Steril-eitrige Meningitis/Arteritis: Fallbeschreibung bei einer

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Steril-eitrige Meningitis/Arteritis: Fallbeschreibung bei einer
Aus der Chirurgischen Veterinärklinik -Kleintierchirurgie- (Prof. Dr. E. Schimke)
der Justus-Liebig-Universität Gießen
Steril-eitrige Meningitis/Arteritis: Fallbeschreibung bei
einer deutschen Dachsbracke
LAUTERSACK, O., KRAMER, M. und E. SCHIMKE
Zusammenfassung
Es wird das Krankheitsbild der „steril-eitrigen Meningitis/Arteritis“ einer 3-jährigen
Deutschen Dachsbracke beschrieben, die mit hochgradigen, rezidivierenden Schmerzen bei
Bewegungen der Kopf-Hals-Region in der Chirurgischen Veterinärklinik -Kleintierchirurgieder Justus-Liebig-Universität Gießen vorgestellt wurde. Auffällig waren die deutliche
Kopftiefhaltung, sehr vorsichtige Bewegungen und hochgradige Schmerzäußerungen bei
passiver Dorsoflexion, Ventroflexion und Lateroflexion des Halses. Andere neurologische
Ausfälle wurden nicht festgestellt. Auf Grund der klinisch-neurologischen Untersuchung, der
Laborwertveränderungen, der Myelographie, der Liquoranalyse und des Ausschlusses
möglicher
Differentialdiagnosen
wurde
die
Verdachtsdiagnose
„steril-eitrige
Menigitis/Arteritis“ gestellt. Das diagnostische Vorgehen wird erörtert und Therapiepläne
werden vorgestellt.
Summary
The symptoms of „sterile-purulent meningitis/arteritis“ of a three year old „Deutsche
Dachsbracke“ are described. At the Veterinary Hospital of Small Animal Surgery, JustusLiebig-University Gießen the dog was presented with extreme pain by moving the head-neckregion. The distinct low head position, the very careful movements and extreme pain by
passive dorsoflexion, ventroflexion and lateroflexion was obvious. Other neurological deficits
were not to be seen.
„Sterile-purulent meningitis/arteritis“ was suspected because of the neurological
examinations, changes in laboratory investigations, myelography, analysis of the
cerebrospinal fluid and exclusion of possible differential diagnoses.
The diagnostic proceeding is described and therapy schemes are presented.
Einleitung
Die „steril-eitrige Meningitis/Arteritis“ wird in der Literatur seit 1972 (Vandevelde, 1972) mit
einer gewissen Regelmäßigkeit beschrieben. Bemerkenswert ist dabei, daß zahlreiche
Synonyme für diese Krankheit existieren. Bezeichnungen wie „steroid responsive Meningitis“
(Meric et al., 1985), „corticosteroid responsive meningomyelitis“ (Irving et al., 1990),
„Beagle pain syndrome“ (Hayes et al., 1989), „necrotizing vasculitis“ (Hoff et al., 1981;
Meric et al., 1986; Scott-Moncrieff et al., 1992), „canine pain syndrome“ (Burns et al., 1991)
oder „juvenile polyarteritis syndrome“ (Felsburg et al., 1992) sind sowohl Ausdruck für die
bisher ungeklärte Ätiologie, aber auch für die uneinheitlichen klinischen Erscheinungsbilder.
1
Die Erkrankung wird in 2 unterschiedlichen Erscheinungsformen beobachtet. Meist kommt
das akute Krankheitsbild vor, das in der Regel durch den sehr eindrucksvollen und
typischen Verlauf charakterisiert ist. Klinisch dominieren vor allem die hochgradigen
Schmerzen im Halswirbelsäulenbereich (HWS-Bereich) ohne zusätzliche periphere
Nervenbeeinträchtigungen (Kälin et al., 1987; Scott-Moncrieff et al., 1992; Tipold et al.,
1993, 1994, 1995; Tipold, 1997). Im Gegensatz dazu publizierten Meric et al. (1985, 1986)
und Irving et al. (1990), aber auch Braud et al. (1978), Hoff et al. (1981) und Hess et al.
(1997) immer wieder Einzelberichte mit multiplen, teilweise hochgradigen neurologischen
Ausfällen. Die Körperinnentemperatur der erkrankten Tiere liegt über 39,5°C, die
Leukozytenzählung ergibt oft Werte über 20.000 x 109/l. Der Liquor cerebrospinalis enthält
hochgradig neutrophile Granulozyten (neutrophile Pleozytose, meist über 200-1000
Zellen/3μl), andere Zellen werden bei der Differenzierung selten gesehen. Diese Ergebnisse
werden übereinstimmend von Meric et al. (1985, 1986), Irving et al. (1990), Scott-Moncrieff
et al. (1992) und Tipold et al. (1993, 1994, 1995; Tipold, 1997) berichtet. Der Proteingehalt
kann Werte von 3000 mg/l übersteigen (Tipold et al., 1993, 1994; Tipold, 1997), so daß die
semiquantitative Pandyreaktion 3-fach bis 4-fach positive Ergebnisse ergibt. Autoren wie
Meric et al. (1985, 1986), Spencer et al. (1987) oder Scott-Moncrieff et al. (1992) beschreiben
Erhöhungen des Eiweißgehaltes, ohne ihre Angaben näher zu quantifizieren.
Im Liquor gesunder Hunde finden sich zwischen 0-8 Zellen/3μl. Der physiologische
Liquorproteingehalt liegt bei 110 bis 550 mg/l, so daß die semiquantitative Pandyreaktion
negativ ausfällt (Tipold, 1997).
Größere Schwierigkeiten ergeben sich bei der Diagnose der chronisch verlaufenden,
protrahierten Form der „steril-eitrigen Meningitis/Arteritis“, die allerdings weitaus seltener
vorkommt. Hier ist die typische, hochgradige Schmerzhaftigkeit im HWS-Bereich oft
geringer ausgeprägt, die Leukozytose ist nicht immer vorhanden und die
Körperinnentemperatur liegt häufig noch im physiologischen Bereich. Meric et al. (1986),
Irving et al. (1990) und Tipold et al. (1994) berichten bei dieser Form der „steril-eitrigen
Meningitis/Arteritis“ von begleitenden, multiplen neurologischen Ausfällen. Betroffene Tiere
zeigen verzögerte oder aufgehobene Haltungs- und Stellreaktionen, Para- und Tetraparesen
sowie Paralysen. Der Liquor cerebrospinalis weist in der Regel eine weniger deutlich
ausgeprägte Pleozytose auf und das Zellbild zeigt mehr lymphozytär-monozytäre Zellen,
wodurch sich größere Übereinstimmungen mit anderen zentralnervös-entzündlichen
Erkrankungen ergeben (Irving et al., 1990; Tipold et al., 1994; Tipold, 1997).
Eigene Untersuchungen (Fallbeschreibung)
Im Januar 1998 wurde die 10 Monate alte, weibliche Deutsche Dachsbracke erstmals beim
Haustierarzt (HTA) vorgestellt. Sie zeigte einen gebückten Gang mit starr nach vorne und
unten gestreckter Kopfhaltung sowie einen aufgekrümmten Rücken. Bereits nach leichter
Berührung im Halsbereich schrie die Hündin spontan auf und hielt den Hals bei
Abwehrreaktionen steif gestreckt. Andere neurologische Auffälligkeiten waren nicht
vorhanden. Der Hund hatte zu diesem Zeitpunkt Fieber und eine Leukozytose. Die
eingeleitete Borrelioseuntersuchung war negativ. Der HTA therapierte die Hündin mit
Amoxicillin und einmalig mit Dexamethason (Dosis unbekannt), worauf sich ihr Zustand
kurzfristig besserte. Mitte April ´98 wurde das Tier erneut wegen akuter Verschlechterung des
Allgemeinzustandes und Schmerzen im Halsbereich vorgestellt. Wiederum war im Blut die
Leukozytose (17.300 x 109/l) auffällig, während sich die Temperatur im Normbereich befand
(38,5°C). Die vom HTA durchgeführte Behandlung mit Amoxicillin und Novalgin zeigte
kaum Wirkung, so daß am 1.6.98 eine Therapie mit Phenylbutazon (Dosierung unbekannt) an
4 Tagen im jeweiligen Abstand von 3 Tagen eingeleitet wurde, die zur kurzfristigen
2
Besserung führte. Am 19.6.98 wurde das Tier vom HTA wegen eines hochgradigen Rezidivs
in die Chirurgische Veterinärklinik -Kleintierchirurgie- der Justus-Liebig-Universität Gießen
überwiesen (Abb.1).
Abb. 1: Steife Körperhaltung mit aufgekrümmtem Rücken. Der Kopf-Halsbereich wird starr
nach kranio-ventral gehalten, Bewegungen werden vermieden.
Bei der klinischen Untersuchung bewegte sich die Hündin ohne deutliche Aufkrümmung des
Rückens, war aber bei Palpation der Wirbelsäule, vor allem im Bereich der HWS hochgradig
schmerzhaft. Schritt und Trab, Wendungen und Treppen steigen erfolgten koordiniert. Die
Haltungs- und Stellreaktionen waren unauffällig. Ebenso löste die Stimulation der spinalen
Reflexe an Vorder- und Hintergliedmaßen eine physiologische Reaktion aus. Die Reizung der
Hautafferenzen paramedian der Wirbelsäule ab dem 5./6. Lendenwirbel nach kranial hatte
einen normalen Pannikulusreflex zur Folge. Die Rute wurde normal bewegt, der Anal- und
Vulvareflex waren unauffällig. Die neurologische Untersuchung der Kopfnerven war auf
Grund der Schmerzhaftigkeit im HWS-Bereich nur bedingt auswertbar, soweit beurteilbar
zeigten sich aber keine Ausfälle. Bei der Stimulation der einzelnen Zehenglieder mit einer
Klemme zur Überprüfung der oberflächlichen Tiefensensibilität auf Höhe der Phalanx media
schrie die Hündin sofort auf.
An Hand der angefertigten Nativröntgenbilder wurde zwischen dem 8. und 9. Brustwirbel ein
geringgradig verkalkter Nucleus pulposus ohne Verengung des Zwischenwirbelspaltes
festgestellt. Bei der anschließend durchgeführten Myelographie war an keiner Stelle des
Wirbelkanals eine Ausdünnung des Kontrastmittelstreifens zu erkennen, so daß wir eine
kompressive Äthiologie zu diesem Zeitpunkt weitgehend ausschließen konnten.
Wegen der hochgradigen Schmerzhaftigkeit im HWS-Bereich verabreichten wir dem Hund
einmalig Flunixin-Meglumin1 (1mg/kg KM iv) und Prednisolon2 (10mg/kg KM einmalig iv,
danach po) über 7 Tage ausschleichend reduziert und am 8. Tag abgesetzt. Um eine mögliche
bakterielle Genese therapeutisch zu erfassen, erhielt die Hündin zusätzlich 3 mal täglich 50
mg/kg KM Chloramphenicol3 für 3 Wochen. Sie wurde unter der Auflage absoluter Ruhe
nach Hause entlassen.
Am 20.10.98 erfolgte ein weiterer Rückfall, woraufhin die Hündin stationär in die
Kleintierchirurgie der Universität Gießen aufgenommen wurde. Zu diesem Zeitpunkt war eine
generalisierte Hyperästhesie und starke Schmerzhaftigkeit bei passiver Manipulation des
3
Halses auffällig. Außer diesen Symptomen konnten bei der klinisch-neurologischen
Untersuchung keine unphysiologischen Befunde festgestellt werden.
Es wurde erneut eine entzündungshemmende und ausschwemmende, ödemvermindernde
Therapie mit 10 mg/kg KM Prednisolon2 (2 mal täglich) intravenös in absteigender Dosierung
über 4 Tage, 2,5 mg/kg KM Furosemid4 (2 mal täglich) über 3 Tage, 20 mg/kg KM
Ampicillin5 (2 mal täglich) und einmalig 2 g/kg KM 15 %ige Mannitlösung6 als
Dauertropfinfusion über 20 Minuten eingeleitet, die im Laufe von 3 Tagen zu weitgehender
Symptomfreiheit führte.
Am 1.3.99 wurde die Hündin wegen erneuter Schmerzen wieder in unserer Klinik vorgestellt.
Zu diesem Zeitpunkt bestanden bereits seit einer Woche starke Schmerzen im HWS-Bereich,
die sich in steifer und gestreckter Kopftiefhaltung und schleichenden, vorsichtigen
Bewegungen äußerten. Sie hatte 39,99°C Fieber und 25.500 x 109 Leukozyten pro Liter Blut.
1
Finadyne Injektionslösung 1%, Essex Tierarzneimittel, 78224 Singen
Solu-Decortin H250 Injektionslösung, CP- Pharma, 31286 Burgdorf; Weiterführung der Therapie mit
Decortin H5 Tabletten, WDT eG, 30827 Garbsen
3
Ibemycin Kapseln 250 mg, A. Albrecht GmbH & Co., 88326 Aulendorf
4
Dimazon-Injektionslösung 40 mg, Hoechst Roussel GmbH, 85716 Unterschleißheim
5
Ampicillin-ratiopharm 2,0 Injektionslösung, ratiopharm GmbH, 89070 Ulm
6
Mannit-Lösung 15%, Serag-Wiessner GmbH & Co.KG, 95112 Naila
2
Das Tier wurde narkotisiert und eine Liquorpunktion durchgeführt. Der Liquor erschien
makroskopisch leicht trüb und reagierte in der Pandy-Reaktion zweifach positiv, was einem
Eiweißgehalt zwischen 1000-3000 mg/l entspricht. Die mikroskopische Untersuchung ergab
eine hochgradige Zellzahlerhöhung (Pleozytose), hauptsächlich bestehend aus neutrophilen
Granulozyten und nur vereinzelten Lymphozyten/Monozyten. Die eingeleitete
bakteriologische und mykologische Untersuchung, der Staupeantigen-, Toxoplasmose- und
Frühsommermeningoenzephalitis (FSME)-Nachweis waren negativ.
Die Verdachtsdiagnose „steril-eitrige Meningitis/Arteritis“ wurde auf Grund der Anamnese,
des typischen klinischen Bildes der akuten Form, dem Ausschluß möglicher
Differentialdiagnosen und den Ergebnissen der Liquoruntersuchung gestellt.
Therapie
Die Therapie mit 10 mg/kg KM Prednisolon2 (2 mal täglich), ausschleichend über 3 Tage auf
5 mg/kg KM (2 mal täglich) und ab der zweiten Woche auf 1,5 mg/kg KM (2 mal täglich)
reduziert, führte erneut zu weitgehender Besserung. Die Antibiose wurde auf 25 mg/kg KM
Ampicillin7 (2 mal täglich) umgestellt, weil die Notwendigkeit eines liquorgängigen
antimikrobiellen Wirkstoffs nicht mehr gegeben war und fortgeführt, um den
immunsuppressiven Effekt der Kortisondauerbehandlung zu kompensieren
Am 20.04.99 wurde das Tier zur Kontrolle vorgestellt. Der Besitzer berichtete, daß sich das
Allgemeinbefinden der Hündin stetig verbessert habe und bewertete ihn momentan als „sehr
gut“. Bei der klinischen Untersuchung bewegte sich die Hündin in schwingendem Gang und
drehte dabei den Kopf frei zu allen Seiten. Die passive Beugung des Halses nach links und
rechts sowie die Flexion und Extension ließen keine Auffälligkeit erkennen. Die Haltungsund Stellreaktionen sowie die spinalen Reflexe waren physiologisch. Die Hündin hatte eine
Körperinnentemperatur von 38,6 C° und das eingeleitete Blutbild war unauffällig. Der Urin
wurde mittels Combur-Test8 untersucht, dabei waren keine Abweichungen vom Normbereich
feststellbar. Die Liquorpunktion ergab makroskopisch klaren Liquor, der auch in den klinisch4
chemischen Untersuchungen keine pathologischen Veränderungen zeigte. Bei der Zellzählung
wurden 5 Zellen/3µl gezählt und die zytologische Untersuchung ergab ein lymphozytärmonozytär geprägtes Bild mit vorwiegend Lymphozyten, wenigen Makrophagen und ganz
vereinzelten neutrophilen Granulozyten. Die im Institut für Hygiene und
Infektionskrankheiten der Tiere der Justus-Liebig-Universität Gießen durchgeführte
bakteriologische Kontrolluntersuchung war negativ. Daraufhin wurde die Prednisolondosis2
im Laufe einer Woche auf 0,8 mg/kg KM (2 mal täglich) vermindert.
Am 10.6.99 erfolgte die 2. Kontrolle an unserer Klinik. Die Hündin zeigte auch bei dieser
Untersuchung ein völlig ungestörtes Allgemeinbefinden, ihre Bewegungen waren lebhaft und
wir konnten bei keiner Manipulation des Halses Schmerzäußerungen provozieren. Auch die
übrige klinisch-neurologische Diagnostik brachte physiologische Ergebnisse. Die Analyse des
roten, weißen und Differentialblutbildes sowie der chemischen Parameter von Leber und
Niere waren unauffällig. Bei der anschließend durchgeführten Liquorpunktion wurde klarer
Liquor gewonnen, in dem 2 Leukozyten/3μl nachgewiesen werden konnten. Der Eiweißgehalt
des Liquor war mit 153,3 mg/l unauffällig.
7
8
Albipen 125 mg Tabletten, Intervet GmbH, 47918 Tonisvorst
Combur-Test, Boehringer GmbH, 68305 Mannheim
Da der Hund klinisch gesund erschien und die Liquorzellzahl im physiologischen Bereich lag,
wurde die Prednisolondosis2 auf 0,5 mg/kg KM (2 mal täglich) über 5 Tage reduziert. Für den
6. Tag hatten wir mit dem Besitzer eine weitere Verringerung der Menge auf 0,25 mg/kg KM
(2 mal täglich) vereinbart, die er über 14 Tage verabreichte. Am 18. Tag wurde die Antibiose
abgesetzt, da nun die immunsuppressive Kortisondosis deutlich unterschritten war. Weitere
14 Tage nach der letzten Reduktion nahmen wir die Erniedrigung auf 0,15 mg/kg KM (2 mal
täglich) vor, die 2 Wochen später nur noch 1 mal täglich verabreicht wurde. Die letzte
Reduktion auf die Gesamttagesdosis von 1 mg Prednisolon2 über 7 Tage erfolgte wiederum 2
Wochen später. Am 8. Tag wurde das Kortison abgesetzt.
Die Hündin wird inzwischen wieder jagdlich eingesetzt und hat in der Beobachtungszeit von
4 Monaten nach Absetzen der Therapie keine Anzeichen eines Rezidivs gezeigt.
Diskussion
Bei Erkrankungen des Rückenmarks ist es nicht immer leicht zu unterscheiden, ob es sich um
traumatisch-kompressive, degenerative, tumoröse, infektiöse oder immunologische
Geschehen handelt. Anamnese, klinisch-orthopädische und -neurologische Untersuchung,
Nativröntgen und Kontrastmitteldarstellung des Rückenmarks ermöglichen in vielen Fällen
den Ausschluß kompressiver Erkrankungen (zum Beispiel die Diskopathie oder ein extraoder intradural, aber auch intramedullär gelegener Tumor). Degenerative Erkrankungen (zum
Beispiel die Demyelinisierung) können oft anhand der Anamnese und Klinik von
Entzündungen des Zentralnervensystems abgegrenzt werden. Die Grenzen zwischen
infektiösen und immunologischen Erkrankungen sind jedoch selbst hinsichtlich der
Ätiopathogenese häufig verschwommen. Dies äußert sich vor allem in der Schwierigkeit der
Diagnose einiger dieser Erkrankungen am lebenden Tier, aber auch in der Vielfältigkeit der
empfohlenen Therapien.
5
Eine relativ häufige, von anderen zentralnervösen Entzündungen nicht immer leicht
abgrenzbare Erkrankung ist die „steril-eitrige Meningitis/Arteritis“. Hoff et al. (1981), Burns
et al. (1991), Scott-Moncrieff et al. (1992) und Tipold et al. (1993, 1994; Tipold, 1997)
fanden die Erkrankung in der Regel bei Tieren, die jünger als zwei Jahre waren. Sehr oft sind
mittelgroße bis große Hunde betroffen, wobei Irving et al. (1990) über 5 Fälle mit „sterileitriger Menigitis/Arteritis“ berichten, von denen drei Hunde kleiner Rassen erkrankt waren.
In mehreren Veröffentlichungen wird die Vermutung geäußert, daß eine Rassenprädisposition
bestehen könnte, wobei der Beagle (Harcourt et al., 1978; Hayes et al., 1982; Stejskal et al.,
1982; Brooks et al., 1984; Scott-Montcrieff et al., 1992), Boxer (Hoff et al., 1981; Poncelet et
al., 1993) und der Berner Sennenhund gehäuft betroffen sein sollen. Tipold et al. (1994)
diagnostizierten 32 Fälle, wobei 10 Boxer und 9 Berner Sennenhunde erkrankt waren. Auch
Meric et al. (1986) und Kälin et al. (1987) beschreiben das vermehrte Auftreten bei Berner
Sennenhunden.
Die Ätiologie ist bis heute unbekannt. Da das klinische Bild sehr gut mit Kortikosteroiden
oder anderen Immunsuppressiva beeinflußbar ist, vermuten Meric et al. (1985, 1986), Burns
et al. (1991), Scott-Moncrieff et al. (1992) sowie Tipold et al. (1993, 1994; Tipold, 1997) und
Hess et al. (1997) eine immunpathologische Genese. Andere Autoren diskutieren als mögliche
Auslöser infektiöse (Felsburg et al., 1992; Abe et al., 1993) und metabolische Ursachen (Obel
et al., 1953; Hoff et al., 1981). Kälin et al. (1987) beschreiben das klinische und pathologische
Bild der „steril-eitrigen Meningitis/Arteritis“ nach der Applikation des nidationsverhütenden
Medikaments DL717-IT (Isoquilonderivat) bei 7 Hunden großer Rassen.
Die akute Form der „steril-eitrigen Meningitis/Arteritis“ manifestiert sich innerhalb von
wenigen Tagen. Betroffene Hunde haben ein reduziertes Allgemeinbefinden und zeigen eine
eigentümliche Haltung: Kopf und Hals werden gerade oder leicht gebeugt nach vorne unten
gestreckt und kaum bewegt, der Körper wird steif gehalten, was besonders bei Drehungen des
Tieres auffällt. Die Extremitäten sind entweder geringgradig spastisch gestreckt, oder das Tier
nimmt eine mehr gebückte Haltung bei leicht aufgekrümmtem Rücken ein. Bewegungen
werden nach Möglichkeit vermieden oder sehr vorsichtig und langsam ausgeführt. Die
meisten dieser Tiere haben gering- bis mittelgradig erhöhte Körpertemperatur und eine
Leukozytose mit Linksverschiebung. Sowohl Meric et al. (1985) als auch Kälin et al. (1987)
und Tipold et al. (1993, 1994; Tipold, 1997) konnten bei vielen diagnostisch gesicherten
Fällen nur sehr selten neurologische Ausfallserscheinungen beobachten. Entsprechende
typische Befunde konnten wir bei der Deutschen Dachsbracke erheben.
Allerdings scheint die akut verlaufende „steril-eitrige Meningitis/Arteritis“ nicht immer so
charakteristisch zu verlaufen. Meric et al. (1986), Irving et al. (1990) und Scott-Moncrieff et
al. (1992) beschreiben ein akutes klinisches Bild, das durch schlaffe Lähmung an
Hintergliedmaßen und Schwanz, fehlende spinale Reflexe und fehlenden oberflächlichen
Tiefenschmerz gekennzeichnet ist. Auch Hoerlein et al. (1978) und Hoff et al. (1981)
berichten von ähnlichen Fällen. Einige der beschriebenen Hunde waren afebril. Die
Verdachtsdiagnosen wurden bei den meisten dieser Tiere durch die Sektion bestätigt, so daß
man davon ausgehen muß, daß die akute Erkrankung in 2 unterschiedlichen Varianten
auftreten kann.
Von diesem Krankheitsbild ist die atypische, protrahiert verlaufende Form abzugrenzen,
die sich über mehrere Wochen oder Monate erstrecken kann. Auch hier ist die
Schmerzhaftigkeit im Halsbereich ein hervorstechendes Symptom, jedoch bestimmen
häufiger die neurologischen Ausfälle das klinische Bild. Sie können fokal auf umschriebene
Abschnitte beschränkt oder multifokal inklusive Kopfnerven in Erscheinung treten. Meric et
al. (1985) und Irving et al. (1990) beschreiben 5 Patienten mit Krankengeschichten zwischen
3 Wochen und 6 Monaten, die alle ataktischen Gang, Paresen oder Paralysen zeigten. Auch
Tipold et al. (1994) kommen anhand von 11 Hunden mit protrahiert verlaufenden
6
Erkrankungen, bei denen seit mindestens 5 Monaten eine klinische Symptomatik vorhanden
war, zu ähnlichen Ergebnissen. Ob diese Form der Erkrankung auf Grund der Dauer
regelmäßig mit Nervenausfällen verbunden ist, muß durch weitere Studien überprüft werden.
Häufig fehlt das hohe Fieber, die Leukozytose ist nicht immer deutlich ausgeprägt und die
typische neutrophile Pleozytose des Liquor cerebrospinalis, die bei der akuten Form gesehen
wird, wandelt sich in das Zellbild der protrahierten „steril-eitrigen Meningitis/Arteritis“ mit
vermehrt lymphozytär-plasmozytären Zellen. Da vor allem die „granulomatöse
Meningoenzephalomyelitis“, aber auch virale, protozytäre und chronisch bakterielle ZNSInfektionen sowie nekrotisierende Prozesse mit ähnlichen Liquorveränderungen einhergehen
(Tipold, 1997), wird die differentialdiagnostische Abgrenzung erheblich erschwert.
Um die Verdachtsdiagnose „steril-eitrige Meningitis/Arteritis“ stellen zu können, müssen
verschiedene Differentialdiagnosen abgegrenzt werden.
Die klinische und klinisch-neurologische Untersuchung stellt dabei den ersten wichtigen
Schritt dar. Hoerlein et al. (1978), Meric (1992) und Tipold (1997) beschreiben bei der
granulomatösen Meningoenzephalomyelitis, der caninen Staupe und selten bei der
Toxoplasmose des Hundes Augenfundusveränderungen, so daß zusätzlich eine
ophthalmologische Diagnostik durchgeführt werden muß.
Die labordiagnostische Untersuchung umfaßt das vollständige Blutbild mit
Differentialblutbild, die Erythrozytensenkungsreaktion, die chemische Blutanalyse der Leberund Nierenwerte sowie die Urinanalyse mit bakteriologischer Untersuchung.
Die Endoskopie der äußeren Gehörgänge mit anschließendem Bullaröntgen sollte wie das
Thoraxröntgen zur Diagnostik gehören, um einerseits eine der häufigsten Eintrittspforten von
Bakterien in das ZNS auszuschließen (Meric, 1992; Frankhauser und Vandevelde, 1993) und
um andererseits eine Otitis externa, media oder interna als Ursache für Schmerzen oder
Kopfnervenausfälle nicht zu übersehen.
Sind bei der klinischen Untersuchung durch Manipulationen an der HWS zervikale
Schmerzen auslösbar, müssen in jedem Fall Nativaufnahmen der Wirbelsäule und die
Myelographie durchgeführt werden, um Veränderungen der Wirbelkörper oder
Kompressionen (extradural, intradural, intramedullär) des Rückenmarks, insbesondere die
Diskopathie (HWS-Syndrom) auszuschließen. Von einer Kontrastdarstellung muss allerdings
bei hochgradigen, makroskopisch erkennbaren Veränderungen im Liquor cerebrospinalis,
meist im Sinne einer Xanthochromie (Gelbfärbung), abgesehen werden.
Die Verdachtsdiagnose wird in den meisten Fällen durch die Analyse des Liquor
cerebrospinalis erhärtet. Der gewonnene Liquor muss innerhalb einer halben Stunde
zytologisch (Zellzählung und Zelldifferenzierung) untersucht werden, da die Zellen sonst in
der eiweißarmen Flüssigkeit zerstört werden. Es ist dabei unbedingt zu beachten, daß bereits
geringe Kortisongaben innerhalb von Stunden zum Verschwinden eines Großteils der
neutrophilen Granulozyten aus dem Liquor führen können (Tipold, 1997). Es folgen
chemische Liquoranalysen, die vor allem die Bestimmung von Liquorprotein und -glukose
umfassen. Der physiologische Liquor cerebrospinalis ist klar und farblos. Die zytologisch
ermittelte Zellzahl sollte sich zwischen 0 und 8 Zellen/3μl und der Proteingehalt zwischen
110 und 550 mg/l befinden.
Bei der akuten Form der „steril-eitrigen Meningitis/Arteritis“ liegt die typische hochgradige
neutrophile Pleozytose (200-1000 Zellen/3μl und mehr), häufig mit makroskopischer
Gelbfärbung (Xanthochromie) vor. Tipold et al. (1994) berichten in einer Langzeitstudie mit
32 Tieren über Zellzahlen von mehreren tausend/3μl Liquor, Meric et al. (1985, 1986) fanden
bei 13 erkrankten Hunden durchschnittlich 2500 weiße Blutzellen/3μl Liquor. Wir konnten
bei unserem Patienten die hochgradige Zell- und Liquorproteinerhöhung mit einer
Xanthochromie ebenfalls nachweisen. Ähnlich hohe Werte werden meist nur bei der
granulomatösen Meningoenzephalomyelitis und bei bakteriellen Infektionen des ZNS
7
gefunden, die sich aber durch die zytologische und bakterielle Untersuchung relativ gut
voneinander abgrenzen lassen (Tipold, 1997). Scott-Moncrieff et al. (1992) konnten jedoch
bei neun betroffenen Beagles nur durchschnittlich 65 Leukozyten/3μl Liquor finden (1-1850
Zellen). Auch Irving et al. (1990) beschreiben eine große Variabilität zwischen 22 und 6400
Zellen/3μl Liquor (durchschnittlich 1450 Zellen/3μl). Beachtenswert ist dabei, daß die
Leukozytenzahl des Liquor mit Erreichen des chronischen Stadiums deutlich absinken kann
und vermehrt lymphozytär-monozytäre Zellen gesehen werden (Scott-Moncrieff et al., 1992;
Tipold et al., 1994; Tipold, 1997). Der Liquorproteingehalt ist ebenfalls erhöht (häufig über
2000 mg/l) (Tipold et al., 1993, 1994; Tipold, 1997), was Felgenhauer et al. (1982) und
Tipold et al. (1995, 1996; Tipold, 1997) einerseits auf eine intrathekale
Immunglobulinsynthese und andererseits auf die gestörte Blut-Hirn-Schranke zurückführen.
Große Bedeutung bei der Analyse des Liquor hat die bakteriologische Untersuchung, da der
Nachweis von Bakterien eine andere Therapie erfordert. Die bakterielle Infektion des
Zentralnervensystems kann jedoch beim Hund nur sehr selten nachgewiesen werden. In
unserem Patientengut kommen solche Fälle kaum vor. Auch Fenner et al. (1984), Meric
(1992) und Tipold et al. (1993; Tipold, 1997) gehen davon aus, dass Bakterien nur eine
untergeordnete ätiologische Rolle bei entzündlichen Erkrankungen des ZNS spielen.
Um zentralnervöse Erkrankungen auszuschließen, die mit ähnlicher Symptomatik in
Erscheinung treten, sich jedoch therapeutisch und prognostisch von der „steril-eitrigen
Meningitis/Arteritis“ unterscheiden, sollten spezielle Nachweisverfahren durch
Veterinärmedizinische Laboratorien durchgeführt werden. Dabei wird mit der PolymeraseKetten-Reaktion (PCR) Toxoplasmoseantigen, Staupeantigen und Borrelioseantigen im
Liquor
nachgewiesen.
Die
klinisch
meist
viel
dramatischer
verlaufende
Frühsommermeningoenzephalitis (FSME) (Tipold, 1997; Weissenböck, 1999) muß in die
Untersuchung ebenfalls mit eingeschlossen werden. Da die Hypothese der
immunpathologischen Genese durch verschiedene Autoren immer wieder Beachtung findet,
müssen auch andere, in Einzelfällen mit ähnlichen klinischen Symptomen in Erscheinung
tretende Erkrankungen wie die Canine Arthritis (Bell et al., 1993) oder der systemische Lupus
erythematosus (Meric, 1992; Frankhauser und Vandevelde, 1993) abgegrenzt werden. Dabei
wird Serum auf zirkulierende Antinukleäre Antikörper und IgM-Rheumafaktoren untersucht.
Bei paralytischen Ausfällen sollte die Schilddrüsen- und Diabetes mellitus-Diagnostik in
Erwägung gezogen werden. Vor allem die Canine Hypothyreose verdient in diesem
Zusammenhang Beachtung, da sie zu segmentaler Demyelinisierung und Axonopathie der
peripheren Nerven führen kann, die unter anderem durch Einlagerung von
Mucopolysachariden in das Peri- und Endoneurium und zerebrale Atherosklerose verursacht
wird (Nelson, 1992).
In der Literatur wird immer wieder von der Immunglobulinbestimmung mit entsprechender
Indexberechnung berichtet (Felgenhauer et al., 1982; Tipold et al., 1993, 1994, 1995, 1996;
Tipold, 1997). Diese Art der Diagnostik ist vielversprechend, da ein deutlicher und
gleichzeitiger Anstieg von IgA in Serum und Liquor bisher vor allem bei der „steril-eitrigen
Meningitis/Arteritis“ gefunden wurde. Der Nachweis der entsprechenden Antikörper wird
jedoch bisher kaum in der Routinediagnotik eingesetzt.*
Besonders bei Ausfällen von Kopfnerven, aber auch wenn sich durch hochgradige
Liquorveränderungen die Myelographie verbietet, ist das Magnet-Resonanz-Imaging (MRI)
das bildgebende Verfahren der Wahl. Es ist eine nicht-invasive Methode, durch die
Kompressionen im ZNS sichtbar gemacht werden können. In einigen Fällen ist es auch
möglich, granulomatöse und nekrotisierende Areale im Gehirn darzustellen (Tipold, 1997),
wodurch speziell die Unterscheidung von der granulomatösen Meningoenzephalomyelitis
vereinfacht wird.
8
Therapie
Die
Therapie
der
„steril-eitrigen
Meningitis/Arteritis“
besteht
in
einer
Langzeitimmunsuppression, die in unserer Klinik in der Regel über 4 bis 6 Monate mit
Kortison durchgeführt wird. Meric et al. (1985, 1986), Irving et al. (1990), Scott-Moncrieff et
al. (1992), Ponclet et al. (1993) und Tipold et al. (1993, 1994; Tipold, 1997) berichten über
ein vergleichbares Vorgehen. Dies verdeutlicht, daß die richtige Diagnosestellung für den
Behandlungserfolg zwingend notwendig ist, da empirisch durchgeführte Therapieansätze die
Kortikosteroidgabe meist zu früh beenden und damit der Grundstein zur Rezidivierung gelegt
wird. Bei dieser Dauertherapie müssen Nebenwirkungen an Leber, Niere und Blutsystem
ausgeschlossen werden, weshalb Blutwertkontrollen in höchstens zweiwöchigem Abstand
empfehlenswert sind. Zur Immunsuppression wird an unserer Klinik das kurzwirksame
Prednisolon2 verwendet, das zu Beginn der Therapie in der Dosierung von 10 mg/kg KM (2
mal täglich) über 2 bis 3 Tage verabreicht, danach absteigend über wenige Tage auf 2 bis 2,5
mg/kg KM (2 mal täglich) reduziert und bis zum Ende der 2. Therapiewoche in dieser
Dosierung gegeben wird. Bereits in den ersten Tagen muß sich eine deutliche Besserung der
Symptomatik einstellen.
*
Entwicklung und derzeitiger Einsatz durch Frau Prof. Dr. Tipold, Klinik für kleine Haustiere (Prof. Dr.
Nolte), TiHo Hannover, Bischofsholer Damm 15, 30173 Hannover
Die schrittweise Reduktion auf 1,2-1,5 mg/kg KM (2 mal täglich) erfolgt bis zur ersten
umfassenden Kontrolle nach etwa 5 Wochen. Dabei wird das klinische Erscheinungsbild, die
komplette Blut- und Urinanalyse sowie der Liquor in der oben beschriebenen Weise bewertet.
Es muß sichergestellt sein, daß alle Untersuchungsergebnisse im physiologischen
Normbereich liegen, um die weitere Reduktion der Kortisondosis auf 0,8-1 mg/kg KM (2 mal
täglich) vorzunehmen. Die zweite Kontrolle wird nach 4 Wochen durchgeführt und umfaßt
die klinische Untersuchung sowie eine Blut- und Urinanalyse. Bei normalen Befunden
erniedrigen wir die Dosis auf 0,5 mg/kg KM (2 mal täglich). 1-2 Wochen später bekommt der
Patient die gleiche Einzeldosis (0,5 mg/kg KM) nur noch einmal täglich. Bei Symptomfreiheit
wird diese Menge 2 Wochen danach alternierend alle zwei Tage 1 mal täglich verabreicht.
Nach etwa 4 Monaten endet die Therapie, nachdem die Dosierung zuvor nochmals über
wenige Tage halbiert und geviertelt wurde.
Dieses Therapieschema muß bei Patienten, die bereits rezidivierend erkrankten, um 4-6
Wochen, in Einzelfällen jedoch auch erheblich mehr, verlängert werden. Dabei entscheidet
eine abschließende Liquoruntersuchung über die Beendigung der Therapie, bei der keine
Anzeichen einer subklinischen Neuerkrankung vorhanden sein dürfen. Eine entsprechende
Weiterführung der Therapie wird auch von Meric et al. (1986), Irving et al. (1990) und Tipold
et al. (1994; Tipold, 1997) beschrieben.
Während Tipold et al. (1993, 1994) eine Therapiedauer empfehlen, die der unseren entspricht,
berichten Meric et al. (1985) von 5 Fällen, deren Behandlung mit Prednison nach wesentlich
kürzerer Zeit ohne Anzeichen eines Rezidivs beendet werden konnte. 3 dieser Hunde waren
nach 4 Wochen genesen, 2 andere innerhalb von 8 Wochen. Bei einem weiteren Tier wurde
Prednison nach 6 Wochen jedoch bereits so weit reduziert, daß erneut klinische Symptome
auftraten. Die Erhöhung der Dosis führte wieder zum Abklingen des Krankheitsbildes, worauf
die Kortisongabe über 6 Monate weitergeführt wurde. Danach wurde der Hund als gesund aus
der Therapie entlassen. In einer weiteren Veröffentlichung berichten Meric et al. (1986) von 2
Hunden, die sie über 2 und 2 ½ Monate mit Prednison therapiert hatten. Der kürzer
behandelte Hund entwickelte dabei zwei Rezidive und mußte euthanasiert werden, der andere
wurde vollständig gesund. Die anscheinend vorhandenen individuellen Unterschiede in der
Ausheilungstendenz der Erkrankung legen den Schluß nahe, die Therapie in keinem Fall zu
9
früh zu beenden, zumal die berichtete Rezidivquote bei entsprechend langer Therapie gering
ist (Tipold et al., 1994; Tipold, 1997). Auch in unserem Fall wurde nach 4 ½ monatiger
Therapie mit Prednisolon1 die vollständige Genesung erreicht.
Alternativ zur Monotherapie mit Kortikosteroiden können verschiedene Mono- oder
Kombinationstherapien durchgeführt werden. Tipold (1997) beschreibt die Möglichkeit der
Behandlung mit Cyclophosphamid, wobei hier mit stärkeren Nebenwirkungen zu rechnen ist.
Als Kombination mit Kortison bietet sich vor allem Azathioprin an, da auf Grund des
synergistischen Effekts eine deutliche Reduktion der Kortisondosis erreicht werden kann.
Allerdings besteht auch bei dieser Therapieform die Gefahr beträchtlicher Nebenwirkungen,
so daß regelmäßige Blutkontrollen in kurzen Abständen obligatorisch therapiebegleitend sind.
Die „steril-eitrige Meningitis/Arteritis“ neigt bei zu früher Reduktion der immunsuppressiven
Medikamente oder bei vorzeitigem Absetzen häufig zum Rezidiv, wobei aus bisher
ungeklärten Gründen die Symptomatik dann oft verstärkt auftritt und die Tiere auf die
Medikamente schlechter ansprechen als bei Ersterkrankung. Daher muß bei der
Therapieplanung immer berücksichtigt werden, ob nach unzureichender Vorbehandlung
bereits Rezidive eingetreten sind. In solchem Fall muß die Kortisondosis in den ersten 2½ bis
3 Monaten langsamer gesenkt werden. Zusätzlich sollte die gesamte Therapiedauer verlängert
und das Therapieende individuell von dem Befund einer abschließenden Liquoruntersuchung
abhängig gemacht werden.
Prognostisch ist die Aussicht auf Heilung gut, jedoch verschlechtert jedes Rezidiv die
Aussicht auf vollständige Genesung. Da diese Erkrankung häufig falsch oder ungenügend
therapiert wird, ist neben der Diagnostik vor allem diesem Aspekt Bedeutung zu schenken.
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Anschrift des Verfassers:
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Oliver Lautersack, Chirurgische Veterinärklinik –Kleintierchirurgie- der Justus-LiebigUniversität Gießen, Frankfurter Straße 108, 35390 Gießen
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