Kastration von Rüde oder Hündin

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Kastration von Rüde oder Hündin
Kastration von Rüde oder Hündin - ja oder nein, wenn ja wann?
Wenn man sich umhört, was die Tierärzte raten, habe ich den Eindruck, manche verwechseln unsere kleinen
Hunde mit Katzen: diese werden praktisch alle relativ jung kastriert, weil unkastrierte Kater unangenehm riechen
und auch markieren, weil Kastration der Kätzinnen das einzig wirksame Mittel der Geburtenkontrolle bei Katzen ist.
Aber bei den kleinen Rassehunden? Es gibt doch keine ungewollten Würfe bei unseren Zwerghündinnen, und die
Rüden fallen auch nicht unangenehm auf. Warum also die Beratung, die dahin geht, praktisch jede Hündin, die
nicht zur Zucht vorgesehen ist, kastrieren zu lassen, und teils auch beim Rüden der Hinweis, dass es für ihn
Vorteile habe, ihn von „seinem Trieb zu befreien“? Zuweilen kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass
etwas Arbeitsbeschaffung betrieben wird. Bei Hunden üblich ist die Kastration, d.h. die vollständige Entfernung
von Eierstöcken oder Hoden, nicht die Sterilisation.
Sterilisation
Darunter versteht man die Unfruchtbarmachung durch Unterbindung der Samenstränge beim Rüden oder
Entfernung der Gebärmutter bei der Hündin. Sie ist bei Hunden nicht üblich. Die Hündin wird trotzdem läufig und
zieht fremde Rüden an, kann gedeckt werden (bekommt aber keine Welpen). Der Rüde bleibt deckfähig und
reagiert ganz normal, nur zeugt er keinen Nachwuchs mehr.
Kosten nicht unterschätzen
Die Aufwendungen für die Kastration liegen bei der Hündin momentan zwischen Fr. 600 und 800, bei den Rüden
zwischen 300 und 400.
Vorteile der Kastration
Der grösste Vorteil der Kastration ist, dass Erkrankungen des
Fortpflanzungsapparates damit verhindert werden. Solche können im
Alter ab etwa 7-8 Jahren bei unserer Rasse auftreten.
Hündinnen neigen dann mehr zu Gebärmutter-Infektionen als jüngere
Tiere und Rüden können durch Prostatavergrösserung Schwierigkeiten
mit dem Absetzen von Harn bekommen. Gegen die Kastration von etwa
6-8-jährigen Papillons oder Phalènes ist aus meiner Erfahrung nichts
einzuwenden. Es gibt Hunderassen, die viel mehr und viel früher zu
solchen Krankheiten neigen, sodass bei ihnen der Eingriff vermutlich
mehr Sinn macht.
Es wird auch argumentiert, dass frühe Kastration der Hündin (vor der ersten Läufigkeit) das spätere Auftreten von
Gesäugetumoren zuverlässig vermeide. Dazu ist zu sagen, dass unsere langlebigen Zwerginnen - wenn überhaupt
– erst in hohem Alter (nach meiner Erfahrung nach dem 11. Geburtstag) langsam wachsende Gesäugetumoren
entwickeln. Diese sind nicht immer bösartig oder Mischtumoren, was fast immer ein Weiterleben für 2-4 Jahre
ermöglicht, sodass das biologische Endalter der Rasse dennoch erreicht wird. Die von den Tierärzten angeführten
Vorteile der Kastration wirken sich ganz eindeutig erst im letzten Lebensdrittel unserer Kleinen aus.
Bei Rüden ist zu sagen, dass eine Kastration bei einer Prostatavergrösserung praktisch immer Erfolg bringt, indem
sich die Vergrösserung zurückbildet und die Probleme mit dem Harnabsatz innert wenigen Wochen verschwinden.
Es ist aber früh genug, den Eingriff dann vornehmen zu lassen, wenn diese Probleme mit 8-10 Jahren auftreten.
Jungrüden aus Gründen der gesundheitlichen Vorsorge kastrieren zu lassen, ist wenig sinnvoll.
Auch bei der Hündin ist der Eingriff zur Vermeidung von Gebärmutter-Erkrankungen oder Dauerläufigkeit erst in
der 2. Lebenshälfte sinnvoll. Auch bei gravierender Scheinträchtigkeit oder bei angeborener Dysfunktion der
Fortpflanzungsorgane kann sich eine Kastration der 1½ bis 2-jährigen Hündin aufdrängen. Wenn die Hündin mit
Rüden zusammenlebt und nie gedeckt werden darf, muss wegen der Gruppenhaltung die Läufigkeit der Hündin
verhindert werden. Bei gemischten Hundegruppen ist Kastration der Hündin die beste Variante, um Nachwuchs
(und Streit zwischen den Rüden, wenn es mehrere sind) zu verhindern. Nur soll das nie, wirklich nie, vor der 1.
Läufigkeit gemacht werden! Warum? Der Tierarzt rät dazu? Der Zuchtwart des Rasseklubs rät aufgrund 35jähriger Erfahrung mit der Rasse davon ab!
Nachteile der Kastration
Sowohl Rüde wie Hündin werden durch Kastration ruhiger, manche fast träge. Mit der nachlassenden
Bewegungslust und Spielfreude steigt die Tendenz, dicker zu werden, und nicht selten werden Kastraten viel zu
fett im Laufe der Jahre. Darum heisst es dann: sehr restriktiv füttern, für viel Bewegung sorgen und wenn möglich
auch viel spielen.
Durch die Entfernung der Eierstöcke oder Hoden fällt der ganze Wirkungskreis der Fortpflanzungshormone aus.
Dies wirkt sich bei Rüde und Hündin etwas unterschiedlich aus. Papillon-Rüden haben weniger Nachteile aus der
Kastration als die Hündinnen, weil der Wegfall der männlichen Hormone sich weniger gravierend auswirkt. Die
Bemuskelung kann sich etwas reduzieren, der Rüde ist nicht mehr so stramm und fest in seinen Strukturen, aber
er verändert sich nicht so gravierend im Haarkleid und Aussehen, wenn er nicht zu viel Futter bekommt. Auch bei
ihm nimmt die Fresslust zu, die Bewegungsfreude ab.
Die Hündin verändert ihr Haarkleid fast immer nach Kastration. Wie bei den andern Spaniels auch wird das seidige
Haarkleid dichter, feiner, länger, leider oft auch wollig statt seidig. und damit auch mehr zum Verfilzen neigend.
Die Papillonhündin verliert manchmal ihre Pflegeleichtigkeit, muss dann täglich gebürstet werden, damit sich keine
verfilzten Haarknoten bilden.
Oft stellt man bei den älteren Hündinnen vermehrten
Juckreiz und Neigung zu Ekzemen fest. Manche Besitzer
sind der Ansicht, das wäre die Folge der Kastration. Viele
Althündinnen beissen und lecken sich häufig im Bereich
von Lende und Oberschenkel.
Die zeitweilige Behandlung mit Cortisonpräparaten lindert
diese Hautprobleme. Sie treten auch bei nicht kastrierten
alten Papillons auf, d.h. sind eher alters- und nicht
kastrationsbedingt.
Foto: Xenia, fast 17 Jahre alt, Juckreiz an den Hinterläufen
Ein wirkliches Problem der kastrierten Hündin ist das Harnträufeln im höheren Alter. Zwerghunderassen neigen
weniger dazu als die grossen Rassen, dennoch kommt es vor, dass eine kastrierte Hündin ab etwa 13-14 Jahren
zunehmend inkontinent wird. Vor allem wenn sie im Bett schläft – wie so viele unserer Kleinen – ist das ein nicht zu
unterschätzendes hygienisches Problem. Der Tierarzt verfügt über Medikamente, die das in Grenzen halten,
manchmal aber nicht zu 100%.
Nicht bei dieser Rasse: Kastration der Hündin vor der 1. Läufigkeit
5-7 Monate alte Jungtiere haben die volle Substanz bezüglich Muskulatur noch nicht aufgebaut und eben erst das
Uebergangshaar des Halbjährigen bekommen, noch nie das fertige Seidenhaar des erwachsenen Papillons
entwickelt. Bei Kastration vor 1. Läufigkeit ergibt sich häufig ein Haarkleid, das sich wieder Richtung wolliges
Welpenhaar zurückentwickelt, dem der Seidenglanz fehlt und das teils überlang und sehr dicht wird. Es macht viel
Arbeit bei der Haarpflege. In schlimmen Fällen ist es sinnvoll, solche frühkastrierte Hündinnen mit „falschem“
Haarkleid im Mai im Hundesalon scheren zu lassen, weil sie im Sommer viel zu warm haben (das normale glatte
Seidenhaar der Papillons wärmt kaum), bis zum Oktober wächst es wieder nach. Zudem besteht bei dieser Rasse
die Tendenz, dass frühkastrierte Hündinnen langwierige und wiederkehrende Scheideninfektionen (Vaginitis)
entwickeln. Warum das so ist, weiss ich nicht. Bei später kastrierten, ein- oder mehrmals läufig gewesenen
Hündinnen, kennt man das Problem gar nicht.
Nicht alle Rassehündinnen reagieren dermassen negativ auf Frühkastration wie die unsere. In den USA ist es ein
übliches Vorgehen, praktisch alle nicht zur Zucht verwendeten Hunde früh kastrieren zu lassen. Aber wer den Typ
der ausgewählten Rasse nicht zu sehr verändern will, sollte Papillon und Phalène vor einem solchen Eingriff voll
erwachsen, d.h. mindestens 15 Monate alt werden lassen. Dann sind Veränderungen an Sehnen, Bändern,
Muskeln kaum festzustellen und die Haaranomalien halten sich bei den meisten in Grenzen.
Wenn es passiert ist und man dem rasseunerfahrenen Tierarzt glaubte, Frühkastration wäre die beste Möglichkeit
für eine Hündin, kann man die negativen Folgen des Eingriffes durch jahrlange regelmässige Östrogen-Gaben in
Schranken halten. Die Tabletten müssen aber wirklich 1-2-mal wöchentlich in der vorgeschriebenen Dosis
verabreicht werden, nur ab und zu eine Tablette und dann wieder wochenlang vergessen, nützt gar nichts.
Erika Bolt