Beitrag Markus Pleyer

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Beitrag Markus Pleyer
Datenschutz und Schweigepflicht
in der Sozialberatung
Markus Pleyer
Paritätischer Berlin
Gesetzlicher Datenschutz –
was soll geschützt werden?
Sämtliche Informationen
über bestimmte Personen
(Namen, Biografie- und Verhaltensdaten)
und über bestimmbare Personen
(Benutzername, IP Adresse, Autokennzeichen)
sind personenbezogene Daten.
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Gesetzlicher Datenschutz –
was soll geschützt werden?
Prinzipiell unterliegt das betriebliche Verarbeiten von
personenbezogenen Daten einem Verbot mit
Erlaubnisvorbehalt!
Die Erhebung (Informationen verschaffen und aufnehmen)
und Verarbeitung (Speichern, Verändern, Übermitteln)
von personenbezogenen Daten darf ausschließlich
mit gesetzlicher/ vertraglicher Legitimation oder
Einwilligung des Betroffenen erfolgen.
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Ungleiches Begriffspaar
Datenschutz/Datensicherheit
Datenschutz ist die Umsetzung des ethisch begründbaren
Rechts auf Privatheit des Menschen
Datensicherheit stellt die Verfügbarkeit der Daten sicher
und kann dem Datenschutz dienlich sein, muss es aber
nicht!
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Gesetzliche Regelungen zum
personenbezogenen Datenschutz
allgemeiner Datenschutz
• Bundesdatenschutzgesetz
–  definiert die informationelle Selbstbestimmung des
Einzelnen
• Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichtes vom
15.12.1983
–  Befugnis des Einzelnen grundsätzlich über die
Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten
zu bestimmen
• Länderdatenschutzgesetze
–  meist für öffentliche Hand
• Teledienstegesetz, Telemediengesetz
–  Rahmenbedingungen für Webangebote und Schutz
deren Nutzer
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Gesetzliche Regelungen zum
personenbezogenen Datenschutz
bereichsspezifischer Datenschutz
• Infektionsschutzgesetz
• Landeshaushaltsordnung
–  Bestimmungen zu Daten als Verwendungsnachweis
• SGB V
–  Übermittlung Arbeitsunfähigkeitbescheinigung
• SGB X, insbesondere 2. Abschnitt
–  Sozialgeheimnis und Umgang mit Sozialdaten
• SGB VIII Kinder- und Jugendhilfe
–  Pflicht von Jugendhilfeträgern zur Information des
Jugendamtes bei Gefährdung von Kindern und
Jugendlichen
• SGB XI, 9. Kapitel
–  Befugnisse von Leistungsträgern und –erbringern
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Gesetzliche Regelungen zum
personenbezogenen Datenschutz
berufsgruppenspezifischer Datenschutz
• Strafgesetzbuch
–  Verletzung von Privatgeheimnissen § 203 StGB
–  Fernmeldegeheimnis § 206 StGB
–  Offenbarungsbefugnis im Rahmen des
rechtfertigenden Notstandes gemäß § 34 StGB
• Telekommunikationsgesetz
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Gesetzliche Regelungen zum
personenbezogenen Datenschutz
institutionsspezifische Datenschutz
• Kirchliche Datenschutzgesetze
• Bundesangestelltentarifvertrag
• Arbeitsvertragsrichtlinien
• Betriebsvereinbarungen
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Grundsätze der
Datenschutzbestimmungen
•  Befugnis – Daten nur mit Einwilligung oder
Rechtsgrundlage erheben und verwenden
•  Datensparsamkeit - nur das notwendige Minimum
an Daten erheben
•  Zweckbindungsgrundsatz - Daten dürfen nur für
den Zweck verwendet werden, für den sie
erhoben wurden
•  Transparenzgebot - die Mitwirkungs-, Kontrollund Offenbarungsrechte der Betroffenen müssen
gewahrt werden
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Bundesdatenschutzgesetz gesetzliche Verpflichtungen
Das BDSG verpflichtet Organisationen, die Personendaten verarbeiten
•  zum Führen eines Verzeichnisses über automatisierte Verfahren
•  zur Bestellung eines betrieblichen Beauftragten für den Datenschutz
•  zu technischen und organisatorischen Maßnahmen:
•  Unbefugte keinen Zutritt haben zu Orten an denen Daten verarbeitet
werden
•  Unbefugte keine Personendaten nutzen können
•  die Weiterleitung von Personendaten sicher erfolgt, ohne Verluste /
Veränderung der Daten
•  nachvollziehbar ist, wer Personendaten eingegeben oder verändert
hat
•  Personendaten vor zufälliger Zerstörung geschützt sind
•  die Bearbeitung durch beauftragte Externe auftragsgemäß erfolgt
•  zu unterschiedlichen Zwecken erhobene Personendaten auch
getrennt verarbeitet werden
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Bundesdatenschutzgesetz Rechte des Betroffenen
•  Anspruch auf Auskunft
–  über gespeicherte Daten
–  über Speicherung und Art der erhobenen Daten
•  Benachrichtigung über die Speicherung
–  Personen und Stellen, an die Daten übermittelt werden
•  Anspruch auf Sperrung
–  Unkorrekte Daten nicht übermitteln oder verarbeiten
•  Anspruch auf Löschung
–  jederzeit wenn die Daten nicht mehr erforderlich sind
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Technische und
organisatorische Maßnahmen
•  Zutrittskontrolle
–  Einbruchsschutz, verschließbare Raumtüren,
Schlüsselvergabeprotokoll
•  Zugangskontrolle
–  verschließbare Schranktüren, Bildschirmschoner,
Passwortschutz, Stellenbeschreibung
•  Zugriffskontrolle
–  differenzierte Zugangsrechte, Passwortregelung
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Beispiele an Regelungsbedarf
nach dem BDSG
• 
• 
• 
• 
Befugnisse zur Datenverarbeitung ermitteln
Datenverarbeitungsprozesse beschreiben
Umgang mit Passwörtern regeln
Verpflichtung auf Verschwiegenheit
–  auch bei externen MA sicherstellen
•  Dateien speichern
–  geschützte Bereiche auf Servern
–  Datensicherung
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Regelungen des Datenschutzes
SGB I § 35 Sozialgeheimnis
Sozialdatenschutz
Gleichstellung von gesetzlich Sozialversicherten, diese dürfen
in ihrer informationellen Selbstbestimmung gegenüber
anderen nicht benachteiligt sein.
Jeder hat Anspruch darauf, dass die ihn betreffenden
Sozialdaten von den Leistungsträgern und Erfüllungsgehilfen
nicht unbefugt erhoben, verarbeitet oder genutzt werden.
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I 14
Sozialdatenschutz bei
Freigemeinnützigen Trägern
Freigemeinnützige Träger handeln bei der
Leistungserbringung weitgehend selbständig
–  sie sind an Weisungen der Behörde nicht
gebunden (§ 17 (3) SGB I i. V. m. § 97 (2) SGB X)
–  Pflichten zur Übermittlung personenbezogener
Daten können nur durch spezielle Rechtsnormen
(Befugnisnormen) begründet werden
(Bestimmtheitsgrundsatz)
•  Bsp. Stationäre Jugendhilfeeinrichtung
übermittelt Name und Qualifikationen der
Betreuungskräfte (§ 47 SGB VIII)
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I 15
Sozialdatenschutz bei
Freigemeinnützigen Trägern
•  Freigemeinnützige Träger sind nicht verpflichtet, Auskünfte
über die Ausführung der Leistung zu erteilen
•  Verpflichtung die Kontrolle der zweckentsprechenden
Verwendung der öffentlichen Mittel zuzulassen. (§17 (3) SGB
I
•  Organisation muss gewährleisten, dass Mitarbeiter/innen das
Datengeheimnis einhalten können
•  Besteht ein Vertrag mit Klienten, gehört es zur vertraglichen
Nebenpflicht( § 242 BGB) das Selbstbestimmungsrecht
desselben zu achten
•  Ohne Vertrag ergibt sich die die Verpflichtung aus § 823 BGB
unerlaubte Handlung
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I 16
E-Mail/Internet sichere Nutzung
•  Ungesicherter E-Mail Versand sensitiver
personenbezogener Daten verstößt gegen
Datenschutzbestimmungen
•  Anlage zu § 9 Satz 1 BDSG „Daten übermittelnde
Stellen haben zu gewährleisten, dass
personenbezogene Daten bei der elektronischen
Übertragung nicht unbefugt gelesen, kopiert verändert
oder entfernt werden ...“
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I 17
Datenschutz durch
gesetzliche Schweigepflicht §203 StGB
Für Angehörige bestimmter Berufsgruppen ist es unter Strafe verboten,
die ihnen anvertrauten Geheimnisse zu offenbaren.
Zu diesen Berufsgruppen gehören:
Berufspsychologen, Ehe-, Familien- und Jugendberater, Berater für
Suchtfragen anerkannter Beratungsstellen, Mitglieder anerkannter
Beratungsstellen nach §§ 3 und 8 Schwangerschaftskonfliktgesetz sowie
staatlich anerkannte Sozialarbeiter und Sozialpädagogen.
Gehilfen und Azubis der Vorgenannten
Ziel ist der Schutz der Geheimnisträger sowie deren Helfer vor
unberechtigter Auskunft an Dritte.
Der Betroffene kann die Helfer von deren Schweigepflicht entbinden und
in die Weitergabe von konkreten Sachverhalten einwilligen.
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I 18
Tatbestandsmerkmale
Verletzung von Privatgeheimnissen
•  Geheimnis = Tatsachen, die nur einem einzelnen oder wenigen
Personen bekannt sind und an deren Geheimhaltung der Betroffene
ein Interesse hat
–  Bsp. Art der Dienstleistung, Neigungen, Schwächen
•  Offenbaren = jedes bekannt-werden-lassen des Geheimnisses
–  Bsp. Erzählen, offene Akte, ungesicherter E-Mailversand
•  Unbefugt = nicht durch Einwilligung oder Gesetz erlaubt
•  Einwilligungsformen
–  ausdrücklich (Schweigepflichtsentbindung)
–  mutmaßlich (bei Bewußtlosen)
–  konkludent (durch erkennbare Handlung)
•  Vorsatz oder billigendes Inkauf-nehmen erforderlich
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I 19
Daten gegen den Willen des
Betroffenen offenbaren?
Sofern die Daten aus allgemein zugänglichen Quellen entnommen
werden können, ist eine Weitergabe zulässig.
Zur Abwendung einer gegenwärtigen Gefahr für Leben, Gesundheit,
Freiheit oder sexueller Selbstbestimmung (§ 34 StGB) können
Personendaten auch gegen den Willen des Betroffenen im
erforderlichen Umfang weitergegeben werden.
• wenn mit dem Geheimnisbruch ein wichtigeres Interesse geschützt wird
als das anvertraute Geheimnis
• die Gefahr nicht ohne Geheimnisbruch abgewendet werden kann
Bei Gefährdung von Kindern und Jugendlichen besteht die Pflicht zur
Information des Jugendamtes gemäß § 8a (4) SGB VIII
• nach Abschätzung des Gefährdungsrisikos durch Fachkräfte
• die Gefährdung nicht anders abgewendet werden kann.
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I 20
Offenbarungspflichten
Soweit Personendaten zur Abwehr von Gefahren für die staatliche und
öffentliche Sicherheit sowie zur Verfolgung von Straftaten erforderlich
sind, besteht eine gesetzliche Verpflichtung zur Weitergabe, wie bei
geplanten schweren Straftaten (§138 StGB) Hochverrat, Landesverrat,
geld- Wertpapierfälschung, Menschenhandel, Menschenraub, Mord/
Totschlag, Raub, Brandstiftung
Bei Hilfeleistungen in Unglücksfällen (§ 323c StGB) wenn Gefahr für
Leib und Leben besteht, besteht die Pflicht zur Weitergabe von den
dazu benötigten Personendaten
In Ermittlungen von Straftaten können Berater, die der Schweigepflicht
unterliegen, die Aussage über ihre Klienten gegenüber
Ermittlungsbehörden und Gerichten verweigern (das Zeugnis verweigern
nach § 53 StPO).
Entbindung von der Schweigepflicht bspw. durch den Klienten selbst
oder Schwere einer Straftat oder Richter
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I 21
Offenbarungspflichten
–  Meldegesetz (Verzeichnis von Personen in Heimen für
die Meldebehörde §§ 26-29 Meldegesetz)
–  Pflicht zur Information des Jugendamtes bei Gefährdung
des Kindswohls § 8a Abs. 4 SGB VIII
–  Träger von Eingliederungs-/ Beschäftigungsmaßnahmen sind verpflichtet dem gEJobcenter/Agentur
für Arbeit eine Teilnehmerbeurteilung auszustellen § 61
(2) SGB II § 260 (5) SGB III
•  Die Auskunftspflicht ist begrenzt auf Fehlzeiten,
Unterbrechungen und Abbruch der Maßnahme
–  Prüfung durch öffentliche Zuwendungsgeber
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Datenweitergabe
innerhalb von Beratungsstellen
Berater/innen dürfen Personendaten, die sie im Beratungsprozess erfahren haben
an Kollegen weitergeben, die ebenfalls mit der konkreten Angelegenheit befasst
sind, also im Sinne des Hilfesuchenden in einem Team agieren
Für die verwaltungsmäßige Abwicklung der Beratungsleistung können
Abrechnungsdaten oder bspw. Nachweise für Zuwendungen weitergegeben
werden, der Betroffene ist darüber zu informieren (bspw. im Verfahrensverzeichnis)
Zur Gewährleistung des Datenschutzes und Sicherstellung der technischen
Infrastruktur sind Administratoren und Datenschutzbeauftragte zur
Kenntnisnahme von Personendaten befugt
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Herausforderungen in der
tägliche Praxis - Beispielfälle
1. Alleinerziehende Mutter mit 8-jährigem Kind sucht zwecks Beratung zum
Unterhaltsvorschuss und Erziehungsproblemen eine Sozialberatung auf – im
Gesprächsverlauf kommt es zu Äußerungen über das Gewaltpotential des
Lebenspartners gegenüber ihrem Kind.
2. In der Beratungssituation macht eine Frau Angaben über das Suchtverhalten
ihres Lebenspartners.
3. Ein alleinstehender, betagter, chronisch kranker Herr deutet ständig im Gespräch
an, sein Leben nicht mehr zu ertragen.
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