Zwischen Science und Fiction

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Zwischen Science und Fiction
Zwischen Science und Fiction
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Script zur WDR-Sendereihe Quarks & Co
Zwischen Science und Fiction
Inhalt
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Stellen Sie sich einen Flohmarkt in 50 Jahren vor: Beim Stöbern finden Sie
dieses Quarks & Co-Script mit seinen Vorhersagen über die Zukunft. Welche
davon werden Wirklichkeit sein und welche sind Utopie geblieben?
Auch Quarks & Co hat sich zwischen Vergangenheit und Zukunft umgesehen.
Auf einem Flohmarkt haben wir ein Magazin aus dem Jahr 1955 entdeckt, in
dem Ingenieure ihre Visionen beschreiben. Einige davon sind längst Alltag
geworden, andere kommen uns heute naiv vor.
Die Vision von Atlantropa
Zeitreisen
„Beamen“ in der Quantenphysik?
Die Zukunft vor Augen: Science-Fiction im Kino
Auf zum Mars!
Das Morgen von Gestern: eine Zeitreise zurück
in die Zukunft
Der Blick in die Zukunft
Impressum
Text:
Redaktion
und
Koordination:
Copyright:
Gestaltung:
Der Wunsch in die Zukunft zu schauen, hat Schriftsteller und Forscher schon
immer inspiriert. Ein Beispiel dafür ist das Buch „Die Zeitmaschine“ von H.G.
Wells aus dem Jahr 1895. Wie weit Wissenschaftler heute mit ihren
Versuchen sind, die Zeit zu besiegen, erfahren Sie in diesem Script. Auch dem
Beamen, bekannt aus Star Trek, sind Forscher ein Stück näher gekommen –
wenngleich sie statt Menschen nur einzelne Photonen teleportieren können.
Jakob Kneser, Thomas Kresser, Christoph Marty, Anke Rau,
Martin Rosenberg, Christoph Schmidt
Monika Grebe
WDR, April 2006
Designbureau Kremer & Mahler, Köln
Einleitungstext und „Das Morgen von Gestern: eine Zeitreise zurück in die Zukunft“ entstanden in Kooperation mit
dem Lehrstuhl für Wissenschaftsjournalismus Dortmund
Die ersten Weltraumtouristen von heute müssen sich allerdings noch mit
konventionellen Raketen und der Enge von Raumstationen begnügen. Denn
Luxushotels auf fremden Planeten sind immer noch ein Traum der Zukunft.
Bildnachweise
Schon jetzt ein Gruß aus der Gegenwart – auch an jene, denen dieses Script
in 50 Jahren in die Hände fällt. Vielleicht sogar auf einem Flohmarkt auf dem
Mars. Viel Spaß beim Stöbern wünscht Ihnen Ihr Quarks-Team!
Weitergehende Informationen zu diesem Thema,
sowie Link- und Lesetipps, finden Sie auf unserer
Homepage unter: www.quarks.de
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alle Abbildungen WDR außer:
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Mondlandung; Rechte: dpa
Mars; Rechte: dpa
Delphi; Rechte: dpa
Computer; Rechte: dpa
Die Grenzen des Wachstums; Rechte: dpa
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Die Vision von Atlantropa
Um 200 Meter sollte das
Mittelmeer abgesenkt werden
Neues Land aus dem Mittelmeer
Auch die Energieprobleme wären gelöst
Es war eine Vision des Friedens in einer unruhigen Zeit:
neuer Lebensraum, futuristische Städte, Energie im Überfluss und dauerhafter Frieden für einen ganzen
Kontinent. Die Utopie von „Atlantropa“ entstand in den
1920er Jahren und sah vor, dass das Mittelmeer teilweise
trocken gelegt werden sollte. Ein gigantischer Staudamm sollte die Meerenge von Gibraltar verschließen
und so den Wasserzufluss aus dem Atlantik regulieren.
Alle anderen Mittelmeerzuflüsse sollten ebenfalls abgeriegelt werden. Ohne den Wasserzufluss würde das
Mittelmeer durch Verdunstung langsam austrocknen. Am
Ende wäre es um rund 200 Meter abgesenkt. Insgesamt
entstünden rund 500.000 Quadratkilometer Neuland,
eine Fläche, die so groß ist wie Frankreich und Belgien
zusammen.
Gemeinsam mit dem Schweizer Ingenieur Bruno
Siegwart beginnt Sörgel Ende der 20er Jahre die konkrete Planung des Staudamms in der Meerenge von
Gibraltar: Er soll nicht an der schmalsten Stelle entstehen, sondern etwa 30 Kilometer westlich, wo das Meer
weniger tief ist. Rund 2,5 Kilometer breit soll das
Fundament sein, der Wall von dort aus etwa 300 Meter
in die Höhe ragen. Die beiden Techniker veranschlagen
eine Zeit von etwa 10 Jahren für ihren Riesenbau, etwa
eine Million Arbeiter planen sie ein. Energieprobleme
würde der Damm gleich mit lösen: riesige Wasserkraftwerke sollten die angrenzenden Länder mit Strom
versorgen.
Ein Staudamm sollte aus Wasserkraft 50.000 Megawatt Strom produzieren
Keine Chance bei den Nazis
Europa und Afrika sollten verschmelzen
Der Münchner Architekt Herman
Sörgel hat sich „Atlantropa“
ausgedacht
Was fantastisch klingt, war der ernsthafte Plan des
Münchner Architekten Herman Sörgel, der sich
„Atlantropa“ Mitte der 1920er Jahre ausdachte. Als Sohn
eines Wasserbaubeamten war er schon als Jugendlicher
von Staudämmen fasziniert. So entsteht sein Plan, das
Mittelmeer teilweise trockenzulegen, um neuen Lebensraum und damit Wohlstand zu schaffen – ein gigantisches, technokratisches Friedensprojekt, denn die
gemeinsame Arbeit an den gewaltigen Staudämmen soll
die Anrainerstaaten des Mittelmeers zusammenschweißen und so für Frieden sorgen. Das ausgetrocknete Meer
würde Europa und Afrika zum neuen Kontinent
„Atlantropa“ vereinen. Nur dieser könnte auf Dauer
gegen Amerika und Asien bestehen, davon ist Sörgel
überzeugt. Seine Idee fällt in Deutschland nach dem
Ende des ersten Weltkriegs auf fruchtbaren Boden, denn
Armut und Arbeitslosigkeit machen die Menschen empfänglich für hoffnungsvolle Zukunftsvisionen.
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Doch mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten im
Jahr 1933 erfährt das Atlantropa-Projekt einen ersten
Dämpfer. Denn die Nazis sind von Sörgels international
angelegtem Friedensprojekt wenig begeistert. Sörgel
passt seine Pläne daraufhin den neuen politischen
Gegebenheiten an: Er rückt die Achse Berlin-Rom ins
Zentrum und versucht so, sein Atlantropa zu einem
faschistischen Friedensprojekt umzuwandeln. Aber die
Nazis stehen seinem Vorhaben weiterhin ablehnend
gegenüber. Als Sörgel schließlich öffentlich die Rüstungsanstrengungen kritisiert und vor der Kriegsgefahr
warnt, durchsucht die Gestapo seine Wohnung. Aus
Rücksicht auf seine Frau Irene, eine Halbjüdin, zieht sich
der Architekt weitgehend aus dem öffentlichen Leben
zurück. Doch insgeheim arbeitet er auch noch während
des Krieges weiter an seinem Lebenstraum.
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Die Machtergreifung der Nationalsozialisten ist ein Rückschlag für
„Atlantropa“
Zeitreisen
Mit dem Ende des zweiten
Wasser für Afrika
Ein uralter Menschheitstraum
Mit dem Ende des zweiten Weltkriegs sieht Sörgel
eine neue Chance und bietet den Alliierten das Projekt in erweiterter Form an: Zusätzlich zur Trockenlegung des Mittelmeers will er in Afrika künstliche
Stauseen schaffen. Sie sollen die Besiedelung Afrikas durch die Alliierten erleichtern und ihnen so
neue Rohstoffquellen erschließen. Die Alliierten sind
anfangs interessiert, lehnen Atlantropa schließlich
aber doch ab.
Könnten wir uns in der Zeit genauso frei bewegen wie
im Raum, dann bräuchten wir weder Zukunftsforschung
noch Geschichtsbücher. Kein Wunder, dass der Traum
von Reisen durch die Zeit zu den Lieblingsträumen der
Science-Fiction-Literatur zählt. Unter Wissenschaftlern
dagegen galt es lange als unseriös, sich überhaupt mit
dem Thema zu befassen. Doch das hat sich in den letzten zwanzig Jahren geändert: Auch unter anerkannten
Physikern ist es nicht mehr verpönt, über Zeitreisen
nachzudenken. Meist bleibt es bei theoretischer Gedankenspielerei – aber nicht immer: Der amerikanische
Physiker Ronald Mallett will den Schlüssel zu einer
Zeitmaschine gefunden haben, die Reisen in die Vergangenheit ermöglicht – basierend auf der Allgemeinen
Relativitätstheorie Albert Einsteins.
Weltkriegs bietet sich eine neue
Chance
Atomenergie schlägt Atlantropa
Im Schweizer Schriftsteller John Knittel findet Sörgel
schließlich einen begeisterten Befürworter seines
Projekts. Knittel unterstützt den Münchner Architekten auch finanziell: Mit seiner Hilfe wird ein Werbefilm finanziert. Atlantropa hält sich so zwar in den
Schlagzeilen, aber Erfolge bleiben auch dieses Mal
aus. Die Entdeckung der Atomkraft für friedliche
Zwecke Anfang der 1950er Jahre ist das endgültige
Aus für Atlantropa – es erscheint im Vergleich dazu
weder wirtschaftlich noch zeitgemäß. Bis ans Ende
seines Lebens kämpft Sörgel für seine Vision, doch
er ist ein Einzelgänger, der keinen Nachfolger findet.
Am 25. Dezember 1952 stirbt er an den Folgen eines
bis heute ungeklärten Autounfalls.
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Die Zeitmaschine auf Ronald
Malletts Schreibtisch ist ein nur
ein Spielzeug....
Einsteins Universum macht es möglich
In Einsteins Relativitätstheorie gibt es nicht mehr die
eine Zeit, die für alle gleichermaßen gilt. Zeit kann vielmehr für unterschiedliche Beobachter unterschiedlich
schnell vergehen – abhängig davon, wie sie sich
bewegen und wo sie sich aufhalten. Wer mit sehr
hoher Geschwindigkeit eine Rundreise durch die Tiefen
des Alls unternimmt oder seinen Urlaub in der Nähe
eines Schwarzen Loches verbringt, für den vergeht die
Zeit langsamer als für die Daheimgebliebenen. Er reist
damit relativ zu uns in die Zukunft. Die Effekte dieser
so genannten Zeitdilatation sind längst experimentell
nachgewiesen. Reisen in die Zukunft sind damit also
bereits Realität - wenn es auch bei weitem jenseits der
technischen Möglichkeiten liegt, auf diese Weise einen
Menschen auch nur einige Minuten in die Zukunft zu
schicken.
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...doch der Physik Professor arbeitet
ernsthaft daran, Zeitreisen möglich
zu machen
Ronald Malletts Theorie der
Zeitkrümmung durch Licht
Per Laser in die Vergangenheit
Theorie und Praxis: Lichtjahre voneinander entfernt?
Ob es diese extremen Raum-Zeit-Verwerfungen überhaupt gibt, weiß man nicht, ausschließen lässt es sich
beim gegenwärtigen Wissensstand jedoch nicht. Und es
gibt Physiker, die darüber nachdenken, ob und wie sie
sich künstlich erzeugen lassen. Zum Beispiel in Form von
so genannten Wurmlöchern, Science-Fiction-Fans kennen
diese tunnelförmigen „Abkürzungen durch die Raumzeit“
aus Filmen und Romanen. In Wirklichkeit könnten solche
Schleichwege durch die Zeit nur durch Materie mit negativer Energie existieren. Das ist Materie, die ein umgekehrtes Gravitationsfeld erzeugt: Statt Gegenstände
durch Schwerkraft anzuziehen, stößt diese so genannte
exotische Materie Masse ab. Ob es solche exotische
Materie wirklich geben kann – etwa, wenn man die
Gesetze der Quantenwelt zu Hilfe nimmt – ist beim
jetzigen Wissensstand allerdings noch eher zweifelhaft.
Bislang besteht Malletts Zeitmaschine nur auf dem
Papier. Denn auch wenn nach der Allgemeinen Relativitätstheorie jegliche Energie zwangsläufig eine
Quelle von Gravitation sein muss: Experimentell nachgewiesen ist ein Gravitationsfeld von Licht noch nicht;
ganz zu schweigen von einem Feld, das stark genug
wäre, die Raumzeit so zu krümmen, dass damit Zeitreisen möglich werden. Um seine Theorie zu erhärten
experimentiert Mallett zurzeit mit dem schwachen
Gravitationsfeld eines Ring-Lasers: Nach seinen
Berechnungen soll die durch den zirkulierenden Laser
produzierte Schwerkraft ein Teilchen in der Mitte des
Ring-Lasers so beeinflussen, dass es in seiner Drehung
verändert wird. Man hätte damit gleichsam den Raum,
in dem sich das Teilchen befindet, verzerrt. Gelänge
dies, wäre es der erste experimentelle Beleg, dass zirkulierendes Licht tatsächlich ein nachweisbares
Gravitationsfeld hervorbringen kann – und es wäre
der erste Hinweis darauf, dass auch an der weiterführenden Zeitreisen-Theorie etwas dran sein könnte.
Noch hat Ronald Mallett diesen Beleg aber nicht erbracht.
Möglicherweise gibt es aber einen anderen Weg in die
Zeitschleifen - Ronald Mallett, Professor für theoretische
Physik an der Universität von Connecticut (USA) will ihn
gehen. Sein Ansatz beruht ebenfalls auf der Allgemeinen
Relativitätstheorie: Danach können sowohl Materie als
auch Energie ein Gravitationsfeld hervorbringen. Also
muss auch elektromagnetische Strahlung Schwerkraft
erzeugen können. Und das bedeutet, dass auch die Energie eines Lichtstrahls die Raumzeit beeinflussen kann.
Doch Mallett geht noch einen Schritt weiter: Nach seinen
Berechnungen soll Licht dazu in der Lage sein, die Raumzeit so stark zu verzerren, dass dabei Zeitschleifen entstehen. Nach seiner Theorie soll ein Zylinder aus kreisendem Licht die Raumzeit extrem stark krümmen. Folgt ihr
ein Zeitreisender in Umlaufrichtung, bewegt er sich in
Richtung Vergangenheit.
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Kritik von Kollegen
Trotzdem hat die „Zeitmaschine“ des Professors schon
viel Aufmerksamkeit erregt, sowohl in den Medien als
auch bei seinen Fachkollegen. Dass es so einfach
nicht sein wird mit der Zeitreise, haben Physiker der
Tufts-University in den USA nachgewiesen. Ihren Berechnungen zufolge bräuchte man ungeheure Energiemengen, um eine Zeitmaschine von auch nur halbwegs
realistischen Dimensionen zu bauen.
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Wenn man Kaffee mit dem Löffel
umrührt, entstehen Kreisel – an diesem Beispiel erklärt Ronald Mallett
seine Zeitreisen-Versuche
„Beamen“ in der Quantenphysik?
„Ja, wir können beamen!“
Angesichts heute verfügbarer Licht-Energie wäre die
Flugbahn einer Raumzeitreise mit Malletts Zeitmaschine nämlich unendlich viel größer als die Ausmaße des sichtbaren Universums! Und das selbst
dann, wenn man auch nur ein winziges Stück in die
Vergangenheit reisen wollte. Technische Probleme,
die sich irgendwann lösen lassen, wendet Ronald
Mallett ein.
Doch nach Berechnungen der Kritiker hat seine
Theorie einen anderen, viel entscheidenderen
Haken: Sie geht von einer Raumzeit aus, die nicht
der irdischen Raumzeit entspricht. Nach diesen
Berechnungen kann Ronald Malletts Maschine rein
physikalisch nicht funktionieren, denn danach sind
es gar nicht die Lichtstrahlen, die zu Zeitschleifen
führen. Stattdessen handelt es sich um eine andere
Gravitationsquelle, die Mallett irrtümlich in seine
Gleichung eingebaut hat. Ob man mit kreiselndem
Licht tatsächlich die Zeit besiegen kann oder nicht –
das muss die Zukunft entscheiden.
So stand es im Jahr 2004 in einer großen deutschen
Zeitung. Ein Team um den Quantenphysiker Anton
Zeilinger aus Wien sollte es geschafft haben, zu beamen – also Gegenstände von einem Ort wegzubewegen und gleichzeitig wie durch Zauberhand an
einem anderen entstehen zu lassen. Ganz so, wie in
der Fernsehserie „Raumschiff Enterprise“ Menschen aus
dem Raumschiff auf fremde Planeten transportiert werden. Doch dass das so nicht wirklich stimmen konnte,
wussten Fachleute und interessierte Laien sofort.
Schon den Schöpfern der Weltraumserie „Raumschiff
Enterprise“ war klar, dass das Beamen, so wie sie es
sich vorstellten, an den Naturgesetzen scheitern würde
– allein schon an Heisenbergs Unschärferelation. Die
besagt nämlich, dass man Impuls unten und Ort eines
Teilchens nicht gleichzeitig bestimmen kann. Das
müsste man aber, wenn man beamen wollte: Von
jedem Elektron, jedem Proton und jedem Neutron in
einem Körper müssten die Informationen über den
genauen Zustand ausgelesen werden, damit man am
Zielort aus diesen Informationen den Körper wieder
zusammenbauen kann.
Die Drehbuchautoren lösten das Problem in ihrer Fernsehserie dadurch, dass ein mysteriöser „HeisenbergKompensator“ eingeführt wurde, dessen Funktionsweise ja nie genauer erläutert werden musste. Wie
auch immer – ein echter Physikprofessor kann eine solche Maschine nicht besitzen. Ein Ding der Unmöglichkeit also, dass Zeilinger und seine Kollegen
gebeamt haben sollen, auch, wenn es nur um einzelne
Teilchen ging, die von der einen Donauseite auf die
andere gelangt sein sollten. Tatsächlich haben die
Journalisten das Beamen nur als Bild benutzt, um zu
erklären, worum es bei Zeilingers Experimenten geht.
Seine Quantenversuche haben nämlich nicht das Ziel,
Menschen irgendwohin zu beamen, denn eigentlich hat
der nobelpreisverdächtige Physiker eher die Informationstechnik im Visier. Aber theoretisch sind seine
Versuche tatsächlich eine Grundlage für das Beamen
à la Enterprise.
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Ein paar Laser, Spiegel und
Kristalle – ist das die sagenhafte
Maschine, mit der man beamen
kann?
Der Impuls ist eine physikalische
Größe, die sich aus dem Produkt
von Masse und Geschwindigkeit
eines Teilchens oder Gegenstandes ergibt. Eine solche Größe zu
bilden ist sinnvoll, wenn man zum
Beispiel Stoßprozesse berechnen
möchte.
Beamen am Beispiel von
Würfeln demonstriert
Verrückt: verschränkte Teilchen
Teleportieren statt Beamen
Bei Zeilingers Experimenten geht es um ein Phänomen,
mit dem selbst Einstein seine Schwierigkeiten hatte. Er
konnte das seltsame Verhalten der Teilchen, das sich aus
den Gesetzen der Quantenmechanik ergibt, nie wirklich
akzeptieren und nannte es „spukhafte Fernwirkung“.
Selbst Physiker empfehlen, gar nicht den Versuch zu
machen, die Quantenmechanik verstehen zu wollen – die
Spuk-Phänomene sind Folge mathematischer Berechnungen, und die sollte man einfach hinnehmen. Eines
davon ist die so genannte Verschränkung von Teilchen:
Zwei Gegenstände in der Quantenwelt koppeln sich so
aneinander, dass beide eine bestimmte Eigenschaft
immer übereinstimmend aufweisen – selbst wenn sie
Lichtjahre voneinander entfernt sind. Man könnte sich
das in einem Bild so vorstellen: Wenn man annimmt,
dass zwei Würfel verschränkte Quantenzustände darstellen und man mit zwei Bechern würfelt, dann würden
beide Würfel immer dieselbe Augenzahl aufweisen,
wenn man sie aufdeckt. Welche Augenzahl das ist, ist
jedes Mal zufällig – trotzdem weiß man beim Anblick des
einen Würfels sofort, welche Zahl der andere zeigt.
Wenn man sich mit dieser Vorstellung angefreundet hat,
wundert es kaum noch, dass die Physiker das Spielchen
noch weiter treiben. Sie bringen ein zusätzliches Teilchen ins Spiel, das seinerseits mit einem der beiden
Zwillingspartner verbandelt wird. Dieses neue Teilchen
überträgt seine Eigenschaften auf das Partnerpaar – und
der Expartner nimmt die Eigenschaften des neuen, dritten Teilchens an. Sogar, wenn es weit von den beiden
anderen Teilchen entfernt war, sozusagen auf der anderen Donauseite.
Spontane Lageveränderung
Einmal über die Donau – in Milliarden von Jahren
Natürlich fallen Würfel niemals auf diese Weise, das wäre
wirklich verrückt. Aber Lichtteilchen – Photonen – verhalten sich tatsächlich so: Man schickt einen Lichtstrahl
durch einen speziellen Kristall, der ihn in zwei Teilstrahlen aufteilt. Bestimmte Photonenpaare in diesen Teilstrahlen können jetzt die seltsame Verschränkung aufweisen – egal, wo die beiden sich jeweils befinden.
Besonders erstaunlich erscheint dieses Verhalten, wenn
Quantenphysiker erklären, dass die Photonen sich erst in
dem Moment, in dem sie gemessen werden, für eine
völlig zufällige Lage entscheiden. Und nimmt das eine
sie dann spontan ein, wird sich das zweite Teilchen ganz
entsprechend verhalten.
Würde man versuchen, mit dieser Methode einen
ganzen Menschen auf die andere Seite des Flusses zu
beamen, wäre aber noch etwas nötig – nämlich eine
Menge von Teilchen, die schon dort sind. Und denen
dann mitgeteilt wird, wie sie sich anordnen müssen,
außerdem noch eine gewaltige Menge von weiteren
Informationen über jedes einzelne Atom. Das wirft ein
zusätzliches Problem auf: Nach den Berechnungen
von Professor Zeilinger würde dieser Prozess selbst
mit den größtmöglichen Übertragungsgeschwindigkeiten mehrere Milliarden Jahre dauern.
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Wegen des neuen, dritten Teilchens verlieren also die
beiden älteren ihre Eigenschaften – und das ist der
Punkt, warum in Bezug auf Zeilinger die Rede vom
Beamen war: Das neue, dritte Teilchen hat vorher nur auf
der einen Donauseite existiert, und nachher existiert ein
identisches Teilchen auf der anderen Donauseite, und
zwar nur dort. Also könnte man sagen, dass das
ursprüngliche Teilchen körperlos auf die andere Seite
des Flusses transportiert wurde: „gebeamt“ würde
Captain Kirk sagen, „teleportiert“ sagt Anton Zeilinger.
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Anton Zeilinger und seine
Mitarbeiter
Die Zukunft vor Augen:
Science-Fiction im Kino
Die Faszination für neue Verkehrsmittel wie Motorflugzeuge und
Automobile spiegeln auch die frühen Science-Fiction-Filmen des
frühen 20. Jahrhunderts dieser
Im Rausch der Technik
Paranoia im Atomzeitalter
Gleich mit dem Beginn der Filmgeschichte trat schon
der Science-Fiction-Film auf – das neue Medium selbst
war so ungewöhnlich, dass sich das Thema Zukunft
geradezu aufdrängte. Überhaupt stand die Zeit um 1900
im Zeichen des rasanten technischen Aufbruchs, dem
Fortschritt schienen keine Grenzen gesetzt. Die ersten
kurzen Science-Fiction-Filme spiegeln den optimistischen Glauben an eine strahlende Zukunft mit ungeahnten technischen Möglichkeiten wider: die Faszination der Geschwindigkeit („The Motorist“, 1905), den
Zauber neuer Fortbewegungsmittel, die Überwindung
riesiger Entfernungen („Die Reise zum Mond“, 1902).
Dabei ist das frühe Science-Fiction-Kino noch eher verspielt und malt die Zukunft überwiegend heiter aus.
Kritische oder unheimliche Töne sind selten.
Der Zweite Weltkrieg macht die Gefahren der unkontrollierten Technologie für alle sichtbar – in den Jahren
danach führt der Kalte Krieg mit seiner Rüstungsspirale,
aufgeheizt von Propaganda, zu einem Klima der
Bedrohung. Die Furcht vor der atomaren Katastrophe
und vor den Kommunisten schlägt sich im amerikanischen Science-Fiction-Film der 50er Jahre nieder: die
missbrauchte Erde rächt sich mit Monstern
(„Formicula“, 1954); Leitthema wird die Invasion von
Außerirdischen („Kampf der Welten“, 1953) oder die
schleichende Unterwanderung from outer space („Die
Dämonischen“, 1956). Den Zerstörungs-Fantasien wird
die Hoffnung gegenüber gestellt, dass Militär und
Wissenschaft die Gefahr besiegen („Tarantula“, 1955).
Unverhohlene anti-russische Propaganda ist in den
populären Weltraum-Abenteuern aus Hollywood am
Werk, in denen andere Planeten zum Schutz der
Menschheit vor außerirdischen Aggressoren okkupiert
werden (“Endstation Mond“, 1949/50).
Zeit wider
Visionen vom Leben in der Stadt
Die Natur schlägt zurück: Durch
Atomversuche mutierte
Monster bevölkern den amerikanischen Science-Fiction-Film
der 1950er Jahre
Dann kam der erste Weltkrieg – er erschütterte das
Vertrauen in die soziale Ordnung und die positive Kraft
der Technik. Überall in Europa vertieften sich die
Gräben innerhalb der Gesellschaft. Auch im Film weicht
der Optimismus der Vorkriegsära einem düsteren
Grundton: In den Science-Fiction-Filmen spitzen sich
die gesellschaftlichen Konflikte zu und Lösungsmodelle
tauchen auf, die teilweise schon Grundzüge des
Faschismus vorwegnehmen („Metropolis“, 1927). Die
Großstadt ist Brutstätte und Austragungsort der sozialen Kämpfe, aber auch Ort der Erneuerung; so im
englischen Film „Was kommen wird“ (1936), nach
einem Roman H.G. Wells: Hier werden die katastrophalen Folgen eines bereits drohenden neuen Krieges vor
Augen geführt. Zugleich taucht aber auch die
Möglichkeit auf, gesellschaftliche Probleme durch
Technik und Wissenschaft zu überwinden.
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Die Natur schlägt zurück: durch
Atomversuche mutierte Insekten
bevölkern den amerikanischen
Science-Fiction-Film der 50er Jahre
(„Formicula“, USA 1954)
Aufbruch in innere Welten
Ende der 1950er und Anfang der 1960er Jahre ist ein
Teil der Visionen Wirklichkeit geworden: der Weltraum
wird erobert, schon kreist der erste Satellit, der russische Sputnik, im Orbit. Die Filmproduktions-Gesellschaften legen neue Science-Fiction-Projekte auf Eis,
weil sie von der Entwicklung der Realität überholt werden. Als der erste Mensch auf dem Mond landet, verlieren aufwändige Weltraum-Abenteuer an Reiz. Stattdessen inszeniert man das Vordringen in innere
Welten, in bislang unerforschte Bereiche des Körpers
(„Fantastische Reise“, 1966) oder der Psyche („Solaris“,
1972). In den 1970er Jahren tritt der Raubbau an der
Umwelt stärker ins Bewusstsein: Science-Fiction-Filme
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Als Weltraum-Abenteuer zur
Routine werden, sucht sich der
Science-Fiction-Film neue Sujets,
etwa Reisen ins Innere des
Körpers
Auf zum Mars!
Als der Mond noch fern war
nehmen mögliche Folgen der Zerstörung vorweg
(„Lautlos im Weltall“, 1971 „Soylent Green“, 1973).
Außerirdische Wesen treten nun als Retter der
Menschheit auf („Unheimliche Begegnung der dritten
Art“. 1977).
Nach dem Menschen kommt die Maschine
Die Computer-Technik scheint der
Manipulation des Bewusstseins Tür
und Tor zu öffnen. Filme wie
„Matrix“ entwerfen die Vision einer
Welt, in der virtuelle Realitäten die
Wirklichkeit ersetzt haben
Der Siegeszug des Computers seit den 1980er Jahren
bringt das alte Mensch-Maschine-Problem, ein
Grundmotiv des Science-Fiction-Films, wieder neu auf
die Tagesordnung. Immer komplexere Technologien
entlasten den Menschen, wecken aber auch neue Ängste vor der Übermacht der Maschinen („Terminator“,
1984). Die Grenzen zwischen dem Mensch und seinen
Schöpfungen scheinen zu verschwimmen („Der
Bladerunner“, 1982), virtuelle Welten ersetzen die
Wirklichkeit („The Matrix“, 1999). Aber nicht nur das
Bewusstsein lässt sich möglicherweise unbegrenzt
manipulieren, sondern auch der menschliche Körper:
Der Aufstieg der Biotechnologie führt in den 90er
Jahren zu Horror-Visionen einer genetisch optimierten
Menschheit („Gattaca“, 1997).
Science-Fiction als Abbild der Zeit
Auch wenn er gelegentlich visionäre Kraft zu haben
scheint – rückblickend betrachtet sagt der ScienceFiction-Film weniger etwas über die Zukunft aus als
vielmehr über die Zeit, in der er entstanden ist. Mehr
als andere Genres ist der Science-Fiction-Film
Projektionsfläche für Ängste, Wünsche und Hoffnungen
der Gesellschaft. Allerdings sollte man Science-FictionFilme auch nicht mit Bedeutung überfrachten: Sie sind
auch einfach fantasievolle Unterhaltung – und nebenbei
auch immer schon Spielwiese für das technisch
Machbare und Mögliche.
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1961 steckte Präsident John F. Kennedy seiner Nation
ein ehrgeiziges Ziel: Innerhalb eines Jahrzehnts sollten
Amerikaner als erste auf dem Mond landen. Die NASA
musste sich gewaltig anstrengen, um diese Vorgabe zu
erfüllen. Denn zunächst saß man ohne großes technisches Know-How da. „Wir hatten kein Erbe, nur einen
Blankoscheck und das leere Reißbrett“, erinnert sich
Jesco von Puttkamer, Raumfahrtexperte der ersten
Stunde und noch heute im Planungskonsortium der
NASA in Washington tätig. Immerhin – das Ziel wurde
erreicht, Neil Armstrong stand am 20. Juli 1969 als
erster Mensch auf dem Mond – und Eugene A. Cernan
war nach sechs Apollomissionen am 14.12.1972 der letzte Astronaut, der den Mond betrat. Dann wurde das
Programm eingestellt. Doch die Ideen, zurückzukehren
oder Astronauten sogar in entfernte Winkel unseres
Sonnensystems zu bringen, verschwanden unter den
Raumfahrtwissenschaftlern nie.
Nach dem Mond sollte der Mars
drankommen – 1969 glaubten die
Amerikaner, dass sie das schon in
20 Jahren schaffen würden
Eine Vision wird aufgefrischt
Schon in den 1950er Jahren gab es die ersten Überlegungen zu einer bemannten Raumfahrtmission zum
Mars. Beflügelt von den Erfolgen der Mondlandung,
war sich die Planungscrew der NASA sicher, dass man
schon bald den ersten Schritt auf den roten Planeten
wagen würde – und vergriff sich tüchtig im Zeitplan:
wenn es nach den damaligen Plänen der amerikanischen Raumfahrtexperten gegangen wäre, hätten
Astronauten schon Anfang der 80er Jahren auf dem
Mars landen sollen. „Wir waren damals relativ naiv
und glaubten, dass alles in einem einzigen integrierten Programm – Raumstation, Mond und Marsprogramm möglich und machbar ist. Wir mussten
dann aber einsehen, dass – auch was die Finanzpolitik betraf – alles auf einmal nicht möglich war“,
so Jesco von Puttkamer.
19
Menschen auf dem Mars sind jetzt
bei der ESA für das Jahr 2030 vorgesehen
Eine bemannte NASA-Marsmission ist
zwischen 2015 und 2020 vorgesehen.
Die ESA peilt das Jahr 2030 an
Doch seit Anbruch des neuen Jahrtausends sind die
Pläne, Astronauten zum Mars zu schicken, in greifbare
Nähe gerückt. Georg W. Bush hat im Jahr 2004 die NASA
damit beauftragt, die Vision von der Eroberung des
Weltalls weiter zu verfolgen. Die Amerikaner wollen
zunächst wieder auf dem Mond landen, das Jahr 2014 ist
dafür angepeilt. Diese Erfahrungen sollen helfen, dann
eine bemannte NASA-Marsmission für die Zeit zwischen
2015 und 2020 auf die Beine zu stellen. Auch die
Europäische Raumfahrtagentur ESA hat ihre Forschungen
bereits in Richtung Mars ausgedehnt. Sie will sich allerdings etwas mehr Zeit lassen, ein Aufsetzen eines
bemannten ESA-Mars-Landers ist für die Zeit nach 2030
vorgesehen.
Strapazen einer Reise
NASA-Wohnmodule für die erste
Mars-Mission
Doch ein Spaziergang wird eine solche Reise, so viel ist
abzusehen, nicht: Allein zum Mond sind Astronauten
etwa drei Tage unterwegs. Bei einer Marsmission
müsste die Crew mit einer einfachen Reisezeit von sechs
bis neun Monaten rechnen. Dazu käme die Zeit, die sie
auf dem Mars in Druckanzügen mit Atemgerät und in
Wohnmodulen verbringen würden. Mars und Erde sind
sich nur etwa alle zwei Jahre so nah, dass dies günstig
für eine Reise wäre. Und nah ist durchaus relativ: 55
Millionen Kilometer im günstigsten Fall gegenüber 400
Millionen Kilometer im ungünstigsten Fall! Selbst die kürzeste Mission mit einem Aufenthalt von etwa zwei
Wochen auf dem Mars würde für die Astronauten daher
insgesamt etwa 500 Tage bedeuten. Das ist eine lange
Zeit, deren Auswirkungen auf den menschlichen Körper
bisher noch kaum abzuschätzen ist. In Studien versuchen
Raumfahrtmediziner jetzt schon herauszufinden, wie die
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Folgen solcher Strapazen für die Astronauten abzumildern wären. Dafür lagen Freiwillige 60 Tage lang im Bett:
Sie simulierten Astronauten in der Schwerelosigkeit.
Denn im All werden Muskeln, Knochen und Kreislauf
weniger beansprucht und bilden sich zurück. Ähnliches
passiert auch bei längerer Bettlägerigkeit: Muskeln und
Knochen bauen sich ab. In den Studien vermessen die
Forscher, wie schnell der Abbau vorangeht und wie dem
entgegenzusteuern wäre, zum Beispiel durch Fitnessund Muskelübungen an speziellen Trainingsgeräten.
Ein unwirtlicher Planet
Die Reise ist riskant. Beim Eintritt in die Marsatmosphäre
ist das Raumschiff etwa 12.000 Kilometer pro Stunde
schnell und muss bis zur Ankunft auf der Marsoberfläche
auf etwa 50 km/h abgebremst werden – das erzeugt
starke Reibung und große Hitze, was sehr gefährlich sein
kann. Auch die eigentliche Landung auf dem schroffen,
zeitweise von schweren Sandstürmen heimgesuchten
Planeten wird nicht einfach. Nochmals muss das
Raumschiff abgestoppt werden – wegen der dünnen
Atmosphäre reicht es aber nicht aus, das Raumschiff nur
mit Fallschirmen zu bremsen. Für eine weiche Landung
müsste es zusätzlich mit Raketen gestoppt werden.
Schaden am Raumschiff darf bei der Landung auf keinen
Fall entstehen, denn nur ein funktionstüchtiger Lander ist
der Garant dafür, wieder vom Mars wegzukommen.
Sollten der Eintritt in die Atmosphäre und die Landung
problemlos gelingen, finden sich die Astronauten in
einer lebensfeindlichen Welt wieder: schwankende
Temperaturen von minus 100 bis plus 20 Grad, kein
Sauerstoff, Bergketten von 4000 Kilometern Länge und
mächtige Vulkane – der höchste, Olympus Mons, ist laut
ESA 22 Kilometer hoch und damit etwa dreimal so hoch
wie der Mount Everest!
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Der Mars ist ein kalter, trockener
und staubiger Planet
Das Morgen von Gestern:
eine Zeitreise zurück in die Zukunft
Zweite Bleibe im All – wird der Mars besiedelt?
Was wollen Menschen auf dem Mars? Nach Spuren von
Leben suchen. Und das können, der Meinung sind viele
Wissenschaftler, nur Menschen und keine Roboter. Für
Raumfahrtvisionäre wie Jesco von Puttkamer gibt es
noch eine weitere Antwort darauf: „Menschen lassen
sich auf Dauer nicht das Dabeisein bei Forschungsentwicklungen nehmen, sie wollen zum Mars fliegen.
Nicht, weil sie besser sein wollen als Maschinen, sonOb der Mars jemals zu einer dern weil das ein menschlicher Trieb ist: Bewusstzweiten Erde wird, steht heute seinserweiterung durch Grenzüberschreitung. Und es
noch in den Sternen werden andere Menschen sein, die zum Mars fliegen
werden, die Menschen der Zukunft, die nicht mehr nach
Finanzierbarkeit und Gefahr fragen, weil sie unsere
Vorbereitungen ja alle mitbekommen haben.“ Und er geht noch einen Schritt
weiter: „Wenn es kein Leben auf dem Mars gibt, das wir zerstören würden,
können wir über die Jahrhunderte und Jahrtausende hinweg vermutlich aus
dem roten Planeten einen grünen machen. Dadurch hätte der Mensch eine
zweite Bleibe im All und könnte praktisch unsterblich werden.“
Vor rund 50 Jahren schien die Menschheit wie beflügelt: Die Russen schossen den ersten Satelliten ins
All, die Amerikaner ließen das erste Atom-U-Boot zu
Wasser und in den Geschäften gab es die ersten
Videorecorder zu kaufen. Nach dem Zweiten Weltkrieg
blickte man offensichtlich vor allem in eine Richtung:
in die Zukunft.
Große Konzerne präsentierten im Jahr 1955 auf einer
Tagung der amerikanischen Handelskammer ihre
technologischen Visionen für die kommenden 20
Jahre – festgehalten in der Zeitschrift „Hobby – das
Magazin der Technik“. Quarks & Co hat eines dieser
alten Magazine aufgestöbert und die Visionen von vor
50 Jahren mit der Realität von heute verglichen.
Einige Vorhersagen hat die Wirklichkeit sogar bereits
überholt, andere sind noch immer Träume. Schnallen
Sie sich also an und werfen Sie mit uns heute einen
Blick auf das Morgen von gestern.
Es steht in den Sternen…
Straßenverkehr
Über die Umformung des Mars zu einer zweiten Erde wird derzeit unter
Marsbegeisterten, aber auch unter Wissenschaftlern heftig spekuliert. Doch
selbst wenn sich eine NASA-Forschungsgruppe zurzeit zum Beispiel damit
beschäftigt, welche künstlichen Gase einen Treibhauseffekt auf dem Mars hervorrufen könnten, um ihn langfristig auf lebensfreundlichere Temperaturen zu
erwärmen, so scheinen die Visionen aus heutiger Sicht unrealistisch. Denn
selbst wenn man den Mars erwärmen könnte, müssten Menschen immer noch
mit Druckanzügen und Atemgerät herumlaufen: Die Luft auf dem Mars besteht
zu 95 Prozent aus Kohlendioxid. Außerdem ist die UV-Strahlung dort sehr hoch,
da die Mars-Atmosphäre sehr dünn ist und kaum Schutz gegen die Strahlung
aus dem Weltraum bietet, anders als die schützende Gashülle der Erde. Und
schon die Tatsache, dass der Mars kein globales Magnetfeld mehr hat, würde
bedeuten, dass eine mühsam aufgebaute Atmosphäre von den Sonnenwinden
wieder hinweggefegt werden könnte. Ob daher der Mensch den roten
Planeten jemals dauerhaft besiedeln wird, das wird nur die ferne Zukunft zeigen. Heute steht es jedenfalls noch in den Sternen.
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Die Prognose: Das Auto wird sich zum Massenverkehrsmittel entwickeln. Stimmt! Während 1955 nur
1,75 Millionen Autos auf Deutschlands Straßen unterwegs waren, sind es heute 46 Millionen. Doch die
Vision ging noch weiter: Charakteristisch für die
Straßenränder der Zukunft sollten graue Sendeanlagen
sein, die die Autos durch Signale auf der Ideallinie
halten und für richtigen Abstand und Geschwindigkeit
sorgen. Eine Plexiglas-Kuppel bietet dem Fahrer freie
Sicht nach allen Seiten, das Lenkrad ist nur für den
Notfall da. 1955 ist das Auto der Zukunft voll automatisch und absolut sicher!
Auch träumte man schon von der persönlichen Wohlfühltemperatur im Auto. Damit lagen die Visionäre gar
nicht schlecht: Während es Klimaanlagen Ende der
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1955 ist das Auto der Zukunft
vollautomatisch und absolut
sicher
Luftfahrt
50er Jahre nur als große Kästen an Häusern gab, bot
sie Mercedes Benz 1971 als erster europäischer Hersteller im Auto an.
Statt mit Otto- und Dieselmotoren sollten die Autos
der Zukunft von Turbinen- oder Atomantrieben auf
Touren gebracht werden. Tatsächlich experimentierte
die Firma Chrysler schon 1954 mit Turbinen-Prototypen, durchgesetzt haben sie sich aber nicht. Der
Grund: Zu hohe Herstellungskosten, zu großer Kraftstoffverbrauch.
Bleibt das Parkplatzproblem. Die revolutionäre Idee
von 1955: unterirdische Garagen. Richtig lagen die
Visionäre – dass auch die Tiefgaragen heute so oft
überfüllt sind, hat jedoch keiner vorhergesagt.
Raumfahrt
14 Jahre vor der Mondlandung setzte man große
Hoffnungen in die Raumfahrt. Die Utopie: Auf festen
Raumstationen jenseits der Stratosphäre leben Menschen in ringförmigen Stahlröhren. Von dort könnten
sie zu Reisen in das Sonnensystem starten.
Als Sprungbrett für Raumschiffe haben Stationen in
der Erdumlaufbahn zwar bislang noch nicht fungiert,
dennoch kommen die künstlichen Trabanten „Mir“ und
„ISS“ den Vorstellungen von 1955 schon recht nahe.
Und die ersten Weltraumtouristen sind tatsächlich
bereits im All gewesen – zum günstigen Reisepreis
von rund 20 Millionen Dollar.
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Die Flugzeuge der Zukunft werden von einem Atomreaktor angetrieben und fliegen mit 1.000 Kilometern
pro Stunde – so der Traum vor 50 Jahren. Das war
fast zu bescheiden: Schon am 2. März 1969 startete
die Concorde zu ihrem Jungfernflug. Sie war mit 2180
Kilometern pro Stunde schneller als der Schall. Doch
die Euphorie über das schnellste Passagierflugzeug
war rasch verflogen: Die Concorde machte einen
Höllenlärm und schluckte gewaltige Mengen Treibstoff. Nach einem Unfall im Jahr 2000 wurde der
unrentable Flieger zwei Jahre später aus dem Verkehr
gezogen.
Schienenverkehr
Eisenbahnromantik der Visionäre: Ferngesteuerte
Züge bringen die Passagiere der Zukunft automatisch
an ihr Ziel. Und in der Tat hat der Lokführer heute
zumindest auf manchen Linien des Nahverkehrs ausgedient: 1998 nahm die fahrerlose, vollautomatische
Pariser Metro Linie 14 „Meteor“ ihren Dienst auf. Die
Steuerung übernimmt ein Zentralcomputer und bringt
mit bis zu 70 Kilometern pro Stunde täglich tausende Fahrgäste an ihr Ziel. Auch die Münchener U-Bahn
wird mittlerweile von einem zentralen Leitcomputer gelenkt; der Fahrer gibt nur noch das Signal zur
Abfahrt.
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Der Blick in die Zukunft
Eine uralte Frage
Menschen wollten schon immer wissen, was die
Zukunft bringt – unzählige Überlieferungen berichten
von Orakeln, Propheten, Wahrsagern und Sterndeuterei. Eine der bekanntesten ist die vom griechischen Orakel in Delphi. Diese wohl berühmteste
Kultstätte der Antike war ein Heiligtum des Gottes
Apollon, in dem eine Priesterin, genannt Pythia, in die
Zukunft blickte. In den griechischen Sagen bezogen
Das Orakel von Delphi war die sich die delphischen Orakel hauptsächlich auf die
berühmteste Kultstätte der Antike. Schicksale großer Herrscher. Dem sagenhaft reichen
Hier konnte sich, wer wollte, seine Lydierkönig Krösus prophezeite das Orakel zum
Zukunft deuten lassen Beispiel, er werde ein großes Reich zerstören, wenn er
den Grenzfluss Halys überschreite und in die Schlacht
ziehe. Prompt griff Krösus die Perser an. Doch zerstörte er nicht deren
Imperium, sondern sein eigenes, denn er wurde vernichtend geschlagen –
die Pythia hatte Recht behalten. Ihre Trefferquote konnte seitdem nie wieder ein Zukunftsforscher erreichen – obwohl seit über 100 Jahren seriöse
Wissenschaftler versuchen, Vorhersagen über das Kommende zu treffen.
Die Wissenschaft von der Zukunft beginnt
Anfang des 20. Jahrhunderts gab es die ersten Versuche, auf der Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse in die Zukunft zu blicken. Ein Beispiel dafür ist
das Buch des Ingenieurs Anton Lübke von 1926, „Technik und Mensch im
Jahre 2000“. Lübke hatte Prognosen von Fachleuten gesammelt, die sich
mit neuen technischen Möglichkeiten auseinander setzten. Anders als bei
den delphischen Orakeln oder den fantastischen Spekulationen aus
Romanen hatten diese Visionen eine realistische Basis – die Ingenieure
machten sich konkrete Gedanken darum, wie zum Beispiel ein Kraftwerk
aussehen müsste, das Elektrizität aus der Luft ableiten könnte. Auch die
gerade erst entdeckte Atomkraft wird als Energiequelle eingeplant, denn
schon damals machte man sich Sorgen um die Energievorräte. Und man
ahnte die Entwicklung voraus, die das ganz junge Medium Film nehmen
würde: Auf riesigen Leinwänden könnten eines Tages Dinge zu sehen sein,
die zeitgleich an völlig anderer Stelle in der Welt gerade stattfinden – ein
Ausblick auf moderne Live-Übertragungen. Der Mensch der Zukunft, so
glauben die Wissenschaftler Anfang des 20. Jahrhunderts, verändert sich
radikal: Implantierte Affendrüsen könnten die Lebenszeit der Menschen auf
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weit über 100 Jahre verlängern. Vieles in diesen Visionen blieb mehr Fiction
als Science, doch die Beschäftigung mit der Zukunft wurde mit dem Aufstieg
der modernen Wissenschaft zu einem viel beachteten Forschungsgebiet.
Kalter Krieg und Technik-Euphorie
In den 1960er Jahren verstärkte sich der Trend zur
Wissenschaft von der Zukunft. Es waren die Jahre des
Wettrennens um die Landung auf dem Mond, um die
Nutzung der Atomkraft und die militärische Macht auf
der Welt; zahlreiche Institute zur Erforschung der technischen Möglichkeiten wurden gegründet. Eines davon,
das Hudson Institute in New York, veröffentlichte noch
in den 1960er Jahren eine Zusammenfassung seiner
Prognosen. Der kalte Krieg und die Technikeuphorie der Schon vor 40 Jahren sah man im
60er Jahre haben diese Voraussagen offensichtlich be- Computer die Zukunft
einflusst: Die Autoren gingen von einer „überraschungsfreien“ Entwicklung von Wissenschaft, Wirtschaft und Politik aus, indem sie
von den gegebenen Zuständen ausgingen und sie weiterdachten. So befürchteten sie, dass sich im Jahre 2000 die beiden großen Machtblöcke NATO und
Warschauer Pakt immer noch feindselig gegenüberstehen. Man berechnete,
wie stark das Zerstörungspotenzial und die Zahl der Waffen in den jeweiligen
Blöcken zunehmen würden und kam auf ein erschütterndes Szenario – zum
Glück ist die Geschichte anders verlaufen. In einfacheren Dingen trafen die
Hudson-Forscher eher den Punkt. Unter anderem sagten sie den durchtechnisierten Haushalt und das Informationszeitalter voraus: Eines Tages würde in
jedem Haushalt ein Computer stehen, und einen Computer zu bedienen sei
genauso selbstverständlich, wie ein Auto zu fahren.
Gesammeltes Wissen der Gegenwart
Einen etwas anderen Weg gingen die Wissenschaftler des RAND-Instituts.
1963 erschien dort die erste Studie nach dem so genannten „Delphi“Verfahren, selbstironisch benannt nach dem antiken Orakel. Danach wurden
in regelmäßigen Abständen Experten aus allen möglichen Wissensgebieten
über den Stand und die mögliche Entwicklung ihres Fachgebietes gefragt.
Das war in den 1960er Jahren bereits nötig, weil längst niemand mehr auch
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nur einen annähernden Überblick über die einzelnen Wissensgebiete der
Menschheit hatte. Die Methode wurde später auch in anderen Ländern, vor
allem in Japan, angewendet und kam 1993 auch nach Deutschland.
Die Grenzen des Wachstums: Der Club of Rome
Anfang der 1970er Jahre hatte der Boom der großen
Utopien ein Ende. Die Mondlandung war im Sande verlaufen und die ersten Ölkrisen erschütterten die Welt.
Die Grenzen des Wachstums machten sich bemerkbar.
In Italien versammelte sich ein Kreis von besorgten
Intellektuellen und Wissenschaftlern: der Club of Rome.
freundlichem Antrieb. Statt auswechselbarer Körperteile und Manipulationen an menschlichen Gehirn heißt es: „Ein Leben lang gesund und vital
durch Prävention“: Umfassende Gesundheitsvorsorge soll die Lebensqualität für alle sozialen Gruppen bis ins hohe Alter sichern. Andere dringende Aufgaben sehen die Beteiligten weniger in der Entwicklung des
Haushaltsroboters, sondern in der Wasserversorgung für alle und dem
Kampf gegen Krankheiten wie Malaria, Tuberkulose, AIDS oder anderen
neuen Viren.
Das Hudson Institute
Das Hudson Institute wurde 1961 in New York als Organisation für Politikforschung von dem
Kybernetiker Herman Kahn gegründet. Heute nennt es als seine Aufgaben „innovative
Forschung und Analyse von Themen wie globaler Sicherheit, Wohlstand und Freiheit“. Mit
Diese illustre Runde beauftragte weitere WissenschaftDie Grenzen des Wachstums müss- ler damit, das Wachstum der Zivilisation zu berechnen.
ten eigentlich schon erreicht sein Die simulierten das System Erde mit einem Computerprogramm, und das Ergebnis war erschreckend. „Die
Grenzen des Wachstums“ hieß die Studie, die plötzlich allen klar machte: In
kurzer Zeit sind die Vorräte erschöpft, ein weiteres unkontrolliertes Anwachsen
von Industrieproduktion und Weltbevölkerung führt direkt in die Katastrophe.
Die Euphorie war vorbei, die Zukunft schwarz. Energiekrise und Waldsterben
erschienen nur als Vorboten noch größerer Katastrophen.
interdisziplinären Strategien wollen die Wissenschaftler Strategien für die Zukunft entwerfen.
RAND-Institut
Die RAND („Research and Development“) Corporation wurde nach dem Ende des Zweiten
Weltkrieges in den USA gegründet, um zunächst militär-strategische Fragen zu analysieren.
Später wandelte es sich zu einer Non-Profit-Organisation, für die weltweit rund 1.600 Mitarbeiter
Lösungsvorschläge zu Sicherheitsfragen, aber auch zu anderen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Themen erstellen. Seinen Sitz hat das Institut in Santa Monica (Kalifornien).
Club of Rome
1968 gründete sich in Rom ein Verein, der einen Querschnitt der Eliten aller Kulturkreise dar-
Die neue Bescheidenheit: das Projekt „Futur“
stellen sollte. Er bestand aus rund 100 Wissenschaftlern, Industriellen und bedeutenden
Vertretern des öffentlichen Lebens. 1972 veröffentlichte er die Studie „Die Grenzen des
Wieder kam es nicht ganz so schlimm – noch nicht jedenfalls. Im Jahr 2006
sind die Vorhersagen bescheidener geworden. „Futur“ heißt ein aktuelles
Projekt des Bundesforschungsministeriums. Bis zu zweitausend Experten
und Laien treffen sich in kleinen Zirkeln und diskutieren ihre eigenen
Visionen und immer wieder die ihrer Kollegen. So entsteht aus der gegenseitigen Abstimmung ein Bild davon, wie die Zukunft sein könnte und wie
man sie sich wünscht. Aus diesen „Leitvisionen“ sollen am Ende konkrete
Forschungsprojekte werden, die das Ministerium fördert. Dabei geht der
Trend eindeutig weg von gigantischen Großprojekten. Vielmehr will man
„Schäden verhindern, und Belastungen vermeiden.“ Statt Überschallgeschwindigkeit und phantastischer Reisemöglichkeiten soll es die „Energiewende im Verkehr“ geben: Ähnliche Autos wie bisher, aber mit umwelt-
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Wachtums“, die eine düstere Zukunft prognostizierte: Da die Rohstoffe zur Neige gehen, wird die
industrielle Produktion schrumpfen und knappes Wasser und Land in weniger als 100 Jahren
unweigerlich zu Hungersnöten führen. Heute versteht sich der Club of Rome als globaler „Think
Tank“, der als Non-Profit Organisation Wissenschaftler, Wirtschaftsführer, Geschäftsleute, aktuelle und frühere Staatsoberhäupter aus aller Welt zusammenbringt, um Zukunftsfragen zu diskutieren.
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