zu wirken. In DER GLÖCKNER VON NOTRE DAME wird nicht der strahlende Hauptmann Phoebus zum Helden, sondern der ausgestoßene 9 Vgl. 2.3.2. Der Antagonist. Seite 16 und warmherzige Quasimodo. Von der Welt allein gelassen, wünscht sich der Bucklige in seinem Glockenturm nur einmal durch das sonnige Paris zu gehen. Doch bei dem Versuch, dem Fest der Narren beizuwohnen, muss Quasimodo den Tatsachen ins Gesicht sehen: er ist ein Monstrum, ein entstelltes Monstrum. Nur sein Ziehvater Frollo sorgt sich um ihn, so glaubt er. Die Wahrheit ist, dass Frollo seine Mutter getötet hat und nur widerwillig Quasimodo adoptiert und in den Glockenturm verbannt hat. Es stellt sich nun die Frage: Wer ist das Monstrum und wer ist der Mann? Die Hauptfigur in DIE SCHÖNE UND DAS BIEST ist Belle. Sie gehört, neben Pocahontas und vielen weiteren zu Disneys starken Frauen, die zur Heldin ihrer eigenen Geschichte werden. In diesem Fall ist es nicht die Prinzessin, die vom Prinzen gerettet werden muss, sondern umgekehrt. Belle weckt das freundliche Wesen vom Biest und rettet ihm, und der gesamten Dienerschaft, so das Leben. Und dann gibt es da noch Helden, die gar keine Helden sein wollen. König Kuzco in EIN KÖNIGREICH FÜR EIN LAMA hätte anfangs eigentlich sogar das Potential dazu, ein Bösewicht zu sein. Ihm geht es nur darum, dass alle genau das tun, was er will. Alles dreht sich nur um ihn. Doch nachdem Kuzco in ein Lama verwandelt wird, erkennt der junge Monarch, was wirklich wichtig ist. Kenai, aus dem Film BÄRENBRÜDER, hingegen liegt sehr viel daran, ein großer und starker Held zu sein. Er will sich sein Zeichen an der Wand seiner Vorfahren mit mutigen Heldentaten verdienen und von Allen geehrt werden. Doch erst, nachdem Kenai zu dem wurde, was er so verabscheut, werden ihm die Augen geöffnet. Denn erst, wenn man lernt durch die Augen eines Anderen zu sehen, kann man erkennen, wozu man womöglich wirklich berufen ist. 3.5.2. Finstere Schurken aus dem Hause Disney Sie sind skrupellos, sie sind verrückt und sie sind zu Allem fähig - die Bösewichte der DisneyFilme. Scar aus DER KÖNIG DER LÖWEN, Prof. Rattenzahn in BASIL, DER GROSSE MÄUSEDETEKTIV und Kapitän Hook aus PETER PAN sind nur einige Vertreter dieser Gattung. Doch die Disney-Schurken haben noch mehr zu bieten. Denn ein Bösewicht ist nicht immer gleich ein Bösewicht, oh nein, nein, nein. In DIE SCHÖNE UND DAS BIEST hält anfangs Jeder das unheimliche Biest für den Antagonist des Films, aber weit gefehlt. Der selbstverliebte Wildjäger Gaston ist der wahre Feind der Geschichte. Auch Cruella De Vil gibt sich in 101 DALMATINER erst als Freundin der Familie. Doch schnell wird klar, was sie wirklich im Schilde führt. Deutlich länger kann da Clayton aus TARZAN den Schein wahren. Man ahnt es schon lange, doch erst bei der Abreise outet er sich als hinterlistiger Schurke. Doch nicht alle Bösewichte sind von Anfang an böse und bauen falsche Fassaden auf. Der Butler Edgar wird in ARISTOCATS als eine sehr treue Seele eingeführt. Doch als er hört, wie das Erbe seiner Madame verwaltet werden soll, erwacht eine Seite in Edgar, die bis dahin unter Verschluss blieb. Und es gibt tatsächlich auch bei den Disney-Bösewichten einen Ruf zur Umkehr. John Silver aus DER SCHATZPLANET plant die Übernahme der R.L.S. Legacy, um mit seiner Piraten-Crew den Schatz der tausend Welten zu finden. Doch am Ende weckt der junge Jim Hawkins, den freundlichen Kern des Cyborgs. Andere Disney-Schurken, wie Yzma aus EIN KÖNIGREICH FÜR EIN LAMA, machen deutlich, dass selbst die übelsten Figuren zur Unterhaltung der Zuschauer beitragen können. Diese Schurken sind im großen Maß zur Komödie angelegt. Und trotzdem sollte man sie ernst nehmen. Der Gott der Unterwelt, Hades, aus HERCULES kocht regelrecht über, wenn die Dinge nicht laufen, Seite 17 wie geplant. Der Hitzkopf will nicht mehr, als seinen göttlichen Bruder stürzen und den Kosmos übernehmen. Und dabei ist ihm jedes Mittel recht. Dann sind da noch jene Fieslinge, die zwar große Macht haben, aber selbst in einer Abhängigkeit leben. Dr. Facilier stellt sich in KÜSS DEN FROSCH als Jemand vor, der auf die Hilfe seiner Freunde im Schattenreich zurückgreifen kann. Doch im Laufe des Films wird deutlich, dass er von ihnen abhängig ist. Letztlich ist er nicht mehr, als ein Lakai. 3.5.3. Disney-Sidekicks in gut und böse Was wäre Sherlock Holmes ohne Doktor Watson? Und was wäre Disneys Mulan ohne den Drachen Mushu? Oder wie könnte Dschafar wohl ohne seinen Papageien Jago funktionieren? Gar nicht. Die Disney-Sidekicks gehören zu den langlebigsten Figuren der Filme. Jeder kennt vermutlich den abenteuerlustigen Hasen Klopfer aus BAMBI oder Timon und Pumbaa, das Dschungelduo aus DER KÖNIG DER LÖWEN. Und im gleichen Film taucht auch ein Sidekick der bösen Seite auf: Scars Schergen, die Hyänen Shenzi, Banzai und Ed. Manchmal hat man den Eindruck, dass die Sidekick-Figuren wirklich nur der Unterhaltung dienen. Wer beispielsweise BÄRENBRÜDER gesehen hat, kennt die Elche Benny und Björn. Die beiden sonderbaren Zeitgenossen werden im Film aber zum Spiegelbild von Kenai und Koda. Sie zeigen, wie sich das Verhältnis zwischen Brüdern entwickeln kann. Manche Schergen, die Sidekicks der Schurken, sind im Grunde keine üblen Typen. Sie sind einfach nur an die falschen Leute geraten. Besonders deutlich wird das bei Kronk, Yzmas naiven Gehilfen in EIN KÖNIGREICH FÜR EIN LAMA. Und wieder andere Sidekicks entpuppen sich am Ende als Mentor-Figur für ihre Lieben. Professor Archimedes Porter aus TARZAN zeigt seiner Tochter Jane, was sie selbst sich nicht traut, einzugestehen. Kleine Übung: Unvergessliche Figuren Entwickle bis zu drei lebendige Charaktere und fertige zusätzlich eine Skizze dazu an, um dir ein Bild von ihrem Äußeren zu machen. Du kannst Figuren aus der Übung „Die 10 Seiten meines eigenen Ichs“ als Grundlage für diese Aufgabe nehmen oder aber frei arbeiten. Lass dich von der Vielfalt der Charaktere inspirieren, die du aus deinen Lieblingsfilmen kennst und liebst. Seite 18 4. Aufbau eines Drehbuches Vielen Künstlern denken vermutlich so: Regeln sind doof. Aber wie so oft im Leben, geht es eben nicht ohne einen gewissen Rahmen. So auch in der Dramaturgie. 4.1. Das 3-Akt-Modell Das 3-Akt-Modell ist nicht das einzige Modell, nach dem sich eine Geschichte gliedern lässt. Aber es ist das einfachste Modell und am weitesten verbreitet. Im Wesentlichen lässt sich ein dramaturgischer Aufbau anhand dessen veranschaulichen. 4.1.1. Der 1. Akt Der 1. Akt nimmt in der Regel ein Viertel der gesamten Erzählzeit ein und gipfelt im ersten Plot Point. Und ja, der 1. Akt nimmt tatsächlich ein ganzes Viertel der Filmlänge ein. Das sollte man nicht unterschätzen. Es ist nicht damit getan, den Protagonisten einmal zu zeigen und dann mit der ganzen Aufregung, auf die man eigentlich wartet, fortzufahren. In CAST AWAY VERSCHOLLEN vergehen ca. 20 Minuten, ehe es Turbolenzen im Flugzeug gibt. Und erst nach etwa zehn weiteren Minuten strandet Chuck schließlich auf der einsamen Insel. Und bei all dem ist es den Filmemachern gelungen, einen unterhaltsamen und unverzichtbaren 1. Akt zu kreieren. Diesem Beispiel gilt es nun nachzueifern. Im 1. Akt der Geschichte muss der Zuschauer in die Welt des Protagonisten eintauchen können. Drei (bzw. fünf) Informationen sind es, die dabei auf jeden Fall vorgestellt werden sollten: Der Protagonist der Geschichte und sein Ziel Bevor sich der Held in sein Abenteuer stürzt, hat er ja bereits ein Leben. Schnell denkt man beim Entwickeln des Drehbuches an all die Dinge, die der Protagonist erleben könnte, nachdem die Geschichte erstmal so richtig ins Rollen gekommen ist. Doch im 1. Akt ist es wichtig zu zeigen, wo der Held herkommt und worum sich im Augenblick erstmal seine Gedanken und Träume drehen - welches Ziel er aktuell hat. Die Welt, in der der Protagonist lebt Oftmals stürzt sich ein Protagonist im Laufe des Films in ein neues Umfeld. Doch darum soll es im 1. Akt noch nicht gehen. Ebenso wichtig wie die neue Welt, ist auch die alte. Welche Familie und Freunde hat er? Was tut er so im Laufe des Tages? Welche Interessen hat er? Was zeichnet ihn besonders aus? In welcher Zeit lebt er? Wo wohnt er? Was assoziiert er mit seinem Umfeld? Ist er dort glücklich oder sehnt er sich nach einer Perspektive? In den meisten Geschichten findet ein Protagonist am Ende wieder in sein altes Umfeld zurück. Aber warum? Der Zuschauer muss im 1. Akt sehen, was den Helden an seiner Welt hält, warum er sie liebt und warum er für sie kämpft. Nur so kann der Zuschauer verstehen, was der Held später hinter sich lassen muss. Der Antagonist und dessen Ziel Keine gute Geschichte kommt ohne ihn aus und oft ist er die interessanteste Figur von allen der Antagonist. Gibt es mehrere Antagonisten in einer Geschichte, so sollte im 1. Akt mindestens einer von ihnen vorgestellt werden. Die Figur (und das Ziel) des Antagonisten, obgleich es nun eine definierte Figur ist oder nicht, gibt gewissermaßen das Ausmaß der Geschichte an und zeigt dem Zuschauer, auf welcher Ebene sich vermutlich das Kräftemessen austragen wird. Das Ziel des Antagonisten, welches im 1. Akt vorgestellt werden sollte, muss nicht gleichbedeutend mit dem wahren Ziel in seinem Inneren sein. Ebenso ist es möglich, eine äußere Fassade aufzuzeigen, mit der der Antagonist lebt. Erst im späteren Verlauf der Geschichte könnte dem Zuschauer ein Einblick in die Seele dieser Figur gegeben werden, und Seite 19 damit auch in sein wahres Ziel. Außerdem ist es nicht zwingend notwendig, dass der Zuschauer den Antagonisten im 1. Akt bereits als solchen wahrnimmt. Es kann auch vorkommen, dass Protagonist und Publikum den Antagonisten anfangs für eine positive Figur halten. 4.1.2. Plot Point 1 Der erste Plot Point bildet den Auslöser der Geschichte. Dem Helden passiert etwas Unvorhergesehenes, das sein Leben auf den Kopf stellt. Nun muss er sich entscheiden: stellt er sich der Herausforderung oder versucht er sich in Sicherheit zu bringen? Dieser Plot Point 1 führt den Helden in eine neue Welt und in sein großes Abenteuer. Nun liegt sein Zuhause hinter ihm, die Gefahr vor ihm. Noch weiß er nicht, was ihn erwartet. Doch das wird sich bald ändern. Durch den Plot Point 1 und die neue Welt bekommt der Protagonist auch ein neues Ziel. Dieses bestimmt die Handlungsweise des Helden im Verlauf des 2. Aktes. Viele geben sich der falschen Annahme hin, dass ab diesem Punkt die Geschichte erst beginnt. Alles Vorangegangene war nur ein lahmer Prolog, den man über sich ergehen lassen muss. Diese törichte Meinung ist eine Aufforderung an alle Dramaturgen, ihre 1. Akte so zu schreiben, dass schon hier der Zuschauer gespannt der Handlung folgen möchte. Witz, Charme, Heimatgefühle, Action, und Spannung sind mögliche Mittel, um das zu erreichen. Der erste Plot Point wird inmitten des 1. Akts durch einen Anstoß vorbereitet. In CAST AWAY VERSCHOLLEN ist Chucks Vorhaben, in den Flieger zu steigen, der Anstoß zu seinem unerwarteten Abenteuer. Schließlich stürzt das Flugzeug ab und er strandet auf einer verlassenen Insel - der große Wendepunkt seiner Geschichte. 4.1.3. Der 2. Akt Der 2. Akt nimmt in der Regel die Hälfte der gesamten Erzählzeit ein und gipfelt im Plot Point 2. Nachdem der Held die neue Welt betreten hat, muss er nun erstmal lernen, sich in ihr zurecht zu finden. Nur wenn er in dieser Welt besteht, kann er sich der Herausforderung stellen, die vor ihm liegt. Doch als nächstes muss er herausfinden, wie er sein neues Ziel erreichen kann. Während der 2. Akt den Höhepunkt und damit die finale Begegnung zwischen Protagonist und Antagonist vorbereitet, kann es vorkommen, dass sich der Held auch schon zu Beginn dieses Aktes seinem Gegner stellen muss. Es kommt entweder zu einem Treffen zwischen Held und Gegenspieler oder dem Kampf gegen einen Schwellenhüter. Hierbei offenbaren sich dem Helden nicht nur seine Stärken, sondern auch seine Schwächen. In diesem Teil der Geschichte muss er sich eingestehen, dass er der Aufgabe nicht gewachsen ist. Jedenfalls nicht so, wie er im Moment ist. Es kann vorkommen, dass sich der Held weigert, den Weg fortzusetzen, nachdem er erkannt hat, welches Ausmaß die Geschichte annimmt. Er schreckt vor den Gefahren zurück, die vor ihm liegen, statt sich ihnen mutig entgegen zu stellen. Hier könnte der Mentor eingreifen und dem Helden Mut machen. Und so sucht er nach einem Weg, wie er dennoch ans Ziel gelangen kann. Aber er hat dafür nicht ewig Zeit. Der Augenblick der Entscheidung, der Höhepunkt der Geschichte, rückt langsam näher. Wenn der Held dann nicht gewaffnet ist, hat er schon verloren und alles war umsonst. 4.1.4. Die Fallhöhe Eines der wichtigsten Bestandteile von dramaturgischem Spannungsaufbau ist die Fallhöhe. Gemeint ist damit die Spanne zwischen dem, was der Held verlieren und gewinnen kann, wenn er sich so entscheidet und dem, was er verliert und gewinnt, wenn er sich anders entscheidet. Seite 20 Im Disneyfilm ALADDIN findet der Held eine Wunderlampe und gibt dank des Dschinnis vor, ein Prinz zu sein. Nur so kann er um die Hand der Prinzessin werben. Als Aladdin endlich die Liebe der schönen Jasmin gewonnen hat, trifft ihn die harte Realität: Ihn erwartet nicht nur ein Leben im Wohlstand, mit der Frau seiner Träume, sondern er muss auch eine große Verantwortung übernehmen und vermutlich eines Tages sogar Sultan werden. Aladdin steht nun am Scheidepunkt. Wenn er den letzten seiner drei Wünsche verwendet, um weiterhin Prinz Ali zu bleiben, wird er vermutlich Jasmin zur Frau bekommen. Sein Traum wird wahr. Aber er riskiert damit die Freundschaft zum Dschinni zu verlieren und ihn würde ein Leben in ewiger Lüge erwarten. Nutzt er aber seinen dritten Wunsch, wie er es versprochen hat, um den Dschinni zu befreien, wäre sein Gewissen damit wieder rein. Allerdings muss er fürchten, Jasmin damit für immer zu verlieren. Dem Zuschauer müssen die Vor- und Nachteile beider Seiten vollkommen klar sein. Nur so kann er sich angemessen in den Helden hineinversetzen und für sich abwägen, wie er entscheiden würde. Es ist eben dieser Moment der Spannung, das Warten auf die Entscheidung des Helden, der die Geschichte letztlich nochmal so spannend macht. 4.1.5. Plot Point 2 Schließlich scheint der Held ausreichend ausgestattet, um dem Antagonisten entgegen zu treten. Er wagt sich weiter in die Welt der Schatten und ist sich seines Sieges schon sicher. Doch dann kommt es nochmal zu einem Umschwung der Geschichte, die den Helden wieder aus der Bahn wirft. Grade, als er sich so sicher war, das nichts mehr schiefgehen kann. Durch den 2. Plot Point bekommt der Protagonist, wie auch beim 1. Plot Point, nochmal ein neues Ziel. Ist es nicht seltsam, dass in DER GLÖCKNER VON NOTRE DAME die Stein-Freunde von Quasimodo ein fröhliches Lied singen, während draußen ganz Paris in Flammen steht? Nun der 1. Plot Point des Films war die Begegnung mit Esmeralda beim Fest der Narren. Quasimodos Ziel war nun, diese Frau kennen zu lernen und ihr Freund zu werden. Er will einmal das Licht des Himmels sehen. Das gipfelt schließlich in dem Lied „Ein Kerl wie du“. Doch als Frollo den Hof der Wunder überfällt und Quasimodo für seinen Verrat in Ketten legen lässt, ändert sich das Leben des Glöckners. Er versteht jetzt, dass er seine Freunde beschützen, für sie kämpfen und Frollo aufhalten muss. Jetzt geht es nicht mehr um Quasimodo und was er will, sondern es geht um Esmeralda und was für sie das Beste ist. Nun stellt sich zudem die Frage, was der Held aus dem 2. Akt mitnehmen wird. Chuck verliert in CAST AWAY - VERSCHOLLEN seinen Freund Wilson im Meer. Wilson hat seine dramaturgische Funktion erfüllt. Es besteht kein Grund dazu, ihn mit in den 3. Akt zu nehmen. 4.1.6. Der 3. Akt Der 3. Akt nimmt in der Regel ein Viertel der gesamten Erzählzeit ein und beendet schließlich die Erzählung. Wenn der Held den Schock des 2. Plot Points gemeistert hat, ist die Zeit gekommen für den großen Showdown zwischen dem Helden und seinem Schatten. Wenn der Protagonist siegreich aus dem Kampf zurückkehrt, erntet er schließlich die Belohnung für seine Mühen. Doch er muss sich noch einer letzten Prüfung stellen. In CAST AWAY - VERSCHOLLEN ist Chucks letzte Herausforderung die Begegnung mit seiner alten Freundin Kelly. Nachdem der Held nun aber auch diese Hürde überstanden hat, muss er seinen Weg zurück nach Hause finden. Hier zeigt sich, ob der 1. Akt glaubhaft geschrieben wurde. Denn warum sollte der Held überhaupt in seine alte Welt zurückkehren? Klar ist, dass er sie anders betritt, Seite 21 als er sie einst verlassen hat. Er ist zu einem neuen Menschen geworden. Nun kann er seine Welt zu einer noch besseren machen. Allerdings kann es auch vorkommen, dass der Held nicht in seine gewohnte Welt zurückkehrt, sondern perspektivisch nach vorne blickt, auf der Suche nach neuen Abenteuern, denn nun ist er dafür gerüstet. Kleine Übung: Hollywoods 3-Akt-Modell Such dir noch mal einen Film aus deinem DVD-Regal raus und schau ihn dir mal unter den dramaturgischen Gesichtspunkten an. Schreibe die 3-Akt-Struktur des Films heraus, finde die Plot Points und prüfe mal, wie lang die jeweiligen Akte sind. Und dann analysiere die Fallhöhe. Worin liegt sie und wie stark ist sie? Anschließend schreibe ein Konzept, wie die Geschichte verlaufen wäre, wenn der Held keinen Verbündeten gehabt hätte oder wenn der Schatten gewonnen hätte. Was wäre, wenn der Held erst gar nicht dem Ruf des Abenteuers gefolgt wäre? 4.2. Dramaturgie einer Szene Nicht nur der Film als Ganzes hat eine Einleitung, einen Hauptteil und einen Schluss. Nein, auch die einzelne Szene ist gewissermaßen nach dem 3-Akt-Modell aufgebaut. Wenn man beispielsweise eine Szene schreibt, weil eine wichtige Information übermittelt werden soll, dann sollte die Szene nicht sofort mit dem entscheidenden Dialog beginnen. Entweder reden die Figuren vorher über ein anderes Thema oder haben sonstige Dinge zu tun. Ein Film beginnt aus gutem Grund ja auch nicht gleich mit dem 2. Akt. Beides, Film und Szene, braucht seine Vorbereitung. Des Weiteren spricht man bei Figuren oft von einem Plus und Minus. Damit meint man eine Art Kräfteverhältnis zwischen den Charakteren. Auch hier gibt es Gemeinsamkeiten zum 3-Akt-Modell. So, wie der Held sich seinem Antagonisten stellen muss und seine Machtposition ggf. einnimmt, ebenso kann der Protagonist einer Szene anfangs im Minus sein und dann ins Plus kommen. Ein Plus kann beispielsweise sein, dass der Szenen-Protagonist von einem Unbeliebten zu einem Beliebten wird, oder von einem Schwachen zu einem Starken. Damit sind nicht die großen Wendungen gemeint, die den gesamten Verlauf des Films beeinflussen. Plus und Minus wechseln schon im kleinen Maßstab einer Szene. Michael Newman hat im Film KLICK von seinem Boss, John Ammer, die Chance bekommen, dessen Partner zu werden. Dazu sollte er einen bedeutenden Kunden gewinnen. Dank einer mysteriösen Fernbedienung ist Michael genau das gelungen. Er und seine Familie feiern noch am gleichen Abend Michaels Beförderung. Am nächsten Morgen betritt Mr. Ammers neuer Partner das Büro, bereit dazu seine Beförderung zu erhalten: „Hey, mein neuer Star, herzlichen Glückwunsch! Hinsetzen, mein Guter.“ „Alles klar. Ich bin ein wenig müde, wir, die Familie, war gestern Abend noch lange wach. Wir haben gefeiert.“ „Sie haben sich gestern Abend aber auch selbst übertroffen. Nicht wahr?“ „Hey, Sie waren auch nicht schlecht.“ „Jetzt müssen Sie nur noch die Entwürfe zeichnen und wenn Watsuhita den vereinbarten Teil der Geldmittel bereitstellt, sitzt mein neuer Partner vor mir.“ „... Ich dachte, ich wär bereits Ihr Partner.“ „Woh Cowboy. Ich sagte, ziehen Sie Watsuhita als Kunden an Land und Sie werden befördert. Aber doch nicht sofort.“ Bis dahin, erstmal. Was passiert hier? Im 1. Akt der Szene betritt Michael das Büro von Mr. Ammer. Er ist der Protagonist der Szene und man hat das Gefühl, das er im Plus ist. Die beiden scheinbaren Partner reden über den gestrigen Abend und alles scheint gut. Dann kommt der erste Plot Point: Michael ist noch nicht befördert worden. Der Kontext des Films macht deutlich, dass er aber seit Jahren auf solch eine Gelegenheit hinarbeitet. Bis vor einer Minute dachte Michael noch, dass er sein Ziel endlich erreicht Seite 22 hätte. Aber dem ist nicht so. Noch muss er weiterkämpfen. Mit diesem ersten Plot Point fällt Michael ins Minus und Mr. Ammer macht deutlich, dass er seine Plus-Position nie verloren hat. Es geht weiter: „Aber ich hab es bereits meiner Frau erzählt, Sir. Ich hab Geld ausgegeben, das ich nicht habe. Um so ein Projekt ins Laufen zu bringen, brauch ich Monate.“ „Hm, dann sollten Sie besser gleich anfangen.“ In dem Moment betätigt Michael seine Fernbedienung und hält um sich herum die Zeit an. Er verpasst Mr. Ammer einen, zwei, drei kraftvolle Schläge ins Gesicht. Er drückt wieder auf die Fernbedienung, die Zeit läuft weiter und Mr. Ammer spürt jetzt den Schmerz: „Wow, hab ich auf einmal Kopfschmerzen, wow! Bin ich grad von nem Zug überfahren worden?“ „Ich hab nichts gesehen.“ Michal kämpft sich von seinem Minus ins Plus und Mr. Ammer merkt es nicht einmal. „Ach, das wollt ich Ihnen noch sagen: Ich hab das Wochenende mit Ihrer Freundin Janine verbracht.“ Hiermit spielt sich Mr. Ammer wieder ins Plus, der zweite Plot Point. Noch einmal hält Michael die Zeit an: „Argh! Ich hoffe, sie ***** grade mit Ihrem Bruder, Sie eingebildeter Kasper!“ Michael bereitet seinen ultimativen Schlag vor, im dritten Akt dieser Szene: Die Zeit steht noch immer still und Michael klettert auf den Tisch von Mr. Ammer. Er hinterlässt ihm eine äußerst prägnante Duftmarke, stellt sich wieder vor dem Tisch hin und lässt den Geschehnissen ihren Lauf: „Wie auch immer. Je eher Sie an... Sie wieder an die... Arbeit gehen, desto schneller werden Sie... partnerisiert. Ich schmeck hier Sch****.“ „Tatsächlich?“ „Stacy, sollten Sie mir Sch**** ins Essen getan haben, dann... oh!“ „Tja, ich muss dann los, Sir.“ „Oh, STACY!“ Damit ist Michael im Plus und gewinnt gewissermaßen diese Szene für sich. Auf die Filmhandlung bezogen, wurde er in dieser Szene vom Plus ins Minus geschleudert, denn er wurde noch nicht befördert, dachte es aber. Aus diesem Grund wird sich Michael in der folgenden Szene dazu entschließen, die Zeit bis zu seiner Beförderung vorzuspulen. 4.3. Gib den Figuren was zu tun Ich habe mal einem Schüler einen 0-Dialog inszenieren lassen. Im ersten Durchlauf ging es bei ihm um zwei ehemalige Schulkameraden, die sich gegenseitig eher meiden. Während der Inszenierung saßen die Figuren irgendwo und sprachen miteinander. Dann sagte ich zu ihm, er soll den Dialog nochmal spielen lassen und die Charaktere diesmal aktiv gestalten, während sie den Text sprechen. So entstanden der chaotische Aufbau eines IKEA-Schranks und ein turbulenter Flug in einem ZweiPersonen-Flugzeug. Durch die Aktionen bekommen die Szenen mehr Leben und bewahren das Publikum vor potentieller Langweile. Schauspieler sind immer sehr dankbar, wenn sie in ihren Dialogen Gegenstände und Aufgaben an die Hand bekommen, mit denen sie die Szene füllen können. THANK YOU FOR SMOKING erzählt, wie aus diesem Grund die Zigarette auf die Leinwand kam: Als mit dem Tonfilm die Ära der sprechenden Schauspieler begann, wurde schnell klar, dass man den Figuren eine Beschäftigung geben muss, während sie sich unterhalten. Und manchmal gibt es die spannendsten Kampfszenen nicht wegen der vielen Action, sondern um des Dialoges willen, der parallel gesprochen wird. 4.4. Wenn die Figuren sprechen lernen Es wirkt so einfach und kann doch so schwer sein: das Schreiben von Dialogen im Buch. Einerseits sollen es gute Texte werden, andrerseits denkt man im wirklichen Leben ja auch nicht groß drüber nach, was man wie sagt, oder? ... Aber das wirkliche Leben ist nun grade nicht so wie das Leben im Film. Die seltsame Ironie ist, dass der Film lebensecht wirken will und dazu lebensunwirklich sein muss. Schreibt man nur, wie man spricht, wird es schnell langweilig. Der Trick besteht darin, eine lebensnahe Filmsprache zu entwickeln, die sich einfach gut anhört. Das kann man nicht lernen, sondern muss eigene Erfahrungen durch Übungen machen. Seite 23 4.4.1. Was man nicht sieht, das ist nicht da Es ist unglaublich anstrengend, wenn Dialoge Informationen transportieren, die ausschließlich vom Dialog getragen werden und nie im Film visualisiert werden. Schnell fängt man an, diverse Hintergrundgeschichten über den Text einer Figur zu erzählen. Und dann erwartet man vom Zuschauer, dass er sich all das merken kann und sich daran erinnert, wenn es später im Film aufgegriffen wird. Aber was man nicht sieht, das ist auch nicht da und ein Zuschauer kann sich nicht alles merken, was die Figuren im Film sagen. 4.4.2. Einen Film kann man... sehen Der Zuschauer hat Augen, er sieht, was die Figuren machen. Ein klassischer Anfängerfehler ist, dass die Figuren Dinge beschreiben, die sie gleich oder, was noch sinnloser ist, in eben diesem Moment tun. Aber wozu? Es ist doch ein Film und einen Film, den kann man... sehen. Zu beschreiben, was auch ohne Text deutlich wird, ist verschwendete Zeit. 4.4.3. Was man sagt, ist egal Die Übung mit dem 0-Dialog sollte deutlich machen, dass es im Grunde nicht wichtig ist, was eine Figur sagt. Wirklich entscheidend ist, wie sie es sagt, was zwischen den Zeilen steht. Aber das ist ja eine Frage der Regie. Für den Drehbuchautoren heißt das aber, dass der Text weniger Informationen und mehr Gefühle transportieren sollte. Anstatt der Detektiv den Mörder zur Rede stellt, indem er Sachen sagt, wie: „Ich weiß, dass Sie für die Tatzeit ein Alibi haben, ihre Akte sauber ist und das Opfer ihr bester Freund ist. Und ich weiß, dass Sie der Mörder sind. Verraten Sie mir nun, was Ihr Motiv zu dieser abscheulichen Tat war?“ könnte er einfach den Fall mit der Frage schließen: „... Was ist zwischen ihnen nur vorgefallen, dass Sie zu so einer grauenvollen Tat fähig waren?“ 4.4.4. Keiner ist wie der Andere Wenn man nicht aufpasst, passiert es schnell, dass alle Figuren so sprechen, wie der Autor es tut. Grund dafür ist, dass er seine Figuren nicht ausreichend kennt und nicht weiß, wie sie sich artikulieren. Auf der einen Seite muss der Autor den typischen Rede-Rhythmus und die Wortwahl seiner Figuren kennen, und auf der anderen Seite muss ihm klar sein, wie sich das in besonderen Situationen ändert, zum Beispiel bei tiefer Trauer oder drohender Gefahr. Dialekte/Akzente, Einsatz von Pausen, Menge des Gesprochenen, besondere Lieblingswörter, eventuelle Sprachfehler und vieles Mehr beeinflussen die Sprache eines Menschen. Und selbst, wenn alle Figuren ganz normal wirken, steckt doch viel System dahinter, denn es ist nun mal Keiner wie der Andere. 4.4.5. Manchmal darf es auch episch werden Im Idealfall haben die Texte eines Drehbuches sogar das Potential zu coolen Filmzitaten zu werden. Wenn man in seinem Buch an einer sehr spannenden Szene schreibt, dann sollte man nochmal ganz besonders auf das achten, was die Figuren sagen. Diese Momente bleiben am Ende in den Köpfen der Zuschauer hängen, wenn sie gut geschrieben sind. In DIE SCHÖNE UND DAS BIEST verwandelt sich das Biest schließlich wieder in einen schönen Prinzen zurück und tanzt mit Belle im Ballsaal. So wie das Biest wieder zum Menschen wurde, hat sich auch sein Hofstab vom Inventar zurückverwandelt. Währenddessen hält Madame Pottine ihren Sohn Tassilo im Arm, der die beiden Verliebten beim Tanzen beobachtet: „Werden die Beiden glücklich sein, für immer und ewig, Mama?“ „Aber natürlich, mein Schatz, aber natürlich.“ „... Muss ich jetzt noch weiter im Schrank schlafen?“ Seite 24 4.5. Texte durch Improvisation Während meines Regie-Studiums habe ich als Abschlussprojekt10 einen Film gedreht, der sich mit der Christenverfolgung im Vietnam auseinandersetzt. Mein Protagonist war ein deutscher Fotograf, der seinen missionarischen Freund besucht. In der letzten Szene des Films steht der Held seinem Zeitungschef in Deutschland gegenüber und muss sich vor ihm rechtfertigen. Doch mir wollte einfach kein guter Text für diese Auseinandersetzung einfallen. Ich hatte ein grobes Konzept, welche Bausteine vorkommen müssen, aber es gelang mir nicht, das in Worte zu fassen. Also habe ich es den Schauspielern überlassen, meine Arbeit zu machen. Ich wagte das Experiment und gab den Leuten, die zum Casting gekommen sind, die unfertige Szene und ließ sie das Ende improvisieren. Dadurch kamen wundervolle Ideen zustande, die mir aus meiner Schreibblockade geholfen habe. So wurde die Szene, seitens der Dialoge, zu meiner absoluten Lieblingsszene des Films... die dann im Schnitt, typisch Film, jedoch stark verkürzt werden musste, leider. Aber auch auf diese Weise können unvergessliche Szenen entstehen. Es muss auch nicht immer bei einem Casting sein. Man kann sich als Autor auch mit ein paar Freunden zusammensetzen und einfach mit Ideen jonglieren. Manchmal wird man einfach blind für den Rede-Rhythmus einer Figur vom vielen Schreiben. In dem Fall kann es sehr hilfreich sein, die Worte lebendig werden zu lassen, um sie auf ihre Wirkung zu testen. In DAS IMPERIUM SCHLÄGT ZURÜCK wird Han Solo in flüssiges Karbonit eingefroren. In eben dieser Szene gesteht Prinzessin Leia ihre Liebe zu ihm. Laut Drehbuch sollte Han antworten „Ich liebe dich auch.“ Doch Regisseur Irvin Kershner, der für George Lucas einsprang, wurde einfach nicht glücklich mit dem Satz. Es passte nicht zu Han Solo. Schließlich gab er Harrison Ford den Freibrief zur Improvisation: „Harrison, sag es so, wie du es machen würdest.“ (frei zitiert)11 Und so geschah es. Han wurde wieder runtergefahren, um eingefroren zu werden. Leia ruft ihm zu „Ich liebe dich.“ und er antwortet „Ich weiß.“ Es war vollkommen improvisiert, gehört heute aber zu den bekanntesten Sätzen der STAR WARS-Saga. 4.6. Drei ist filmisch Es ist schwer in Worte zu fassen, aber im Film passieren Dinge oft dreimal. Das gilt für Buch/Regie, wie auch für Kamera/Schnitt. Wie viele Wünsche hat Disneys Aladdin? Drei. Wie oft schlägt Michael in KLICK seinen Boss ins Gesicht? Drei Mal. Wie oft rettet Jack seiner Rose das Leben auf der Titanic? Gewissermaßen drei Mal. … Wie viele Beispiele hab ich eben aufgeführt? Drei. In DIE UNFASSBAREN - NOW YOU SEE ME werden Daniel Atlas, McKinney und ihre beiden anderen Partner vom FBI gefangen genommen, weil sie offensichtlich während ihrer Zaubershow eine Bank in Paris ausgeraubt haben. FBI-Agent Dylan Rhodes verhört die Beiden mit einer Interpol-Partnerin. Die Verhörsequenz hat eine Einleitungsszene, in der McKinney sich über einen FBI-Agenten lustig macht und es gibt eine abschließende Szene, in der Daniel Atlas seine Überlegenheit gegenüber dem FBI demonstriert. Die Szenen dazwischen werden im Wechsel aneinander geschnitten. Und es sind exakt drei Szenen pro Befragten: 01: FBI-VERHÖR 1 - INNEN – TAG (Einleitung der Sequenz) 02: FBI-VERHÖR 2 - INNEN - TAG 01A: FBI-VERHÖR 1 - INNEN - TAG 02A: FBI-VERHÖR 2 - INNEN - TAG 01B: FBI-VERHÖR 1 - INNEN - TAG 02B: FBI-VERHÖR 2 - INNEN - TAG 10 11 DER ENGEL GOTTES: https://www.youtube.com/watch?v=C5G81hGeRso (Stand: 16.07.2015) DVD-Box: STAR WARS IV-VI (Special Edition). Seite 25 01C: FBI-VERHÖR 1 - INNEN - TAG 02C: FBI-VERHÖR 2 - INNEN – TAG (Ende der Sequenz) 4.7. Filmische Zitate Wenn ein Film einen anderen Film, oder sonstige Quellen, zitiert kann er das in Wort und Bild tun. Ein klassisches Zitat wäre, wenn eine Dialogzeile aus einem anderen Film übernommen wird. Auch angedeutete Texte können Zitate sein. Zitiert ein Film ein anderes Werk, nimmt es damit automatisch Bezug auf das Werk. Ist der Zuschauer mit dem Original vertraut, wird die Szene um die Aussage ihres zitierten Originals erweitert. Doch es gibt auch viele filmische Zitate, die den Bezug zum Originalwerk nicht mehr herstellen. In einer Vielzahl von amerikanischen Filmen und Serien wird DER ZAUBERER VON OZ zitiert. Die Sitcom SCRUBS - DIE ANFÄNGER zitiert in der Folge „Mein Weg nach Hause“ unzählige Male diesen Film. Doch das vermutlich meist-verwendete Zitat ist der sogenannte Wilhelmsschrei. Dieser Schrei, der erstmals im Film DIE TEUFELSBRIGADE verwendet wurde, wird in so vielen Filmen eingesetzt, dass niemand mehr den Zusammenhang zum Original herstellt. Ebenso können Werke visuell zitiert werden, in dem man bestimmte Motive oder Requisiten aufgreift. Walt Disney zitiert auf diese Weise ihre eigenen Filme sehr gerne, die meisten im Film VERWÜNSCHT. Dadurch, dass filmische Zitate automatisch den Bezug zum Originalwerk und deren Aussage herstellen, wird der Zuschauer schnell aus dem eigentlichen Geschehen gerissen und ist mit seinen Gedanken beim Originalwerk. Aus diesem Grund werden filmische Zitate auch oft in Parodien eingesetzt, um eine zusätzliche Pointe zu setzen, wie beispielsweise in HOT SHOTS! DER ZWEITE VERSUCH. Nicht zuletzt, lassen sich andere Werke auch durch Musik zitieren. Im Film KINGSMAN - THE SECRET SERVICE stellt Valentine seinen teuflischen Plan in einem guten Licht dar, indem er Bezug nimmt auf Noah und seine Arche. Und ebenso wenig, wie man Noah für einen bösen Typen hält, wird man auch ihn für einen bösen Typen halten, wenn die Welt erst ins Chaos gestürzt ist. Später schafft es Eggsy, den Plan des verrückten Valentine zu vereiteln und die Köpfe aller Anwesenden explodieren zu lassen. Die Musik, die jene Szene untermalt, ist POMP AND CIRCUMSTANCE MARCHES von Edward Elgar. Das gleiche Musikstück wurde auch in einem anderen Film verwendet: FANTASIA 2000. Dort gibt es einen Kurzfilm, in dem Donald Duck die Tiere auf Noahs Arche bringen muss, eh Gott die Erde überflutet. Der Kurzfilm wird ebenfalls von Elgars Werk musikalisch begleitet. Kleine Übung: Deine Spielfilm-Szene Schreibe eine Szene mit mindestens zwei Figuren aus der Übung „Die 10 Seiten meines eigenen Ichs“. Achte dabei auf die Dramaturgie der Szene und das Ziel der Figuren. Seite 26 5. Songtexte verfassen Musical-Filme und Musiknummern sind beim Film nicht die Norm, aber es gibt sie. Es lohnt sich also, sich mit dem Verfassen von Songtexten auseinander zu setzen. 5.1. Wann setzt man Songs ein? Der Komponist Stephen Sondheim erzählte in einem Interview zur Disney-Adaption seines Musicals INTO THE WOODS: „Die Lieder in INTO THE WOODS halten oft die Handlung an...“12 Hm... Doch genau das sollten Songs in einem Film nicht tun! Ironischerweise waren es grad die Filmemacher der DisneyZeichentrickfilme, die sich in vielen Interviews im Making-of darüber geäußert haben, dass die Songs von Filmen wie ARIELLE, DIE MEERJUNGFRAU, DER KÖNIG DER LÖWEN oder POCAHONTAS die Handlung eben nicht anhalten, sondern weitertragen. Die Songs eines Films sollten nicht den Film unterbrechen, nein, dann wäre das Ziel verfehlt. Ein Song soll ein Werkzeug sein, damit sich eine Figur in besonderer Weise ausdrücken kann. Und dabei sollte der Film durch die Musik weitererzählt werden. Wenn ein Lied die Handlung anhält, wie es Sondheim in seinem Werk anpreist, dann ist das Lied nahezu ohne jeden Sinn. Es verrät nichts Neues über die Figur, es ist am Ende nur dazu da, um nett zu klingen. Aber dafür schreibt man keine Film-Songs, dafür nicht. Wer das mag, soll Schlagertexte verfassen. 5.2. Was ist wohl wichtiger? In der Romantik-Komödie MITTEN INS HERZ - EIN SONG FÜR DICH müssen Alex Fletcher und Sophie Fisher einen Song für Cora Corman schreiben. Alex ist ehemaliges Mitglied der 80’er Jahre Kultband PoP und war stets der Komponist der Band, ist aber unfähig zu texten. Aber für Alex ist der Text eines Liedes eh nicht so wichtig, wie die Melodie: „Es muss nicht perfekt sein. Lassen Sie’s einfach... sprudeln. Es sind doch nur Texte.“ „Nur Texte?“ „Ehm... Die Texte sind wichtig. Sie sind nur nicht so wichtig, wie die... Melodie.“ „Ich glaub, Sie kapieren das irgendwie nicht.“ „Sie sehen sauer aus...“ „Eine Melodie ist wie, Jemanden das erste Mal sehen, die körperliche Anziehung, Sex.“ „Das is so eindringlich.“ „Und dann, wenn man den Menschen besser kennenlernt, ist das der Text, seine Geschichte, wer er in Wirklichkeit ist. Es ist die Kombination aus Beidem, die die Magie eines Songs ausmacht.“ Tatsächlich hat die Figur Sophie damit vollkommen Recht, der Text ist das Herz eines Songs. Ein Song lebt ebenso wenig nur von der Melodie, wie ein Film von Kameraführung und Spezialeffekten. Es geht wieder einmal um die Geschichten und die Menschen. Wer das nicht verinnerlicht, schreibt Songs ohne Tiefgang. Mit denen könnte man auch gleich genauso gut die Handlung des Films anhalten, denn es passiert nichts. Zeit für eine Toilettenpause. 5.3. Der Reim ist tot, leider... In der Schule lernt man beim Gedicht noch Paar- und Kreuzreim kennen, in der modernen Musik scheint der Reim aber an Bedeutung verloren zu haben. Hier wird deutlich, dass manchen Songwritern die Melodie letztlich wichtiger ist, als der Text. Im Bild von MITTEN INS HERZ - EIN SONG FÜR DICH gesprochen: sie wollen eigentlich nur noch Sex. Deutschland, das Land der Dichter und Denker: Solange man es singen kann und es schön klingt, ist es gut. 12 https://www.youtube.com/watch?v=hdmV52nQtos&feature=player_detailpage&list=PLbu0XYfBgD3S25mfIA xYnYFRXmjNfpj_Q#t=12 (Stand: 16.07.2015) Seite 27 ... Aber vielleicht bringt die Zukunft ja eine neue Generation von Textern hervor. Eine Generation, die Songtexte mit Substanz verfassen können. Musiker wie Roger Cicero zeigen, wie sowas aussehen könnte. ZIEH DIE SCHUHE AUS: Ich bin ein Sammler, ein Jäger Ein guter Ernährer Ein Schrauber, ein Dreher ein Ganz-Früh-Aufsteher Ein Broker, ein Seller Ein Intellektueller Ein Helfer, ein Heiler Im Grunde ein Geiler Bin ein Schöpfer, ein Macher Beschützer, Bewacher Ein Forscher, ein Retter Adretter Jet-Setter Gestählter Don Juan Ein Bild von einem Mann So steh ich vor dir, und höre dann Zieh die Schuhe aus, bring den Müll raus Pass aufs Kind auf, und dann räum hier auf Geh nicht spät aus, nicht wieder bis um Eins Ich verstehe was du sagst, aber nicht was du meinst DIE LISTE: Sie joggt jeden Tag um viertel vor zehn Ich steh manchmal auf, nur um sie Laufen zu sehen Und sie an der Kasse, die Schlange ist lang Die andern sind frei, egal, ich warte so lang Es ist Mai Ich laufe durch Berlin Und sammle Fantasien Und Du gehörst jetzt dazu Ich hab Dich ganz groß auf'm Zettel Du bist der Lichtblick meiner Wahl Ich leg Dich ab in meinem Register Und da würd ich gerne mal Du bist eine, mit der man mal müsste Man müsste sich nur mal trau'n Du stehst ganz oben auf meiner Liste Der noch zu küssenden Frau'n IN DIESEM MOMENT: In diesem Moment Geht irgendwo die Sonne auf Nimmt ein Schicksal seinen Lauf Erlischt irgendwo ein Stern Scheint das Glück unendlich fern Werden Zwillinge geboren Seite 28 Und Liebeslügen geschworen Werden Hoffnungen zerstört Und ein Gebet erhört Und irgendwo wird‘s gerade Sommer Und anderswo schon Herbst Und Menschen glauben fest daran Dass ihre Jugend wiederkehrt Und als einer von Millionen Steh ich hier und schau nach oben Frag mich wo du gerade bist Und wie es da wohl ist Und als einer von Millionen Der an Erinnerungen hängt Fühl ich dass du gerade hier bist In diesem Moment 5.4. Vorsicht beim Texten All Jenen, die diesem Trend entgegen wirken wollen und fortan mehr Qualität in einen Song legen wollen, denen seien noch folgende Tipps mit auf dem Weg gegeben: Man sollte vermeiden, dass sich eine Aussage über mehr als eine Zeile zieht. Es singt sich nicht nur unschön, sondern zieht den Song unnötig in die Länge. Ein guter Texter schafft es, in die Kürze einer Textzeile seinen Inhalt knackig zu transportieren. Das ein oder andere Mal mag das in Ordnung sein, Dinge länger zu ziehen, doch es sollte nicht zur Norm werden. Ein Song hat das gleiche Problem, wie ein Drehbuch: Anfänger mögen keinen 1. Akt. Wie man im Film möglichst schnell zu den spannenden Momenten kommen möchte, kann man im Song kaum mehr den Refrain abwarten. In solchen Fällen wird die 1. Strophe schnell zu einer langatmigen Vorbereitung des Refrains. Aber das kann es ja wohl nicht sein. Wie beim 1. Akt, muss auch die 1. Strophe bereits ein wichtiger und wertvoller Bestandteil des Ganzen sein. Wenn die Eingangsstrophe nur so vor sich her plätschert, kann man sie ebenso gut streichen und direkt mit dem Refrain starten. Der 0-Dialog hat in einem Song nichts zu suchen. Im Drehbuch transportieren hauptsächlich die Schauspieler den Inhalt des Textes, doch ein Sänger ist in seiner Interpretation deutlich eingeschränkter. Umso wichtiger ist es, dass ein Songtext bis ins kleinste Detail sauber durchdacht wurde. Ist ein Songtext fertig, muss jede Zeile, jedes Wort, seine Berechtigung haben. So ein Songtext ist, im Gegensatz zum Drehbuch, schnell vorbei. Da gilt es, sich gut zu überlegen, wie man die wenige Zeit möglichst ausdrucksstark nutzen will. Kleine Übung: Songtext-Cover Suche dir einen Partner, der auch gerne textet und schreibt euch gegenseitig Songtexte per Mail. Das geht so: Jeder bekommt von seinem Partner ein Thema und drei bis fünf Pflichtwörter, die eingebaut werden müssen. Dann sucht man sich einen bestehenden Song seiner Wahl aus und verfasst einen neuen Text zum ausgewählten Song, nach den Vorgaben des Partners. Ich bekam einmal als Thema Berlin und musste anstrengend, stinken, Promis und Touristen einbauen. Daraus wurde dann, nach dem Original von Rainald Grebes BRANDENBURG der folgende Songtext: Ich bin ein Berliner Kindl Bin ein echtes Berliner Kindl Und ich trink Krombacher, Krombacher Seite 29 Das ist Berlin, ist Berlin Wenn Obdachlose stinkend durch die Bahnen zieh’n Das sind unsre Promis Die niemand haben will Hier in Berlin Sie sind nicht immer willkommen Sie sollen schnell weggeh’n Weil sie uns immer weiter in den Dreck zieh’n Hier in Berlin Wenn ihr Geld gebt, kriegt’s die Mafia Gebt kein Brot, macht euch lieber satt, ja Das ist Berlin, ist Berlin Gott ist mehr hier, ist nicht mehr in Berlin Wo ist der gerechte Mann, der was tun will Oder leben wir alle schon „Highwell to Hell“? In Berlin Die Christen strahlen für sich Die Juden sind nicht mehr da Und der Islam tagt heute ganz woanders Sag, wer hilft? Berlin, alle woll’n nach Berlin Immer wieder Berlin Dafür lohnt sich’s zu leben Willkommen in der Stadt Das ist Berlin, ist Berlin Wenn man echte Promis an den Wänden sieht Muss anstrengend sein, ein Promi zu bleiben In Berlin Grad noch auf der Berlinale Und schon aus Wachs steh‘n Dort kann man die Zeiten überleben In Berlin Und Frau Merkel übt weiter an ihrem Gesicht Sagt im Fernsehen nur „Sie kennen mich“ Live aus Berlin, aus Berlin Sie wirkt so ausgestopft, irgendwie Politik soll das Land weitertreiben Doch irgendwie kann sich bei den Keiner leiden In Berlin Touristen stehen Schlang und warten ewig Manch einer wird beim vielen Warten selig Vor Berlin Berlin, alle woll’n nach Berlin... Seite 30 6. Adaption literarischer Vorlagen Viele der Filme, die wir heute sehen sind Adaptionen, wie zum Beispiel KÜSS DEN FROSCH, DAS JOHANNES-EVANGELIUM oder ONE NIGHT WITH THE KING. Das bedeutet, es hat sich kein Drehbuchautor an seinen Schreibtisch gesetzt und frei eine Geschichte entwickelt. Stattdessen ließ er sich, stark oder schwach, von einem Buch, einer Sage/Märchen, einem Theaterstück, einem Lied, einem Spiel oder einer wahren Begebenheiten inspirieren. Teilweise weiß das Publikum nicht einmal, dass es gerade eine Adaption sieht. Die verschiedenen Adaptionsarten unterteilen sich nach ihrem Umgang mit dem Original. Alle Adaptionsarten bemühen sich um ein innovatives Drehbuch. Doch sie alle gewinnen viel, wenn sie vieles aus dem Originalwerk übernehmen und adaptieren. 6.1. Direkte Adaption Sie sind die größten Fans und die schärfsten Kritiker einer Buchverfilmung: die Leser des Originalwerkes. Es ist natürlich das Anliegen der Buchfreunde, dass ihr geschätztes Literaturwerk möglichst 1:1 filmisch umgesetzt wird, wenn es denn verfilmt wird. Oft fehlt den Lesern jedoch der Blick für den Aufbau und die Gestaltung eines Films, deren Umsetzbarkeit oder auch den Zeitgeist. Doch entgegen aller Vorurteile werden auch heutzutage noch Buchverfilmungen produziert, die sich sehr nah an ihrer literarischen Vorlage orientieren. Die Direkte Adaption ist noch nicht ausgestorben. Filme wie OLIVER TWIST (2005), PETER PAN (2003) und BRAM STOKERS DRACULA zeigen, dass sich Werktreue und Erfolg nicht grundsätzlich im Weg stehen müssen. Die Direkte Adaption erlaubt nur wenige künstlerische Freiheiten bei der Gestaltung des Drehbuches und allem, was damit zusammenhängt. Eine genaue 1:1-Umsetzung sollte angestrebt werden, um dem Original möglichst gerecht zu werden. Denn das ist es, was viele der Zuschauer von einer solchen Adaption erwarten. Aus diesem Grund stellt die Direkte Adaption, in der Regel, die aufwendigste Art der Adaptionen dar. Doch im Falle einer gelungenen Umsetzung gewinnt man Buchfreunde und Buchfremde gleichermaßen. Die Gefahr der Direkten Adaption liegt darin, beim Studium des Buches, die Erzählweise des Films zu vergessen. Manche Buchverfilmungen geben sich große Mühe, dem Original gerecht zu werden, sodass sie so wenig wie möglich Szenen gestrichen haben. Dabei kann die Handlung für den Zuschauer unübersichtlicher oder gar ermüdend werden. Denn Fakt ist, dass Roman und Film zwei verschiedene Erzählweisen haben. 6.2. Indirekte Adaption Die Motive der Filmemacher sind verschieden. Vielleicht ist es die künstlerische Freiheit oder die Tatsache, dass es scheinbar leichter ist, eine indirekte Adaption von einem Buch zu produzieren, als eine direkte. Filme wie DER KLANG DES HERZENS, 10 DINGE, DIE ICH AN DIR HASSE oder VAN HELSING bringen die großen Geschichten der Weltliteratur an ein modernes Publikum. Teilweise ist es schwer auszumachen, um welches Originalwerk es sich bei einer indirekten Adaption handelt. Beispielsweise denken beim Film KLICK wohl die Wenigsten an Charles Dickens EINE WEIHNACHTSGESCHICHTE. Die Schwierigkeit der klaren Zuordnung dieser Adaption liegt darin, dass es sowohl Beispiele gibt, die in sehr vielen Punkten mit dem Original übereinstimmen und in anderen Filmen wiederum sind die Gemeinsamkeiten nur noch flüchtig zu erkennen. Viele solcher Filme reduzieren sich lediglich auf das grobe Handlungsgerüst der Vorlage. Worin unterscheidet sich grundsätzlich die indirekte Adaption von der direkten? Man kann wohl keine Prozentzahl festlegen, wie viel vom Original in der filmischen Umsetzung eingearbeitet werden muss, damit es eine direkte Adaption ist. Ein Unterschied liegt aber sicherlich in der Herangehensweise der Seite 31 Autoren. Der direkten Adaption liegt daran, das Original zu verfilmen. Die indirekte Adaption nimmt sich das Original zum Vorbild, zur Inspirationsquelle, für eine adaptierte-eigene Geschichte. Das wird u.a. dadurch sichtbar, dass in dieser Adaption weitere Figuren und Handlungsstränge eingebaut werden, die für die eigentliche Geschichte nicht zwingend notwendig sind, aber ein Teil der Adaption sind. Des Weiteren werden bei der indirekten Adaption häufig Namen der Charaktere, Schauplätze und Erzählzeit geändert. Gerne verlegen Autoren die Klassiker der Literaturgeschichte in die heutige Zeit, so auch in der STOLZ UND VORURTEIL-Adaption BRIDGET JONES - SCHOKOLADE ZUM FRÜHSTÜCK oder Die Reise zur geheimnisvollen Insel, die Jules Vernes Die geheimnisvolle Insel adaptiert. 6.3. Weitere Adaptionen Bei diesen Adaptionen bekommt der Zuschauer mehr, als er gewohnt ist. Die Leser des Buches sind mit den Figuren vertraut, sie lernen sie beim Lesen Stück für Stück kennen. Sie beginnen mit ihnen zu fühlen und Partei für oder gegen sie zu ergreifen. Manchmal ist es beinahe schon bedauerlich, wenn ein Buch fertig gelesen ist, die Geschichte vorbei ist. Hier kann die Prequel-/Sequel-/Sidequel-/Spinoff-/Crossover-Adaption eingreifen. Sie bieten den Lesern die Möglichkeit, weitere spannende Geschichten mit ihren Helden zu erleben. Umso wichtiger ist es, dass diese Adaptionen den Figuren, die aus dem Buch übernommen werden, möglichst gerecht werden. 6.3.1. Das Prequel Bei einer Prequel-Adaption greifen die Autoren zum Kernelement des Buches und bauen zusammen mit den wichtigsten/beliebtesten Charakteren eine Handlung auf, wie sich die Geschichte vor der Geschichte zugetragen haben könnte. DRACULA UNTOLD ist eine solche Adaption. Die zeigt eine mögliche Vorgeschichte zu Bram Stockers DRACULA und wie es überhaupt dazu kam, dass Fürst Vlad zu Dracula, dem Vampir, wurde. 6.3.2. Das Sequel In Sequels geht es vor allem darum, die bekannten Figuren weitere Abenteuer, nach den Geschehnissen der Vorlage, erleben zu lassen. Ein klassischer Vertreter ist der Film HOOK. Peter Pan ist erwachsen geworden und lebt nicht mehr im Nimmerland. Doch Kapitän James Hook entführt seine Kinder und so muss er zurückkehren und erneut den Kampf gegen seinen Erzfeind aufnehmen. 6.3.3. Das Sidequel Das Sidequel erzählt die adaptierte Geschichte aus einem neuen Blickwinkel. Dabei wird eine Figur des Originals genommen und ihre Sicht auf die Ereignisse geschildert, so beispielsweise in dem Fernseh-Zweiteile MERLIN. 6.3.4. Das Spin-off Bei einer Spin-off-Adaption bekommt eine Figur der Originalgeschichte ihren eigenen Film. Heutzutage wird sowas vor allem bei beliebten Figuren aus Kinderfilmen gemacht, wie beispielsweise in den Filmen DIE PINGUINE AUS MADAGASCAR und MINIONS. Wenn eine Figur oder Figurengruppe besonders beliebt beim Publikum ist, dann macht es Sinn, über ein mögliches Spin-off nachzudenken. Im Unterschied zum Sidequel geht es beim Spin-off nicht darum, die Geschichte des Originals aus einem anderen Blickwinkel zu erzählen. Im Spin-off wird aufgezeigt, wie eine Figur des Originals überhaupt erst in die Geschichte gekommen ist oder wie es mit ihr nach dem Seite 32 Abenteuer weiterging. Ist diese Figur der Protagonist des Originals, handelt es sich stattdessen um ein Prequel/Sequel. 6.3.5. Das Crossover In einem Crossover nimmt man Figuren verschiedener Werke und lässt sie in einem gemeinsamen Film auftreten. Einer der bekanntesten Crossovers ist wohl MARVEL’S THE AVENGERS, in dem u.a. Iron Man, Captain America, Thor und der Hulk aufeinandertreffen. Die Literatur-Version der Avengers bildet der Film DIE LIGA DER AUSSERGEWÖHNLICHEN GENTLEMEN. Hier treffen Allan Quatermain, Tom Sawyer, Mina Harker (die Geliebte aus DRACULA), Dorian Gray, Der Unsichtbare, Kapitän Nemo (aus 20.000 MEILEN UNTER DEM MEER), Dr. Jekyll und SHERLOCK HOLMES-Bösewicht Professor James Moriarty aufeinander. Sämtliche Märchenfiguren hingegen begegnen sich in dem Fernseh-Mehrteiler DAS ZEHNTE KÖNIGREICH. Und in der NACHTS IM MUSEUM-Trilogie sind es Figuren unserer Zeitgeschichte, die erstmals gemeinsame Abenteuer erleben. 6.4. Entstehungs-Adaption Hin und wieder kommt es vor, dass eine Entstehungs-Adaption produziert wird. Gemeint sind Filme, die die Geschichte eines Schriftstellers erzählen. Innerhalb des Films geht es darum, wie dieser Autor eines seiner bekannten Werke entwickelt hat. Der Zuschauer ist in der Regel mit dem Stück oder Buch, welches im Film entwickelt wird, vertraut. Diese Filme können sowohl auf wahren Tatsachen beruhen und biografisch das Leben des Künstlers erzählen, als auch fiktiv sein. Zwar sind solche Filme, wenn sie keine fiktive Geschichte erzählen, meist direkte oder indirekte Adaptionen der Biografie, doch ebenso bildet die Entstehungs-Adaption eine besondere Art der Adaption zum Werk des Künstlers. Denn die Filmschaffenden bauen häufig filmische Zitate des Originalwerkes in ihre Geschichte mit ein. Zum einen, um zu verdeutlichen, wie dessen Autor auf die Ideen gekommen ist und zum anderen, um einen Wiedererkennungswert für den Zuschauer zu schaffen. In SHAKESPEARE IN LOVE beispielsweise, läuft William an einem Prediger vorbei, der über den Marktplatz ausruft: „Die Pest auf beide Eurer Häuser!“ und er verwendet diesen Ausspruch schließlich in ROMEO UND JULIA, als Mercutio von Tybalt getötet wird. Filme, wie LUTHER zählen nicht zu den Entstehungs-Adaptionen, da sie zwar davon erzählen, wie ein Werk entsteht, aber das Werk nicht adaptieren. Das tun hingegen Filme, wie WENN TRÄUME FLIEGEN LERNEN. In diesem Film, beispielsweise, geht es um die Entstehung von PETER PAN. Kleine Übung 1. HOLLYWOOD VOLLER ADAPTIONEN Finde mindestens ein weiteres Beispiel zu den aufgeführten Adaptionsarten aus der Filmwelt. 2. ADAPTIERE. Suche dir ein Buch, Theaterstück, Spiel etc. und entwickle dafür ein grobes Adaptionskonzept zu jeder Adaptionsart. Seite 33 7. Gott im Film Abschließend noch ein sehr spezielles Thema in eigener Sache: Filme mit religiösen Inhalten. Sich in einem Buch mit solchen Themen zu befassen, kann sehr reizvoll sein. Es ist schließlich eines der großen Menschheitsthemen, auch heute noch. Doch wirklich Gläubige sind eine schwierige Zielgruppe. Wenn man sich in dieses Terrain wagt, dann sollte man es auch richtig machen, denn letztlich geht es bei dem Thema immer nur um eins: Gott zu ehren. 7.1. Was der Glaube bedeutet Ist es wirklich notwendig, dass man sich mit seinem Drehbuch gegen eine Glaubensrichtung stellt? In der Regel ist Religion Frieden, kein Krieg. Wozu sie also angreifen? Der Glaube sucht Erlösung und Nähe zu Gott. Mit diesem Fokus kann man arbeiten. Doch Gott sollte nicht die Zielscheibe der Kritik sein, denn er ist vollkommen gut. Es spricht allerdings nichts dagegen, Menschen und ihr Versagen ins Visier zu nehmen. Der Mensch ist nicht perfekt und lebt in einer gefallenen Schöpfung. Da sind Probleme vorprogrammiert. Der Mensch ist in seinem Innern nicht gut. Da liegt es nah, dass er Fehler macht, schlimme Fehler. Die Menschheitsgeschichte ist voll davon und auch die Gegenwart zeichnet kein besseres Bild ab. Demnach sollte ein Film nicht Gott verurteilen, sondern Jene, die sich anmaßen in seinem Namen zu sprechen und dabei ihren eigenen Vorteil suchen oder blind geworden sind. Menschen zu verurteilen, statt Gott und den Glauben, ist fair. Alles andere erbost nur unnötig die potentielle Zielgruppe und wäre ein Schuss in den Ofen. Das kann man intelligenter lösen. 7.2. Religiöse Symbolik im Film Symbolik, nur um der Symbolik willen, ist verschossenes Pulver, das die Falschen trifft. Beschäftigt sich eine Geschichte mit religiösen Themen, sind gewisse Symbole und filmische Zitate sehr hilfreich. Allerdings sollte man aufpassen, wann und wie man diese einsetzt, Symbole sind sehr stark. Wenn ihre Bedeutung nicht vollkommen klar ist oder der Einsatz nicht wirklich nötig ist, sollte man vielleicht besser darauf verzichten. 7.3. Darf man eigentlich die Bibel verfilmen? Der Glaube, der am weitesten verbreitet ist, ist der an Jesus und den Gott, der sich in der Bibel offenbart. Die meisten religiösen Filme befassen sich auch mit eben diesem Glauben. Aber darf man das Buch der Bücher überhaupt filmisch visualisieren? Die Bibel selbst sagt dazu folgendes: „Mache du dir kein Götterbild, kein Abbild sollst du dir machen, weder von dem, was im Himmel ist, noch auf der Erde oder unter dem Meer!“13 Anhand dieses Verses ist man allgemein der Ansicht, dass es eine Sünde ist, Gott, Jesus oder Engel darzustellen. Allerdings macht der Zusammenhang deutlich, dass es hier um die Darstellung von Götzen, falschen Göttern, geht, denn Gott ist ein eifersüchtiger Gott. Tatsache ist, dass Gott sogar die Darstellung von Engeln anordnet: Bei der Herstellung der Bundeslade, sowie dem Bau von Gottes Tempel sollen Engel/Cherubim dargestellt werden.14 Jesus hingegen war für die Menschen seiner Zeit sichtbar. Damals hat er keinem verboten, ihn anzusehen, damit man sich kein Bild macht. Andrerseits ordnete Gott nie an, dass man Bilder anfertigt, damit beispielsweise heute auch jeder weiß, wie Jesus ausgesehen hat. Das Problem bei der Darstellung Gottes ist, dass er zu vielschichtig ist, um ihn angemessen darzustellen. 13 14 Die Bibel: Exodus 20,4. Die Bibel: Exodus 25,18ff und 1. Könige 6,23-35. Seite 34 Der Film EXODUS: GÖTTER UND KÖNIGE hat sich etwas sehr Spezielles einfallen lassen, um Gott zu visualisieren. Anstatt sie Gott versucht haben, in seiner Herrlichkeit darzustellen, oder ihn auf die Stimme aus dem Busch zu beschränken, stellten die Filmemacher Gott im Kontext der Geschichte dar. Zurzeit von Mose und dem Auszug aus Ägypten ging es um die Befreiung von Gottes Volk und wie er an Ägypten seine Macht offenbart. Auf diesen Teil von Gottes Wesen wurde auch die Darstellung beschränkt. Und so steht Mose einem kleinen Jungen gegenüber, der deutlich macht, wie Gottes Zorn über die Ägypter wütet, weil sie sein Volk versklavt haben und dass die Geschichte mit Gottes Volk erst am Anfang steht. Dann ist da noch der Sonderfall mit der Stimme Gottes. In Bibelfilmen gibt es schon lange ein ungeschriebenes Gesetz, dass die Stimme Gottes von dem gesprochen wird, mit dem er sich unterhält. Auf diese Weise stellt man nicht direkt die Stimme Gottes dar, sondern quasi die Stimme Gottes im Herzen des Gläubigen. ... Das kann man so handhaben, muss man aber nicht. Fazit: Das scheinbare Darstellungsverbot bezieht sich in erster Linie auf die Darstellung, und Anbetung, falscher Götter. Zumindest zur Zeit der Bibel hatte man Bilder von Engeln und konnte Jesus wirklich sehen. Doch wenn man Gott darstellt, presst man ihn eine Form, in die er nicht passt.15 7.4. Wenn schon Bibel, dann auch bitte richtig... ... oder doch nicht? Der Film NOAH nimmt Bezug auf den Schöpfungsbericht aus Genesis 1. Noah, gespielt von Russell Crowe, erzählt seiner Familie, wie Gott die Erde geschaffen hat: „Am Anfang war das Nichts. Nichts, nur die Stille einer unendlichen Dunkelheit. Und der Atem des Schöpfers berührte zart das Antlitz der Leere, er flüsterte ‘Es werde Licht!‘ und es ward Licht. Und es war gut.“ Aber Halt. So lautet der Bibeltext doch gar nicht. Richtig wäre: „Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde. Die Erde war wüst und leer. Eine Finsternis lag über dem Angesicht der Tiefe, und der Geist Gottes schwebte über den Wassern. Dann sprach Gott: ‘Es werde Licht!‘ Da entstand das Licht. Gott sah es und sah, dass gut war.“16 Der NOAH-Film passt an der Stelle, wie auch an anderen dieser Erzählung, die biblische Darstellung der modernen Auffassung an, wie der Kosmos entstanden sein muss. Am Anfang aller Dinge steht nun nicht mehr ein allmächtiger Gott, sondern das dunkle Nichts aus dem irgendwann ein Knall kommt, der alles in Bewegung bringt. Aber wenn man Gott seine Göttlichkeit nimmt... dann kann man ihn auch gleich komplett weglassen. 7.5. Der christliche Film Es gibt verschiedene Art und Weisen, sich mit religiösen Themen im Film auseinander zu setzen. Die Filmwelt ist, wenn man es so betrachtet, sehr christlich geprägt. Filme aus dem buddhistischen, islamistischen oder hinduistischen Kontext sind da eher rar. 7.5.1. Bibelfilme Wenn man sich entschließt, die Bibel direkt zu verfilmen, dann sollte man sich auch dazu entschließen, die Bibel direkt zu verfilmen. Das Buch der Bücher gehört nicht in die gleiche Kategorie, wie DAS GROSSE SPIEL17 oder SCHIFFBRUCH MIT TIGER18. 15 Predigt von Ansgar N. Przesang: http://audio.kassettothek.de/mp3/ktn00074.mp3 (Stand: 16.07.2015). Die Bibel: Genesis 1,1-4. 17 Buchvorlage zu ENDER’S GAME - DAS GROSSE SPIEL. 18 Buchvorlage zu LIFE OF PI: SCHIFFBRUCH MIT TIGER. 16 Seite 35 Bei einer Bibelverfilmung sollte künstlerische Freiheit nur ein Werkzeug sein, um die dramaturgischen Lücken zu füllen. Sie ist nicht dazu da, um die Geschichte in einem neuen Licht darzustellen. Wenn man nicht bereit ist, die Bibel direkt zu adaptieren, sollte man es auch nicht tun. Man mutet sich zu, Gott darzustellen, ohne ihn ernst zu nehmen... sehr gewagt. Filme, wie DER PRINZ VON ÄGYPTEN, DIE PASSION CHRISTI und ONE NIGHT WITH THE KING, machen deutlich, dass es durchaus möglich ist, einen unterhaltsamen und gleichsam werktreuen Bibelfilm zu produzieren. Es muss nicht immer eine 1:1-Umsetzung sein, wie DAS JOHANNESEVANGELIUM, aber man sollte sich ernsthaft mit der Vorlage auseinander setzen und versuchen, ihr gerecht zu werden. 7.5.2. Missionsfilme Christen lernen nicht, wie man Drehbücher schreibt und Heiden lernen nicht, wie man Gott im Film ehrt. In dieser Schere entstehen christliche Produktionen, die dem Zuschauer Gott so derbe ins Gesicht schlagen, dass es fast schon wehtut. Und nicht selten vergessen sie dabei oft, wie man filmisch eine Geschichte erzählt. Für den gläubigen Filmemacher liegt der Fokus darauf, mit seinem Film anderen von Gott zu erzählen. ABER EIN FILM IST KEINE VISUALISIERTE PREDIGT. Er funktioniert ganz anders und hat auch eine ganz andere Aufgabe. Das darf man nicht vergessen. Die Frage ist, ob man durch einen Film überhaupt wirklich zu Gott finden kann. Oder sollte sich der Film darauf beschränken, Gottes Namen groß zu machen und die restliche Arbeit den Gemeinden überlassen? 7.5.3. Narnia und Superman DIE CHRONIKEN VON NARNIA ist eine christliche Geschichte, Simba begegnet Gott und Superman ist Jesus... C. S. Lewis, der Autor der NARNIA-Romane, kam durch die Freundschaft mit DER HERR DER RINGE-Autor J. R. R. Tolkien zum Glauben. In seiner NARNIA-Geschichte hat Lewis anschließend diverse christliche Motive verarbeitet, allerdings so allgemein, dass heute niemand mehr Gott oder Jesus in den Geschichten wiederfindet, der nicht von ihren Anspielungen weiß. Wozu dann aber solche Allegorien verarbeiten? Solche Verlinkungen zum Glauben machen ja nur Sinn, wenn sie Gott ehren. Aber wenn niemand ihn in der Geschichte erkennt, ehrt ihn das nicht. In diesem Fall bringt das auch nichts. Superman, der Man of Steel, hat scheinbar viel mit Jesus gemeinsam: Ein weiser Mann schickt seinen einzigen Sohn auf die Erde, damit er die Menschheit errette. Aufgezogen wird er von einem irdischen Pärchen und mit 30 erkennt er seine wahre Berufung und wird zum Erlöser. Und nicht zuletzt wurde der Stählerne in den letzten Verfilmungen in Kreuzigungsposition gezeigt.19 Doch auch hier stellt sich die Frage, wozu diese Andeutungen hilfreich sind. Es ist nicht verboten, solche Allegorien aufzubauen und kann auch sehr interessant sein. Jedoch sollten sich Autoren zweimal überlegen, ob sie solche extremen Vergleiche herstellen wollen. Anders erging es den Autoren von Disneys DER KÖNIG DER LÖWEN. Der Film stellt eine indirekte Adaption von Shakespeares HAMLET dar, doch für die Szene, in der Simba den Geist seines Vaters sieht, ließ sich das Studio von Mose und seiner Begegnung mit dem brennenden Dornenbusch inspirieren20, was durchaus legitim ist. Inspiration ist nicht das Gleiche, wie Adaption. 19 Mehr dazu hier: https://www.youtube.com/watch?list=PLkwa8VWaYMua3xm5mfpY9C1V32V_Iss1m&v=3eY1sG2VWEg&featur e=player_detailpage#t=336 (Stand: 16.07.2015). 20 Vgl. DVD: DER KÖNIG DER LÖWEN (Special Edition). Seite 36 7.5.4. Die richtigen Impulse Aber vielleicht muss man gar keine epische Bibelfilm-Produktion machen oder andere primärgeistliche Geschichten schreiben, um Gottes Wesen zu zeigen. In Victor Hugos Roman DIE ELENDEN geht es zwar im Grunde um einen Mann, der zu einem besseren Menschen geworden ist, doch tatsächlich schaut die Geschichte auf die Entwicklung der französischen Revolution. In einer der vielen LES MISÉRABLES-Verfilmungen dieses Buches, wird der Bischof, auf den Jean Valjean trifft, besonders gelungen dargestellt. Nachdem Valjean den Bischof nachts ausgeraubt und bewusstlos geschlagen hat, wird er am nächsten Morgen von der Polizei abgefangen. Die Frau des Bischofs trauert noch um das verlorene Silber, während ihr Gatte sich in Gott geborgen weiß: „Dann essen wir jetzt eben mit Holzlöffeln. Und jetzt will ich nichts mehr davon hören.“ Valjean wird von den Beamten zum Bischof und seiner Frau gebracht: „Bitte verzeihen Sie die Störung, aber dieser Mann fiel mir auf.“ „Sie haben ihn. Oh Gott sei’s gedankt.“ Doch anstatt sich an die Polizisten zu wenden, steuert der Bischof direkt auf Valjean zu: „Ich bin wirklich sehr böse mit Ihnen, Jean Valjean.“ „Was ist denn mit Ihrem Auge, mon Monsieur?“ „Er war gestern mein Gast, hat er das nicht gesagt?“ „Oh ja, als wir seinen Beutel durchsuchten und all das Silber zum Vorschein kam. Er hat behauptet, dass Sie’s ihm geschenkt haben.“ „Ja. Natürlich hab ich’s ihm geschenkt. Aber wieso haben Sie die Kerzenleuchter nicht mitgenommen? Das war sehr dumm. Madame Gilot holen Sie die silbernen Leuchter. Die sind mehr als 2.000 Franc wert. Die hätten Sie mitnehmen müssen. Na los. Monsieur Valjean muss sich sputen, er hat schon viel Zeit verloren. Haben Sie sie vergessen?“ „Soll das etwa heißen, er sagt die Wahrheit?“ „Selbstverständlich. Gut, dass Sie ihn zurückgebracht haben. Ich bin erleichtert.“ „Lasst ihn frei.“ „Sie... Sie lassen mich wirklich gehen?“ „Hast du nicht gehört, was der Bischof sagt?!“ „Madame Gilot bieten Sie den Herren Wein an. Sie müssen durstig sein. Ich danke Ihnen.“ ... Und nachdem die Frau des Bischofs die Polizisten ins Haus gebracht hat, wendet sich der Bischof nun mit ernster Miene direkt an Valjean: „Vergessen Sie’s nicht. Vergessen Sie es nie. Sie haben versprochen, ein neuer Mensch zu werden.“ „Versprochen? Wieso tun Sie das?“ „Jean Valjean, mein Bruder, du gehörst nicht mehr dem Bösen. Mit diesem Silber habe ich deine Seele freigekauft. Ich habe Furcht und Hass ein Lösegeld entrichtet und nun gebe ich dich Gott zurück.“ Na bitte! Endlich mal eine geistliche Figur, die nicht der konservative Schwellenhüter ist oder die Macht der Kirche nährt. Nein, dieser Mann setzt die richtigen Impulse! Und vielleicht ist es genau das, was den christlichen Film ausmachen sollte, keine Gott-gefüllte Geschichte, sondern mindestens eine Figur, die in einer Welt des Hasses einfach mal den Unterschied macht. Vielleicht ist das der Weg, wie man publikumstaugliche Geschichten erzählen und gleichermaßen Gottes Namen groß machen kann... der “heilige Gral“ des christlichen Films. 7.5.5. Drehbuch-schreiben als Christ Abschließend noch ein gesondertes Thema für die gläubigen Autoren. „... Wer weiß, vielleicht kamst du gerade in den Palast... weil die Zeit dafür reif war.“21 Und vielleicht bist grade du Autor/Filmemacher, weil die Zeit reif dafür ist, dass ein wahrer Gläubiger die richtigen Geschichten im Film erzählt. Es ist eine sehr spezielle Sparte und eine Herausforderung... aber auch eine besondere Ehre, zu der du berufen sein könntest. Wenn du dich darauf einlassen möchtest, dann tu es aus vollem Herzen und höre auf das, was Gott dir sagt, denn er wird nicht nur sein Reich bauen, sondern dir auch die richtigen Denkanstöße für dein Drehbuch geben. 21 Zitat aus ONE NIGHT WITH THE KING. Seite 37 Wenn Gott will, dass du ein solches Projekt schreibst/drehst, dann wirst du es merken, versprochen. Du wirst in deinem Gebetsleben merken, wie du in eine bestimmte Richtung geführt wirst. Du wirst beim Schreiben merken, dass bestimmte Dinge nicht reinpassen und andere einfach genau jetzt dran sind. Du wirst beim Ideensammeln merken, wie plötzlich Gedanken aufkommen, die dir vorher nie in den Sinn gekommen wären. Gott schreibt Geschichte, zuweilen nicht nur im Leben, sondern auch beim Drehbuch. Seite 38 8. Das Drehbuch ist fertig… scheinbar Das Drehbuch ist geschrieben und jetzt endlich fertig. Man hat viel Arbeit reingesteckt, tolle Szenen geschrieben und Figuren erschaffen, die einem richtig ans Herz gewachsen sind. Jetzt gilt es erstmal... drüber schlafen, ehe man in die letzte Phase kommt. 8.1. Überprüfen des Buches Von Rechtschreib- und Grammatikfehlern abgesehen, empfiehlt es sich, das eigene Buch nochmal zu überarbeiten. Nachdem die Freude darüber, dass man es geschafft hat, abgeklungen ist, sollte man sein Buch nochmal kritisch hinterfragen, ehe es weitergegeben wird. Hin und wieder werden Dialoge auftauchen, die man nochmal im Detail anpassen kann. Womöglich hat man an der einen oder anderen Stelle etwas vergessen. Und es gilt herauszufinden, ob die Handlung schlüssig und flüssig ist. 8.2. Streichen von Szenen Ist man mit dem Buch zufrieden, folgt der nächste Schritt: das Kürzen. Theoretisch sollte es auf DVDs keine entfallenen Szenen von Filmen geben. Wenn Szenen nicht ins Buch passen oder zu lang sind, kann man das eigentlich schon am Schreibtisch feststellen, lange bevor man in einer teuren Produktion mit den Dreharbeiten beginnt. Auch, wenn man an manchen Szenen hängt, sollte man den Mut haben, sie zu streichen, wenn es nötig ist. Es kann sogar vorkommen, dass man manche Figuren komplett streichen muss. Beantwortet man bei einer Szene alle drei der folgenden Fragen für sich mit einem „nein“, dann lohnt es sich vermutlich, diese Szene aus dem Buch zu nehmen: 1. Bringt die Szene etwas Neues über die Charaktere? 2. Lenkt die Szene ab oder trägt sie die Handlung weiter fort? 3. Bereitet die Szene etwas vor?22 8.3. Fragen ans Drehbuch Im letzten Schritt sollte man sein Buch nochmal selbst reflektieren. Damit wird gewährleistet, dass nichts vergessen wurde und die Geschichte wirklich zum bestmöglichen Drehbuch entwickelt wurde... 8.3.1. Fragen zu den Figuren - Wessen Geschichte ist es? Was ist das Ziel des Helden und erkennt man es? Was riskiert der Held, wenn er verliert? Verfolgt der Held sein Ziel aktiv? Wo liegt die Achillesverse der Figur? Sind die Figuren interessant geschrieben oder eher stereotyp? Haben alle Figuren eine Funktion in der Geschichte? Kann man sich mit den Figuren identifizieren? 8.3.2. Fragen zum Plot 22 Gibt es einen durchgehenden Hauptkonflikt? Wäre der Konflikt vermeidbar gewesen? Wenn ja, wie? Ist der Antagonist stark genug? Lässt sich bereits absehen, wer gewinnen wird? Spitzt sich der Konflikt ausreichend zu? Vgl. 2.5. Das Säen-Ernte-Prinzip. Seite 39 - Welche Hindernisse muss der Held überwinden und steigern sich diese? 8.3.3. Fragen zur Handlung - Wird deutlich, was dem Helden seinen Anstoß gibt? Fügt sich der 1. Akt in die Geschichte oder ist er nur Mittel zum Zweck? Könnte der Held zu Beginn des 2. Aktes wieder umkehren? Dienen die Szenen der Handlung oder lenken sie ab? Worin liegt die Spannung des 3. Aktes? Passen Anstoß und Auflösung zueinander? Beeinflussen die Nebenhandlungen die Haupthandlung? Beschreiben die Nebenhandlungen nur einen Zustand oder entwickeln sie sich? Hat jede Szene ihre Berechtigung? Sind in jeder Szene der Protagonist und sein Ziel klar? Beginnt eine Szene immer so spät wie möglich oder hat sie eine unnötig lange Einführung? Könnte ein anderer Ort oder Umstand die Wirkung einer Szene verstärken? Sind die alle Geschehnisse plausibel? Stimmt das Tempo des Films? 8.4. Testleser Ich lasse, eh die Schauspieler das fertige Buch bekommen, immer ganz gerne mein Drehbuch testlesen. Da der fertige Film ja auf ein Publikum wirken soll, dass beim Sehen andere Intentionen hat, als ich selbst, lasse ich auch das Drehbuch einen kleinen Test unterziehen. Aber Vorsicht, nicht Jeder ist dafür geeignet. Ich hatte schon Testleser, die sich beklagten, dass das Drehbuch total emotionslos und langweilig geschrieben ist. Damit war aber nicht die Filmhandlung gemeint, sondern der Stil des Drehbuches. Diese Personen hatten in ihrem Leben noch nie ein Drehbuch gelesen und erwarteten, dass es sich ebenso unterhaltsam liest wie ein Roman. Andere taugen nicht zu Testlesern, weil sie einem nur Honig ums Maul schmieren. Das ist zwar lieb gemeint, hilft aber nicht weiter. Genau so wenig bringt es was, wenn Leute das Buch lesen, die nur nörgeln können, statt sich produktiv dazu zu äußern. Und es macht keinen Sinn, wenn man der völlig falschen Zielgruppe das Buch gibt. Man bietet einem Vegetarier ja auch kein saftiges Steak an. 8.5. Das Buch wird zum Film Doch hat man die richtigen Testleser gehabt und das Buch schließlich perfektioniert, dann geht’s weiter an die Regieabteilung. Nun wird das Buch zum Leben erweckt, ein aufregender und ganz besonderer Moment. Doch man darf als Autor nicht erschrecken, wenn die Schauspieler plötzlich in die Figuren eintauchen. Womöglich kommt dabei nicht das raus, woran man beim Schreiben gedacht hat. Aber gerade das macht es ja so spannend, wenn Buch und Akteur aufeinander treffen. Unter Umständen kann man auch in den Proben vom Athüdenspiel Gebrauch machen. Bei einem Athüdenspiel lässt man die Darsteller ihre Rollen tauschen. Dabei geht es aber nicht darum, die Figuren umzubesetzen. Der Reiz dieser Übung besteht darin, dass man ausprobieren kann, wie sich die Rolle auch noch interpretieren lässt, denn jeder Mensch ist unterschiedlich, auch Schauspieler. Seite 40 Doch egal, wie stark oder schwach der Film vom ursprünglichen Drehbuch abweicht und egal, wie er inszeniert wird, die Basis für einen guten Film bildet ein gutes Drehbuch. Und der Schlüssel zu einem guten Buch sind starke Charaktere. Die heutige Filmindustrie zeigt uns viele gute Geschichten, aber auch viele Geschichten, die nur dazu da sind Komik, Action und Spezialeffekte zu transportieren. Doch vielleicht wird die neue Generation junger Autoren und Filmschaffender dieses Medienbild mit Mut und Kreativität zum Besseren prägen. Ein wundervoller Gedanke... Film ab. Seite 41