Bürstner hat`s erfunden Campen, aber inkognito

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Bürstner hat`s erfunden Campen, aber inkognito
Neuö Zürcör Zäitung
Donnerstag, 20. Mai 2010 U Nr. 114
MOBIL UDIGITAL 61
Campen, aber inkognito
Bürstner hat’s erfunden
Kaiser transferiert Kastenwagen in hochwertige Motorhomes
Der Bürstner Ixeo ist ein populärer Teilintegrierter mit Hubbett
Reisemobile, denen man ihre
Bestimmung fast nicht mehr
ansieht, baut Kaiser Motorhomes
in Stans mit Erfolg nun bereits
in der zweiten Generation.
Der neuste Trend im Reisemobilsektor geht zum Teilintegrierten mit Hubbett, erfunden
von der Firma Bürstner. Die
Konkurrenz hat nachgezogen.
jwk. U Uneingeweihte würden hinter
der blechernen Fassade des Mercedes
Sprinter kaum ein Fahrzeug in der
100 000-Franken-Klasse vermuten. Der
Trick: Verschiebbare Fensterblenden
lassen die Motorhomes optisch aussehen wie Lieferwagen für den Zustelldienst. Campen, aber inkognito, wird
dadurch möglich. Und Übernachtungen
auch dort – etwa in St. Moritz –, wo es
eigentlich ausgeschildert verboten ist.
Als Krönung des Nidwaldner Sortiments gibt es die Kaiser nun auch auf
der Basis des Mercedes Sprinter mit
Allradantrieb und Automatik.
jwk. U Die teilintegrierten Wohnmobile
sehen besser aus als die Alkovenfahrzeuge mit den mächtigen Schlafnasen,
und sie fahren sich dank tieferem
Schwerpunkt auch dynamischer und
sparsamer. Im Motorhome dann aber
gibt es plötzlich die Erkenntnis, dass
man die Enkel nicht mehr zum Wochenendausflug einladen kann oder dass
man die Liegen im Teilintegrierten teilweise umbauen muss.
Darauf haben die Hersteller teilweise
reagiert. Im Bürstner Ixeo beispielsweise hängt ein Hubbett tagsüber unter
dem Aufbaudach über dem Wohnbereich. Es kann zum Schlafen mit wenigen Handgriffen rund 70 Zentimeter
nach unten gezogen werden. Untertags
ergeben sich dadurch kaum Nachteile
ausser einer etwas geringeren Stehhöhe
im Wohnbereich sowie geringfügig weniger Stauraum in den Oberschränken.
4×4 und Automatik
Mercedes hat den Vierradantrieb flächendeckend in Verbindung mit einer
Getriebeautomatik im Angebot. Diese
Konfiguration wird mit rund 17 000
Franken zusätzlich in Rechnung gestellt; so viel Aufpreis sind die Kunden
eben nur bei Mercedes bereit zu bezahlen, also lassen es die andern bleiben.
Optisch wächst der Kastenwagen
über sich hinaus, sieht weniger harmonisch aus. Die Hochstuhlung hat Konsequenzen. Der Zugang ins Fahrerhaus ist
beschwerlich – die Trittstufe liegt 54
Zentimeter über Grund –, und der hohe
Schwerpunkt vermittelt das Gefühl einer fahrenden Hängematte, obwohl das
Fahrwerk zielgenau reagiert.
Die Kombination von 3-Liter-Sechszylinder-Turbodiesel und Fünfstufen-
Die Stanser Firma Kaiser baut Camper, die gar nicht wie solche aussehen.
Automatik überzeugt. Zum Schlangenfänger mutiert man damit zwar nicht,
trotz den guten Fahrleistungen lässt sich
aber ein Verbrauch von 10,7 Litern auf
100 Kilometer realisieren.
Man muss jedoch sehen, dass hinten
angetriebene Fahrzeuge, wie der Sprinter eines ist, auf trockenem Terrain
durchaus in der Lage sind, steile und
ungeteerte Strassen zu überwinden. Auf
feuchtem Gras oder auf Schnee hilft der
Allradantrieb allerdings wenig, wenn
die falschen Reifen montiert sind. Umgekehrt bieten moderne Winterreifen
meistens ausreichend Traktion. Auch
wenn der Kaiser 4×4 technisch durchaus
ziemlich abgehoben ist, bleiben die
PD
Nidwaldner ihrer Philosophie treu. Das
heisst konkret: tadelloser Funktionsschliff, enges Ambiente, hochwertige
Verarbeitung und haptisch angenehme
Materialien. Um eine optimale Bettenbreite zu erreichen, lassen sich die
schräg gestellten Rücksitzlehnen ausserdem zum Übernachten auch senkrecht stellen.
Auch im Preis ein Kaiser
Das alles hat seinen Preis: Mit individuellem Ausbau kann der technisch
hochgerüstete und diskrete Kaiser mit
der potentesten Sprinter-V6-Motorisierung bis zu 170 000 Franken kosten.
Damit kann man leben. – Bürstner bietet den Ixeo mit Hubbett in verschiedenen Grundrissen in Fahrzeuglängen von
635 bis 739 Zentimeter an. Die Krönung
ist der 726G mit hinten längs installierten Einzelbetten und mit Heckgarage.
Im 664 ist hinten rechts längs ein Festbett (210×140 cm) installiert, linksseitig
eine grosszügige Nasszelle mit festem
WC im Heck.
Der daran anschliessende Kleiderkasten und der abgewinkelte Küchenblock vermitteln den Eindruck einer
Zweizimmerwohnung; rechts sind im
Anschluss an die Schlafstelle über einem Kleiderkasten Kühlschrank und
TV-Platz angeordnet, anschliessend der
Wohnbereich mit Sofa und halber Dinette (drehbare Sitze im Fahrerhaus).
Es nachtet ein, das Hubbett wird
aktiviert. So bleiben oben stattliche 67
Zentimeter Kopffreiheit – durchgängig,
nicht wie in Alkoven nach vorn abfallend. Im Falle des Ixeo eine stabile Angelegenheit (195×145 cm) und ohne
grossen Kraftaufwand zu bewerkstelligen. Aber die Sitzgruppe darunter lässt
sich so nicht mehr nutzen. Viele werden
da einwenden, dass man sich ohnehin
lieber unter dem Vorzelt aufhält.
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ZELTEN IST NICHT OUT
jwk. U Die Caravan-Branche hat aus den Augen verloren, dass die ureigenste Form
des Campierens «Zelten» heisst. Nutzniesser dieser Unterlassung sind die Spezialisten, die sich hochprofessionell über das Internet anbieten. Die Szene hat sich im
Zuge des Wohlstandes verschoben. Zelten ist etwas für die Jungen. Weiter gedacht,
muss es schon ein Zeltanhänger sein, aus dem sich auf dem Campingplatz eine Dreizimmerwohnung mit Küchenblock pellen lässt. Der Vorteil: Ein Zeltanhänger verlangt kein starkes Auto, keine Anhängerprüfung. Letztlich ist der Entscheid fürs
Zelten auch eine Frage der Weltanschauung oder des Geldbeutels. Nicht jeder, der
mit dem Fahrrad den Polarkreis überquert, ist arm dran, aber mit einem Wohnwagen am Haken wird es nicht funktionieren. Auch für ausgedehnte Bergtouren
sind Zelte valable Lösungen. Übrigens kann man auch Zelte mieten.
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Neuö Zürcör Zäitung
62 MOBIL UDIGITAL
Donnerstag, 20. Mai 2010 U Nr. 114
Ans Meer
mit dem Adria
MOBIL IN KÜRZE
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Der kompakte Caravan
Auto
Allrad-Pick-up von VW
H. Sc. U VWs erster Allrad-Pick-up
Amarok kommt im Herbst auf den
Markt. Angetrieben wird der auch als
Hecktriebler lieferbare 5,25-Meter-Allrounder von einem 163 PS starken Common-Rail-Turbodiesel mit 400 Newtonmeter Drehmoment bei 1500 Touren.
Stärker, leichter, schneller
H. Sc. U Mit dem R8 GT legt Audi im
Januar 2011 eine limitierte Variante des
Hochleistungssportwagens R8 auf. Der
5,2-Liter-V10 leistet 560 PS und beschleunigt in 3,6 Sekunden auf Tempo
100
(Spitzengeschwindigkeit:
320
km/h). Das Auto ist ab 285 200 Franken
zu haben.
Bald VW-Elektro-Taxi?
H. Sc. U VW hat eine Taxi-Studie auf
die Räder gestellt, die schon bald als
Einheitsfahrzeug in den grössten Städten der Welt eingesetzt werden könnte.
Angetrieben wird das 120 km/h schnelle
«Milano Taxi» von einem 115-PS-Elektromotor, der über eine Lithium-IonenBatterie versorgt wird.
Opel im Kleinstformat
H. Sc. U Opel arbeitet mit Hochdruck
an der Entwicklung eines Kleinstwagens. Der unterhalb des Corsa angesiedelte Mini, von dem es auch eine Elektroversion geben soll, kommt Ende
2012 auf den Markt.
Vor allem für junge Menschen führt der Einstieg in die Caravan-Welt meist über den Occasionshandel.
Umschau im Occasionshandel
Der Gebrauchtwagenmarkt für Caravans wächst und bietet interessante Szenarien
Einfacheres Einsteigen
H. Sc. U Für 2200 Franken Aufpreis bietet Renault den Clio Dynamique ab Juni
auch mit seitlich schwenkbarem Beifahrersitz an. Das System, das körperbehinderten Menschen den Einstieg ins Auto
erleichtert, verfügt über eine einklappbare Fussstütze.
Die Anschaffung eines Campingfahrzeugs bedeutet für die meisten Käufer eine erhebliche
Investition. Als Alternative bietet
sich der Occasionsmarkt an. Er
wächst und bietet durchaus eine
vielfältige Auswahl.
Tour de France weiterhin mit Škoda
H. Sc. U Škoda hat den Vertrag als
Hauptsponsorin der Tour de France bis
2013 verlängert. Seit 2004 stellt die
tschechische VW-Tochter die offiziellen
Fahrzeuge für das 3596 Kilometer lange
Velorennen zur Verfügung, das in diesem Jahr am 3. Juli in Rotterdam gestartet wird.
jwk. U Ob Auto, Reisemobil oder
Wohnwagen: Der preismässige Abschreiber ist unmittelbar nach der ersten Inverkehrsetzung am höchsten, und
die Entwertungskurve verläuft degressiv. Weil diese Binsenwahrheit inzwischen Allgemeingut ist, verlagert sich
das Interesse im Fahrzeughandel zunehmend hin zu den Gebrauchtwagen. Die
Konsumenten in der Wohlstandsgesellschaft wollen zwar laufend mehr Luxus,
aber wenn möglich nicht den vollen
Preis dafür bezahlen. Wenn sich immer
mehr Leute etwas Besonderes leisten
können, gibt es vermehrt auch interessante Angebote aus zweiter Hand, das
läuft auch im Caravaning-Sektor nicht
anders. Der Bereich ist erst in den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts
entstanden, aber inzwischen anteilsmässig fast so bedeutsam geworden wie der
Occasionsmarkt für Personenwagen.
Noch verlieren Wohnwagen und
Wohnmobile prozentual weniger dras-
BMW-Sternfahrt 2010
H. Sc. U Am Sonntag, 29. August, ist es
so weit: Der BMW-Z3-Club bittet die
Besitzer von Fahrzeugen der Typen
BMW Z1, Z3, Z4 und Z8 zum siebten
Mal zur Sternfahrt rund um den Bürgenstock. Infos: www.bmwz3club.ch.
Schlechte Noten in Fahrtheorie
H. Sc. U In der Schweiz hat 2009 nur
jeder Dritte die theoretische Fahrprüfung bestanden. Am besten schnitten
die Kandidaten von ländlichen Kantonen wie Appenzell, Nidwalden, Obwalden und Uri ab. Die praktische Prüfung
bestanden 64 Prozent auf Anhieb.
Schlusslicht ist hier die Waadt mit einer
Versagerquote von 47 Prozent.
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Draussen zählt nur das Beste
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Bon
für den neuen Outdoor-Katalog!
Bon einsenden mit Adresse:
tisch an Wert als ein normales Auto,
aber in der Tendenz gleichen sich die
Amortisationskurven an. Was für den
Käufer eines neuen Campingfahrzeugs
bedeutet, dass er bezüglich Spezifikationen nicht zu weit neben dem Mainstream liegen sollte, will er eine allzu
grosse Entwertung vermeiden. Für den
Occasions-Interessenten
hingegen
heisst dies meist, dass er kaufen muss,
was verfügbar ist, und selten seine Sonderwünsche erfüllt sieht.
Mieten vor dem Kauf
Es gibt zusätzlich zum reinen Occasionshandel auch das durchaus attraktive Szenario «ex Rental». Denn eine
Vielzahl von Caravanfahrzeugen –
Wohnwagen wie Reisemobile – wird
von den Händlern als Mietwagen eingelöst und jeweils während der von Ostern
bis zu den Herbstferien dauernden Saison vermietet. Es gibt daher die Möglichkeit, sich möglichst früh im Jahr mit
einem Händler kurzzuschliessen und zu
sondieren, was er denn gedenkt, in seine
Mietwagenflotte aufzunehmen.
Möglicherweise ist das erträumte
Vehikel darunter, vielleicht sogar kann
man den Händler bei der Bestückung
der Mietflotte beeinflussen. Vielleicht
kann man auch einen Vertrag für die
Übernahme eines Fahrzeuges nach
Ablauf der Saison abschliessen – ein
Prozedere, das freilich bedingt, dass
man weit voraus plant. Aber es funktioniert und wird mittlerweile auch häufig
praktiziert.
Wunder darf man keine erwarten,
die Amortisationen auf Wohnwagen
und Motorhomes sind wie erwähnt geringer als bei den Personenwagen. Zudem sind die Margen auf Neufahrzeuge
drastisch geschmolzen. Welchen Weg
man auch wählt: Vor dem Kauf gilt es
genau zu überlegen, ob Mieten nicht
vernünftiger als Kaufen oder Leasen ist;
denn irgendwo muss man das Gefährt ja
auch lagern können, wenn die Saison
vorbei ist.
Ausserhalb der Saison kaufen
Über 60 Zeltmodelle
(Ganzjahresausstellung!),
Schlafsäcke, Matten,
Rucksäcke, Velotaschen,
Outdoorbekleidung,
Campingzubehör…
NZ
Z
CHRISTOPH RUCKSTUHL / NZZ
jwk. U Wohnwagen sind nicht mehr das,
was sie einmal waren: beige oder weiss
lackierte Kisten mit rustikalem Möbelbau und sogenannter HammerschlagAussenhaut, nach kurzer Zeit hässliche
schwarze Striemen hinterlassend.
Beispielhaft für diesen Wandel steht
etwa der kompakte Adria Action aus
Novo Mesto. Der slowenische Caravanhersteller hat sich mit preislich vernünftig kalkulierten und qualitativ seriösen
Fahrzeugen einen guten Bodensatz geschaffen, um mit frischen Auftritten
imagemässig in höhere Gefilde vorstossen zu können. Der Wohnanhänger
Action mit einer Tonne Gesamtgewicht
für 19 600 Franken ist zwar nicht gerade
billig, aber das Auge bleibt bereits an
der gegen hinten leicht gestauchten halb
elliptischen Dachform hängen.
Da gibt es keine eckigen Fenster mit
bünzligen Vorhängen, sondern keck geformte und dunkel getönte Scheiben,
dazu unaufdringlich schmissige Zierelemente und unten farblich abgesetzte
Karosserie-Applikationen. Innen finden sich helle und gerundete Möbel mit
zahlreichen offenen Ablagen. Der Action ist also erfrischend anders; die
Händler berichten denn auch davon,
dass der unkonventionelle Anhänger
Leute dazu animiert, mit einem
Gespann ans Meer zu fahren, die sich
nie im Leben als «Wohnwägeler» bezeichnen würden.
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Ob man also Besitzer oder Mieter ist,
das sind halt zwei verschiedene Weltanschauungen. Wenn also doch Kaufen
angesagt ist, sollte man sich das Objekt
der Begierde gründlich anschauen. Es
ist wenig ratsam, bei der erstbesten Gelegenheit zuzugreifen, man möchte ja
mit dem gewählten Wohnwagen oder
dem Reisemobil ein paar Jahre älter
werden und dafür auch fachmännischen
Rat einholen. Der erfolgreiche Erwerb
eines Campingfahrzeuges ist ausserdem
vorwiegend eine Frage der Planung. Es
ist zwar verständlich, dass man mit dem
neuen Teil bereits am nächsten Tag fahren möchte. Und meist steht dem landläufigen Konsumenten erst der Sinn,
nach einem mobilen Heim, wenn die
Sonne wieder zu wärmen beginnt, was
dann meist zu knapp ist. Der beste Zeitpunkt für die Anschaffung bzw. Bestellung eines Caravanfahrzeuges wäre
nämlich zwischen Oktober und Dezember. Der Caravanhandel fordert monetär hohe Einsätze, da ist jeder Händler
froh, wenn er ein Fahrzeug zumindest
virtuell nicht an Lager überwintern
muss. Man hat dann auch noch genügend Zeit, festgestellte Mängel aus
der Welt zu schaffen.
Darum prüfe genau . . .
Neben dem Grundriss und dem Verkaufspreis gilt es weitere wichtige Punkte zu beachten. Allem voran die zur Verfügung stehende Nutzlast. Sind beispielsweise Restwerte von 250 Kilogramm für zwei Personen ohne mitgeführte Fahrräder noch tolerabel, genügen einer vierköpfigen Familie inklusive Velos sogar 500 Kilogramm Zuladung kaum. Solche Fragen sind seriös
abzuklären, denn europaweit existieren
automatische Gewichtskontrollen, und
die Behörden zeigen bei übergewichtigen Fahrzeugen wenig Pardon.
Über den optischen Zustand lässt
sich leicht ein Bild machen, meistens
haben die Händler optisch selbst Hand
angelegt, um den etwas heiklen Ersteindruck zu schönen. Man sollte daher
als Zweithand-Käufer bei der Evaluation unbedingt etwas tiefer schürfen.
Etwa indem man das Riechorgan aktiviert. Trotz modernster Chemie lassen
sich nämlich bestimmte Düfte kaum aus
der Welt schaffen. Ein Augenmerk sollte auch den «Do-it-yourself-Arbeiten»
des Vorbesitzers gelten, welche die Substanz des Vehikels schwächen. Oder:
Undichtigkeiten hinterlassen im Innenraum bräunliche Spuren. Das sind
Alarmsignale, und das Resultat ist nur
mit viel Aufwand zu reparieren. Langer
Rede kurzer Sinn: Der Zustand der
Substanz ist wesentlich. Nur wenn dieser gut ist, kann eine lange Bindung entstehen. Achtung: Blitzblank geputzte,
strahlende Vehikel mit vielen Extras
können blenden und die Gefahr versteckter Mängel kaschieren.
«Adria» – edles angehängtes Heim.
PD
Das ist typisch
Der Euramobil Profila
jwk. U Ein grosser Alkoven mit fünf
oder gar sechs Schlafplätzen: So kommen viele Reisemobile als ehemalige
Mietfahrzeuge auf den Markt. Der
Euramobil Profila steht dafür beispielhaft. Rund 70 000 Franken muss man
ins Neufahrzeug investieren, dafür bekommt man ein ausgewachsenes Wohnmobil mit fünf Schlafplätzen. Euramobil, das ist eine in Deutschland produzierende Firma, die zum französischen
Trigano-Konzern gehört und einen guten Ruf geniesst. Bei den Profila-Modellen setzt sie auf den Ford Transit. Im
Preis ist die stärkere 140-PS-Motorisierung – sie ist empfehlenswert bei diesen
aerodynamisch unvorteilhaften Alkoven-Fahrzeugen – schon eingerechnet.
Der Profila 580 ist nicht zu ausladend
(sechs Meter lang), hat einen praxisgerechten Grundriss und wenig Minuspunkte. Dazu gehört etwa die schwerfällige elektrische Trittstufe, die man
stets aktivieren muss, denn der Wohnraum liegt 74 Zentimeter über Grund.
Unpraktisch ist ausserdem das «Beleuchtungsmanagement» mit den versteckten Schaltern und den filigranen
Spotlampen. Das Interieur vermittelt so
eine Art «gutbürgerliche Stoffeligkeit».
Abgesehen davon aber ist das Konzept
seriös, der Verbrauch liegt bei 11,8
Litern, die Spitzengeschwindigkeit bei
130 km/h.
Prototyp der aufgesetzten Schlafkoje.
PD
Neuö Zürcör Zäitung
Donnerstag, 20. Mai 2010 U Nr. 114
MOBIL UDIGITAL 63
Reisemobile überholen die Wohnwagen
Die Caravan-Branche hat die Krise überstanden – Die Käufer ändern ihre Präferenzen
Fahrzeuge. Es lässt sich nach diesen
wenigen Beispielen mit gutem Gewissen behaupten, dass es theoretisch mehr
Wohnwagen- und Reisemobilvarianten
gibt, als der gesamte europäische Markt
in einem Jahr absorbiert.
Die Branche bleibt aber grundsätzlich innovativ, hat auf neue Tendenzen
stets passende Antworten. So hat sich
das Käuferverhalten der fahrenden Nomaden in den letzten Jahren weg von
den einst dominierenden Alkoven (das
sind salopp gesprochen die hohen Dinger mit den Schlafnasen über der Fahrerkabine) zu den sogenannten Teilintegrierten verschoben, da sich Letztere
dynamischer fahren lassen und auch
weniger Treibstoff brauchen. Neuerdings haben die Kunden allerdings gemerkt, dass mit einem Teilintegrierten
weniger Festbetten möglich sind, für die
Nacht also wie zu Hause Betten herzurichten sind. Aber umbauen will nun
keiner mehr.
2008 wurden in der Schweiz
erstmals mehr Reisemobile als
Wohnwagen zugelassen. Die
hiesige Caravan-Branche spürte
die Wirtschaftskrise kaum,
Länder mit grossen Herstellern
umso mehr. Das Marktsegment
lebt eben sehr improvisiert.
Jürg Wick
Die Caravan-Händlerschaft beackert
eine Minisparte innerhalb der Fahrzeugbranche. 2008 setzten rund 110 Betriebe mit zirka 1000 Mitarbeitern 230
Millionen Franken um. Gemäss BfSStatistik immatrikulierten die Verkäufer 2008 insgesamt 3257 neue Wohnwagen und Wohnmobile, 2009 waren es
10,4 Prozent weniger. Auf das Jahr 2000
indexiert landete die Branche 2009 bei
102 Prozent. Für den PW-Handel sieht
es derweil deutlich unerfreulicher aus:
Im Vergleich zum Jahr 2000 standen die
Autoverkäufer Ende 2009 beim Absatz
bei 84 Prozent.
Jüngster Trend: Hubbett
Viele Konkurse in der Krise
Die Mitglieder des schweizerischen Caravan-Verbandes Suisse Caravan haben
die Wirtschaftkrise gut überstanden –
was der Beobachter vielleicht so nicht
wahrnimmt, da es immer wieder zu
Konkursen kommt. Tendenziell nimmt
aber die Zahl der Caravan-Betriebe
eher zu. 9/11 belebte das Geschäft; statt
zu fliegen, reisen nun viele mit einem
Wohnmobil an den Zweitwohnsitz in
Spanien.
Die Umsätze steigen auch wegen des
sich ändernden Mix beim Verkauf: Im
Jahr 2000 waren 68 Prozent aller Caravans Wohnwagen und 32 Prozent Motorhomes. 2009 lag der Mix bei 54 zu 46
Prozent zugunsten der teureren Reisemobile. Gekippt ist der Käufertrend
2008, was mit den neuen FahrausweisBestimmungen zu tun haben mag; von
Neulenkern wird nämlich ab einem
Anhängergewicht von 750 Kilo neuerdings eine Anhängerprüfung verlangt.
Ohne Prüfung reicht es kaum zu mehr
als einem Zeltklappanhänger.
2009 war die Rede von 1575 neu in
Verkehr gesetzten Motorhomes und
1350 Wohnwagen. In dieser Zahl nicht
enthalten sind jene fabrikneuen Wohnanhänger, welche nicht immatrikuliert
auf einen festen Stellplatz ausgeliefert
worden sind. Der Gesamtbestand von
Caravans (Reisemobile und Wohnwagen) wird von Suisse Caravan per Ende
2009 auf 66 400 Einheiten beziffert (+
1,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr).
Unterwegs wie ein Popstar – auf Mercedes-Basis aufgebaut, bietet der Vario Perfect Luxus pur inklusive Heck-Kleingarage.
Demnach kommen in der Schweiz auf
10 000 Einwohner rund 90 Wohnwagen/
Reisemobile, bei den Personenwagen
sind es 5200. Europaweit überwiegen
die Wohnwagen bei den Neuzulassungen mit 120 000 Einheiten nach wie vor,
die Reisemobile kommen auf zirka
90 000 Fahrzeuge im Jahr.
Auch berühmte Marken sind 2009
hart gelandet, fast alle haben zu lange
auf Halde produziert, weil ein Warnsystem fehlte. Daten wurden kaum ausgetauscht. Im Vorgriff auf ein besseres
Morgen hat die europäische CaravanIndustrie nun vereinbart, künftig nur
noch zu produzieren, was vorher bestellt worden ist. Ob das bei europaweit
mindestens 180 Herstellern aber auch
funktionieren wird? So viele Wohnwagen- und Reisemobilhersteller tummeln sich nämlich im Markt; die kleinsten schieben jährlich vielleicht fünf
Fahrzeuge aus dem Schuppen, bei den
grössten verlassen bis zu 30 000 Einheiten die Werkshalle. – Das Absurde in
diesem Metier ist, dass selbst bei den
.........................................................................................................................................................................
KAUM STATISTISCHES MATERIAL
jwk. U Das statistische Material zum Reisemobilmarkt in der Schweiz ist wenig
transparent, weil dessen Erfassung von den kantonalen Strassenverkehrsämtern
nicht einheitlich gehandhabt wird und ein Datenaustausch bei Caravan Suisse kaum
stattfindet. So werden Reisemobile meistens unter der Marke des Chassis-Herstellers, gelegentlich aber auch unter dem Namen des Aufbauers registriert (zum Beispiel «Hymer» statt «Ford»). Bei den Aufbauten der Reisemobile haben sich die
Kundenpräferenzen in der jüngeren
Vergangenheit zugunsten der sogeProduktionsanteile der Reisemobil-Aufbauten in %
Alkoven Teilintegrierte Integrierte Kastenwagen
nannten Teilintegrierten verschoben,
.................................................................................
2004
28,8
29,4
21,0
20,2
wie aus Produktionszahlen hervorgeht,
.................................................................................
2008
13,2
40,2
23,9
22,3
welche von den deutschen Caravan.................................................................................
QUELLE: CIVD
Herstellern gelieferten werden.
PD
Serienherstellern kaum ein Fahrzeug
dem andern gleicht. So werden unter
praktisch jeder Modellbezeichnung drei
Ausstattungslinien offeriert – Basis, Medium, Luxus. Zudem werden diese Varianten in diversen Längen und Grundrissen angeboten. Ein Beispiel dieses
formalen Overkills: Bestellbar entweder mit Heckbett quer, Heckbett längs,
mit Einzelbetten längs, einem King-Bed
längs, zwei Etagenbetten, drei Etagenbetten – und weitere zehn Kombinationsformen. Der Kunde hat ausserdem
die Möglichkeit, unter zahlreichen
Polsterbezügen und Möbelfurnieren zu
wählen.
Branche bleibt innovativ
Armer Händler, kann man dazu nur
sagen; seinen Vorrat muss er bereits im
Sommer spezifizieren, will er für das
nächste Frühjahr gerüstet sein. Bei den
Reisemobilen multipliziert sich dieser
formale Wahnsinn über die Aufbauvarianten: Alkoven, Teilintegration,
volle Integration, Van und Kastenwagen – nicht zu vergessen der Seitenast
mit den Aufsetzkabinen für Pick-up-
Also heisst der jüngste Trend Hubbett
im Teilintegrierten. Das sieht konkret so
aus: Die zweite Doppelliege hängt am
Tag über der Dinette, also der Sitzgruppe mit Tisch, und wird für die Nacht
– wahlweise auch elektrisch – heruntergefahren.
Es gibt nichts, was es nicht gibt; in
den abgehobenen Modellen für 200 000
bis zu über einer Million Franken kann
dies durchaus einmal eine Autogarage
sein, in der auch mehr als ein Smart
Platz hat, Flachbildschirme nicht nur im
Wohn- sondern auch im Schlafraum,
Mikrowelle, Abwaschmaschine oder
gar ausziehbare Erker. Sichtlich wir da
teilweise die Funktionalität regelrecht
auf dem Altar der Mode geopfert.
Wie aber lautet der Steckbrief für
einen durchschnittlichen Reisemobilen? Er investiert für sein Vehikel zwischen 50 000 und 100 000 Franken, will
sein Ferienauto mit dem normalen Führerausweis Kat. B fahren und keine zusätzliche Prüfung bestehen müssen, also
hat er sich auf 3,5 Tonnen Gesamtgewicht zu beschränken. Aber Flachbildschirm mit Sat-Antenne, eine Heckgarage für Fahrräder und die Campingsitzgruppe müssen es natürlich ebenso
sein wie ein 150-Liter-Kühlschrank sowie ein Herd mit drei Platten. Die Herausforderung für die Branche lautet
also: Sie muss Gewicht abspecken und
trotzdem laufend grösseren Komfort
bieten. Nicht selten hat dies jedoch
weniger mit den Bedürfnissen als mit
dem Prestige zu tun. Camping ist ein
Abbild des Zeitgeistes, der ja bekanntlich auch immer wieder ändert.
Der Erfinder muss sich neu erfinden
Zwei Hersteller kämpfen um die Vorherrschaft bei den kompakten Campingfahrzeugen
1951 erfand Westfalia die Campingbox für den VolkswagenTransporter. Daraus ist eine langjährige Zusammenarbeit geworden. Jetzt aber musste sich Westfalia sozusagen neu erfinden.
jwk. U 60 Jahre jung ist die Idee des
Campierens mit einem fahrbaren Untersatz. Sie wird Franz Köbel zugeschrieben, der 1951 mit seiner Firma
Westfalia eine Campingbox erfand, um
den VW-Transporter ferientauglich zu
machen. Heute ist das Gefährt «Steinzeit», damals war es die Sensation. Eine
Geschichte, die bis ins dritte Jahrtausend anhielt und schliesslich mit dem
von Westfalia entwickelten und gebauten Volkswagen California endete.
Besitzerwechsel mit Folgen
Das Erfolgsgeheimnis des Konstrukts:
Mit weniger als 5 Metern Aussenlänge
und knapp 2 Metern Bauhöhe geht das
Fahrzeug als Personenwagen durch und
lässt sich auch in einer Tiefgarage statio-
nieren. Weiter gedacht, kann man sich
damit auch einen zusätzlichen Abstellplatz bzw. bei einem Umzug die Miete
eines Nutzfahrzeuges ersparen.
2001 hatte Daimler-Chrysler die
Westfalia übernommen. Der Deal führte dazu, dass sich der VW-Konzern im
Reisemobilsektor völlig neu aufstellen
wollte. Anstatt sich nach einem neuen
Partner umzusehen, nahmen die Wolfsburger das Geschäft jedoch selber in
die Hand.
Der Wegfall des California-Geschäfts mündete für Westfalia in eine
verkaufstechnisch holprige Strecke. Sie
wurde noch schroffer, als sich Daimler
2007 wieder vom Kastenwagen-Ausbauer trennte und die Aktien an die
Aurelius AG übergingen. 2009 endete
das Ganze schliesslich in der Insolvenz,
welche nun endlich ein Weiterarbeiten
ermöglicht.
Weiterhin baut Westfalia für Mercedes die traditionsreichen Reisemobile
Marco Polo auf Basis des Mercedes Vito
(mit einem aufstellbaren Hochdach),
den James Cook auf Basis des Mercedes
Sprinter (mit festem Hochdach) sowie
verschiedene Nugget-Modelle auf dem
Chassis des Ford Transit. Das entgangene Volumen infolge des weggefallenen VW California musste Westfalia indes neu aufbauen. Die vorgestellte
Lösung nennt sich Michelangelo und
basiert auf dem Fiat Scudo, einem in
den Aussenmassen dem VW-Transporter gleichenden Chassis.
Basis Fiat Scudo
Die gewählte Basis ist als Konzept treffsicher. Man kann dem Fiat zwar vorwerfen, dass er im Fahrerhaus weniger
«wertig» ist, wie man es heutzutage
gerne nennt. Sachlich betrachtet ist der
Italiener aber ebenbürtig, und es lassen
sich einige tausend Franken sparen, um
mit dem gleichen Konzept über ähnliche Fahrleistungen zu verfügen: einen
serienmässigen Kastenwagen mit Reisemobilausbau, Küchenblock und hochstellbarem Dach, das in der Fahrzeugmitte Stehhöhe bietet. Das hintere Sitzkonstrukt lässt sich zu einer Bettstatt
umbauen, und aus dem hochgefahrenen
Dach lässt sich eine zweite Doppelliege
zaubern, so dass insgesamt vier Personen übernachten können. Während der
Fahrt können im Fond auf der Sitzbank
auch drei Leute sitzen und sich im Stand
um einen eingehängten Tisch gruppieren: Fahrer und Beifahrer drehen ihre
Sessel, um gemeinsam essen zu können.
Wintersicherheit ist allerdings weder im
derzeitigen VW California made by VW
noch im neuen Westfalia Michelangelo
gegeben. Auch eine Toilette ist nicht
integriert. Vom Konzept her unterscheiden sich der California von Volkswagen
– wo das Westfalia-Prinzip voll übernommen wurde – und der Michelangelo
indes kaum.
Frappante Unterschiede
Zwischen einem Michelangelo und dem
California lagen allerdings zuerst einmal 20 000 Franken Preisunterschied,
den Volkswagen mittlerweile mit dem
Sondermodell California Beach kontert. Die Preisliste beginnt nicht mehr
mit dem 102 PS starken Turbodiesel und
einem elektrohydraulisch hochstellbaren Dach. Sie startet nun bei 47 270
Franken mit 84 PS und händisch hochfahrbarem Konstrukt ohne Fenster im
Stirnbereich. Das zeigt klar, wie ernst
VW den einstigen Partner nimmt: Westfalia bietet den Michelangelo nämlich in
der Grundausstattung mit 90 PS ab
47 900 Franken an.
Man muss zwischen den zwei Angeboten minuziös vergleichen, um echte
Vorteile für das eine oder das andere
Modell herauszuschälen. Letztlich muss
sich unserer Meinung nach der Michelangelo einige Nachteile im Detail gefallen lassen. So steht der gerundete Designer-Küchenblock einem ausreichenden Verschiebebereich der Sitzbank im
Wege, und die Beleuchtungskörper sind
nicht optimal placiert. Michelangelo
und California missfallen beide mit zwei
ziemlich schmalen Schlafstellen oben
(rund 115 cm) und unten (rund 120 cm).
Qualitativ fehlt es dem Westfalia an
Feinschliff – was zum Klappern während der Fahrt führen kann –, während
der VW damit ärgert, dass einige Toleranzen so eng gefasst sind, dass beim
Hantieren viel Geduld gefragt ist.
Für den Konsumenten zählt, dass es
nun eine ernsthafte Auswahl gibt – mit
einem Durchschnittsverbrauch von weniger als 9 Litern Diesel auf 100 Kilometern und zügigem Tempo.
MOBIL UDIGITAL
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Donnerstag, 20. Mai 2010 U Nr. 114
Neuö Zürcör Zäitung
Flach herausgekommen:
LGs 15-Zoll-OLED-Fernseher
Seite 59
Die Eisenbahn in Deutschland
ist 175 Jahre alt Seite 60
Nissan präsentiert das letzte Glied
seiner Sportwagenfamilie Seite 60
Das mobile Heim
aus zweiter Hand
Fluchtpunkt des Alltags und gleichzeitig Abbild des eigenen Zuhause – auf einem Dauercampingplatz im Bezirk Neukölln.
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HECHTENBERG / CARO / KEYSTONE
Unterwegs und doch zu Hause
Wohnmobile lassen sich fahren wie Personenwagen. Dank ausgeklügelter Multifunktionalität sind sie zudem wahre Raumwunder
Wohnmobile sind kaum grösser
als ein Kinderzimmer. Doch ausgestattet sind sie in unterschiedlichsten Variationen wie ganze
Häuser. Das bietet beim Reisen
viel Komfort, bedingt aber beim
Wohnen auch Kompromisse.
Peter Jegen
Die Wände aus Aluglattblech, Styropor,
Sperrholz und dem mit Kunstleder
kaschierten Schaumstoff sind rund vier
Zentimeter dick. Das Vogelgezwitscher
von draussen ist daher auch drinnen
hörbar. So gut wie der Regen, der am
Abend zuvor im endlosen Staccato auf
das Wagendach getrommelt hat. Und
nun wärmen bereits die ersten Strahlen
der Morgensonne durch die DoppelAcrylglas-Fenster schon merklich.
Wer sich dazu entschliesst, Ferien in
einem Wohnmobil zu machen, fährt
nicht in eine isolierte Welt. Beim Camping verschmilzt die mobile Bleibe mit
der jeweiligen Umgebung. Doch nicht
einzig darin liegt der Reiz. Camping ist
auch individuell, abenteuerlich, ungezwungen, naturnah, sicherlich nie langweilig. Immer gibt es etwas zu tun: im
und um das Wohnmobil, am Wohnwagen, erst recht mit dem Zelt.
Ein Auto für Nomaden
Beispielsweise bei der Ankunft auf dem
Campingplatz. Wo bloss auf dem idyllischen Areal im Unterengadin das
Wohnmobil hinstellen? Der Preis von
19 Franken pro Tag ist zwar einheitlich,
die möglichen Stellplätze aber schmiegen sich der abwechslungsreichen Topografie des Geländes an. Unter den hochstämmigen Nadelbäumen ist der naturbelassene Boden einigermassen flach,
doch dürften die Äste der Markise in
die Quere kommen. Der Platz, von dem
die Kabelrolle mit Bestimmtheit bis
zum nächsten Stromanschluss reicht,
liegt zu sehr im Schatten, ganz im
Gegensatz zu der noch freien Stelle
neben einem Wagen mit deutschem
Nummernschild. Hier aber ist es abschüssig. Kurbelstützen und Manpower
sind deshalb gefragt, um das Wohnmobil letztlich in die gewünschte Position zu bringen.
Die Qual der Wahl gibt es aber nicht
auf allen Campingplätzen. Sicherlich
nicht auf solchen, wo einem eine millimetergenau normierte Parzelle zugeteilt wird. Auf diese werden aber kaum
Wohnmobile oder gar Zelte gestellt. Es
sind vornehmlich Wohnwagen – mit
einem Vorzelt über festem Unterbau.
Die den Schrebergärten ähnlichen Plätze sind etwas für Dauercamper. Sie richten sich auf ihrem Lieblingsplatz im
Grünen für mehr als ein paar Tage ein,
oftmals für ein ganzes Leben.
Camper sind gerne aber auch Nomaden, so wie unsere deutschen Nachbarn
im Unterengadin. Vor ihrem mobilen
und temporären Zuhause sitzen sie
beim Frühstück. Bald schon fahren sie
los, weiter in Richtung Süden, hinunter
ans Meer. Die 600 Kilometer wollen bis
am Abend geschafft sein. Weil ihr Hobby-Van auf Ford-Transit-Basis ja wie ein
Personenwagen zu fahren sei. Der Turbodiesel mit dem gefälligen Aufbau in
Weiss-Blau gehört zur Gattung der klei-
neren Reisemobile bis 3,5 Tonnen. Er ist
ein Beispiel für den Trend hin zu leichteren und kompakteren Fahrzeugen.
Diese gelten bei den Herstellern von
Reisemobilen als Einsteigerklasse. Sie
liegt preislich im Bereich eines Mittelklassewagen, ist in Länge wie Breite
keine völlig neue Dimension, lässt sich
einfacher fahren als ein Auto mit Wohnanhänger im Schlepptau. Und schneller
dazu. Im Gegensatz zu den Wohnwagen
ab 750 Kilogramm sind für kompakte
Reisemobile weder spezielle Fahrausweise nötig, noch gelten besondere Geschwindigkeitsvorschriften.
Seriell multifunktional
Die Modellpalette im Segment der
Wohnmobile ist entsprechend gross. Es
gibt den Camper oder Van, den zur
Wohnung umgebauten Kastenwagen, es
gibt das Reise- und Wohnmobil auf
Chassis von Ford, Fiat, Mercedes, Renault, VW – mit Alkoven, teil- oder vollintegriert. Je nachdem, ob es einen
Schlafraum über der Fahrerkabine hat,
diese bloss zu einem Teil oder gänzlich
zum Wohnaufbau gehört. Am oberen
Ende der Skala finden sich sodann die
aus Amerika bekannten Motorhomes,
die luxuriös umgebauten Busse, deren
Innenwelten dank sogenannten Slideouts riesig sind und sogar Garagen für
kleine PKW bieten. Damit auch in
einem Smart oder Mini unbeschwert
zum feinen Essen ins Restaurant gefahren werden kann. Der ganze Hausrat
muss ja nicht immer und überall mitgeschleppt werden.
Allein, die Möglichkeit dazu besteht.
Grundsätzlich braucht in den rollenden
Wohnungen auf (fast) nichts verzichtet
zu werden. Beeindruckend sind bereits
die serienmässigen Angebote, umfangreich die Sonderausstattungen, überaus
innovativ die Lösungen, um auf kleinstem Raum zu bieten, was man zu Hause
liebgewonnen hat. So mancher Wohnwagen oder so manches Wohnmobil
würde zwar in ein Kinderzimmer passen, doch auf den knapp 15 Quadratmetern findet sich hier ein ganzes Einfamilienhaus: Schlafzimmer, Bad, Küche, Ess- und Wohnraum, Garage. Das
Zauberwort, das dies alles möglich
macht, heisst Multifunktionalität.
So ist das Kinderzimmer mit Etagenbett im Heck gleichzeitig auch die
Garage für die Fahrräder und das Gepäck. Durch das Öffnen der Duschkabinentüre verwandelt sich der Gang in
einen Wellnessbereich, mit einem
Handgriff lässt sich der Esstisch absenken, wodurch das Wohnzimmer zur
grossen Schlafstelle umfunktioniert
werden kann. Und dank Hubbetten
oder Aufstelldächern entstehen selbst
in luftiger Höhe Liegeflächen.
Das führt freilich auch zu Einschränkungen und fordert Kompromissbereitschaft. Vor allem dann, wenn mehr als
zwei Personen in einem Wohnmobil reisen und leben. Denn selbst in ganz raffiniert gestalteten Aufbauten ist die Multifunktionalität immer seriell. Der vorhandene Raum lässt sich nur nacheinander und nie gleichzeitig mehrfach nutzen. Wohin also mit den Fahrrädern und
dem Gepäck, wenn die Kinder in ihrem
Zimmer schlafen wollen? Wie das Bad
benützen, wenn ein freier Durchgang
gebraucht wird? Wie die Daunendecken
und die Kopfkissen unter den Sitz-
bänken verstauen, wenn alle schon
längst am Tisch sitzen?
Entnervt könnte sich da so mancher
Einsteiger fragen, weshalb er sein Geld
für Campingferien ausgibt. Für ein
Fahrzeug, das eng und einschränkend
ist, für ein Wohnmobil, in dem es sich
trotz luxuriöser Ausstattung nicht wie
zu Hause leben lässt. Neulinge sind daher gut beraten, den Reiz des Campings
erst einmal in einem gemieteten Fahrzeug zu erleben. Übertrifft die Freude
an der naturnahen Individualität den
Verdruss über die umständlichen Einschränkungen, sind der ins Auge gefasste Wohnwagen oder das verlockende Wohnmobil schnell angeschafft.
Wie mit Freunden per Du
Zurück auf den Campingplatz im Unterengadin. Die Nachbarn leeren im
Hobby-Van den Abwasser-, füllen den
Frischwassertank. Sie verstauen die
Campingstühle und den Tisch durch die
praktische Serviceklappe von aussen
direkt im Stauraum unter dem Doppelbett. Die Markise wird aufgerollt, die
Heringe werden eingesammelt. Ein
letzter Kontrollblick im Innern des Wagens prüft, ob alles festgemacht ist und
während der Fahrt nichts verrutschen
kann. Uwe und Carola verabschieden
sich wie gute alte Freunde, unter Campern ist man auf Du und Du. Wir beginnen gemütlich, auch unser Frühstück
vor dem Wohnmobil vorzubereiten.
Heute bleiben wir noch in Scuol. Und
morgen? Da wollen wir nach Lust und
Laune das Zuhause jenseits der Grenze
aufschlagen. Bei schönem Wetter fahren wir wohl ins Vinschgau.

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