Chronik 75 Jahre Neanderthal Museum

Transcrição

Chronik 75 Jahre Neanderthal Museum
75 JAHRE
NEANDERTHAL MUSEUM
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75 Jahre Neanderthal Museum
Impressum
Stiftung Neanderthal Museum
Redaktion: Jens Alvermann
Talstraße 300
Recherche Museumschronik:
D-40822 Mettmann
Christina Steuer, GeschichtsManufaktur
0 21 04.97 97 - 0
Texte und Fotos: Neanderthal Museum
0 21 04.97 97 - 96 Fax
[email protected]
www.neanderthal.de
Museum gefördert von:
75 Jahre Neanderthal Museum
Inhalt
Impressum____________________________________2
Grußworte
Grußworte_____________________________________4
Chronik
I. Etappe:Startschuss für das Neandertal______________ 10
II. Etappe: Das erste Museum im Neandertal___________ 12
III. Etappe: Erste Schritte nach dem Krieg______________ 14
IV. Teil: Der Marathon zum neuen Museum_____________ 16
V. Etappe: Der Endspurt zum neuen Museum___________ 23
VI. Etappe: Auf der Zielgeraden?____________________ 30
Das Museum heute_____________________________32
Ausstellungen__________________________________ 33
Forschung_____________________________________ 34
Marke________________________________________ 35
Shop_________________________________________ 36
Steinzeitwerkstatt_______________________________ 33
Sonderausstellungen___________________________42
Wanderausstellungen___________________________44
Didaktik_____________________________________46
Veranstaltungen & Events_______________________48
Tagungen____________________________________50
Publikationen_________________________________52
Forschung____________________________________56
Marke & Vernetzung____________________________58
Film & Fernsehen______________________________60
Prominente Besucher___________________________62
Auszeichnungen_______________________________64
Museum & Medien_____________________________66
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Grußworte
75 Jahre Neanderthal Museum
Es muss einen freuen, dass das Neanderthal
Museum heute so in Blüte steht. Die Besucher sind angetan bis begeistert, auch und
gerade die neugierigsten unter ihnen, die
Kinder. Darüber hinaus gibt es Sympathien
für das Museum rund um den Globus.
Man darf sagen, ohne besonders großspurig
zu formulieren, dass das Museum seit seiner
Erbauung im Jahr 1996 eine stabile Glückssträhne hatte.
Prof. Dr. Dres. h.c. Gert Kaiser
Vorsitzender des Stiftungsrates der Stiftung
Neanderthal Museum
Da jedoch nichts von selber kommt, ist das
mit einigen Persönlichkeiten verbunden. Es
ist ein Segen, dass Landrat Thomas Hendele,
aber auch der Kreistag und die Kreisverwaltung erkannt haben, dass sie mit dem Neandertal und seinem Museum eine weltweit
sichtbare „landmark“ im Kreisgebiet haben.
Dass das Museum bei der politischen Obrigkeit so gut angesehen ist, ja so viele Freunde
hat, das ist ein Verdienst des ehemaligen
Oberkreisdirektors Robert Wirtz, der bis
heute das arbeitsreiche Ehrenamt des Museumsvorstands ausfüllt.
Und ein wirklicher Glücksfall für das Museum ist sein Direktor, Prof. Dr. Gerd-Christian
Weniger. Glücksfall, weil er sowohl ein
international angesehener Wissenschaftler ist, der dem Museum Respekt in der
wissenschaftlichen Welt verschafft, als auch
ein ideenreicher und geschickter Museumsmann, der zusammen mit seinen engsten
Mitarbeitern, Dr. Bärbel Auffermann und
Roland Ebbing dem Museum immer wieder
positive Aufmerksamkeit verschafft.
Man darf beim Erklären der offenkundigen
Glückssträhne einige wichtige Institutionen
nicht vergessen: als erste die NRW-Stiftung,
die das Museumsgebäude errichtet hat (und
die sich damit der Anregung von Johannes
Rau nicht verschloss). Dann der heimische
RWE-Konzern, dessen damaliger Direktor Dr.
Bernd Stoy seinem Vorstandsvorsitzenden
Friedhelm Gieske deutlich machen konnte,
wie sehr es den Konzern schmückt, wenn er
die Ausgestaltung des Museum stiftet. Und
schließlich die Kreissparkasse Düsseldorf mit
ihrem Vorstandsvorsitzenden Ulrich Rüther.
Sie hat durch einen namhaften Beitrag zur
Stiftung Neanderthal Museum das Haus auf
sehr viel kräftigere Beine gestellt. Und da
will ich auch den Landschaftsverband Rheinland nicht vergessen, weil er bei seinen bedeutsamen Kulturförderungen in der Region
meist das Museum auch nicht vergisst.
Zum Schluss eine sehr persönliche Anmerkung. Auch Glückssträhnen sind nicht bloßer
Zufall. Schon gar nicht im Neandertal, das
vom Schicksal nicht immer begünstigt wurde. Deshalb fällt mir bisweilen der Anfang
der zweiten Strophe jenes berühmten Liedes
von Joachim Neander ein: Lobe den Herrn,
der alles so herrlich regieret.
75 Jahre Neanderthal Museum
Nur wenige archäologische Funde sind in
einem solchen Maße bekannt und weltberühmt geworden, wie der Fund im Neandertal. Der Name „Neanderthaler“ gilt heute
als Inbegriff für die frühen steinzeitlichen
Menschen und er steht für die Evolution
des Menschen. Heute würde bei einem
vergleichbaren Fund wohl umgehend ein
Museum errichtet.
Im 19. Jahrhundert war das noch anders.
Unsere Vorfahren wollten durch den Abbau
des Kalks teilhaben an dem erhofften wirtschaftlichen Aufschwung. Da wurde keine
Rücksicht auf die Natur genommen und
Gedanken an ein Museum kamen erst gar
nicht auf.
Robert Wirtz
Vorsitzender des Vorstandes der Stiftung
Neanderthal Museum
Um so erfreulicher ist die Umkehr dieser
Einstellung im 20.- Jahrhundert. Der schon
früh gegründete Naturschutzverein erkannte
die Bedeutung des Fundes und eröffnete
1937 das erste Neanderthal Museum. Das
Haus konnte allerdings trotz mehrfacher
Umgestaltungen mit der gestiegenen, internationalen Aufmerksamkeit für den Fundort
nie ganz mithalten. Alle nach dem Krieg
gestarteten Versuche das Museum zu erweitern oder gar neu zu bauen scheiterten.
Erst als der Kreis Mettmann in den achtziger Jahren die Initiative ergriff und einen
Förderverein Neanderthal Museum initiierte,
stiegen die Erfolgsausichten. Förderverein
und Kreis gründeten die Stiftung Neanderthal Museum zum Bau und Betrieb des
Museums. Die NRW – Stiftung stellte die
Baukosten, die RWE AG spendete die Inneneinrichtung und die Stadt Mettmann stellte
das Grundstück zur Verfügung. Und plötzlich
ging alles ganz schnell.
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Im Oktober 1996 wurde das neue Neanderthal Museum durch den Bundespräsidenten
eröffnet. Es fand vom ersten Tag an große
Anerkennung und Zuspruch bei Besuchern,
den Medien und besonders auch in der
Fachwelt. Zahlreiche Berichte und Veröffentlichungen sind seitdem erschienen. Über
2,5 Millionen Besucher bis heute sind ein
deutliches Zeichen für die Wertschätzung
des Museums.
Bei aller Freude über das Jubiläum sollten
wir aber auch daran denken, daß noch
einiges zu tun bleibt, um den Erfolg auch in
Zukunft zu sichern.
Das Neanderthal Museum lebt wie kaum ein
anderes Museum von den Eintrittsgeldern
seiner Besucher. Hohe Besucherzahlen gab
es immer in Jahren mit attraktiven Sonderausstellungen. Die Dauerausstellung läßt
dafür aber nur noch wenig Platz übrig. Hier
muß langfristig Abhilfe geschaffen werden.
Der Besuch der Fundstelle endet oft noch
mit einer Enttäuschung. Zahlreiche Besucher
erwarten einen Blick auf den Fundort mit
der Feldhofer Grotte. Sie werden stattdessen
zu einer Stelle geführt und angehalten sich
diese Grotte in etwa 29 Metern Höhe vorzustellen. Überlegungen zu einer Neuinszenierung sind schon weit gediehen.
Die Stiftung Neanderthal Museum möchte
das Jubiläum auch gerne nutzen, um sich
bei allen Zustiftern für das zur Verfügung
gestellte Kapital und bei allen Sponsoren,
Freunden und Besuchern unseres Museums
herzlich zu bedanken. Bitte bleiben sie uns
gewogen und helfen sie auch weiterhin mit,
die Erfolgsgeschichte dieses einmaligen
Museums in den nächsten Jahrzehnten
fortzuführen.
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75 Jahre Neanderthal Museum
Bürgerschaftliches Engagement hat die
gesamte Geschichte des Neanderthal Museums zutiefst geprägt. Seine Gründung vor 75
Jahren war kein Akt staatlicher Kulturpolitik,
sondern beruhte auf dem Einsatz engagierter Bürger. Der Naturschutzverein Neandertal e.V. hat das erste Museum aus der Taufe
gehoben und auch die weitere Entwicklung
bis hin zur Errichtung des neuen Museums
wurde getragen durch ein nie erlahmendes
Engagement interessierter Bürgerinnen und
Bürger. Die Gründung des Förderverein Neanderthal Museum e.V. kann als Initialzündung für das neue Museum gelten, das 1996
eröffnet wurde. Es zeichnet das Neandertal
aus, dass dieser Ort der Weltkultur die Menschen der Region beflügelt hat, sich für ihr
Kulturerbe einzusetzen, um es national und
international sichtbar werden zu lassen.
Prof. Dr. Gerd-Christian Weniger
Museumsdirektor
Vorsitzender der
Neanderthaler-Gesellschaft e.V.
Vorsitzender des
Naturschutzvereins Neandertal e.V.
Nur auf diesem Wege konnte aus einer Heimatstube im Dachgeschoss des Mettmanner
Rathauses ein internationales Forschungsmuseum im Neandertal werden. Funde aus
den vom Naturschutzverein Neandertal e.V.
initiierten und finanzierten ersten Ausgrabungen zwischen 1927 und 1929 waren
wichtige Argumente für die Gründung des
Museums. In allen weiteren Planungen
spielte die Verbindung des Museums mit
einem Forschungsauftrag eine zentrale
Rolle. Dadurch ist das Neanderthal Museum
heute in einer Breite aufgestellt, die wenige
Museen vorweisen können. Vermittlung,
Vermarktung und Forschung gegen Hand in
Hand mit dem Ziel, das Museum mit allen
Gruppen der Gesellschaft zu vernetzen. Das
weite Spektrum der Besucher bestätigt dieses Konzept. Nur so gelingt es dem Museum
heute, Jahr für Jahr über 70% seiner Kosten
durch Umsatzerlöse und Drittmittel einzuspielen.
Das große öffentliche Interesse spornt das
Museum und seine Akteure an, ständig auf
der Suche zu sein nach einem adäquaten
Format. Schon im Jahr der Eröffnung des
ersten Museums 1937 wurde aufgrund des
großen Besucheransturms postwendend
seine Erweiterung gefordert. Auch heute,
75 Jahre später, ist das kulturelle Potential
des Ortes noch längst nicht ausgeschöpft.
Bürgerschaftliches Engagement ist weiterhin
gefordert, um die Geschichte des Museums
und seines Tales erfolgreich fortschreiben zu
können.
Grußworte
75 Jahre Neanderthal Museum
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der Zustifter
Nach einem flammenden Plädoyer des Landrats sprang der Funke dann auch wie erhofft
auf die Verantwortlichen der Kreissparkasse
über. Und in der Verwaltungsratssitzung am
20. Juni 2001 wurde beschlossen, 8.000.000
DM als Initialzündung in den Kapitalstock
der fortan vermögenden Stiftung Neanderthal Museum einzulegen. Damit soll
das Werk vieler Menschen, die mit Tatkraft,
Herzblut und Verstand das Zuhause des Neanderthalers zu einem Kulturträger internationalen Ranges geformt hatten, für weitere
Generationen erhalten und weiterentwickelt
werden.
Thomas Hendele
Landrat des Kreises Mettmann
Das weltbekannte Neandertal und sein
Museum bilden das Kernstück der touristischen Attraktivität im Kreis Mettmann. 1921
wurde das Gebiet zum ersten Naturschutzgebiet Preußens. Unweit des Fundorts des
Eiszeit-Menschen eröffnete 1937 ein urzeitgeschichtliches Museum, dem ein Journalist
‘den Charme einer Trafo-Station im Gebirge’
zusprach. 1962 wurde es umgestaltet und
es gab Anbau-Pläne, die aber 1982 wegen
des Naturschutzes scheiterten. Dem Neubau
an anderer Stelle stimmte der Kreis 1985 zu.
1991 verpflichteten er und der Förderverein
Neanderthal Museum sich, das neue Museum zu bauen und zu betreiben. Träger der
Stiftung Neanderthal Museum wurden sie
im Folgejahr. 1996 war der Kreis Mettmann
stolz, die Museumstüren für die Besucher zu
öffnen. Um die Einmaligkeit der Erlebnisse
im Neandertal zu ermöglichen, wird er engagiert bleiben. Künftig sollen die Projekte
‘Erlebnis Neandertal’ und der Masterplan
‘NaturKulTour Neandertal’ das Tal nachhaltig
ökologisch und touristisch aufwerten.
Ulrich Rüther
Vorstandsvorsitzender der Kreissparkasse
Düsseldorf
Konnte der Neanderthaler schon selbstständig Feuer machen?
Diese Frage wird unter Forschern bis heute
äußerst kontrovers diskutiert. Seine ‚Nachlassverwalter’ jedoch beherrschten 40.000
Jahre später das Feuermachen nur all zu
gut! Im Juni 2001 wandten sich die Verantwortlichen des Neanderthal Museums, an
ihrer Spitze Landrat Thomas Hendele, mit
einer im wahrsten Sinne des Wortes zündenden Idee an die Kreissparkasse Düsseldorf.
Durch Reiben der bis dahin vermögenslosen
Stiftung Neanderthal Museum an einem
zu schaffenden ansehnlichen Kapitalstock
sollte ein wärmendes Feuer für eine sichere
Zukunft des Museums entfacht werden.
Auch in den Folgejahren war die Kreissparkasse gern mit Feuereifer dabei, wenn es
darum ging, das Neanderthal Museum zu
fördern. Zum Beispiel anlässlich des 150.
Jahrestags seiner Entdeckung, als sich der
Neanderthaler 2006 auf dem Karnevalswagen der Kreissparkasse unter die Jecken des
Düsseldorfer Rosenmontagszugs mischte: Er
präsentierte sich dem staunenden Publikum
sowohl als ältester Jeck als auch als ältester
Sparer der Welt.
Tausende Narren erlebten einen Neanderthaler, der überhaupt nicht älter geworden zu
sein schien. Ein schöneres Kompliment kann
man ihm eigentlich nicht machen.
Herzlichen Glückwunsch zum 75. Geburtstag
an das Museum, in dem der Neanderthaler
zu Hause ist!
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75 Jahre Neanderthal Museum
Jochen Borchert
Präsident der Nordrhein-Westfalen-Stiftung
Naturschutz, Heimat- und Kulturpflege
Milena Karabaic
Landschaftsverband Rheinland, Leitung
Dezernat Kultur und Umwelt
Liebe Leserinnen, liebe Leser, der Bau des
neuen Neanderthal Museums in den 1990er
Jahren war eines der ersten und ehrgeizigsten Projekte in der Geschichte der 1986
gegründeten Nordrhein-Westfalen-Stiftung.
Aber unser großes Engagement für dieses
hochinteressante Museum hat sich gelohnt,
wie der anhaltend große Zuspruch der
Besucher zeigt. Wir freuen uns, dass das
Neanderthal Museum mit vielen engagierten Partnern heute so gut positioniert ist.
Auch uns liegt sehr daran, dass dieses Haus
für den weltweit vielleicht bekanntesten
Menschen aus Nordrhein-Westfalen seiner
Bedeutung entsprechend präsentiert wird.
Gern hat die NRW-Stiftung deshalb auch
geholfen, die Fundstätte für Besucher
herzurichten, das alte Museumsgebäude
als Steinzeitwerkstatt auszustatten und
die Dauerausstellung zu aktualisieren. Das
Museum thematisiert nicht nur Fragen der
Evolution, es ist seit 75 Jahren auch Teil
seiner eigenen Entwicklung und dabei auf
einem guten Weg!
75 Jahre Neanderthal Museum in Mettmann
Der Landschaftsverband Rheinland gratuliert
dem Neanderthal Museum! Vor 75 Jahren
öffnete es seine Pforten, um einem breiten
Publikum das Leben der Neanderthaler
zu erschließen. Seit 1996 ist seine Heimat
nun im gelungenen Neubau in unmittelbarer Nähe zur Fundstelle, die 1997 und
2000 durch Grabungen des LVR-Amtes für
Bodendenkmalpflege im Rheinland wieder entdeckt wurde, nachdem sie beinahe
150 Jahre lang für die Öffentlichkeit nicht
zugänglich war.
Der LVR als Zustifter und Mitglied im Stiftungsrat unterstützt die Positionierung des
Museums als Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit seit Jahren. Er fördert die vielfältigen museumspädagogischen
Aktivitäten, die es Groß und Klein gestatten,
in das Leben der Eiszeitjäger einzutauchen
und die Wechselausstellungen, die das Leben in der Frühzeit anschaulich machen und
die Dauerausstellung ergänzen. Mit der Jubiläumsausstellung „Mensch Affe“ gelingt ein
Einblick in die kulturgeschichtlichen Aspekte
der Rezeption unserer nächsten Verwandten
mit dem gewohnt versierten interdisziplinären Vermittlungsansatz des Präsentation.
75 Jahre Neanderthal Museum
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Bernd Günther
Bürgermeister der Stadt Mettmann
Arno Werner
Bürgermeister der Stadt Erkrath
Dr. Stephan Muschick
Geschäftsführer RWE Stiftung
Liebe Freunde des Neanderthal Museums,
als Bürgermeister der Kreisstadt Mettmann
freue ich mich, dass das Neanderthal Museum sein 75jähriges Bestehen feiert.
Zwar gibt es das Museum in seinem
heutigen Erscheinungsbild erst seit dem
Jahr 1996, doch ein ursprünglich kleineres
Museum öffnete bereits 1937 seine Pforten.
Woher kommen wir? Wer sind wir? Wohin
gehen wir? Dies sind die zentralen, stets
aktuellen Fragen, die durch das Museum
führen. Heute ist das Neanderthal Museum
aus dem Stadtbild und dem kulturellen
Angebot Mettmanns nicht mehr wegzudenken. Denn wie keine andere Einrichtung hat
das Museum Maßstäbe gesetzt. Das Haus,
seine Ausstellungen und die Präsentation
der Geschichte des Neanderthalers wurden national und international mehrfach
ausgezeichnet. Mit rund 170.000 Besuchern
im Jahr gehört das Neanderthal Museum zu
den erfolgreichsten archäologischen Museen
Deutschlands.
Meine langjährige Erfahrung mit Besuchergruppen im Rathaus hat gezeigt, dass sich
das Interesse auf zwei wesentliche Punkte
konzentriert. Der eine betrifft die Eisenbahngeschichte mit dem Bau der ersten
westdeutschen Eisenbahnverbindung von
Düsseldorf nach Erkrath im Jahre 1838.
Dazu gehört auch die Steilstrecke zwischen
Erkrath und Hochdahl, an welche noch
die am Hochdahler Bahnhof aufgestellte
ehemalige Umlenkrolle erinnert. Der zweite
Punkt beschäftigt sich mit dem Neanderthaler, dessen Überreste im August 1856 auf Erkrather Stadtgebiet gefunden wurden. Prof.
Dr. Carl Fuhlrott aus Elberfeld untersuchte
die Knochen und kam zu dem Ergebnis,
dass es sich um die Reste eines urtümlichen
Menschen handeln müsse. Dieser urtümliche
Mensch hat das Neandertal weltbekannt
gemacht, so dass man im Ausland mit der
Nennung dieses Namens mehr Aufmerksamkeit erzielt, als mit den Namen benachbarter
Großstädte.
Mit Freude blickt das Neanderthal Museum
auf das 75. Jubiläum seines Bestehens. RWE
ist stolz darauf, auch einen Beitrag zu dieser
Erfolgsgeschichte geleistet zu haben. Kein
archäologischer Fund in Deutschland, der
über 150 Jahre zurück liegt, ist weltweit so
bekannt wie der Neanderthaler aus dem
Namen gebenden Tal zwischen Erkrath und
Mettmann. Jährlich lockt das multimediale
Erlebnismuseum hunderttausende Besucher
an, um den Neanderthaler, den ausgestorbenen Verwandten des heutigen Menschen, zu
besuchen. Die entscheidenden Etappen der
Menschheitsgeschichte macht eine wunderbare Zeitreise erlebbar: „Leben und Überleben“, „Werkzeug und Wissen“, „Mythos
und Religion“, „Umwelt und Ernährung“
sowie „Kommunikation und Gesellschaft“.
Zu diesem Erfolg gratuliere ich und wünsche, dass auch zukünftig zahlreiche
Besucher aus dem In- und Ausland den Weg
in unser Neanderthal Museum und in die
Neandertal-Stadt Mettmann finden.
Wir gehen voRWEg und fördern Kultur und
Bildung. Uns geht es darum, zum Nachdenken anzuregen, neue Horizonte zu öffnen
und ganz unterschiedliche Menschen miteinander in Kontakt zu bringen, um die Region
nachhaltig zu stärken. Wir setzen durch
unser Engagement im Kultur- und Bildungsbereich Impulse für unsere Gesellschaft.
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75 Jahre Neanderthal Museum
Chronik
I. Etappe:
Startschuss für das
Neandertal
9. August 1921: Das Neandertal
wird Naturschutzgebiet
1927–1929 Ausgrabungen im
Neandertal
Im November 1920 gründet sich der Naturschutzverein Neandertal e.V. Seine Ziele
sind der Schutz des Düsseltales und seiner
verbliebenen Natur sowie die Würdigung
des Ortes des weltberühmten Menschenfundes. Am 09.08.1921 hat der Verein
bereits ein Ziel erreicht. Das Neandertal wird
zum ersten Naturschutzgebiet im Freistaat
Preußen erklärt. Im gleichen Jahr plant der
Leiter des städtischen Realgymnasiums, Dr.
Frieshammer, in Mettmann ein Heimatmuseum zu gründen, in dem Knochen und andere
Funde aus den Kalksteinbrüchen ausgestellt
werden sollen. Ab 1927 werden Funde im
Dachgeschoss des heutigen Mettmanner
Rathauses präsentiert.
Der Naturschutzverein finanziert Ausgrabungen unter der Leitung von Dr. Richard Rein
(Leiter der staatlichen Hauptstelle für naturwissenschaftlichen Unterricht, Zweigstelle
Düsseldorf) und Horst Sieloff vom Museum
Löbbeke, Düsseldorf. Die Funde, Steinwerkzeuge und Überreste eiszeitlicher Tiere wie
Rentier und Mammut, gehen in den Besitz
des Vereins über.
9. August 1921: Das Neandertal
wird Naturschutzgebiet
1927–1929
Ausgrabungen
im Neandertal
75 Jahre Neanderthal Museum
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21. August 1935 Eröffnung des
Wildgeheges
Der Naturschutzverein pachtet Land im Neandertal mit dem Ziel dort Wisente, Auerochsen und andere Tiere zu halten. Anlässlich
der Eröffnung des eiszeitlichen Wildgeheges
zeigt die Presse sich begeistert: „Dann
ziehen über die ‚Tundra‘ des Neandertals
Wildarten, die die Erinnerungen an die Jagd
unserer germanischen Vorfahren, ja an die
der Eiszeitmenschen, der kleinwüchsigen
Neandertalmenschen und der hochgewachsenen Renntier- und Mammutjäger, wieder
wach werden lassen.“ Bei der Eröffnung
spricht Landrat Tapolski. Der Kreisleiter Dr.
Peter Berns ist Vorsitzender des Naturschutzvereins.
21. August 1935
Eröffnung
des Wildgeheges
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75 Jahre Neanderthal Museum
II. Etappe:
Das erste Museum im
Neandertal
»Was wäre die Paläoanthropologie
ohne die Ur-Erzählung von den Urmenschen – die Geschichte vom Neanderthaler! Als Journalist habe ich diese Story
begeistert aufgegriffen. Erste Adresse
bei meinen Recherchen war das (neue)
Neanderthal Museum. Wie ein Reliquienschrein birgt dieses Haus kostbare
Knochen, ob sie nun echt sind oder
dupliziert. Zugleich aber enthält es stets
aktualisierte Information, zum Teil aus
eigener Forschungstätigkeit. Durch eine
zeitgemäße, nie schwülstige Präsentation
erhält die Information etwas von dem
zurück, was auch Reliquien umgibt. Eine
Hülle, welche Wissenschaftler in Publikationen meist sorgfältig abtrennen, ohne
die aber die Information nicht vollständig
wäre: die Aura des Staunens.
1. Mai 1937 Eröffnung
Neandertal-Museum
Unter der Führung des Naturschutzvereins
und mit Unterstützung der Gemeinden Mettmann, Gruiten, Erkrath und des Landkreis
Düsseldorf-Mettmann wird das ehemalige
Pumpenhaus der Hochdahler Hütte durch
einen Hallenbau ergänzt und zum Museum
ausgebaut.
Dr. Richard Rein entwickelt ein Ausstellungskonzept und wird nebenamtlicher Museumsleiter. Die Ausstellung im neuen Museum
wartet u.a. mit zwei elektrisch betriebenen
Modellen auf. Eines zeigt die Entdeckung
des Neanderthalers, das zweite veranschaulicht den „Werdegang und Erbstrom der
Menschheit“. Letzteres entspricht jedoch
nicht der nationalsozialistischen Ideologie.
Daher muss das Museum kurz nach seiner
Eröffnung auf politischen Druck hin wieder
schließen. Kreisleiter Dr. Peter Berns erklärt,
dass „die Entwicklung des Menschengeschlechts, vor allem aber die rassische
Herkunft des germanischen Menschen [ist]
nicht eindeutig und überzeugend dargestellt“ sei.
«
Martin Meister (Hamburg)
Chefredakteur GEO International
1. Mai 1937 Eröffnung
Neandertal-Museum
75 Jahre Neanderthal Museum
3. März 1938: Wiedereröffnung
des Urgeschichtlichen Museums
Nach der Umgestaltung unter Beteiligung
des Reichsleiters für Vorgeschichte Prof. Dr.
Hans Reinerth wird das Museum als „Urgeschichtliches Museum“ wieder eröffnet.
Die Ausstellung konzentriert sich nun auf
den Neanderthaler und ihr Rundgang endet
mit der „rassengeschichtlichen“ Entwicklung des deutschen Volkes. Der große Erfolg
des Museums lässt bald nach der Eröffnung den Ruf nach seiner Erweiterung laut
werden. Geplant wird ein Freilichtmuseum,
das auch die Freilegung der Wehranlage
auf dem Blixberg/Butterberg vorsieht. Dem
Naturschutzverein gelingt es 1939 offenbar
beim Reichsjägermeister Hermann Göring
Zusagen für eine finanzielle Unterstützung
zu erhalten. Mit Ausbruch des Zweiten
Weltkriegs kommt das Vorhaben zum
Erliegen. Dennoch werden der Besuch von
Museum und Wildgehege durch die NSDAP
propagiert.
3. März 1938: Wiedereröffnung
des Urgeschichtlichen Museums
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75 Jahre Neanderthal Museum
III. Etappe:
Erste Schritte nach
dem Krieg
Das Museum während des
Zweiten Weltkriegs
Das Museum ist bis in die 1940er Jahre für
die Öffentlichkeit zugänglich, wenngleich
auch im Keller bereits 1939 Militärpferde
untergebracht werden. Die Zusammensetzung der Besucher ändert sich: Während
die Zahl der Zivilisten abnimmt, suchen
mehr und mehr Wehrmachtsangehörige
Wildgehege und Museum auf. In den letzten
Kriegsjahren wird das Museum geschlossen,
da das Gebäude zunächst als Unterkunft
für Soldaten und dann für Fremdarbeiter genutzt wird. Das genaue Datum der
Schließung ist unbekannt. Als eine Luftmine
den Butterberg trifft, wird auch das Museum
beschädigt. Spätestens jetzt werden alle
Exponate magaziniert. Viele Objekte sind
allerdings zerstört oder entwendet worden.
Auch das Wildgehege ist gefährdet. Der
Naturschutzverein hat Mühe, alle Tiere zu
versorgen. Krankheiten dezimieren den
Tierbestand.
Das Museum während des
Zweiten Weltkriegs
10. Mai 1947 Wiedereröffnung
Nach Kriegsende wird das Museum zügig
wiedereröffnet. Da viele Exponate in den
Kriegswirren verschwunden sind, vereinbaren der Naturschutzverein und das im Krieg
zerstörte Museum Löbbecke aus Düsseldorf
eine Kooperation: Das Museum Löbbecke
stellt Exponate für die Ausstellung zur
Verfügung und im Gegenzug erhält es die
Einnahmen aus den Eintrittsgeldern. Der
Naturschutzverein kündigt den Vertrag zum
Dezember 1950, da er auf die Einnahmen
angewiesen ist, um neue Tiere für das Wildgehege ankaufen zu können. Die Lücken
in der Ausstellung des Museums werden
provisorisch durch Fotografien aufgefüllt.
10. Mai 1947 Wiedereröffnung
75 Jahre Neanderthal Museum
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Die Umstrukturierung und
Wiedereröffnung 1951/52
1956: 100 Jahre Entdeckung des
Neanderthalers
1957: Neanderthaler Geschichtenwald
Auf der Vorstandssitzung des Naturschutzvereins im März 1950 nennt Dr. Karl Vogler,
Referent für Heimatpflege beim Kultusministerium NRW sowie Betreuer des Kulturreferats im LVR als vordringlichste Aufgabe des
Naturschutzvereins die Wiederherstellung
der Ausstellung. Unter dem Eindruck der
1956 bevorstehenden 100-Jahrfeier der Entdeckung des Neanderthalers beschließt die
Mitgliederversammlung des Naturschutzvereins Hans Große (Leiter des Heimatmuseums
Hilden) und den frisch in Bonn promovierten
Urgeschichtler Dr. Karl-Josef Narr mit der
Entwicklung eines neuen Museumskonzeptes zu betrauen.
Im Jubiläumsjahr findet mit Unterstützung
der Wenner-Gren-Foundation ein internationales Symposium in Düsseldorf statt. Die
originale Schädelkalotte wird aus Bonn nach
Düsseldorf verbracht und dort ausgestellt.
Archäologen und Anthropologen aus aller
Welt nehmen an der Enthüllung einer Gedenktafel am Rabenstein teil. Das Museum
ist in die Festlichkeiten nicht einbezogen.
Museum und Wildgehege stehen wegen
mangelnder Attraktivität in der Kritik. Der
findige Unternehmer Erwin Lemmer aus
Hochdahl will die touristische Attraktivität
des Tales verbessern und plant die Einrichtung eines Neanderthaler Geschichtenwaldes. Im Stile der beliebten Märchenwälder
sollen Blockhäuser im Gelände verteilt
werden, die Szenen aus dem Leben der Neanderthaler zeigen. Ergänzt werden soll der
Geschichtenwald durch ein Vogelhaus, ein
Aquarium und ein Terrarium. Lemmer sieht
Investitionsbedarf und meint, „dass 70 %
fast aller geschlossenen Reisegesellschaften,
die das Neandertal besuchten, missmutig
und verärgert unser so gastfreundliches und
schmuckes Tal verliessen. Die restlichen 30
% dagegen hatten ihren Ärger im Alkohol
ertränkt, sodass selbst der „homo neandertalensis“ auf seinem Sockel im Garten der
Neanderhöhle den so Scheidenden aufatmend ein ‚Lebewohl‘ nachhauchte“.
Am 20.03.1951 wird das Museum wiedereröffnet. Leihgaben von Originalen aus
anderen Sammlungen stehen wegen der
mangelnden technischen Ausrüstung des
Hauses nicht zur Verfügung. Neben Knochenfunden eiszeitlicher Tiere aus dem Tal
selbst werden Schädelabgüsse, Tierplastiken,
Höhlenzeichnungen und Bilder der eiszeitlichen Großsäuger gezeigt. Schon kurz nach
der Wiedereröffnung werden aufgrund
rückläufiger Besucherzahlen und angesichts
des bevorstehen Jubiläums Überlegungen
angestellt, das Museum zu erweitern.
Lemmers Idee stößt auf Widerstand beim
Naturschutzverein. Das Bauamt des Kreises
Mettmann stimmt Lemmers Antrag zwar zu,
die Naturschutzbehörde lehnt ihn jedoch ab
und bringt das Projekt zu Fall.
1957: Neanderthaler Geschichtenwald
Die Umstrukturierung und
Wiedereröffnung 1951/52
1956: 100 Jahre
Entdeckung
des Neanderthalers
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75 Jahre Neanderthal Museum
IV. Teil:
Der Marathon zum
neuen Museum
1960–62: Die Umgestaltung des
Museums
Der Naturschutzverein, die Kreisverwaltung
Düsseldorf-Mettmann, sowie der Landschaftsverband Rheinland verfolgen seit
Ende der 1950er Jahre Pläne für eine bauliche Erweiterung des Museums und eine
Neuorientierung der Ausstellung.
Das unter Prof Dr. Hermann Schwabedissen
neu gegründete Institut für Ur- und Frühgeschichte der Universität Köln erklärt sich
zur Mitarbeit bereit. Schwabedissen verfolgt
ein ganzheitliches Ausstellungskonzept, das
den eiszeitlichen Menschen im Rahmen der
Klima- und Umweltgeschichte präsentiert.
Er beauftragt seinen Doktoranden Gerhard
Bosinski mit der Umsetzung des Konzeptes.
Zur Wiedereröffnung des Museums am
22.6.1962 sind auch bauliche Maßnahmen
erfolgt. Fenster, Decken, Heizung und Beleuchtung sind erneuert worden. Besuchertoiletten und ein Kassenhäuschen werden
eingerichtet. Die Ausstellungsfläche bleibt
mit 300m² unverändert.
Zur neuen Ausstellung gehört auch die
erste wissenschaftliche Rekonstruktion des
Original-Neanderthalers von Dr. Gerhard
Wandel.
1960–62: Die Umgestaltung
des Museums
75 Jahre Neanderthal Museum
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1968 Gründung des Zweckverband Erholungsgebiet
Neandertal e.V.
Der Kreis Mettmann, die Städte Düsseldorf, Erkrath, Haan, Mettmann, Wuppertal
sowie der Naturschutzverein Neandertal
e.V. schließen sich zu einem Zweckverband
zusammen. Aufgaben des Verbandes sind
die Erhaltung des Naherholungsgebietes
Neandertal, die Pflege von Natur und
Landschaft, sowie der Betrieb von Museum
und Wildgehege. Verwaltungssitz ist die
Winkelsmühle.
Rekonstruktion einer Neanderthalerin, Nina Kieser und Wolfgang Schnaubelt
für das Neandertalmuseum 1993
1968 Gründung des Zweckverband
Erholungsgebiet Neandertal e.V.
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75 Jahre Neanderthal Museum
1970–1977: Erste architektonische
Entwürfe für einen Neubau
75 Jahre Neanderthal Museum
1970–1977: Erste architektonische Entwürfe für einen Neubau
Auf der Mitgliederversammlung des
Naturschutzvereins am 23.10.1973 schlägt
Alfons Biermann, Leiter des Rheinischen
Museumsamtes, eine Zusammenarbeit des
Neandertalmuseums mit dem Museumsamt
und dem Rheinischen Landesmuseum vor.
Das Neandertalmuseum soll als gemeinsame Außenstelle betrieben werden.
Der Architekt Walter Arns entwirft darauf hin
für den Standort des Museums ein neues
architektonisches Konzept. Das alte Museumsgebäude wird zum Magazin und soll
eine Präparationswerkstatt beherbergen. In
einem Neubau sollen Dauer- und Sonderausstellungen sowie eine Forschungsabteilung
untergebracht werden.
19
20
75 Jahre Neanderthal Museum
1978 Ausstellungskonzeption
»Die Fundstelle des Namen gebenden
Neanderthalers von 1856 ist einer jener
Orte, an denen Menschheitsgeschichte
in besonderer Weise sichtbar wird. Aus
einem kleinen Museum in einem alten
Forsthaus entwickelte sich, ab 1996 in
einem auch architektonisch gelungenen
Neubau, ein attraktives Themenmuseum
rund um die faszinierende Menschenform
Neanderthaler. Vielfältige museumspädagogische Aktivitäten gestatten es Groß
und Klein, in das Leben der Eiszeitjäger
einzutauchen. Aktuelle Forschungen
zur Zeit der Jäger und Sammler werden
zeitnah in die Angebote des Museums
integriert.
Grabungen des LVR-Amtes für Bodendenkmalpflege im Rheinland in den
Jahren 1997 und 2000 führten zur Wiederentdeckung der verloren geglaubten
Fundstelle; wenige Jahre später folgte die
Wiederherrichtung durch die Stiftung Neanderthal Museum. Damit ist auch jener
magische Ort wieder erlebbar, an dem
vor über 150 Jahren alles begann.
«
PD Dr. Ralf W. Schmitz (Bonn)
Kurator, Rheinisches Landesmuseum
Die Dauerausstellung in dem geplanten neuen Museumbau soll nun die Menschheitsgeschichte in ihrer Gesamtheit präsentieren
mit einem Schwerpunkt auf der Eiszeit und
dem Neanderthaler. Die Vorstellungen von
Hermann Schwabedissen sehen eine Verzahnung von Museum und Forschung vor. Aus
dem Heimatmuseum soll ein internationales
Forschungsmuseum werden.
Der Neubau ist in greifbarer Nähe. Denn der
Naturschutzverein überträgt auf der Basis
eines Erbbaurechtsvertrags das Museum an
den Zweckverband. Der Landschaftsverband
Rheinland sowie das Institut für Ur- und
Frühgeschichte der Universität verpflichten
sich, den zukünftigen Betrieb des Museums zu unterstützen. Zur Finanzierung des
Neubaus wird eine Beteiligung des Landes
NRW und der Bundesrepublik Deutschland
angestrebt.
1979: Die Dringlichkeit des
Vorhabens
Die öffentliche Kritik am Zustand des Museums wird immer lauter. Besucher und Presse
greifen das negative Bild immer wieder auf.
Die Rheinische Post spricht am 09.06.1979
von einem „Bild des Jammers“ und einem
Museum, das allen Grund habe, sich wegzuducken – schließlich sei es zu einer traurigen
Knochensammlung „dahingewelkt“. Auch
Karl-Josef Narr, Planer der ersten Stunde,
äußert sich dahingehend, dass Besucher
berechtigt seien, ihr Eintrittsgeld zurück zu
verlangen.
1981: Die erneute Überarbeitung
der Ausstellung
Der Zweckverband veröffentlicht eine Broschüre, die den Planungsstand zusammenfasst. Für den Neubau des Museums werden
7,5 Mio. DM veranschlagt. Die Kosten sollen
zwischen dem Land Nordrhein-Westfalen,
dem Landschaftsverband Rheinland sowie
dem Zweckverband Neandertal aufgeteilt
werden. Bei den Besuchern kalkuliert man
mit 150.000 bis 200.000 Besuchern pro Jahr,
die Eintrittsgelder von 2 DM bzw. ermäßigt
1 DM entrichten sollen. Die daraus resultierenden Einnahmen sollen für die Unterhaltskosten verwendet werden.
Bei der Wiedereröffnung der unter Leitung
von Prof. Gerhard Bosinski umgebauten
Ausstellung im Juni 1981, sorgt die Rekonstruktion eines Neanderthalers, der nackt aber
ohne Geschlechtsteil gezeigt wird, für Spott.
Zwei Monate nach der Eröffnung sperrt der
Kultusminister im August sämtliche Zuschüsse für einen Museumsneubau. Neben den
Problemen bei der Finanzierung erfordern
naturschutzrechtliche Bedenken die Suche
nach einem neuen Standort.
Klaus Beckmann leitet das Museum bis
1996 und unternimmt kleinere Aktualisierungen mit unzureichenden finanziellen
Mitteln.
In den 1980er Jahren hielt Volker Freund, als
Vertreter des Kreises Mettmann, die Fäden
in der Hand. Von der Winkelsmühle aus
koordinierte er Besprechungen, Ortstermine, den Druck von Informationsbroschüren
sowie die Korrespondenz.
1978 Ausstellungskonzeption
1979: Die Dringlichkeit
des Vorhabens
1981: Die erneute
Überarbeitung
der Ausstellung
75 Jahre Neanderthal Museum
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22
75 Jahre Neanderthal Museum
1982: Gründung des Fördervereins Neanderthal Museum e.V.
Die reine Wissenschaft
Eine Episode aus dem Neandertal 1960-1970
Weiland da waren es einhundert Jahr
Die Jahre vergingen, es ging auch der Chef
Seit Fuhlrott die uralten Knochen hier sah.
Jetzt hatte ich Freiheit, das Fell das kam weg
Der Ort der Entdeckung war völlig verdreckt
Nun stand er gereinigt und nackt und auch bloß,
Der Fundplatz, der war unter Altöl versteckt.
Doch unten da war ja noch immer nichts los.
Die Welt, die verhöhnte die rheinische Art,
Als Zeugnis der reinen Wissenschaft
Den Urahn zu ehren; oh, war das so fad
haben wir ihn dann bekannt gemacht.
Nun wurde es nötig hier etwas zu tun,
Am Tage darauf da stand in der Presse
Die Sache war ernst, was machen wir nun?
Dass man es jetzt wohl genauesten wisse,
In Köln dort da war doch ein junger Student
Warum es ihn heute nun nicht mehr gäbe
Man glaubte, dass dieser die Sache gut kennt.
ohne das Ding da, dass er sich vermehre.
Und diesem sein Chef dann lakonisch befahl
Die Wissenschaft war nun ganz schrecklich blamiert.
Nun mach mal Museum Neandertal.
Der sexlose Adam wurd‘ magaziniert.
Steine und Knochen, die gab es genug
Ich glaube, es gibt ihn noch so oder so
Ein Mensch doch, der fehlte, und auch was er trug.
Im Bonner Museum und Monrepos.
Der Bildhauer Wandel, der hat ihn geschafft,
Im neuen Museum da wird es schnell klar,
Natürlich im Sinne der Wissenschaft
Dass Wissenschaft längst noch nicht alles war.
Die Größe die stimmte, die Muskeln, der Bauch,
Das Leben, das stellt doch viel mehr auf die Beine.
Die Haare doch fehlten und Anderes auch.
Als Stratigraphien und Knochen und Steine.
Die Tage vergingen, die Öffnung die kam,
Und was wir nicht wissen, was macht das denn schon,
Doch vorher da sah sich der Chef das noch an
Es bleibt doch am Ende die Illusion.
So nackt und so kahl, dass geht doch zu weit,
Das traurige Ende von unsrer Figur,
Sie lebten doch schließlich in kalter Zeit
Es stellt sie in Frage, die Wissenschaft pur.
Denkt auch an die Kinder, und hurtig und schnell,
Erhielt unser Adam ein sehr großes Fell.
Untröstlich, verärgert, beleidigt, geschafft
Ob dieser Verhöhnung der Wissenschaft.
Ertrug ich die Schmach nun für längere Zeit
Natürlich und allzeit zur Rache bereit.
Prof. Dr. Gerhard Bosinski
(St. Antonine de Nobel Val)
Prähistoriker, Professor em. für Ur- und
Frühgeschichte, Universität zu Köln
und Forschungsbereich Altsteinzeit Neuwied
Unterstützer der Museumsidee aus Politik,
Wirtschaft und Kultur gründen den Förderverein. An seiner Spitze stehen zunächst
Eberhard von Brauchitsch, Alois Pfeiffer und
Manfred Lahnstein.
Im März 1985 scheidet der Zweckverband
aus dem Museumsprojekt aus. Grund dafür
ist vor allem die finanzielle Lage der einzelnen Mitglieder, die eine Beteiligung an dem
Museumsneubau nicht erlaubt. Der Kreis
Mettmann ist somit gezwungen, nicht nur
einen neuen Standort, sondern auch neue
Partner bei der Realisierung zu suchen.
1986: Das neue
Ausstellungskonzept
Unter dem neuen Vorsitzenden des Fördervereins, Prof. Dr. Dres. h.c. Gert Kaiser wird
Prof. Dr. Winfried Henke mit Planungen zu
einem neuen Ausstellungskonzept beauftragt. Das transdisziplinäre Konzept steht
unter dem Motto: „Woher kommen wir?
Wer sind wir? Wohin gehen wir?“
1982: Gründung des
Fördervereins
Neanderthal Museum e.V.
75 Jahre Neanderthal Museum
V. Etappe:
Der Endspurt zum
neuen Museum
23
1987: Die NRW-Stiftung
sagt Unterstützung zu
Im Jahr 1986 wird Ministerpräsident Johannes Rau Mitglied im Förderverein. Im Jahr
darauf erklärt die NRW-Stiftung Naturschutz, Heimat und Kulturpflege auf einer
Pressekonferenz am 22.10., den Neubau des
Museums mit 12 Mio. DM zu unterstützen.
»Es gibt wohl keinen geeigneteren
Landrat Pensky mit dem Neanderthaler auf Tournee in Berlin-Wedding.
Ort für ein Evolutionsmuseum als das
Neandertal. So dachten auch die Gründer
des ersten Neandertal-Museums – mit
vollem Recht, denn der ‚Neanderthaler‘
gilt seit seiner Entdeckung 1856 als Synonym für den Urmenschen, ist Mythos und
wissenschaftliches Dokument zugleich.
Das Museum war anfangs ideologisch
belastet und blieb in den Nachkriegsjahren ‚provinziell‘. Nachdem die Pläne
für ein renommiertes „Schaufenster der
Eiszeit“ scheiterten, war auch meine
Enttäuschung groß, da ich als anthropologischer Berater involviert war. Mit
großer Freude sagte ich deshalb 1986 zu,
als Herr Professor Gert Kaiser mich um
den Entwurf einer Einrichtungskonzeption bat. Meine Beratungstätigkeit, der
Architektenwettbewerb und die Eröffnung des neuen Hauses sowie die stets
befruchtende Zusammenarbeit mit Herrn
Kollegen Gerd-Christian Weniger und seinen Mitarbeitern habe ich in angenehmster Erinnerung. In diesem Sinne freue
ich mich über das hohe internationale
Renommee des Forschungsmuseums und
wünsche der Leitung und allen Mitarbeitern zum 75-jährigen Jubiläum weiterhin
viel Erfolg!
«
Apl. Prof. Dr. Dr. h. c. Winfried Henke (Mainz)
Professor für Anthropologie, Universität Mainz
1987: Die NRW-Stiftung sagt Unterstützung zu
24
75 Jahre Neanderthal Museum
Ankauf des Grundstückes
Die Stadt Mettmann erwirbt das Grundstück
des Neanderhofes und stellt es als neuen
Museumsstandort zur Verfügung. Andere
Standorte scheiden dadurch aus.
1987: Ankauf des Grundstückes
1987: Die Umsetzung
des Ausstellungskonzeptes
75 Jahre Neanderthal Museum
25
1988: Grundlagen für die
Organisationsform
Der Kreistag des Kreis Mettmann beschließt
der geplanten Stiftung Neanderthal Museum
beizutreten und das Betriebskostendefizit
des zukünftigen Museums zu übernehmen.
Am 18.11.1989 findet in Mettmann ein von
der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanziertes und vom Förderverein organisiertes wissenschaftliches Symposium statt, von
dem neue Impulse für das Ausstellungskonzept ausgehen sollen. Ziel ist, dem Museum
und seinem Konzept einen unverwechselbaren Charakter zu verleihen.
1987: Die Umsetzung des
Ausstellungskonzeptes
Im Jahr 1990 entwickeln sich Kontakte zu
RWE AG, die Rolf Zehetbauer beauftragt einen Entwurf zur gestalterischen Umsetzung
Der Förderverein beauftragt neben
Prof. Dr. Winfried Henke den Direktor
des Naturkunde Museums Münster,
Prof. Dr. Ludwig Franzisket, ein Raumund Ausstellungskonzept zu
konkretisieren.
des Ausstellungskonzeptes vorzulegen.
1988: Grundlagen für die Organisationsform
26
75 Jahre Neanderthal Museum
1991–1992: Gründung der
Stiftung Neanderthal Museum
1993–1994: Der Architektur­
wettbewerb
Der Förderverein Neanderthal Museum
e.V. der Kreis Mettmann, die NRW Stiftung
Naturschutz, Heimat und Kulturpflege und
die Stadt Mettmann sichern über mehrere Verträge die Gründung der Stiftung
Neanderthal Museum ab, deren Aufgabe der
Betrieb des Museums ist. Der Kreis und der
Förderverein sind die Träger der vermögenslosen Stiftung Neanderthal Museum. Die
NRW-Stiftung gewährt der Stiftung Neanderthal Museum den Nießbrauch an dem
geplanten Museumsbau, für den sie 12 Mio.
DM bereit stellt. Die Stadt Mettmann stellt
das Grundstück für den Museumsbau im
Rahmen eines Erbbaurechtsvertrags zur Verfügung. Die RWE AG sagt zu, 5,5 Mio. DM
für die Einrichtung des Museums beizusteuern. Prof. Dr. Dres. h.c. Gert Kaiser wird zum
ersten Vorsitzenden der Stiftung gewählt.
Oberkreisdirektor Robert Wirtz wird zum
Geschäftsführer der Stiftung gewählt.
Die Stiftung Neanderthal Museum lobt einen Wettbewerb für das neue Museum aus,
an dem 136 Büros teilnehmen. Die Stiftung
beauftragt die Gewinner des 1. und des 2.
Preises mit einer Überplanung ihrer Wettbewerbsentwürfe und beauftragt schließlich
Günter Zamp Kelp, Julius Krauss und Arno
Brandlhuber aus Düsseldorf mit der Planung
des neuen Museums.
1991-1992: Gründung der
Stiftung Neanderthal Museum
1993-1994: Der Architekturwettbewerb
1993: Wissenschaftliche Planungsgruppe
75 Jahre Neanderthal Museum
27
1993: Wissenschaftliche
Planungsgruppe
Die Stiftung Neanderthal Museum beruft
den Urgeschichtler Prof. Dr. Gerd-Christian
Weniger zum wissenschaftlichen Leiter der
Planungsgruppe. Er steht einem Team externer Experten aus Wissenschaft, Museumskunde, Medien und Marketing vor, das als
„Think Tank“ das Museumskonzept weiter
entwickelt. Ab 1995 wird er von Dr. Bärbel
Auffermann als Volontärin unterstützt.
Die französischen Ausstellungsgestalter
CREAMUSE erhalten schließlich den Auftrag,
die Ausstellung zu realisieren.
1994: Schenkung der RWE AG
Im Rahmen eines Schenkungsvertrages stellt
die RWE AG dem Förderverein Neanderthal
Museum 5,55 Mio. DM für die Einrichtung
des Museums und seiner Ausstellung zur
Verfügung.
10. Oktober 1996: Eröffnung des
neuen Neanderthal Museums
Im Beisein des Bundespräsidenten Roman
Herzog und des Ministerpräsidenten von
NRW, Johannes Rau wird das neue Neanderthal Museum nach einer Bauzeit von 12
Monaten und einer Planungs- und Bauzeit
von 24 Monaten für die Dauerausstellung
eröffnet. Das neue Museum wird sofort zu
einem Besuchermagneten und hat in den
ersten 12 Monaten 240.000 Besucher.
1994: Schenkung der RWE AG
10. Oktober 1996: Eröffnung des
neuen Neanderthal Museums
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75 Jahre Neanderthal Museum
Seit 1962 ist das Neandertal mein Wohnund Bürostandort. Dr. Martin Dohrmann
und Dr. Klockenhoff haben mich in den
60er Jahren in den Naturschutzverein Neandertal geworben und im Förderverein
haben meine Frau und ich die Mitgliedsnummer 65.
»In den 60er und frühen 70er Jahren
war das Tal noch nicht so verbuscht wie
heute und ökologisch und ästhetisch vielfältiger. Besonnte Magerwiesen waren
noch vorhanden und es gab Sichtachsen
auf reizvolle Landschaftselemente wie
Laubach Wasserfall, Glühwürmchenfelsen, besonnte Felswände und alte
Steinbruchkanten, usw. die nach Süden,
Südwesten und Südosten orientierten
Felswände waren Wärmespeicher mit
besonderer Flora und Fauna. Mein Anliegen ist, dass diese Vielfalt wieder erreicht
wird. Der Höhenpfad muss kommen. Die
vorsichtige Erschließung der reizvollsten
Landschaftsbereiche für den Menschen
verträgt sich durchaus mit Belangen des
Naturschutzes.
Es ist eine von Menschen gemachte
Landschaft hier und der Mensch muss
gestalterisch eingreifen, damit sie nicht
zur Monokultur verkommt.
1998: Steinzeitwerkstatt
1998: Ankauf der Fundstelle
In den Räumen des alten Museums wird
zunächst provisorisch ein Zentrum für die
Didaktik der Steinzeit eingerichtet, das von
Besuchergruppen, insbesondere Schulklassen, hervorragend angenommen wird.
Mit Unterstützung der NRW Stiftung erwirbt
die Stiftung Neanderthal Museum von der
Rheinisch-Westfälischen Kalkwerke AG das
Gelände des Frauenhofer Steinbruchs, auf
dem sich auch das Areal des ehemaligen
Fundortes befindet. Bei Sondagen im Jahr
zuvor, hat das Rheinische Amt für Bodendenkmalpflege Reste der Sedimentfüllung
der Kleinen Feldhofer Grotte entdecken
können.
Ausgrabungen im Jahr 1997 und 2000 erlauben es, die Lage der zerstörten Feldhofer
Grotte zu lokalisieren (s. Bild oben)
«
Richard Bödeker (Mettmann)
Landschaftsarchitekt
1998: Steinzeitwerkstatt
1998: Ankauf der Fundstelle
75 Jahre Neanderthal Museum
EUROGA 2002plus: Fundstelle,
Steinzeitwerkstatt und Skulpturenpfad
Der Kreis Mettmann und die Stiftung
Neanderthal Museum beteiligen sich an
der Regionalen des Landes NRW. Für die
Gestaltung des Fundortes des Neanderthalers wird ein internationaler Wettbewerb für
Landschaftsarchitekten ausgelobt. Das Büro
Lützow 7 gewinnt den Wettbewerb. Aus
der Industriebrache werden ein archäologischer Park und der Fundort erstmals für die
Öffentlichkeit zugänglich.
Das alte Museumsgebäude wird renoviert
und zum einem didaktischen Zentrum
ausgebaut. Im Obergeschoss wird die
wissenschaftliche Abteilung des Museums
eingerichtet.
Entlang der Düssel entsteht der Skulpturenpfad „MenschenSpuren“. Zehn Künstler von
internationalem Renommee setzen sich in
ihren Arbeiten mit dem Konflikt Mensch –
Natur auseinander.
10.10.2006: Eröffnung der neugestalteten Dauerausstellung
Zum 150jährigen Jubiläum der Entdeckung
des Neanderthalers wird die Dauerausstellung des Museums im laufenden Betrieb
umfassend überarbeitet.
EUROGA 2002plus:
Fundstelle, Steinzeitwerkstatt
und Skulpturenpfad
10.10.2006: Eröffnung der
neugestalteten Dauerausstellung
29
30
75 Jahre Neanderthal Museum
2006: Zustifterinitiative
Ein zur Jahrtausendwende begonnener
Prozess mit der Genehmigung der neuen
Stiftungssatzung macht aus der vermögenslosen Stiftung Neanderthal Museum eine
vermögende Stiftung. Der Kreis Mettmann,
die Kreissparkasse Düsseldorf, der Landschaftsverband Rheinland, die NRW-Stiftung
sowie die beiden Städte Mettmann und
Erkrath stellen durch Zustiftungen ein
Vermögen bereit, das für die Erfüllung des
Stiftungszwecks eingesetzt werden kann.
17.03.2009: Neanderthaler
Gesellschaft e.V.
Der Förderverein Neanderthal Museum e.V.
wird in die Neanderthaler Gesellschaft e.V.
umbenannt, mit dem Ziel, nicht nur das
Museum, sondern auch wissenschaftliche
Projekte zur frühen Menschheitsgeschichte
zu fördern, für eine freie Forschung in der
Gesellschaft zu wirken und die breite Öffentlichkeit über die weltgeschichtliche Bedeutung des Neanderthalers aufzuklären.
VI. Etappe:
Auf der Zielgeraden?
2010: Masterplan
Seit 2004 lotet eine Arbeitsgruppe aus Vertretern des Kreis Mettmann und der Stiftung
Neanderthal Museum Möglichkeiten aus,
das kulturelle Erbe Neanderthaler und die
Naturschätze des Tales kulturtouristisch
weiter aufzuwerten. Mit Unterstützung des
Landes NRW starte in 2010 der Masterplan
NaturKulTour, der alle Träger öffentlicher und
privater Belange im Tal zusammenbringt, um
die Zukunft des Tales gemeinsam weiter zu
entwickeln.
2012: 75 Jahre Neanderthal
Museum – die Geschichte geht
weiter
Die Stiftung beteiligt sich mit dem Fundort
des Neanderthalers an dem Aufruf des Landes NRW, potentielle Orte für die Aufnahme
in die Liste des Weltkulturerbes der UNESCO
zu benennen.
17.03.2009: Neanderthaler
2010: Masterplan
Gesellschaft e.V.
2006: Zustifterinitiative
75 Jahre Neanderthal Museum
nichts. Das ist die rheinische Baubremse,
die vor allem linksrheinisch zwischen
dem Kastell Confluentes und Castrum
Novaesium, also zwischen Koblenz und
Neuss prima zündet. Für die Archäologen
des Neandertals aber kann der banale
Römer nicht mithalten.
Aus Sicht dieses famosen Museums
auf der Schäl Sick sind römische Funde
neumodischer Plunder.
Grußwort des Bundespräsidenten
Sie haben richtig gelesen. Zu einem so
würdigen Anlass müsste eigentlich der
Bundespräsident zu Wort kommen. Aber
bis zur Drucklegung dieser Schrift war
noch keiner im Amt. Und bevor sein Stellvertreter Seehofer aus Bayern bemüht
wird, mach ich das hier mal.
»Der Kirchenmusiker Neander (1650–
1680) war – wie der künftige Bundespräsident – evangelischer Pastor und hieß
obendrein wie dieser Joachim.
Nur weil der musikalische Gottesmann
das Tal oft durchwanderte, ist er letztlich
schuld, dass wir heute das Neandertalmuseum feiern. Denn indem man das
schroffe Tal an der Düssel nach ihm
benannte, gab er unseren ausgestorbenen Verwandten seinen Namen. Gut, der
Benennung des Neanderthalers ausgerechnet nach dieser Schlucht haftet eine
gewisse Zufälligkeit an – schließlich hat
man auch anderswo auf der Welt Skelettteile dieser Gattung gefunden – aber
in unserer Region sorgt man eben dafür,
dass Zufälle nicht dem Zufall überlassen
werden.
2012: 75 Jahre Neandertal
Museum –
die Geschichte geht weiter
Schließlich erlebt man bei uns im Rheinland Geschichte auf Schritt und Tritt, liegt
sie doch unmittelbar unter uns. Machen
Sie mal einen Spatenstich in die Erde: Erst
kommt der Regenwurm, dann der Römer.
Das ist übrigens sehr praktisch, wenn
Sie einen Nachbarn haben, der irgendetwas baut, was Ihnen nicht passt. Dann
schmeißen Sie einfach eine alte römische
Scherbe in die Baugrube, ein Anruf genügt, dann kommen die Archäologen, die
finden diese Scherbe dann zufällig, und
dann passiert erstmal zwei Jahre lang
Hier werden elementare Fragen des humanen Lebens und Werdens beantwortet:
Der Mensch – was macht der eigentlich beruflich? Die längste Zeit unserer
Existenz waren wir Jäger und Sammler.
Die Männer eher Jäger, die Frauen eher
Sammler – deswegen haben Frauen heute noch Handtaschen. Lange hatten wir
vom Neanderthaler das Bild eines primitiven Affen, der tumb in der Höhle haust.
Weit gefehlt. Heute weiß man: Er hatte
bereits Zelte, machte wie wir Camping.
Nun werden Sie einwenden: Camping ist,
wenn man seine eigene Verwahrlosung
als Erholung empfindet.
Doch Vorsicht! Der Neanderthaler war
kultiviert, hatte Werkzeuge und Waffen, ging auf die Jagd und hat reichlich
Fleisch verzehrt, also viel Eiweiß. So kam
er zu einem Gehirn mit stolzen 1600ccm
Volumen!
Da kommt unsereins nicht mit, wir müssen mit bescheidenen 1500ccm durchs
Zentralabitur.
Damit wir trotzdem alles verstehen,
hat man hier im Neandertalmuseum
alles so wunderbar plastisch aufbereitet, und man ist fast traurig, dass der
Homo Sapiens wie du und ich den Homo
Neandertalensis einst verdrängt hat. Aber
weiß man´s? Wenn ich mir die kluge Konversation, die prägnante Schädel-Physiognomie, die kräftigen, hervorstehenden
Augenbrauen, das volle Haar und den
unbändigen Freiheitsdrang vor Augen
führe, so glaube ich: Der Neanderthaler
hat überlebt – und ist soeben Bundes­
präsident geworden.
Wenn das kein Grund zum Feiern ist!
«
Jürgen Becker (Köln)
Kabarettist
32
75 Jahre Neanderthal Museum
»Neanderthaler liefen den ganzen Tag
mit Knüppeln durch die Gegend“ und
„Museen sind langweilige Lagerhallen
voll mit altem Zeug“ – nicht zuletzt Dank
des Neanderthal Museums sind das
längst widerlegte Halbwahrheiten und
Vorurteile. Man muss sich nur die enorme
Bandbreite des Museumsprogramms und
seiner Themen zwischen Urgeschichte(n)
und den großen Fragen der Gegenwart
und Zukunft ansehen, um zu erkennen,
warum dieses besondere Museum einen
hervorragenden Ruf unter Experten
genießt und zugleich immer mehr kleine
und große Fans begeistert.
Im Neanderthal Museum wird aus grauer
Vorzeit lebendige Geschichte. Etwas
Besseres kann man über ein Museum
nicht sagen. Ich gratuliere herzlich zum
jugendlichen Fünfundsiebzigsten!
«
Hannelore Kraft (Düsseldorf)
Ministerpräsidentin des Landes NordrheinWestfalen
Als am 10. Oktober 1996 das neue Museum eröffnet wurde, war endlich eine kulturelle
Herausforderung von europäischem Rang angenommen worden: ein Museum war entstanden an dem Ort, der ein wichtiges Kapitel europäischer Kulturgeschichte geschrieben hat.
Das Museum heute
Seitdem haben über 2,5 Millionen Menschen das Neanderthal Museum besucht. Das Tal hat
sich mit Herrichtung der Fundstelle, dem Kunstweg MenschenSpuren und der Etablierung der
Steinzeitwerkstatt in den Räumen des alten Museums weiter entwickelt. Zur Zeit laufen die
Planungen für „Erlebnis Neandertal“ zur naturverträglichen kulturtouristischen Aufwertung
des Tales, sowie die Bewerbung um das Weltkulturerbe-Siegel der Unesco.
Das Neanderthal Museum ist als Stiftung bürgerlichen Rechts organisiert, mit dem Kreis
Mettmann als zentralem Gewährsträger. Es gehört zu den wenigen Museen in Deutschland,
denen es gelingt, sich vor allem aus Eintrittserlösen und eingeworbenen Drittmitteln zu
finanzieren. Jährlich werden im Bereich Führung und Didaktik weit über 3.000 Veranstaltungen durchgeführt. Neben den 150.000–160.000 Besuchern in Dauer- und Sonderausstellungen kommen so bis 25.000 Menschen jährlich in die Steinzeitwerkstatt. Der hohe Anspruch
an die Eigenfinanzierung ist eine große Herausforderung, die sich in der Ausrichtung des
Museums und auch in der täglichen Museumsarbeit widerspiegelt.
33
75 Jahre Neanderthal Museum
Besucherzahlen
»Ein wunderbares Museum! Weltweit
Ausstellungen
Seit der ersten Sonderausstellung im neuen
Neanderthal Museum „Ötzi“ wurden im Untergeschoss des Museums 35 Ausstellungen
zu den verschiedensten kulturgeschichtlichen Themen gezeigt. Ziel ist es, mit Ausnahme der Ab- und Aufbauphasen kontinuierlich
Sonderausstellungen zu präsentieren. Darunter sind Ausstellungen, die von anderen Häusern übernommen wurden, die gemeinsam
mit anderen Museen entwickelt wurden und
auch Ausstellungen, die in Eigenkonzeption
entstanden. Letztere werden in der Folge als
Wanderausstellungen auf dem europäischen
Markt angeboten und spielen Einnahmen für
das Museum ein.
Dr. Bärbel Auffermann ist als stellvertretende Museumsdirektorin zuständig für das
Ausstellungsmanagement. Ihr ist es gelungen, dem Neanderthal Museum trotz der
begrenzten Ausstellungsfläche ein national
und international anerkanntes Profil für erfolgreiche, besucherorientierte Ausstellungen
zu verschaffen.
bekannt und anerkannt. Ergänzen sollte
man es durch ein „Museum der Zukunft“, das die technischen und sozialen
Entwicklungen der nächsten Jahrzehnte
abschätzt. Erkrath – Fundort des Neanderthalers, ein Alleinstellungsmerkmal,
das von der Mehrheit der heute auf der
Erde lebenden Menschen verstanden
wird. Dazu ein seriöser Blick in die Zukunft. Dieser Ort könnte für die Evolutionsgläubigen das werden, was Mekka für
die Muslime ist. Zuviel für Erkrath?
«
Hasso von Blücher (Erkrath)
Unternehmer
34
75 Jahre Neanderthal Museum
»Schon sehr lange hatten wir bedauert,
dass es den bisherigen Museen nicht
gelingen wollte, die große Bedeutung des
Fundes hier im Tal angemessen zu würdigen, obwohl seit mehr als 100 Jahren
alle namhaften Lexika dieser Erde den
„Neanderthaler“ erwähnen und ihn zum
bekanntesten Bewohner unserer Heimat
machten.
Erst der Initiative der auch heute noch
in Leitung der Neandertal- Gesellschaft
und des Museums tätigen Verantwortlichen ist es zu verdanken, dass mit dem
Neubau des jetzigen Hauses mit großem
Erfolg nicht nur eine neuartige informative Museumskonzeption umgesetzt wurde, sondern auch die wissenschaftliche
Erforschung der Evolution des Menschen
weiter vorangetrieben wird.
Uns lag daran, deutlich zu machen, dass
auch Bürger dieses „Neandertal-Landes“
mit bescheidenen Beiträgen helfen können, gesetzte Ziele zu verwirklichen und
ihre Verbundenheit mit dem Museum zu
zeigen. Unsere Stiftung HABRIS soll dies
noch lange tun.
Als Förderer der ersten Stunde gratulieren wir zum 75-jährigen Bestehen des
Neanderthal Museums ganz herzlich,
wünschen immer viele wissbegierige oder
„nur“ neugierige, aber stets zufriedene
Besucher und der Forschungstätigkeit
mindestens soviel Erfolg, dass sie immer
wieder Freude macht.
«
Pleistocene People and Places
nespos.org
Forschung
von der DFG finanzierten und an der UniverDas Neanderthal Museum hat sich unter der
sität Köln beheimateten SonderforschungsLeitung von Prof. Dr. Gerd-Christian Weniger
bereiches „Our way to Europe“ die Proseit seiner Eröffnung im Jahre 1996 zu einer
jektgruppe „Westlicher Mittelmeerraum“.
international anerkannten Institution zur Erforschung der frühen Menschheitsgeschichte Darüber hinaus finden regelmäßig internationale Tagungen und Symposien statt,
entwickelt. Mehrere Forschungsprojekte im
die transdisziplinäre Forschungskontakte
europäischen Verbund wurden von Drittmitund Denkprozesse anregen. Die Ergebnisse
telgebern gefördert. Es betreut mit NESPOS
dieser Tagungen werden in einer eigenen
die größte Datenbank zur Archäologie der
Schriftenreihe vorgelegt.
Eiszeit weltweit. Aktuell koordiniert das
Neanderthal Museum im
Rahmen
Anzahl
der des
Führungen 1997 bis 2011
Anzahl der Führungen
3.000
Hans & Brigitte Schmits (Mettmann)
2.250
1.500
750
1997 1998 1999 2000
2001
2002
2003
2004
2005
2006
2007
0
2008
2009
2010
2011
75 Jahre Neanderthal Museum
Marke
Im Vorfeld des Jubiläums 2006 intensivierte die Stiftung Ihre Anstrengungen das
Markenprofil des Neanderthal Museum zu
schärfen. Im Anschluss an die Erstellung
der Neanderthaler Rekonstruktion, die in
Anlehnung an eine WDR-Dokumentation
etwas augenzwinkernd den Namen „Mr.
N.“ erhielt, wurden mit Unterstützung von
Grafikern und Fotografen so genannte
Keyvisuals und ein neues Corporate Design
entwickelt, welches in den folgenden Jahren
auf sämtliche Medien des Museums übertragen wurde. Maßgeblich geprägt wurde das
neue Marketingkonzept vom stellvertretenden Direktor Roland Ebbing, der seit Ende
2004 für die Bereiche Finanzen, Marketing
und Personal verantwortlich ist; „Die Marke
Neanderthal Museum emotional aufzuladen
und weite Kundenkreise für unser Haus zu
begeistern, ist unser Ziel“.
Neben dem Design der Medien und einer
veränderten Kundenkommunikation stand
auch eine Reform des Museumsshops und
seines Sortimentes auf dem Plan. Auch hier
zeigte sich binnen kürzester Zeit die positive
Verschmelzung von Innenarchitektur, CorpoFinanzen Museum
rate Design und einer Kundenorientierung,
die in der Museumslandschaft Ihres Gleichen
sucht. Reaktionen auf dieses ganzheitliche
Markenverständnis ließen nicht lange
Kreis Mettmann
auf sich warten. 2008 zählte das
16%
Neanderthal Museum zu den Top 10
der deutschen Kulturmarken. Auch
Zinserträge
die Weiterentwicklung der digitalen
10 %
Marke in Form von Internetseite,
Social-Media-Präsenzen und SmartDrittmittel
10 %
phone-App brachten große Anerkennung in der Fachwelt, in Publikationen
Umsatzerlöse Museum
und weit darüber hinaus.
63 %
35
36
75 Jahre Neanderthal Museum
Shop
Den Museumsshop des Hauses betreibt die
Stiftung in eigener Regie. Er trägt mit seinen
Erlösen zur Finanzierung des Gesamtbetriebes bei. Unsere Shopmanagerin Petra
Jäschke B.A. hat in den zurückliegenden
Jahren ein Konzept für Shopbetrieb und
-sortiment entwickelt, welches in der Museumslandschaft große Beachtung findet. Der
fein abgestimmte Mix an außergewöhnlichen Präsenten, exklusiven Geschenkartikeln und besucherorientierten Souvenirs für
„groß und klein“ macht den Erfolg aus. Die
Weiterentwicklung der Eigenprodukte hin
zu einer „Reseller-Kollektion“ betreibt die
Stiftung ebenfalls mit Erfolg. Die Produkte
des Neanderthal Museum finden sich somit
in den Museumsshops namhafter deutscher
Häuser und des deutschsprachigen Auslandes wieder.
Anzahl der Veranstaltungen in der Steinzeitwerkstatt 1997 bis 2011
Workshops in der Steinzeitwerkstatt
2.000
1.500
1.000
500
1997 1998
1999
2000
2001
2002
2003
2004
2005
2006
2007
2008
0
2009
2010
2011
Steinzeitwerkstatt
Im Museum und seinem erlebnispädagogischen Bereich, der Steinzeitwerkstatt, finden
jährlich über 3000 Veranstaltungen statt:
Führungen, Workshops, Seminare, Steinzeitgeburtstage und Lehrerfortbildungen.
Bereits mit Neueröffnung 1996 startete
das Museum mit einem differenzierten
Führungsangebot. Seit 1998 wurde in den
Räumen des alten Museums die Steinzeitwerkstatt betrieben, die 2002 mit Mitteln
der Euroga 2002plus renoviert wurde. Der
Leiterin der Museumspädagogik, Beate
Schneider M.A., gelang es in den vergangenen Jahren, das Museum als außerschulischen Lernort in Nordrhein-Westfalen zu
etablieren. Die pädagogischen Angebote
des Museums sind auf die Lehrpläne der
verschiedenen Altersstufen und verschiedener Fächer abgestimmt.
»Als ich das Museum betrat hatte ich
gleich das Gefühl, dass der Bursche im
Eingang irgendwie mit mir verwandt war.
Vielleicht lag es aber auch daran, dass
meine Mutter früher, wenn es Gehacktes
zum Essen gab, immer zu mir gesagt hat:
Los Michael – iss das „Mett Mann“!
Auf alle Fälle habe ich mich sofort wie
zuhause gefühlt. Das Passfoto meines
Vorfahren hat dann endgültig alle Zweifel
beseitigt. Ich wünsche allen Besuchern in
den nächsten 75 Jahren, dass es ihnen im
Museum genauso gut gefällt wie mir.
Beste Grüße aus der Hammaburg!
«
Mike Krüger (Hamburg)
Komiker, Kabarettist und Sänger
75 Jahre Neanderthal Museum
37
38
I subsequently returned to Bonn in 1985 to
collect more data (this time radiographic
for cross-sectional geometric analyses) from
both the Neandertal remains and the late
Upper Paleolithic Oberkassel skeletons.
75 Jahre Neanderthal Museum
»The Neandertal find is still one of the
most important in the history of palaeoanthropology, and it is very appropriate that
there is a wonderful Museum to celebrate
it, and place it in context. Congratulations
to the Neanderthal Museum on its 75 years
from someone who began his career with
the study of the Neander Valley fossil, and
who has enjoyed visiting the Museum many
times!
«
Dr. Chris Stringer (London)
Paläoanthropologe, Natural History Museum
London, “Head of Human Origins”
»In 1973, as a naïve graduate student,
I spent the fall travelling around Europe
looking at the leg and foot bones of Neanderthals, and secondarily at the remainder
of the skeleton as available. In the course of
my travels, I took the train from Brussels via
Cologne to Bonn (only realizing I was on the
right train after it had left the Cologne station), found a little hotel in Bonn, managed to
reserve a room in German, and located the
Rheinisches Landesmuseum. I had previously received permission from Hans Joachim
to examine the human remains from the
Neandertal, so I made my way on a cold and
damp November morning to the museum. I
was warmly received, and the postcrania of
the skeleton appeared in a padded wooden
box (described to me as “die Heilige Kuh”).
The calotte (“die ganz Heilige Kuh”), then
on display was not available for study.
Over the years, in analyses of both the
Neanderthals and early modern humans, the
data I gathered from the Kleine Feldhofer
Grotte remains and the Oberkassel ones
(morphometric, biomechanical and paleopathological), has become integral to what
is really of interest to me, and has been
since the beginning of my paleontological
forays. The concern is with them as people,
as seen through their paleobiology, and not
necessarily with whom they had sex (which,
after all, is what the phylogenetic analyses
really concern). I, and the field, have moved
far beyond my initial doctoral investigations
of Neandertal feet and knees. Methods have
changed. The fossil record has grown and
been cleaned up. Most paleontologists look
beyond the Neanderthals in the Late Pleistocene, especially to early modern humans.
But in many ways the questions remains the
same. Who were they, and what do they tell
us about who we are?
«
Prof. Dr. Erik Trinkaus (St. Louis)
Professor für Paläoanthropologie,
Universität St. Louis
»Als ich im Jahr 2008 mein freiwilliges
»Das neue Museum von Günter Zamp
soziales Jahr der Kultur im Neanderthal
Museum absolvierte, konnte ich mir nicht
vorstellen, welche Arbeit hinter der Ausstellung des Museums steckt.
Kelp gilt zu Recht als einer der originellsten und gelungensten Museumbauten der
Gegenwart. Auch hier ist der genius loci
freilich nicht materiell oder gar als Reliquie
der Naturwissenschaft gegenwärtig, aber
die Anschaulichkeit in der Darstellung des
Kapitels der Menschheitsgeschichte, für das
der Neanderthaler steht, ist höher als jedes
Fundstück es sein könnte.
Organisation, Forschung, Verwaltung, Museumspädagogik und Haustechnik –ich lernte
den „Blick hinter die Ausstellung“ kennen
und war überrascht, welche interessanten
und verschiedenen Arbeitsfelder das Neanderthal Museum vereint. Ich wünsche dem
Museum und dem „dahinter steckenden“
tollen Team alles Gute und viele weitere
erfolgreiche Jahre!
Prof. Dr. Walter Grasskamp (Weilheim)
Ordinarius für Kunstgeschichte,
Akademie der bildenden Künste München
Nadine Griebl (Duisburg)
FSJK 2008, Mitglied der Deutschen FrauenNationalmannschaft Unterwasser-Rugby
«
«
39
»Wenn es die Paläoanthropologie nicht
gäbe, dann würden wir heute noch unsere
Existenz mit Märchen und Mythen mehr verals erklären.
Dank rationaler Forschung wissen wir heute
glücklicherweise, daß unsere Vorfahren nicht
Adam und Eva hießen, sondern eben Homo
rudolfensis oder Homo ergaster. Und daß
wir mal einen entfernten Vetter hatten, den
Neandertaler, der genauso ein Spielball und
zufälliges Produkt einer langen Evolutionsgeschichte war wie wir. Solche Erkenntnisse
sollten uns weltanschauliche Bescheidenheit
lehren. Es ist Zeit, sich von der anmaßenden
Vorstellung zu verabschieden, daß wir Menschen die „Krone der Schöpfung“ seien.
Im Neanderthal Museum lernen wir: Wir
sind nur eine Möglichkeit unter vielen.
Und wahrscheinlich noch nicht einmal die
allerbeste.
«
Jacques Tilly (Düsseldorf)
Illustrator, Bildhauer und Karnevalswagenbauer
»Name verpflichtet: Am Anfang war der
Feuerstein, und zwar noch VOR dem Feuer,
denn wie hätte man sonst letzteres überhaupt machen können. Wenn man also
einen Namen trägt wie ich, wird aus dieser
Erblast kulturelle Verpflichtung. Zwar ist
jeder augenblicklich mein Todfeind, der mich
mit „Fred“ anredet, denn mit dem zweidimensionalen Dummbolzen der Flintstone-Familie habe ich nichts gemein. Aber seit ich –
ewig ist es schon wieder her – für den WDR
mal eine Reportage über das Neanderthal
Museum machte, spüre ich sofort eine Art
Verwandtschaft mit dieser Seitenlinie unserer Abkunft. Da mir alles Geradlinige suspekt
ist, sind mir Seitenlinien sowieso lieber. Dazu
hege ich viel Sympathie für Ausgestorbene,
weil diese Leute ihre Fehler nie wieder gut
machen können.
Es gibt ja diese bunte Rekonstruktion im
Museum, wie der Neanderthaler ausgesehen
haben mag. Da erkenne ich schon eine Verwandtschaft. Aber nicht im Gesicht. Weder
die treudoofe Mimik noch der suff-rötliche
Teint kommen mir nahe, und weil ich derlei
Antlitze regelmäßig im Kölner Karneval
sehe, hätte ich auch keine Lust, mich mit so
einem Typ auf ein Bierchen zu treffen. Aber
vieles andere ist mir vertraut: Die Körpergröße zwischen 155 und 165, wunderbar, da
bin ich endlich sogar mal auf der Seite der
»Als gebürtiger Kölner, der in Düsseldorf aufgewach-
sen ist, war das Neanderthal Museum für mich schon
in den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts ein
beliebtes Ziel. Aber wie anders präsentiert es sich
heute?! Es gibt ein spannendes Zeugnis von dem, wer
und was wir sind und woher wir kommen.
Größten.
70 Kilo passt exakt,
75 JahreMittelgewicht
Neanderthal Museum
und die im Vergleich zum Homo sapiens
verkürzten Beine habe ich auch. Die Forscher
sagen, der Neanderthaler hätte einen zu
großen Kopf gehabt und wäre dadurch
benachteiligt gewesen. Genau das hat auch
mein Sportlehrer damals im Gymnasium
jedes Mal gebrüllt, wenn ich mich seinen
sinnlosen Muskelbelastungen verweigerte:
„Du Wasserkopf! Du Qualle! Drückst du dich
schon wieder?“
Damals, als ich in sachkundiger Führung
durchs Museum streifen durfte, ahnte ich
zwar die Verwandtschaft, musste sie aber
verdrängen, weil der Neanderthaler nach
dem Stand der Wissenschaft dieser Zeit
als genetisch ausgestorben galt. Angeblich
verweigerte er die Paarung mit der regulären Menschenlinie, wofür ich durchaus
Verständnis habe, denn es gibt eine Menge
Leute, denen auch ich mich nur mit Handschuhen nähern mag.
Aber inzwischen wissen wir es besser, dank
der Mitochondrien, unseren mütterlichen
Herkunftsverrätern: Es gab den Kontakt, es
gab die Vermischung… meine Güte, wenn
man so aussieht wie auf der Rekonstruktion,
kann man ja wohl nicht sehr wählerisch
sein. War ja auch ziemlich dunkel damals.
Es ist ein schönes, sympathisches Haus, das
Neanderthal Museum, ich erinnere mich
noch gut an die Spirale des Rundgangs
mit immer wieder neuen Überraschungen.
75 Jahre ist es jetzt alt, ich übrigens auch,
schon wieder eine Gemeinsamkeit. Daher:
Alles Gute für die Zukunft und eine Bitte
für die Gegenwart: Passt gut auf meine
Verwandten auf.
«
Herbert Feuerstein (Brühl)
Journalist, Kabarettist und Entertainer
Es ortet unsere Region und liest ihre Spuren. Ein Spurenleser, das ist und bleibt das Neanderthal Museum
für mich. Ich gratuliere herzlich zum 75.Geburtstag.
«
Dr. Michael Vesper (Frankfurt am Main)
Generaldirektor des Deutschen
Olympischen Sportbundes
40
75 Jahre Neanderthal Museum
»Knochenlese
Künstler, Musiker, Handwerker.
Dorfdepp, Trottel, tumber Gesell.
Nachbar, Freund, Verwandter.
Konkurrent, Nebenbuhler, Fremdgänger.
Vorgänger, Vorfahre, Vorbild.
Irrlicht, Irrweg, Irrtum.
Irrwitzig, welche Projektionsfläche ein paar
Knochen bieten, Raum für Fantasie und
Wunschdenken. Er hat schon immer große
Emotionen hervorgerufen, der Neanderthaler, das ganze Spektrum zwischen Abscheu
und Bewunderung. Das hat er mit manchem
noch lebenden Kultstar gemeinsam: Er
polarisiert.
Das Elend des Historizismus – nicht dabei
gewesen zu sein und keine Zeugen zu
kennen – setzt in seinem Fall große Lust
frei, Fabulierlust, Paläopoesie. Er ist immer
beides: Trend und Gegentrend, Held und
Antiheld.
Es ist ein fast unmögliches, ein unzumutbares Projekt, aufzuräumen in diesem
Spannungsraum, ohne die Spannung zu
zerstören, den schillernden Mythos. Das
ist die Aufgabe von Findern, Forschern und
Museumsmachern. Es gilt, die richtigen
Bilder zu erkennen und von den falschen,
den veralteten, den blinden zu trennen.
Aber Vorsicht! Die Projektionsfläche muss
bleiben.
Sie muss anstiften zum Zurückblicken, in
den Spiegel schauen, zur Identitätssuche.
Was macht den Menschen aus? Was eint
ihn mit seinem Verwandten, seinem Ahnen,
was trennt ihn? In jeder Epoche wurde diese
Frage anders beantwortet. Manche suchten
ihre Identität in der Distanz, andere in der
Nähe.
Heute ist er uns unerwartet nahe gerückt,
genetisch, intellektuell und emotional. Lange
Zeit haben wir mit und neben ihm gelebt.
Die Spekulationen darüber, wie dieses Leben
aussah, liefern den Stoff für neue Mythen:
Eine prähistorische multikulturelle Gesellschaft? Scharfe Segregation?
Wir suchen die Antwort in seinen und unseren Genen. Und finden: Sex! Zwischen ihm
(oder ihr) und uns, zwischen Homo sapiens
und Homo Neandertalensis.
Eine Antwort auf all unsere Fragen ist das
nicht, aber neuer Stoff für Gerüchte, für Projektionen, Geschichte für Geschichten.
«
Andreas Sentker (Hamburg)
Ressortleiter Wissen, DIE ZEIT
»Kaum ein Thema im Bereich der Wissen-
schaften interessiert den Menschen mehr
als die Frage seiner Herkunft. Und seit vielen
Jahren gibt es in Deutschland keine bessere
Adresse, sich darüber auf den neuesten
Stand bringen zu lassen, als das Neanderthal Museum in Mettmann. Profunde und
kompetent und dabei gleichzeitig spannend und unterhaltsam – das macht dem
Museumsteam so rasch keiner nach. Völlig
verdient wurde es für seinen Ausstellungen
schon mehrfach international ausgezeichnet. Und auch als Wissenschaftsjournalist
bei NATIONAL GEOGRAPHIC bekomme ich
hier immer die Auskünfte, die mir helfen, das
neueste Wissen über alle Fragen rund um
die Evolution des Menschen für die interessierten Leser verständlich aufzubereiten.
Herzlichen Glückwunsch zum Jubiläum und
viel Erfolg für die nächsten Jahre.
«
Jürgen Nakott (Hamburg)
Redakteur National Geographic
»Es ist kaum zu glauben, aber wahr: Ich,
die geborene Elberfelderin, war erst im Alter
von 68 Jahren – also 2011 – zum ersten
Mal im Neandertaler Museum. Dabei ist
das ganze von meinem Landsmann Carl
Fuhlrott ins Rollen gebracht worden. Der
Hobbyforscher vermutete gleich, dass es sich
hier um unseren Urahn handelt, während
die Fachwelt das noch leugnete. Inzwischen
aber sind die Experten auf demselben Level
wie die interessierten Laien und betrachtet
die Entwicklung der Menschen mit ähnlich
unvoreingenommenem und umfassendem
Blick.
Entsprechend hat mich das 1996 errichtete
Neandertal-Museum beeindruckt. Mit wissenschaftlicher Präzision und künstlerischer
Kreativität wird dort die Ur-Geschichte der
Menschheit präsentiert – und dabei sogar
auf die oft sehr unterschiedliche Geschichte
von Frauen und Männern geachtet. Und das
ganze macht auch noch Spaß! Sogar den
Kindern. Carl Fuhlrott wäre begeistert.
«
Alice Schwarzer (Köln)
Journalistin, Feministin, Chefredakteurin EMMA
»Am 21. Dezember 2012 ist Weltunter-
gang. Das sagt zumindest der Kalender
der Maya voraus, den uns dieses Volk
hinterlassen hat, bevor es auf ungeklärte
Weise aus der Historie verschwand. Seit
jeher ordnen Kalender das zyklische System,
der Jahre, Monate, Tage und Stunden, das
unser Dasein prägt. Insofern entspricht die
schleifenartige Spiralform, als konzeptionelle
Basis für die Räumlichkeit des Neanderthal Museums (1), der zyklischen Prägung
unseres Alltags und ist zugleich ihr metaphorisches Modell. Am 4. Mai 2012 feiert
das Neanderthal Museum sein 75 jähriges
Bestehen. Von da an hätten wir also noch
232 Tage bis zum Ende dieser Welt. 232
Tage und 231 Nächte, bis wir uns möglicherweise von diesem Planeten verabschieden
müssen und die Geschichte der Menschheit
jählings beendet wäre. Das Neanderthal
Museum, mit seiner ins Ungewisse gebauten Zukunftsperspektive, wäre überflüssig.
Das Kaffee im tangentialen Endpunkt der
Zeitspirale leer, sein kulinarisches Angebot
aus den Vitrinen verschwunden. Die Ausstellungsspirale, so sie denn noch existiert, ohne
Sinn, die realistischen Nachbildungen unsere
Vorfahren vereinsamt, entlang des gewundenen Präsentationsraumes, welcher der
Zeit als Metapher gewidmet war. Die Jade
farbene Glasfassade ohne Glanz, fahl in der
permanenten Dämmerung des Untergangs.
Glücklicherweise ist es unwahrscheinlich,
dass die Welt wirklich am 21. Dezember
2012 untergeht. Die Besucher des Museums
werden also auch danach ihre elliptisch
geschraubten Bahnen durch die Szenarien
der Ausstellung ziehen können, um schließlich im Kaffeehaus, als Repräsentanten der
Gegenwart, Kaffee oder Tee trinkend, zum
Ausstellungsobjekt zu werden. Sie werden
dort weiterhin darüber nachdenken können,
ob die Zeitspirale, die sie gerade durchschritten haben, nun eher linearen oder zyklischen
Charakter hat. Nach wie vor werden viele
der Besucher von weit her kommen, um
endlich zu klären, was es mit dem Mythos
des Neanderthalers auf sich hat. Die mediale
Präsenz der Institution ist ja überregional
um nicht zu sagen weltweit.
Der komplexen Thematik, eines Museums
zur Entwicklungsgeschichte der Menschheit,
entsprechend, ist das Neanderthal Museum
verknüpft mit den informativen, globalen
Netzwerken unserer Tage. Sein Privileg, als
Institut mit einem Bauwerk ausgestattet zu
sein, das die Thematik Menschheitsgeschichte an einem bestimmten geografischen Ort
und als gebaute Metapher repräsentiert,
macht es zu einem Bollwerk der Gegenständlichkeit, zum Knoten im medialen Netzwerk, der Orientierung und Kommunikation
in der informativen Drift unseres aktuellen
Alltags erzeugt. So wie es aussieht über den
21. Dezember 2012 hinaus.
«
Prof. Günter Zamp Kelp (Berlin)
Architekt, Professor i. R. Hochschule der Künste
Berlin
»Als der Neanderthaler gefunden wurde, gehörte
der Fundort noch zur Gemeinde Haan.
Der Neanderthaler könnte deshalb auch als Haaner
gelten. Auf seinen Streifzügen als Sammler und
Jäger dürfte er sich bereits mit dem köstlichen
Wasser aus der Haaner Felsenquelle erfrischt
und seine hervorragenden Eigenschaften für die
Gesundheit geschätzt haben.
Deshalb begleitet uns der Neanderthaler überzeugend in unseren Werbekampagnen. Jüngst haben
wir sogar Neanderthaler Mineralwasser eingeführt.
75 Jahre Neanderthal Museum
41
»„Mensch, wie ein Neanderthaler sehen
Sie ja gar nicht aus!“ Dieses nett gemeinte
Kompliment mit einem Augenzwinkern höre
ich ab und zu, wenn ich mich und meinen
Arbeitgeber Radio Neandertal vorstelle.
Eines ist klar: ohne das Neandertal und ohne
das Neanderthal Museum hätte unser Radio
einen anderen Namen. Die Gründungsväter des Senders hatten 1990 nach etwas
Einmaligem gesucht, das unsere Region
repräsentiert und das weit über die Grenzen
des Kreises bekannt ist. Auf das Neanderthal
Museum können wir im Kreis Mettmann
stolz sein, weil es allen Generationen die
Entwicklungsgeschichte des Menschen auf
anschauliche und moderne Weise erzählt.
Genauso wollen wir beim Radio berichten:
anschaulich und modern aus dem Leben der
Menschen im Kreis Mettmann. Und darum
sind sich das Radio und das Neandertal mit
seinem Museum vielleicht näher als manche
glauben. Herzlichen Glückwunsch zum 75.
Jubiläum!
«
Tatjana Pioschyk (Mettmann)
Chefredakteurin Radio Neandertal
Als Mineralbrunnen steht die Haaner Felsenquellefest zu
Ihrer bergischen Herkunft und fördert das Brauchtum und
die Eigenheiten unserer Region. Auch das Neanderthal
Museum mit seiner weltbekannten Ausstellung über die
historischen Funde und die Frühgeschichte der Menschheit
steht seit 75 Jahren sehr erfolgreich für unsere Region als
einzigartiger Botschafter.
«
Gabriele Römer (Haan)
Unternehmerin, Haaner Felsenquelle
42
75 Jahre Neanderthal Museum
Sonderausstellungen
Die Ausstellungen vertiefen unterschiedliche Aspekte der Menschheits­
geschichte und richten sich an ein breites Publikum.
»Wer trägt wen? Das ist beim Tragen
stets die Frage, und damit beschäftigt
sich das Mannheimer Forschungsprojekt
„Homo Portans“ (www.homo-portans.
de). Neuerdings wird dem Menschen eine
neue Last aufgebürdet: er soll Gene des
Neanderthalers in sich tragen. Zunächst
ist gemeint: wir tragen das Erbmaterial,
damit die Evolution uns trägt. Können
wir den Neanderthaler dann biologisch
nicht mehr abwerfen, so können wir
uns doch noch kulturell über ihn stellen.
Allerdings haben andere Untersuchungen
ergeben, dass der Neanderthaler das
„Sprachgen FOXP2“ getragen haben
soll. Er spräche für den Besitz von Kultur,
und für Zweifel daran, wer hier von wem
getragen oder ertragen wird. Wenn das
jung gebliebene Neanderthal Museum
nach der Herkunft des Menschen fragt,
stellt es immer auch die Frage nach Last
und Entlastung, Tragen und Getragenwerden. Seine Erzählung trägt aber nicht
nur wissenschaftlich, sondern entlastet
auch von der Bürde, dass wir bis jetzt
keinen Begriff unserer Herkunft gefunden
haben. Herzlichen Glückwunsch zum 75.
Geburtstag.
«
Prof. Dr. Christian Holtorf (Coburg)
Professor für Wissenschaftsforschung und
Wissenschaftskommunikation, Hochschule
Coburg
75 Jahre Neanderthal Museum
43
44
75 Jahre Neanderthal Museum
Oldenburg
Bielefeld
Lübeck
Bilder im Dunkeln
Bilder im Dunkeln
Wien
Bilder im Dunkeln
Bilder im Dunkeln
Meppen
Bilder im Dunkeln
Wilnsdorf
Bilder im Dunkeln
Haderslev
Bilder im Dunkeln
Bautzen
Bilder im Dunkeln
Wanderausstellungen
Einige selbst produzierte Ausstellungen
werden im Anschluss an anderen Orten
präsentiert und entwickeln sich zu einem
neuen Geschäftsfeld des Museums.
Nebra
Mammuts
Garding
Mammuts
75 Jahre Neanderthal Museum
Erfurt
Kassel
Galgen, Rad und Scheiterhaufen
Galgen, Rad und Scheiterhaufen
Kevelaer
Galgen, Rad und Scheiterhaufen
Hagen
Hattingen
Die Rückkehr des Ötzi
Mulhouse
Die Rückkehr des Ötzi
Nebra
Die Rückkehr des Ötzi
Die Rückkehr des Ötzi
Eichstätt
Wangen
Die Rückkehr des Ötzi
Freiburg
Die Rückkehr des Ötzi
Die Rückkehr des Ötzi
Berlin-Pankow
Die Rückkehr des Ötzi
45
46
75 Jahre Neanderthal Museum
Didaktik
Neben Museumsführungen umfasst das didaktische Programm
verschiedene Bildungsangebote,
Steinzeitgeburtstage von 5 bis
100, Seminare und Workshops.
75 Jahre Neanderthal Museum
47
»Roland Ebbing hatte damals die Idee
den Slogan des Museums „Zeitreise
erleben“ bildlich darzustellen. Er wollte
ein Foto haben, auf dem ein Kind mit
der damals neuen Nachbildung des
Neanderthalers zu sehen ist. Mein Papa
hat dann im Sommer 2006 die Bilder
gemacht. Ich war damals acht Jahre alt
und obwohl dieser Ferientag im Neandertal hauptsächlich aus Fotografieren
bestand war es doch eine tolle Erfahrung
für mich. Ich habe viele Leute, die im Museum arbeiten kennen gelernt und alle
waren super nett zu mir. Es hat total Spaß
gemacht und ich war hinterher schon
manchmal etwas stolz als ich mich auf
Plakaten, Anzeigen, Büchern, Zeitungen
und im Internet entdeckt habe.
Manchmal besuche ich meinen „Steinzeit Freund“ im Museum und habe das
Gefühl, dass er mich vielleicht sogar
wiedererkennt, mir zuzwinkert und sagt:
„Hi Paula, du bist aber ganz schön groß
geworden.“ ;-)
«
Paula Neumann (Iserlohn)
Schülerin
48
75 Jahre Neanderthal Museum
»I have been studying Neanderthals
through my entire professional career,
and doing it directly, in the museums
and universities of Europe housing
Neanderthal remains, and not from the
literature. I began my museum work on
Neanderthals on the Krapina collection
in Zagreb, and my first visit to the Bonn
museum was in 1978. Long before the
superb, unexpected research results
from genetics, these visits and my other
research placed me in the tradition of
Hrdlička and Weidenreich, understanding
the remains to show that Neanderthals
provided a significant contribution to
modern human ancestry and that specific
ancestral links were common in the early
modern populations of Europe.
For me, the most amazing thing is
the personal knowledge that I’m part
Neanderthal. I’m proud to be a part
Neanderthal, and proud to be part of the
European population where we all are
part Neanderthal. Our president, Barack
Obama, with a mother from Kansas and
a father from Kenya, once referred to
himself as a mutt. As it turns out, we are
all mutts!
«
Prof. Dr. Milford H. Wolpoff (Ann Arbor)
Professor für Paläoanthropologie,
Universität Michigan
Veranstaltungen
& Events
Talfest
Ersttagspostamt Sonderbriefmarke Neanderthaler
Illumina
Steinzeit Live
Darwin Day
Eröffnung neue Dauerausstellung
Indianerwochenende
KinderForscherNacht
KinderSchädelNacht
75 Jahre Neanderthal Museum
Kinderfest „Spurensuche“
KinderMammutNacht
Drachentag
Steinzeitsommer (Familienfest)
Museumsnacht / Pay what you want
Eröffnung des Fundortes
Internationale Meisterschaften mit
prähistorischen Jagdwaffen
KinderRabenNacht
Markt der Kulturen
KinderKrimiNacht
Sommerfest Musik und
Techniken der Vorzeit
Sommerfest Techniken der Vorzeit
Sommerfest Die Kelten kommen
…und action!
Aktionen im Untergeschoss
Museumsfest
49
50
75 Jahre Neanderthal Museum
Tagungen
Ergänzend zu den Forschungsprojekten, die im Neanderthal Museum durchgeführt werden,
finden regelmäßig Symposien, Workshops und Tagungen mit einem internationalen Fachpublikum statt.
Der Themenschwerpunkt liegt auf der frühen Menschheitsgeschichte und themenübergreifenden kulturanthropologischen Fragenstellungen. Ergebnisse dieser Tagungen werden im
Verlag des Neanderthal Museums oder in Zusammenarbeit mit anderen Verlagen publiziert.
75 Jahre Neanderthal Museum
51
Bestattungsbefunde in ethnoarchäologischer Perspektive
13. bis 15. Juni 1997
Archäologie und Biologie der Auerochsen
25. – 26. Oktober 1997
Central and Eastern Europe from 50,000-30,000 BP
Neandertals and Modern Humans – Discussing the Transition
18. bis 21. März 1999
Neandertal 2000 – Chronologie der Gegenwart
11. bis 13. Mai 2000, Juni bis Juli 2000
Experimentelle Archäologie
6. bis 8. Oktober 2000
Höhlenkunst und Raum
11. bis 13. Oktober 2002
Neandertal Research and Digital Tools
15. bis 16. Juni 2004
EVAN-Workshop
25. bis 27. Oktober 2006
EVAN-Workshop
18. bis 19. Juni 2009
Pleistocene Databases – Acquisition, Storing, Sharing
10. bis 11. Juni 2010
Falkes not Blades – Discussing the role of flake production
at the onset of the Upper Palaeolithic
17. bis 18. März 2011
Pleistocene People and Places
13. bis 15. Oktober 2011
»Und dann krochen sie in die Höhlen
buntgewandet
Zylinder und Frauen
Wein und Gebäck
heimelnd
naturbelassen
Höhlenromantik
Künstlerfest in der Neanderhöhle.
Künstler der verschiedenen Düsseldorfer
Schulen
z.B.: Schadow, Hübner …
die, im altdeutschen Rock
die Schüler, in der Burschentracht,
romantisch halt.
Ich war leider nicht dabei,
kann mir aber vorstellen,
dass diese damalige Selbstverständlichkeit
ein guter Anfang für heute wäre,
Museum und Umgebung
ähnlich aktuell zu etablieren.
Wir sollten anfangen,
die alten schönen Geschichten zu
erzählen,
um zu verstehen,
dass die Vergangenheit uns hilft,
«
die Zukunft zu begreifen..
Prof. Dr. Markus Lüpertz (Berlin)
Maler, Grafiker und Bildhauer
52
75 Jahre Neanderthal Museum
Das Museum gibt Museumsführer und Begleitbände zu den
Ausstellungen heraus. Im Verlag Neanderthal Museum erscheint
auch eine wissenschaftliche Schriftenreihe, die die Ergebnisse von
Fachtagungen bündelt. Lehrmaterial wird ebenfalls bereit gestellt.
Publikationen
»Markenentwicklung und Markenpflege
sind in Kultur und Sport ein zentrales
Thema. Die Marke „Neanderthaler“ spielt
in der Champions League der Kulturmarken in Europa. Trotz ihres Alters von über
150 Jahren ist sie enorm vital und hat in
den letzten Jahren einen erstaunlichen
Aufschwung erfahren. Das Neanderthal
Museum hat zu dieser Entwicklung sicher
entscheidend beigetragen. Ich wünsche
dem Museum viel Erfolg bei der weiteren
Arbeit. Der Neanderthaler hat sicher das
Talent ein weltweiter Allstar zu werden
und sein Tal sowie die Region Mettmann
prominent zu vertreten.
«
Paul Breitner (Brunnthal)
Scout des FC Bayern München, FußballWeltmeister
53
75 Jahre Neanderthal Museum
Ausstellungsführer und Begleithefte:
Auffermann, Bärbel; Weniger, Gerd-Christian (Hg.) (1997): Zeitreise. Ein Gang durch die
Menschheitsgeschichte. Texte und Bilder aus dem Neanderthal Museum.
Auffermann, Bärbel; Weniger, Gerd-Christian (Hg.) (1998): Frauen-Zeiten-Spuren.
Orschiedt, Jörg; Auffermann, Bärbel; Weniger, Gerd-Christian (1999): Familientreffen.
Deutsche Neanderthaler 1856–1999.
Auffermann, Bärbel; Weniger, Gerd-Christian (2000): Zukunft Neandertal.
Auffermann, Bärbel; Weniger, Gerd-Christian (2001): Time Travel.
Van Bergen Henegouwen, Arne; Kennis, Adrie; Kennis, Alfons (2001): Urmenschen.
Narr, Karl J.; Weniger, Gerd-Christian (Hg.) (2001): Der Neanderthaler und sein Entdecker:
Johann Carl Fuhlrott und die Erforschungsgeschichte.
Marten, Volker F.; Weniger, Gerd-Christian (Hg.) (2002): MenschenSpuren. Katalog zum
Kunstweg MenschenSpuren.
Pastoors, Andreas; Weniger, Gerd-Christian (2004): Bilder im Dunkeln. Filme zur Höhlenkunst der Eiszeit. DVD.
Pastoors, Andreas; Weniger, Gerd-Christian (2004): Bilder im Dunkeln: Höhlenkunst der
Eiszeit. Die Sammlung Wendel. CD-ROM.
Auffermann, Bärbel (2008): Zeitreise erleben. Texte und Filme aus der Dauerausstellung
auf CD-ROM.
Auffermann, Bärbel (2008): A journey back in time. Texts and movies from the permanent
exhibition on CD-ROM.
Auffermann, Bärbel; Berens, Dunja (2008): Mammutfurz und Feuerstein.
Schneider, Beate (2008): Evolution des Menschen. Lehrmaterial Biologie für die
Sekundar-stufe II.
Auffermann, Bärbel; Graefe, Jan (2009): Monster und Mythen.
Auffermann, Bärbel; Graefe, Jan (2010): Galgen, Rad und Scheiterhaufen. Einblicke in Orte
des Grauens.
Auffermann, Bärbel; Graefe, Jan (2010): Mammuts – Giganten der Eiszeit.
Auffermann, Bärbel; Weniger, Gerd-Christian (2012): Zeitreise erleben. Das Buch zur
Dauerausstellung.
Auffermann, Bärbel; Pannhorst, Kerstin (Hg.) (2012): Wie Menschen Affen sehen.
»Wenn man den Geburtsort der
menschlichen Paläontologie bestimmen
müsste, dann wäre dieser Ort zweifelsohne das Neandertal. Schließlich wurden
genau hier zum ersten Mal fossile
Überreste von Menschen gefunden, die
sich deutlich von denen heute lebender Menschen unterscheiden. Seitdem
konnte die Existenz von Neanderthalern
in verschiedenen Regionen Eurasiens,
belegt durch zahlreiche fossile Funde,
nachgewiesen werden. Damit ist der
Neanderthaler heute der am besten
erforschte Urzeitmensch. Doch die zahlreichen Fundstätten sind dabei sicherlich
nicht der alleinige Grund für die große
Anziehungskraft und Wahrnehmung in
der Öffentlichkeit sowie die große Anzahl
wissenschaftlicher Untersuchungen auf
diesem Gebiet. Im komplexen System des
Stammbaums der menschlichen Evolution
dokumentiert der letzte Verzweigungspunkt vor einer halben Million Jahre
jeweils den Ast, der das Vorkommen der
Neanderthaler dokumentiert und jenen,
der für den modernen Menschen steht.
Zum einen fremd und zum anderen doch
so nah: so können wir vom Neanderthaler lernen, wer wir wirklich sind.
«
Prof. Dr. Jean-Jacques Hublin (Leipzig)
Direktor Max-Planck-Institut für Evolutionäre
Anthropologie
54
75 Jahre Neanderthal Museum
»Ich kannte bereits das alte Neandert-
hal Museum – und habe es nach der
Neugestaltung kaum wiedererkannt: die
neue Konzeption hat mich beeindruckt
und sofort begeistert. Es ist ein ganz neues Erlebnis, die „Schnecke“ zu begehen,
eine Gestaltung und Architektur, die mich
„gepackt“ hat.
Seit dem bin ich kontinuierlicher Besucher
der Ausstellungen und finde diese jedes
Mal auf`s Neue interessant. Vielleicht
liegt das auch ein wenig daran, dass
ich selbst bereits wissenschaftlich zum
Ursprung des Neanderthalers geforscht
habe. In einem Sonderforschungsbereich
der Deutschen Forschungsgemeinschaft
habe ich mich mit der Wanderung des
modernen Menschen nach Europa und
dem Zusammentreffen mit dem Neanderthaler beschäftigt. Die Frage, wo
man herkommt und wo man hingeht,
beschäftigt die Menschen seit je her und
eint das Museum und meine Forschung:
Es ist unser beider Beweggrund.
Zum 75. Jubiläum gratuliere ich dem
Neanderthal Museum ganz herzlich,
wünsche auch zukünftig viel Erfolg und
freue mich auf viele weitere spannende
Ausstellungen!
«
Prof. Dr. Ulrich Radtke (Duisburg)
Rektor der Universität Duisburg-Essen
75 Jahre Neanderthal Museum
55
Reihe Wissenschaftliche Schriften:
Weniger, Gerd-Christian (Hg.) (1999):
Archäologie und Biologie des Auerochsen.
(Wissenschaftliche Schriften des Neanderthal Museums, 1).
Orschiedt, Jörg; Weniger, Gerd-Christian
(Hg.) (2000): Neandertals and Modern
Humans – Discussing the Transition. Central
and Eastern Europe from 50.000–30.000 B.P.
(Wissenschaftliche Schriften des Neanderthal Museums, 2).
Pastoors, Andreas; Weniger, Gerd-Christian
(Hg.) (2003): Höhlenkunst und Raum:
Archäologische und architektonische Perspektiven. (Wissenschaftliche Schriften des
Neanderthal Museums, 3).
Macchiarelli, Roberto; Weniger, Gerd-Christian (Hg.) (2011): Pleistocene databases:
acquisition, storing, sharing. (Wissenschaftliche Schriften des Neanderthal Museums, 4).
Pastoors, Andreas; Peresani, Marco (Hg.)
(2011): Flakes not Blades: The role of flake
production at the onset of the Upper Palaeolithic in Europe. (Wissenschaftliche Schriften
des Neanderthal Museums, 5).
»We understand so much of ourselves
when we can have this perspective of
history. And in a way the further we can
go back the more we have a possibility of
going forward. This is in a way to be able
to look at present existence from the
position of Neandertal. I think it makes
us so much more aware of our nature
now, what are the dangers, what are the
possibilities.
«
Anthony Gormley (London)
Bildhauer
»Das Neanderthal Museum ist zum
bedeutenden „Flaggschiff“ und „Botschafter“ der Stadt Mettmann, des
Kreises Mettmann und der Region „Neanderland“ geworden. Identifikation der
Bürger mit ihrer Heimat und Attraktivität
für Gäste entsteht durch Institutionen,
auf die die Bürger stolz sind. Genau
dieses ist in den jüngsten Jahren der
75jährigen Geschichte des Neanderthal
Museums entstanden und profilbildend
geworden!
«
Prof. Dr. Bernd Günter (Düsseldorf)
Professor für Betriebswirtschaftslehre/
Marketing, Universität Düsseldorf
56
75 Jahre Neanderthal Museum
Jabrud II (1998–2004)
Steinzeitliche Besiedlungsund Umweltgeschichte im
westlichen Mittelmeergebiet – Exemplarische Studien in Katalonien
(DFG, 1996–1998)
Abgusssamlung des menschlichen Fossilreports (Krupp
Stiftung, 2001–2003)
Forschung
EVAN „European Virtual
Anthropology Network“
(Europäische Kommission
2006–2010)
Pleistocene People and Places
Paläolithische Wandkunst
und Siedlungsverhalten in
Höhlensystemen.
Eine Fallstudie der VolpHöhlen (Frankreich)
(DFG, 2002–2004)
Kommunikation und Ressourcennutzung. Modelluntersuchungen zu Raumkonzepten
magdalénienzeitlicher Wildbeuter (DFG, seit 2012)
Regionale
Differenzierungen im späten
Mittelpaläolithikum der Iberischen Halbinsel. Erstellungen
einer Datensammlung zur
wissenschaftlichen Analyse
und zur Implementierung
in NESPOS (Gerda Henkel
Stiftung, 2008–2010)
n
Sammlung Wendel
(Gerda Henkel Stiftung,
2001–2002)
75 Jahre Neanderthal Museum
57
Europe@ncestors
(EuropäischeKommission,
2000–2001)
ORION „Object Rich Information Network“
(Europäische Kommission,
2002–2003)
NESPOS Pleistocene People
and Places (seit 2006)
nespos.org
SFB 806 “Our Way
to Europe”
(DFG, seit 2009)
»In paleontology, few things are more
evocative than the sense of place imparted by those special spots on our planet’s
surface that have yielded the tangible
fossil evidence for our human past. And
nowhere does the visitor feel this more
strongly than in the lovely limestone
valley in which the original Neanderthal
bones were unearthed in august of 1856.
Sadly, the original site itself is gone,
victim to the activities of quarrymen.
But for 75 years the unique feeling and
mystique of the Neanderthal have been
embodied by the on-site museum that
celebrates this pivotal finding in the
history of paleoanthropology. Nothing I
have encountered, anywhere, brings the
past alive with greater immediacy than
does he synergy between museum and
place that one experiences in Mettmann.
And with each renewal, the Neanderthal
Museum goes from strength to strength.
Bring on the centenary!
«
Prof. Dr. Ian Tattersall (New York)
Primatologe und Paläoanthropologe,
ehem. Abteilungsleiter American Museum
of Natural History
TNT „The Neanderthal Tools“
(Europäische Kommission,
2004–2006)
Der Übergang vom Mittelzum Jungpaläolithikum in
Südwesteuropa. Modelluntersuchungen zur Steingerätetechnologie (DFG, 2007–2011)
58
75 Jahre Neanderthal Museum
Marke & Vernetzung
75 Jahre Neanderthal Museum
Die Marke Neanderthal Museum erfolgreich
zu platzieren, erfordert viele Akteure. Eine
Vernetzung auf regionaler, nationaler und
europäischer Ebene ist dabei von großer
Bedeutung. Gerade die touristische Vermarktung ist ohne starke Partner, wie neanderland, Düsseldorf Marketing & Tourismus
GmbH, Tourismus NRW e.V., Ruhr Tourismus
GmbH oder die Erlebnismuseen kaum vorstellbar. Die intensive Zusammenarbeit
und Vernetzung bildet die Grundlage für
die Präsenz auf internationalen Tourismusmessen und sichert Publikumsströme aus den verschiedensten
Quellmärkten.
59
durch die Epochen geschickt, bei „Mammuts – Giganten der Eiszeit“ wurde die
Tierwelt der Steinzeit in Lebensgröße dargestellt und in der Ausstellung „Monster
und Mythen“, konnte man erfahren wie
aus normalen Tieren oder Begebenheiten
plötzlich Monster wurden und welche
Fehleinschätzungen wissenschaftlich
widerlegt werden konnten.
»Schon nach meinem ersten Besuch im
Neanderthal Museum als Bundesfinanzminister war klar, welche Schlagzeilen es
geben würde: Die Fotografen hatten mich
direkt neben dem lebensgroßen „Neanderthaler“ abgelichtet und natürlich
fragte eine große deutsche Wochenzeitung danach: „Wer ist wer?“.
Dies war jedoch bei weitem nicht der
erste und der letzte Besuch, der mich in
das Museum führen sollte. Ich war schon
viele Male privat im Museum zu Gast
und habe die wechselnden Ausstellungen
besucht.
Schon der Weg zum Museum ist eine Reise wert. Wenn man durch das Neandertal
fährt, ist es eine der schönsten Naherholungsgebiete im Umkreis von Düsseldorf
und das Gebäude beeindruckt durch
seine Architektur, die sicherlich zu Recht
eine Auszeichnung erhalten hat.
Viel wichtiger ist jedoch das Innenleben
des Gebäudes. Neben der Dauerausstellung zum Leben des Neanderthalers,
seinem Fundort und der Humanevolution
von der Steinzeit bis heute, bietet das
Museum viele weitere Überraschungen.
Viele wechselnde Ausstellungen greifen
Themen rund um Naturwissenschaft und
die Evolution auf und vermitteln diese
immer wieder spannend und ungewöhnlich: So wurden im letzten Jahr die
Besucher auf eine „Lego- Zeitreise“
Vielfältige Angebote für Jugendliche,
jedoch nicht nur für Jugendliche, runden
das Programm ab: Bogenschießen, Feuer
machen wie in der Steinzeit, Erfahrung
der Natur des Neandertals.
Zu Recht ist das Neanderthal Museum,
mit 170000 Besuchern jährlich, eines der
beliebtesten Museen in NRW und über
die Landesgrenzen hinaus bekannt.
Professor Weniger und sein Team schaffen es immer wieder, Geschichte erlebbar
und spannend zu gestalten. Kindern und
Jugendlichen wird unter anderem im
Projekt „U18 ArchäoForscher“, bei dem
Sie praktisch die Menschheitsgeschichte
erfahren können, vielfältiges Wissen über
die Geschichte vermittelt. Gerade in der
heutigen Zeit, in der Bildung immer wichtiger wird, ist es wirklich herausragend
auf welche spielerische Weise hier Wissen
vermittelt und Kindern und Jugendlichen
Lust auf „Mehr“ gemacht wird.
Ich kann mich nur bei Herrn Prof. Dr. Weniger und seinem Team für die geleistete
Arbeit in den letzten Jahren bedanken
und wünsche Ihnen noch viele spannende Ausstellungen, Entdeckungen und
natürlich viele begeisterte Besucher.
«
Peer Steinbrück (Berlin)
Mitglied des Bundestages
60
75 Jahre Neanderthal Museum
Der große Schultest
mit Jörg Pilawa
1,2 oder 3
Herr Mettmann
Die geheimen Höhlen der Grafen Bégouën
Kampf um prähistorische Kunstschätze Neander Jin
75 Jahre Neanderthal Museum
ZDF Nachtstudio
Lokalzeit Düsseldorf
Film & Fernsehen
Vom Tatort bis zur Lokalzeit: Wir sind medienpräsent und sitzen
auch mal neben Phil Collins.
Stern TV
Tatort
Kerner
61
62
75 Jahre Neanderthal Museum
Prominente
Besucher
Offiziell und inkognito besuchen das Museum auch zahlreiche
Prominente aus Politik und Unterhaltung.
75 Jahre Neanderthal Museum
63
»Der Neanderthaler. Er ist der erste
Mensch, der es hier auf unserem Planeten geschafft hat eine Marke zu werden.
Unser Neanderthaler hat Geschichte
geschrieben und die Welt verändert. Sein
Leben beschäftigt und berührt uns.
Er hat einen weltweit bekannten Namen
und ein unverwechselbares Äußeres.
Wir fühlen uns ihm verbunden – mit vier
Prozent – wie wir heute einigermaßen
sicher wissen.
42.000 Jahre nach seinem Kommen hat
er sich dieses schöne Zuhause mehr als
verdient.
Aus Markensicht ist er ein Superstar und
der berühmteste „Deutsche“ aller Zeiten.
Wir sollten ihn gut behandeln.
«
Frank Dopheide (Düsseldorf)
Chairman Scholz & Friends
64
75 Jahre Neanderthal Museum
Auszeichnungen
Das Neanderthal Museum hat Maßstäbe gesetzt – und das nicht nur bei der
Präsentation der Geschichte des Neanderthalers. Dies zeigen uns nicht nur
die vielen zufriedenen Besucher deutlich sondern auch die vielfältigen Preise,
die das Museum seit seiner Eröffnung für seine Konzeption und seine Architektur erhalten hat.
»The discovery of Neandertal man
in 1856 was a turning point for the
understanding of life on Earth. It soon
became clear that, as argued by the
discoverers, the remains were those of
a fossil form of man, and this, together
with the publication, three years later, of
Darwin‘s „The Origin of Species“, carried
the implication that Evolution applied to
humans too. Ever since, the nature of the
relation between Neandertals and extant
people — ancestrals? distant cousins?
evolutionary dead-end? — has been
one of the hottest issues of Paleoanthropology. The creation of a Museum at
the find locality has helped generations
of citizens, students and scholars to
better understand the significance of the
original finds, and especially so since the
idea for a Museum Foundation and a
new, appropriate building was launched
some twenty years ago. Not only has
the museum brilliantly delivered on its
educational brief, it has also developed or
participated in the development of major
research initiatives: scientific conferences,
publication series, research projects, and,
perhaps most importantly, the NESPOS
Service. Congratulations!
«
Prof. Dr. João Zilhão (Barcelona)
Professor für Archäologe, Universität
Barcelona
Ausgewählter Ort, 2006 und 2009
75 Jahre Neanderthal Museum
65
BDA Preis, 1997
Rheinland Award, 2000
Architekturpreis NRW, 1998
1997
Architekturpreis Beton 1997, verliehen vom Bundesverband der Deutschen Zementindustrie.
2000
Auszeichnung mit dem Rheinland
Award 2000 für innovatives Tourismusmanagement im Rheinland.
2008
Nominiert für die KULTURMARKE
DES JAHRES, präsentiert durch den
KULTURSPIEGEL und Causales, Berlin
1997
„Auszeichnung guter Bauten“, BDAPreis Düsseldorf 1997, verliehen vom
Bund Deutscher Architekten.
2002
Auswahl des Neanderthal Museums
durch eine nationale und internationale Jury für die Sonderausstellung
„Neue deutsche Architektur – Eine
reflexive Moderne“.
2009
Mit der Online-Datenbank NESPOS
Gewinner des Wettbewerbs „365
Orte im Land der Ideen“ als „Ausgewählter Ort 2009“.
1998
European Museum of the Year Award
Special Commendation 1998, verliehen vom Europäischen Museumsforum.
1998
„Architektur Preis Nordrhein-Westfalen 1998“, verliehen vom Bund
Deutscher Architekten.
1999
Auszeichnung der Webseite mit
einem Goldstar des International
Council of Museums.
2003
Besondere Anerkennung des Neanderthal Museums durch die Stiftung
Lebendige Stadt im Rahmen der
Preisverleihung „Das beste Konzept
für lebendige Museen und moderne
Kulturstätten“.
2006
Gewinner des Wettbewerbs „365
Orte im Land der Ideen“ als „Ausgewählter Ort 2006“.
2009
Deutscher Archäologiepreis der
Deutschen Gesellschaft für Ur- und
Frühgeschichte
2010
Preisträger des Wettbewerbs Kooperation. Konkret.2010 für das
Programm „Humanevolution trifft
Religion“ in Kooperation mit dem
Gymnasium Wülfrath. Der Preis wird
jedes Jahr von der Medienberatung
NRW ausgeschrieben.
66
75 Jahre Neanderthal Museum
Museum & Medien
22
FORUM
Wirtschaftsblatt NRW 2/06
Die NeanderthalerStrategie
Die zweite Menschwerdung
DIE ZEIT: Es gab auch vor 1856 Funde vormenschlicher Fossilien. Die Entdecker haben sie nicht als
solche erkannt. Warum war das bei dem Fund im
Neandertal anders? Was macht ihn zum ersten Zeugen unserer Frühgeschichte, zum Begründer der
Paläoanthropologie?
Gerd-Christian Weniger: Der Lehrer Johann Carl
Fuhlrott hat diese 16 Knochenteile gesehen und
war überzeugt: Das ist ein fossiler Mensch. Dabei
war er selbst von der Evolutionstheorie nicht überzeugt. Die war ihm als Christ nicht geheuer. Er hatte aber in den Höhlen der Region schon viele fossile Großsäuger gesehen. Darum war er sicher, dass
er es nicht etwa mit einem verscharrten Mordopfer,
sondern tatsächlich mit einem Fossil zu tun hatte.
Als Darwin dann seine Entstehung der Arten veröffentlichte und alle Welt wie gebannt auf Fossilien
starrte, wurde der Neandertaler zum zentralen
Kronzeugen der Menschwerdung.
ZEIT:Warum hielt Fuhlrott die Knochen lange Zeit
unter Verschluss?
Weniger: Er hatte Angst. Er wurde von allen Seiten angefeindet. Dass der berühmte Pathologe Rudolf Virchow die seltsame Form des Schädels als
Folge einer rachitischen Erkrankung deutete,
machte die Sache nicht einfacher. Paradox: Fuhlrott als Christ zweifelt nicht an der Existenz eines
fossilen Menschen. Und Virchow, der die Evolutionstheorie befürwortet, bestreitet im Angesicht
des Fundes, dass es ein Fossil ist.
ZEIT: Fuhlrott bekam für die Knochen sehr viel
Geld aus dem Ausland geboten – und widerstand.
Weniger: Wir sind ihm sehr dankbar dafür. Aber
das war bei vielen außergewöhnlichen Funden so.
Fund und Forscherbiografie verweben sich auf
eine Weise, die eine Trennung unmöglich macht.
Vielleicht war Fuhlrott aber auch von einem starken Nationalbewusstsein geprägt.
ZEIT: Vergebens. Der Neandertaler ist bisher nicht
So
n
Der
berühmteste
Deutsche
PATRICK GLAIZE-UGC YM
Mensch liebt
Neandertaler
zählen, hätten, mit Blick auf die Sexszenen
im Film, entgegnet,…
... dass es Kontakte einschließlich geglückter
Fortpflanzung gegeben hat. Daran habe ich
nicht gezweifelt.
Heute haben Sie endlich Gewissheit. Analysen von Zellkern-DNA haben die Vermischung von Neandertaler und Modernem
Menschen eindeutig bewiesen. Ein historischer Moment?
Wir haben den Neandertaler bei uns im Museum auch gegen Widerstände und Kritik immer
als unseren Bruder dargestellt. Wir wurden
dafür von Kollegen auch angegriffen. Das, was
wir hier zeigen, hieß es, sei wissenschaftlich
nicht haltbar. Nun wurde unsere Sicht der Geschichte bestätigt.
„AO – Der letzte Neandertaler“ von Dokumentarfilmer Jacques Malaterre versucht das Leben der Neandertaler in Spielfilmform zu rekonstruieren. AO (Simon Paul Sutton) ist der
letzte seiner Art, auf seiner Reise von
Nord- nach Südeuropa trifft und verliebt er sich in die Homo Sapiens Aki
(Aruna Shields). Der Film lief erfolgreich in Frankreich und ist in Deutschland nun als DVD erschienen. geh
Zufallsprodukt und nicht Ergebnis eines Anpassungsprozesses. Auch kann man in Siedlungsplätzen im Vorderen Orient zwischen
dem, was Neandertaler und der Moderne
Mensch hinterlassen haben, keine Unterschiede erkennen. Wenn man das voraussetzt, müssen wir davon ausgehen, dass wir uns auch im
Wir müssen uns an den Gedanken gewöhnen, Verhalten sehr ähnlich waren. Sie waren Jäger
dass in uns allen ein Neandertaler steckt?
und Sammler, kleine Gruppen, ohne hierarUnd
zwar
mit
bis
zu
vier
Prozent
unseres
Erbchische
Strukturen,
hochmobil. Das steckt
Seit zehn Jahren zeigt Gerd-Christian Weniger seinen Besuchern die menschliche Seite des berühmtesten
Deutschen
guts. Das ist nicht wenig, wenn man berück- auch in uns.
sichtigt, wie lange der Kontakt zurückliegt
und bedenkt, dass es den wohl nur sporadisch Überhaupt wandelt sich das Neandertalergab. Wir haben bereits vor über zehn Jahren Image immer mehr zum Positiven. Woran
unserepolitisch
Museumsbesucher
ein liegt das?
wollen Sie die Sprache des Neandertalers
korrektgefragt,
zu be-ob sieZEIT:Wie
Es sind noch Knochen im Sediment tief darunter wir, auch den Neandertaler
Neandertaler in ihrem Stammbaum stören Uns ist unsere Vergangenheit enorm wichtig
belegen,
die
versteinert
schließlich nicht?
verborgen, gewiss auch Steinwerkzeuge. Das Bo- handeln.
geworden. Wir interessieren uns mehr und
würde.
mehr für
unsere
Wurzeln,funktioniert
und je mehr wir nur
er- indirekt,
Weniger:
Der
Nachweis
dendenkmalamt hat beschlossen, den so genannten ZEIT: Ein Integrationsprogramm für ein Fossil?
Und?
fahren, desto positiver überrascht sind wir.
über ein Werkzeug, das so komplex
für mehr Gerech- zum Beispiel
Zeugenblock zu erhalten, für spätere Generationen. Weniger: Genau. Ein Programm
Keiner der Befragten hat sich dagegen gewehrt. Unsere Gesellschaft hat Technik zu einem zenist, seine
Herstellung
so anspruchsvoll,
tralen Pfeiler
ihrer Existenz
gemacht und
jetzt
tigkeit. Ich bin überzeugt, dass jedem Forscher auch geworden
Bei einigen Humanoiden hatte man ja schon erkennt sie, welches enorme Wissen bereits
und den
Menschenbild
bei der dass die Weitergabe der Technik durch reine ImiZEIT:Hat die Interpretation menschlicher Fossilien sein persönliches Welt-immer
Verdacht. Wird Verhalten eigent- die Menschen der Steinzeit besaßen.
tation nicht mehr möglich ist.
Deutung der Funde dielichFeder
führt.
vererbt?
auch mit Ideologie zu tun?
Zunächst einmal gibt es morphologische Un- In dem Film wird das Neandertaler-Bild geZEIT:
Aber
wem
gehörten
diese
komplexen
WerkWeniger: Ja, natürlich. Das ist das zentrale Thema
terschiede. Aber bis heute kann niemand radezu überzeichnet. Der einfühlsame, gutzeuge?herzige
Schließlich
haben
moderner
Mensch und
im Neandertal
Gäste,
des Neandertalers und das seiner Erforschung. Seit 1929 wartet es hier
zweifelsfrei
erklären, auf
warum
Neandertaler
Naturbursche
gegen
den kriegeridiesen Körperbau hatten, insbesondere im Be- schen, grundbösen Homo Sapiens. War der
Becher. Der Herr Pro- Neandertaler lange Zeit koexistiert.
Nicht umsonst wurde in ebenjenem Jahr, in dem das Restaurant und Hotel
reich des Schädels. Wahrscheinlich war er ein Neandertaler der bessere Mensch?
man den Neandertaler fand, Sigmund Freud geboren. Der Neandertaler hat mit Charles Darwin zusammen das christliche Schöpfungsbild abgeräumt. Und dann kommt dieser Freud daher, lotet
die Tiefen unserer Psyche aus und stößt dabei auf
gänzlich unkultivierte Facetten. Und der Neandertaler ist wiederum die ideale Projektionsfläche für
das Wilde, Tierische, Archaische in uns. All das, was
wir als zivilisierte Abendländer nur ganz ungern am
Tisch sitzen haben, projizieren wir nun auf den Neandertaler und sind es auf diese Weise los. Viele
fessor ist hier gern gesehen. Sein Museum bringt
Gäste ins Tal, 150 000 im Jahr, und nicht alle stärken sich in der Cafeteria des modernen Museumsbaus. Im Restaurant Becher gleich nebenan
gibt es gute deutsche Küche – und uralte deutsche
Schlager, die so mancher Gast schon mitgesungen
hat, als sie gerade die Hitparaden stürmten.
Heute ist es ruhig. Das nasskalte Schneewetter
hat die Gäste verschreckt. Ein ganzer Bus voll älterer Damen ist nicht zum Essen gekommen. Nebenan, im Museum, herrscht dagegen Betriebsamkeit.
Weniger: Die späten Neandertaler haben eine besondere kulturelle Dynamik entwickelt – bevor der
anatomisch moderne Mensch auftrat. Das kann
man nicht nur an Funden, sondern auch an der Klimakurve belegen. Vor 45 000 Jahren wurden die
Zeiträume zwischen extremen Klimaereignissen
immer enger. Das war Stress für die Populationen,
die mussten nach Lösungen suchen …
ZEIT: … der Klimawandel als Kulturmotor.
Weniger: Ja, das muss man so sagen. Der Umweltdruck führte dazu, dass sich kulturell enorm
dertaler gefunden worden. Rechnen Sie
noch mit
126
spektakulären Entdeckungen?
Weniger: Wenn ich mal meiner Fantasie freien
Lauf lasse: Wer weiß, vielleicht liegt ja irgendwo
eine Neandertalerin mit einem anatomisch modernen Menschen in einem Doppelgrab …
Weniger steigt langsam die 400 Meter lange gestreckte Spirale hinauf, die den eigentlichen Ausstellungsraum des Neanderthal Museums bildet.
Zehn Jahre ist der Bau nun alt – und er ist schön
gealtert. Die verarbeiteten Materialien haben Patina angesetzt – einige Erkenntnisse aber auch. Und
das ist nicht so schön. Zum Jubiläum wird die
Dauerausstellung behutsam überarbeitet. So genannte Forscherboxen sollen beständig aktuelle Ergebnisse, neue Funde, neue Interpretationen bereithalten. Die wächsernen Nachbildungen der
Neandertaler werden aktualisiert, neue sollen hinzukommen. Sie werden – Ausdruck von Individualität – ihre ganz eigene Mimik haben, während die
Vorgänger ein wenig wie Neandertaler-Darstellerpuppen wirken. Der Ahn bekommt ein Gesicht.
ZEIT: Wenn der Besucher das Museum verlässt, ist
er dem Neandertaler ein Stück näher gekommen?
Weniger: Hoffentlich ist er sich selbst näher gekommen, das ist unser eigentliches Ziel. Wir sagen
dem Besucher: Schau dir an, woher du kommst.
ZEIT:Gibt es eine neue Sehnsucht nach historischer
Selbstvergewisserung?
Weniger: Mit Sicherheit. Die Zukunft ist ungewiss. Die Gegenwart vergeht scheinbar immer
schneller. Da tut ein Blick in die Vergangenheit
gut. Wir lernen dabei, dass wir einem enormen
Wandel unterliegen. Dass sich unser Lebensraum
immer wieder dramatisch verändert hat.
ZEIT:Sie wollen uns über die Angst um die Zukunft
der Menschheit hinwegtrösten?
Wissen Seite 33–35
D E R
PATRICK GLAIZE-UGC YM
JOHANNES GALERT
A
Foto [M]: Thomas Ernsting/Bilderberg
as Tor in die Vergangenheit öffnet sich
auf Knopfdruck. Als das stählerne Gatter surrend zur Seite gewichen ist, betritt
Gerd-Christian Weniger die Brücke, die
über die Düssel führt. Das breite Geländer ist
schneebedeckt. Für Weniger eine ideale Grundlage.
Rasch hat der Direktor des Neanderthal Museums
die prähistorische Situation in den Schnee gekritzelt: das enge Tal, das der Fluss in den weichen Kalkstein gegraben hat. Steil aufragende Felswände auf
beiden Seiten. Neun Höhlen, weit über der Talsohle gelegen und nur von oben erreichbar.
Der Gast sieht heute von alldem nichts mehr.
Der Kalk wurde abgebaut. Die Steinbrucharbeiter
haben ganze Arbeit geleistet. Der Fels ist zurückgewichen, das Tal an einzelnen Stellen fast 400 Meter breit. Eine Straße führt an der Düssel entlang,
wo vorher nicht einmal ein schmaler Pfad denkbar
war. Die Höhlen sind längst zerstört. Auf einer Anhöhe ragt ein Kalksilo empor. Noch bis 2008 darf
im Neandertal Kalk abgebaut werden. Immer
pünktlich um elf Uhr wird gesprengt. An solchen
Tagen, sagt der Direktor, wackle das Museum.
Weniger zeichnet weiter: Hier die Felswand mit
den Feldhofer Grotten, dort das vom Fluss glatt geschliffene Kalkplateau, auf das Arbeiter im Steinbruch die Sedimente aus den Höhlen warfen, eine
Mischung aus Kalkschutt und Lehm – und Knochen. Hier wurde es 1856 entdeckt, das berühmteste deutsche Fossil: der Neandertaler.
Mittwoch, 23. März 2011 67. Jahrgang Nr. 69 D/SB/R1/R2/R3/R4/R5/S Frankfurter Rundschau
NEANDERTHAL-MUSEUM
D
Frankfurter Rundschau Mittwoch, 23. März 2011 67. Jahrgang Nr. 69 D/SB/R1/R2/R3/R4/R5/S
„Der wilde Kerl
ist geadelt worden“
NE
A
DIE ZEIT Nr.3
nicht nur, um auf die Jagd zu gehen,
sondern auch, um miteinander Sex zu
haben.
SPIEGEL: Waren die Begegnungen eher
flüchtig? Oder gab es zwischen NeanKooperation und Konkurrenz – beide Verhaltensweisen sind im Menschen
dertalerfrauen und Menschenmännern
angelegt. Sie prägen seit Beginn der Menschwerdung unser soziales und
so etwas wie stabile Beziehungen?
ökonomisches Handeln. Wir können heute vom Ursprung lernen – müssen
Weniger: Es werden wohl nur flüchtige
Kontakte möglich gewesen sein. Was
dazu allerdings unglaublich weit in die Urgeschichte zurückgehen.
die beiden jetzt im Erbgut gemeinsam
Ein anthropologischer Exkurs von Professor Dr. Gerd-Christian Weniger,
haben, ist ja auch nur relativ wenig. Das
spricht nicht für eine massive VermiDirektor des Neanderthal Museums in Mettmann.
schung. Wir dürfen aber auch nicht vergessen, dass es sich um eine ganz kleine
Population von Neandertalern handelte.
Wir sprechen da über 100 000 oder
200 000 Individuen, die nur einen geringen Abdruck im Genpool des modernen Menschen hinterlassen haben.
SPIEGEL: Bei welchen Anlässen könnte
es zum Sex zwischen Menschen und
Neandertalern gekommen sein?
Weniger: Wenn man ein Stück BisonJagen und Sammeln prägte uns
fleisch gegessen hat und am Lagerfeuer
vier Millionen Jahre lang
saß, gab es sicher Möglichkeiten …
SPIEGEL: Waren Neandertalermänner für
Diese ältesten Dokumente klammern jedoch
Menschenfrauen überhaupt attraktiv?
eine Lebensform völlig aus: Das Jagen und
Die Silhouette des
Weniger: Wer sich heute unter den weltANTHROPOLOGIE
berühmtesten DeutSammeln. Sie erscheint uns im europäischen
weit lebenden Menschen umschaut,
schen auf seinem
Kontext fremd. Dabei war sie bis vor 10.000
weiß, dass Aussehen ganz unterschiedFundort in Erkrath
Jahren die einzige politische und ökonomische
lich bewertet wird. Die Attraktivität
bei Düsseldorf
S. 35
Nr. 3
DIE ZEIT
liegt immer im Auge des Betrachters.
SCHWARZ
cyan
magenta
yellow
SCHWARZ
CYAN
MAGENTA
GELB
Organisationsform des Menschen weltweit. Sie
2. Fassung!
SPIEGEL:
Gab es zwischen den Menschen
hat uns seit über vier Millionen Jahren begleiund ihren nächsten Verwandten nicht
tet, sie hat unsere Menschwerdung geprägt
doch zu große Unterschiede?
und sie hat uns befähigt, alle Lebensräume died/pan/F PX1 - 29.03.2011 11:49:36 - s.gehrmann
d/pan/F PX1 - 29.03.2011 11:49:36
C
7451
C
Preis Deutschland 3,00 ¤
Weniger:
Nein.
Wenn
man
vor
der
ReLesen,
schauen,
hören:
www.zeit.de/musik
Nr.
3
12.
Januar
2006
61.
Jahrgang
WISSEN
35
Cyan Magenta Gelb Schwarz
Cyan Magenta Gelb Schwarz
ser Welt zu besiedeln
– von den Tropen bis zur
konstruktion des Neandertalers in unArktis. Heute haben sich nur noch versprengte
serem Museum steht, erkennt man, dass
Relikte dieser
Lebensform bei Weniger,
indigenen VölGerd-Christian
57, Anthro- tion von ihren eigenen Forschungser- das ein menschliches Wesen ist.
kern am Rande
der und
modernen
Welt erhalten.
SPIEGEL: 21
Warum zweifelten viele Ihrer
pologe
Direktor
des Neanderthal gebnissen überholt worden ist.
PANORAMA
20 PANORAMA
Kann Museums
es daher überhaupt
gelingen, über
Ein- die GeSPIEGEL: Wie liefen die sexuellen BegegForscherkollegen bislang daran, dass
in Mettmann,
blick in diese
ferne Vergangenheit
Jäger
nungen praktisch ab?
beide Menschenarten etwas miteinanmeinsamkeiten
von der
modernen
Menund Sammler
zu und
erhalten?
Wir Archäologen
Weniger: Jäger und Sammler sind darauf
der
gehabt
haben könnten?
schen
Neandertalern
Auch ein Fossil muss sozial integriert werden. Ein Gespräch mit Gerd-Christian Weniger, dem Direktor
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Weniger: Das hat mit dem Mythos des
angewiesen, ihre Geschlechtspartner in
können auf drei große Quellengattungen
des Neanderthal Museums, über das politisch korrekte Bild vom Urmenschen Von Andreas Sentker
SPIEGEL:
Erbgutanalysen
des
anderen Gruppen zu suchen. Das wis- wilden Mannes zu tun, der dem Neanzurückgreifen.
Zum einen
gibt es seit dem
17. Leipziger
für evolutionäre sen wir von ethnohistorisch belegten dertaler anhaftet – er ist die Projektion
einen großen Fundus historischer
dreidimensional zugänglichJahrhundert
machen soll.Max-Planck-Instituts
Bisher
wacht jeder Forscher eifersüchtig über seine
KnoAnthropologie
zeigen: SammMenschen und Beispielen. Für jede Gruppe ist es ex- all dessen, was wir aus unserem
Aufzeichnungen
und
ethnographischer
chen. Wird die virtuelle Anthropologie die WissenNeandertaler haben sich doch ver- trem wichtig, außerhalb der eigenen
menschlichen Erbe verbannen wollen.
quasi demokratisieren?lungen zum Leben der letzten Jäger- und
uch das Schicksal des Namensgebers
Waren wir menschlicheschaft
Raubtiere?
Sind Sie überrascht?
Weniger: Was da bisher geschieht, hat nurmischt.
bedingt
M E N S C H N EVerwandtschaft
A N D E RTA L auf
E R Braut- oder Bräu- SPIEGEL: Welche Neandertaler-Eigendieser Erde. Sie beschreiben
meines Hauses – des Homo sapiens
mit Wissenschaft zu tun … Sammlervölker
Weniger: Nein. Das beseitigt nur meine
tigamschau zu gehen. Deswegen tref- schaften stecken in uns?
… sondern
und Ränkespielen.
schnelle
undmit
vorMacht-Verhaltensweisen
und Organisationsprinzipineanderthalensis, der im Sommer Auf diese Frage gibt es keine ZEIT:
Weniger: Wir tragen morphologisch das
letzten
fen sich diese hochmobilen Gruppen
Weniger: Ja, ganz genau. Wer den Knochen
im Zweifel. Die archäologische Forallem keine einfache Antwort.Schrank
Dennhat,
Kooperaen, die
global
einheitlich
sind:
Das dass es
1856 von Steinbrucharbeitern entdeckt wurde
entscheidet, welcher
Forscher
ihn erstaunlich
zu vermutet
schung
seit 15
Jahren,
immer wieder zu gemeinsamen Aktio- eine oder andere in uns. Bei manchem
sehen bekommt – und welcher nicht. Dabei gehöinnere Kräf- Zusammenleben
in kleinen, beweglichen
– ist eng mit demLiebevoller
Spannungsfeld
von Koope- tion und Konkurrenz sind zentrale
die Vermischung
gegebenGruphaben muss. nen an gemeinsamen
Lagerplätzen
– Zeitgenossen fällt mir auf: Oh, das ist aber
ren die Funde meist zu öffentlichen Sammlungen.
Ersatzvater: Neandertaler „AO“ mit Menschenkind.
Furchtlose Kriegerin: die Homo
Sapiens Aki.
ist Weltkulturerbe. Diepen
Situation
sich
te unseres Menschseins. DerDas
archäologische
ohnewird
ausgeprägte
Hierarchie,
in denen
ration und Konkurrenz verbunden.
SPIEGEL:
Welche
Hinweise
auf die Kreuein starker Überaugenwulst. Fast so, wie
aber drastisch verbessern.
Führerschaft
aufgab
persönliches
Könnenschon?
und
Seine Geschichte verliert sich mit dem Auf- Blick auf den Neanderthaler öffnet
es denn bisher
es von
Der Film stellt das gängige Bild auf den Kopf. Das beginnt schon mitwir
dem Eisbären
gleich zuNeandertalerskeletten kennen.
ZEIT: Undallerdings
wie wollen Sie diese
Mauer aus zung
Eitelkeit
Joschka Fischer:
In seiner künstlerischen Freiheit geht er natür- Anfang. Eine solche Begegnung zu dieser Zeit
und uns
Forscherneid
die den
Zugang gründete.
Auch die Kleidung
lich zu weit. Sobald im Film verschiedene war noch nicht möglich.
Weniger:
Bei den eiszeitlichen Menschen
SPIEGEL:
Ist der Neandertaler also gar
heute durchbrechen,
im soziale
Intelligenz
tauchen des modernen Menschen und provo- neue Einsichten und die Chance
Gruppen aufeinandertreffen, gibt es Mord war für das Klima, so wie es im Film herrscht,
zu Fossilien verwehrt?
Überleben ganz
wäre un- ausgestorben?
und Totschlag. Das können sich Jäger und völlig ungeeignet, einnicht
in
Europa
bestand
weitgehende
Mein Scharon
zu betrachten:
Die
zweite
Quellengattung
sindeine
archäoloziert die Frage: Welche der beiden Verhaltens- Spiegel unserer Ursprünge Weniger:Beim
Neandertaler ist das
relativ
einfach,
Sammler nicht erlauben, dazu waren ihre Po- möglich gewesen. Und AOs Aussehen erinnert
mehr
an
eine
Art
Monster
und weicht sehr von
pulationen
viel
zu
klein
und
jedes
einzelne
denn es gibt mit etwa 300 Individuen ziemlich
vieWeniger:
Nicht wirklich, er ist in uns aufkulturelle
Gleichheit.
Das war ein Indiz,
Menschenleben viel zu wertvoll. Sie waren unseren Rekonstruktionen im Museum ab.
wir im Eiszeit- gische Funde
und Befunde.
Hundertausende
weisen war für den frühen Menschen ent- Woher kommen wir? Wie waren
Wie der Mann des Krieges den
le. Die meisten Kollegen sind begeistert. Sie sehen
auf die guten Beziehungen zu ihren Nachbarn
biologische
ÜberschneiFrieden vorbereitet hat Seite 3
Warum die Wissenschaft populäre Filme
überWaren
den
angewiesen. Sie mussten ihre Geschlechts- Trotzdem verliebt sichgegangen.
die nicht gerade unatsogar die
Vorteile. Abgesehen
dem dass
Wissen- es
alter?
wir menschliche
Raubtiere?
vonvonWerkzeugen
undauch
Siedlungsresten
aus der
scheidend?
partner in anderen Gruppen finden und traktive Aki in AO.
Steinzeitmenschen nicht verteufelt. Ein Gespräch über
schaftshotelbetrieb, der die Forscher an wichtigen
man Verkehrsrowdys noch
dungen gegeben haben muss.
brauchten in Krisenzeiten Hilfe von anderen.
Offensichtlich hat in SPIEGEL:
diesem Fall nichtDarf
sein
Die Welt hätte Ariel Scharon
wilde Männer, Körperpflege und die Erkenntnis, dass der
Aussehen, sondern seine fürsorgliche, sanfte
Standorten belastet, leiden auch die Funde selbst,
Art
den
Ausschlag
gegeben.
Er
hat
sich
doch
Geborene
Pazifisten
waren
die
Neandertaler
SPIEGEL:
Konnten
Sie
sich
mit
dieser
Aufals
Neandertaler
beschimpfen?
Neandertaler in uns allen steckt
noch länger gebraucht Seite 2
wenn sie oft angefasst werden. Es bleiben Mikrorührend um ihr Kind gekümmert. Das ist doch
nicht.
dem Film, wie sehrAuf
der
Nein, hier wird der Mythos des wilden Man- das Sympathische an Weniger:
keinen
Fall!
Der
Neanderfassung
durchsetzen?
spuren zurück, mit der Zeit runden sich Ecken
und
Josef Joffe
nes in einen Mythos des guten Mannes umge- Neandertaler Gefühle zeigt, sein BeschützerHerr Weniger, „AO - Der letzte NeandertaPERSON & FILM
Kanten ab. Da bietet die Digitalisierung Weniger:
eine rieinstinkt. Wir wissen, dass
es behinderte
Neandeutet. Beides ist sicher falsch.
ler“ ist in erster Linie eine Liebesgeschichte
Nein.
Es
gab
über
viele
Jahre
taler
ist
von
den
Paläogenetikern
geDer Kampf um die Nachfolge
dertaler gab, die von der Gruppe über Jahre
zwischen dem Neandertaler AO und der HoGerd-Christian Weniger,
sige Chance. Vor allem sitzen Sie nicht mehr wie
Keiner hat unser MenschenbildHatso
verändert
der Moderne Mensch den Neandertaler gepflegt wurden. Dieses Wissen unterstützt
mo Sapiens Aki. Beim Gedanken an diese RoJahrgang 1953, ist Direktor des
entscheidet über Israels Zukunft
hinweg
große
Zweifel.
Nun
freuen
wir
adelt
worden.
Er
ist
jetzt
auch
ein
mofrüher
vor
einem
Fossil,
und
das
nächste
sehen
Sie
nun eigentlich ausgerottet, oder nicht?
manze hätten sich Wissenschaftler vor eiNeanderthal-Museums in
den Prozess seiner Humanisierung.
wie der Neandertaler.
150 Jahre
nach seiner
Die Vermischung
von Neandertaler und Monem Jahr noch entsetzt an den Kopf gefasst.
Mettmann. Weniger vertritt seit
Monate später in einem tausend Kilometer
entGisela Dachs
Seite 2
Neandertaler-Rekonstruktion,
Weniger
uns
natürlich,
dass
die
biologische
Frakderner
Mensch.
dernem Mensch gab es wahrscheinlich nur
im Ein Film-Klischee bleibt.
Es hätte sicher Forscher gegeben, PaläogenetiJahren die Ansicht, dass
Der Neandertaler
fernten Institut. Sie können sich in der Datenbank
Vorderen Orient, nicht in Europa. Hält man wird als ungepflegter Waldschrat dargestellt.
ker oder Paläoanthropologen, die hätten das
es eine Vermischung von
Entdeckung sagen uns die Forscher,
wie er
sich die Klimageschichte Europas vor Augen Und das stört mich ungemein. Neandertaler
als völligen Humbug bezeichnet, als reine FikNeandertaler und Homo
viele Datensätze gleichzeitig ansehen.
hält, kommt man zu dem Schluss, dass vor sind häufig schmutzig, jede Form von Körpertion.
Sapiens gegeben haben muss.
ZEIT: Es sind schon verhältnismäßig viele Nean40 000 Jahren die Neandertaler in unseren hygiene ist ihnen offenbar fremd. Das ist für
Jüngste Forschungsergebnisse stützen seine These.
lebte
–
und
wie
er
wirklich
aussah
Und Sie, der Sie sich zu den Archäologen
Breitengraden durch Klimastress ausgestor- Primaten ein ungewöhnliches Verhalten. GeNeandertaler am Feuer (Rekonstruktion)
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6
12. Januar 2006
DIE ZEIT
Prisma
BERTHOLD STEINHILBER / LAIF
Nr. 3
Waren wir offene, humane Wesen? Und: Kann
man sich dieser Frage wissenschaftlich überhaupt nähern oder bleibt man unweigerlich im
Dickicht philosophischer Diskurse stecken? Für
den gewöhnlichen Kulturanthropologen oder
Philosophen abendländischer Prägung ist der
Beginn menschlicher Urgeschichte untrennbar
mit einem großartigen, befreienden Gewaltakt
verbunden: Zeus tötet Kronos, Kain tötet Abel,
ein Mörderaffe tötet im Filmklassiker „2001“
seinen Widersacher – die Geschichte beginnt.
Aber reichen diese Bilder tatsächlich bis zu
unseren Ursprüngen zurück? Unser kulturelles
Gedächtnis beginnt mit den ersten schriftlichen Aufzeichnung. Alle frühen Erzählungen –
sei es das Gilgamesch-Epos oder sei es die Bibel
– berichten von Gesellschaften, deren Existenzgrundlage Ackerbau und Viehzucht
waren. Gesellschaften, in denen die Auseinandersetzung um Ressourcen wie Land, Wasser,
Vorräte zum Alltag gehörte. Viehnomaden
stritten mit Ackerbauern und Ackerbauern stritten untereinander um Zugangsrechte und Verfügungsgewalt.
Ab ins »Netz 2006«:
Fußball berührt alle
SbenPsind.I Der
E anatomisch
G E L moderne
1 9 Mensch
/ 2 0ist1 hen
0 Sie in den Zoo. Die Affenarten sind alle gedann in einen weitgehend unbesiedelten
Raum eingesickert.
Diese These lässt der Film auch zu. AO ist der
letzte seiner Art.
Er lebt in einer weitgehend menschenleeren
Umgebung, er ist alleine, mit ihm sterben die
Neandertaler aus. Da ist der Film ganz nah an
der Wissenschaft.
pflegt. Das ist Teil ihrer Überlebensstrategie.
Sind Neandertaler-Filme, wie „Steinzeit Junior“ aus dem Jahr 1992, der absoluter Klamauk ist, für Sie dann Fluch oder Segen?
Für uns ist das letztendlich ein Vorteil.
Tatsächlich?
Sehen Sie, das Bild des Neandertalers wird
seit jeherinkontrovers
diskutiert»4und
wir müsFoto: Model-Kopf eines Neanderthalers, fotografiert
der Sonderausstellung
Millionen
Jahre Mensch« im Staatlichen Museum für Naturkunde Stuttgart; United Exhibits/Science Photo Library / Agentur Focus
7000 bis 10 000 Neandertaler sollen in Europa gelebt haben. Viele sind das nicht.
Es gibt hinsichtlich der Populationsgröße unterschiedliche Schätzungen. Wir haben das
vor ein paar Jahren anhand von Klimadaten
und der Größe des potentiellen Siedlungsraumes zu berechnen versucht. In einer warmen
Phase der letzten Eiszeit kommen wir auf ein
Maximum von 160 000 Menschen, aber wir
gehen davon aus, dass die realen Zahlen deutlich darunter geblieben sind. In einer kalten
Phase kommt man nur noch auf eine maximale Population von 25 000, also sind Zahlen
von unter 10 000 durchaus realistisch. Kritisch wird es, wenn der Aufwand, sprich die
Entfernungen, zu groß werden, um einen potenziellen Partner zu finden.
sen damit auch umgehen. Natürlich betreiben
wir seriöse Wissenschaft, aber unsere Aufgabe
verlangt auch, die Menschen da abzuholen,
wo sie gerade stehen. Und dann muss man
zum einen solche Filme akzeptieren und zum
anderen selbst das Potenzial der Marke Neandertaler gelegentlich nutzen. Auch wir treiben
schon mal Blödsinn mit dem Neandertaler.
Mitunter darf es auch etwas schräg sein.
Dr. Seltsam in Teheran
Blick in die
Vergangenheit
der Menschen:
der Schädel
Schräg?
Im Hinblick auf den Eurovision Song Contest
in Düsseldorf sind wir gerade dabei, den Neandertaler zum Gesangsstar aufzubauen.
Aber haben
diese PR überhaupt
nötig?Michael naumann
eines Homo
Irans Führung will
die Bombe. Gemeinsam könnten die Großmächte
sieSiestoppen
Von
Es geht darum, das Thema Neandertaler an vieNeanderthalensis.
PHOTOLIBRARY/MAURITIUS
A
riel Scharon wird Israel nicht mehr regieren. Bis auf Ägyptens Diktator Mubarak sind die Führer des nahöstlichen
Ancien Régime aus der Geschichte abgetreten: Palästinas Jassir Arafat, Iraks Saddam
Hussein, Syriens Hafis al-Assad, Saudi-Arabiens
König Fahd. Gemeinsam pflegten sie ihre ohnmächtige Feindschaft mit Israel. Doch keiner von
ihnen verfügte (anders als die Israelis) über die ultimative Waffe, die Atombombe.
Ihre Nachfolger sind militärisch schwach und
registrieren den neuen Nachbarn: die U. S. Army,
mit 140 000 Soldaten auf dubioser Demokratisierungsmission im Irak. Solange die Amerikaner
da sind, so lange wird es keine konventionellen
Kriege mehr auf der arabischen Halbinsel geben.
Nur ein islamischer Staat in der Region, Iran,
AO legt deshalb eine unglaublich weite Strecke zurück, von Nordeuropa bis ans Mittelmeer. Der Neandertaler soll aber gar kein
len Stellen in der Gesellschaft zu platzieren, gerade da, wo es nicht erwartet wird. Es gibt aber
tatsächlich Kollegen, die darüber forschen, wie
der Neandertaler gesungen haben könnte.
großer Läufer
sein?
Frankreichs
undgewesen
Deutschlands.
Bisher ging es um nischen Militärsatelliten ins Weltall befördert und
Mobil waren Jäger und Sammler natürlich. Welches Geheimnis wollen Sie noch lüften?
die Frage:
Ist das Land bereit, seinen so offenkun- baut den 1000-Megawatt-Reaktor in Buschir aus.
Und je kälter das Klima wurde, desto höher Ich würde gerne einen Lagerplatz entdecken,
die Mobilität. Die Distanz,
die AO zu- an dem
ein Neandertaler
anatomisch
digenwurde
A-Bomben-Plänen
abzuschwören
oder
Peking und
hateinmit
Teheran einen Öl- und Gaslieferücklegt, ist trotzdem enorm in der Kürze der moderner Mensch gemeinsam bestattet wurnicht?
Wahrscheinlich nicht. Worüber also noch rungskontrakt über 20 Milliarden Dollar geZeit. Da schießt der Film über das Ziel hinaus. den. Das wäre ein echtes Highlight. Dann würde die Geschichte
von AO real. Beide Veto-Mächte werden UN-Sankverhandeln?
schlossen.
Wie oft haben Sie den Kopf schütteln müstionen gegen Iran zu verhindern wissen.
Interview: Sebastian Gehrmann
sen, als Sie den Film gesehen haben?
Israelische Militärs hatten sich selbst bis zum
Achtzehn Jahre lang hatten die Iraner kritische
Teile ihrer Nuklearforschungslabors vor der Inter- März dieses Jahres eine Frist gesetzt: Sollte bis danationalen Atomenergiebehörde (IAEA) verbor- hin Iran nicht vor den UN-Sicherheitsrat zitiert
gen. Hinter doppelten Wänden eines Kraftwerks worden sein, wäre der point of no return überin Teheran entdeckten die Inspektoren im Febru- schritten. Liegt er auf jener »Linie«, die Steinmeiar 2003 Tausende Zentrifugen zur Uran-Anrei- er am Dienstag ins Spiel brachte? Die israelische
cherung. Im Oktober desselben Jahres handelte Luftwaffe besitzt 500 hochmoderne BunkerJoschka Fischer in Teheran mit seinen Kollegen knacker-Bomben aus dem US-Arsenal. Doch in
aus Paris und London eine Verpflichtung Irans Wirklichkeit gibt es für Israel keine ernsthaften
aus, dieses Programm zu suspendieren. Doch von militärischen Optionen: Weder kann es als HilfsJahr zu Jahr wurde klarer, dass die Regierung der sheriff Washingtons auftreten, noch könnte es
Für jeden, der schon einmal gekickt
hat: Das große Online-Spiel zur WM
auf www.zeit.de und im Leben S. 61
Der vermeidbare Tod
Die Vogelgrippe kommt näher.Aber Deutschland ist auf die
Seuche besser vorbereitet als die Türkei Von Andreas Sentker
E
s sind Bilder wie aus dem Mittelalter,
die uns aus der Türkei erreichen; so
primitiv sieht die Hatz auf Hühner,
Gänse und Enten aus. Wären da nicht die
Schutzmasken der Häscher, ihre Plastiktüten, in die sie hastig das Geflügel stopfen,
kopfüber und noch lebend. Wären da nicht
Bulldozer, die Gruben zuschieben, in denen
inzwischen mehr als 100 000 Tiere liegen.
Es sind Nachrichten wie aus einer unaufgeklärten Zeit. Menschen sterben an Unwissen. Kinder zahlen mit ihrem Leben für die
Armut und Ahnungslosigkeit der Eltern, die
auch todkranke Tiere noch schlachten und
auf den Tisch bringen.
All dies hätte verhindert werden können.
Erste Fälle von Vogelgrippe waren bereits im
nicht von erkrankten zu unterscheiden sind
– und sich eine mögliche Seuche so der Kontrolle entzieht.
Die Parole wird also wieder lauten: Ab in
den Stall. Wichtige Vogelzugrouten führen
über das östliche Mittelmeer und die Türkei. Bald werden Gänse und Störche zurückkehren. Sollte die Türkei die Seuche bis dahin nicht in den Griff bekommen haben,
droht Europa die Ausbreitung der Krankheit – mit gravierenden wirtschaftlichen
Folgen. Schon jetzt hat Verbraucherschutzminister Horst Seehofer angekündigt, Hühner und anderes Federvieh von Anfang
März bis Anfang April wieder in die Ställe
zu sperren. Die Proteste dagegen dürften leiser ausfallen als noch im Spätherbst. Das
75 Jahre Neanderthal Museum
67
»Die Kunststiftung NRW freut sich sehr,
Webzugriffe auf neanderthal.de
2008: 130.000
2009: 212.388
2010: 192.360
2011: 220.097
Ranking
In Summe aller Web 2.0 Aktivitäten (facebook, Twitter, ...):
Platz 4 in NRW (hinter NRW Forum, Museum Ludwig und Museum Folkwang)
Insgesamt Platz 2. unter den deutschen Archäologiemuseen
www.pluragraph.de
Like
dem Neanderthal Museum zu seinem
wichtigen Jubiläum zu gratulieren und
für die Zukunft eine weitere gedeihliche
Entwicklung zu wünschen. Das Haus
genießt einen internationalen Ruf und
es gibt wohl kaum einen anderen Ort,
an dem man so profund und anschaulich
zugleich in das anthropologische Werden
der Menschheit eingeführt wird.
Die Kunststiftung NRW konnte 2002 dazu
beitragen, einen Skulpturenpark im Außenbereich des Museums zu realisieren.
Dem Künstler und Kurator Volker Friedrich
Marten gelang es zusammen mit Zadok
Ben-David, Anne und Patrick Poirier,
Magdalena Abakanowicz, Jaume Plensa,
Antony Gormley, Klaus Simon, Giuseppe
Penone, Ian Hamilton Finlay und Nils Udo
der durch menschliche Eingriffe stark zerstörten Naturlandschaft eine neue Würde
und Anmut zukommen zu lassen.
Das noch in den 1820er Jahren von der
Düsseldorfer Malerschule als wild romantische Naturkulisse entdeckte Neandertal,
wurde ab den 1850er Jahren vollständig
durch den Kalkabbau zerstört und damit
auch die eigentliche Fundstätte des
Neanderthalers. Volker Friedrich Marten
begab sich mit seinen Bildhauerkolleginnen und Kollegen auf die Suche nach den
„MenschenSpuren“ in der renaturierten
Parklandschaft. Das Ergebnis zeigt, wie
eng Natur und Kultur in einer Metamorphose miteinander verwoben sind und
wie weit entfernt von Endgültigkeit sich
diese Symbiose befindet.
«
Dr. Fritz Behrens (Düsseldorf)
Präsident der Kunststiftung NRW
1937–2012

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