Palais Omnisport, DEGA 05/2006
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Palais Omnisport, DEGA 05/2006
GESTALTETES GRÜN Die Rasenböschungen haben eine Neigung von 45° und eine Länge von etwa 20 m Haupteingang des Palais Omnisports im Pariser Stadtteil Bercy Serie: Grünräume in Paris – Teil 4 Palais Omnisports – Sportpalast im grünen Pelz Große Veranstaltungshallen wirken in ihrer Umgebung häufig als Fremdkörper. Das Palais Omnisports in Paris zeigt seit mehr als 20 Jahren, dass es auch anders geht. Die untere Rasenböschung ist von der oberen durch einen breiten, öffentlich zugänglichen Umgang getrennt 28 5/2006 Die Gärtner mähen die insgesamt 10 000 m2 umfassenden Rasenflächen mit einem gewöhnlichen Rasenmäher, der über eine Motorwinde hochgezogen wird M an traut seinen Augen nicht, wenn man von Osten kommend das Stadtzentrum von Paris ansteuert und im Quartier Bercy am rechten Seineufer einen ausgedehnten Gebäudekomplex wahrnimmt, der sich auch bei größter Sommerhitze in einem makellosen grünen Gewand zeigt. Beim ersten Anblick – vielleicht noch im Vorbeifahren – stellt sich sogleich die Frage „Echter Rasen oder Kunstrasen?“. Das Rätselraten hat schon bei näherer Betrachtung ein Ende: Es ist echter Rasen. Wer Glück hat, wird auch gleich zuschauen können, wie die 45° steilen Rasenflächen Bahn um Bahn gemäht werden. Perfekter Rasen seit mehr als 20 Jahren Der englische Philosoph und Gartentheoretiker Francis Bacon pries kurz geschorene Rasenflächen im 17. Jahrhundert als eine „Vision des Friedens“. Man fragt sich angesichts dieser Architektur, ob es wohl friedlich zugehen würde, wenn in einer deutschen Preisgerichtssitzung über ein derartiges Architekturprojekt diskutiert würde. Der Tenor „das funktioniert nicht!“ klingt in den Ohren. In Paris funktioniert es und wenn die Gärtner lachend erklären „Depuis de vingt ans“ – seit mehr als 20 Jahren, will man unbedingt erfahren, wie alles konstruiert ist und wie diese extrem geneigten Rasenflächen so gut funktionieren können. 5/2006 Der Detailschnitt zeigt die oberhalb des Umgangs gelegene Rasenböschung und einen Ausschnitt der Konstruktion Die Konzeption der Anlage ist schnell zu erfassen. Der Grundriss der Veranstaltungshalle mit ihren Zuschauertribünen, die über acht verglaste Zugänge erschlossen werden, beschreibt ein gestrecktes Achteck. Die Überdachung in Form einer 5 m hohen Stahlfachwerk-Konstruktion überspannt ein Quadrat von 80 × 80 m und ruht auf vier runden Betonstützen von je 6 m Durchmesser. Die Gesamtabmessung der Halle beträgt 128 × 103 m bei einer lichten Raumhöhe von 24 m. Bis zu 17 000 Sitzplätze stehen zur Verfügung. Mit allen Nebenräumen, Verkehrswegen und den 900 Parkplätzen, die geschickt unterhalb der Tribünen untergebracht sind, weist das Gebäude insgesamt eine Nutzfläche von 53 000 m² aus. Neben künstlerischen und kulturellen Ereignissen wie Pop-Konzerten, Circus- und Theaterdarbietungen finden im Palais Omnisports in erster Linie sportliche Veranstaltungen statt. Die Entstehungsgeschichte des Palais Omnisports begann mit einem 1979 ausgeschriebenen Architekturwettbewerb, zu dem 16 Büros eingeladen waren. Die Arbeitsgemeinschaft der Architekten Michel Andrault, Pierre Parat und Jean Prouvé ging als Sieger hervor und erhielt noch im gleichen Jahr den Planungsauftrag. Der Bau des Palais Omnisports dauerte von 1981 bis 1983. Im Dezember 1983, nach 33 Monaten Bauzeit, wurde das Gebäude eingeweiht. 60 cm Erdandeckung So sehr auch die Gesamtkonstruktion und die raffinierten technischen Einrichtungen beeindrucken, die unübertroffene Besonderheit dieses Bauwerks ist seine „grüne Verpackung“. Der Rasen gedeiht auf einer 60 cm dicken Erdschicht. Durch die integrierte Unterflurbewässerung ist die Wasserversorgung automatisiert und die Rasenflächen sind immer einheitlich grün. Dies sieht nicht nur ausgesprochen schön aus, sondern schafft sowohl im Sommer als auch im Winter einen optimalen Temperaturausgleich im Gebäude. Die Gärtner mähen die insgesamt 10 000 m² umfassenden Rasenflächen mit einem gewöhnlichen Motormäher. Am oberen Rand der Rasenflächen gibt es einen schmalen Arbeitsweg. Hier wird an einer Edelstahlschiene eine Umlenkrolle geführt, an der über eine Motorwinde der Rasenmäher hochgezogen wird. Oben angekommen, wird er von einem Helfer um eine Spurbreite versetzt und dann wieder abgelassen. Ein zusätzlicher Kantenschnitt erübrigt sich, da alle Kanten der Rasenfläche mit einer Edelstahlschiene eingefasst sind. In den Sommermonaten nimmt der wöchentliche Schnitt bei einem Einsatz von zwei Gärtnern gut zwei Arbeitstage in Anspruch. nierungsinitiative Paris-Ost. Es grenzt unmittelbar an den „Parc de Bercy“ (siehe DEGA 3/2006). Mit seinen begrünten Steilwänden fügt sich das Gebäude nicht nur bestens ein, sondern wird zum Bestandteil und markanten Imageträger des „Parc de Bercy“. Ebenso wie die bunte Röhrenarchitektur des „Centre Pompidou“, der gigantische „Grand Arc“ im Pariser Westen und die Glaspyramide des „Grand Louvre“ zählt auch das Palais Omnisports zu jenen spektakulären Projekten, mit denen Frankreich seinen Mut zu neuen Lösungen zeigt und die Machbarkeit des scheinbar Unmöglichen beweist. Die Neigung der Franzosen zu großen Lösungen erzeugt bei uns indes nicht nur Beifall und Bewunderung, sondern schnell auch Unbehagen und Ablehnung. Im Falle des Palais Omnisports hat der Maßstab des Bauwerks aber nichts mit einer Liebe zum Monumentalen zu tun, sondern ist durch das Raumprogramm bedingt. Ist es nicht geradezu ein Geniestreich, die gigantischen Bauvolumen weitgehend mit einem grünen Pelz einzuhüllen? Und aller Skepsis zum Trotz hat sich das Projekt nun schon über mehr als zwei Jahrzehnte bewährt. Text und Bilder: Günter Mader, Ettlingen Elke Zimmermann, Itzlings Grüner Bau im Park Das Palais Omnisports ist städtebauliches Kernstück der Sa- 29