Evaluation der Umsetzung der Empfehlung des Rates der Europäischen
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Evaluation der Umsetzung der Empfehlung des Rates der Europäischen
Evaluation der Umsetzung der Empfehlung des Rates der Europäischen Union vom 18. Juni 2003 zu Prävention und Reduktion von Gesundheitsschäden im Zusammenhang mit Drogenabhängigkeit Martin Busch & Marion Weigl 17. Substitutions-Forum, Plattform für Drogentherapie Mondsee 5. bis 6. April 2014 EU Ratsempfehlung 2003 » Die Mitgliedstaaten sollten zur Gewährleistung eines hohen Gesundheitsschutzniveaus die Prävention von Drogenabhängigkeit und die Verringerung damit verbundener Gefahren zum Ziel ihrer Gesundheitspolitik machen und dementsprechend umfassende Strategien ausarbeiten und umsetzen. » Die Mitgliedstaaten sollten zur Erreichung einer deutlichen Senkung der Inzidenz drogenbedingter Gesundheitsschäden (wie etwa HIV, Hepatitis B und C und Tuberkulose) sowie der Zahl drogenbedingter Todesfälle als integralen Bestandteil ihrer umfassenden Politiken zur Drogenbekämpfung und zur Drogenbehandlung verschiedene Dienstleistungen und Einrichtungen vorsehen, die insbesondere auf die Risikominderung ausgerichtet sind - eingedenk des allgemeinen Ziels, den Drogenmissbrauch von vornherein zu verhindern. » Die Mitgliedstaaten sollten spezifische Aktivitäten zur Entwicklung geeigneter Evaluierungsverfahren, die die Effizienz und Wirksamkeit der Drogenprävention sowie die Reduzierung drogenbedingter Gesundheitsrisiken erhöhen, in Erwägung ziehen. Zielsetzungen des Projekts Diese zweite Bestandaufnahme (erste erfolgte 2007) zum Stand der Implementierung der Ratsempfehlung umfasst alle 27 EU Mitgliedsstaaten, das Beitrittsland Kroatien und die Kandidatenländer: ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien, Island, Montenegro und die Türkei. » Überblick über die Entwicklung der Drogensituation mit Hauptfokus auf drogenbezogene Infektionskrankheiten (HIV, HCV etc.) und Todesfälle » Einschätzung der Entwicklung der Versorgungslage hinsichtlich Maßnahmen der Schadensminimierung im Drogenbereich » Update der wissenschaftlichen Evidenz zu Maßnahmen der Schadensminimierung » Schlussfolgerungen und Empfehlungen Datengrundlage » Auf Ebene der EBDD verfügbare Daten 2003 bis 2011/2012 – Statistical Tables, Structured Questionnaires, Länderberichte zur Drogensituation, EU-Drogenberichte, Country Overviews, Best Practice Portal, EDDRA, … » Befragung der EBDD-Focal Points - Gap Survey [26 Länder] » Onlinebefragung hochrangiger “policy makers” [31 Länder] » Onlinebefragung von Feldoranisationen im Bereich Schadensmimimierung [43 Organisationen aus 24 Ländern] » Literaturanalyse basierend auf aktuellen Übersichtsarbeiten zur Schadensminimierung allgemein » Systematische Literaturanalyse zu ausgewählten Themen Projektergebnisse » Hauptbericht mit einem Überblick über Epidemiologie, Versorgungslage bezüglich Schadensminimierung und Evidenz zur Schadensminimierung » 4 systematische Übersichtsarbeiten: „Peer-NaloxonProgramme“, „Spritzentauschprogramme in Haftanstalten“, „Haftentlassungsmanagement“, „Maßnahmen zur Beeinflussung der Applikationsform“ » 32 Länderprofile zu Epidemiologie und Versorgungslage » Bericht über die Ergebnisse der Befragung der Feldorganisationen » 13 Empfehlungen und 3 Prioritäten für zukünftige Schwerpunkte im Bereich Schadensminimierung Projektergebnisse Ausgewählte Ergebnisse zur Epidemiologie Leitdrogen Opioide, Stimulantien und Kokain 2010 Veränderung der Anzahl der über i. v. Konsum mit HIV infizierten Personen 2003 bis 2010 HCV-Ab Raten bei i. v. Drogenkonsumierenden Veränderung der Anzahl der drogenbezogenen Todesfälle 2003 bis 2010 Projektergebnisse Ausgewählte Ergebnisse zur Versorgungslage Entwicklung der Anzahl von Personen in Substitutionsbehandlung 2003 bis 2010 Opioid substitution treatment clients (%) Anteil der Personen mit problematischem Opioidkonsum in Substitutionsbehandlung 2010 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 Vielfältige Gestaltung der OST in Europa » In der Regel kombiniert mit psychosozialer Behandlung, teilw. differenziert zwischen Basis- und umfassender Versorgung (z. B. CZ, FR) » Üblicherweise in spezialisierten ambulanten Einrichtungen, in 14 Ländern auch durch Allgemeinmediziner/innen (häufig in Kooperation) – tw. auch als „niederschwelliges“ Angebot » In manchen Ländern ist dafür eine Zusatzqualifikation nötig, in anderen nicht – z.T. von Substanz abhängig (z. B. CZ und FR für HDB nicht nötig, NL für MMT) » In wenigen Ländern spezielle Kommissionen für Verordnung zuständig (z. B. LT, HU) oder ausschließlich durch Psychiater möglich (z. B. EE, in IE für HDB) » Abgabe des Substitutionsmittels durch (spezialisierte) Apotheker/innen, qualifiziertes medizinisches Personal, Facheinrichtungen und/oder Allgemeinmediziner/innen Vielfältige Gestaltung der OST in Europa 2 » Substitutionsmittel: In EU ca. 70 % Methadon, ca. 25 % Buprenorphin, ca. 5 % andere Substitutionsmittel eingesetzt » Je nach Land Einsatz sehr unterschiedlich, abhängig v. a. von strukturellen und finanziellen Rahmenbedingungen » Nicht verordnungskonformer Konsum bzw. Konsum ohne Verordnung in allen Ländern zu beobachten (das jeweils am häufigsten eingesetzte Mittel findet sich auch am häufigsten am Schwarzmarkt) Entwicklung der in spezialisierten niederschwelligen Einrichtungen ausgegebenen Spritzen 2003-2010 Umsetzung von speziellen Maßnahmen der Schadensminimierung Maßnahme Verfügbarkeit Konsumräume Deutschland, Luxemburg, Niederlande, Spanien Dänemark Peer Naloxone Programme Italien, Deutschland, Spanien, Litauen, UK (England, Wales, Schottland) Bulgarien, Dänemark Heroingestützte Behandlung Belgien, Dänemark, Deutschland, Niederlande, Spanien, UK Spritzentausch im Gefängnis Deutschland, Spanien, Luxemburg, Portugal, Rumänien Pill testing Österreich, Belgien, Frankreich, Niederlande, Portigal, Spanien Projektergebnisse Ausgewählte Ergebnisse aus der Befragung der Feldorganisationen Sinnvolle Maßnahmen zur Reduktion der Inzidenz von DRID needle & syringe exchange for IDUs 69% paraphernalia distribution for IDUs 32% drug consumption rooms 30% opioid substitution treatment (OST) 29% treatment of DRID 20% harm reduction measures (e. g. NSP) in prison 19% promotion of NIROA (e. g. sniffing, smoking) 17% 8% 12% condom distribution for IDUs 11% 12% 12% 3% 25% 35% 25% 31% 21% 17% 17% information and counselling of drug users related to harm… 7% 13% 21% 13% 2% heroin assisted treatment 7%2% 15% 17% 25% screening for drug related infectious diseases (DRID) 7% psychosocial care and rehabilitation supporting OST 7% 23% hepatitis B vaccination of IDUs 7% 12% 3% safer injection training 5% 31% 14% 14% 31% training of staff related to the prevention of DRID 4% 9% 22% 29% paraphernalia distribution for sniffing drug users 4% 12% 14% drug free treatment 2% 2% 9% 0% 10% 20% 30% Rank 1 to 3 40% 50% Rank 4 to 6 60% 70% 80% Rank 7 to 10 90% Sinnvolle Maßnahmen zur Reduktion der Inzidenz von DRD naloxone "take home" programs 38% drug consumption rooms 37% first aid training for drug users 31% opioid substitution treatment (OST) 30% information and counselling services to drug users related… 23% 14% 9% 22% 22% prison release management related to overdose prevention 22% 21% heroin assisted treatment 21% 14% 19% 13% 11% 11% 10% 13% release management (drug free treatment) 10% 13% 9% 14% 20% psychosocial care and rehabilitation supporting OST naloxone in ambulances 17% 17% 16% 12% 9% 11% 20% drug checking for drug users emergency services adequately prepared to deal with… 7% 36% 24% low threshold drop-in centers 7% 26% 22% 4% 10% medical aid in cases of overdoses without costs for the… 4% 8% 4% medical aid in cases of overdoses without police… 4% 23% 18% drug free treatment 1%6%2% promotion of NIROA 13% 0% Rank 1 to 3 10% 28% 20% 30% Rank 4 to 6 40% 50% 60% Rank 7 to 10 70% 80% Projektergebnisse Systematischer Review „Peer Naloxone Programme“ Ergebnisse Peer Naloxone Programme » Überdosierungen zählen zu den häufigsten Todesursachen in jungen Altersgruppen & Opiate sind in über 90 % der drogenbezogenen Todesfälle beteiligt » Die meisten Überdosierungen finden unter Beisein von Peers statt » Naloxone ist ein Opioid-Antagonist, der bei Abwesenheit von Opioid keine Auswirkung hat » Studien kommen zu dem Ergebnis, dass Naloxone Programme die Inanspruchnahme von Rettungsdiensten nicht beeinflussen und riskanten Konsum sogar reduzieren können » Naloxone Peer Programme empfohlen von: US Centre for Disease Control and Prevention; Global Fund to fight AIDS, Tuberculosis and Malaria; Open Society Foundation, US Drug Policy Alliance, ACMD Beispiele - Dänemark » Hohe Anzahl an DRD -> Drogenpolitik legt Fokus auf Schadensminimierung -> Naloxon-Pilotprogramm in Kopenhagen (28 Personen geschult, 17 Überdosierungen verhindert) -> seit 2012 nationales Naloxon-Programm (Teil eines Pakets an verschiedenen möglichen schadensminimierenden Maßnahmen, die Gemeinden umsetzen können) » Ärzt/innen verordnen Naloxon, dokumentieren Verordnung und schulen Teilnehmer/innen als ihre Assistent/innen » Einbindung der Zielgruppe in Entwicklung des Naloxon-Kits und der regionalen Organisation sehr positiv für Umsetzung » Intensiver Austausch ermöglicht es auch andere gesundheitsrelevante Themen anzusprechen Beispiele - Schottland » Neue Drogenstrategie in 2008 –> Nationale DRD Datenbank – > Empfehlungen von Fachkräften und Ergebnisse eines lokalen „take-home“-Naloxon-Pilotprogramms -> seit November 2010 nationales Naloxon-Programm für Schottland umgesetzt (in Gemeinden und Haftanstalten) » Gemeinden 2011/12 insgesamt 2.730 kits verteilt: 87 % der „naloxone kits“ an gefährdete Opioid-Abhängige abgegeben, 11 % an Mitarbeiter/innen relevanter Einrichtungen und 2 % an Familienmitglieder bzw. Freund/innen. 84 % waren „first supply“, 13 % „repeat supply“ (davon 38 % aufgrund eines Einsatzes des vorherigen kits bei Überdosierung) » Eigene Website mit weiteren Informationen für verschiedene Zielgruppen (u.a. Trainingsmaterial) und Suchfunktion (Naloxon-Finder) - http://www.naloxone.org.uk/ Projektergebnisse Schlussfolgerungen und Empfehlungen 13 evidenzbasierte Empfehlungen 1. Politische Stärkung von Schadensminimierung 2. Verbesserung des Angebots von sterilem Spritzbesteck 3. Verbesserung von Struktur und Deckungsgrad der Substitutionsbehandlung 4. Ausbau von Schadensminimierung in Haft 5. Schaffung von Peer Naloxone Programme 6. Niedrigschwelliger Zugang zur Notfallversorgung (Rettung) 7. Schaffung von Drogenkonsumräumen 8. Ausbau von Beratung, aufsuchenden Angeboten und Peer-Projekten 9. Zugang zur HCV-Behandlung 10. Flächendeckende HBV Impfung 11. Verbesserung der Wohnversorgung 12. Vernetzung der Angebote (Zusammenarbeit aller Teile des Hilfssystems) 13. Ausbau von Forschung und Evaluation Priorität A: Verringerung drogeninduzierter Todesfälle Empfehlungen » Hintergrund: Es ist nicht gelungen die Zahl drogeninduzierter Todesfälle seit 2003 zu reduzieren. » Vorgeschlagene Maßnahmen: Verbesserung der Versorgungslage (für spezifische Zielgruppen von Opioidabhängigen, niederschwelliger Zugang zur Substitutionsbehandlung, Kostenübernahme der Substitutionsbehandlung durch die Sozialversicherung) und Durchführung der Substitutionsbehandlung (Vermeidung von Behandlungsunterbrechungen, Vermeidung von Wartelisten), Erleichterung der Inanspruchnahme von Notfalldiensten, PeerNaloxon-Programme, Vernetzung von Einrichtungen (insbesonders Haftentlassungsmanagement und Therapienachsorge), Drogenkonsumräume, aufsuchende Sozialarbeit, Peer-Programme und Unterstützung der Familien. Zum Weiterlesen Evaluation der Umsetzung der Empfehlung des Rates der Europäischen Union vom 18. Juni 2003 zu Prävention und Reduktion von Gesundheitsschäden im Zusammenhang mit Drogenabhängigkeit » http://www.goeg.at/de/BerichtDetail/Bericht-zu-Massnahmengesundheitlicher-Schadensminimierung-bei-Drogenabhaengigkeit2013.html