4. Bericht meines Freiwilligendienstes in Kragujevac, Serbien (21.12

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4. Bericht meines Freiwilligendienstes in Kragujevac, Serbien (21.12
4. Bericht meines Freiwilligendienstes in Kragujevac, Serbien
(21.12.2013-21.01.2013)
In meinem vierten Monat in Kragujevac nährten wir uns langsam der Weihnachtszeit. Die Stadt
wurde mit Lichterketten geschmückt, Weihnachtsdekoration war in öffentlichen Gebäuden und
Cafés zu finden und die Supermärkte boten Weihnachtsleckerein und -schmuck an. Da die
Serben orthodoxem Glauben sind und dem gregorianischen Kalender folgen, ist Heilig Abend am
06.01. und Weihnachten am 07.01. (2.Weihnachtsfeiertag am 08.01.). Zum "julianischen
Weihnachten" (am 24.12.) hatte ich die Möglichkeit, für ein paar Tage nach Deutschland zu
fahren. Am 24.12. fuhr ich früh mit dem Bus von Kragujevac nach Belgrad. Leider streikt das
Busunternehmen in Kragujevac immer noch, sodass dieser Bus sehr voll war und viele sogar
während der zweistündigen Busfahrt stehen mussten. Am Busbahnhof in Belgrad angekommen,
strömten wie gewohnt die Taxifahrer auf den ankommenden Bus um ihre Taxifahrten anzubieten.
Wie schon erwähnt ist Vorsicht geboten, denn es kann schnell passieren, dass ein Taxifahrer den
doppelten oder sogar dreifachen Preis der Taxifahrt verlangt. Da ich mir dieser Tatsache bewusst
bin und auch meine Erfahrungen gemacht habe, ging ich zu Fuß von der Busbahnhofhaltestelle
zur "öffentlichen-Verkehrsmittel-Haltestelle". Vor diesem Weg graute es mir, da Belgrad sehr
hüglig ist und es nur einen schnellen Weg zur Bushaltestelle "zeleni venac" gibt. Ohne Gepäck ist
das Stück anstrengend zu laufen, da es nur bergauf geht, aber mit einem Koffer von 31,4kg und
schwerem Handgepäck erschwerte es diesen Weg noch mehr. Ich muss dazu sagen, dass die
Wege und Straßen in Serbien ebenfalls nicht eben sind, es nur Kopfsteinpflaster, Löcher und
unausgebesserte Stellen gibt, was das Ziehen des Koffers noch schweißtreibender machte (am
24.12. waren es in Belgrad 15°Grad). Kurz durchgeatmet und mit positivem Denken erklomm ich
den Berg. "Nur nicht anhalten, der Koffer rollt dir sonst zurück und du musst den ganzen Weg
zurück! Noch einen Meter, dann ist der Weg wieder eben! Nur noch das kleine Stück zur Straße",
dachte ich mir. An der Straße angekommen und mit gefolgten Blicken von Passanten, machte ich
eine kurze Pause. "Nie wieder!", dachte ich mir. Weiter ging es ein paar Meter zur Haltestelle. Am
Kiosk besorgte ich mir meine Fahrkarte für den Stadtbus zum Flughafen "Nikola Tesla Beograd".
Ich hatte Glück: Die Haltstelle befand sich auf der Kioskseite und ich musste sie nur ablaufen.
Denn die Straßenseite wechseln ist ein wenig abenteuerlich, da non-stop Busse und Autos
fahren und es keine Ampeln gibt. Der Bus zum Flughafen fährt ca. jede halbe Stunde. Die
Wartezeit störte mich nicht, da es viel zu beobachten und zu sehen gab. Einfach die Atmosphäre
der Stadt, der Leute, des Verkehrs etc. auf sich wirken lassen waren schöne Minuten. Als der
Bus eintraf fragte mich der Busfahrer sofort, ob er mir mit dem Gepäck helfen soll. Er verließ sein
Fahrerhäuschen und half mir mit dem Koffer und machte mich noch darauf aufmerksam, dass ich
besser noch die Karte entwerten soll, da die Kontrollen in Belgrad extremer geworden sind. Nach
dem Entwerten meiner Papierfahrkarte am Scanner (wie im letzten Bericht geschrieben: Der
Scanner entwertet die Fahrt durch das Dranhalten an den Scanner! Obwohl es eine
Papierfahrkarte ist). Ich nahm mit meinem schweren Gepäck Platz und obwohl der Gang durch
meinen Koffer ein wenig zugestellt war, beschwerte sich kein einziger Fahrtgast oder war
genervt! Im Gegenteil: Sie zeigten Verständnis, was ich in Deutschland leider selten erlebt habe.
Die Busfahrt dauerte ca. 35-45 Minuten und führte mich von Belgrad, nach Neu-Belgrad, an der
Arena vorbei. Erinnerungen und Erlebnisse lebten noch einmal auf. Die vorletzte Haltestelle der
einzigen Busverbindung zum Flughafen war der Flughafen "Nikola Tesla Beograd". Ein
Passagier half mir beim Aussteigen. Da ich sehr früh am Flughafen erschien, konnte ich mein
Gepäck noch nicht aufgeben. Nach ca. drei Stunden warten, konnte ich einchecken und
spazierte ein wenig durch den Flughafen. Der Flughafen Nikola Tesla ist sehr übersichtlich und
man verläuft sich nicht so leicht. Die Wartezeit nutzte ich zum Lesen eines serbischen Buches,
welches ich in Belgrad gekauft habe. Am Abend hob die Air Serbia (damalige Jat Airlines) ab.
Kurze Information zu Air Serbia: Am 1. August 2013 wurde die Übernahme von 49 Prozent an
JAT durch Etihad Airways bekanntgegeben. Die restlichen 51% verbleiben beim serbischen
Staat. Etihad Airlines übernimmt auch das Management der serbischen Fluggesellschaft für
Ana Fila Knezovic
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mindestens fünf Jahre. Nun bekommt man bei Air Serbia auch kostenlos eine warme Mahlzeit,
ein Kissen für den Flug und eine Palette an Getränken angeboten. Da Air Serbia einen Airbus
nach dem Tennisspieler Novak Đoković benannt hat, meinten viele Serben zu mir: "Ach, dann
bist du ja mit Đoković geflogen!" Nach ein paar Tagen Aufenthalt in Deutschland flog ich pünktlich
zum serbischen Weihnachten zurück nach Serbien. Mein erstes serbisches Weihnachten erlebte
ich zusammen mit einer Freundin und ihrer Familie, die in Serbien leben. An Heilig Abend wurde
gefastet, d.h. keine Tierprodukte und kein Öl(Fett). Auch wenn die gesamte Familie zu mir
meinte, ich müsse nicht fasten (sie entschuldigten sich sogar dafür, dass sie Essen gekocht
haben, welches an Fastentagen gegessen wird),machte es mir überhaupt nichts aus. Zumal ich
schon immer mal so streng fasten wollte um es einfach mal auszuprobieren. Vor dem
Abendessen wurde der "Badnjak"(Eichenstrauch) angezündet. Den Badnjak bekommt man in der
Kirche, in Supermärkten (bei einem bestimmten Einkaufswert) oder auch an Ständen auf der
Straße. Einige heften den Badnjak auch ans Auto oder an die Haustür oder -tor. Nachdem der
Hausherr den Badnjak angezündet hatte und für die Familie gebetet hat (jede Familie handhabt
es anders, bei uns war es eher eine amüsante Version ;) ), wurde zusammen Abendbrot
gegessen. Es gab Bohneneintopf, Kraut und Pita. Zu Weihnachten wird auch ein Brot gebacken,
in dem ein Geldstück eingebacken wird. Das Brot wird von der Hausherrin geteilt und verteilt. Ein
Stück von dem Brot steht für das Haus. Danach wurde das 1-Dinar Stück gesucht. Das
Geldstück soll demjenigen, der es in seinem Stück Brot hat, einen Geldsegen bringen. Wir
suchten das Geldstück ca. 15 Minuten und die Tante meiner Freundin musste öfters beteuern,
dass sie nicht vergessen hatte es einzubacken. Das Dinarstück befand sich im Stück der Tochter
der Hausdame. Nach dem Abendessen machten wir uns fertig und gingen um halb neun in die
Kirche. Jede Kirche in einem Ort oder Stadt hat seine eigenen Traditionen, die nur leicht
abgewandelt sind. Dort versammelten sich alle vor der Kirche. Man trifft Nachbarn, Freunde,
Familie und Bekannte. Die Glocken wurden geläutet und es war eine wunderschöne Atmosphäre.
Der große Badnjak wurde vom "Pop" (Priester/Pastor) angezündet und von der Kirche wurde
kostenlos heißer Rakija (Schnaps), warmer Rotwein, Softgetränke und Fisch angeboten. Als ich
den Fisch probierte freuten meine Bekannten sich, dass ich offen bin Neues auszuprobieren. Der
heiße Rotwein mundete ebenfalls und schmeckt anders als der deutsche Glühwein, der viele
Zusätze enthält. Auch wenn der hausgemachte Rakija eine Spezialität der Balkanländer ist- es ist
nicht meins, egal ob zimmertemperatur oder heißgemacht. Nach dem Anzünden des Badnjaks
und dem Glockengeläute führten zwei Gruppen Jugendlicher den Volkstanz "Kolo" auf. Es
herrschte eine warme, freudige und offene Atmosphäre. Sehr schön traditionell, aber nicht
konservativ gemeint, sondern menschlich, traditionsbewusst und offen. Nach dem Kirchengang
verabschiedeten sich die jungen Leute und gingen aus und feierten. Man kann natürlich auch die
Weihnachtsliturgie in der Kirche um zehn Uhr besuchen, die um Mitternacht endet
(Weihnachtsbeginn). Am nächsten Morgen, dem 1.Weihnachtsfeiertag holte mich die Tochter der
Cousine meiner Freundin ab. Denn einen Abend vorher erhielt ich eine wundervolle Nachricht:
Ich solle als erstes das Haus der Cousine meiner Freundin betreten. In Serbien ist es am
1.Weihnachtsfeiertag Brauch, dass jemand, der positiv, herzlich, warm und rein im Herzen ist, als
Erster das Haus betreten soll. Dies ist eine Art Omen für das ganze kommende Jahr für die
Familie und das Haus. Als ich dies erfahren habe, stand ich den Tränen nah, denn es ist ein
riesen Kompliment und eine Ehre. Also gingen wir zu dem Haus der Cousine meiner Freundin.
Als Erster betrat ich das Haus. Die Cousine sagte sofort: "Gott sei Dank bist du da! Ich habe
extra überall im Haus das Licht ausgemacht, dass alle denken, dass wir noch schlafen und keiner
vorher das Haus betritt!" Zusammen tranken wir Kaffee und unterhielten uns. Der engste Teil der
Familie erschien ebenfalls ein wenig später. Die Person, die als erste das Haus betreten hat, soll
auch als Erster essen. Danach aßen die anderen Anwesenden. Derjenige, der als Erster das
Haus betrat bekommt noch eine kleine Tüte mit Obst, Nüssen, Bonbons und ein wenig Geld. Den
Rest des Tages und am zweiten Weihnachtsfeiertag besuchte man sich gegenseitig und man
versuchte jeder Einladung nachzukommen, was nicht immer so einfach war, wenn die Familie
groß ist und man noch einen guten und engen Bekanntenkreis hat. In Serbien sagt man, das,
was man an Weihnachten tut, ist ein Omen und man tut es ein ganzes Jahr und es wird das
ganze Jahr über gut gelingen. Beispielsweise wenn man an Weihnachten lernt, wird einem das
Lernen das ganze Jahr über leicht fallen und man wird viel lernen. Viele fragten mich, welchen
Eindruck ich vom serbischen Weihnachten und den Traditionen habe.
Ana Fila Knezovic
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Ich bin begeistert und selbst jetzt, Wochen danach, erinnere ich mich sehr gerne daran zurück.
Vor allem bin ich von den Bräuchen begeistert, da ein Sinn oder eine Geschichte dahinter steht.
Ein weiteres Event im Januar ist das serbische Neujahr am 13.01. Natürlich wird auch der 31.01.
ausgiebig gefeiert und das im großen Maße. Vor allem die jungen Leute begeben sich auf
Shoppingtour und planen, wo, wie und mit wem sie feiern. Ich muss sagen, dass Silvester feiern
in Serbien (in einer Bar, Café, Hotel oder Disco) den selben (Eintritts-)Preis hat wie in
Deutschland in einer Discothek. Mir ist es immer noch ein Rätsel, wie die Menschen das
finanziell schaffen. Anders als in Deutschland wird nicht nur vom 31.01. in den 01.01. gefeiert.
Am 01.01. kommt die "reprisa", d.h. es wird noch einmal gefeiert! Für das serbische Neujahr
verabredete ich mich mit meiner Nachbarin und wir gingen in eine "kafana". Kafana bedeutet zu
Deutsch "Kneipe". Das ist die wortwörtliche Übersetzung, aber die Bedeutung, das Geschehen
und das Ambiente ist überhaupt nicht gleichzusetzen mit dem deutschen Wort. In einer kafana
wird natürlich auch getrunken, aber eine kafana hat nicht so einen unschönen Ruf wie im
Deutschen. Es handelt sich um eine Lokalität, die mit ordentlich gereihten Tischen und Stühlen
und seinen (karierten) Tischdecken einem Restaurant gleich kommt. In einer kafana wird z.B. an
Wochenenden Livemusik oder ein kleines Orchester mit Trompete, Akkordeon und Gitarre
geboten und es werden typische "kafanske pesme" ("Kneipenlieder") gesungen, die jeder kennt,
da viele Lieder alt sind, aber von Generation zu Generation nie verloren gehen. Man sitzt
zusammen an einem Tisch, isst und trinkt, lacht und singt. Vor allem, wenn die Musikgruppe an
einen Tisch kommt und nach einem Liedwunsch fragt. Die meisten können nicht anders und
stehen auf und singen lauthals mit, tanzen oder stehen im Halbkreis sich umarmend. Die Lieder
handeln von Liebe, Enttäuschungen, Glück oder Unglück und von Abenden in einer kafana.
Südländer sind emotional und man hat den Eindruck, dass sie beim Singen auch richtig
mitfühlen. Wenn man die serbische Sprache versteht, dann merkt man auch bei den Texten, was
"zwischen den Zeilen" steht. Dies lässt sich leider nicht immer ins Deutsche übersetzen. Außer
man schreibt direkt eine Analyse oder Erläuterung zu gewissen Sätzen/Zeilen, damit man
versteht, um was es geht und was für eine Bedeutung dahinter steckt. Um 00:00 Uhr
beglückwünscht man sich mit drei Küsschen auf die Wange und umarmt sich, egal ob man sich
kennt oder ob man an dem Tisch nur eine Person kennt.
Ana Fila Knezovic
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In Serbien fingen nach dem serbischen Neujahr die Schule und das Semster an den
Universitäten an. Zwischendurch schrieben mich Schüler an, ob ich ihnen hier und dort in
Deutsch helfen könne, was ich sehr gerne machte. Denn diese Schüler sind wirklich motiviert und
wissbegierig. Eine herausfordernde Aufgabe, für die ich mich freiwillig meldete, war für eine
Foto&Design Studentin an der Maschinenbauuniversität ein Motivationsanschreiben für eine
Universität im Ausland zu übersetzen bzw. ihr beim Übersetzen zu helfen. Ich bin wirklich
dankbar, dass ich die serbische Sprache ein wenig beherrsche, denn das hilft effektiv beim
Unterricht und beim Übersetzen. Das heißt nicht, dass ich sofort das serbische Wort sage,
nachdem sie mich fragen (das ist pädagogisch/methodisch auch nicht unbedingt der richtige
Weg). Ich versuche zuerst auf Deutsch es zu beschreiben/zu erklären. Wenn die Schüler es dann
nicht verstehen, nehme ich ein deutsches Synonym zu dem Wort und wenn das auch nicht
funktioniert sage ich das serbische Wort. Wenn ich das Wort im Serbischen nicht kenne,
versuche ich es auf serbisch zu umschreiben und meistens klappt es auch. Das ist ein Vorteil,
wenn man viele Fremdsprachen gelernt hat. Man weiß, dass man nicht jedes Wort kennen muss,
sondern man versucht es zu umschreiben. Den größten Fehler, den man beim
Fremdsprachenlernen machen kann ist alles wortwörtlich zu übersetzen. Denn dies ergibt
meistens in der Fremdsprache keinen Sinn. Wenn z.B. ein serbischer Schüler einen Satz
wortwörtlich ins Deutsche übersetzt und dieser Satz komplett falsch ist, muss ich diesen falschen
deutschen Satz nur wortwörtlich ins Serbische übersetzen und schon habe ich einen perfekten
Satz. Wortwörtlich: "Aus Fehlern lernen!" Das Motivationsanschreiben war sehr schön
geschrieben und ich verstand (wenn auch nicht jedes einzelne Wort) um was es ging und vor
allem, wie die Studentin dies oder jenes meinte. Also probierte ich mich daran, das Schreiben
vom Serbischen ins Deutsche zu übersetzen und mich an ihren Sprachstil zu halten. Natürlich
auch unter der Berücksichtigung des deutschen Sprachstiles (und dem Anlass entsprechend).
Mir fiel auf, wie so oft schon, dass man im Serbischen etwas mit zwei Wörtern sagen kann und
es eine tiefgründige Bedeutung hat. Aber ins Deutsche kann man das nicht so übersetzen und
man muss es prägnant umschreiben oder beschreiben. Das Übersetzen war eine
Herausforderung, nicht unbedingt nur wegen der Sprache, sondern weil man um die Wichtigkeit,
welches dieses Motivationsanschreiben mit sich brachte, weiß und man es möglichst perfekt
schreiben möchte. Es machte mir großen Freude, vor allem wenn man ein "Danke" vom Herzen
gesagt bekommt. In diesem Monat hatte ich auch die Gelegenheit wieder alleine zu unterrichten
und den Unterricht vorzubereiten. Ich muss sagen, dass es mir am meisten Spaß macht, in der
Anfängerklasse zu unterrichten. Natürlich sind deren Kenntnisse noch nicht so hoch, aber das
Interesse, das Wissbegierige und die Freude im Unterricht sind sehr erfrischend und macht das
Unterrichten einfacher. Vor allem wenn die Schüler ebenfalls engagiert sind. Das Thema in der
Anfängerklasse war "Essen". Ich suchte im Internet Bilder zu typischer deutscher Kost und
erklärte, um was es sich genau handelte. Zusammen erarbeiteten wir auch den Inhalt und Aufbau
einer Speisekarte. Dazu machten wir auch ein paar Grammatikübungen. In den nächsten
Wochen werde ich weiterhin gelegentlich alleine und selbstständig den Unterricht vor zu bereiten
und zu halten, was mich sehr freut. Auch die Vorbereitung zu den Unterrichtseinheiten macht
großen Spaß und ich habe viele Ideen. In diesem Monat bekamen wir auch Besuch von
Germanistikstudenten, die eine Doppelstunde Deutsch hielten. Diese Studenten sollten nach
"neuen" Methoden unterrichten. Das heißt, den Unterricht in Forme von Lernspielen und
Rollenspielen breitgefächerter/"offener" als "stupide" nach Buch und Lektion, gestalten. Diese
Methode mit Spiel zu lernen ist in Serbien noch nicht so verbreitet wie in Deutschland oder in
anderen Ländern. Viele Lehrer der älteren Generation arbeiten strikt nach dem Lehrbuch und
sind weniger offen für andere Methoden oder für andere Möglichkeiten. Das soll sich für die
nachkommenden Generationen ändern. Ein Teil des, von den Studenten gehaltenen
Unterrichtes, bestand ebenfalls darin, dass die Schüler selber etwas zu einem Thema
ausarbeiten sollen und ihre Ergebnisse anschließend vortragen sollen. Es war interessant zu
sehen, wie jeder einzelne Student seine eigene Art hatte zu unterrichten.
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Im Januar unternahm ich ein paar Ausflüge. Das Wetter in Serbien war den ganzen Dezember
und Januar mild, angenehm und mit Sonnenschein (10°-15°Grad). Ich wurde von einer
Kursteilnehmerin, die in dem Projekt "Tripple Win" (Projekt zur Bekämpfung des Mangels an
Pflegepersonal in Deutschland in Zusammenarbeit mit dem serbischen Arbeitsamt und der
deutschen Agentur für Arbeit) eingeladen, sie zu Hause in Leskovac zu besuchen. Also fuhr ich
mit dem Bus von Kragujevac in den Süden Serbiens. Die Busfahrt dauerte ca. drei Stunden. Der
Weg nach Leskovac führte über die Städte "Jagodina", "Paraćin", "Aleksinac" und über "Niš".
Meine Bekannte musste vor dem Eingang des Busbahnhofkomplex warten. Denn anders als in
Deutschland muss man ohne gültige Busfahrkarte einen kleinen Betrag bezahlen um auf die
Plattform zu dürfen. Die Wiedersehensfreude war groß, denn mit ihr und der Gruppe des Projekts
hatte ich in meiner Anfangszeit in Kragujevac am meisten zu tun: Lernen für die Prüfung B1 am
Goethe Institut in der Schule sowie nach der Schule, sich auf die Bewerbungsgespräche in
Deutschland vorbereiten und auch etwas gemeinsam unternehmen und mir die Stadt zeigen.
Nach dem wir bei ihr zu Hause angekommen waren, unternahmen wir sofort einen Spaziergang
durch Leskovac. Leskovac ist eine kleine Stadt (ca. 300 km von Belgrad entfernt) und war
damals bekannt für die Industrialisierung Südserbiens und gehörte zu den wichtigsten
Industriezonen Serbiens. Vor allem war Leskovac international für die Textilindustrie bekannt und
hatte zahlreiche Fabriken. Heute sieht man, was die Industrie und die Zeit nach dem Krieg für
Spuren hinterlassen haben. Vieles ist leider heruntergekommen, das große Messegelände steht
leer und ist nicht mehr in Betrieb sowie ein großes Hotel in Leskovac, welches zu Empfängen,
Feiern etc. diente, ist Privatisiert worden und nicht mehr in Betrieb. Es wäre für die Stadt wirklich
toll, wenn das Messegelände wieder in Betrieb wäre, denn so würde es der Stadt ein wenig
besser gehen und das Stadtbild wäre vielleicht nicht mehr so grau. Doch Leskovac ist auch
berühmt als "Stadt des Grillens und des Grillfleisches"! Zitat meiner Nachbarin in Kragujevac:
"Bitte bring etwas "roštilj" (Grillfleisch) mit!" Der Geschmack dieses Barbecues ist unvergesslich.
Einmal im Jahr wird für eine Woche ein Grillfest mit Wettbewerb (und Krönung des Grillmeisters)
sowie mit Programm veranstaltet. Doch Leskovac ist nicht nur grau und wird nicht nur wieder
bunter durch das Grillfest. Leskovac hat eine wunderschöne, neuerbaute Kirche "Svetoilijska",
die Dreifaltigkeitskirche. Rechts daneben wurde liebevoll aus Steinen eine Brücke zum
Überqueren gebaut, denn unter der Brücke läuft ein künstlich angelegter Bach, der im Sommer
mit Wasser gefüllt ist. Links neben der Dreifaltigkeitskirche steht die Kirche "Odžaklija", welche
der Geburt der Heiligen Gottesmutter gewidmet ist. Ihren spezifischen Namen trägt deshalb, weil
sie einen Schornstein hatte. Odžak heißt nämlich auf Serbisch Schornstein. Das Äußere der
Kirche unterscheidet sich von anderen Kirchen. Sie ist breit und niedrig und aus diesem Grund
ähnelt sie mehr einem Haus. Das war auch die Absicht der alten Baumeister. Sie wurde nämlich
zu den Zeiten der türkischen Herrschaft errichtet, als orthodoxe Kirchen nicht akzeptiert wurden.
Die Einwohner von Leskovac mussten damals, da es keine Kirche gab, in die benachbarten
Dörfer in die dortigen Kirchen gehen. In den ersten Jahren des 19. Jahrhunderts schafften sie es,
vom Sultan eine Genehmigung zu bekommen, in der Stadt eine Kirche zu bauen. Der lokalen
türkischen Bevölkerung passte das aber nicht. Laut mündlicher Überlieferung kamen die
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Einwohner von Leskovac auf die Idee, auf dem Objekt einen Schornstein zu bauen und zu
erzählen, sie würden eigentlich das Haus für den Priester bauen.
Leskovac hat ebenfalls einen kleinen Bahnhof für Züge. Nicht jede Stadt hat einen Bahnhof für
Züge. Das Verkehrsmittel von Stadt zu Stadt ist in Serbien der Bus, nicht wie in Deutschland der
Zug. Doch bevor ich am nächsten Tag meine erste Erfahrung mit dem Zug in Serbien machen
sollte, was ich schon ich schon länger geplant hatte, was wiederum zum großen Erstaunen der
Serben führte, denn sie warnten mich vor, dass deren Züge langsam, alt und heruntergekommen
sind, waren wir bei dem Nachbarn meiner Bekannten eingeladen. Es gab typische traditionelle
serbische Köstlichkeiten (vergleichbar mit einem riesigen Vorspeisenteller, der eigentlich schon
der Hauptgang an sich ist). Verschiedene Sorten Wurst, Käse, geräucherter Schinken, Salami,
selbstgebackenes Brot mit Sesam, Oliven, "Ajvar" (scharfer Paprikaaufstrich, der besonders in
Leskovac selbst gemacht wird und dort dafür bekannt ist), Pita, Kraut ("kupus"), "pihtije"
(gelatineartige Speise, die im Winter zubereitet wird), gefüllte Paprika, in Essig und Öl eingelegte
Paprika standen auf dem Tisch. Dazu wurde selbstgemachter Wein ("domaći vino") und
selbstgebrannter Schnapps ("rakija") serviert. Es war ein wundervolles traditionelles
Beisammensein. Man erklärte mir alles, was ich aß und woher es kommt. Mir wurde alles
angeboten und die Freude, die man den Gastgebern machen kann, ist zu essen. Die Serben sind
wundervolle und warme Gastgeber und sie tun das von Herzen. Man erklärte mir, wie man zu
Uhrzeiten Grieß verarbeitete und man erzählte mir von dem früheren Leskovac im Vergleich zu
Heute und man fragte mich natürlich auch nach dem Leben in Deutschland. Nach vielen schönen
Stunden Beisammen sein am Tisch, wurde angefangen, alte Lieder zu singen. Es war lustig,
warm und wunderschön. Solche Abende sind etwas besonderes und bleiben unvergesslich (bis
es irgendwann zum nächsten netten Beisammen sein kommt und man sich von den lustigen
Abenden von "damals" erzählt).
Am nächsten Morgen führen meine Bekannte und ich mit dem Zug von Leskovac nach Niš.
Natürlich hätten wir auch den Bus nehmen können, aber dieser kostet das Dreifache zur Zeit
(Zug: 250 DIN, Bus: 650DIN). In Deutschland ist es verboten, die Gleise zu betreten. Hier in
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Serbien muss man dies tun, da man sonst nicht auf die andere Seite gelangen kann, vor allem
wenn man von der anderen Seite einsteigen muss. Als der Zug einfuhr muss ich sagen, dass ich
nicht so erstaunt war. Natürlich war es ein alter Zug und natürlich war er nicht "blitze-blank"
geputzt und die Toiletten schaut man sich besser erst gar nicht an. Aber die Abteils waren ok.
Ebenfalls fiel mir auf, dass im Gang des Zuges am Fenster geraucht wird. Keiner sagt etwas oder
beschwert sich. Wir setzten uns in ein Abteil und da die Serben sehr gesellige Menschen sind,
kamen wir schnell ins Gespräch mit den zwei Mitfahrenden und somit ging die zweistündige
Zugfahrt schnell um. Das Tempo war mit dem Tempo einer S-Bahn zu vergleichen.
In Niš angekommen liefen wir in die Innenstadt und schauten uns ein wenig den Stadtkern an.
Niš ist die drittgrößte Stadt Serbiens nach Belgrad und Novi Sad. Die Stadt ist heute der
wirtschaftliche und kulturelle Mittelpunkt Südserbiens. Leider leidet die Stadt Niš ebenfalls unter
der wirtschaftlichen Depression. Die Elektroindustrie, für die Niš bekannt war, wurde stillgelegt.
Die Tabakindustrie ist jedoch immer noch erfolgreich. Die Stadt ist ein Verkehrsknotenpunkt
(großer Bus- und Zugbahnhof) und besitzt einen kleinen Militärflughafen, der seit 2003 wieder in
Betrieb ist. Niš bietet auch viele Universitäten. Wir besichtigten den Platz mit Statue "Trg Kralja
Milan". Es handelt sich um eine ähnliche Statue mit ähnlicher Bedeutung wie in Belgrad auf dem
Platz der Republik ("Trg Republike"). Weiter ging es über die "Nišavabrücke" zum "Tvrđava", der
Festung von Niš. Leider hatten wir nicht so viel Glück mit dem Wetter, sodass wir schnell wieder
zur Fußgängerzone "ulica Kopitareva" liefen, welches eine kleine Meile mit vielen Cafés und Bars
ist.
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Dort waren wir auch mit einem weiteren Mitglied des Kurses verabredet. Seit der Prüfung am
Goethe Instituts in Belgrad haben wir uns nicht mehr gesehen. Wir unterhielten uns über den
Kurs, über die Arbeitssituation, Neuigkeiten bezüglich des Projekts und ließen Anekdoten
aufleben als wir zusammen in Kragujevac waren. Einige haben schon eine Stelle in einem Altenoder Pflegeheim in Deutschland bekommen, der anderen warten noch auf Rückmeldungen.
Erschreckend ist, dass niemand von ihnen Sozialhilfe bekommt. Auch wenn man vorher in
Serbien gearbeitet hat, heißt dies nicht automatisch wie in Deutschland, dass er Anspruch auf
Arbeitslosengeld hat. Es kommen sogar Prüfer nach Hause, die die Lebenssituation überprüfen
und dann entscheiden, ob man Hilfe vom Staat bekommt. Diese Leute, die bereit sind, ihre
Familie etc. hinter sich zu lassen und in diesem Projekt sind, haben überhaupt keinen Standart.
Es reicht zum Überleben. Sprich, wenn man staatliche Hilfe bekommt muss man im Prinzip "nix"
haben, also extrem gesagt, "kein Dach über dem Kopf" haben. Ich war sehr geschockt! Auch
wenn es in Niš nun stark am Regnen war, war es ein schöner Tag mit tollen Menschen, die mir
meinen Anfang im September in Serbien einfacher und schön gemacht haben. Ihnen und vielen
anderen Menschen, vor allem meiner herzlichen Gastfamilie in Kragujevac, bin ich sehr dankbar
für alles!
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