Sehr geehrte Damen und Herren!

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Sehr geehrte Damen und Herren!
Nr. 3/ 2013 - Policy
Sehr geehrte Damen und Herren!
Mit dem Start der neuen Top Level Domains rückt ein Thema ins Zentrum des
Geschehens: POLICY. Denn sowohl für
Registrare als auch für zukünftige Domaininhaber ist wichtig zu wissen: Wer
darf eine Domain registrieren – und unter
welchen Voraussetzungen und zu welchen
Konditionen?
Richtlinien, die sich bei den Länder-Top
Level Domains wie .at und .de über Jahrzehnte hinweg entwickelt und bewährt
haben, wurden bei den neuen TLDs „auf
der grünen Wiese“ entworfen. Was auf
den ersten Blick einfach scheint, ist es
oft gar nicht: Auf der einen Seite sind
Vorgaben von ICANN einzuhalten, auf
der anderen Seite Erwartungen von
Stakeholdern, nationalen Gesetzgebungen
und Investoren zu erfüllen.
Mit diesem .at-report möchten wir Ihnen
einen Einblick in das Thema Policy und
Vergaberichtlinien geben: Wer bestimmt
sie überhaupt? Welche Unterschiede
gibt es zwischen den Policy-Modellen
generischer und L änder-Top Level
Domains? Und wie weit beeinflussen
sie den wirtschaftlichen Erfolg einer TLD?
v.l.n.r: Georg Hahn, Ernst Langmantel, Peter Rastl, Richard Wein,
Robert Schischka, Hermann Steinringer, Georg Chytil
Dass es unumgänglich ist, Policies im
Laufe der Zeit zu überarbeiten und sie
an aktuelle Gegebenheiten anzupassen,
illustrieren wir am Beispiel .at und unserer
AGB-Änderung zum 01.10.2013. Wir machen mit Ihnen aber auch einen Streifzug
durch andere Länder und zeigen deren Besonderheiten bei der Domainvergabe auf
(Seite 2), stellen Ihnen die vertraglichen
Unterschiede zwischen neuen Top Level
Domains und .at vor (Seite 4) und gehen
damit der Frage auf den Grund, warum
.wien und .tirol – auch wenn sie auf den
ersten Blick wie Länder-Domains aussehen – anders funktionieren als .at.
Auch diesmal lassen wir E xper ten
zu Wort kommen: nic.at R&D-Leiter
Alexander Mayrhofer hat die saudische
Registry 2007 bei der Überarbeitung ihrer
Policy beraten. Und Neil Dundas musste
bei der Policy für .africa gleich einen
ganzen Kontinent mitberücksichtigen.
Sie erzählen uns auf Seite 5 ihre Erfahrungen damit. Wir haben uns auch gefragt, welche Anforderungen Registrare
an Policies haben. Dazu befragten wir
den Vorstand der united-domains AG,
Technisches Museum Wien
Robert Schischka & Richard Wein
Geschäftsführung nic.at
Markus Eggensperger in einem Interview
(Seite 6).
Abschließend möchten wir mit ein paar
Bildern auf ein ereignisreiches Jubiläumsjahr 2013 zurückblicken, in dem wir
25 Jahre .at und 15 Jahre nic.at gefeiert
haben. Danke für Ihre Treue zu .at, für
die gute Zusammenarbeit und wir freuen uns auf ein weiteres gemeinsames,
erfolgreiches Jahr!
Erholsame Weihnachtsfeiertage und alles
Gute für 2014!
Robert Schischka und Richard Wein
nic.at Geschäftsführer Richard Wein
Impressum: Medieninhaber und Verleger: nic.at GmbH, Jakob-Haringer-Straße 8/V, 5020 Salzburg. Konzeption und Redaktion: Monika Pink-Rank, Sandra Lettenbichler.
Grafik: Imagein GmbH. Fotos & Grafik: nic.at, Domain Name Services (PTY) Ltd, Anna Rauchenberger, united-domains AG. Verlags- und Herstellungsort: Salzburg, Dezember 2013.
www.nic.at | 1
Alle Ausgaben online nachl
Die heterogene Policy-Welt der Länder-Domains
In der Vergangenheit waren bei fast allen
ccTLDs* restriktive Vergaberichtlinien die
Norm. Strenge Auswahlkriterien und Ausweispflichten für Inhaber legten fest, wer
eine Domain registrieren darf. Oft gab es
Limitierungen bei der Anzahl der Domains
pro Inhaber. Bei vielen TLDs waren Domainregistrierungen nur unter dem Second Level*
(wie z.B. co.at, gv.at) möglich, um leicht festzustellen, ob es sich beim Domaininhaber
um eine staatliche Einrichtung, eine Firma
oder eine Privatperson handelt. Maßnahmen wie diese sollen den Nährboden für
kriminelle Aktivitäten im Netz verkleinern,
Domain-Streitigkeiten gering halten und
nationale Interessen wahren. Sie trugen auch
wesentlich zur Vertrauenswürdigkeit einer
Top Level Domain bei.
Diese Sichtweise hat sich jedoch über die Jahre stark verändert. Seit 2003 zeigt sich in der
internationalen Domainlandschaft ein Trend
zur Liberalisierung. Viele „geöffnete“ ccTLDs,
wie auch .at, haben bewiesen, dass es keine
Regulierung braucht, um eine vertrauenswürdige Zone zu betreiben. Vermehrtes wirtschaftliches Interesse an Domains und der
damit einhergehende administrative Aufwand
erforderten automatisierte Prozesse ohne
manuelle Kontrollen. Zur Behandlung von
Streitfällen haben sich Mechanismen wie
Wartestatus, Melde- oder Streitschlichtungsstellen durchgesetzt, die ebenso effektiv sind.
Policies sind lebendig und aktuelle Beispiele
für Änderungen finden sich laufend: In manchen Ländern, weil es die Gesetzgebung
oder der Regulator vorschreibt. In anderen
Ländern entscheidet die Registry oder ihr
Policy-Gremium über Anpassungen an aktuelle Gegebenheiten oder Entwicklungen
am Markt.
Natürlich bringen auch die neuen Top Level
Domains die alteingesessenen ccTLDs unter
Zugzwang, um weiterhin wettbewerbsfähig
zu bleiben. So hat z.B. die britische Nominet
nach umfangreicher Konsultation beschlossen, ab 2014 erstmals Domains direkt unter
.uk zur Registrierung freizugeben.
* Siehe Glossar Seite 3
Passkontrolle oder Grenzenlosigkeit? ccTLD-Policies im Vergleich
A R C T I C
A R C T I C
O C E A N
O C E A N
Einige ausgesuchte Beispiele aus der Welt der ccTLDs zeigen, wie unterschiedlich auch heute noch die Vergaberichtlinien sind:
Arctic Circle
.fi
.ru
.no
.uk
.de
.fr
Aral
Sea
Black Sea
.va
AT L A N T I C
.us
.pt
O C E A N
di
Sea
N O RT H
t
er
N O RT H
PA C I F I C
Me
Caspian
ra
O C E A N
ne
Tropic of Cancer
.sa
Caribbean Sea
Equator
Equator
O C E A N
International Date Line
Gulf of
Mexico
Tropic of Cancer
PA C I F I C
.cn
an Sea
Equator
I N D I A N
O C E A N
.br
.au
S O U T H
PA C I F I C
O C E A N
Tropic of Capricorn
AT L A N T I C
O C E A N
.ar
S O U T H
PA C I F I C
O C E A N
S O U T H E R N
O C E A N
.us
» nachhaltige und legale geschäftliche Beziehungen zu den USA notwendig
» Standort der Nameserver in den USA
.uk
» bis 2014 Registrierung nur unter der Second Level
Domain möglich z.B. .co.uk
.de
» administrativer Kontakt muss über eine deutsche
Postanschrift verfügen
.br
» max. Domainlänge 26 Zeichen
.ar
» Second Level Schließung - seit einigen Jahren
Registrierung nur als Third Level Domain
» argentinische Postanschrift für administrativen
Kontakt und Domaininhaber notwendig
2 | www.nic.at
.no
» Unternehmen: Eintrag im Firmenbuch und norwegische Postadresse
» max. 100 Domains direkt unter .no
» 5 Domains unter Geo-Domain bzw. unter zugehöriger Second Level Domain
» Privat: nur Staatsbürger mit Postadresse und
max. 5 Domains unter .priv.no
.ru
» Bei Registrierung: Vorlage Firmenbuchauszug
bzw. Kopie Reisepass
.cn
» Hauptsitz od. Niederlassung in China
» Einschränkungen im Inhalt
» Möglichkeit der Beschlagnahmung der Domain
» Staatsbürger ab 15 Jahren
» Unternehmen mit Sitz in Finnland
.sa
» nur saudische Staatsbürger
» Firmensitz in SA oder Markeninhaber mit
Bescheinigung der Regierung
.fr
» seit 2011 auch für EU Bürger und juristische
Personen der Schweiz, Norwegen, Island und
Liechtenstein registrierbar
.va
» grundsätzlich keine öffentliche Registrierung
möglich - obliegt dem Heiligen Stuhl
.pt
» Bei jeder Firmengründung wird automatisch eine
Domain generiert und diese auf Wunsch an die
Firma übertragen
.au
» keine Registrierung von Typos - Domain muss
korrekt geschrieben sein
.fi
.at- report
lesen auf www.at-report.at
Auswirkungen von Policy-Änderungen
Vergaberichtlinien sind ein wesentlicher Faktor, der die Größe einer
TLD beeinflusst. Liberalisierungen wirken sich meist positiv auf die
Registrierungszahlen aus, da sie mit einer Erhöhung des Marktpotenzials einhergehen. Andere Maßnahmen wie z.B. die Umstellung auf
Vorauszahlung können zur Stagnation oder zu Negativwachstum führen.
2.500.000 Domains
.fr Im Mai 2004 erfolgte die Second Level Öffnung der Länder-Domain
Frankreichs - seit 2011 auch von Nicht-Franzosen registrierbar.
.es Eine .es Domain zu registrieren, war vor November 2005 teuer und kompliziert.
Es durften nur in Spanien registrierte Handelsmarken oder Firmennamen regis-
triert werden. Als Privatperson galt: Domainname = Exakter Vor- und Nachname.
Allgemeine Wörter und Bezeichnungen durften nicht registriert werden.
.se Seit April 2003 ist kein Wohn- bzw. Firmensitz in Schweden mehr nötig, um eine
.se
.se Domain zu registrieren.
.at
.at im Vergleich
.cz Im Jahr 2003 ist ein deutlicher Knick zu sehen, da die Registrierung auf Pre-Payment statt Post-Payment umgestellt wurde.
.pt Bis März 2012 wurden .pt-Domains nur an portugisische Firmen vergeben
und der Domainname musste gleich bzw. sehr ähnlich dem Firmennamen
lauten. Seit diesem Zeitpunkt kann jedermann eine .pt-Domain registrieren.
.fr
2.000.000
.es
1.500.000
1.000.000
Doch ist die Domainanzahl allein kein Erfolgsmaßstab für eine TLD. Die
Registry von Tokelau bietet .tk-Domains kostenlos an: Zahlenmäßig hat
das die kleine Insel zwar auf Platz 1 der ccTLDs weltweit katapultiert
(19 Millionen Domains), lockt damit aber auch so viele Kriminelle an,
dass sie bereits als „Cyber-Crime Hauptstadt der Welt“ bezeichnet wird.
.cz
500.000
.pt
1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012
Policy-Meilensteine von.at: Von der ersten Liberalisierung 1997 bis zur aktuellen AGB-Änderung 2013
1991: Domains werden gratis vergeben – allerdings nur unter
.co.at, .ac.at, .or.at und .gv.at und 1 Domain pro
Inhaber
1997: Die Registrierung direkt unter .at wird unlimitiert möglich –
und Domains kostenpflichtig
2000: AGB Version 1.0, Preissenkung von 1.200,- auf 1.000,
Schilling pro Domain im 1. Jahr
2003: AGB-Version 2.0
2004: Einführung von IDN-Domains
2006: Einführung von Zifferndomains
2013: AGB-Version 3.0 per 01.10.2013
Die AGB-Änderung 2013 stand unter dem Motto: mehr Flexibilität,
weniger Bürokratie. Ziel war die Vereinfachung der Domainverwaltung
für Registrare und Domaininhaber sowie die Anpassung der AGB an
die aktuelle Rechtsprechung. In Summe wurden 520.000 E-Mails
und 4.500 Briefe an Domaininhaber versendet – nur 85 Domains
unterliegen auf Wunsch der Inhaber weiterhin den AGB 2003.
Mehr Flexibilität bei Domain-Kündigungen Die Frist für die rechtzeitige Kündigung einer beträgt nun 1 Tag (statt früher 28 Tage).
Weniger Bürokratie in der Verwaltung Wird eine Domain von einem
nic.at-Partner-Provider (Registrar) betreut, gelten neben der Unterschrift des Domaininhabers nun auch weitere (z.B. elektronische)
Bestätigungsformen für Inhaberwechsel und Kündigung der Domain.
Glossar
TLD
Top Level Domain. Von rechts nach links gelesen, jene Buchstabenkombination nach dem ersten Punkt
SLD
Second Level Domain. Von rechts nach links gelesen, jene Buchstabenkombination zwischen erstem und zweitem Punkt
ccTLD
country code top level domain (z.B. .at, .de, .ch, .pt, .sa)
gTLD
generic top level domain (z.B. .com, .net, .tirol, .berlin)
Registry
Vergabestelle einer Top Level Domain (z.B. nic.at für .at, DENIC für .de,
punkt.wien GmbH für .wien)
Registrar
Internetdienstanbieter. Fungiert als Vermittler der Dienstleistungen einer
Registry und vertreibt oft nicht nur Domains, sondern aus Webspace
uvm. (mehr dazu unter www.at-partner.at)
ICANN
Internet Corporation for Assigned Names and Numbers. Eine Non-Profit
Organisation mit dem Ziel, die Sicherheit, Stabilität und Belastbarkeit des
Domain Name Systems zu bewahren.
DNS
Domain Name System. Ein Internetprotokoll, welches der Namensauflösung im Internet dient und dadurch zum richtigen Rechner führt.
EPP
Extensible Provisioning Protocol. Ein XML basiertes Standardprotokoll,
mit dem Registries und Registrare automatisiert kommunizieren.
www.nic.at | 3
Nr. 3 / 2013 - Policy
ccTLD und gTLD Modell: Maßgeschneidert vs. one size fits all
Die Einführung der neuen gTLDs ist in vollem Gange. Alle neuen
Endungen beruhen auf dem von ICANN vorgegebenen „amerikanischen“ Policy-Modell für gTLDs, ebenso wie .com, .net und
.org. Das heißt: Auch die neuen heimischen Domains .wien und
.tirol unterscheiden sich von alten Bekannten wie .de oder .at durch
unterschiedliche Vertragsverhältnisse und Kündigungsmechanismen.
Viele neuen Endungen stellen außerdem spezifische Anforderungen
an den Domaininhaber. Hier die wesentlichen Unterschiede:
ccTLD .at
neue gTLD
Entstehung
ccTLDs sind lange vor der ICANN Gründung entstanden und
beruhen daher auf lokalen Gegebenheiten. Aus diesem Grund
hat jedes Land für sich eigene Vergaberichtlinien definiert.
Folgende Aspekte mussten dabei berücksichtigt werden:
» nationales Recht
» staatliche Interessen
» Interessen der Local Internet Community
Betreiber generischer Top Level Domains haben mit ICANN einen
Vertrag beruhend auf US-amerikanischem Recht und verpflichten sich
darin zu standardisierten Policies, Regulatorien und administrativen
Prozessen. Im Zuge eines aufwändigen Einreichungsverfahrens mussten Bewerber für neue Top Level Domains umfangreiche Nachweise
ihrer technischen und kommerziellen Fähigkeiten erbringen und ein
vielschichtiges Evaluierungsverfahren durchlaufen.
Vertragsverhältnis
Dreiecksverhältnis: Bei der Registrierung einer .at-Domain
Wasserfallprinzip: Bei generischen TLDs hat der Domaininha-
entsteht für den Domaininhaber zusätzlich zum Vertrag mit dem
Registrar auch ein Vertragsverhältnis zur Registry nic.at.
ber nur mit dem Registrar einen Vertrag. Dieser wiederum hat ein
Vertragsverhältnis mit der Registry (und diese mit ICANN).
Domaininhaber
Registry
Registrar
Registrar
Domaininhaber
Registry
(nic.at)
Kündigung vs. „Auslaufen lassen“
Bei der Registrierung einer .at-Domain geht der Domaininhaber
ein „Dauerschuldverhältnis“ ein. Das heißt, die Domain (und
somit der Vertrag) bleibt so lange aufrecht und wird verrechnet,
bis aktiv gekündigt wird.
Bei generischen TLDs ist das Vertragsverhältnis befristet und endet
nach Ende der vereinbarten Laufzeit automatisch. Die Domain läuft
also von selbst aus – es sei denn, sie wird neu bezahlt und somit
verlängert.
Vergaberichtlinien
Eine .at-Domain kann von jeder natürlichen oder juristischen
Person unabhängig von Nationalität, Wohnort, Tätigkeitsbereich
usw. registriert werden.
Viele der neuen gTLDs sind frei für jedermann registrierbar, andere
sind speziellen Zielgruppen vorbehalten, die bei der Registrierung
gewisse Nachweise erbringen müssen (z.B. .versicherung nur für die
Versicherungswirtschaft, .ngo nur für NGO’s, etc.). Die meisten brand
TLDs (Markennamen-TLDs wie .bmw oder .canon) werden von den
jeweiligen Unternehmen selbst genutzt und nicht extern vergeben.
Domainregistrierung
.at-Domains können sowohl über nic.at Partner-Provider (Registrare) als auch direkt bei nic.at registriert werden.
Domains können ausschließlich über ICANN akkreditierte Registrare
bzw. deren Reseller und nicht direkt bei der Registry registriert werden.
www.nic.at | 4
Nr. 3 / 2013 - Policy
Interviews
„Das Internet überspannt Kulturen“
Interview mit Alexander Mayrhofer, Leiter Forschung & Entwicklung nic.at
die administrativen Prozesse effektiver
zu gestalten.
Das zweite Projekt beschäftigte sich mit der
strategischen Perspektive der ccTLD. Die
Frage war, ob eine Second Level Öffnung
erfolgen sollte oder nicht.
Jeder Antrag für eine Domain muss vor Registrierung von einem Mitarbeiter der Registry auf Regelkonformität überprüft werden.
Diese Regeln werden von staatlicher Seite,
genauer gesagt vom Telekom-Regulator,
vorgegeben. Die saudische Registry ist
auch Teil dieser Regulierungsbehörde.
Was waren die Herausforderungen?
Alex, du warst ab 2007 mehrmals
in Saudi Arabien und hast dort die
Registry beraten. Was genau war deine
Aufgabe?
Ich war im Zeitraum von drei Jahren insgesamt vier Mal in Saudi-Arabien und habe
an zwei Projekten mitgearbeitet.
Zum einen ging es darum, den aktuellen
Stand der ccTLD „.sa“ zu erfassen und
insbesondere im internationalen Vergleich darzustellen. In einem nächsten
Schritt erarbeiteten wir Empfehlungen,
Es gab vielerlei Herausforderungen unterschiedlicher Art. Die erste war prozesstechnischer Natur: Prozesse, die in der .at
Zone schon seit Jahren reibungslos funktionieren, wurden in der Saudi-Arabischen
Registry noch umständlich und zeitaufwändig abgearbeitet. Viele administrative
Dinge wurden in Papierform erledigt und
sogar Domainanfragen ausgedruckt, und
nach der Registrierung in Aktenordnern
abgelegt. Das gibt es in Österreich schon
lange nicht mehr.
Außerdem müssen in Saudi-Arabien gewisse politische Sensitivitäten berücksichtigt werden. Das äußert sich u.a. in den
teilweise sehr restriktiven Vergaberichtlinien.
Was sind die Ergebnisse?
Neben der Verbesserung administrativer
und technischen Abläufe wurde .sa auf
Second Level Ebene geöffnet und somit
für Registrierungen attraktiver gestaltet.
Wie ist dieser Consulting Auftrag
entstanden?
Die Saudi-Arabische Registry war auf der
Suche nach Experten aus dem Ausland
und ist durch Umwege bei nic.at gelandet.
Dieser Auftrag bestätigte die Beratungskompetenz von nic.at und hat zum Ausbau
unseres Consulting geführt. Heute sind wir
technischer Dienstleister für andere (neue
gTLD) Registries.
„dotAfrica - eine ganz und gar afrikanische Initiative“
Neil Dundas, Executive Director von ZA Central Registry (ZACR)
Wer steht hinter .africa?
Für wen ist .africa gedacht?
dotAfrica (.africa) ist eine neue generische
Top Level Domain (gTLD) für den afrikanischen Kontinent. Es ist die Möglichkeit,
eine einzigartige Online-Identität zu schaffen, die Produkte, Dienstleistungen und/
oder Informationen mit dem Kontinent und
den Menschen in Afrika verbindet - eine
ganz und gar afrikanische Initiative von den
Menschen in Afrika für Afrika und die Welt.
5 | www.nic.at
Der Antragsteller für die dotAfrica gTLD ist
die ZA Central Registry, eine Non-Profit
Organisation mit Sitz in Johannesburg,
Südafrika. Die Registry verantwortet im
Moment die .za Zone. Beantragt wurde
dotAfrica nach der Zustimmung und mit
Unterstützung von der African Union Commission (AUC) sowie den einzelnen afrikanischen Regierungen und deren regionalen
Regierungssitzen und Organisationen. Das
Projekt dotAfrica genießt die Befürwortung
der afrikanischen Öffentlichkeit, einschließlich derer von AfriNIC, AfTLD, ITU, UNECA
und Nepad.
Was waren die Herausforderungen
bei der Gestaltung der Policy?
Für die Policy von .africa mussten wir die
Mitglieder der Africa DNS Community mit
an Bord holen. Dies ist uns gelungen, indem wir einen zusätzlichen Ausschuss ins
Mehr Infos unter:
www.africa inonespace.org
Leben gerufen haben, der neben unserem
Lenkungsgremium die Vergabe-Aufsicht
übernommen hat. Da wir seit 18 Jahren mit
der Vergabe von .za betraut sind, verfügen
wir über die notwendigen Kompetenzen
Vergaberichtlinien zu entwickeln und zu
erhalten.
Was sind die Eckpfeiler der Policy?
Ein Kernthema der Policy bezieht sich auf
die Start-Phase. Wir haben uns entschieden, Reservierungen für Domains parallel
zur Sunrise-Phase und zur Landrush-Phase
anzunehmen. Die Priorisierung erfolgt
mithilfe eines Punktesystems nach einer
speziellen Matrix. Vorzugspunkte erhalten
in Afrika registrierte Marken. Ein einzigartiges Vergabeelement ist die Einführung
eines lokalen Marken-Validierungs-Systems
um vorab Vorzugsrechte einzuräumen,
die nicht-registrierte Handelsmarken und
Firmennamen berücksichtigen.
„Keep it simple!“
Interview mit Markus Eggensperger, Vorstand united-domains AG, Starnberg
Wo sehen Sie spezielle Herausforderungen?
Die neuen gTLDs stehen in den
Startlöchern. Was bedeutet das für
Registrare?
Die Einführung der neuen gTLDs ist für
uns außerordentlich aufwendig – technisch wie administrativ; aber wir stellen
uns dieser Herausforderung. Schwierig
wird es, wenn die Registrierungs-Prozesse
für den Kunden zu kompliziert und damit
über Gebühr erklärungsbedürftig werden.
Die neuen Vergabestellen müssen sich die
Frage stellen lassen: „Ist ihr Produkt für
den Kunden und den Registrar überhaupt
noch handhabbar?“
Werden Sie alle neuen TLDs anbieten?
united-domains wird sicher nicht wahllos
alle neuen gTLDs anbieten. Es wird eine
Selektion stattfinden – man muss auch
mal „Nein“ sagen, wenn zum Beispiel eine
Endung aus unserer Sicht vollkommen am
Kunden vorbei konzipiert worden ist. Einige Registries scheinen dem Irrglauben zu
erliegen, dass die Kunden auf genau diese
oder jene neue gTLD gewartet haben. Das
ist mitnichten der Fall! Die neuen gTLDs
sind keine Selbstläufer, daher müssen wir
als Registrar im Sinne der Kunden eine
Auswahl treffen.
In der aggressiven Premium-Strategie vieler
neuer TLD-Betreiber. Die neuen Vergabestellen selektieren dabei wertvolle Domainnamen und vergeben diese zu einem
höheren Preis. Dieser Preisaufschlag kann
mitunter ein sehr großes Frustrationspotential für Kunden darstellen und bedeutet für
Registrare einen erhöhten Implementierungs- und Supportaufwand, ohne dafür
ausreichende Margen realisieren zu können.
Die Anzahl der davon betroffenen Domains
reicht bei manchen Vergabestellen von ein
paar hundert bis hin zu mehreren tausend
Domains.
Existieren denn unter den neuen
gTLDs überhaupt Premiumnamen?
Genau das ist die Frage. Der Kunde muss
erst erkennen, dass es jenseits der etablierten Endungen wie .de und .at nun
weitere Endungen gibt. Ob letztere selbst
überhaupt einmal „Premium“ werden,
entscheiden nicht zuletzt die Kunden, die
mit ihrer Nutzung eine Domain besonders
werthaltig und damit die Domain-Endung
gebräuchlich und attraktiv machen. Wenn
ich mir den aktuellen „Premium“-Markt unter den schon jetzt verfügbaren Endungen
außerhalb der etablierten Endungen ansehe, wird es im Vergleich sehr dünn. Hier
kann man eigentlich immer nur warnen,
dass die Betreiber der neuen TLDs mit
einer agressiven Premium-Strategie nicht
das Kind mit dem Bade ausschütten.
Was sind für Sie die No-Go's in Bezug
auf Vergabekriterien?
Komplizierte Preisstrukturen durch Premium-Strategien stehen hier wie gesagt
sicher ganz oben. Problematisch wird es
auch immer dann, wenn Registries den
Die Zukunft auf
den Punkt gebracht.
6 | www.nic.at
EPP Standard verlassen. Jede Erweiterung
des Standards ist eine weitere Hürde eine
neue gTLD aufzunehmen.
Außerdem: ICANN Regulatorien, die nationales Recht verletzen – das wäre ein
Show-Stopper! Es herrschen beispielsweise
elementare Unterschiede zwischen dem
kontinentaleuropäischen und dem angloamerikanischen Datenschutzverständnis.
Dies betrifft beispielsweise auch Speicherpflichten. Dieses Problem ist aber zum
Glück lösbar, indem die Möglichkeit eingeräumt wurde, hier Ausnahmeregelungen
zu beantragen. Schöner wäre es sicher
gewesen, wenn ICANN sich hier etwas
zurückgehalten und den Mechanismus
anders gestaltet hätte.
Was wünschen sich Registrare von
den neuen gTLD Registries? Wie würde aus Ihrer Sicht die optimale Policy
aussehen?
Ganz grundsätzlich: Keep it simple! Keine
umständlichen Preisstrukturen. Post-Payment statt Pre-Payment für Registrare bei
den Vergabestellen. Und es wäre schön,
wenn sich alle neuen gTLD Betreiber an das
AROS (Automated Registrar Onboarding
System) halten würden. Dies ermöglicht
uns als Registrar mehr Automatisierung
im Implementierungsprozess.
Wussten Sie, dass die nic.at ihre AGB
im Oktober geändert hat? Wie beurteilen Sie diese Änderungen?
Ja natürlich. Wir freuen uns sehr, dass die
Paperwork Erfordernisse zurückgedrängt
und die Kündigungsfristen verkürzt wurden.
Das bedeutet für uns eine wesentliche Vereinfachung. Es ist auf jeden Fall ein Schritt
in die richtige Richtung an dem sich viele
Betreiber - auch der neuen gTLDs - ein
Beispiel nehmen können.
20.–21. Februar 2014, Salzburg Congress
Infos und Anmeldung unter:
www.domainpulse.at

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