Daewoo: "zu bedeutend für einen Konkurs" oder konkrete
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Daewoo: "zu bedeutend für einen Konkurs" oder konkrete
Aktuelle Themen Daewoo: „zu bedeutend für einen Konkurs” oder konkrete Anzeichen für die Umsetzung der Reformen Hintergrund Am 19. Juli stimmten die Gläubigerbanken der Refinanzierung kurzfristiger Schulden in Höhe von USD 5,9 Mrd. und einer Ausweitung der Kreditlinien um rund USD 3,3 Mrd. zu, um den Zusammenbruch des Daewoo-Konzerns – Koreas zweitgrößtes Industriekonglomerat – zu verhindern. Die Übereinkunft mit den Banken unter Federführung der Korea First Bank, die aufgrund von unzureichenden Rücklagen und Management-Fehlern selbst von der Asienkrise betroffen ist, wurde erreicht, nachdem ein Wochenende lang Unsicherheit über Daewoos Fortbestehen herrschte. Kursverluste an den Aktienmärkten, steilerer Verlauf der Zinsstrukturkurve, stabiler Wechselkurs Korea: Entwicklung des KOSPI-Index, des KOSPBANK-Index und der Daewoo Corporation Aufgrund der finanziellen Probleme des Daewoo-Konzerns hatte der koreanische Aktienindex KOSPI deutliche Verluste zu verzeichnen. Er fiel infolge der Debatte über eine Umschuldung um bis zu 15%. Dabei waren die Aktien des Daewoo-Konzerns am stärksten betroffen. Der Aktienkurs der Daewoo Corporation, des zentralen Handelsunternehmens des Konzerns, war bis Freitag, 30. Juli, um knapp 50% gesunken. Da das Engagement zahlreicher koreanischer Finanzinstitute bei der Daewoo Corporation und ihren Tochterunternehmen weiterhin hoch ist, sind koreanische Bankaktien ebenfalls stark unter Druck geraten. Der KOSPBANK-Index, ein Subindex des KOSPI, fiel um über 26%, da die Befürchtungen hinsichtlich eines Anstiegs der notleidenden Kredite zunahmen. In dem vorgelegten Restrukturierungsplan erklärten sich koreanische Investmenttrusts (ITCs), die etwa die Hälfte von Daewoos Inlandsschulden halten, zu weiteren Liquiditätsspritzen von KRW 2,9 Bill. bereit. Zur Finanzierung dieser Maßnahmen mußten sie jedoch Unternehmensund Staatsanleihen verkaufen, was zu einem sprunghaften Anstieg der entsprechenden Renditen führte. Die Benchmark-Rendite für 3J-Unternehmensanleihen erreichte den Jahreshöchststand von 9,13%; allerdings hat seitdem bereits ein Renditerückgang eingesetzt. Der Tagesgeldsatz wurde beibehalten, um einen Liquiditätsengpaß im Bankensystem zu vermeiden. Gleichzeitig wertete sich der koreanische Won (KRW) zwar nur leicht ab, fiel jedoch zum ersten Mal seit zweieinhalb Monaten unter die Schwelle von 1200 KRW/USD. 200 5. Jan. 1999 = 100 KOSPI-Index 180 160 KOSPBANKIndex in 140 120 100 Daewoo Corporation 80 60 J F 1999 M A M J J Korea: Zinsen & Wechselkurs 10 % KRW/USD 9 900 1000 8 Positive makroökonomische Entwicklung, anhaltend negative Meldungen auf der mikroökonomischen Seite 7 1100 6 1200 Es stellt sich die Frage, worauf die Liquiditätsprobleme des DaewooKonzerns zurückzuführen sind. Koreas makroökonomische Situation verbessert sich, und wir erwarten für 1999 weiterhin ein BIP-Wachstum von 6%. Wie bereits mehrfach betont, bestehen jedoch nach wie vor mikroökonomische Probleme. Die Reformen im Finanzsektor haben zwar gut begonnen; die früher als erwartet eintretende Erholung in Korea – die z.T. die statistische Folge eines umfangreichen Lagerabbaus in Höhe von 8,5% des BIP im letzten Jahr ist – hat jedoch den 4 Economics 5 1300 1400 3 J F 1999 M A M J J Tagesgeldsatz (links) 3J-Rendite für Unternehmensanleihen (links) KRW/USD (rechts) 13 Aktuelle Themen Druck auf die Regierung verringert, die Reformen mit unvermindertem Tempo fortzuführen. Trotz deutlicher Fortschritte verringert sich die Bereitschaft zu weiteren Reformen, je schneller sich die Wirtschaft erholt. Im Finanzsektor verzögerten erneute Preisverhandlungen den Verkauf von Beteiligungen an der Korea First Bank und der Seoul Bank an ausländische Investoren. Bis jetzt wurde keiner der angestrebten Verkäufe vollständig durchgeführt. Im Unternehmensbereich ist die Notwendigkeit von Reformen noch höher. Jüngst scheiterte der Tausch der Automobilsparte von Samsung gegen den Elektronikzweig von Daewoo. Dies ist nur ein Beispiel dafür, daß Korea noch weit von umfassenden Reformen entfernt ist. Das Ziel der Regierung, die Aktivitäten der fünf größten Chaebols durch eine Konzentration auf die Kernbereiche und den Verkauf anderer Branchen an Wettbewerber zu straffen, ist noch nicht verwirklicht. Den angekündigten “big deals“ fehlt es an Dynamik: der umfangreiche Austausch von Vermögenswerten sowie Fusionen von Tochterunternehmen der Chaebols zur Verringerung von Überkapazitäten und Effizienzsteigerung stehen großenteils nur auf dem Papier. Konkrete Schritte zur Schuldenreduktion und zu einer ernsthaften Umstrukturierung wurden – insbesondere bei Daewoo und Hyundai – kaum vorgenommen. Wie die Aktienkursentwicklung der fünf größten Chaebols seit dem 5. Januar 1999 zeigt, entwickelten sich die Aktien von Daewoo und Hyundai unterdurchschnittlich, während die Investoren die Maßnahmen von Samsung und LuckyGoldstar (LG) zur Umstrukturierung der Unternehmen und Neuorganisation des Managements durch höheres Vertrauen honorierten. Wirken sich die Probleme von Daewoo auf die Realwirtschaft aus? Aus rein betriebswirtschaftlicher und mikroökonomischer Sicht fiel Daewoo seiner eigenen Geschäftsstrategie zum Opfer: der Konzern expandierte, ohne ausreichende Cash Flows sicherzustellen. Dies würde zum Konkurs führen, wenn die Marktkräfte frei wirken könnten: selbst angesichts der Situation in Korea, d.h. vor dem Hintergrund der Asienkrise, ist bei der aktuellen Verschuldung in Höhe von 500% des Eigenkapitals keine Basis für die Geschäftstätigkeit vorhanden (bei Samsung z.B. betrug die Verschuldung Ende 1998 147% des Eigenkapitals). Durch eine Auflösung des Daewoo-Konzerns könnte die Regierung ihre Bemühungen unterstreichen, die hohe Konzentration in Koreas Industrie zu verringern und die Transparenz im Industrie- und Finanzsektor zu erhöhen. In zahlreichen Branchen ist Daewoo nicht wettbewerbsfähig. Jeder Versuch, einen technisch illiquiden Konzern zu stabilisieren, könnte Koreas Fortschritte mit Blick auf größere Offenheit, Transparenz und wettbewerbsfähige Märkte unterminieren. Aus makroökonomischer Sicht ist eine Auflösung von Daewoo jedoch aus mehreren Gründen relativ unwahrscheinlich. Erstens würden die notleidenden Kredite des Bankensektors zunehmen, wenn keine tragbare Vereinbarung zwischen Daewoo und seinen Gläubigern getroffen wird. Angesichts des geringen Eigenkapitals müßte ein großer Teil von Daewoos Schulden – insgesamt KRW 57 Bill. (USD 40,5 Mrd.); davon KRW 49 Bill. (USD 9,9 Mrd.) Inlandsschulden – von der Regierung übernommen oder ihr Ausfall vom inländischen Bankensektor und ausländischen Gläubigern verkraftet werden. Dies würde den jüngsten Vertrauenszuwachs gefährden und das Haushaltsdefizit (schätzungsweise 5,8% des BIP) um mindestens zwei Prozentpunkte vergrößern. Die Regierung hat bereits über KRW 140 Bill. für die Sanierung des Bankensektors bereitgestellt, wodurch die Schul- 14 Economics Koreas Aktienmarkt: Kursentwicklung der Kerngeschäftsbereiche der fünf größten Chaebols 500 450 400 350 300 250 200 150 100 50 0 Daewoo Corp. Samsung Corp. LG Electronics Hyundai Corp. SK Corp. 5. Jan. 1999 = 100 J 1999 F M A M J J Daewoo-Konzern: Auslands- und Inlandsverschuldung Mrd. USD - Juli 1999 6.8 3.1 40.5 Gesamte Inlandsverschuldung Auslandsverschuldung (Konzern ohne ausländische Tochterunternehmen) Auslandsverschuldung (ausländische Tochterunternehmen) Korea: Haushaltsdefizit 0 -1 -5.6 -5.8 -5.0 -2 -3 -4 -5 % des BIP -2.0 Daewoo Finanzpaket -6 -7 -8 1998 1999F 2000F Aktuelle Themen denquote von 10% auf 42% anstieg. Das Haushaltsdefizit dürfte in jedem Fall ansteigen, da Koreas Banken nicht die gesamte Last der Umstrukturierung tragen dürften. Zweitens machte der Umsatz der Daewoo Corporation 1998 rund 8% des BIP aus. Die Kerngeschäfte der fünf größten Chaebols erwirtschafteten mit ihren Umsätzen ca. 30% des BIP. Bei einem Konkurs von Daewoo wäre die Konjunkturerholung gefährdet. Die Arbeitslosenquote fiel im Juni auf den tiefsten Stand der letzten 18 Monate; der Konkurs von Daewoo würde jedoch zu weiteren Entlassungen führen. Die Gewerkschaften haben in diesem Jahr bereits gegen die Umstrukturierung der Chaebols protestiert. Obwohl Präsident Kim Dae-Jung und sein Kabinett zur Durchführung von Reformen entschlossen sind, die von einer großen Mehrheit der Koreaner getragen werden, dürfte er nicht bereit sein, die Erholung des Landes aufs Spiel zu setzen. Korea: Verwendung des BIP (1998) Außenbeitrag 13% Investitionen 21% Staatsverbrauch 11% Drittens dürfte die Realwirtschaft infolge der engen Korrelation zwischen der Belebung des realen privaten Verbrauchs und der Entwicklung des Aktienmarkts (Vermögenseffekt) in Mitleidenschaft gezogen werden: der private Verbrauch trägt rund 55% zum BIP Koreas bei. Nach unseren aktuellen Schätzungen dürfte der private Verbrauch 1999 um real ca. 5,7% steigen. Wenn Daewoo in Konkurs gerät und der KOSPI-Index erneut einbricht, könnte sich Koreas BIP-Wachstum in diesem Jahr um 0,2 – 1,0 Prozentpunkte verringern (d.h., das BIP-Wachstum würde von 6% auf 5,8% bzw. 5% zurückgehen, je nachdem, ob nur der Aktienmarkt reagiert oder ob es zu einer umfassenden Bankenkrise kommt). Um den Druck auf den angeschlagenen Chaebol zu verringern, hat die Bank of Korea bereits die kurzfristigen Zinsen gesenkt. Positiv wirkt sich aus, daß der IWF und die koreanische Zentralbank eine Wechselkursabschwächung vereinbart haben, um die Exportwirtschaft zu stützen und ein anhaltendes Wachstum zu sichern. Daher dürften die kurzfristigen Zinsen niedrig bleiben, damit dem Finanzsektor für die Überwindung der problematischen Phase ausreichend Liquidität zur Verfügung steht. Bei einem durchschnittlichen Anstieg der Konsumentenpreise um 0,6% im 1.Hj. 1999 (0,3% in Juli) – deutlich unter dem Zielwert der Regierung von 2% – besteht kein Anlaß zur Besorgnis hinsichtlich einer Inflationsbeschleunigung. Zusammenfassend gesagt dürfte die Regierung einen Konkurs des Daewoo-Konzerns durch fiskalpolitische Mittel, eine lockere Geldpolitik sowie eine beschleunigte Umwandlung der Verschuldung in Eigenkapital und den Verkauf von Vermögenswerten abwenden. Wenn der Sanierungsplan rasch umgesetzt wird und die Neuorganisation des Konzerns entsprechend den Vorschlägen der Gläubiger fortgesetzt wird, dürften die Folgen für Koreas BIP-Wachstum in diesem Jahr begrenzt sein. Aller Wahrscheinlichkeit nach dürften mittelfristige Stützungsmaßnahmen für Daewoo eingeleitet werden; längerfristig dürfte der Konzern dann von Koreas Konjunkturerholung profitieren. Privater Verbrauch 55% Korea: Verbraucherpreisinflation & Inflationsziel der Regierung % gg.Vj. 12 10 8 6 4 2 0 J A 1997 J O J A 1998 J O J A 1999 Verbraucherpreisinflation Zielwert der Regierung Unterstützungsmaßnahmen können umfassende Umstrukturierungen nicht ersetzen Da die jüngsten Probleme jedoch hauptsächlich auf strukturelle Defizite der koreanischen Wirtschaft zurückzuführen sind, können eine kurzfristige Refinanzierung und mittelfristige Unterstützungsmaßnahmen ein ernstzunehmendes Konzept für eine Umstrukturierung nicht ersetzen. Es ist fraglich, ob der kurzfristige Nutzen einer indirekten Subventionierung von Daewoo die langfristigen Nachteile einer möglichen Verzögerung der Reform der Chaebols aufwiegt. Derzeit dürfte die korea- Economics 15 Aktuelle Themen nische Regierung den angeschlagenen Konzern stützen, um eine erneute Bankenkrise und Wachstumsverluste zu verhindern. Koreas konjunkturelle Dynamik kann jedoch auf lange Sicht nur durch ernsthafte Reformen – u.a. konsequente Umstrukturierungen, Entlassungen und Straffungen von Unternehmen – wieder erhöht werden. Andernfalls dürfte das Land wie Japan auf lange Sicht nur ein deutlich geringeres Wachstum verzeichnen. Rainer Polster, +49 69 910-31716 ([email protected]) © 1999. Deutsche Bank AG, DB Research, D-60272 Frankfurt am Main, Bundesrepublik Deutschland (Selbstverlag). Alle Rechte vorbehalten. Bei Zitaten wird um Quellenangabe „Deutsche Bank Research“gebeten. 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