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0 Jahre Turnen
In Bewegung – 20
Gesundhei
eV
Sozial
ition •
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erantwortung • Leistung
Turnbewegung 2011
„Wo 4 F draufsteht, ist Turner-Bund
drin!“ – das Turnerkreuz ist seit über 150
Jahren das Markenzeichen der Turner.
Picture-Alliance.
Im Vorwort des Buches „Die Deutsche Turnkunst“ (1816) spricht Friedrich
Ludwig Jahn von einem „kleinen unmerklichen Anfang“ des Turnens. Den
Anfangsimpuls setzte Jahn, als er 1811 auf der Berliner Hasenheide den
ersten Turnplatz in Deutschland eröffnete. Heute, 200 Jahre nach dem „unmerklichen Anfang“, zählt der Deutsche Turner-Bund (DTB) fast fünf Millionen Mitglieder, die in 20.500 Vereinen organisiert sind. 22 Landesturnverbände mit 230 weiteren regionalen Untergliederungen bilden ein deutschlandweites Turn-Netzwerk.
Der DTB ist unter den deutschen Sportverbänden momentan:
– Der größte Kinder- und Jugendverband mit
über 1,9 Millionen Kindern und Jugendlichen.
– Der größte Frauenverband mit mehr als
2,2 Millionen erwachsenen weiblichen Mitgliedern.
Turnen gilt als kraftvoll, dynamisch und
ästhetisch – die Marke Turnen! steht für
die Sportarten Gerätturnen, Trampolinturnen, Rhönradturnen und die Rhythmische Sportgymnastik. Picture-Alliance.
– Der größte Seniorenverband mit mehr als
einer Million Mitgliedern über 50 Jahre.
Eltern-Kind-Turnen für Zwei- bis
Vierjährige, Kleinkindturnen für bis
Sechsjährige und Kinderturnen für bis
Zehnjährige – zur Marke Kinderturnen
gehören alle Angebote für Kinder.
Picture-Alliance.
Fitness und Gesundheit sind die zentralen Aspekte der Marke GYMWELT –
Zielgruppe für die vielfältigen Angebote
mit dem Schwerpunkt Gymnastik sind
Erwachsene und ältere Menschen.
Vom Vorturner für Nachturner
„Armkreisen“
„Straff gestreckte Arme beschreiben in Richtung von vorn
nach hinten und umgekehrt einen steilen ovalen Kreis!
Diese Übung isteine dem Brustkorb, dem Schultergelenk
und den Athmungswerkzeugen sehr wohlthätige, deshalb
tägliches Wiederholen dringendzu empfehlen.“
Das Haus- und Zimmerturnen. Bernhardt von Gera, 1881.
Alle sportlichen und turnerischen Aktivitäten
erfolgen auf eigene Gefahr.
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Turner-Bund ist m
die Sportarten unter dem Dach des DTB
Der Begriff „Turnen“ weckt viele Assoziationen. Die meisten werden an
schwungvolle Übungen des Gerätturnens denken, die Anmut der Rhythmischen Sportgymnastik, kraftvolle Sprünge auf dem Trampolin oder die
Eleganz des Rhönradturnens.
Aerobic – komplexe und hochintensive
Bewegungen. Picture-Alliance.
Im Deutschen Turner-Bund sind aber noch zahlreiche weitere Sportarten
organisiert, die vielleicht nicht so bekannt sind, von denen man sich
jedoch auch ein Bild machen sollte.
Orientierungslauf – Natur- und
Ausdauersport. Picture-Alliance.
Korfball – Männer und Frauen spielen
gemeinsam. Picture-Alliance.
Ropeskipping – Seilspringen als atemberaubende Show. Picture-Alliance.
Mehrkämpfe – der Jahnkampf vereint
Turnen, Leichtathletik und Schwimmen.
Picture-Alliance.
Indiaca – viel Spaß und geringes Verletzungsrisiko.
Picture-Alliance.
Nicht abgebildet sind die DTB-Sportarten:
Faustball – im Sommer auf Rasen, im
Winter in der Halle. Picture-Alliance.
Vom Vorturner für Nachturner
„Armrollen“
„Die Arme sind seitwärts zu heben, vor- und rückwärts zu rollen;
so dass die gehobenen Arme beim Vor- und Rückwärtsrollen
die Form eines Trichters beschreiben, dessen Spitze im Schultergelenk ausläuft.“
Das Haus- und Zimmerturnen. Bernhardt von Gera, 1881.
Musik- und Spielmannswesen – bei Veranstaltungen treffen die
Turnermusiker den richtigen Ton. Picture-Alliance.
Berlin
Die Hasenheide in
Geburtstätte der deutschen Turnkunst
Der Initiator der Turnbewegung Friedrich Ludwig Jahn in seinen jüngeren
Jahren (um 1817) – „Gehen, Laufen,
Springen, Werfen, Tragen sind kostenfreie
Übungen, überall anwendbar, umsonst,
wie die Luft.“ Sammlung Deutsches
Sport & Olympia Museum.
Der Deutsche Bund (1815-1866) – ein
lockerer Zusammenschluss von 35 deutschen Fürstentümern und vier freien
Städten. Ziegelbrenner. Lizenziert unter
Creative Commons CC-BY-SA 3.0.
Exemplarischer Plan für einen Turnplatz
aus Jahns und Ernst Eiselens „Die Deutsche
Turnkunst“ von 1816 – unter anderem
mit Rennbahn (IV), Schlängelbahn, Schwingplatz (VIII), Schwebeplatz (IX), Reckplatz (X),
Barrenplatz (XI), Kletterplatz (XII), Ringplatz
(XVII) , Spielplatz (XIX) und Versammlungsplatz mit Schuppen und Kleidergestellen (XX).
Sammlung Deutsches Sport & Olympia
Museum.
Im Frühjahr 1811 errichtete Friedrich Ludwig Jahn (1778-1852) mit einigen
seiner Schüler den Turnplatz auf der Hasenheide. Die Hasenheide, eine
ehemalige Hofjagd des Kurfürsten von Brandenburg, wurde zum Schauplatz für eine Vielzahl von Bewegungsübungen, die Jahn mit dem neuen
Begriff „Turnen“ bezeichnete. Ein Schwebebaum, mehrere bis zu fünf
Meter hohe Kletterstangen, eine Sandgrube zum Stabspringen, ein
Tau als Hangelreck und ein Ringplatz waren die ersten Einrichtungen und
Geräte. Schwimmen und Geländespiele gehörten ebenfalls zum Repertoire
der Turner.
Neben einem körperlichen war die Hasenheide auch ein politisches Betätigungsfeld. Ein damals revolutionär-liberales Turnplatz-Motto lautete: „An
Rang und Stand sind alle gleich.“ Die Forderungen der Turner nach nationaler Einheit und insbesondere der Befreiung von der napoleonischen Besatzung waren Ausdruck ihrer patriotischen Gesinnung. Die freiwillige Teilnahme an den Befreiungskriegen gegen Napoleon war für viele Turner daher eine Selbstverständlichkeit.
In den einzelnen deutschen Teilstaaten begrüßten die Fürsten und Könige
den Kampf der Jahn’schen Turner gegen die französische Herrschaft. Ihren
Nationalgedanken empfanden sie aber als unakzeptablen Eingriff in den
eigenen Machtbereich und als Gefahr für die öffentliche Ordnung. Deshalb wurde von 1820 bis 1842 in Preußen das Turnen im Freien durch die
„Turnsperre“ untersagt. Alle Turnplätze wurden geschlossen. Das Inventar
der Hasenheide versteigerte die Polizei.
Erst 1844 legte Hans Ferdinand Maßmann (1797-1874) im Auftrag des
preußischen Ministeriums einen neuen Turnplatz an, einige hundert Meter
von der ursprünglichen Hasenheide entfernt.
Darstellung des Turnplatzes auf der Berliner Hasenheide (um 1818) auf einer Sonderbriefmarke
des Bundesministeriums der Finanzen (Ausgabetag: 9. Juni 2011), gestaltet von Annegret
Ehmke – nach 1811 entwickelten die Turner auch neue Geräte wie das Reck und den Barren
und erweiterten den Kanon der Turnübungen. Annegret Ehmke.
Vom Vorturner für Nachturner
„Beinheben und Kreisen nach der Seite“
„Diese Bewegungen müssen bei unverrückter Stellung des Oberkörpers
ruhig aber mit kräftiger Hebung und langsamer Kreisung verrichtet
werden. Betritt das rechte Bein den Boden, so muss in demselben
Augenblick die Hebung incl. Kreisung des linken erfolgen und so
wieder umgekehrt. Gichtisch-rheumatisch Leidenden ist diese Uebung,
da sie eine allseitige Muskelthätigkeit bewirkt, ganz besonders zu
empfehlen.“
Das Haus- und Zimmerturnen. Bernhardt von Gera, 1881.
Friedrich Ludwig
Jahn
Turner für das Vaterland
Jahn verstand das Treiben auf der Hasenheide als nationales Erziehungskonzept. National sollte auch die neue Bezeichnung sein:„Turnen“.
Die Silbe„turn“ deutete Jahn als deutschen Urlaut. Tatsächlich handelt es
sich aber um eine Entlehnung aus dem Lateinischen, deren Bedeutung
„drehen“ oder „sich wenden“ jedoch gut passte.
Adolf Spieß, der „Vater“ des Schulturnens und Förderer des Mädchenturnens,
mit Schülern. Sammlung Deutsches
Sport & Olympia Museum.
Die Nationalversammlung in der
Frankfurter Paulskirche 1848 – Jahn war
Mitglied des ersten frei gewählten
deutschen Parlaments. Picture-Alliance.
Als Lehrer auf der Hasenheide zeigte Jahn großes pädagogisches Geschick
und war bei seinen Schülern außerordentlich beliebt. Außerhalb des Turnplatzes wurde er allerdings für seine extremen Ansichten und sein überschäumendes Temperament kritisiert und von der Obrigkeit eher geduldet
als geachtet. Während der „Turnsperre“ verbrachte er sogar mehrere
Jahre in Haft.
Neue Impulse kamen in dieser Zeit von Turnern aus Süddeutschland und
von Medizinern, die den gesundheitlichen Nutzen des Turnens betonten.
Einige Herrscher des Deutschen Bundes akzeptierten daraufhin das
Turnen, sofern es unter staatlicher Obhut durchgeführt wurde. So konnte
der Pädagoge Adolf Spieß (1810–1858) für den Schulunterricht ein Übungssystem entwickeln, das auf Körperbeherrschung, Ordnung und Disziplin
abzielte.
Gleichzeitig entstanden überall in Deutschland Turnvereine, deren Mitglieder sich turnerisch, gesellschaftlich und politisch betätigten, ohne jedoch
eine gemeinsame Linie zu verfolgen. Besonders die liberalen Turner, die für
Demokratie und Freiheitsrechte eintraten, erlebten durch das Scheitern der
Revolution von 1848/49 einen Rückschlag. Im Zuge der Revolution betrat
auch Jahn nochmals die politische Bühne: Als mittlerweile 70-Jähriger wurde
er Abgeordneter der Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche.
Das Jahndenkmal im Volkspark Hasenheide – Mittelpunkt des Denkmals ist das
von Erdmann Encke geschaffene vier Meter hohe bronzene Standbild des Turnvaters. Der Grundstein wurde 1861 anlässlich des 2. Deutschen Turnfestes in
Berlin gelegt. Sammlung Deutsches Sport
& Olympia Museum.
Friedrich Ludwig Jahn in der geläufigen Darstellung als
alter Mann mit wallendem Bart. Nach einer Lithographie aus
dem Jahre 1846 von Georg Engelbach. Picture-Alliance.
Vom Vorturner für Nachturner
„Sägen“
„Hier möge man den Oberkörper mehr nach vorn neigen.
Das Strecken, wie Anziehen der Arme (bei geballten Fäusten)
muss aber kräftig und in regelmässiger Wechselfolge beider
Arme geschehen.“
Das Haus- und Zimmerturnen. Bernhardt von Gera, 1881.
Turnen in versch
iedenen Syste
men
von Coburg 1860 bis Köln 1928
Riegenturnen beim 8. Deutschen Turnfest in Breslau 1894 – erstmals traten auch
Frauen auf. 50 Turnerinnen des Alten
Turnvereins Breslau von 1858 zeigten
Hantel- und Gerätübungen. Festzeitung
zum 8. Deutschen Turnfest Breslau 1894.
Sammlung Deutsches Sport & Olympia
Museum.
Offizielle Postkarte des 12. Deutschen
Turnfestes in Leipzig 1913 – zum 100.
Jahrestag der Völkerschlacht besuchten
65.000 das Turnfest in Leipzig. Sammlung Deutsches Sport & Olympia Museum.
Austragungsort des ersten Deutschen Turn- und Jugendfestes war vom
16. bis 19. Juni 1860 die Stadt Coburg. Etwa 1200 Turner aus allen Teilen
Deutschlands waren dem „Ruf zur Sammlung“ der schwäbischen Initiatoren
Georgii und Kallenberg gefolgt. Das Zusammentreffen markiert den Beginn
einer Tradition von nationalen Turnfesten, die bis heute wichtiger Bestandteil und Präsentationsplattform der Turnbewegung geblieben ist. Besondere
Faszination ging und geht vom Gemeinschaftserlebnis der beteiligten Turnerinnen und Turner aus.
Mit der Entstehung des Kaiserreiches 1871 sahen die Turner eines ihrer
wichtigsten politischen Ziele verwirklicht: die nationale Einheit. Die Vereine
der 1868 gegründeten Deutschen Turnerschaft (DT) erlebten einen regen
Mitgliederzulauf und ihre Turnfeste wurden zu Großveranstaltungen. Der
spätere DT-Vorsitzende Ferdinand Goetz (1828-1915) bezeichnete die kaisertreuen bürgerlichen Turner als „Bollwerk des Vaterlandes“. Ausdrücklich
nicht Mitglied dieses „Bollwerks“ sollten die laut Goetz „vaterlandslosen
Gesellen“ der sozialdemokratischen und sozialistischen Arbeitervereine
sein. Sie gründeten daraufhin 1893 in Gera den Arbeiter-Turnerbund (ATB),
der nach dem Ersten Weltkrieg als Arbeiter-Turn- und Sportbund (ATSB)
weitergeführt und schließlich 1933 von den Nationalsozialisten verboten
wurde. Die Arbeiter-Turn- und Sportfeste etablierten sich zunächst neben
den bürgerlichen Turnfesten.
Zu den letzten Veranstaltungen vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten versammelten sich 200.000 bürgerliche Turnerinnen und Turner
1928 in Köln. Ein Jahr später kamen 75.000 Menschen zum ATSB-Fest
nach Nürnberg.
14. Deutsches Turnfest in Köln 1928 –
Fotographie der Turnriege bei Freiübungen auf der Jahnwiese. Sammlung
Deutsches Sport & Olympia Museum.
„Frisch, Frei, Stark, Treu“ lautete das
Motto der Arbeiterturner – Ende des 19.
Jahrhunderts wurden sie zum politischen
Gegenspieler der bürgerlichen Turner.
Sammlung Deutsches Sport & Olympia
Museum.
Das 1. Deutsche Turn- und Jugendfest in Coburg 1860 – Begeisterung und Diskussionen
über die turnerischen und politischen Wege. Sammlung Deutsches Sport & Olympia Museum.
Vom Vorturner für Nachturner
„Leipziger Schulturnen“
Übungen zu Paaren: Weites Seitschreiten und
Schrägheben der Arme seitwärts mit Handfassung.
Festzeitung zum 12. Deutschen Turnfest Leipzig 1913.
Stuttgart ´33
Vormarsch ins „Dritte Reich“
Das 15. Deutsche Turnfest im Juli 1933 in Stuttgart stellte mit 600.000 Teilnehmern einen zahlenmäßigen Höhepunkt der Turnfestkultur dar. Gleichzeitig steht dieses Fest aber auch für die Bereitschaft einflussreicher Kreise
innerhalb der Deutschen Turnerschaft (DT), sich dem nationalsozialistischen
Kurs früh anzupassen.
Offizielle Postkarte des 15. Deutschen
Turnfestes in Stuttgart 1933. Sammlung
Deutsches Sport und Olympia Museum.
Erhoffte eine Sonderrolle für die Deutsche Turnerschaft im NS-Sport – der
selbsternannte „Turnführer“ Edmund
Neuendorff. Festzeitung zum 15. Deutschen Turnfest Stuttgart 1933. Sammlung Deutsches Sport & Olympia
Museum.
Edmund Neuendorff (1875-1961), der selbsternannte „Führer“ der DT,
hatte bereits im Mai 1933 verkündet, „(…) dass die Deutsche Turnerschaft
(…) Schulter an Schulter mit SA und Stahlhelm den Vormarsch ins Dritte
Reich antritt.“ Dazu drängte er auf eine Überarbeitung der Verbandssatzung: Die Einführung des „Führerprinzips“, die Aufwertung des Wehrturnens und den Ausschluss jüdischer und marxistischer Turner. Die einzelnen
Vereine hatten bei dieser Neuausrichtung des Verbandes nur wenig Mitspracherecht.
Neuendorff erhoffte sich für die DT offensichtlich eine Sonderrolle im NSSport. Diese wurde dem Verband nicht gewährt: Die DT löste sich 1935
freiwillig auf und wurde 1936 in den „Deutschen Reichsbund für Leibesübungen“ überführt.
Der DTB zeigt sich heute seiner historischen Verantwortung bewusst.
Ein symbolisches Zeichen ist seit 1987 die Verleihung der Flatow-Medaille,
eine der höchsten Ehrungen im Verband. Namenspatronen sind die Cousins
Alfred (1869-1942) und Gustav-Felix Flatow (1875-1945), die als jüdische
Turner 1933 aus ihren Vereinen ausgeschlossen wurden und später im
Konzentrationslager Theresienstadt Opfer des NS-Regimes wurden.
Die jüdischen Turner Alfred (l.) und
Gustav Felix Flatow (r.) – mehrfache
Olympia- und Turnfestsieger. Sammlung
Deutsches Sport & Olympia Museum.
Stiftungsurkunde der Flatow Medaille
– Die Medaille wird seit 1987 bei den
Deutschen Turnfesten an Turnerinnen
und Turner verliehen, die durch sportliche Erfolge und durch ihre Persönlichkeit
hervorstechen. Sammlung Deutsches
Sport & Olympia Museum.
Aquarell „Der Festplatz in Stuttgart“ von Prof. Paul Bonatz, einem der Architekten des Stadions, das als „Stuttgarter
Kampfbahn für das 15. Deutsche Turnfest“ erbaut und als „Adolf-Hitler-Kampfbahn“ in Betrieb genommen wurde.
Beilage der Festzeitung zum 15. Deutschen Turnfest Stuttgart 1933. Sammlung Deutsches Sport & Olympia Museum.
Vom Vorturner für Nachturner
„Oberkörperbeugen“
„Beugen des Oberkörpers seitwärts mit gestreckten Armen
und Beinen. Stärkung des Rippenheber-, des Lendenmuskels
und der Bauchmuskeln.“
Turnen für Alle! Körperkraft durch Gesundheits-Turnen.
Max Daetwyler, 1916.
etrennt
Vorübergehend g
Turnfeste in Ost und West
Postkarte des Deutschen Turnfestes in
Dortmund und Bochum 1990 – 100.000
Turnerinnen und Turner versammelten
sich, darunter auch 10.000 aus der DDR.
Sammlung Deutsches Sport & Olympia
Museum.
Postkarte vom „Frankfurter Turnfest“ –
das erste Turnfest nach dem Zweiten
Weltkrieg, 100 Jahre nach der gescheiterten Revolution von 1848/49.
Sammlung Deutsches Sport & Olympia
Museum.
Angesichts der Verbrechen des NS-Regimes und der großen Zerstörungen in
Deutschland erschien die Idee, bereits 1948 wieder ein Turnfest zu veranstalten, sehr gewagt. Walter Kolb, der Frankfurter Oberbürgermeister und
spätere Vorsitzende des 1950 gegründeten DTB, setzte sich jedoch vehement für das Zustandekommen ein. Noch vor der Gründung der Bundesrepublik Deutschland und der DDR kamen 30.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus der britischen und amerikanischen Besatzungszone nach Frankfurt am Main. Die Eröffnung des „Frankfurter Turnfestes“ fand am 19.
August in der Paulskirche statt.
Die ersten Turnfeste nach der Teilung Deutschlands waren dann das Deutsche
Turnfest in Hamburg 1953 und das Turn- und Sportfest in Leipzig 1954. In
der DDR wurde Leipzig zum ständigen Gastgeber der Turn- und Sportfeste,
die politisch in der sozialistischen Tradition der ATSB-Feste standen. In Ost
und West waren die Feste für die Turner Treffpunkt und Kommunikationsmöglichkeit nach innen und außen. Unter dieser Prämisse finden sich auch
die Turn- und Sportfeste der DDR in der Tradition des Coburger Festes von
1860. Besonders in der Zeit nach dem Mauerbau wurde aber auch die politische Instrumentalisierung der Leipziger Feste überdeutlich. Der propagandistische Stil der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands bestimmte
das Erscheinungsbild.
In Westdeutschland durchlief der DTB – bei steigenden Mitgliedszahlen –
eine Phase der Modernisierung. Gesellschaftspolitische Themen wie die
Integration von Frauen und Jugendlichen in das Verbandsleben bestimmten
zunächst den turnerischen Diskurs. Mitte der 60er Jahre waren erstmals
mehr Frauen als Männer im DTB vertreten. Im Mai 1990 fand nach der
langen Zeit der deutschen Teilung wieder ein gesamtdeutsches Turnfest
in Bochum und Dortmund statt.
Zum II. Deutschen Turn- und Sportfest der DDR wird 1956 das Leipziger
Zentralstadion eingeweiht. Ein Jahr später
folgt die Gründung des Deutschen Turnund Sportbundes. Picture-Alliance.
VIII. Deutsches Turn- und Sportfest in Leipzig 1987 – Die aufwändig inszenierten
Massenchoreographien der Osttribüne prägten das Stadionbild. Picture-Alliance.
Vom Vorturner für Nachturner
„Beinschwingen“
„Schwingen vorwärts und rückwärts, soweit möglich.
Stärkung der Bauch- und Schenkelmuskeln.“
Turnen für Alle! Körperkraft durch Gesundheits-Turnen.
Max Daetwyler, 1916.
ffenheit
zeichen der welto
das Internationale Deutsche Turnfest
Festumzug beim Internationalen Deutschen Turnfest 2009 in Frankfurt –
„Spaß, Wettkampf und Gemeinschaft“
sind die am häufigsten genannten
Gründe für eine Teilnahme in Frankfurt.
Picture-Alliance.
Die Berliner Morgenpost bezeichnete es als „Fest der Superlative“: 2005
wurde in Berlin nicht ein weiteres „Deutsches Turnfest“gefeiert, sondern das
erste „Internationale Deutsche Turnfest“. Eine symbolische Umbenennung
mit Blick auf das vereinte Europa. Die Teilnahme ausländischer Turnerinnen
und Turner bei Turnfesten war eigentlich keine Neuheit, eher eine Tradition,
für die es zahlreiche Beispiele gibt: Schon 1861 hatten Turnvereine aus aller
Welt Steine für das Fundament des Jahn-Denkmals nach Berlin gebracht
und 1978 wurde in Hannover das erste Internationale Jugendlager durchgeführt.
Die Internationalen Deutschen Turnfeste gelten heute im Bereich der Programmvielfalt als weltweit größte Wettkampf- und Breitensportveranstaltungen. Berlin 2005 und Frankfurt 2009 stellten dies eindrucksvoll heraus.
Zum Programm gehören Wettbewerbe im Spitzen- und Breitensport, zahlreiche Showveranstaltungen, die Möglichkeit zur Weiterbildung in der
Turnfestakademie und eine Stadiongala als emotionales Glanzlicht und
großes Finale.
Raum für neue Erfahrungen – Kletteranlage auf dem Messegelände beim
Internationalen Deutschen Turnfest in
Frankfurt. Picture-Alliance.
Das nächste Internationale Deutsche Turnfest wird vom 18. bis 25. Mai
2013 in der Metropolregion Rhein-Neckar stattfinden. Die Städte Mannheim, Ludwigshafen und Heidelberg werden die Zentren der Veranstaltung sein.
Autogrammstunde von Fabian Hambüchen
beim Internationalen Deutschen Turnfest
in Frankfurt 2009 – viele junge Besucher
nutzten die Gelegenheit zum persönlichen Kontakt. Picture-Alliance.
Internationales Deutsches Turnfest in Berlin 2005 –
Die Abschlussgala im Berliner Olympiastadion als emotionaler
Höhepunkt. Unter den 100.000 Teilnehmerinnen und
Teilnehmern befanden sich 3.600 ausländische Turnerinnen
und Turner aus 33 Nationen. Picture-Alliance.
Vom Vorturner für Nachturner
„Blosses Anziehen“
„Durch blosses Anziehen der Muskeln werden dieselben zur
Tätigkeit angeregt und man kann diese Methode überall und
jederzeit anwenden, ohne entkleidet zu sein.“
Turnen für Alle! Körperkraft durch Gesundheits-Turnen.
Max Daetwyler, 1916.
ampfsport
Turnen als Wettk
von der „wilden“ Riege zum Spitzensportkonzept
Die „wilde“ Riege- mit Carl Schuhmann
(sitzend, r.) und den Cousins Alfred Flatow
(3. v.r.) und Gustav Felix Flatow (2.v.l.) –
sportlich erfolgreich und vom Verband
scharf kritisiert. Sammlung Deutsches
Sport & Olympia Museum.
Ferdinand Goetz, Vorsitzender der
Deutschen Turnerschaft und erklärter
Sport- und Olympiagegner – Die Deutsche Turnerschaft schickte bis zur Teilnahme 1936 nur einmal offiziell Turner
zu den Olympischen Spielen: 1908
nach London. Sammlung Deutsches
Sport & Olympia Museum.
Die erste Turner-Goldmedaille nach
der Wiedervereinigung: Andreas Wecker
im Reck-Finale der Olympischen Spiele in
Atlanta 1996. Die Bild-Zeitung titelte am
1. August 1996 „Gold-Recke Wecker“.
Picture-Alliance.
Kritik am englischen Sport wurde von
den Turnern sehr deutlich formuliert.
Hier in einer Karikatur in der Festzeitung
zum 9. Deutschen Turnfest in Hamburg
1898.
Sammlung Deutsches Sport &
Olympia Museum.
Fünf Siege, dreimal Zweiter und zweimal Dritter – die Bilanz der deutschen
Turner bei den Olympischen Spielen in Athen 1896 liest sich beeindruckend.
Bei den Verbandsoberen der Deutschen Turnerschaft lösten die Platzierungen trotzdem keinen Jubel aus. Im Gegenteil: Vor Beginn der Spiele hatte
ihr Vorsitzender Ferdinand Goetz erklärt, eine Olympiateilnahme sei „mit
der deutschen Ehre unverträglich.“ Die Turner traten in Athen daher als
„wilde“ Riege ohne offizielle Nominierung durch den Verband an und
waren großer Kritik ausgesetzt.
Diese starke moralische und nationale Aufladung resultierte aus der Auffassung des Turnens als wichtigem Teil deutschen Volkstums. Die DT beanspruchte für das Turnen eine auch international gültige Führungsposition.
Daher kam auch eine mit den anderen Mitgliedern gleichberechtigte Beteiligung am europäischen Turnverband „Fédération Internationale de
Gymnastique“ nicht in Frage. Andere Leibesübungssysteme wie die Schwedische Gymnastik und besonders der Sport englischer Prägung wurden
entschieden abgelehnt. Konkret kritisierten die Turner am Sport unter
anderem die Internationalität, den Wettkampfgedanken, eine übermäßige
Spezialisierung und das allzu leidenschaftliche Rekordstreben.
Als Andreas Wecker dann hundert Jahre später bei den Olympischen
Spielen 1996 in Atlanta zu seiner Übung an das Reck trat, hatten sich
die Vorzeichen grundlegend geändert: Im DTB drückte man geschlossen
die Daumen. Die Chancen für die erste Goldmedaille nach der Wiedervereinigung standen gut, denn das Reck galt als Weckers Spezialgerät.
Mit einer leidenschaftlich vorgetragenen Kür turnte er zum umjubelten
Sieg.
Medaillen bei sportlichen Großereignissen gehören mittlerweile zu den
erklärten Zielen des DTB. Mit dem „Spitzensportkonzept 2012“ versucht
der Verband, für seine Athletinnen und Athleten optimale Rahmenbedingungen zu schaffen. Höhepunkt der Turn-Begeisterung in Deutschland war zuletzt die EnBW-Turn WM 2007 in Stuttgart.
Das Turn-Team Deutschland – stolze Bronzemedaillen-Gewinner bei der
Turn-Weltmeisterschaft in Rotterdam 2010. Picture-Alliance.
Vom Vorturner für Nachturner
„Kniebeugen“
„Tiefes Kniebeugen und Heben der Arme. Stärkung sämtlicher
Muskelpartien.“
Turnen für Alle! Körperkraft durch Gesundheits-Turnen.
Max Daetwyler, 1916.
s leichter
Früher war alle
Zeugnisse einer rasanten Entwicklung
„Jedes Mal nach einer WM denke ich, dass eine Steigerung nicht mehr
möglich ist. Doch schon bei den nächsten Titelkämpfen werden neue
Elemente und Verbindungen präsentiert“, beschreibt der Turngerätebauer
Ulrich Spieth im Interview mit der Esslinger Zeitung die enorme Entwicklung des Gerätturnens.
„Er turnt schwierig und virtuos“ –
Eberhard Gienger über Fabian Hambüchen,
hier bei der WM-Übung 2007.
Picture-Alliance.
Der Vergleich der Übungen von Altstars der Turnszene mit denen von
Topathleten der heutigen Zeit mag unfair sein, er ist aber auch interessant.
Mit einem Hechtsprung über das Pferd wurde Helmut Bantz 1956 Olympiasieger in Melbourne. Der Hecht und auch das Pferd sind mittlerweile im
Turnen akut vom „Aussterben“ bedroht. Heute springt Matthias Fahrig
seine mehrfachen Salti über einen modernen Sprungtisch.
Erklärungen für diese Entwicklung gibt es reichlich: den Erfindergeist der
Turner, die immer neuen Erkenntnisse der Trainingswissenschaft, modernere
Turngeräte sowie eine Akzentuierung der akrobatischen Elemente in den
Wertungsvorschriften der Kampfrichter.
Der „tolle Hecht von Melbourne“
Helmut Bantz – Olympiasieger 1956
mit 36 Jahren.
Picture-Alliance.
Eberhard Gienger stellte am Rande der Weltmeisterschaften in Stuttgart
2007 selbst fest: „Auch wenn ich vor mehr als 30 Jahren am Reck ebenfalls
eine schwierige Übung geturnt habe, so ist das doch nur bedingt mit dem
heutigen Turnen zu vergleichen.“
Matthias Fahrig über dem Sprungtisch
– Der 26-Jährige beherrscht auch am
Boden Höchstschwierigkeiten. Im Juli
2010 nahm der Turn-Weltverband (FIG)
den „Fahrig-Salto“ in die Wertungs#vorschriften auf.
Picture-Alliance.
Eberhard Gienger – Reck-Weltmeister 1974 und Erfinder des Gienger-Saltos:
Ein Salto rückwärts gebückt mit halber Längsachsendrehung vor der Reckstange.
Picture-Alliance.
Vom Vorturner für Nachturner
„Rumpfbeugen“
„Tiefes Rumpfbeugen nach vorwärts und Strecken nach rückwärts.
Stärkung der Nacken- und Rückenmuskeln.“
Turnen für Alle! Körperkraft durch Gesundheits-Turnen.
Max Daetwyler, 1916.

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