Der Vesuv
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Der Vesuv
Der Vesuv 59 58 Wer Vesuv sagt, sagt Kampanien. ‘A Muntagna (der Berg) nennen die Neaploitaner den berühmtesten Vulkan der Welt und Wahrzeichen der Stadt, der mit seiner perfekten Form den Golf von Neapel umschließt. Auf dem majestätischen Kegel herrscht eine unruhige und reizvolle Atmosphäre. Eine geplagte Landschaft von wilder Schönheit erwartet den Ausflügler; das Panorama von der Höhe des Vulkans reicht von der Sorrentiner Halbinsel bis nach Capo Posillipo, ein unvergessliches Gefühl, das im zarten Schimmer des Morgengrauens und im kräftigen Licht des Sonnenuntergangs besonders eindrucksvoll ist. Der Vesuv ist der einzige aktive Vulkan des kontinentalen Europas und auch einer der gefährlichsten, weil das ihm zu Füßen liegende Gebiet dicht besiedelt ist; die Häuser liegen bis zu 700 m hoch. Der linke Gipfel ist der Monte Somma (1133 m), der rechte der Cono Vesuviano (1281 m). Sie trennt eine Senke, die sogenannte Valle del Gigante, die wiederum in Atrio del Cavallo im Westen und Valle dell’Inferno im Osten geteilt ist. Die Völker der Antike hatten vergessen, dass es sich um einen Vulkan handelte, er war nur für seine ausgezeichneten Weine und die üppige Gipfelvegetation berühmt. Doch plötzlich erlangte er mit dem Vulkanausbruch 79 n.Chr große Berühmtheit. Ganze Städte, darunter Pompeji und Herculaneum, wurden zerstört. Der letzte Ausbruch wurde 1944 von den alliierten Truppen gefilmt. Seit damals „schläft“ der Vulkan. 1991 wurde offiziell der Vesuv Nationalpark gegründet und von der Unesco zum „Weltnaturschutzgebiet der Biosphäre“ erklärt: Er umfasst das gesamte Vulkangebiet, die große Ausgrabungsstätte von Pompeji, Herculaneum, Oplontis, und Miglio d’Oro mit seinen prachtvollen und zugleich beispielhaften Villen des 18. und 19.Jh. Hinsichtlich der Flora unterscheiden sich das Gebiet des Vesuvs und des Somma in einigen Dingen von einander. Der Vesuv ist trockener und sonniger mit typisch mediterraner Vegetation, gepflanzten Pinienhainen und Steineichenwäldern. Der Somma ist feuchter mit Mischwäldern aus Kastanienbäumen, Eichen, Erlen, Ahorn und Steineichen; auch trifft man auf Birken, ein für mediterranes Gebiet eher ungewöhnlicher Baum. Bemerkenswert ist auch das große Vorkommen von Orchideen, gut 23 Arten, und der Ginster, den der Dichter Giacomo Leopardi besang. Auch die Fauna des Parks ist besonders vielfältig und interessant. Ufficio Turistico di Ercolano via IV Novembre tel. 081 7881243 Ente Parco Nazionale del Vesuvio piazza Municipio 8 San Sebastiano al Vesuvio (NA) tel. 081 7710911 fax 081 7718215 Ente per le Ville Vesuviane Veranstaltungsbüro Villa Campolieto corso Resina Ercolano (NA) tel. 081 7322134 fax 081 7391369 www.villevesuviane.net Ercolano Ausgrabungen corso Resina tel. 081 7390963/8575347; Villa Campolieto corso Resina tel. 081 7322134 fax 081 7391369 Museo Vulcanologico dell’Osservatorio Vesuviano via Osservatorio 14 tel. 081 7777149 Berühmte Reisende A.J. O’ Reilly, 1884 Azienda Autonoma di Cura Soggiorno e Turismo di Pompei via Sacra 1 tel. 081 8507255 www.pompeiturismo.it Cimitile die Basiliken von Cimitile via Madonnelle tel. 081 5127141 Der Vesuvkrater Aus der Ferne scheint der Berg harmlos, das blaue Profil des majestätischen Kegels, der in einer dicken Rauchwolke endet, wie stürmische Wolken, die sich um Schneegipfel des fernen Apennins verdichten; aber sobald sich ein abenteuerlustiger Fremder dem glühenden Krater nähern möchte und auf die schwarzen und geplagten Hänge schleppt, wird er in den immensen Schlunden und Rissen Spuren der mächtigen Erschütterungen wahrnehmen. i Das Vesuvobservatorium Das Vesuvobservatorium (Osservatorio Vesuviano) ist die älteste wissenschaftliche Institution, die dem Studium der Vulkane gewidmet ist und wurde 1841 gegründet. Der ursprüngliche Sitz, erhebt sich in 608 m Höhe auf dem Vesuv. Das ehemalige bourbonische Gebäude beherbergt eine Dauerausstellung, in der der Besucher durch die faszinierende Welt der Vulkane geführt wird. Christi hervorbringt, der bereits in der Antike berühmt war. Die Straße des Weins und der typischen Vesuvprodukte Im Mittelpunkt dieser Straße steht das DOC Vesuvweingebiet, das einen Wein wie den Lacryma Oplontis Ausgrabungen, via Sepolcri 11 Torre Annunziata (NA) tel. 081 8623163 Parco Letterario del Vesuvio via Rimini 49, Napoli tel. 081 5634297/338 5318935 e-mail: [email protected] Kontaktperson Maria Lionelli Nicht versäumen Pompeji Herculaneum Vesuvbesteigung Villa Campolieto Vesuvgebiet an einem Tag Pompeji Parco Nazionale del Vesuvio Vesuvgebiet in drei Tagen Pompeji und Herculaneum Parco Nazionale del Vesuvio Schloss von Portici Vesuvvillen von Miglio d’Oro Wallfahrtskirche von Pompeji Einkäufe Korallen und Kameen Objekte aus Lavastein, Kupfer, Schmiedeeisen, Weidenruten Mit Kindern unterwegs Pompeji Parco Nazionale del Vesuvio Osservatorio Vesuviano Parco della Reggia di Portici Villa Bruno a San Giorgio in Cremano 61 60 Viele Routen durchqueren den Park, die landschaftlich sowie hinsichtlich des Schwierigkeitsgrades unterschiedlich sind. Die Vesuvparkverwaltung hat 9 Wege angelegt für all jene, die Trekking lieben, die mit vier Markierungsarten versehen sind: Landweg (Weg 7), Panoramaweg (6), didaktischer Weg (9) und Rundweg (1 bis 5 und 8). Doch die „historische“ Besteigung ist der Aufstieg zum Krater: Der 4 km lange Weg ist mittelschwer und geht von Herculaneum aus. In ca. 3 Stunden erreicht man eine Höhe von 1170 m, wo der Blick über den gesamten Golf schweift und sich der beeindruckende Kraterschlund mit einem Durchmesser von 600m und einer Tiefe von 200 m öffnet. Diesen Anstieg haben schon viele gemacht, von Tschechov, der die Besteigung wie eine Plage empfand („Welch ein Martyrium, den Vesuv zu besteigen! Du gehst, gehst und gehst, aber der Gipfel ist immer noch weit weg“) bis Chateaubriand, der kühnste unter allen („Jetzt bin ich auf dem Gipfel des Vesuv. Ich schreibe sitzend auf dessen Mund und bin bereit, bis in die tiefen des Kraters hinabzusteigen“). Heute kann man mit dem Bus oder Auto hinauffahren. Die bequemsten Straßen gehen von Herculaneum, Ottaviano und Somma Vesuviana aus. Die Straße von Herculaneum ist die interessanteste Route, einerseits wegen der herrlichen Ausblicke auf den Golf und andererseits wegen der reizvollen Landschaft. Der erste Straßenabschnitt geht durch Weinberge. Auf 1017 m Höhe geht es zu Fuß auf einem Weg weiter, der von Lavaschlacken gesäumt ist und bis zum Kraterrand führt. Veranstaltungen Januar _Spanferkelfest Sant’Antonio Abate Juni _Aprikosenfest Sant’Anastasia San Sebastiano al Vesuvio Somma Vesuviana Juli _Festival der Vesuvianischen Villen Theater, Konzerte, Ausstellungen Ville Vesuviane _Wildschweinwurstfest Boscoreale _Ethnos - Internationales Festival der Ethnomusik Neapel und vesuvianische Gemeinden Juli-August _Il sorriso del vulcano (Das Lächeln des Vulkans) Theater zwischen vesuvianischen Architekturen August _Sagra del pesce azzurro (Sardellenfest) Torre Annunziata Juli-September _Classico Pompeiano Pompeji klassisch (MusikProsafestival) Großes Theater von Pompeji Villa Campolieto Kunst und Archäologie Pompeji und Herculaneum Oplontis Schloss von Portici Vesuvianische Villen von Miglio d’Oro Natur und Parks Parco Nazionale del Vesuvio Für die jungen Leute Granatello di Portici San Giorgio a Cremano Gaumenfreuden Aprikosen vom Vesuv Kleine Piennolo-Tomaten Stockfisch von Somma Vesuviana Wein vom Vesuv Thermen und Wellness Terme di Torre Annunziata September _Weinfest Trecase _Festa del miele e del pomodoro Pollena (Fest des Honigs und der Pollena-Tomate) Trocchia Juli-Oktober _Zauber im Forum Klänge und Lichter im Ausgrabungsgebiet von Pompeji _Pompeji bei Nacht Bei Mondschein imitten der Ruinen der antiken Stadt Okober _Fest der katalanischen Traube Somma Vesuviana _Fest der Traube und des katalanischen Weins Pollena Trocchia November _Markt und Prämierung des kampanischen Honigs Somma Vesuviana Berühmte Reisende Herculaneum und seine Sch tze Ich sprach gerade… vom Vesuv und der jüngsten Entdeckung der antiken Stadt Herculaneum. Nichts auf der Welt ist so besonders wie eine ganze Stadt im Herzen der Erde zu finden. Charles de Brosses, 1739 63 62 Am 24.August 79 n.Chr. erwachte der Vesuv aus einem langen Schlaf und überraschte die Bewohner der Umgebung. Der Vulkanausbruch war apokalyptisch, jegliches Leben am Fuße des Vulkans wurde vernichtet. Von verschollenen Städten ging jede Spur verloren. Nach 1700 Jahren kamen die vesuvianischen Städte wieder ans Tageslicht und schenkten der Menschheit die zwei bedeutendsten archäologischen Ausgrabungsstätten der Welt, Herculaneum und Pompeji. Anders als Pompeji, das unter einer Aschen- und Lapillischicht begraben wurde, verschwand Herculaneum unter einer bis zu 25 m hohen Schlamm- und Lavaflut. Unter dem Schlamm blieben die Materialien erhalten und versiegelt, Holz, Stoffe und Speisen veränderten sich langsam, blieben aber in ihrer Hülle unverändert, fast wie versteinert. 1709 stieß Prinz d’Elboeuf bei Brunnengrabungen in einer seiner Villen zufällig auf Theaterreste. König Karl von Bourbon befahl 1738 den offiziellen Beginn der Ausgrabungsarbeiten. Die größte Überraschung war die majestätische Villa dei Papiri, der der Bestand an Bronze- und Marmorskulpuren (heute im Archäologischen Nationalmuseum von Neapel) sowie die Papyrusbibliothek (über 1800 philosophische Texte, die heute in der Nationalbibliothek von Neapel aufbewahrt werden) entnommen wurden. 1927 begann die Ausgrabung der Wohnhäuser und öffentlichen Gebäude: Im Norden kamen das Forum, der Mittelpunkt des wirtschaftlichen, sozialen und politischen Lebens, im Osten die Palestra (Turnhalle) und im Süden die Thermen der Vorstadt hinzu. In Herculaneum verbrachten die reichen Römer die Ferien, wie die Villen, die bühnenbildhaft zum Meer blicken, zeigen. Die Straßen, die mit Vesuvlava oder Kalkstein gepflastert sind, weisen eine typische Inselanlage auf. Einer der schönsten Domizile der Stadt ist das Mosaikatriumhaus (Casa dell’Atrio a mosaico), dessen Namen auf den schönen schwarz-weißen Fußboden zurückgeht. Im Garten des Luxushauses der Hirsche (Casa dei cervi) wurden Hirschfiguren, die von Hunden angegriffen werden, sowie Statuen des Satyr mit Trinkhorn und trunkenen Herkules gefunden. Die Thermen des Forums waren die wichtigsten öffentlichen Bäder der Stadt. Im Haus mit den verkohlten Möbeln (Casa del mobilio carbonizzato) ist noch auf seinem ursprünglichen Platz das Holzmobiliar erhalten, das aus einer Essliegestätte und einem kleinen Esstisch besteht. Das Haus mit dem Mosaik des Neptuns und der Aphrodite mit angeschlossener Werkstatt (die am besten von allen erhalten ist) verfügt über ein riesiges Atrium und der schönsten Mosaikverzierung der Stadt. Das zweistöckige Haus von Argos, hat einen Garten, der mit einem Säulengang umgeben ist. Von den öffentlichen Räumen wurde das Forum ausgegraben, das von der Hauptstraße (Decumanus maximus) und dem Heiligtum der Augustalen durchquert wird. Am Decumanus erinnern Bogengänge an einen öffentlichen Versammmlungsort der Bürger, vermutlich die Basilika. Bemerkenswert ist die Palestra (Turnhalle), ein überwältigender Bau aus augusteischer Zeit mit einem Freibad, dessen Mitte ein Hydrabronzebrunnen ziert. Außerhalb der Mauern können die Vorstadtthermen bewundert werden. Die Villa der Papyrusrollen (Villa dei Papiri), die nur zum Teil ausgegraben ist, kann besichtigt werden, während das Theater nicht zugänglich ist. Für den Besuch der Ausgrabungen von Herculaneum sollte ca. ein halber Tag eingeplant werden. Ausgrabungen von Herculaneum Haus des Neptuns und der Aphrodite Typische Produkte Die Landwirtschaft des Vesuvs ist dank des mineralreichen Lavabodens, der optimalen Bodenbewässerung und des mediterranen Klimas einzigartig in der Vielfalt der Produktionen und des Geschmacks. Typische Produkte sind Aprikosen, Kirschen und die hängenden Kirschtomaten. An den Hängen des Vulkans werden die Trauben Falanghina del Vesuvio, Coda di Volpe (in diesem Gebiet auch „Caprettone“ genannt) und Piedirosso del Vesuvio angebaut, aus denen der berühmte Lacryma Christi gewonnen wird, ein Wein mit angenehm weinigem Geruch und trockenem, aromatischem Geschmack. Die optimale katalanische Tafeltraube wird an den Hängen des Monte Somma angebaut und auch die Honigproduktion ist weit verbreitet. Der „Literaturpark des Vesuv“: Von Plinius bis Leopardi Der Vesuv ist berühmt für seine Landschaft, ist einer der großen Orte italienischer Kultur und war schon immer eine besondere Inspirationsquelle. Zahlreiche Schriftsteller und Dichter unterschiedlicher Epochen und Länder liebten und beschrieben ihn. Ihre Betrachtungen bieten dem Besucher Spuren und Erkenntnisse entlang der Wege der Weinberge, des Ginsters und der Lava bis zum Herzen des Vulkans. Die nach diesen Werken inspirierten Routen bilden die Achse, um die sich der Literaturpark dreht, mit Führungen nach Autoren und Themenkreisen. Pompeji, die begrabene Stadt 65 64 Pompeji, das zu vier Fünftel des Gesamtgebietes ausgegraben wurde, ist die beeindruckendste und berühmteste archäologische Ausgrabungsstätte der Welt. Der Vesuvausbruch von 79 n.Chr. begrub die Stadt unter einer 6-7 m dicken Aschen- und Lapillischicht. Der Großteil der aus den Häusern geflüchteten Bewohner fand den Tod an der Küste. Die wenigen Überlebenden, die in den Kellergeschossen Zuflucht suchten, erstickten: Die Abgüsse der sterbenden Körper, die gemacht wurden, indem flüssiger Gips in die Hohlräume gegossen wurde, den die Körper in der Aschenschicht gelassen haben, sind ein berührender Beweis für die Tragödie. Ein Spaziergang durch die Ausgrabungen von Pompeji ist ein einmaliges Erlebnis. Es ist wie eine Zeitreise, man atmet die Atmosphäre des öffentlichen, vor allem aber privaten Lebens der Antike. Am meisten beeindruckt die große Zahl der luxuriösen und einfachen Häuser, die mit der gesamten Einrichtung von Werkstätten, Gaststätten und Bäckereien erhalten sind. Noch faszinierender ist die Tatsache, dass viel Hausrat unversehrt geblieben ist, wodurch uns ein Einblick in die intimsten Bereiche des Lebens der Antike gegeben wird. Im Sommer organisiert die Oberintendanz für Archäologie Pompeji in Zusammenarbeit mit der Region Kampanien und dem Assessorat für Kulturgüter Nachtspaziergänge durch die Ausgrabungen. Während der Führung werden die reizvollsten Ort des nächtlichen Pompeji mit einer musikalischen Untermalung von Ennio Morricone enthüllt. Eine multimediale Vorstellung zeigt die dramatischen Szenen des Vulkanausbruchs. Das Forum, ein großer rechteckiger Platz (38x142 m), mit Travertin gepflastert und an drei Seiten von einem Portikus gesäumt, war das lebhafte Zentrum der Stadt. Auf dem Platz erheben sich das Capitolium (der Jupiter geweihte Tempel), der Apolltempel, der um 3.Jh. v.Chr. erbaut wurde und aus einem Portikus aus 48 ionischen Säulen besteht, und die Basilika, dem wichtigsten öffentlichen Monument, das Sitz des Gerichts und Zentrum des wirtschaftlichen Lebens war. Auf dem Forum befinden sich auch der Vespasiantempel, der dem Kaiserkult geweiht ist, die Kornspeicher, in denen das Getreide für den Verkauf gesammelt wurde, und das Macellum, die Markthalle für frische Lebensmittel, wie Fleisch und Fisch, mit tabernae (Läden) im Marktinneren. Unweit davon sind die Thermen des Forums zu sehen, die in Männer- und Frauenbereich mit gemeinsamer Heizung geteilt sind. Die Hauptarterie der Stadt war die Via dell’Abbondanza (der Name ist modern wie alle Namen in Pompeji), die von Handwerksbetrieben, Gasthäusern, Färbereien gesäumt war. Auf dieser Straße befinden sich die Stabiathermen, die älteste Anlage von Pompeji. Nahe davon ist das berühmte Freudenhaus, ein zweistöckiges Gebäude, dessen Zweck aufgrund der eindeutig erotischen Malereien und Graffiti leicht erkennbar ist. Detail der Stabiathermen Forum von Pompeji Berühmte Reisende … als ich am Sonntagnachmittag nach Pompeji kam, genoss ich zum ersten Mal in meinem Leben das süße Gefühl, ganz allein zu sein in jener Stunde oder jenen zwei Stunden des Tages, in denen die Schatten beginnen, länger zu werden. Der Eindruck, den ich dabei hatte, ist unauslöschlich. Henry James, 1900 67 66 Das Haus des Fauns ist wohl das eleganteste unter den Wohnhäusern dank seiner Architektur und der berühmten Mosaike, die es schmücken, wie etwa das Mosaik der Alexanderschlacht, das sich heute im Archäologischen Museum von Neapel befindet. Das Haus der Vettier mit seinen wunderbaren Wandfresken war einst Eigentum der beiden Kaufleute Aulus Vettius Restitutus und Aulus Vettius Conviva. Aus dem Haus des Menander, das seinen Namen einer Darstellung des griechischen Komödiendichters Menander verdankt, stammt eine reichhaltige Sammlung von Silbergegenständen von außerordentlicher Qualität, die heute im Archäologischen Museum in Neapel aufbewahrt werden. Eines der wichtigsten Bauwerke Pompejis ist die Mysterienvilla, deren Berühmtheit vor allem auf ihre Malereien zurückzuführen ist. Am bekanntesten ist das enorme Fresko, das dem Haus seine Bezeichnung gab: 29 lebensgroße Figuren, die in lebhaften Farben auf rotem Grund wahrscheinlich eine Szene zur Einweihung in die Mysterien des Dionysoskultes oder der Orfizienmysterien darstellen. Im Theaterviertel sind das Große Theater, in dem im Sommer kulturelle Veranstaltungen dargeboten werden, und das kleine Odeion wieder zu Tage gekommen. Ganz in der Nähe befindet sich der Tempel der Isis. Eine Inschrift belegt, dass das Amphitheater das älteste der uns bekannten ist. Hier fanden Tier- und Gladiatorenkämpfe statt. Daneben ist die große Palestra (Turnhalle), die unter dem Kaiser Augustus erbaut und zu Turnzwecken verwendet wurde. Sie umfasst ein weitläufiges, quadratisches Terrain, das mit Säulengängen umgeben ist und in dessen Mitte sich ein tiefes Schwimmbecken befindet, das auch für Kopfsprünge geeignet war. Sehr beeindruckend ist bei Sonnenuntergang ein Spaziergang entlang der Gräberstraße. Die Straße, die von Grabmonumenten gesäumt ist, führte einst nach Herculaneum. Für den Besuch der Ausgrabungen von Pompeji sollte man mindestens einen Tag einplanen. Die Villa Poppea in Oplontis In Oplontis, dem antiken Vorort Pompejis, der 79 n. Chr. vom Vesuvausbruch zerstört wurde, (heute Teil des Gebiets von Torre Annunziata) kam eine Villa ans Tageslicht, die wahrscheinlich Poppea Sabina, der zweiten Frau Neros gehörte. Es handelt sich hierbei um eines der größten und best erhaltenen Exemplare der sogenannten Villa d’Otium (Mitte des 1. Jh. v. Chr.). Ein Teil der Villa war zum Zeitpunkt des Vulkanausbruchs verlassen, da dieser wegen der durch das Erdbeben im Jahr 62 n.Chr. entstandenen Schäden gerade restauriert wurde. Diese Villa ist reich geschmückt und steht auch wegen ihrer schönen Lage den kaiserlichen Residenzen in nichts nach. Besonders schön sind deren Skulpturen und prächtigen Fresken. Wallfahrtskirche Beata Vergine di Pompeji Die Wallfahrtskirche der Madonna del Rosario, die nach dem Willen des seligen Bartolo Longo errichtet wurde, ist einer der Hauptorte der Marienanbetung Italiens. Er wurde zwischen 1876 und 1891 erbaut und zwischen 1933 und 1939 erweitert. Die Pilgerstätte wurde zur Päpstlichen Basilika erhoben. Der Innenraum ist reich mit Marmor, Fresken und Mosaiken verziert; am Hauptaltar ist die Madonna von Pompeji zu bewundern, ein Gemälde aus dem 17. Jh. der Schule von Luca Giordano, das mit Gemmen versehen und von den Rosenkranzmysterien umrahmt ist, die von Vincenzo Paliotti auf Kupfer gemalt wurden. Am 8. Mai und am ersten Oktobersonntag wird jeweils die von Bartolo Longo verfasste Schutzanflehung verlesen. Die Wallfahrtskirche ist eine beliebte Pilgerstätte der Neapolitaner „für erwiesene Gnade“: In der Basilika sind Tausende, im Laufe der Jahre angesammelte Exvotos ausgestellt. Fresko der Mysterienvilla Der K nigspalast von Portici und die Villen der Goldenen Meile Berühmte Reisende Während ich das Museum für antike Malerei in Portici verließ, traf ich drei englische Offiziere, die es betraten. Ich ritt im Galopp nach Neapel, aber bevor ich die Magdalenenbrücke erreichte, holten mich die drei Engländer ein; am Abend erzählten sie mir, dass diese Bilder das Außerordentlichste seien, was das Universum biete. Stendhal, 1817 69 68 Die Goldene Meile ist ein Straßenteil, der an wunderbaren Villen vorbei von Portici nach Torre Annunziata führt. Der neapolitanische Adel begann mit deren Bau im 18. Jh. und ahmte so den Bourbonenkönig Karl III nach, der sich in Portici einen großartigen Palast hatte errichten lassen. Wer immer auf die gefährliche Nähe des Vesuvs hinwies, dem antwortete die Königin Maria Amalia:“Gott, die Jungfrau Maria und der Heilige Gennaro werden uns schon verschonen.“ So entstand eines der wichtigsten Architektur- und Geschichtsgüter dieses Gebiets, der sog. Miglio d’Oro, die „goldene Wohnmeile“ der Vesuvvillen. Das als Sommerresidenz des Bourbonenkönigs Karl III geplante königliche Schloss von Portici erfüllte bald eine doppelte Funktion: Königliche Residenz und Sitz des Museums von Herculaneum (in dem die von den Ausgrabungen in Herculaneum ans Tageslicht gebrachten Gegenstände aufbewahrt sind). Heute ist der Palast Sitz der Agrarwissenschaftlichen Fakultät. Der Hauptteil des Palastes beherbergt einige interessante Räume des Obergeschosses mit Fresken. Sehr schön ist der Park, ein beliebtes Ausflugsziel der Einwohner von Portici. Ferdinand IV ließ hier eine kleine Festung, das „Fortino“ (eine verkleinerte Imitation der „Fortezza von Capua“) bauen, um die Militärübungen realistischer zu gestalten. Die (121) Vesuvvillen wurden mit Sinn für Inszenierung zu den schönen Golfaussichten hin erbaut. Die bourbonischen Adelsfamilien fuhren hier in die Sommerfrische, aber nach der Einigung Italiens verfielen die Villen nach und nach; viele davon wurden erst kürzlich restauriert. In Herculaneum ist die berühmteste Residenz, die Villa Campolieto, ein Werk von Luigi und Carlo Vanvitelli, besonders sehenswert. Sie ist berühmt für das wunderschöne zum Golf hin geöffnete Halbrund, in dem im Sommer das „Festival delle Ville Vesuviane“, ein internationales Theaterfestival, stattfindet. Die Theateraufführungen werden auch in anderen Villen der Goldenen Meile geboten, wie z.B. in der sog. Villa Favorita, die 1768 von Ferdinando Fuga mit einem schönen Park zum Meer hin erbaut wurde. Villa Ruggiero Villa Favorita Villa Campolieto Schloss von Portici Korallen, Kameen und Lavagestein Torre del Greco steht seit fast 200 Jahren für Korallen. Die berühmten Kunsthandwerker kreieren noch heute phantastische Schmuckstücke aus diesem wertvollen Material. Ein weiteres überliefertes Kunsthandwerk ist die Bearbeitung von Vesuvgestein: Dieses Lavagestein ist ein kompaktes schwarzes Hartgestein, das Farbnuancen von Grau bis Silber annehmen kann. Berühmte Reisende Villa Favorita war einst im Herbst Ort für viele Spiele und Unterhaltung. Ihr Garten mit den Blumenrabatten, den Orangenhainen und der Laube war ein zauberhafter Platz. Errico Alvino, 1845 Berühmte Reisende Nola und die Basiliken von Cimitile Ich bin gerade in Nola angekommen, wo ich etwas Eigenartiges erblickte… Ich sah eine Art Turm, hoch, schmal, ganz mit rotem Papier geschmückt, mit Goldborten, mit Silberfrießen, der von Männern auf den Schultern getragen wurde… Dieser Koloss wackelte und schien jeden Moment das Gleichgewicht verlieren und umfallen zu wollen; alle Figuren bewegten sich, die Fahnen wehten, es war ein phantastisches Bild. Ferdinand Gregorovius, 1853 71 70 Es lohnt sich, einen Abstecher nach Nola in der äußerst fruchtbaren Vesuvebene zu machen. Sehenswert ist das Museo Storico Archeologico in den Räumen des ehemaligen Klosters des Cannossaordens. Hier befinden sich Ausstellungsstücke aus der Bronzezeit (vor etwa 4000 Jahren), die unweit der Stadt gefunden wurden und vom großen Ausbruch der sog. „Pomici di Avellino“, 1900 v. Chr. verschüttet worden waren. Im Atrium ist der Steinblock Cippus Abellanus ausgestellt, in dessen beiden Seiten der Bündnisvertrag zwischen Nola und Avella gehauen ist. Im Diözesanmuseum neben der Kathedrale sind Reliquienbüsten aus Holz aus dem 17. Jh. und Miniaturkodices ausgestellt. In der Altstadt erhebt sich auf der Piazza Giordano Bruno der zwischen 1460 und 1500 erbaute Palazzo Orsini, heute Sitz des Gerichts. Man kann interessante Spaziergänge auf den umliegenden Hügeln der Stadt zum Bischöflichen Seminar, dem Kapuzinerkonvent, den malerischen Ruinen von Castel Cicala mit dem dazugehörigen Dorf und zur Einsiedelei Eremo dei Camaldoli unternehmen. Nur wenige Kilometer von Nola entfernt liegt Cimitile, das einst wegen des frühchristlichen Kathedralenkomplexes berühmt geworden ist. Sein Name kommt von einem Friedhof („cimitero“) aus dem 2. Jh. n. Chr. In der Nähe der heidnischen Nekropole begruben die ersten Christen ihre Toten und versteckten sich vor ihren Verfolgern. Hier ist auch San Felice bestattet, dessen Grab eine Pilgerstätte geworden ist. Im Jahr 394 ließ der Adlige, spätere Bischof von Nola und Heilige Paolino eine Basilika erbauen. Um diese heilige Stätte entstand im Laufe der Zeit ein Komplex von insgesamt 13 Gebäuden, bestehend aus Basiliken, Kirchen, Kapellen mit Fresken und Mosaiken, der sicherlich eins der faszinierendsten frühchristlichen Kunstwerke Italiens ist. Basiliken von Cimitile Wallfahrtskirche Maria Santissima dell’Arco Die fujenti von Madonna dell’Arco Vor der Madonna dell’Arco endet der antike Pilgerweg, der jedes Jahr am Ostermontag eine Schar von barfüßigen Gläubigen zur Wallfahrtskirche Maria Santissima dell’Arco führt (der Name geht auf die Kontrade der Gemeinde Sant’Anastasia am Vesuv zurück, die wegen eines römischen Acquedukts „Arco“ genannt wird.) Die Gläubigen sind die „fujenti“ (im Neapolitanischen bedeutet das „die Laufenden“). Sie tragen ein weißes Hemd und weiße Hosen, eine Blaue Schärpe (die Farbe der Madonna), um die Hüfte einen roten Gurt. Sie werden auch „battenti“ (von bàttere = stampfen) genannt, weil sie mit den Füßen in einem bestimmten Rythmus stampfen. Die Wände der Wallfahrskirche zieren zahlreiche Exvotos aus den verschiedenen Jahrhunderten. Das Lilienfest von Nola Das Lilienfest erinnert die Rückkehr des Bischofs Paolino aus seiner Gefangenschaft in Afrika (410 n. Chr.), die mit Blumen und Kerzen (cilii, daher der Name Gigli = Lilie) gefeiert wurde. In Erinnerung an diese Begebenheit bringen die Einwohner Nolas Kerzen und Fackeln von zunehmender Größe bis zu den heutigen 25 m hohen Türmen, die mit Papier verziert sind. Die sehr schweren Lilien werden von den „paranze di cullatori“ zum „Tanzen“ gebracht, jede „paranza“ besteht aus etwa 128 Personen. Das Fest findet immer am ersten Sonntag nach dem 22. Juni, dem Namenstag von San Paolino, statt. Das Lilienfest von Nola