1 Volker Hinnenkamp Rassismus und Diskriminierung in

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1 Volker Hinnenkamp Rassismus und Diskriminierung in
Volker Hinnenkamp Rassismus und Diskriminierung in Alltagsdiskursen Vorbemerkung Dieser Beitrag basiert auf einem Vortrag, der im Rahmen der Ringvorlesung „Rassismus, Nationalis‐
mus und Antisemitismus im heutigen Deutschland: Rolle und Verantwortlichkeit der Intellektuellen“ bereits 1995 an der Universität Augsburg gehalten wurde. Zu einigen der im Folgenden zitierten und diskutierten Beispiele gibt es dezidierte Analysen in unterschiedlichen Publikationen von mir. Es ist mir wichtig zu betonen, dass gleichwohl die angeführten Beispiele also keiner rezent erhobenen Em‐
pirie entstammen, diese dennoch nichts von ihrer Aktualität verloren haben, da das methodische Vorgehen rassifizierender Redeweisen und rassifizierenden Sprachhandelns sich nicht verändert hat. Was sich hingegen stark verändert hat, ist der wissenschaftliche Diskurs. Hier hat insbesondere die postkoloniale Theorie zu einer enormen Verschärfung des Blicks auf rassifiziertes Handeln dazu ge‐
führt, dass sich eine neue und in Teilen reflektierte Metasprache und im Großen und Ganzen auch eine höhere Sensibilität zu der Thematik entwickelt haben. Die Ringvorlesung Mitte der neunziger Jahre musste das Thema „Rassismus“ als prominentes Catchword in ihrem Titel noch gegen Wider‐
stände durchsetzen, da etwa die alltägliche und institutionelle Diskriminierung von MigrantInnen und ethnisch Anderen noch kaum unter dem Blickwinkel des Rassismus und Neorassimus selbstver‐
ständlich war. Der Sprache des Vortrags merkt man diese Zurückhaltung an wie auch die gesamte Diktion der Zeit entsprechend ausfällt. Der mittlerweile unter dem Begriff des „Othering“ bzw. „Otherization“ etablierte Blick auf die Prozesshaftigkeit und Konstruktion der ‘Anderen‘ mag hier als ein Beispiel für die Veränderung und Erweiterung des Rassismus‐Diskurses stehen. Insofern zeigen insbesondere die dialogischen Beispiele meines Vortrags gerade auch die interaktionale Genese und Reproduktion der Othering‐Mechanismen auf. Gleichfalls sind die Argumente, die Progression der Beispiele von Gesten über einzelne Worte, Sprechakten, öffentlichen Diskursfragmenten bis hin zu diskursanalytischen Sequenzen authentischer Kommunikationssituationen nicht an eine aktuelle Dik‐
tion gebunden. V. Hinnenkamp 12/2013 1. Im Titel der Ringvorlesung, die ich mit diesem Vortrag eröffnet habe, ist explizit die Rede von der "Verantwortlichkeit der Intellektuellen". Mir kam dabei ein Buch mit eben diesem Titel von Noam Chomsky in den Sinn. Chomsky, der wohl renommierteste Linguist und streitbare Sozialrevolutionär, verkörpert für viele diese Verantwortlichkeit in vorbildhafter Weise. „Die Intellektuellen“, so Chomsky, „haben die Verantwortung, die Wahrheit zu sagen und Lügen aufzudecken“ (Chomsky 1971: 126). Allerdings ist dies nur die eine Seite der Ver‐
antwortlichkeit, die wünschenswerte. Die andere Seite ist weniger prospektiv und idealis‐
tisch. Rückblickend wie aktuell waren und sind es immer auch Intellektuelle, die (mit‐)ver‐
antwortlich gewesen sind für Lüge, Unterdrückung und Mord. Die Lehren des Rassismus et‐
wa, so wie sie heute noch und wieder zitiert werden, gehen zurück auf das Werk von Intel‐
lektuellen, auch wenn diese Theorien nach heutiger Auffassung der wissenschaftlichen Fun‐
dierung ermangeln. 1
Was meine ich mit Diskriminierung? Was verstehe ich unter Rassismus? Warum in Alltags‐
diskursen? Ich verwende den Begriff Diskriminierung im alltagssprachlichen Sinn, d.h. ich will an dieser Stelle nicht auf unterschiedliche Definitionen dieses Begriffs eingehen, sondern seine Alltagspraxis betonen. Jemanden diskriminieren, heißt ihn oder sie aufgrund bestimm‐
ter realer oder imaginierter oder unterstellter Eigenschaften ungleich zu behandeln oder zu benachteiligen. Zwei Bedingungen müssen erfüllt sein. 1. die Eigenschaften müssen diskredi‐
tierbar sein und 2. es muss die Macht oder zumindest der Legitimationsanspruch für ein solch diskriminierendes Verhalten vorhanden sein. Denn nicht jeder kann jeden diskriminie‐
ren, schon gar nicht sozial. Diskreditierbarkeit ist nicht naturgegeben. Sie hängt mit der zwei‐
ten Bedingung, der Macht dazu, zusammen. Ihre Genese ist nicht immer leicht nachzuvoll‐
ziehen. Diskriminierendes Handeln speist sich aus vermeintlicher Normativität, vermeintlich geteiltem Wissen und dem Glauben an entsprechende Ressourcen, wie dem common‐sense, aber auch weiterer ideellen und materiellen Ressourcen, von korrekter Sprache über Wohn‐
raum bis hin zur Rechtsprechung. Einiges davon gilt auch für Rassismus. Aber der Rassismus bildet zudem eine der Legitimati‐
onsquellen für Diskriminierung; zum zweiten ist fortwährende Diskriminierung Ausdruck von Rassismus, seiner entsprechend normativen Grundlage; und drittens schließlich ebnen un‐
behinderte diskriminatorische Handlungen den Weg zum rassistischen Handeln. Natürlich gibt es auch Rassismus ohne Diskriminierung und umgekehrt. Aber steht hier nicht im Mit‐
telpunkt. Der Rassismus besteht in der Lehre und in der Tat, wobei die Tat das unbestreitba‐
re Primat hat. Taten aber sind nicht nur physische Gewaltakte, sondern auch Worte, durch Worte ausgeübte Gewalt in Form von Ausgrenzung, Ausschließung, Verachtung und Aggres‐
sion. Davon werden meine Beispiele handeln. Die angelsächsische Diskussion nimmt eine interessante Unterscheidung zwischen racialism von racism vor. Racialism bezeichnet die strukturellen Gewaltformen im institutionalisierten und durch die Politik legitimierten Sinn. Racism umfasst die alltäglichen Gewaltpraktiken, die Biertischreden, die schmutzigen Blicke und die kleinen Menschlichkeitsverweigerungen; und damit sind auch die unversehenen, flüchtigen Akte gemeint, die wir selbst begehen und mit denen wir selbst und ungewollt das große Modell perpetuieren. Der Rassismus weist in die‐
ser Hinsicht vielerlei Parallelen zum alltäglichen Sexismus auf. Aber bildet die Kategorie Rasse, auf welche Rassismus basiert, nicht ein obsoletes Modell? Leider nein. Natürlich ist das humanbiologisch‐genetische Konzept der Rasse schon längst keine wissenschaftliche Kategorie mehr, auf die man bauen kann. Der Rassismus, der sich auf genetische Minderwertigkeit beruft, scheint ausgedient zu haben, zumindest im öffentli‐
chen Diskurs demokratischer Gesellschaften. Er ist seit dem nationalsozialistischen Rassen‐
wahn geächtet – oder böser gesagt: nicht mehr salonfähig. Aber der Rassismus, der sich auf soziale, ethnische und kulturelle Minderwertigkeit beruft, hat Konjunktur. Viele nennen ihn von daher Neorassismus. Es ist ein Rassismus ohne Rassen, aber dafür ein Rassismus als ideologischer Diskurs oder kultureller Rassismus (vgl. Hall 1989). Dieser Rassismus umfasst Vorformen und Spielarten, die in der Literatur oft auch als Kulturalismus, Ethnizismus und Ethnisierung bezeichnet werden. Kulturalismus, Ethnizismus und Ethnisierung beschreiben 2
Ideologien und Prozesse, die kulturelle und ethnische Zugehörigkeit in einer kategorischen Weise verabsolutieren und zum entscheidenden Bedeutungsträger des Verhaltens und der Interaktion machen. Doch mehr dazu in meinen Beispielen. Mit Alltagsdiskursen spreche ich all jene Formen persönlicher und institutioneller Kommuni‐
kationsformen an, die uns alltäglich begegnen und uns alltäglich prägen; d.h., auch die wir selbst alltäglich verwenden. Diskurs steht für Gespräch, für Rede über, für Text, für Argu‐
mentationsformen, für Ideologie und schließlich auch für Formen der Beteiligung, eben der rhetorischen und praktischen Beteiligung an Diskriminierung und Rassismus; Diskurs im Foucaultschen Sinne vereinigt Praxis und Ideologie. Von daher sind auch im Diskurs des Ras‐
sismus „alle Praxen durch Ideen bestimmt und alle Ideen (...) in Praxen eingeschrieben“ (Hall 1989: 914). Damit hebe ich noch einen anderen Aspekt von Diskurs hervor: Diskurse sind aktivische Formen des Handelns; d. h. es gibt SprecherInnen, MacherInnen, TäterInnen. Die‐
se agieren nicht reflexartig oder sind ferngesteuerte Roboter, sondern sie sind auch verant‐
wortlich für ihr Handeln. Zumindest sind sie verstrickt. Hier sollte ich in die erste Person Plu‐
ral wechseln: Wir sind verantwortlich für unser Handeln. Denn ich möchte nicht abstrakt über Dritte reden, denn ich stecke selbst mitten drin in diesem Diskurs, so, wie ich glaube, dass wir alle mit drin stecken. Dies ist ein weiterer Aspekt von Diskurs, vor allem Alltagsdis‐
kurs. Wir tun es, aber wir wissen es nicht; wir wissen nicht genau, was wir tun, was wir mög‐
licherweise – mit unserer Unbedachtheit – anrichten. Wir reden und handeln in einer bestimmten Weise, gerieren uns mitunter als ‚multikulti‘ und antirassistisch und sind doch beteiligt an der Reproduktion von Rassismus und Diskriminierung – unversehens und unge‐
wollt zumeist. Aber mit dem Wechsel zu „wir“ stecke ich in einem Dilemma, denn ich möchte über die Praktiken der Diskriminierung und des Rassismus der Mehrheitsgesellschaft reden. Ich will diese Mehrheit keineswegs als „Deutsche“ titulieren, auch wenn „die Deutschen“ aus einer bestimmten (z.B. ethnischen) Perspektive die Mehrheit bilden, so sind die Methoden der diskursiven Praktiken der Diskriminierung und des Rassismus keineswegs einer bestimmten Ethnie, Kultur oder Gruppe vorbehalten. Wie wir sehen werden, sind diese Praktiken von all‐
gemeinerer Natur – so wird etwa auch der Männer‐Frauen‐Diskurs davon geprägt. Metho‐
den der Diskriminierung und des Rassismus sind abhängig von den gesellschaftlichen und gruppenspezifischen, also den sozial‐interaktiven Möglichkeiten qualitative Minderheiten zu konstituieren bzw. zu konstruieren. Adressaten dieses Vortrags sind also nicht die Unbelehrbaren, nicht die Sowiesorassisten – sondern wir selbst. Wir, die oft selbstgefälligen ‚Multikultis‘, die sich schwer tun mit einem normalen Verhältnis zu den sprachlich und kulturell Anderen, wie beispielweise Migranten, die man als Individuen mögen oder nicht mögen mag, wie alle andern Menschen auch; aber die man deswegen nicht als Gruppe negativ oder positiv diskriminieren muss. 2. Die Beispiele, die ich vorstellen werde, basieren auf Daten, die ich im Rahmen meiner so‐
ziolinguistischen Forschung erhoben und bearbeitet habe. Es sind alles Beispiele aus dem Be‐
reich der Kommunikation von AkteurInnen, die sich als nativ, also einheimisch, autochthon, 3
der Mehrgesellschaft zugehörig sehen – zumindest ihrem analysierten Verhalten nach –, mit AkteurInnen, die diese Kriterien – zumindest ‚in den Augen‘ ihrer InteraktionspartnerInnen – nicht erfüllen. Es ist eben stets ein Teil des interaktiven Konstruktionsprozesses, wie Katego‐
rien von Zugehörigkeit – wer also etwa ‚nativ‘, wer ‚fremd‘ ist –, ausgehandelt werden. Somit ist es also problematisch diese ungleichen Paare apriorisch bestimmen zu wollen, denn es sind eben bestimmte diskursive Praktiken, die diese Differenz ja erst hervorbringen oder perpetuieren, wie etwa der Begriff der „Ausländerisierung“ so treffend zeigt. Auch will das Verb „aushandeln“ keineswegs ablenken von den unterschiedlichen Machtkonfigurationen und Ressourcendispositionen der involvierten AkteurInnen, sondern den interaktiven Prozes‐
scharakter dieser diskursiven Konstruktionen betonen. Der folgende Ausschnitt aus einem Leserbrief aus der Münchener „Abendzeitung“ macht diese stets wahrgenommen Fremd‐
konstruktion exemplarisch deutlich: „Ich bin 40 Jahre alt, lebe seit 30 Jahren in München. Ich bin voll integriert, übe einen Beruf aus, der für Ausländer nicht typisch ist und mein Charak‐
ter ist eher Deutsch geprägt. Trotzdem werde ich immer noch jedes Jahr von Kollegen ge‐
fragt, ob ich nach Hause in Urlaub fahre. Man räumt mir nicht einmal das Recht ein, mich hier zu Hause zu fühlen, obwohl ich fast ein ganzes Leben in Deutschland verbrachte. Ich är‐
gere mich jedes Mal, wenn ich wegen meiner guten Sprachkenntnisse gelobt werde. Es wird auch kein erwachsener Deutscher dafür gelobt, dass er ein gutes Deutsch spricht. … Wa‐
rum?“ Meine Arbeit steht in unterschiedlichen Traditionen. Eine davon ist sicherlich die der Sprach‐
kritik, eine andere steht im Bereich der Kritischen Linguistik. Ich selbst fühle mich als Sozio‐
linguist. Ein Teil meiner Daten wurde in realen Interaktionssituationen erhoben, dann transkribiert und nach gesprächsanalytischen Gesichtspunkten bearbeitet. Diese soziolingu‐
istische Forschungsorientierung basiert unter anderem auf dem Interaktionismus. Meine Auffassung von Interaktionismus besagt, dass sich Gesellschaft in vielen kleinen Akten von unten nach oben strukturiert, und nicht nur von oben nach unten verfasst ist. Damit kommt dem Individuum eine wichtige Verantwortung zu. Was uns die handelnden Individuen dabei als primäres Datum zur Analyse zur Verfügung stellen, ist ihre Sprache bzw. sind ihre Sprech‐
akte. Allgemeiner gesprochen sind es die interpersonalen Kommunikationssituationen, in denen sie sich äußern. Der Kommunikation kommt damit die eminent wichtige Rolle zu, die Reproduktion und Strukturierung gesellschaftlichen Wissens zu regulieren. Sie fungiert gleichsam als eine Verteilerstelle von oben nach unten und von unten nach oben. Dabei ist es auch wichtig zu analysieren, was im Kopf eines Individuums vorgehen mag, wenn es so handelt, wie es handelt. Analytisch sind dies Ableitungen über das Wissen der Individuen. Da wären einerseits Ideologie zu nennen und auf einer anderen Ebene kognitive Operationen. 2.1 Diskriminierung und Rassismus in Alltagsdiskursen äußern sich auf den unterschiedlichs‐
ten Diskursebenen. Im Kleinen sind es einzelne Wörter und Gesten. Zur Gestik ein Beispiel, das ein schwarzer Student aus Afrika auf einer öffentlichen Veranstaltung erzählt hat: „Es regnet. Ich telefoniere von einer Telefonzelle aus. Draußen warten eine Frau und ein Mann. Mein Telefongespräch zieht sich in die Länge und ich merke, dass die beiden, das Paar, vor der Telefonzelle nervös werden. Ich beende ganz schnell das Gespräch, gehe aus der Tele‐
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fonzelle heraus, halte – mich entschuldigend – die Tür auf. Die Frau antwortet nur mit einem bösen Blick, geht in die Telefonzelle, greift nach dem Hörer, putzt ihn demonstrativ auf ih‐
rem Mantel und fängt an zu telefonieren, indem sie jeden Kontakt mit dem Hörer vermei‐
det.“1 Gesten dieser Art sind häufig. Sie sind oft schwer identifizierbar, ihre Bedeutung schwierig zu belegen. Sie werden von betroffener Seite als kommunikative Aggressionsakte aufgefasst, die ein betäubendes und ohnmächtiges Gefühl zurücklassen. Ihre aggressive Bedeutung speist sich nicht aus einer eindeutigen Semantik, dazu sind zu viele Gesten situationsabhän‐
gig und ambivalent. Aber die wiederholte Erfahrung formen auch die Deutungsspielräume, schaffen eine besondere Empfindlichkeit, die jede Ambivalenz verdächtig erscheinen lässt. 2.2 Für die Bedeutung von Worten haben wir scheinbar eindeutigere Kriterien. Sie unterlie‐
gen strengeren Konventionen und Normen. Über die Verwendung offen diffamierender Be‐
griffe zur Kennzeichnung ethnischer Minderheiten oder Mitglieder derselben ist viel ge‐
schrieben worden. Alte und in Teilen immer noch verwendete Bezeichnungen für Andere wie Kanacke, Itacker, Spaghettifresser, Pollacke oder Fidschi haben eine plane pejorative Semantik. Sie sind gleichzeitig ethnische und panethnische Kategorisierungen. Das heißt, ih‐
re VerwenderInnen fassen unterschiedliche (von ihnen so wahrgenommenen) fremdethni‐
sche Gruppen nach einem für sie gemeinsamem Merkmal der Andersseins, womöglich spezi‐
fischen Andersseins (ethnische, soziale, linguistische Zugehörigkeit etc.) zusammen. Be‐
zeichnungen dieser Art gehören zur Gruppe der intentionalen Diskriminierer. Die diffamie‐
renden Kennzeichnungen treffen nur auf solche Personen und Gruppen zu, die im weiteren Sinne z.B. unter die Kategorie AusländerInnen in Deutschland, Menschen mit andersethni‐
scher Herkunft etc. fallen. Bestimmte Kennzeichnungen sind mittlerweile auch durch dieje‐
nigen gerichtlich belangbar, die so kategorisiert, so beschimpft werden; in Einzelfällen ist dies geschehen. Insofern gibt es einen – zumindest nominellen, juristischen – Schutz gegen derartige verbale Übergriffe, aber keinen gegen ihre interaktive Wirkung. Neben diesen in‐
tentionalen Diskriminierern gibt es auch solche Wortkarrieren, bei denen bestimmte Be‐
zeichnungen früher – zumindest juristisch – einmal salonfähig waren und nun im Rahmen ei‐
ner Sensibilisierung als rassistisch betrachtet werden, wie das was jetzt als „N‐Wort“ be‐
zeichnet wird. In der Tat können lang verwendete Begriffe ihre Unschuld verlieren, denken wir an Bezeichnung wie „GastarbeiterIn“. Aber auch aktuell steht die langjährige Selbstver‐
ständlichkeit kategorialer Bezeichnungen wie „MigrantIn“ u.a. unter vehementer Kritik. 2.3 Scheinbar anders verhält es sich mit jener Verwendungsweise ethnischer Kategorien, die vordergründig keine Diffamierung beinhalten, aber dafür andere Dienste leisten. Ich denke zunächst einmal an die generische Verwendungsweise nationaler Personenbezeichnungen, 1
Dieses Beispiel – wie viele weitere – berührt natürlich die kritische Weißseinsforschung: Die ‚Hautfarbe‘ wird von mir hier als Unterscheidungsmerkmal des Erzählers eingesetzt; gleichzeitig wird aber die Hautfarbe der anderen an diesem Vorfall beteiligten Akteure vom Erzähler – vor einem vorwiegend weißen Publikum nicht genannt; natürlich wird die ‚unmarkierte‘ Weißseinsnorm damit nicht in Frage gestellt. Alle weiteren Ak‐
teurInnen in folgenden Beispielen sind also ‚weiß‘. 5
wie Der Russe trinkt gerne, Der Türke ist stolz, Der Pole mag den Russen nicht. Einmal abge‐
sehen davon, was hinter Der Türke, Russe etc. folgt, haben diese Kennzeichnungen eine sug‐
gestive Wirkung. Es bleibt offen, worauf sich das Statement bezieht. Auf alle Polen, die meis‐
ten Russen, auf typische Vertreter derselben oder auf das türkische Wesen? Ferner kann der Sprecher bei Nachfrage relativieren, seine Verantwortlichkeit fürs Gemeinte abstreiten. Aber Rückzugsmöglichkeiten und Ausreden sind immer auch Ausdruck der Bewusstheit solcher le‐
xikalischer Gebrauchsweisen. Nicht viel besser ist das Gerede von den Griechen, den Italie‐
nern oder den Indonesiern; die Urlaubsgespräche jedenfalls sind voll mit diesen Verallgemei‐
nerungen. Hier sei angemerkt, dass bei dieser generischen Verwendungsweise stets die maskuline Form vorkommt, niemals die movierte feminine Form. 2.4 Kaum ein Bewusstsein besteht bei der Verwendung von solchen zusammengesetzten Substantiven wie Türkenklasse, Araberviertel, Ausländerkind. Die Brisanz dieser Komposita wird deutlich, wenn wir ähnliche Zusammensetzungen bilden, die uns mit Sicherheit gewöh‐
nungsbedürftig vorkommen: Deutschenwohnung, Finnenklasse, Amerikanerviertel, Japaner‐
auto usw. Sagen wir nicht japanische Autos, deutsche Wohnungen, finnische Klasse und amerikanisches Viertel? Zumindest einige kommen uns dann sehr sperrig vor. Es gibt in der Tat hie und da Bedeutungsunterschiede. So können deutsche Wohnungen auch von Deut‐
schen gebaute Wohnungen sein, während bei Deutschenwohnung mit Sicherheit die Be‐
wohner Deutsche sind. Aber im Allgemeinen besteht keine Notwendigkeit zur Differenzie‐
rung. Zusammensetzungen wie Türkenkinder gegenüber türkische Kinder sind nicht nur for‐
mell verschweißt, sondern auch semantisch. Formell sind sie untrennbar, nichts kann zwi‐
schen „Türken“ und „Kinder“ stehen, keine Lücke, keine attributive Erweiterung. Aber auch semantische Einheit und unveränderbare Zusammengehörigkeit werden so suggeriert. Das erste Glied ist schließlich das bestimmende. Dass diese Zusammensetzungen nicht zufällig sind, erkennen wir, wenn uns ihre systematische Verwendung wiederbegegnet in pejorati‐
ven Metaphern, wie Türkenkoffer für Plastiktüte. Auch in rassistischen Witzen ist ihre Ver‐
wendung obligatorisch. Schließlich stoßen wir auf diese verschmelzende Verwendungsweise auch in jener imitativen Redeweise des sog. Gastarbeiterdeutschs, dem „Foreigner Talk“ – ich komme noch darauf zu sprechen –, wenn selbst die adjektivische ethnische Kennzeich‐
nung an das Substantiv geklebt wird. Zitat: „Ich hab nix gegen Türkischmann, Türkischfrau hab ich nimmer. Nur ihr anders sprechen wie wir, nä? Ihr anders sprechen. Andere Sprache. Ich nix dagegen“ (Roche 1989). Als solche sind Zusammensetzungen keine schlichten stilistischen Alternativen zur adjektivi‐
schen Verwendung, sondern sie sind ein explizit rassistisches Stilmittel im Kontext der ethni‐
schen Zugehörigkeitsbeschreibung. Ganz spurlos scheint diese ethnisierende Konvention, wie ich sie einmal nennen möchte, nicht an uns vorüber zu gehen. Denn dort, wo diejenigen, die sich (z.B. der deutschen, weißen) Mehrheit zugehörig fühlen zum Speisen hingehen, ist das türkische Restaurant, dort wo diejenigen hingehen, denen früher der Status des „türkischen Mitbürgers“ gewährt wurde, ;die Anderen‘ ‚unter sich‘ sind, ist es dann die Türkenkneipe. Anekdotisch: Einmal nahm ich in meinem alten Universitätsbüro, das ich mit der Dozentin 6
für Türkisch teilte, ein Telefonat entgegen und meldete mich mit meinem Namen, worauf mich ein verdutzter Student am Ende der Leitung fragte „Ist dort nicht das Türkischbüro?“ Man kann einmal die Probe aufs Exempel machen und anfangen von Deutschmann und Deutschfrau zu sprechen, kann seine Kinder in die Deutschenklasse schicken oder erstaunt tun, wenn man nicht mit dem Englischbüro verbunden ist! Es wird denselben ‚Erfolg‘ haben, als wenn ich die Kategorie „weiß“ vor ‚weißen‘ (gegenüber anwesenden und auch nicht situ‐
ativ anwesenden ‚schwarzen‘) AkteurInnen stelle! 2.5 Bleiben wir noch einen Moment bei den ethnischen Kennzeichnungen. Vielleicht bei sol‐
chen, die unschuldiger daherkommen, ohne Verstümmlung, ohne stigmatisierenden Kon‐
text. Nehmen wir z.B. die Überschrift „Türken und Oberhauser feiern gemeinsam kleines Ju‐
biläum“ aus der Augsburger Lokalpresse. Da wird in netter und rühriger Manier über ein Fest erzählt, in dem Leute aus dem Ortsteil Augsburg‐Oberhausen ein Jubiläum feiern. Es ist schön, wenn Leute zusammen feiern; und sicherlich auch schön, wenn Deutsche und Türken zusammen feiern. Was aber suggeriert eine solche harmlose Überschrift? Gemeint sind ja nicht örtlich nicht näher zu definierende Besucher aus der Türkei, die zu Gast in Augsburg‐
Oberhausen weilen, sondern gemeint sind in dem Artikel diejenigen Anwohner in Oberhau‐
sen, die einen türkischen Pass haben oder türkischer Herkunft sind (was immer letzteres heißt?). Ich bin überzeugt, dass die meisten LeserInnen diese Überschrift auch genauso ver‐
standen haben. Es feiern also Deutsche und Türken aus Oberhausen gemeinsam. Aber wa‐
rum können die einen „Oberhauser“ sein, eine lokale und residiale Kategorie, und die andern sind und bleiben „Türken“ in diesem Kontext? Haben sie kein Anrecht auf lokale Identität? Sind sie nicht Teil des Stadtteils, Teil derjenigen „Oberhausenheit“, wenn man so will, die mit „Oberhauser“ angesprochen wird? Warum also schreibt die Zeitung nicht: „Deutsche und türkische Oberhauser feiern gemeinsam ...“ – wäre das für viele LeserInnen anrüchig? Es ist bereits die Konstruktion des Satzes, die es den türkischen Anwohnern nicht erlaubt, Oberhauser zu werden. Die Konjunktion „und“ verbindet in der Regel äquivalente Bestand‐
teile miteinander: Also Jacke und Hose; schwarz und weiß; Frankfurter und Istanbuler; aber doch wohl nicht „Anzug und Jacke“, oder krasser „Menschen und Kinder“. Natürlich gibt es viele Verwendungsweisen, in denen die Konjunktion „und“ auch ungleiche, gar miteinander nicht kompatible Sachen aufzählen kann. Aber in der Regel nicht in dualen Fällen. Die Über‐
schrift „Türken und Oberhauser feiern gemeinsam kleines Jubiläum“ schließt also einen Teil der Bewohner Oberhausens aus: aus der Gemeinschaft der residenten Einwohner; vielleicht weitergehender noch: aus der Gemeinschaft derjenigen, die auch mit deutscher Staatsbür‐
gerschaft noch keine Oberhauser sein können, weil sie qua Herkunft Türken sind. Hinter ei‐
ner unversehenen Exklusion wird somit eine rassifizierte Kategorisierung. „Türken“ in diesem Sinn stellt also eine ethnische Klassifikation dar, nicht einmal eine juristi‐
sche. Exklusionsverfahren auf der Basis ethnischer, kultureller und sozialer Zugehörigkeit sind – wie gesagt – ein Definitionsmerkmal des modernen Rassismus. Der Pressenotiz über das Jubiläumsfest in Oberhausen ist keine rassistische Intention zu un‐
terstellen. Sie macht ‚nur‘ von der journalistischen Konvention Gebrauch, das Auffälligere zu 7
nennen; sie macht sich den gesellschaftlichen common‐sense der Mehrheit zu Eigen und gibt ihm damit natürlich auch die notwendige Bestätigung. 2.6 Bleiben wir bei den kleinen Statements, den kleinen Sätzen, die viel implizieren. Mitt‐
lerweile am bekanntesten ist die kleine Frage „Woher kommst Du?“ einer Person gegenüber, die „fremd“, nicht‐nativ o. Ä. erscheint. Die Empirie dieser Fragestellung besagt, dass sie nicht nur frequent ist, sondern dass sie neben mitunter vielleicht echtem Interesse fast im‐
mer interventionistisch angelegt ist: Die fragende Person maßt sich unabhängig vom Thema des Gesprächs oder der jeweiligen Situation das Recht der Intervention für dieses Eigeninte‐
resse an. Mit Aaron Bodenheimer, dem Autor von „Warum? Von der Obszönität des Fra‐
gens“, fragt diese Frage etwas in den/die Gefragte hinein, impliziert ein „verhülltes Beschul‐
digen“, ein Überraschtwerden, eine Beschämung (Bodenheimer 1984: 73). Lena Inowlocki stellt trotz der biografischen Offenheit der Frage fest, dass die Paradoxie darin bestehe, „dass die Frage nach Herkunft geschlossen gestellt wird; das Interesse an der Antwort des Gegenübers geht nicht über die verlangte Bestätigung der Vermutung (nicht deutsch, son‐
dern türkisch, russisch) hinaus“ (Inowlocki 2012: 28f.). Zudem legitimiert die Antwort den/die Fragende/n weiter zu fragen: „Seit wann ….“. Bekannt auch das folgende oder sepa‐
rat interventionistische Urteil „Sie sprechen aber gut Deutsch!“ Inowlocki: „Fragen nach Her‐
kunft und Sprache betreffen etwas sehr Persönliches und Biographisches in dem Sinn, dass es sich um unser eigenes individuelles Leben handelt, in dem beides, Herkunft und Sprache, eine zentrale Rolle spielen … Im Gespräch, in Fragen und Aussagen zu Herkunft und Sprache, sind Diskurs‐ und Erfahrungsebenen mit einbezogen und miteinander verschränkt. Die Irrita‐
tion, die entsteht, wenn wir nach unserer Herkunft oder Sprache gefragt oder mit Aussagen dazu konfrontiert werden, hat also damit zu tun, dass wir offenbar nach etwas Persönlichem gefragt werden, faktisch aber die Diskursebene angesprochen und die Erfahrungsebene aus‐
geschlossen wird“ (2012: 29). Zudem legen die „häufig gestellten Fragen“ den Befragten / die Befragte darauf fest, das er/sie nicht nativ ist, dass er/sie als solche/r erkannt ist, dass in‐
terventionistische Berechtigungen daraus folgen und biographische Auskunft erteilt werden muss. Es ist eine kleine Diskursarena der unterschiedlich verteilten Rechte und Pflichten auf Basis von vermuteter Nicht‐Nativität des Gegenübers. Nicht unähnlich verhält es sich mit Repräsentativität. Auf einer Fortbildungsveranstaltung von Bediensteten im Gesundheitssystem wird eine Kollegin, die sich vorstellt und deren Na‐
me offensichtlich türkischer Herkunft ist, sogleich von einem Arzt gefragt, ob die Kollegin ihm erklären könne, warum die türkischen Frauen immer mit ihren Männern in die Praxis kämen. Natürlich gibt es berechtigte Interessen für MedizinerInnen, darauf eine Antwort zu erhalten. Dennoch wird die Kollegin nicht nur auf repräsentatives Kulturwissen festgelegt, sondern allein ihr türkischer Name nimmt der fragende Arzt als Berechtigung auf Interventi‐
on und Reduzierung der Kollegin auf ihre vermeintliche ethnische Zugehörigkeit, Die fiktive – vielleicht etwas zugespitzte – Umkehrung macht dies Verfahren deutlich, wenn z.B. die „tür‐
kische Kollegin“ die Gelegenheit beim Schopf packen würde, den Arzt zu fragen, warum ei‐
gentlich bei so vielen Operationen gepfuscht werde. 8
2.7 Aber Diskriminierung und Rassismus in Alltagsdiskursen kennen über ethnische und eth‐
nisierende Kennzeichnungen, über biografisches Hineinfragen und kategoriales Reduzieren hinaus viele Weisen. Manche haben so raffinierte Schlupfwinkel, dass es den Rahmen dieses Beitrags sprengen würde, ihre Aufdeckungsprozeduren nachzuzeichnen und ihre diskriminie‐
rende und rassistische Funktion offenzulegen. Die schroffe Abweisung, wie im folgenden Fall einer telefonischen Auskunft, ist leicht durch‐
schaubar, das Ausschlussverfahren offensichtlich (nach Roche 1982): Szene: A ruft bei der Bahnauskunft an, B ist Auskunfterteilender. 01 A: Gruß Gott. Ich Turkei fahren + was machen? 02 B: (Verstört) Was? 03 A: Turkei fahren. Was machen? 04 B: Ah, nix Plan. 05 A: Bitte? 06 B: Hier is nix Türkei fahren. 07 A: Und was machen? 08 B: Was machen? 09 A: Bitte? 10 B: Ah geh! (legt auf) Sicherlich ist das sehr direkte Vorgehen des Anrufers A nicht die höflichste Variante. Den‐
noch ist offensichtlich, dass Sprecher B, der Auskunft erteilende Beamte, der Bitte um Aus‐
kunft nicht nachkommt, genauso wenig hält er sich an irgendeine Konvention der Höflich‐
keit. Er verfällt sogleich in die vorgebliche Sprechweise des Anrufers. Wir Linguisten nennen diese modifizierte Sprechweise gegenüber vermeintlich nicht‐nativen SprecherInnen „For‐
eigner Talk“ oder „Xenolekt“. Diese Sprechweise erscheint vielleicht wie eine Anpassung an das Niveau des Gegenübers; doch werden wir diesem Register auch noch begegnen, wo die‐
ses Argument fortfällt und andere Gründe für seine Verwendung geltend gemacht werden. Die Negationspartikel „nix“, Infinitive und Auslassungen sind jedenfalls typische Erscheinun‐
gen dieser Sprechweise. Aber B imitiert nicht nur seinen Gesprächspartner, er äfft ihn im wahrsten Sinne des Wortes nach. Auf As Frage „Und was machen?“ folgt nur die Echofrage „Was machen?“. Eine solche Form der Diskriminierung und des Ausschlusses ist offensichtlich und krass. Aber es sind, wie man sieht, nicht mehr einzelne Worte, die diese Funktion erfüllen, sondern wir mussten bereits den gesamten Gesprächsverlauf mit einbeziehen, um den Mechanismus der Diskriminierung zu erkennen. 2.8 Aber nicht alle Gesprächsverläufe sind in dieser Weise leicht durchschaubar. Der US‐
amerikanische Soziolinguist Frederick Erickson hat ein Verfahren identifiziert, das zwar kei‐
neswegs diskriminierend gemeint ist, sondern eher kooperativ, aber dennoch einen diskri‐
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minierenden Effekt hat. Er nennt dieses Verfahren „talking down“. Es handelt sich auch nicht um einfach herablassendes Sprechen. Der Mechanismus ist raffinierter. Dem Gesprächs‐
partner wird kontrafaktisch Inkompetenz unterstellt. Betrachten wir folgendes Beispiel (nach Desgranges 1982). Es handelt sich um ein Pausengespräch am Arbeitsplatz in einer Fabrik. A ist ein deutscher Student, B ein türkischer Arbeiter. Das Gespräch dauert nur wenige Sekun‐
den lang. 01 A: Ich hab mir da unten im Automat Kaffee gezogen, ne 02 B: Ja 03 A: In sonem Becher, ne 04 (ca. 1 Sekunde Pause) 05 A: Nee, das is Nesskaffee, wa 06 B: Mhm 07 A: Nesskaffee, so mit Pulver und dann Wasser drüber, ne 08 (1 Sek. Pause) 09 A: Nich, kein richtiger Kaffee. 10 B: Jojo + ich weiß das, ich weiß das 11 A: Schmeckt nich gut A versucht das Interesse seines Gesprächspartners auf sich zu ziehen, indem er ihm von sei‐
nem Automatenkaffee erzählt. B reagiert darauf mit knappen „Ja“. A geht in Details: „In so‐
nem Becher, ne“. Doch eine Antwort bleibt offensichtlich aus. Auch seine Wiederholung, „Nee, das is Nesskaffee, wa“ stößt nur auf ein leises „Mhm“. Nun folgt schließlich die Zerle‐
gung des Nesskaffees in seinen Zubereitungsprozess und seine Bestandteile. Was aussieht, wie eine typische Form ungefragter Überinformativität, unterstellt in Wirklichkeit, der Ge‐
sprächspartner habe es nötig. A schließt von Desinteresse auf Erklärungsbedürftigkeit, gleichwohl die Fabrik und die Automaten mit dem Instantkaffee ja Teil der alltagslebenswelt‐
lichen Erfahrung des Arbeiters sind. Vordergründig macht Überinformativität einen wohlmeinenden Eindruck. Sie steht im kras‐
sen Gegensatz zur Unterinformativität, ja Informationsverweigerung, wie beim Bahnbeam‐
ten im Beispiel davor. Aber auf der Ebene des unterstellten Nichtwissens, mit dem Hinter‐
grund, der andere habe das nötig, weil er Ausländer ist, macht der Student A Gebrauch von einer typischen kommunikativen Umgangsform mit Ausländern, die diskriminierend ist: Sie besagt schlicht „Mein Gegenüber ist doof“ oder „der checkt's nicht, weil er ein Ausländer ist“. 2.9 Meinetwegen nennen wir das eine harmlose Form. Aber je mehr diese Erscheinungswei‐
sen zusammenkommen, je deutlicher sie Bestandteil des common‐sense Wissens im Um‐
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gang mit ‚Anderen‘ (wie mit bestimmten Kategorien von vermeintlich Nicht‐Nativen, von AusländerInnen etc.) werden, desto mehr haben sie in ihrer kumulativen Wirkung ausgren‐
zende, ethnisierende, diskriminierende und rassifizierende Effekte. Dies kann bis zur Ver‐
höhnung der ‚Anderen‘ bzw. deren unterstellt defizitärerer) Deutschkenntnisse führen, wie in dem folgenden Beispiel, das einen Fall behördlicher Kommunikation darstellt (vgl. Hinnen‐
kamp 1989). Das Gespräch ist wie die beiden anderen Gesprächsbeispiele vorher die Umschrift einer wahren Begegnung. Die Art und Weise der Umschrift, die Transkription, bildet den Versuch ab, möglichst detailgetreu das sprachliche Geschehen wiederzugeben. Ein Gespräch verläuft in der Zeit. Es kann folglich nur sequentiell abgebildet werden. Die Durchnummerierung nach Sprecherwechsel ist eine Verweishilfe. Jeder Gesprächsbeitrag ist entsprechend der Sprecher mit der jeweiligen Sigle gekennzeichnet. Den Eigenarten der gesprochenen Sprache wie Abbrüche, Verkürzungen, Auslassungen, Verschleifungen usw. habe ich mit der mitunter veränderten Schreibweise gerecht zu werden versucht. Kleine auffällige Gesprächspausen sind je nach Länge durch ein oder zwei Pluszeichen gekennzeichnet. Andere Eigenheiten und Kommentare stehen in Klammern. Was nicht verständlich war, habe ich mit Pünktchen in Klammern gesetzt. Die folgende Szene spielt auf dem Arbeitsamt: K ist ein türkischer Asylbewerber. Er spricht zum wiederholten Male wegen seines beanspruchten Arbeitslosengeldes vor, das er seit drei Monaten nicht erhält. T ist sein türkischer Bekannter, der als Dolmetscher fungiert. A ist der behördliche Sachbearbeiter. K und T treten ein, K unterhält sich noch mit vorherigen Klien‐
ten. 01 K: (schnell) Kaplan Ali, guten Tach 02 A: Hä? 03 K: (schnell) Kaplan Ali, guten Tach 04 A: Ja 05 T: Gestern abend wir sind hier gewesen, ne 06 A: Soo‐ 07 K: Kaplan Ali 08 A: Kaplan + + Was war das 09 K: (fast flehend) Bitte schön ein bisschen, ein bisschen bitte schön (8 Sekunden Pause, S zieht Schublade auf) 10 T: Er hat keine Geld, keine Pfennichs, nix 11 A: Mhm‐ jau, ja nun 12 K: bestimmt drei Monat, hier + kuck mal + + 13 A: (seufzt) Ach nu‐ + dann kuck bei mir ma hier, was hier los is 14 K: Ja, (gedrückt lachend) noch mehr 15 A: Etwas mehr, wa? 16 K: Ich bin kaputt, drei Monat 17 T: (gedrückt lachend) ich bin kaputt 11
18 K: Ja 19 A: Sieht doch gut aus. Jetzt hat er richtich Figur 20 K: Nein, hier hier, keine Geld (...) 21 A: Gehört ihr zusammn? 22 T: Ja, Kaplan Dolmetscher 23 K: Dolmetscher, Kollege Dolmetscher 24 A: (kurz) Von wem? 25 T: Für ihn 26 A: Brauch er doch gar nich. Hier, ich bin kaputt, keine Essen. Er spricht doch gut Deutsch. 27 T: Nee nee 28 A: Alles Deutsch spricht er, was er braucht. 29 T: Er ist Asyl. Asyl kann das nicht Deutsch. 30 K: Ich bin Asyl, ja. 31 A: Spricht doch gut Deutsch. 32 K: Nein, nich. 33 A: (übertrieben) Prima Deutsch. 34 K: (zurückweisend) Ach, nein. 35 A: (noch übertriebener) Hervorragend Deutsch. Hier kollidiert Kumpelhaftigkeit mit der ironischen Verhöhnung des behördlichen Klienten, des Ausländers. Hier offenbaren sich Verhaltensweisen, die einmal dem normalen sachorien‐
tierten behördlichen Vollzug widersprechen, und die zum anderen wiederum bestimmte Kompetenzen bzw. Inkompetenzen auf Seiten der Ausländer zum bestimmenden Thema machen. In allen zuletzt zitierten Fällen, dem Beispiel der telefonischen Abweisung bei der Bundes‐
bahnauskunft, dem Instantkaffee‐Beispiel im betrieblichen Pausengespräch und schließlich diesem letzten behördlichen Gespräch: Jedes Mal sind es die Deutschkenntnisse bzw. allge‐
meiner die Sprachkompetenz des ‚Anderen‘, die zum Anlass genommen werden, bestimmte diskriminierende und rassifizierende Prozesse in Gang zu setzen. Natürlich kann Sprachkom‐
petenz auch zu völlig unterschiedlichen Kategorisierungen führen; aber in diesen genannten Fällen wird sie stets ethnisch etc. ‚gekoppelt‘. Ein erster Schritt ist immer der der „Auslände‐
risierung“, entweder durch Verweis auf die inkompetenten Sprachkenntnisse oder in Ver‐
bund mit eindeutigen Platzierungsmaßnahmen, wie mit „Hier is nix Türkei fahren“ und „Ah geh!“. Die Ausländerisierung (modern und unschön die „Anderung“ ‒ als sich etablierende Übersetzung für „otherization“) und Platzierung sind die ersten Schritte zum Ausschluss. Sie bedeuten Verweigerung von Normalitätsansprüchen und die Verweigerung von Rechten. Das methodische Vorgehen dieser Ausschlussverfahren oder die Vorbereitung derselben ist vielfältig. 2.10 Die defizitären deutschen Sprachkenntnisse werden zum Standardmerkmal bestimmter Kategorien von ‚Anderen‘, wie z.B. Ausländern, wie Immigranten, Flüchtlingen, Asylbewer‐
bern u.a. erhoben –nominelle Staatsangehörigkeit in der Konstruktionspraxis dabei keine 12
Rolle. Zum einen wird mit den nicht‐nativen Sprachkenntnissen natürlich oft ein Faktum an‐
gesprochen, zum andern dient dieses ‚Argument‘ aber immer wieder der Aus‐ und Abgren‐
zung, selbst noch wenn der offensichtliche Kommunikationsverlauf dem klar widerspricht. Die Beurteilung der deutschen Sprachkenntnisse bzw. deren Nichtperfektion ‚argumentativ‘ für das Verhalten in Anschlag zu bringen dient in gewisser Weise als ein ‚Totschlagargu‐
ment‘. Ersichtlich wurde und wird das (immer noch) in der argumentativen Kopplung von „Integration“ und „deutscher Sprachkompetenz“ als Ausdruck von Integrationsfähigkeit. Ich erinnere hier nur an die schriftlichen Sprachtests zum Erwerb der Aufenthaltsgenehmigung, die in einigen Bundesländern Praxis waren; oder ich erinnere an die Schulpolitik, die „den Erwerb der deutschen Sprache“ vor allen anderen Lernzielen zur absoluten Priorität erhob. Sprachkenntnisse werden auch in persönlichen Kontakten von Seiten der AkteurInnen der Mehrheitsgesellschaft immer wieder thematisiert; einmal z.B. direkt durch Bewertungen o‐
der Nachfragen, wie lange er/sie denn schon Deutsch lerne; zum andern indirekt durch die Imitationen des Radebrechens, wie es sich zu Zeiten als noch nicht von „Migration“ die Rede war auch schon in der Bezeichnung „Gastarbeiterdeutsch“ manifestiert hat. Diese vorgebli‐
chen Imitationen, in Fachkreisen „Foreigner talk“ oder „Xenolekt“ genannt, können in vieler‐
lei Weise eingesetzt werden; die diskriminierende, ausgrenzende Weise ist eine der Mög‐
lichkeiten (siehe weiter unten). Im Zusammenhang mit eben dem Topos „Sprachkenntnisse“ (gemeint sind dann immer „Deutschkenntnisse“!) ein weiteres erhellendes Beispiel: Bei der Diskussion um das bessere Müllkonzept in Augsburg gab es einen kleinen Skandal, als der Landrat mit der Aussage zi‐
tiert wurde: „Auch gehe das Volksbegehren davon aus, dass alle Bürger willens seien, Abfall zu sortieren. Es gebe aber auch Menschen – als Beispiel nannte [der Landrat] Bayerle Türken oder „geistig weniger bewegliche Leute“ – die dazu nicht in der Lage seien. Die Reaktion da‐
rauf war heftig. Schließlich hatte es der Landrat so in der Tat nicht gesagt. Aber das, was er wirklich gesagt hatte, sowie seine Erklärung zur anstößigen Passage, waren keinen Deut bes‐
ser. Unter der Überschrift „Bayerle2: Die Kritik galt nicht den Türken“ zitiert die Zeitung den Landrat wie folgt: „‘Landrat Dr. Hans Bayerle hat sich gegen Vorwürfe zur Wehr gesetzt, er habe Türken verunglimpft‘, seine Äußerung ‚habe sich lediglich auf Sprachprobleme bezo‐
gen‘.“ Wieder müssen Sprachprobleme herhalten, diesmal für Probleme bei der Müllsortie‐
rung. In seiner ursprünglichen Rede, aus der die Passage mit den „geistig weniger beweglichen Leuten“ zitiert worden war, war zunächst die Rede von „Bürger(n)“, „[angefangen] von Aus‐
ländern [...] ..., die in der Umsetzung unendliche Schwierigkeiten haben, gar nicht willens sind.“ Nach den Ausländern nannte der Landrat schließlich kategorisch „die türkische Volks‐
gruppe“. Die Schwierigkeiten der Türken wurden als Praxisdefizite beschrieben, die er auf „verschiedene Gründe“ zurückführte. „Sprachprobleme“ wurden dabei zunächst nicht er‐
wähnt. Doch dann heißt es in der Rechtfertigung: „Mit der Nennung der türkischen Volks‐
gruppe habe er [der Landrat] einzig und allein auf die Sprachprobleme in der ausländischen Bevölkerungsgruppe hinweisen wollen. Jedermann sei bekannt, daß es bei vielen ausländi‐
2
Name geändert. 13
schen Mitbürgern sprachliche Barrieren gebe.“3 Voilà! Hier wird nun direkt auf das common‐
sense Bezug genommen. Der Landrat ist wiederum dem pars pro toto‐Prinzip gefolgt und hat die Ursache der Praxisdefizite auf ein weiteres Defizit der inkriminierten Gruppe bezogen. Wie wir wiederum sehen, ist dies ein populäres und wohlfeiles Argument, das als öffentliche Rechtfertigung ohne weiteres hingenommen wird. In Wirklichkeit handelt es sich nur um ei‐
ne Instanzverschiebung. Denn die Probleme und Defizite belässt diese Argumentation wei‐
terhin bei den „Türken“. Ja, sie erfährt noch eine gewisse Verschärfung. Denn „Sprachpro‐
bleme“ werden bestimmten Kategorien von Ausländern als eine Art intrinsische Veranlagung unterstellt. Sie sind Teil jener kulturellen und sozialen Defizite, die ihnen auf den Leib ge‐
schrieben scheinen, die einhergehen mit ihrer kulturellen und ethnischen Andersartigkeit. Was in den Zeiten des salonfähigen Rassismus noch als genetisch defizitär galt, verbirgt sich nun hinter unheilbaren linguistischen und kulturellen Defiziten. Wie sonst, könnten Proble‐
me der Müllsortierung mit dem Sprachproblem verknüpft werden? Und noch eine kleine Bemerkung: Wenn in dieser Debatte von „Sprachproblemen“ die Rede ist, sind natürlich ganz spezifische gemeint: nämlich Probleme mit der deutschen Sprache. Aber gesagt wird es nicht. Wiederum verstehen wir alle, welche Sprachprobleme gemeint sind. Wir übersehen dabei, dass hier gleichzeitig die „Sprachenfresser“ (Calvet 1978) am Werk sind, dass die Sprachen der Anderssprachigen gar nicht zur Kenntnis genommen werden. Vielleicht ist dies eine unserer vielen hegemonialen Selbstverständlichkeiten, über die es sich auch lohnen würde, nachzudenken. 2.11 Selbst dort noch, wo Anderssprachigkeit zur Kenntnis genommen wird, geschieht dies mitunter in einer Weise, die wenig mit Anerkennung oder gar Gleichberechtigung zu tun hat. Um bei dem Totschlagargument „defizitäre Sprachkenntnisse“ zu bleiben, ein Beispiel ganz anderer Art. Ein Beispiel, in dem der Zweisprachigkeit türkischer AnwohnerInnen scheinbar Rechnung getragen wird. Es geht um ein zweisprachiges Verbotsschild. 3
Vgl. meinen kleinen Aufsatz inklusive der genauen Quellenangaben Hinnenkamp 1990. 14
„top oynamak yasaktir“ – auf dem Schild etwas fehlerhaft geschrieben – ist die türkische Übersetzung des deutschen Textes. Doch ist sie wirklich nur das? Das Verbotsschild fand sich eine Zeit lang in der Augsburger Altstadt, einem Stadtteil mit ho‐
her türkischsprechender Wohnbevölkerung. „Bravo“, wird mancher vielleicht sagen: Es gibt viel zu wenig von dieser Art zwei‐ und mehrsprachiger Information, die unserer mehrspra‐
chigen Gesellschaft gerecht wird. Insofern ist dies doch ein löbliches Beispiel und mit diesem Hinweisschild werden die türkischen Mitbürger ausdrücklich einmal informiert. Doch das Schild ist zweischneidig. Generell gesehen fällt auf, dass Verbotsschilder zuneh‐
mend mehrsprachig sind; Hinweisschilder dagegen, die auf Rechte verweisen oder wichtige Kundeninformationen beinhalten, sind demgegenüber selten. Alle kennen die mehrsprachi‐
gen Hinweisschilder, die vor dem Schwarzfahren warnen. Die Kundeninformation an Fahr‐
scheinautomaten der Verkehrsgemeinschaft Augsburg hingegen ist einsprachig. Allgemein gilt die Tendenz: Deutsch‐türkische, deutsch‐griechische etc. Zweisprachigkeit findet sich primär im Bereich der Pflichten, und nur sekundär im Bereich der Rechte. Da verhält es sich schon etwas anders mit den Sprachen unserer touristischen Gäste. Selbst die Hinweisschil‐
der der romantischen Straße tragen eine japanische Übersetzung. Doch wer sind nun die eigentlichen Adressaten des Verbots auf diesem Schild? Alle Vorbei‐
gehenden? Alle vorbeigehenden Deutschen und Türken? Alle, die eine dieser Sprachen ver‐
stehen können? Oder alle, die versucht sind, Ball zu spielen? Und welche Rolle nimmt das Deutsche auf diesem Hintergrund gegenüber der türkischen Sprache ein? Einige dieser Fra‐
gen sind prinzipieller Natur. Sie können hier nicht beantwortet werden. Ich unterstelle aber einen Zusammenhang zwischen dem Ort des Verbots und den Adressaten des Verbots. Eine einfache Doppeladressierung im Sinne von: Das Verbot in Deutsch gilt deutschen Adres‐
saten und das Verbot in Türkisch gilt türkischen Adressaten widerspricht den Funktionen der beteiligten Sprachen. Denn Türkisch ist das Spezifische hier, Deutsch das Allgemeine und Un‐
spezifische. Türkisch ist die Sprache der Türken, aber Deutsch ist mehr als die Sprache der Deutschen. Denn Deutsch hat zweifelsohne die Rolle einer Verkehrssprache. Deutsch ist die – sicherlich nicht immer gern – anerkannte Verkehrssprache sowohl zwischen Deutschen und Immigranten als auch unter den unterschiedlichen Immigrantennationalitäten. Somit stehen sich auch sprachpolitisch zwei widersprüchliche Kategorien gegenüber: die Ange‐
sprochenen des Verbots im Allgemeinen als alle potentiellen Ballspieler einerseits und die Angesprochenen des Verbots im Speziellen als ethnische Kategorie, nämlich Türken, ande‐
rerseits. Aus der Nebeneinanderstellung ergeben sich wiederum zwei Bedeutungsvarianten, die sich gegenseitig keineswegs ausschließen, sondern nur einen anderen Ausgangspunkt für einen letztendlich identischen Effekt haben: (1) Außerhalb des nachbarschaftlichen Kontextes eines sog. „Türkenviertels“ (ich habe mich zu dieser Kennzeichnung bereits geäußert) impliziert dies einen Sonderstatus für die türki‐
schen Adressaten im Sinne einer positiven Diskriminierung: Denn damit erfahren die türki‐
schen Mitbürger das Sonderrecht der Zusatzinformation in ihrer Nationalsprache. Warum aber, müssen wir gleich nachfragen, muss eine nationale Gruppe in ihrer Sprache informiert 15
werden? Die Antwort liegt auf der Hand: Natürlich weil sie die Sprache der Mehrheit bzw. die Verkehrssprache nicht versteht. Warum aber versteht eine schon lang hier ansässige Minderheit nicht die allgemein gültige Verkehrssprache? Welche Schlüsse lassen sich daraus für die gemeinte Gruppe ableiten? Die meisten „Ballspieler“, das sei angemerkt, sind so‐
wieso Kinder und Jugendliche, also Angehörige der sog. zweiten und dritten Generation, die die Verkehrssprache am besten beherrschen. (2) Innerhalb des nachbarschaftlichen Kontextes ist es eine Diskriminierung im üblichen Sinn: Die in Deutsch adressierte Allgemeinheit, aus der man sich als Deutscher ausklammern kann, steht hier gegen eine bestimmte soziale und ethnische Kategorie, der sich Mitglieder dersel‐
ben kaum entziehen können, da der Finger des Verbotsschilds in der ausschließlich von ihnen verwendeten Sprache auf sie gerichtet ist. Warum muss gerade ein Verbot in der Sprache dieser Nationalität verfasst sein? Welche Schlüsse lässt das weiter auf die Notwen‐
digkeit der Kontrolle bezüglich der in dieser Weise Angesprochenen zu? Man könnte nun wie folgt räsonnieren: Wenn schon unter den hiesigen sprachpolitischen Bedingungen öffentlich etwas in Deutsch und Türkisch geschrieben steht und zudem noch in einem Wohnviertel mit vielen Türken, dann kann es nur den Türken gelten. Weiter lässt sich aus der Notwendigkeit des Verbots auf die Täter der möglichen Übertretung schließen: Wenn diese öffentliche Information in Türkisch dann auch noch ein Verbot beinhaltet, und damit einen Hinweis auf mögliche Übertretungen impliziert, unterstellt sie auch die morali‐
sche Notwendigkeit eines solchen Verbots. Wir könnten nun einen Schritt weitergehen und sagen, dass das Deutsche nicht nur eine Übersetzung des türkischen Verbotstextes ist, son‐
dern zudem noch die Funktion hat, die Deutschen zur Kontrolle über die Einhaltung des Ver‐
bots anzuhalten. Denn wo die öffentliche Verbotsprophylaxe moralisch notwendig ist, weil türkische Kinder hier ja wohl trotz Verbots Ball spielen, impliziert da der übersetzte Text nicht auch die Aufforderung, die Verbotsorder zu überwachen? Auf dem Hintergrund dieser Analyse erhält das zweisprachige Verbotsschild also einen ganz anderen Charakter. Die Reihenfolge Deutsch – Türkisch und der beschönigende Eindruck von gleichberechtigter Information und demokratischer Sprachpluralität verdecken den diskrimi‐
nierenden Effekt. Aus den In‐Türkisch‐Adressierten wird so Nicht‐teilhaben‐können an der Verkehrssprache der Gesellschaft und der Sprache der Mehrheit. Anstelle gleichberechtigter Information in zwei Sprachen reproduziert das Verbotsschild die strukturelle Diskriminierung und Ungleichheit türkischer Mitbürger. Die flüchtige Wahrnehmung des Schildes lässt diese weitergehende Deutung als Teil seiner eigentlichen Bedeutung zunächst nicht erkennen. Die Realität deutsch‐türkischer Ungleichheit geht so in das Verbotsschild mit ein; der Ver‐
botstext und die Zweisprachigkeit und die Platzierung des Schildes und schließlich der gesell‐
schaftliche Kontext des Verbotschildes werden in ihrem Verbund zu spezifischen Zeugnissen für die Stellung der türkischen (Sprach‐)Gemeinschaft und der türkischen BürgerInnen in der bundesdeutschen Gesellschaft. 2.12 Mit meinem nun folgenden und letzten Beispiel möchte ich noch einmal in eine au‐
thentische Begegnung hineinzoomen, in der wir Zeuge werden können vom kumulativen Ef‐
16
fekt der soweit beschriebenen diskriminierenden und rassistischen Verfahrensweisen, mit denen die Mitglieder der Mehrheitsgesellschaft, die Inländer, mit der Minderheit umgehen. Wieder werden wir auf die ethnisierende Kennzeichnung stoßen, auf das Argument des Sprachdefizits, wenn auch nur implizit, und auf die radebrechende Gastarbeiterdeutsch‐
Imitation, schließlich auf Kategorisierungs‐ und Ausschließungspraktiken. Das folgende Transkript (nach Hinnenkamp 1989) gibt das Gespräch zwischen einem jünge‐
ren Passanten und einem älteren Herrn wieder, der in der Fußgängerpassage stehend um etwas Geld bettelt. Bei der Transkriptionsweise kommt hier allerdings noch etwas Neues hinzu: Dort, wo beide Gesprächsteilnehmer gleichzeitig reden, ist dies durch die eckige Klammer zu Beginn der Gespächsüberlappung gekennzeichnet. Das Pluszeichen bedeutet „kurze Pause“. 01 A: Gutn Tach 02 B: Gutn Tach 03 A: Tschuldigen, habn Sie bekommn Sie nicht finanzielle Unterstützung von Stadt? 04 B: Nein, ich hab da bin ich unterm Satz wech. Ich krich vierhundertfünf Mark an Rente, nich? Weil meine Unfallrente, die is genehmicht, aba ich hab sie noch nich, [verstehn Sie? 05 A: [Ja, bekommn Sie nicht von Sozialamt und [so weiter? 06 B: [Nein nein 07 A: Ja aba das is schlecht + muss man da hingehn. 08 B: Jaa, [aba 09 A: [Warum so + so bei die[ses kalte Wetter 10 B: [Ja, ich krich von Soz‐ vom Sozialamt krich ich hier Mietbeihilfe, nicht? 11 A: Mhm 12 B: Nich, da krich ich ja sechsenachtzich Mark Mietbeihilfe 13 A: Sechsenachtzig Mark? 14 B: Jaa 15 A: Für für Monat? Oder was? 16 B: Ja, fürn Monat 17 A: (erstaunt) Nur fürn Monat sechsundachzig Mark? 18 B: Mietbeihilfe, tschuldigung, für die Miete, nich 19 A: Mhm 20 B: Ich krich ja mein Einkommn von vierhundertfünf Mark eigne Rente, nech. Da muss ich mit auskommn 21 A: Hm (1,5 Sek. Pause). Das is schlecht, ne 22 B: Ganz schlecht. Ab ab erstn iss's glaub ich wohl anders 23 A: (emphatisch) Ja, muss man kämpfen gegen, Scheiße is das! 24 B: Ja (ganz leise) gut 17
25 A: (pathetisch) Haben Sie viel gearbeitet bis jetzt und jetzt hier bei Ecke stehn und von Hunger von andre Menschen betteln 26 B: Sie ham recht! 27 A: Es is nich gut. 28 B: Nein, is nich chut + Türkischmann Du? 29 A: Ja 30 B: Ich merk's 31 A: Ja, muss man helfen, a[ba + so 32 B: [Sie brauchn mir nich helfen! 33 A: Ja klar + ich meine + äähm + + [wenn einer 34 B: (besonders schnell) [Sie ham Sie ham recht! 35 A: Bitte? 36 B: Sie ham recht! 37 A: (leise) Ja + [deswegen 38 B: [Ham echt recht! 39 A: (leise) Trotzdem + das ist auch mein (...) (A gibt B ein paar Münzen) 40 B: Danke! 41 A: Wiedersehn! 42 B: (spitz) Widdersehn! Ist das nicht ein komisches Gespräch? Natürlich wissen wir jetzt, dass der Passant Türke ist. Das Gespräch nimmt zunächst einen ‚normalen‘ Verlauf. Vielleicht nicht inhaltlich, aber for‐
mal. Wir haben ein normales Frage‐Antwort‐Schema (03/04; 05/06; 09/10,12; usw.), die Überlappungen, also dort, wo beide Sprecher simultan sprechen, sind nicht gesprächsbehin‐
dernd (05/06; 09/10), denn es sind keine Unterbrechungen. Kurzum, ein Großteil des Ge‐
sprächsverlaufs ist kooperativ. Frager ist der Passant; Antworten gibt der Bettler. Er legt gar Details seiner Lage und seines Einkommens offen. Auch zollen sich die Gesprächsteilnehmer gegenseitig Respekt. B entschuldigt sich für ein Missverständnis (18). A geht auf die soziale Lage des Bettlers ein, will Solidarität üben. Die Anredeform der Gesprächspartner ist rezip‐
rok, beide siezen sich. Doch dann kommt die Wende: Nach Bs Frage „Türkischmann Du?“ (28) wird die formale Struktur, die bislang durch Kooperation gekennzeichnet war, holprig. As Sätze werden nun leiser, er strauchelt verbal. Von As vorheriger Eloquenz ist wenig geblieben: Er führt seine Vorschläge nicht zu Ende, druckst herum. Wir finden Verlegenheitspausen, Abbrüche und Floskeln. Der agitatorische Pathos, die Emphase ist einem leisen Sprechen gewichen. B weist As allgemein formuliertes Hilfsangebot nun explizit zurück („Sie brauchn mir nich helfen!“ (32)) und er unterbricht ihn mit dem stereotypen „Sie haben recht“ (34; 36; 38). Kurz: Der Gesprächsfaden ist verloren, die kooperative Struktur dahin. Das Gespräch geht nun schnell zu Ende. 18
Der Wendepunkt des Gesprächs liegt natürlich in der kleinen Frage „Türkischmann Du?“ und in deren Beantwortung mit „Ja“. Das bisherige Frage‐Antwort‐Schema wird damit bereits durchbrochen. B stellt nun die Frage, zudem eine, die mit dem bisherigen Verlauf des Ge‐
sprächs nichts zu tun hatte. B fragt nach As nationaler bzw. ethnischer Zugehörigkeit. Zudem in einer Weise, die ebenfalls der bisherigen Gesprächsweise entgegensteht. Mit „Türkisch‐
mann“ begegnet uns wieder jene Art von grammatischer Verstümmelung, jene Kreierung von Komposita, wie ich sie zu Beginn anfangs beschrieben habe. Zudem verfällt B für einen kleinen Moment lang ins Duzen. Die kleine Frage „Türkischmann Du?“ verbindet das Recht auf Verstümmelung mit dem Abweichen von der reziproken Anrede; ihre positive Beantwor‐
tung legitimiert den Bettler zum unkooperativen Ausstieg aus dem Gespräch. Vielleicht kann man hier sagen, die stigmatisierende Festlegung ging zunächst penetrant von A aus; er versuchte gegen den vorsichtigen Widerstand von B diesen auf seine Rolle als aus‐
gebeuteter und entrechteter Bettler festzulegen. A spielte die Rolle des Agitators. Auch das ist wenig respektabel. Insofern lag eine Parierung nahe. Doch ist es interessant, warum ge‐
rade auf diese Form zurückgegriffen wird. Die Kategorisierung von A als „Türkischmann“ war unter den gesellschaftlichen Bedingungen der Begegnung die stärkste und markanteste aller möglichen Parierungsmöglichkeiten für den Bettler. Die damit vollzogene Ethnisierung ist gleichzeitig Ausdruck der Ethnizität des Bettlers, genauer, Ausdruck seiner gruppenmäßigen Zugehörigkeit als Deutscher, die ihm zum Zwecke der Aus‐ und Abgrenzung situativ zur Verfügung stand – aber nur, das darf nicht übersehen werden, weil sie auch gesellschaftlich als solche verfügbar war. Die kleine Frage nach der nationalen und ethnischen (aber damit auch nach der sozialen und sprachlichen) Zugehörigkeit schafft einen völlig neuen Kontext. Die Legitimität der mit der Frage unterstellten Defizite und Charakteristika (nicht richtig Deutsch zu können, seinen Ge‐
sprächspartner duzen zu dürfen) wird bereits mit der Frage selbst bekräftigt und erst recht mit ihrer beanstandungslosen Beantwortung. Von nun an ist die Kommunikationssituation eine andere, die Kommunikationspartner sind ganz andere als noch kurz zuvor: B bleibt viel‐
leicht noch der Bettelnde, aber relativiert um die kategoriale Unterscheidung gegenüber sei‐
nem Gesprächspartner. A ist nunmehr „Türkischmann“ und braucht B, dem Bettelnden nicht zu helfen. Und damit tritt auch ein ganz anderer, nämlich interethnischer Kontext in den Vordergrund der Begegnung, der alle bisherigen Rechte und Pflichten im Gespräch verän‐
dert: Der Gefragte darf jetzt fragen; und der Frager fragt nicht nur, er darf Kompetenzen un‐
terstellen; weiterhin darf er nun unterbrechen, darf stereotype Antworten geben und blo‐
ckieren. Er darf nunmehr kategorisch ablehnen, wo er vorher bereitwillig Auskunft (über sich) erteilt hat; er darf die gemeinsam aufgebauten Gesprächsverpflichtungen ignorieren; er kann schließlich die aktuelle Interaktionsgeschichte zwischen dem Passanten und ihm igno‐
rieren – alles, weil aus A, dem Passanten, ein „Türkischmann“ zu machen war. Und der „Türkischmann“ ist nicht nur eine sprachliche Verunstaltung. Sie verweist A wider besseren Wissens auf die soziale, kulturelle und sprachliche Rolle des ‚generalisierten‘ Tür‐
ken, der „Gastarbeiterdeutsch“ spricht bzw. dasselbe auch nur versteht und dem gängige Formen der Höflichkeit nicht zustehen, den man deshalb duzen darf. Dass A dem keineswegs 19
entspricht, hat der Verlauf des Gesprächs gezeigt. Denn Verständigungsschwierigkeiten, die eine geringe Sprachkompetenz nahelegen könnten, hat es nicht gegeben. Zwar spricht A mit 'ausländischem Akzent' und es gibt formale Abweichungen von der Norm, die belegen, dass der Sprecher kein Muttersprachler ist. Aber all das hat die Kommunikation nicht beeinträch‐
tigt. Dennoch konnten wir sehen, dass und wie diese Indizien als ein spezifisches Zeugnis für etwas anderes bedeutsam gemacht wurden und damit ein neuer Kontext, ein interethnischer und Mehrheiten‐Minderheiten Kontext geschaffen wurde, der die Kommunikation, ja die Be‐
ziehung zwischen den Kommunikationspartnern, beeinträchtigt und verändert. Diese interaktive Verwandlung eines unspezifischen Passanten in einen „Türkischmann“ ist methodisch nicht einmalig. Die Verstümmelung der Sprache, das Duzen, das Generalisieren und Zuordnen zu kategorischen Gruppen sind gängige Verfahren, die aus der Soziolinguistik und der Sozialpsychologie bekannt sind. Es ist sicherlich interessant, einmal die Mechanis‐
men in einem authentischen Beispiel zu sehen und zu erkennen, wie die kleinen Dinge „un‐
ten“ (in der Gesellschaft) mit den großen Dingen „oben“ verbunden sind – und umgekehrt: Wie nämlich das gesellschaftliche Wissen der deutschen Mehrheitsgesellschaft sich in inter‐
aktiven Strukturen des Miteinander‐Handelns niederschlägt. Mechanismen, die keineswegs einmalig sind und jedes Gespräch mit potentiellen Kandidaten in ein interethnisches trans‐
formieren können. Und sobald dieses ethnische „Etwas“ zur Ressource des weiteren Han‐
delns wird, handelt es sich um Fälle der interaktiven Ethnisierung. Und damit um Mechanis‐
men der Unterscheidung, der kategorialen Unterscheidung von „uns“ und „denen“. Aber ka‐
tegoriale Unterscheidungen sind Teil der systematischen Vorbereitung materieller und sym‐
bolischer Ausschließungspraktiken. Es ist dies der Ausschluss aus der Gemeinschaft derjeni‐
gen, die das Recht auf normale Gesprächsverläufe haben, die das Recht auf respektable Be‐
handlung haben und das Recht auf den Schutz ihrer Identität. 3. Meine Reise der Beispiele von alltäglichen Formen der Diskriminierung und des Rassismus führte durch unterschiedliche Alltagsdiskurse; Diskurse, denen gemeinsam ist, dass sie offen oder verdeckt, bewusst und intentional oder unversehens mitstricken an der Diskriminierung ausländischer oder andersethnischer BürgerInnen in Deutschland. Ich habe angefangen bei Gesten, habe einzelne Wörter und Begriffe analysiert, schließlich kleinere Texte, wie die Zei‐
tungsüberschrift oder das Verbotsschild und bin schließlich in Gespräche hineingegangen. Kategorisierung, Ethnisierung, Diskriminierung und schließlich Rassismus, so habe ich ver‐
sucht zu zeigen, sind oft genug eingebettet in interaktive Prozesse. Sie basieren auf vielerlei Verfahrensweisen, oder, wie ich lieber sage, sie sind methodisch. Von den offenen, intentio‐
nalen Rassismen kann man sich leicht distanzieren. Auch in ihrer Bewertung besteht vermut‐
lich Konsens. Je weiter wir uns auf die Ebene der Gesprächsanalyse begeben, formell wie in‐
haltlich, je schwieriger, je aufwändiger wird es, die Rassismen und Diskriminierungen dahin‐
ter nachzuvollziehen. Aber je mehr wir in diese Details gehen, umso mehr graben wir auch diejenigen Methoden aus, die eben nicht mehr die Rassismen der Anderen sind, sondern un‐
sere eigenen kleinen Gewohnheiten zu Tage fördern. Der alltägliche Rassismus und der all‐
tägliche Sexismus z. B. haben sehr viel gemein. Die Methoden, die zur Anwendung kommen, sind sich dabei sehr ähnlich. 20
Als historisch und politisch bewusste Menschen haben wir stets Auschwitz als Mahnung vor Augen, sind wir geneigt, alle Taten immer in diesem Lichte zu sehen, sie damit in Verbindung zu setzen. In Ausschwitz waren die Worte nicht mehr entscheidend. Es waren die Täter, kei‐
ne Sprecher, die Millionen umbrachten. Worte alleine töten nicht. Aber sie bereiten vor. Vielleicht erscheinen uns viele der kleinen unscheinbaren Rassismen, der alltäglichen verba‐
len Diskriminierungen dagegen als kaum erwähnenswert, ja als banal. Doch beginnt der Ras‐
sismus nicht auf der Rampe von Auschwitz. Seine Opfer enden dort. Rassismus beginnt dort, wo er uns selbstverständlich erscheint, wo wir ihn aufgrund unserer Ignoranz tolerieren. Wir beobachten gern die anderen, die Sowieso‐Rassisten, und in der Empörung nehmen wir uns selbst aus. Aber als Intellektuelle haben wir auch eine ganz spezifische Verantwortung. Uns steht an, was Theodor W. Adorno in „Erziehung nach Auschwitz“ (1977) so formulierte: „Man muss die Mechanismen erkennen, die die Menschen so machen, daß sie solcher Taten fähig werden, muß ihnen selbst diese Mechanismen aufzeigen und zu verhindern trachten, daß sie abermals so werden, indem man ein allgemeines Bewußtsein jener Mechanismen erweckt.“ Und dies könnte unsere privilegierte Stellung in der Gesellschaft gut ausmachen: Die Fähigkeit der Selbstbeobachtung, die Kraft zur In‐Frage‐Stellung und zur Reflexion. Und bezogen auf unser Reden, unser oft Nur‐Daherreden heißt das auch, die Fähigkeit zu entwi‐
ckeln, sich selber sprechen zu hören und sich wenigstens dabei zu fragen: Was sage ich da? Was mache ich damit? Alltäglicher Rassismus kommt nicht von oben oder von anderswo. Er kommt mitten aus der Gesellschaft. Und wir stecken mitten drin. Und natürlich, das macht unsere, das macht Ihre Verantwortlichkeit erst wirklich aus: Nicht nur die Kraft zu haben zum Nicht‐Mitmachen, nein, den Mut aufzubringen zum Entgegen‐Treten, dem Rassismus in allen seinen Formen aktiv entgegenzuwirken. Zitierte Literatur Adorno, Theodor W. (1977): Erziehung nach Auschwitz. In: Gesammelte Schriften, Bd. 10,2. Kulturkritik und Ge‐
sellschaft II, Frankfurt am Main Bodenheimer, Aaron (1984): Warum? Von der Obszönität des Fragens, Stuttgart Calvet, Louis‐Jean (1978): Die Sprachenfresser. Ein Versuch über Linguistik und Kolonialismus, Berlin Chomsky, Noam (1971): Die Verantwortlichkeit der Intellektuellen, Frankfurt am Main Desgranges, Ilka (1982): Charakteristika im Sprachverhalten Deutscher gegenüber Ausländern (unveröffentlich‐
te Magisterhausarbeit, Universität des Saarlands), Saarbrücken Erickson, Frederick (1979): Talking Down: Some Cultural Sources of Miscommunication in Interracial Interviews. In: Wolfgang, Aaron (Hg.): Nonverbal Behavior, New York, 99‐126. Hall, Stuart (1989): Rassismus als ideologischer Diskurs. In: Das Argument 178, Jg. 31, Heft 6 Hinnenkamp, Volker (1989): Interaktionale Soziolinguistik und Interkulturelle Kommunikation, Tübingen Hinnenkamp, Volker (1990): Ethnisierung: Eine vielseitige Variante der Diskriminierung. In: Informationsdienst zur Ausländerarbeit (IzA) 4, hgg. v. Institut f. Sozialarbeit und Sozialpädagogik (ISS); Frankfurt am Main, 39‐45. Inowlocki, Lena (2012): Frage als Antwort, Antwort als Frage? Kommunikative Strategien des Schließens und Öffnens der Frage nach „Herkunft“. In: Sozialmagazin, Jg. 37, 4/2012, 28‐31. Roche, Jörg (1982): Merkmale des Foreigner Talk im Deutschen (unveröffentlichte Magisterarbeit, Ludwig‐
Maximilians‐Universität München), München Roche, Jörg (1989): Xenolekte. Struktur und Variation im Deutsch gegenüber Ausländern, Berlin/New York 21

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