Zwischen Science und Fiction
Transcrição
Zwischen Science und Fiction
Zwischen Science und Fiction Weitere Scripte finden Sie unter www.quarks.de Script zur WDR-Sendereihe Quarks & Co Zwischen Science und Fiction Inhalt S. S. S. S. S. S. 4 7 11 14 17 21 S. 24 Stellen Sie sich einen Flohmarkt in 50 Jahren vor: Beim Stöbern finden Sie dieses Quarks & Co-Script mit seinen Vorhersagen über die Zukunft. Welche davon werden Wirklichkeit sein und welche sind Utopie geblieben? Auch Quarks & Co hat sich zwischen Vergangenheit und Zukunft umgesehen. Auf einem Flohmarkt haben wir ein Magazin aus dem Jahr 1955 entdeckt, in dem Ingenieure ihre Visionen beschreiben. Einige davon sind längst Alltag geworden, andere kommen uns heute naiv vor. Die Vision von Atlantropa Zeitreisen „Beamen“ in der Quantenphysik? Die Zukunft vor Augen: Science-Fiction im Kino Auf zum Mars! Das Morgen von Gestern: eine Zeitreise zurück in die Zukunft Der Blick in die Zukunft Impressum Text: Redaktion und Koordination: Copyright: Gestaltung: Der Wunsch in die Zukunft zu schauen, hat Schriftsteller und Forscher schon immer inspiriert. Ein Beispiel dafür ist das Buch „Die Zeitmaschine“ von H.G. Wells aus dem Jahr 1895. Wie weit Wissenschaftler heute mit ihren Versuchen sind, die Zeit zu besiegen, erfahren Sie in diesem Script. Auch dem Beamen, bekannt aus Star Trek, sind Forscher ein Stück näher gekommen – wenngleich sie statt Menschen nur einzelne Photonen teleportieren können. Jakob Kneser, Thomas Kresser, Christoph Marty, Anke Rau, Martin Rosenberg, Christoph Schmidt Monika Grebe WDR, April 2006 Designbureau Kremer & Mahler, Köln Einleitungstext und „Das Morgen von Gestern: eine Zeitreise zurück in die Zukunft“ entstanden in Kooperation mit dem Lehrstuhl für Wissenschaftsjournalismus Dortmund Die ersten Weltraumtouristen von heute müssen sich allerdings noch mit konventionellen Raketen und der Enge von Raumstationen begnügen. Denn Luxushotels auf fremden Planeten sind immer noch ein Traum der Zukunft. Bildnachweise Schon jetzt ein Gruß aus der Gegenwart – auch an jene, denen dieses Script in 50 Jahren in die Hände fällt. Vielleicht sogar auf einem Flohmarkt auf dem Mars. Viel Spaß beim Stöbern wünscht Ihnen Ihr Quarks-Team! Weitergehende Informationen zu diesem Thema, sowie Link- und Lesetipps, finden Sie auf unserer Homepage unter: www.quarks.de 4 alle Abbildungen WDR außer: S. S. S. S. S. 17 18 24 25 27 Mondlandung; Rechte: dpa Mars; Rechte: dpa Delphi; Rechte: dpa Computer; Rechte: dpa Die Grenzen des Wachstums; Rechte: dpa 5 Die Vision von Atlantropa Um 200 Meter sollte das Mittelmeer abgesenkt werden Neues Land aus dem Mittelmeer Auch die Energieprobleme wären gelöst Es war eine Vision des Friedens in einer unruhigen Zeit: neuer Lebensraum, futuristische Städte, Energie im Überfluss und dauerhafter Frieden für einen ganzen Kontinent. Die Utopie von „Atlantropa“ entstand in den 1920er Jahren und sah vor, dass das Mittelmeer teilweise trocken gelegt werden sollte. Ein gigantischer Staudamm sollte die Meerenge von Gibraltar verschließen und so den Wasserzufluss aus dem Atlantik regulieren. Alle anderen Mittelmeerzuflüsse sollten ebenfalls abgeriegelt werden. Ohne den Wasserzufluss würde das Mittelmeer durch Verdunstung langsam austrocknen. Am Ende wäre es um rund 200 Meter abgesenkt. Insgesamt entstünden rund 500.000 Quadratkilometer Neuland, eine Fläche, die so groß ist wie Frankreich und Belgien zusammen. Gemeinsam mit dem Schweizer Ingenieur Bruno Siegwart beginnt Sörgel Ende der 20er Jahre die konkrete Planung des Staudamms in der Meerenge von Gibraltar: Er soll nicht an der schmalsten Stelle entstehen, sondern etwa 30 Kilometer westlich, wo das Meer weniger tief ist. Rund 2,5 Kilometer breit soll das Fundament sein, der Wall von dort aus etwa 300 Meter in die Höhe ragen. Die beiden Techniker veranschlagen eine Zeit von etwa 10 Jahren für ihren Riesenbau, etwa eine Million Arbeiter planen sie ein. Energieprobleme würde der Damm gleich mit lösen: riesige Wasserkraftwerke sollten die angrenzenden Länder mit Strom versorgen. Ein Staudamm sollte aus Wasserkraft 50.000 Megawatt Strom produzieren Keine Chance bei den Nazis Europa und Afrika sollten verschmelzen Der Münchner Architekt Herman Sörgel hat sich „Atlantropa“ ausgedacht Was fantastisch klingt, war der ernsthafte Plan des Münchner Architekten Herman Sörgel, der sich „Atlantropa“ Mitte der 1920er Jahre ausdachte. Als Sohn eines Wasserbaubeamten war er schon als Jugendlicher von Staudämmen fasziniert. So entsteht sein Plan, das Mittelmeer teilweise trockenzulegen, um neuen Lebensraum und damit Wohlstand zu schaffen – ein gigantisches, technokratisches Friedensprojekt, denn die gemeinsame Arbeit an den gewaltigen Staudämmen soll die Anrainerstaaten des Mittelmeers zusammenschweißen und so für Frieden sorgen. Das ausgetrocknete Meer würde Europa und Afrika zum neuen Kontinent „Atlantropa“ vereinen. Nur dieser könnte auf Dauer gegen Amerika und Asien bestehen, davon ist Sörgel überzeugt. Seine Idee fällt in Deutschland nach dem Ende des ersten Weltkriegs auf fruchtbaren Boden, denn Armut und Arbeitslosigkeit machen die Menschen empfänglich für hoffnungsvolle Zukunftsvisionen. 6 Doch mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten im Jahr 1933 erfährt das Atlantropa-Projekt einen ersten Dämpfer. Denn die Nazis sind von Sörgels international angelegtem Friedensprojekt wenig begeistert. Sörgel passt seine Pläne daraufhin den neuen politischen Gegebenheiten an: Er rückt die Achse Berlin-Rom ins Zentrum und versucht so, sein Atlantropa zu einem faschistischen Friedensprojekt umzuwandeln. Aber die Nazis stehen seinem Vorhaben weiterhin ablehnend gegenüber. Als Sörgel schließlich öffentlich die Rüstungsanstrengungen kritisiert und vor der Kriegsgefahr warnt, durchsucht die Gestapo seine Wohnung. Aus Rücksicht auf seine Frau Irene, eine Halbjüdin, zieht sich der Architekt weitgehend aus dem öffentlichen Leben zurück. Doch insgeheim arbeitet er auch noch während des Krieges weiter an seinem Lebenstraum. 7 Die Machtergreifung der Nationalsozialisten ist ein Rückschlag für „Atlantropa“ Zeitreisen Mit dem Ende des zweiten Wasser für Afrika Ein uralter Menschheitstraum Mit dem Ende des zweiten Weltkriegs sieht Sörgel eine neue Chance und bietet den Alliierten das Projekt in erweiterter Form an: Zusätzlich zur Trockenlegung des Mittelmeers will er in Afrika künstliche Stauseen schaffen. Sie sollen die Besiedelung Afrikas durch die Alliierten erleichtern und ihnen so neue Rohstoffquellen erschließen. Die Alliierten sind anfangs interessiert, lehnen Atlantropa schließlich aber doch ab. Könnten wir uns in der Zeit genauso frei bewegen wie im Raum, dann bräuchten wir weder Zukunftsforschung noch Geschichtsbücher. Kein Wunder, dass der Traum von Reisen durch die Zeit zu den Lieblingsträumen der Science-Fiction-Literatur zählt. Unter Wissenschaftlern dagegen galt es lange als unseriös, sich überhaupt mit dem Thema zu befassen. Doch das hat sich in den letzten zwanzig Jahren geändert: Auch unter anerkannten Physikern ist es nicht mehr verpönt, über Zeitreisen nachzudenken. Meist bleibt es bei theoretischer Gedankenspielerei – aber nicht immer: Der amerikanische Physiker Ronald Mallett will den Schlüssel zu einer Zeitmaschine gefunden haben, die Reisen in die Vergangenheit ermöglicht – basierend auf der Allgemeinen Relativitätstheorie Albert Einsteins. Weltkriegs bietet sich eine neue Chance Atomenergie schlägt Atlantropa Im Schweizer Schriftsteller John Knittel findet Sörgel schließlich einen begeisterten Befürworter seines Projekts. Knittel unterstützt den Münchner Architekten auch finanziell: Mit seiner Hilfe wird ein Werbefilm finanziert. Atlantropa hält sich so zwar in den Schlagzeilen, aber Erfolge bleiben auch dieses Mal aus. Die Entdeckung der Atomkraft für friedliche Zwecke Anfang der 1950er Jahre ist das endgültige Aus für Atlantropa – es erscheint im Vergleich dazu weder wirtschaftlich noch zeitgemäß. Bis ans Ende seines Lebens kämpft Sörgel für seine Vision, doch er ist ein Einzelgänger, der keinen Nachfolger findet. Am 25. Dezember 1952 stirbt er an den Folgen eines bis heute ungeklärten Autounfalls. 8 Die Zeitmaschine auf Ronald Malletts Schreibtisch ist ein nur ein Spielzeug.... Einsteins Universum macht es möglich In Einsteins Relativitätstheorie gibt es nicht mehr die eine Zeit, die für alle gleichermaßen gilt. Zeit kann vielmehr für unterschiedliche Beobachter unterschiedlich schnell vergehen – abhängig davon, wie sie sich bewegen und wo sie sich aufhalten. Wer mit sehr hoher Geschwindigkeit eine Rundreise durch die Tiefen des Alls unternimmt oder seinen Urlaub in der Nähe eines Schwarzen Loches verbringt, für den vergeht die Zeit langsamer als für die Daheimgebliebenen. Er reist damit relativ zu uns in die Zukunft. Die Effekte dieser so genannten Zeitdilatation sind längst experimentell nachgewiesen. Reisen in die Zukunft sind damit also bereits Realität - wenn es auch bei weitem jenseits der technischen Möglichkeiten liegt, auf diese Weise einen Menschen auch nur einige Minuten in die Zukunft zu schicken. 9 ...doch der Physik Professor arbeitet ernsthaft daran, Zeitreisen möglich zu machen Ronald Malletts Theorie der Zeitkrümmung durch Licht Per Laser in die Vergangenheit Theorie und Praxis: Lichtjahre voneinander entfernt? Ob es diese extremen Raum-Zeit-Verwerfungen überhaupt gibt, weiß man nicht, ausschließen lässt es sich beim gegenwärtigen Wissensstand jedoch nicht. Und es gibt Physiker, die darüber nachdenken, ob und wie sie sich künstlich erzeugen lassen. Zum Beispiel in Form von so genannten Wurmlöchern, Science-Fiction-Fans kennen diese tunnelförmigen „Abkürzungen durch die Raumzeit“ aus Filmen und Romanen. In Wirklichkeit könnten solche Schleichwege durch die Zeit nur durch Materie mit negativer Energie existieren. Das ist Materie, die ein umgekehrtes Gravitationsfeld erzeugt: Statt Gegenstände durch Schwerkraft anzuziehen, stößt diese so genannte exotische Materie Masse ab. Ob es solche exotische Materie wirklich geben kann – etwa, wenn man die Gesetze der Quantenwelt zu Hilfe nimmt – ist beim jetzigen Wissensstand allerdings noch eher zweifelhaft. Bislang besteht Malletts Zeitmaschine nur auf dem Papier. Denn auch wenn nach der Allgemeinen Relativitätstheorie jegliche Energie zwangsläufig eine Quelle von Gravitation sein muss: Experimentell nachgewiesen ist ein Gravitationsfeld von Licht noch nicht; ganz zu schweigen von einem Feld, das stark genug wäre, die Raumzeit so zu krümmen, dass damit Zeitreisen möglich werden. Um seine Theorie zu erhärten experimentiert Mallett zurzeit mit dem schwachen Gravitationsfeld eines Ring-Lasers: Nach seinen Berechnungen soll die durch den zirkulierenden Laser produzierte Schwerkraft ein Teilchen in der Mitte des Ring-Lasers so beeinflussen, dass es in seiner Drehung verändert wird. Man hätte damit gleichsam den Raum, in dem sich das Teilchen befindet, verzerrt. Gelänge dies, wäre es der erste experimentelle Beleg, dass zirkulierendes Licht tatsächlich ein nachweisbares Gravitationsfeld hervorbringen kann – und es wäre der erste Hinweis darauf, dass auch an der weiterführenden Zeitreisen-Theorie etwas dran sein könnte. Noch hat Ronald Mallett diesen Beleg aber nicht erbracht. Möglicherweise gibt es aber einen anderen Weg in die Zeitschleifen - Ronald Mallett, Professor für theoretische Physik an der Universität von Connecticut (USA) will ihn gehen. Sein Ansatz beruht ebenfalls auf der Allgemeinen Relativitätstheorie: Danach können sowohl Materie als auch Energie ein Gravitationsfeld hervorbringen. Also muss auch elektromagnetische Strahlung Schwerkraft erzeugen können. Und das bedeutet, dass auch die Energie eines Lichtstrahls die Raumzeit beeinflussen kann. Doch Mallett geht noch einen Schritt weiter: Nach seinen Berechnungen soll Licht dazu in der Lage sein, die Raumzeit so stark zu verzerren, dass dabei Zeitschleifen entstehen. Nach seiner Theorie soll ein Zylinder aus kreisendem Licht die Raumzeit extrem stark krümmen. Folgt ihr ein Zeitreisender in Umlaufrichtung, bewegt er sich in Richtung Vergangenheit. 10 Kritik von Kollegen Trotzdem hat die „Zeitmaschine“ des Professors schon viel Aufmerksamkeit erregt, sowohl in den Medien als auch bei seinen Fachkollegen. Dass es so einfach nicht sein wird mit der Zeitreise, haben Physiker der Tufts-University in den USA nachgewiesen. Ihren Berechnungen zufolge bräuchte man ungeheure Energiemengen, um eine Zeitmaschine von auch nur halbwegs realistischen Dimensionen zu bauen. 11 Wenn man Kaffee mit dem Löffel umrührt, entstehen Kreisel – an diesem Beispiel erklärt Ronald Mallett seine Zeitreisen-Versuche „Beamen“ in der Quantenphysik? „Ja, wir können beamen!“ Angesichts heute verfügbarer Licht-Energie wäre die Flugbahn einer Raumzeitreise mit Malletts Zeitmaschine nämlich unendlich viel größer als die Ausmaße des sichtbaren Universums! Und das selbst dann, wenn man auch nur ein winziges Stück in die Vergangenheit reisen wollte. Technische Probleme, die sich irgendwann lösen lassen, wendet Ronald Mallett ein. Doch nach Berechnungen der Kritiker hat seine Theorie einen anderen, viel entscheidenderen Haken: Sie geht von einer Raumzeit aus, die nicht der irdischen Raumzeit entspricht. Nach diesen Berechnungen kann Ronald Malletts Maschine rein physikalisch nicht funktionieren, denn danach sind es gar nicht die Lichtstrahlen, die zu Zeitschleifen führen. Stattdessen handelt es sich um eine andere Gravitationsquelle, die Mallett irrtümlich in seine Gleichung eingebaut hat. Ob man mit kreiselndem Licht tatsächlich die Zeit besiegen kann oder nicht – das muss die Zukunft entscheiden. So stand es im Jahr 2004 in einer großen deutschen Zeitung. Ein Team um den Quantenphysiker Anton Zeilinger aus Wien sollte es geschafft haben, zu beamen – also Gegenstände von einem Ort wegzubewegen und gleichzeitig wie durch Zauberhand an einem anderen entstehen zu lassen. Ganz so, wie in der Fernsehserie „Raumschiff Enterprise“ Menschen aus dem Raumschiff auf fremde Planeten transportiert werden. Doch dass das so nicht wirklich stimmen konnte, wussten Fachleute und interessierte Laien sofort. Schon den Schöpfern der Weltraumserie „Raumschiff Enterprise“ war klar, dass das Beamen, so wie sie es sich vorstellten, an den Naturgesetzen scheitern würde – allein schon an Heisenbergs Unschärferelation. Die besagt nämlich, dass man Impuls unten und Ort eines Teilchens nicht gleichzeitig bestimmen kann. Das müsste man aber, wenn man beamen wollte: Von jedem Elektron, jedem Proton und jedem Neutron in einem Körper müssten die Informationen über den genauen Zustand ausgelesen werden, damit man am Zielort aus diesen Informationen den Körper wieder zusammenbauen kann. Die Drehbuchautoren lösten das Problem in ihrer Fernsehserie dadurch, dass ein mysteriöser „HeisenbergKompensator“ eingeführt wurde, dessen Funktionsweise ja nie genauer erläutert werden musste. Wie auch immer – ein echter Physikprofessor kann eine solche Maschine nicht besitzen. Ein Ding der Unmöglichkeit also, dass Zeilinger und seine Kollegen gebeamt haben sollen, auch, wenn es nur um einzelne Teilchen ging, die von der einen Donauseite auf die andere gelangt sein sollten. Tatsächlich haben die Journalisten das Beamen nur als Bild benutzt, um zu erklären, worum es bei Zeilingers Experimenten geht. Seine Quantenversuche haben nämlich nicht das Ziel, Menschen irgendwohin zu beamen, denn eigentlich hat der nobelpreisverdächtige Physiker eher die Informationstechnik im Visier. Aber theoretisch sind seine Versuche tatsächlich eine Grundlage für das Beamen à la Enterprise. 12 13 Ein paar Laser, Spiegel und Kristalle – ist das die sagenhafte Maschine, mit der man beamen kann? Der Impuls ist eine physikalische Größe, die sich aus dem Produkt von Masse und Geschwindigkeit eines Teilchens oder Gegenstandes ergibt. Eine solche Größe zu bilden ist sinnvoll, wenn man zum Beispiel Stoßprozesse berechnen möchte. Beamen am Beispiel von Würfeln demonstriert Verrückt: verschränkte Teilchen Teleportieren statt Beamen Bei Zeilingers Experimenten geht es um ein Phänomen, mit dem selbst Einstein seine Schwierigkeiten hatte. Er konnte das seltsame Verhalten der Teilchen, das sich aus den Gesetzen der Quantenmechanik ergibt, nie wirklich akzeptieren und nannte es „spukhafte Fernwirkung“. Selbst Physiker empfehlen, gar nicht den Versuch zu machen, die Quantenmechanik verstehen zu wollen – die Spuk-Phänomene sind Folge mathematischer Berechnungen, und die sollte man einfach hinnehmen. Eines davon ist die so genannte Verschränkung von Teilchen: Zwei Gegenstände in der Quantenwelt koppeln sich so aneinander, dass beide eine bestimmte Eigenschaft immer übereinstimmend aufweisen – selbst wenn sie Lichtjahre voneinander entfernt sind. Man könnte sich das in einem Bild so vorstellen: Wenn man annimmt, dass zwei Würfel verschränkte Quantenzustände darstellen und man mit zwei Bechern würfelt, dann würden beide Würfel immer dieselbe Augenzahl aufweisen, wenn man sie aufdeckt. Welche Augenzahl das ist, ist jedes Mal zufällig – trotzdem weiß man beim Anblick des einen Würfels sofort, welche Zahl der andere zeigt. Wenn man sich mit dieser Vorstellung angefreundet hat, wundert es kaum noch, dass die Physiker das Spielchen noch weiter treiben. Sie bringen ein zusätzliches Teilchen ins Spiel, das seinerseits mit einem der beiden Zwillingspartner verbandelt wird. Dieses neue Teilchen überträgt seine Eigenschaften auf das Partnerpaar – und der Expartner nimmt die Eigenschaften des neuen, dritten Teilchens an. Sogar, wenn es weit von den beiden anderen Teilchen entfernt war, sozusagen auf der anderen Donauseite. Spontane Lageveränderung Einmal über die Donau – in Milliarden von Jahren Natürlich fallen Würfel niemals auf diese Weise, das wäre wirklich verrückt. Aber Lichtteilchen – Photonen – verhalten sich tatsächlich so: Man schickt einen Lichtstrahl durch einen speziellen Kristall, der ihn in zwei Teilstrahlen aufteilt. Bestimmte Photonenpaare in diesen Teilstrahlen können jetzt die seltsame Verschränkung aufweisen – egal, wo die beiden sich jeweils befinden. Besonders erstaunlich erscheint dieses Verhalten, wenn Quantenphysiker erklären, dass die Photonen sich erst in dem Moment, in dem sie gemessen werden, für eine völlig zufällige Lage entscheiden. Und nimmt das eine sie dann spontan ein, wird sich das zweite Teilchen ganz entsprechend verhalten. Würde man versuchen, mit dieser Methode einen ganzen Menschen auf die andere Seite des Flusses zu beamen, wäre aber noch etwas nötig – nämlich eine Menge von Teilchen, die schon dort sind. Und denen dann mitgeteilt wird, wie sie sich anordnen müssen, außerdem noch eine gewaltige Menge von weiteren Informationen über jedes einzelne Atom. Das wirft ein zusätzliches Problem auf: Nach den Berechnungen von Professor Zeilinger würde dieser Prozess selbst mit den größtmöglichen Übertragungsgeschwindigkeiten mehrere Milliarden Jahre dauern. 14 Wegen des neuen, dritten Teilchens verlieren also die beiden älteren ihre Eigenschaften – und das ist der Punkt, warum in Bezug auf Zeilinger die Rede vom Beamen war: Das neue, dritte Teilchen hat vorher nur auf der einen Donauseite existiert, und nachher existiert ein identisches Teilchen auf der anderen Donauseite, und zwar nur dort. Also könnte man sagen, dass das ursprüngliche Teilchen körperlos auf die andere Seite des Flusses transportiert wurde: „gebeamt“ würde Captain Kirk sagen, „teleportiert“ sagt Anton Zeilinger. 15 Anton Zeilinger und seine Mitarbeiter Die Zukunft vor Augen: Science-Fiction im Kino Die Faszination für neue Verkehrsmittel wie Motorflugzeuge und Automobile spiegeln auch die frühen Science-Fiction-Filmen des frühen 20. Jahrhunderts dieser Im Rausch der Technik Paranoia im Atomzeitalter Gleich mit dem Beginn der Filmgeschichte trat schon der Science-Fiction-Film auf – das neue Medium selbst war so ungewöhnlich, dass sich das Thema Zukunft geradezu aufdrängte. Überhaupt stand die Zeit um 1900 im Zeichen des rasanten technischen Aufbruchs, dem Fortschritt schienen keine Grenzen gesetzt. Die ersten kurzen Science-Fiction-Filme spiegeln den optimistischen Glauben an eine strahlende Zukunft mit ungeahnten technischen Möglichkeiten wider: die Faszination der Geschwindigkeit („The Motorist“, 1905), den Zauber neuer Fortbewegungsmittel, die Überwindung riesiger Entfernungen („Die Reise zum Mond“, 1902). Dabei ist das frühe Science-Fiction-Kino noch eher verspielt und malt die Zukunft überwiegend heiter aus. Kritische oder unheimliche Töne sind selten. Der Zweite Weltkrieg macht die Gefahren der unkontrollierten Technologie für alle sichtbar – in den Jahren danach führt der Kalte Krieg mit seiner Rüstungsspirale, aufgeheizt von Propaganda, zu einem Klima der Bedrohung. Die Furcht vor der atomaren Katastrophe und vor den Kommunisten schlägt sich im amerikanischen Science-Fiction-Film der 50er Jahre nieder: die missbrauchte Erde rächt sich mit Monstern („Formicula“, 1954); Leitthema wird die Invasion von Außerirdischen („Kampf der Welten“, 1953) oder die schleichende Unterwanderung from outer space („Die Dämonischen“, 1956). Den Zerstörungs-Fantasien wird die Hoffnung gegenüber gestellt, dass Militär und Wissenschaft die Gefahr besiegen („Tarantula“, 1955). Unverhohlene anti-russische Propaganda ist in den populären Weltraum-Abenteuern aus Hollywood am Werk, in denen andere Planeten zum Schutz der Menschheit vor außerirdischen Aggressoren okkupiert werden (“Endstation Mond“, 1949/50). Zeit wider Visionen vom Leben in der Stadt Die Natur schlägt zurück: Durch Atomversuche mutierte Monster bevölkern den amerikanischen Science-Fiction-Film der 1950er Jahre Dann kam der erste Weltkrieg – er erschütterte das Vertrauen in die soziale Ordnung und die positive Kraft der Technik. Überall in Europa vertieften sich die Gräben innerhalb der Gesellschaft. Auch im Film weicht der Optimismus der Vorkriegsära einem düsteren Grundton: In den Science-Fiction-Filmen spitzen sich die gesellschaftlichen Konflikte zu und Lösungsmodelle tauchen auf, die teilweise schon Grundzüge des Faschismus vorwegnehmen („Metropolis“, 1927). Die Großstadt ist Brutstätte und Austragungsort der sozialen Kämpfe, aber auch Ort der Erneuerung; so im englischen Film „Was kommen wird“ (1936), nach einem Roman H.G. Wells: Hier werden die katastrophalen Folgen eines bereits drohenden neuen Krieges vor Augen geführt. Zugleich taucht aber auch die Möglichkeit auf, gesellschaftliche Probleme durch Technik und Wissenschaft zu überwinden. 16 Die Natur schlägt zurück: durch Atomversuche mutierte Insekten bevölkern den amerikanischen Science-Fiction-Film der 50er Jahre („Formicula“, USA 1954) Aufbruch in innere Welten Ende der 1950er und Anfang der 1960er Jahre ist ein Teil der Visionen Wirklichkeit geworden: der Weltraum wird erobert, schon kreist der erste Satellit, der russische Sputnik, im Orbit. Die Filmproduktions-Gesellschaften legen neue Science-Fiction-Projekte auf Eis, weil sie von der Entwicklung der Realität überholt werden. Als der erste Mensch auf dem Mond landet, verlieren aufwändige Weltraum-Abenteuer an Reiz. Stattdessen inszeniert man das Vordringen in innere Welten, in bislang unerforschte Bereiche des Körpers („Fantastische Reise“, 1966) oder der Psyche („Solaris“, 1972). In den 1970er Jahren tritt der Raubbau an der Umwelt stärker ins Bewusstsein: Science-Fiction-Filme 17 Als Weltraum-Abenteuer zur Routine werden, sucht sich der Science-Fiction-Film neue Sujets, etwa Reisen ins Innere des Körpers Auf zum Mars! Als der Mond noch fern war nehmen mögliche Folgen der Zerstörung vorweg („Lautlos im Weltall“, 1971 „Soylent Green“, 1973). Außerirdische Wesen treten nun als Retter der Menschheit auf („Unheimliche Begegnung der dritten Art“. 1977). Nach dem Menschen kommt die Maschine Die Computer-Technik scheint der Manipulation des Bewusstseins Tür und Tor zu öffnen. Filme wie „Matrix“ entwerfen die Vision einer Welt, in der virtuelle Realitäten die Wirklichkeit ersetzt haben Der Siegeszug des Computers seit den 1980er Jahren bringt das alte Mensch-Maschine-Problem, ein Grundmotiv des Science-Fiction-Films, wieder neu auf die Tagesordnung. Immer komplexere Technologien entlasten den Menschen, wecken aber auch neue Ängste vor der Übermacht der Maschinen („Terminator“, 1984). Die Grenzen zwischen dem Mensch und seinen Schöpfungen scheinen zu verschwimmen („Der Bladerunner“, 1982), virtuelle Welten ersetzen die Wirklichkeit („The Matrix“, 1999). Aber nicht nur das Bewusstsein lässt sich möglicherweise unbegrenzt manipulieren, sondern auch der menschliche Körper: Der Aufstieg der Biotechnologie führt in den 90er Jahren zu Horror-Visionen einer genetisch optimierten Menschheit („Gattaca“, 1997). Science-Fiction als Abbild der Zeit Auch wenn er gelegentlich visionäre Kraft zu haben scheint – rückblickend betrachtet sagt der ScienceFiction-Film weniger etwas über die Zukunft aus als vielmehr über die Zeit, in der er entstanden ist. Mehr als andere Genres ist der Science-Fiction-Film Projektionsfläche für Ängste, Wünsche und Hoffnungen der Gesellschaft. Allerdings sollte man Science-FictionFilme auch nicht mit Bedeutung überfrachten: Sie sind auch einfach fantasievolle Unterhaltung – und nebenbei auch immer schon Spielwiese für das technisch Machbare und Mögliche. 18 1961 steckte Präsident John F. Kennedy seiner Nation ein ehrgeiziges Ziel: Innerhalb eines Jahrzehnts sollten Amerikaner als erste auf dem Mond landen. Die NASA musste sich gewaltig anstrengen, um diese Vorgabe zu erfüllen. Denn zunächst saß man ohne großes technisches Know-How da. „Wir hatten kein Erbe, nur einen Blankoscheck und das leere Reißbrett“, erinnert sich Jesco von Puttkamer, Raumfahrtexperte der ersten Stunde und noch heute im Planungskonsortium der NASA in Washington tätig. Immerhin – das Ziel wurde erreicht, Neil Armstrong stand am 20. Juli 1969 als erster Mensch auf dem Mond – und Eugene A. Cernan war nach sechs Apollomissionen am 14.12.1972 der letzte Astronaut, der den Mond betrat. Dann wurde das Programm eingestellt. Doch die Ideen, zurückzukehren oder Astronauten sogar in entfernte Winkel unseres Sonnensystems zu bringen, verschwanden unter den Raumfahrtwissenschaftlern nie. Nach dem Mond sollte der Mars drankommen – 1969 glaubten die Amerikaner, dass sie das schon in 20 Jahren schaffen würden Eine Vision wird aufgefrischt Schon in den 1950er Jahren gab es die ersten Überlegungen zu einer bemannten Raumfahrtmission zum Mars. Beflügelt von den Erfolgen der Mondlandung, war sich die Planungscrew der NASA sicher, dass man schon bald den ersten Schritt auf den roten Planeten wagen würde – und vergriff sich tüchtig im Zeitplan: wenn es nach den damaligen Plänen der amerikanischen Raumfahrtexperten gegangen wäre, hätten Astronauten schon Anfang der 80er Jahren auf dem Mars landen sollen. „Wir waren damals relativ naiv und glaubten, dass alles in einem einzigen integrierten Programm – Raumstation, Mond und Marsprogramm möglich und machbar ist. Wir mussten dann aber einsehen, dass – auch was die Finanzpolitik betraf – alles auf einmal nicht möglich war“, so Jesco von Puttkamer. 19 Menschen auf dem Mars sind jetzt bei der ESA für das Jahr 2030 vorgesehen Eine bemannte NASA-Marsmission ist zwischen 2015 und 2020 vorgesehen. Die ESA peilt das Jahr 2030 an Doch seit Anbruch des neuen Jahrtausends sind die Pläne, Astronauten zum Mars zu schicken, in greifbare Nähe gerückt. Georg W. Bush hat im Jahr 2004 die NASA damit beauftragt, die Vision von der Eroberung des Weltalls weiter zu verfolgen. Die Amerikaner wollen zunächst wieder auf dem Mond landen, das Jahr 2014 ist dafür angepeilt. Diese Erfahrungen sollen helfen, dann eine bemannte NASA-Marsmission für die Zeit zwischen 2015 und 2020 auf die Beine zu stellen. Auch die Europäische Raumfahrtagentur ESA hat ihre Forschungen bereits in Richtung Mars ausgedehnt. Sie will sich allerdings etwas mehr Zeit lassen, ein Aufsetzen eines bemannten ESA-Mars-Landers ist für die Zeit nach 2030 vorgesehen. Strapazen einer Reise NASA-Wohnmodule für die erste Mars-Mission Doch ein Spaziergang wird eine solche Reise, so viel ist abzusehen, nicht: Allein zum Mond sind Astronauten etwa drei Tage unterwegs. Bei einer Marsmission müsste die Crew mit einer einfachen Reisezeit von sechs bis neun Monaten rechnen. Dazu käme die Zeit, die sie auf dem Mars in Druckanzügen mit Atemgerät und in Wohnmodulen verbringen würden. Mars und Erde sind sich nur etwa alle zwei Jahre so nah, dass dies günstig für eine Reise wäre. Und nah ist durchaus relativ: 55 Millionen Kilometer im günstigsten Fall gegenüber 400 Millionen Kilometer im ungünstigsten Fall! Selbst die kürzeste Mission mit einem Aufenthalt von etwa zwei Wochen auf dem Mars würde für die Astronauten daher insgesamt etwa 500 Tage bedeuten. Das ist eine lange Zeit, deren Auswirkungen auf den menschlichen Körper bisher noch kaum abzuschätzen ist. In Studien versuchen Raumfahrtmediziner jetzt schon herauszufinden, wie die 20 Folgen solcher Strapazen für die Astronauten abzumildern wären. Dafür lagen Freiwillige 60 Tage lang im Bett: Sie simulierten Astronauten in der Schwerelosigkeit. Denn im All werden Muskeln, Knochen und Kreislauf weniger beansprucht und bilden sich zurück. Ähnliches passiert auch bei längerer Bettlägerigkeit: Muskeln und Knochen bauen sich ab. In den Studien vermessen die Forscher, wie schnell der Abbau vorangeht und wie dem entgegenzusteuern wäre, zum Beispiel durch Fitnessund Muskelübungen an speziellen Trainingsgeräten. Ein unwirtlicher Planet Die Reise ist riskant. Beim Eintritt in die Marsatmosphäre ist das Raumschiff etwa 12.000 Kilometer pro Stunde schnell und muss bis zur Ankunft auf der Marsoberfläche auf etwa 50 km/h abgebremst werden – das erzeugt starke Reibung und große Hitze, was sehr gefährlich sein kann. Auch die eigentliche Landung auf dem schroffen, zeitweise von schweren Sandstürmen heimgesuchten Planeten wird nicht einfach. Nochmals muss das Raumschiff abgestoppt werden – wegen der dünnen Atmosphäre reicht es aber nicht aus, das Raumschiff nur mit Fallschirmen zu bremsen. Für eine weiche Landung müsste es zusätzlich mit Raketen gestoppt werden. Schaden am Raumschiff darf bei der Landung auf keinen Fall entstehen, denn nur ein funktionstüchtiger Lander ist der Garant dafür, wieder vom Mars wegzukommen. Sollten der Eintritt in die Atmosphäre und die Landung problemlos gelingen, finden sich die Astronauten in einer lebensfeindlichen Welt wieder: schwankende Temperaturen von minus 100 bis plus 20 Grad, kein Sauerstoff, Bergketten von 4000 Kilometern Länge und mächtige Vulkane – der höchste, Olympus Mons, ist laut ESA 22 Kilometer hoch und damit etwa dreimal so hoch wie der Mount Everest! 21 Der Mars ist ein kalter, trockener und staubiger Planet Das Morgen von Gestern: eine Zeitreise zurück in die Zukunft Zweite Bleibe im All – wird der Mars besiedelt? Was wollen Menschen auf dem Mars? Nach Spuren von Leben suchen. Und das können, der Meinung sind viele Wissenschaftler, nur Menschen und keine Roboter. Für Raumfahrtvisionäre wie Jesco von Puttkamer gibt es noch eine weitere Antwort darauf: „Menschen lassen sich auf Dauer nicht das Dabeisein bei Forschungsentwicklungen nehmen, sie wollen zum Mars fliegen. Nicht, weil sie besser sein wollen als Maschinen, sonOb der Mars jemals zu einer dern weil das ein menschlicher Trieb ist: Bewusstzweiten Erde wird, steht heute seinserweiterung durch Grenzüberschreitung. Und es noch in den Sternen werden andere Menschen sein, die zum Mars fliegen werden, die Menschen der Zukunft, die nicht mehr nach Finanzierbarkeit und Gefahr fragen, weil sie unsere Vorbereitungen ja alle mitbekommen haben.“ Und er geht noch einen Schritt weiter: „Wenn es kein Leben auf dem Mars gibt, das wir zerstören würden, können wir über die Jahrhunderte und Jahrtausende hinweg vermutlich aus dem roten Planeten einen grünen machen. Dadurch hätte der Mensch eine zweite Bleibe im All und könnte praktisch unsterblich werden.“ Vor rund 50 Jahren schien die Menschheit wie beflügelt: Die Russen schossen den ersten Satelliten ins All, die Amerikaner ließen das erste Atom-U-Boot zu Wasser und in den Geschäften gab es die ersten Videorecorder zu kaufen. Nach dem Zweiten Weltkrieg blickte man offensichtlich vor allem in eine Richtung: in die Zukunft. Große Konzerne präsentierten im Jahr 1955 auf einer Tagung der amerikanischen Handelskammer ihre technologischen Visionen für die kommenden 20 Jahre – festgehalten in der Zeitschrift „Hobby – das Magazin der Technik“. Quarks & Co hat eines dieser alten Magazine aufgestöbert und die Visionen von vor 50 Jahren mit der Realität von heute verglichen. Einige Vorhersagen hat die Wirklichkeit sogar bereits überholt, andere sind noch immer Träume. Schnallen Sie sich also an und werfen Sie mit uns heute einen Blick auf das Morgen von gestern. Es steht in den Sternen… Straßenverkehr Über die Umformung des Mars zu einer zweiten Erde wird derzeit unter Marsbegeisterten, aber auch unter Wissenschaftlern heftig spekuliert. Doch selbst wenn sich eine NASA-Forschungsgruppe zurzeit zum Beispiel damit beschäftigt, welche künstlichen Gase einen Treibhauseffekt auf dem Mars hervorrufen könnten, um ihn langfristig auf lebensfreundlichere Temperaturen zu erwärmen, so scheinen die Visionen aus heutiger Sicht unrealistisch. Denn selbst wenn man den Mars erwärmen könnte, müssten Menschen immer noch mit Druckanzügen und Atemgerät herumlaufen: Die Luft auf dem Mars besteht zu 95 Prozent aus Kohlendioxid. Außerdem ist die UV-Strahlung dort sehr hoch, da die Mars-Atmosphäre sehr dünn ist und kaum Schutz gegen die Strahlung aus dem Weltraum bietet, anders als die schützende Gashülle der Erde. Und schon die Tatsache, dass der Mars kein globales Magnetfeld mehr hat, würde bedeuten, dass eine mühsam aufgebaute Atmosphäre von den Sonnenwinden wieder hinweggefegt werden könnte. Ob daher der Mensch den roten Planeten jemals dauerhaft besiedeln wird, das wird nur die ferne Zukunft zeigen. Heute steht es jedenfalls noch in den Sternen. 22 Die Prognose: Das Auto wird sich zum Massenverkehrsmittel entwickeln. Stimmt! Während 1955 nur 1,75 Millionen Autos auf Deutschlands Straßen unterwegs waren, sind es heute 46 Millionen. Doch die Vision ging noch weiter: Charakteristisch für die Straßenränder der Zukunft sollten graue Sendeanlagen sein, die die Autos durch Signale auf der Ideallinie halten und für richtigen Abstand und Geschwindigkeit sorgen. Eine Plexiglas-Kuppel bietet dem Fahrer freie Sicht nach allen Seiten, das Lenkrad ist nur für den Notfall da. 1955 ist das Auto der Zukunft voll automatisch und absolut sicher! Auch träumte man schon von der persönlichen Wohlfühltemperatur im Auto. Damit lagen die Visionäre gar nicht schlecht: Während es Klimaanlagen Ende der 23 1955 ist das Auto der Zukunft vollautomatisch und absolut sicher Luftfahrt 50er Jahre nur als große Kästen an Häusern gab, bot sie Mercedes Benz 1971 als erster europäischer Hersteller im Auto an. Statt mit Otto- und Dieselmotoren sollten die Autos der Zukunft von Turbinen- oder Atomantrieben auf Touren gebracht werden. Tatsächlich experimentierte die Firma Chrysler schon 1954 mit Turbinen-Prototypen, durchgesetzt haben sie sich aber nicht. Der Grund: Zu hohe Herstellungskosten, zu großer Kraftstoffverbrauch. Bleibt das Parkplatzproblem. Die revolutionäre Idee von 1955: unterirdische Garagen. Richtig lagen die Visionäre – dass auch die Tiefgaragen heute so oft überfüllt sind, hat jedoch keiner vorhergesagt. Raumfahrt 14 Jahre vor der Mondlandung setzte man große Hoffnungen in die Raumfahrt. Die Utopie: Auf festen Raumstationen jenseits der Stratosphäre leben Menschen in ringförmigen Stahlröhren. Von dort könnten sie zu Reisen in das Sonnensystem starten. Als Sprungbrett für Raumschiffe haben Stationen in der Erdumlaufbahn zwar bislang noch nicht fungiert, dennoch kommen die künstlichen Trabanten „Mir“ und „ISS“ den Vorstellungen von 1955 schon recht nahe. Und die ersten Weltraumtouristen sind tatsächlich bereits im All gewesen – zum günstigen Reisepreis von rund 20 Millionen Dollar. 24 Die Flugzeuge der Zukunft werden von einem Atomreaktor angetrieben und fliegen mit 1.000 Kilometern pro Stunde – so der Traum vor 50 Jahren. Das war fast zu bescheiden: Schon am 2. März 1969 startete die Concorde zu ihrem Jungfernflug. Sie war mit 2180 Kilometern pro Stunde schneller als der Schall. Doch die Euphorie über das schnellste Passagierflugzeug war rasch verflogen: Die Concorde machte einen Höllenlärm und schluckte gewaltige Mengen Treibstoff. Nach einem Unfall im Jahr 2000 wurde der unrentable Flieger zwei Jahre später aus dem Verkehr gezogen. Schienenverkehr Eisenbahnromantik der Visionäre: Ferngesteuerte Züge bringen die Passagiere der Zukunft automatisch an ihr Ziel. Und in der Tat hat der Lokführer heute zumindest auf manchen Linien des Nahverkehrs ausgedient: 1998 nahm die fahrerlose, vollautomatische Pariser Metro Linie 14 „Meteor“ ihren Dienst auf. Die Steuerung übernimmt ein Zentralcomputer und bringt mit bis zu 70 Kilometern pro Stunde täglich tausende Fahrgäste an ihr Ziel. Auch die Münchener U-Bahn wird mittlerweile von einem zentralen Leitcomputer gelenkt; der Fahrer gibt nur noch das Signal zur Abfahrt. 25 Der Blick in die Zukunft Eine uralte Frage Menschen wollten schon immer wissen, was die Zukunft bringt – unzählige Überlieferungen berichten von Orakeln, Propheten, Wahrsagern und Sterndeuterei. Eine der bekanntesten ist die vom griechischen Orakel in Delphi. Diese wohl berühmteste Kultstätte der Antike war ein Heiligtum des Gottes Apollon, in dem eine Priesterin, genannt Pythia, in die Zukunft blickte. In den griechischen Sagen bezogen Das Orakel von Delphi war die sich die delphischen Orakel hauptsächlich auf die berühmteste Kultstätte der Antike. Schicksale großer Herrscher. Dem sagenhaft reichen Hier konnte sich, wer wollte, seine Lydierkönig Krösus prophezeite das Orakel zum Zukunft deuten lassen Beispiel, er werde ein großes Reich zerstören, wenn er den Grenzfluss Halys überschreite und in die Schlacht ziehe. Prompt griff Krösus die Perser an. Doch zerstörte er nicht deren Imperium, sondern sein eigenes, denn er wurde vernichtend geschlagen – die Pythia hatte Recht behalten. Ihre Trefferquote konnte seitdem nie wieder ein Zukunftsforscher erreichen – obwohl seit über 100 Jahren seriöse Wissenschaftler versuchen, Vorhersagen über das Kommende zu treffen. Die Wissenschaft von der Zukunft beginnt Anfang des 20. Jahrhunderts gab es die ersten Versuche, auf der Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse in die Zukunft zu blicken. Ein Beispiel dafür ist das Buch des Ingenieurs Anton Lübke von 1926, „Technik und Mensch im Jahre 2000“. Lübke hatte Prognosen von Fachleuten gesammelt, die sich mit neuen technischen Möglichkeiten auseinander setzten. Anders als bei den delphischen Orakeln oder den fantastischen Spekulationen aus Romanen hatten diese Visionen eine realistische Basis – die Ingenieure machten sich konkrete Gedanken darum, wie zum Beispiel ein Kraftwerk aussehen müsste, das Elektrizität aus der Luft ableiten könnte. Auch die gerade erst entdeckte Atomkraft wird als Energiequelle eingeplant, denn schon damals machte man sich Sorgen um die Energievorräte. Und man ahnte die Entwicklung voraus, die das ganz junge Medium Film nehmen würde: Auf riesigen Leinwänden könnten eines Tages Dinge zu sehen sein, die zeitgleich an völlig anderer Stelle in der Welt gerade stattfinden – ein Ausblick auf moderne Live-Übertragungen. Der Mensch der Zukunft, so glauben die Wissenschaftler Anfang des 20. Jahrhunderts, verändert sich radikal: Implantierte Affendrüsen könnten die Lebenszeit der Menschen auf 26 weit über 100 Jahre verlängern. Vieles in diesen Visionen blieb mehr Fiction als Science, doch die Beschäftigung mit der Zukunft wurde mit dem Aufstieg der modernen Wissenschaft zu einem viel beachteten Forschungsgebiet. Kalter Krieg und Technik-Euphorie In den 1960er Jahren verstärkte sich der Trend zur Wissenschaft von der Zukunft. Es waren die Jahre des Wettrennens um die Landung auf dem Mond, um die Nutzung der Atomkraft und die militärische Macht auf der Welt; zahlreiche Institute zur Erforschung der technischen Möglichkeiten wurden gegründet. Eines davon, das Hudson Institute in New York, veröffentlichte noch in den 1960er Jahren eine Zusammenfassung seiner Prognosen. Der kalte Krieg und die Technikeuphorie der Schon vor 40 Jahren sah man im 60er Jahre haben diese Voraussagen offensichtlich be- Computer die Zukunft einflusst: Die Autoren gingen von einer „überraschungsfreien“ Entwicklung von Wissenschaft, Wirtschaft und Politik aus, indem sie von den gegebenen Zuständen ausgingen und sie weiterdachten. So befürchteten sie, dass sich im Jahre 2000 die beiden großen Machtblöcke NATO und Warschauer Pakt immer noch feindselig gegenüberstehen. Man berechnete, wie stark das Zerstörungspotenzial und die Zahl der Waffen in den jeweiligen Blöcken zunehmen würden und kam auf ein erschütterndes Szenario – zum Glück ist die Geschichte anders verlaufen. In einfacheren Dingen trafen die Hudson-Forscher eher den Punkt. Unter anderem sagten sie den durchtechnisierten Haushalt und das Informationszeitalter voraus: Eines Tages würde in jedem Haushalt ein Computer stehen, und einen Computer zu bedienen sei genauso selbstverständlich, wie ein Auto zu fahren. Gesammeltes Wissen der Gegenwart Einen etwas anderen Weg gingen die Wissenschaftler des RAND-Instituts. 1963 erschien dort die erste Studie nach dem so genannten „Delphi“Verfahren, selbstironisch benannt nach dem antiken Orakel. Danach wurden in regelmäßigen Abständen Experten aus allen möglichen Wissensgebieten über den Stand und die mögliche Entwicklung ihres Fachgebietes gefragt. Das war in den 1960er Jahren bereits nötig, weil längst niemand mehr auch 27 nur einen annähernden Überblick über die einzelnen Wissensgebiete der Menschheit hatte. Die Methode wurde später auch in anderen Ländern, vor allem in Japan, angewendet und kam 1993 auch nach Deutschland. Die Grenzen des Wachstums: Der Club of Rome Anfang der 1970er Jahre hatte der Boom der großen Utopien ein Ende. Die Mondlandung war im Sande verlaufen und die ersten Ölkrisen erschütterten die Welt. Die Grenzen des Wachstums machten sich bemerkbar. In Italien versammelte sich ein Kreis von besorgten Intellektuellen und Wissenschaftlern: der Club of Rome. freundlichem Antrieb. Statt auswechselbarer Körperteile und Manipulationen an menschlichen Gehirn heißt es: „Ein Leben lang gesund und vital durch Prävention“: Umfassende Gesundheitsvorsorge soll die Lebensqualität für alle sozialen Gruppen bis ins hohe Alter sichern. Andere dringende Aufgaben sehen die Beteiligten weniger in der Entwicklung des Haushaltsroboters, sondern in der Wasserversorgung für alle und dem Kampf gegen Krankheiten wie Malaria, Tuberkulose, AIDS oder anderen neuen Viren. Das Hudson Institute Das Hudson Institute wurde 1961 in New York als Organisation für Politikforschung von dem Kybernetiker Herman Kahn gegründet. Heute nennt es als seine Aufgaben „innovative Forschung und Analyse von Themen wie globaler Sicherheit, Wohlstand und Freiheit“. Mit Diese illustre Runde beauftragte weitere WissenschaftDie Grenzen des Wachstums müss- ler damit, das Wachstum der Zivilisation zu berechnen. ten eigentlich schon erreicht sein Die simulierten das System Erde mit einem Computerprogramm, und das Ergebnis war erschreckend. „Die Grenzen des Wachstums“ hieß die Studie, die plötzlich allen klar machte: In kurzer Zeit sind die Vorräte erschöpft, ein weiteres unkontrolliertes Anwachsen von Industrieproduktion und Weltbevölkerung führt direkt in die Katastrophe. Die Euphorie war vorbei, die Zukunft schwarz. Energiekrise und Waldsterben erschienen nur als Vorboten noch größerer Katastrophen. interdisziplinären Strategien wollen die Wissenschaftler Strategien für die Zukunft entwerfen. RAND-Institut Die RAND („Research and Development“) Corporation wurde nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges in den USA gegründet, um zunächst militär-strategische Fragen zu analysieren. Später wandelte es sich zu einer Non-Profit-Organisation, für die weltweit rund 1.600 Mitarbeiter Lösungsvorschläge zu Sicherheitsfragen, aber auch zu anderen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Themen erstellen. Seinen Sitz hat das Institut in Santa Monica (Kalifornien). Club of Rome 1968 gründete sich in Rom ein Verein, der einen Querschnitt der Eliten aller Kulturkreise dar- Die neue Bescheidenheit: das Projekt „Futur“ stellen sollte. Er bestand aus rund 100 Wissenschaftlern, Industriellen und bedeutenden Vertretern des öffentlichen Lebens. 1972 veröffentlichte er die Studie „Die Grenzen des Wieder kam es nicht ganz so schlimm – noch nicht jedenfalls. Im Jahr 2006 sind die Vorhersagen bescheidener geworden. „Futur“ heißt ein aktuelles Projekt des Bundesforschungsministeriums. Bis zu zweitausend Experten und Laien treffen sich in kleinen Zirkeln und diskutieren ihre eigenen Visionen und immer wieder die ihrer Kollegen. So entsteht aus der gegenseitigen Abstimmung ein Bild davon, wie die Zukunft sein könnte und wie man sie sich wünscht. Aus diesen „Leitvisionen“ sollen am Ende konkrete Forschungsprojekte werden, die das Ministerium fördert. Dabei geht der Trend eindeutig weg von gigantischen Großprojekten. Vielmehr will man „Schäden verhindern, und Belastungen vermeiden.“ Statt Überschallgeschwindigkeit und phantastischer Reisemöglichkeiten soll es die „Energiewende im Verkehr“ geben: Ähnliche Autos wie bisher, aber mit umwelt- 28 Wachtums“, die eine düstere Zukunft prognostizierte: Da die Rohstoffe zur Neige gehen, wird die industrielle Produktion schrumpfen und knappes Wasser und Land in weniger als 100 Jahren unweigerlich zu Hungersnöten führen. Heute versteht sich der Club of Rome als globaler „Think Tank“, der als Non-Profit Organisation Wissenschaftler, Wirtschaftsführer, Geschäftsleute, aktuelle und frühere Staatsoberhäupter aus aller Welt zusammenbringt, um Zukunftsfragen zu diskutieren. 29